Denkmalpflege in Niederösterreich Bade- und Kuranstalten Bade- Band 56 – Bade- und Kuranstalten 56 – Bade- Band

Mitteilungen aus Niederösterreich Nr. 5 /2017 Österreichische Post AG MZ02Z032683M Amt der NÖ Landesregierung Landhausplatz 1, 3109 St. Pölten

Band 56

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Bade- und Kuranstalten

Vorwort

Im Sommer mit seinen warmen Temperaturen suchen viele das kühle Nass, um sich zu erfrischen. Dazu wurden schon zur Zeit der Römer Badeanstalten errichtet. Auch aufgrund der reinigenden und heilenden Wirkung von Wasser wurden in früheren Zeiten Anlagen errichtet, in denen gemeinsam gekurt und gewaschen wurde. So ist es nur konsequent, dass „Bade- und Kuranstalten“ das Thema dieser sommerlichen 56. Ausgabe der Broschüre „Denkmalpflege in Niederösterreich“ sind.

Wasser als wesentliche Grundlage unseres Lebens ist heute schon selbstverständlich in jedem Haushalt verfügbar. Früher aber waren Orte, um Wasser zu holen oder auch zur Reinigung zu nutzen, in den meisten Fällen öffentliche Anlagen. Zum Baden und Schwimmen oder zu Kur versammeln wir uns auch heute noch in „Bade- und Kuranstalten“. Die meisten für Bade- und Kurzwecke genutzten historischen Stätten, die sich in Niederösterreich erhalten haben, stammen aus dem 19. Jahrhundert, als die heilende Wirkung des Wassers wiederentdeckt wurde und der Trend zur „Sommerfrische“ entstand.

Ich freue mich, als Landeshauptfrau die Agenden der Denkmalpflege in Niederösterreich zu übernehmen und gemeinsam mit den Eigentümerinnen und Eigentümern die Verantwortung für das großartige baukulturelle Erbe des Landes zu tragen. Um für dieses Erbe eine Zukunft sicherzustellen, muss es von uns auch genutzt werden, um nicht an Bedeutung zu verlieren. In diesem Sinne wünsche ich Ihnen einen schönen und erholsamen Sommer in den Bädern Niederösterreichs!

Johanna Mikl-Leitner Landeshauptfrau von Niederösterreich Editorial

Das aktuelle Heft der „Denkmalpflege in Niederösterreich“ gleicht einer Zeitreise durch die Kulturgeschichte des Badens in unserem Bundesland.

Wellness, Relax, , Fitness – Begriffe, die für sehr moderne, aktuelle Methoden der Steigerung des körperlichen, geistigen und seelischen Wohlbefindens stehen. Die jährliche Ausgabe eines bekannten Relax-Guides listet aktuell über 1000 Hotels für Wellness und Gesundheit in Österreich auf. Doch die vielen Kur- und Badeanstalten und Fremdenverkehrseinrichtungen sind keine Erfindung der Neuzeit. Eine der ersten Kurkliniken der westlichen Welt war im 4. Jahrhundert vor Christus das Asklepieion von Kos, ein Heiligtum der griechischen Antike. Die ganzheitlichen Heilmethoden umfassten rituelle Waschungen, Schlaf und Gebete, Bäder, Packungen, Massagen, Kräuterbehandlungen und körperliche Ertüchtigung.

Die Römer verfeinerten diese Badekultur in Form von weitläufigen Thermen, die über Heilquellen entstanden, etwa in Baden (Aquae), Mautern (Favianis), St. Polten (Aelium Cetium) oder Petronell-Carnuntum, wo es mehrere Thermenanlagen gab. Eine Therme im Westteil der Insula VI

Bade- und Kuranstalten Bade- der Römerstadt wurde, basierend auf den Befunden der Untersuchungen aus den Jahren 2005– 2008, als Gebäude voll funktionstüchtig rekonstruiert.

Nach dem Untergang der Antike ging das Wissen um die hochentwickelte Badekultur verloren. Quellen waren wohl über die Zeiten hinweg als heilige Orte und Plätze der Kraft als Wallfahrtsorte bekannt. Aber die Heilkraft des Quellwassers für den Körper wurde erst wieder im 12. Jahrhundert als wertvoll erachtet. Später dienten die Badehäuser des Mittelalters dann vor allem als Kommunikationszentren. In jeder Hinsicht: Geschäfte bis hin zu Ehen wurden hier im Nass der großen Bottiche geschlossen oder angebahnt. Neue Krankheiten und enorm gestiegene Holzpreise führten aber bald zum Niedergang der öffentlichen Badekultur. Wasser büßte seinen Charakter als Quelle des Heils erneut ein.

Aber wie bei Ebbe und Flut entsteht im 18. Jahrhundert eine Gegenbewegung, die ein zentrales Motiv hat: „Zurück zur Natur“. Viele neue Kuranstalten werden rund um Thermalquellen errichtet.

Zunehmend extrovertierte Lebensformen und die „kontrollierte Zulassung von Körperfreuden“ lassen im 19. Jahrhundert eine Summe von neuen Kuranstalten und Fluss- und Stromfreibädern entstehen. Mit den neuen Bahnlinien bilden diese Bäder und Anstalten in Form der Sommerfrische ein neues Wechselverhältnis zwischen Metropole und Region. Ökonomie und Psyche treffen – wie im Mittelalter – wieder aufeinander, mit dem Ziel eines umfassenden „psychischen, physischen und sozialen Wohlbefindens“.

In diesem Sinne: Christian Knechtl Bade- und Kuranstalten

Lisa Fischer Restaurierbeispiel Zeitreisen durch die Kulturgeschichte des Badens 6 Richard Messner Susanna Reichert-Freude Vom Frauenbad zum Arnulf Rainer Museum 46 Bäder – Medizinhistorische Entwicklung niederösterreichischer Kurorte im 19. Jahrhundert 13 Blick über die Grenzen Hans Hornyik Denkmalpflege International Baden bei Wien: historische Entwicklung als Kur- und Badestadt und Teil des geplanten UNESCO- Volkmar Eidloth Weltkulturerbes „Great of Europe“ 17 Baden-Baden – Sommerhauptstadt und Stadtdenkmal 48 Gerold Eßer Die niederösterreichische Bäderlandschaft der Aktuelles aus der Denkmalpflege Sommerfrische. Status Quo aus der Sicht der in Niederösterreich 52 Denkmalpflege 22 Buchempfehlungen 58 Caroline Jäger-Klein Von Strand-, Strom- und Römerbädern in Ausstellungsempfehlungen 60 Niederösterreich. Ein architekturgeschichtlicher Überblick 29 Literaturhinweise 62

Franz Humer Römische Bäder in Niederösterreich 35

Nina Kallina und Patrick Schicht Private Badeanlagen in Niederösterreich in historischer Zeit 40 Zeitreisen durch die Kulturgeschichte des Badens

Lisa Fischer Gesund- und Jungbrunnen die Welt hereinbrechen. Schöpfungs- und Zerstö- Wasser symbolisiert Leben. Es spielt in allen Epo- rungsmythen sind eng mit dem Wasser verknüpft. chen eine bedeutende Rolle, ist mythologisch auf- Quellen dienten über die Zeiten hinweg als heilige geladen und archetypisch besetzt. Im Fruchtwasser Orte und Kraftplätze. Hier wurden Weissagungen entwickelt sich das menschliche Sein, dem Schaum gesprochen, floss das Schicksal zu jenen, die es zu Das Innere eines der Meereswellen entspringen Göttinnen. Aus dem deuten wussten, von ihnen entsprang, wenn schon Badehauses, Fluss Lethe trinken die Seelen der Verstorbenen, um nicht Heilung, so doch Trost. Heidnische Kult- 16. Jahrhundert, ihre Erinnerungen zu verlieren und in der anderen plätze an Quellen wurden durch das Christentum Kupferstich von Welt wiedergeboren zu werden. Doch auch der Tod überlagert, in Analogie zu den alten Göttinnen der Virgil Solis lauert in den Fluten, wenn sie im Übermaß über Muttergottes geweiht und zu lukrativen Wallfahrts- orten, wie sie in der Gemeinde Poysdorf im Maria- Bründl oder in der Lourdes-Grotte von Maria Gug- ging noch immer bestehen. In der Kirche Maria Schutz am Semmering aber sprudelt noch heute eine Quelle aus dem Brunnen hinter dem Altar. Wasser erhielt neben dem Kult- einen Kulturcha- rakter und behielt eine Funktion. Im Alltag trank der Mensch aus Brunnen und reinigte sich. Im europäischen Raum kannten germanische und slawische Stämme sowohl das Baden im Freien als auch eigene Schwitzstuben. Männer, Frauen und Kinder sprangen zum Vergnügen und zur Rei- nigung nackt in kalte Flüsse und irritierten die an warme Bäder gewöhnten römischen Eroberer. Der- art geschult im Schwimmen und abgehärtet durch die Kälte fügten ihnen die teutonischen Kämpfer so manche Niederlage zu. Waschen und Baden sind zudem jenes Zwillingspaar, das die Menschen in der Folge in der Natur nicht nur zum Reinigungs- zweck, sondern als rituelle Handlung vollzogen. Im Amalgan des christlichen und heidnischen Glau- bens feierte man den Frühlingsbeginn zu Walpur- gis mit dem Maibad und die Sommersonnenwende mit dem Johannisbad. Die Menschen stiegen in die klaren Fluten von Seen oder Gewässern, um sich damit Gesundheit, Kraft und Stärke für den gesam- ten Jahreszyklus zu garantieren. Begleitet wurden diese rituellen Bäder mit ausgelassenen Volksfesten.

6 Badeszene, Holzschnitt Kaum verwunderlich, dass dabei auch Erotik und von Johann Schaeffler, Sexualität blühten und der alte Fruchtbarkeitskult 1498 praktische Anwendung fand.

Wannen und Wonnen Nach dem Zerfall des römischen Reiches ging seine hochstehende Badekultur vorerst verloren. Doch auch das Mittelalter frönte leidenschaftlich dem Baden. Berichte darüber datieren bereits um 1050. Erste Abbildungen finden sich im 13. Jahrhundert. Die weitgehend verschwundene Badekultur erlebte in der Folge durch die aufblühenden Städte und die Rückkehr der Kreuzritter einen neuen Aufschwung. Sie hatten im Orient die wohltuenden Bäder ken- nengelernt und sie zurück ins Abendland gebracht. Es gab eigene Wannen in den Ritterburgen, die nicht nur der Wonne dienten, sondern den gehobe- existierten Badestuben. In St. Gallen gab es um 820 nen Status ihrer Besitzer unter Beweis stellten. Um sogar eigene Räume in der Nähe der Küche, bei Das Frauenbad ihre Prestigeattribute zu demonstrieren, wurden den Studierzimmern und selbst im Hause der Die- um 1500, Stich von Gäste gerne mit der Einladung zu einem Bad mit nerschaft konnte das warme Nass genossen wer- Albrecht Dürer Rosenblüten verwöhnt. Aber auch in den Klöstern den. Neben den Vergnügungen des Adels oder jenen des Klerus entwickelten sich im Mittelal- ter schnell öffentliche, meistens städtische Badestu- ben zu einem wichtigen Wirtschaftssektor. Sie wur- den verpachtet, der Hausherr verlangte Eintritt und zahlte seinerseits Abgaben. Zudem war er hier als Bader und in einer Zusatzfunktion als Arzt tätig. Er war nicht nur für die Einhaltung der Ordnung unter seinen Gästen zuständig, sondern für Schröp- fen oder Aderlassen, Salben und Verabreichen von Kräuterextrakten, ja sogar für kleine chirurgische Eingriffe. Somit bediente er als Universalist zahlrei- che Aspekte der Gesundheit.

Lust und Laster Die Badehäuser dienten neben der Reinigung als höchst gesellige Kommunikationszentren. Männer und Frauen teilten sich ohne Geschlechtertrennung gemeinsam das Vergnügen. Sie badeten in großen Bottichen sitzend zu zweit oder bis zu einem Dut- zend. Sie speisten, zechten und sangen, kurz, sie frönten dem Nass mit all ihren Sinnen. Im feuch- ten und bunten Treiben wurden Geschäfte geschlos- sen oder Ehen angebahnt. Hochzeitspaare landeten mitsamt ihrer Gesellschaft in den wohlriechenden

7 Lucas Cranach, Bottichen. Die Ausgelassenheit blühte hier ebenso Einer Badeordnung von 1644 zufolge wirkte die Der Jungbrunnen, wie die körperliche Lust, was schnell zu Verbo- Essenz eines gekochten Fuchses für die Heilung 1546, Gemäldegalerie ten und Einschränkungen führte und dem Bade- gebrochener Knochen geradezu Wunder. Hatte betrieb zudem einen dubiosen Ruf brachte. Dies man keines dieser Waldwesen zur Verfügung, so umso mehr, als die Bademägde und -knechte die konnte auch der Sud eines Hundes verwendet wer- Gäste nicht nur mit Wasser oder Speisen bedien- den. In den Bädern differenzierten sich in der Folge ten, sondern oft auch mit ihrem Körper. Badestu- die sozialen Schichten aus. Um sich gegen ärmere ben und Bordelle gingen immer wieder eine Sym- Bevölkerungsgruppen abzugrenzen, blieb man biose ein oder existierten friedlich nebeneinander. unter sich und entwickelte eigene Strukturen der Nicht zufällig entwickelte sich ein Spruch und galt Geselligkeit. Parallel dazu entstand ein neues Ver- als durchaus praktizierte Regel: hältnis zur Nacktheit. Nun verbarg man die eroge- „Für unfruchtbare Frauen ist das Bad das Beste, nen Zonen hinter Schurzen. Der Wert der Bäder Was das Bad nicht tut, das tun die Gäste.“ für körperliche Gesundheit, die auch seelisches So wurden, um der sogenannten Zügellosig- Wohlbefinden miteinschloss, war meistens unum- keit Einhalt zu gebieten, bereits im 14. Jahrhun- stritten. Dies veränderte sich im späten 15. Jahr- dert immer mehr Verbote aufgestellt. Um dem städ- hundert durch das vermehrte Aufkommen der tischen Sittenkodex zu entfliehen, verlagerten sich Syphilis. Zusammen mit der immer stärker werden- manche Badestuben in die Regionen und wurden den Durchsetzung der kirchlicher Moral und des somit Vorformen der Kurorte. Bad Pirawarth galt städtischen Leistungsprinzips entstand eine Diffa- schon früh als beliebte Eisen- und Schwefelquelle. mierung des lustvollen Müßiggangs. Die exorbitant

8 steigenden Holzpreise führten dann zu einem kon- Kreisen der Bevölkerung eine neue, durchaus posi- tinuierlichen Niedergang der öffentlichen, nicht tive Bedeutung. jedoch der adeligen Badekultur. Auch die Kontrolle Wien, die Stadt am Fluss, besaß diesbezüg- über Flüsse und Seen nahm zu, das Nacktbaden der lich eine ausgeprägte Tradition. Das erste Strom- ländlichen Bevölkerung wurde mit Strafen geahn- bad, vom Reformarzt Dr. Ferro als Schiff in das det. Gleichwohl existierte es mangels flächende- Donauwasser gesetzt, ermöglichte bereits 1781 ckender Durchsetzung der Gesetze weiter. öffentliche Kaltbadefreuden zur körperlichen Hygi- Doch das Wasser hatte als Quelle des Heils ene und Gesundheit. Ihm folgten im 19. Jahrhun- seinen Charakter eingebüßt. Durch Pest und Cho- dert in Wien zahlreiche andere Badeanstalten. Wie lera galt es wegen möglicher Krankheitsübertragung die meisten damaligen Strombäder bestanden sie als gefährlich. Im 18. Jahrhundert wusch man sich aus geschlossenen Holzbauten, die im Wasser lagen selten oder benütze in höheren sozialen Schichten und sittsam verschlossen waren. Die Tiefe konnte Parfums zur Reinigung und Überlagerung unliebsa- durch einen verstellbaren Korb reguliert werden, mer Düfte. Puder und Perücken dienten der Über- der je ein Abteil für Männer und eines für Frauen deckung von Schmutz. besaß. Die Errichtung von Freibädern bewegte sich in der Folge von Wien weg, den Strom aufwärts Kur und Architektur nach Niederösterreich und erreichte auch in den Als im 18. Jahrhundert der Ruf von Jean Jaques Wellen des Kamps in Gars seine Gäste. In Kloster- Rousseau „Zurück zur Natur“ durch Europa eilte, neuburg war 1878 das Engl-Bad errichtet worden. bewegte dies erneut das Verhältnis zum Baden. Es befand sich in dem mit Donauwasser gespeis- Gleichzeitig forderte der durch die Industrialisie- ten Kritzendorfer G’schirrwasser. 1872 errichtete rung bedingte gesundheitliche Niedergang weiter zudem Freiherr von Babo, der Gründer der Wein- Teile der Bevölkerung hygienische Rezepte. Fort- bauschule von Klosterneuburg, im Weidlingtal ein schrittliche Ärzte gaben dem Wasser eine neue Bad mit herrschaftlichem Gepräge. Männer und positive Bedeutung. Bei Thermalquellen entstan- den Anstalten. Mit ihnen wuchsen Kurzentren und gaben ihnen mit speziellen Architekturen ein eige- nes Gepräge, das beim Baden zum örtlichen Pres- tigegewinn genutzt werden konnte. Auch kaltes Wasser galt zunehmend als ideales Hygienerezept. Zur Abhärtung eingesetzt, sorgte es für Gesundheit und das Schwimmen in eisigen Fluten wurde, aller- dings nur für Knaben, integraler Bestandteil ihrer Schulbildung. Damit verlor das Baden seinen ehe- maligen Freiheitscharakter und avancierte neben der Ertüchtigung zur Disziplinierung jugendli- cher Körper. In den militärischen Schwimmbä- dern, in Klosterneuburg entstand bereits 1811 ein solches in der Donau, wurde dieses Prinzip resolut zum Abwehrkampf gegen die Krankheit im Inneren des Körpers und des Feindes in der Außenwelt ein- gesetzt. Nicht immer mit Erfolg, denn dem Prin- zip des „Verkühle dich täglich, um gesund zu blei- ben“ waren nicht alle gewachsen. Dennoch erhielt Postkarte, um 1900 das Baden durch die Schwimmschulen in weiten

9 Frauen durften hier gemeinsam ihrem Badevergnü- 18. Jahrhunderts und der Aufbruchsstimmung des gen nachgehen, was für die Moralvorstellungen der Fin de siècle, bei der die Lebensreform eine wesent- Zeit äußerst ungewöhnlich, ja als geradezu revoluti- liche Rolle spielte. Romantische Naturvorstellungen onär anzusehen war. Im Kierlingtal ermöglichte das verbunden mit Sozialutopien, Vegetarismus und der Buchbergbad eisenhaltige Kurmöglichkeiten mit Freikörperkultur suchten Experimentierfelder. besonderem hygienischem Komfort und einer ein- Die Errichtung von Strombädern spiegelte zigartigen Warmwasserzufuhr. Die Luft war der- demnach das sich historisch verändernde Verhält- art gesund, dass man hier das berühmte Sanatorium nis von Mensch und Natur wider. Als Mittel phy- Hoffmann errichtete, in dem Franz Kafka Erholung sischer Erholung und hygienischer Prophylaxe war suchte, aber keine Genesung mehr finden konnte. das Baden um die Jahrhundertwende wesentli- Baden und Kuren verbanden sich zu einer untrenn- cher Bestandteil eines neuen Körperkults geworden. baren gesundheitspolitischen Maßnahme. Nach den Verboten des wilden Badens im 17. Jahr- hundert entsprachen sichere Badeplätze nicht nur Der Donaustrom – Baden als soziale Strömung den neuen Freiheitsbedürfnissen der Bevölkerung, Im Kontext dieser neuen Mode, die Gesundheit sondern einer verstärkten obrigkeitsstaatlichen Ord- mit Baden und beides mit Sommerfrische verband, nung und der kontrollierten Zulassung von Körper- steht die Errichtung des Strombades Kritzendorf. freuden. In diesen Ambivalenzen realisierte sich die Im Jahre 1902 wurde der Bau beschlossen, das Pro- neue Badekultur. jekt über Winter ausgearbeitet, im Frühjahr 1903 begonnen und trotz des eingetretenen Hochwas- Krize-les bains sers am 18. Juli 1903 eröffnet. Das Jahr 1903 mar- Durch die Franz-Josephs-Bahn an Wien angeschlos- kierte somit einen neuen Höhepunkt der Bade- sen stieg seit 1870 die Attraktivität von Kritzen- kultur am Fluss. Die Errichtung des Strombades dorf. Es etablierte sich als beliebte Sommerfrische. Kritzendorf stand jedoch nicht singulär im Raum, An sonnigen Wochenenden strömten in der Zwi- sondern folgte den aufklärerischen Traditionen des schenkriegszeit des 20. Jahrhunderts schließlich

Robert Wosak, 1913, aus: Sommerfrische Kritzendorf an der Donau

10 Plakat „Klosterneuburg Tausende in das Paradies an der Donau. Man gab Strandbad“ sich mondän, träumte von der Riviera und nannte die Sommerkolonie dementsprechend Krize-les- bains. Das Wechselverhältnis zwischen Metropole und Region erhielt eine neue Dynamik und begann sich bald in alle Bereiche des Lebens auszubrei- ten, was sich in Architektur, Literatur, Musik und vor allem in der Sozialstruktur bemerkbar machen sollte. Als Trennung zwischen Ort und Bad fun- gierte der Auwald, der seinerseits Natur und Zivili- sation miteinander verband. Die Grenzen wurden fließend. Trat man über die Schwelle einer Bade- hütte, lagen Wald und Wellsand vor der Haustür und boten in ihrer Ursprünglichkeit das Abenteuer der Wildnis. Die Landschaft war mächtig, ebenso wie die Naturgewalten, die immer wieder unver- mutet über die zivilisierende Landnahme in Form von Überschwemmungen hereinbrechen konnten. Im Bereich des Strombades baute man die Hütten daher auf Stelzen. Krize-les-bains erschien als adäquate Ant- wort für die durch die Inflation geschüttelten „Gol- eine Sanitätsstation, eine Strandfeuerwehr, Wiener denen Zwanziger Jahre“. 1927 verzeichnete der Hochquellenwasser und elektrische Beleuchtung. Sommerfahrplan den ersten Zug von Wien Rich- Kein anderes Bad in Österreich lag unmittelbar am tung Strombad um 4 Uhr 25 morgens, den letz- großen Fluss. Nirgendwo anders konnte man so ten von Kritzendorf nach Wien nachts um 1 Uhr direkt dem Lauf eines Stromes in die Ferne folgen 15. Die Züge verkehrten an den Wochenenden und die Träume vom Schwarzwald bis ans Schwarze nach Bedarf, manchmal im 10- oder 20-Minuten- Meer fliegen lassen, während man, im Wellsand Takt und mit eingeschobenen Zusatzwaggons. Der liegend, den Gesängen der rollenden Kieselsteine Triebwagen mit seiner weithin sichtbar dampfen- lauschte oder selbst in das Wasser der Donau stieg. den Lokomotive befand sich in der Mitte, links und Die Riviera an der Donau wurde nicht nur rechts davon waren Waggons angekoppelt. Tau- ein Zentrum des Massentourismus, sondern Aus- sende Personen strömten zur neuen Metropole der druck einer spezifischen Weekend- und Körper- Freizeitkultur. An einem Sonntag im Juni des Jahres kulturbewegung der 1920er/30er Jahre. Kritzen- 1928 meldete die Klosterneuburger Zeitung 8000 dorf war Überganszone zwischen Massenkultur und Gäste in Greifenstein, 12.000 Gäste in Kritzendorf Elite. Hier trafen sich die unterschiedlichsten sozia- und 18.000 im Klosterneuburger Bad. len und politischen Kreise – im Badekostüm schie- Die Länge des Bades betrug zwei Kilome- nen alle gleich zu sein. Im Schatten der graugrü- ter, es verfügte über eine dem Strand vorgelagerte nen Auwälder aber lebten jenseits der Eintrittspreise Sandbank von 800 m Länge und 60 m Breite. Man die Freikörperkultur und die zwanglose Erotik. So konnte Saisonkabinen oder Kästchen mieten, eines verbanden sich am Strom Gesundheitsbewusstsein, der kleinen, aber begehrten Badehäuschens erstehen Badefreuden, sportliche Betätigung und erotische oder sich eines erbauen lassen. Im Bad arbeiteten Vergnügungen und durchmischten erfolgreich die ein Badearzt und ein Bademeister. Obligatorisch sozialen Abgrenzungen zwischen Bürgertum und war auch der Schwimmunterricht. Zudem gab es Proletariat.

11 Masse und Klasse oder Baden oder auf den Semmering. Dort fanden Um der Hygiene der Bevölkerung Auftrieb zu ver- sie moderne Hallenbäder oder wie in Edlach in Rei- leihen, kam es in den Ballungszentren in den 80er chenau Ende der 1920er Jahre sogar ein Freibad mit Jahren des 19. Jahrhunderts zu Errichtung von Sand aus dem Süden und dem Blick auf die Berg- Volksbädern. Da die Wasserzufuhr in den obersten kulisse der Rax. Mit den Kurgästen kam der touris- Stockwerken angesiedelt war und wegen des gro- tische und wirtschaftliche Aufschwung ganzer Regi- ßen Zulaufes oft überbeansprucht wurde, konnte onen. Doch diese Magneten dienten weniger der die heißersehnte Brause vielfach nur als spärli- Reinigung als zur Entspannung. Die mit ökono- ches Tröpferl der Reinigung nutzen. Da der Groß- mischer Kraft Ausgestatten nützten die Orte zur teil der ärmeren Bevölkerung seinen privaten Was- Selbstdarstellung und Geselligkeit, als Ehebörsen serbedarf nur in den öffentlichen Brunnen oder und Geschäftsumschlagplätze und last but not least am Gang ihrer Wohnhäuser – an der sogenann- zur Heilung psychischer oder physischer Leiden. ten Bassena – befriedigen konnte, bot ihnen das Besonders für Frauen war die Kur auf Grund des Tröpferlbad eine wichtige Möglichkeit der Körper- Arztes, der sich im Gegensatz zu den Ehemännern pflege. Doch auch das Bürgertum lebte um 1900 um sie kümmerte, eine wichtige Regenerations- und bis in die 1920er Jahre in seinen Wohnungen hilfe ihrer erkrankten Seelen. Die Kurschatten taten noch weitgehend ohne Bad und fließendes Was- ebenfalls Wirkung und Liebeleien blühten erneut in ser. Es entfloh den nervös gewordenen Städten in den warmen Quellen. die in Mode gekommen Kurorte nach Bad Vöslau Wellness gegen Leistungsstress Im 21. Jahrhundert fluktuieren die sozialen und funktionalen Grenzen der Badekultur im Fluss der Zeiten und kehren zur Natur zurück. Wohnungen bieten allzeit Wasser aus der Leitung, Toilettenspü- lung inbegriffen. Sauna und Swimmingpool eröff- nen nicht nur private Erholungsoasen, sondern sind integrierter Bestandteil der zahlreichen Angebote in den Kuranstalten. Gemeinden locken im Som- mer mit ihren Freibädern und Wellnesstempeln zur sehnsuchtsvollen Entspannung. Dort wo ihr kont- rolliertes und pekuniär aufwendiges Geschäft einer zunehmend kranken Leistungsgesellschaft endet, beginnen Flüsse und Seen erneut ihren Freiheits- charakter zurück zu erobern. Hier kann man, wie in alten Zeiten, die Verabredung mit einer Welle tref- fen und dem lustvollen Augenblick ein Angebot der Muße machen. So existieren pekuniäre und kos- tenlose Badevergnügen und Heilangebote friedlich nebeneinander. Ihr Wasser aber bleibt ein kostbares Gut der Gegenwart.

Postkarte von Fritz Schönpflug, um 1900

12 Bäder – Medizinhistorische Entwicklung niederösterreichischer Kurorte im 19. Jahrhundert

Susanna Reichert- Entdeckungen, Fortschritt und die großen gesell- Thermen, die im gesamten römischen Reich über Freude schaftlichen Veränderungen im 19. Jahrhundert Heilquellen entstanden. Mit dem Untergang der waren Basis für die Entwicklung einer Kurkul- Antike ging auch umfassendes Heilwissen verloren tur mit ganz eigener Medizin. Das Asklepieion oder geriet in Vergessenheit. von Kos, Heiligtum der griechischen Antike, war Heilende Quellen wurden im 12. Jahrhun- wohl die erste Kurklinik der westlichen Welt. Diese dert neuerlich als wertvoll erachtet und diese alte imposante und weitläufige Anlage bot schon im Naturmedizin allmählich wieder gepflegt. Bader 4. Jahrhundert v. Chr. Ausstattung und Behand- und Badstuben waren Anlaufstellen für Heilsu- lungen, die einem modernen Zentrum Ehre chende des 14. und 15. Jahrhunderts. Erste „Wild- machen würden. Die Heilmethoden waren ganz- bäder“ entstanden im 16. Jahrhundert über lange heitlich und beinhalteten rituelle Waschungen, bekannten Heilquellen und entwickelten sich zu Gebet und Schlaf ebenso wie Bäder, Packungen, Kurorten mit typischer Architektur und Atmo- Massagen, Kräuterbehandlungen und körperliche sphäre. Das Kurwesen wurde in der Habsburger- Ertüchtigung. Über Wochen oder Monate konn- monarchie traditionellerweise gefördert und Ende ten Körper, Seele und Geist gesunden. Die Römer des 18. Jahrhunderts zählte man hier etwa 300 verfeinerten diese Badekultur in weitläufigen Kurorte, davon 17 in Niederösterreich.

Sauerhof, kolorierter Kupferstich, Carl Graf Vasquez, ca.1830 (Ausschnitt)

13 Die Situation der westlichen Medizin zu Beginn Feuer – bekam nun neue Bedeutung. Ein geeig- des 19. Jahrhundert war keine sehr ruhmreiche. neter Kurort bot gute Luft, fern der überfüllten Es waren zwar seit dem 16. Jahrhundert Studien und verschmutzten Stadt. Es sollte Wasser geben an Leichen erlaubt und auch die Entwicklung des in Form von Heilquellen und Erde wie Heilmoor Mikroskops im 17. Jahrhundert brachte umfas- oder Schlamm. Feuer schließlich, also Hitze, war sende Erkenntnisse über den Bau des menschlichen wichtig, um die Wirkung zu verbessern. Körpers. Die Krankheitslehre jedoch, d.h. das Wis- Die Bäder Niederösterreichs, die diese sen über die körperlichen Funktionen und Fehl- Bedingungen erfüllten, hatten auch den Vorteil funktionen, sowie die therapeutischen Möglichkei- der Nähe zu Wien. Baden, Bad Deutsch-Altenburg ten waren minimal. Die am häufigsten genutzten und Bad Pirawarth mit schwefelhältigen Quellen, Behandlungen wie Aderlass oder Verabreichung Salzerbad mit Solequellen oder etliche Kaltwasser- von Opiumtinktur schwächten die Kranken nur kurorte wie Bad Vöslau, Kaltenleutgeben und Bad noch zusätzlich. An Seuchen wie Typhus, Cho- Fischau entwickelten sich im Laufe des 19. Jahr- lera, Syphilis und Tuberkulose erkrankten und star- hundert weiter und boten nach dem Bau der ben Tausende, unabhängig ihres gesellschaftlichen Eisenbahnen einer immer größer werdenden Schar Status. Überlebende litten an Spätfolgen oder den von Kurgästen ihre Behandlungen an. Die Kurorte hochgiftigen Behandlungen mit Quecksilber und an der Thermenlinie hatten zusätzlich den großen Arsen. Fehlgeburten, Unfälle oder Kriegsverletzun- Vorteil der Weinkultur. Die Anziehungskraft des gen führten zu quälenden Schmerzen oder nicht Weines, aber auch der entschlackenden Trauben- heilen wollenden, infizierten Wunden. Hier boten kur, war nicht zu unterschätzen. die Badekuren tatsächlich Heilung oder zumindest Baden genoss eine Sonderstellung. Es erfüllte Linderung. alle Kriterien und bot zusätzlich eine weit zurück- Die göttliche Verehrung der vier Ele- reichende Kurtradition mit damals 13 Schwe- mente im Altertum – Luft, Wasser, Erde und felquellen. Es war über fast vier Jahrzehnte

Lantin’sche Heilanstalt, Postkarte um 1900

14 Johann von Oppolzer wissenschaftlich bewiesenen Heilwirkungen waren (1808–1871), überzeugend und wurden durch die wochenlange Lithographie von Anwendung verstärkt. Eduard Kaiser, 1850. Ein neues Forschungsgebiet entstand – Wegen seiner Verdienste die Balneologie (Bäderkunde). Die 2. Hälfte des um die Badener Heil- 19. Jahrhunderts war geprägt von Tatkraft und quellen wurde er 1866 Forscherdrang einiger herausragender Ärzte. Sie zum Ehrenbürger der waren Wegbereiter für die großen medizinischen Stadt Baden ernannt. Entdeckungen des 20. Jahrhunderts, zum Beispiel die Entwicklung von Antibiotika, wodurch die gro- ßen Seuchen endlich besiegt werden konnten. Der wichtigste österreichische Name in diesem Zusam- menhang ist Johann von Oppolzer (1808–1871), Begründer der ganzheitsmedizinischen Diagnose und Therapie der Zweiten Wiener Medizinischen Schule und Rektor der Universität Wien. Seine damals revolutionäre Betrachtungsweise des Men- schen als Einheit von Körper, Seele und Geist hatte durchaus Gegner, brachte ihm aber die Erkenntnis, dass gerade Badekuren einem ganzheitlichen The- rapieansatz gerecht wurden. Für ihn waren Bäder wichtigste Therapiegrundlagen. Er förderte die Entwicklung von Kurorten und auch die Verwen- dung von neu entwickelten Elektrotherapien, die Lieblingskurort von Kaiser Franz II.(I.) (1768– heute noch wegen ihrer schmerzlindernden Wir- 1835) und dadurch in den Sommermonaten das kung in jeder Kur Bedeutung haben. Die Balneo- politische, gesellschaftliche und kulturelle Zent- logie bewirkte ebenso ein langsam aufkeimendes rum des zweitgrößten europäischen Reiches. Die Hygienebewusstsein und definierte die Heilwir- Kurstadt Baden wurde in der ersten Hälfte des kung des Wassers durch hydrostatischen Druck, 19. Jahrhunderts besonders attraktiv und bot mit Durchblutungsförderung oder direkte Wirkung der zunächst 16 Badeanstalten Behandlungen für Pati- Mineralien. Dies wiederum führte zur Gründung enten aller Gesellschaftsschichten. Das warme einer Vielzahl von Sanatorien mit immer höher Schwefelwasser mit seiner entzündungshemmen- entwickeltem medizinischem Angebot an Diagnos- den, schmerzlindernden und desinfizierenden Wir- tik und Therapie. kung wurde für Voll- oder Teilbäder genutzt, je Einer der Schüler Oppolzers war Johann nach Leiden oft mehrere Stunden pro Tag. Die Schnitzler (1835–1893), bedeutender Laryngologe Trinkkur war eine weitere wichtige Anwendung, (Spezialist für Kehlkopferkrankungen), Hochschul- wobei bis zu vier Liter Schwefelwasser, pur oder lehrer und Mitbegründer bzw. Leiter der Allgemei- mit Molke verdünnt, eine entschlackende und ent- nen Poliklinik in Wien. Sein Sohn, der Arzt und giftende Wirkung hatten und Entzündungen u.a. Schriftsteller Arthur Schnitzler (1862–1931), hat des Verdauungstraktes oder der Harnwege linder- den Vater in dem Bühnenstück „Professor Bern- ten. Inhalationen, Spülungen aller Körperhöh- hardi“ verewigt. Hier zeichnet er das Bild eines len und kalte oder warme Packungen ergänzten Arztes, für den das Patientenwohl über allem steht. die Behandlungen, welche vom Kurarzt zusam- Arthur Schnitzler war übrigens mit seiner Fami- mengestellt und überwacht wurden. Die heute lie seit Jugendtagen ein häufiger Gast in Baden und

15 Prof. Winternitz, Postkarte um 1900

verwendete die Atmosphäre der Stadt mehrfach als Packungen, Inhalationen oder Spülungen angebo- Hintergrund für seine Werke. ten. Aber auch frische Luft, Ruhe, ein geregelter Ein weiterer, bedeutender Schüler Oppolzers Tagesablauf und das ärztliche Gespräch wurden als war Wilhelm Winternitz (1834–1917), Internist, heilsam definiert. Hydrotherapeut und Balneologe. Er begründete Heute kennt man aus Studien die Heil- die hydrotherapeutische Abteilung an der Allge- kraft eines Kuraufenthaltes – neben den direk- meinen Poliklinik und 1865 die „Kaltwasserheilan- ten Wirkungen der Kurmittel gibt es einen posi- stalt Winternitz“ in Kaltenleutgeben, eine nieder- tiven Einfluss auf das Immunsystem, es werden österreichische Kurklinik, welche bis in die 1930er Stresshormone abgebaut, es gibt einen antidepres- Jahre genutzt wurde. Parallel dazu hatte der bay- siven Effekt und positive Gedanken werden wie- rische Pfarrer Sebastian Kneipp (1821–1897) mit der möglich. Der Gesamtorganismus kann gesun- seinen „Fünf Säulen der Gesundheit“ – Wasser, den. Die Balneologie als Teil der Ganzheitsmedizin Bewegung, Ernährung, Ordnung und Kräuter – bleibt eine hochwirksame Ergänzung zur moder- eine eigene ganzheitliche Heilslehre entwickelt. Sie nen Schulmedizin, die nicht zuletzt in den nieder- war zunächst angefeindet, wurde aber später auch österreichischen Bädern in der Nähe Wiens mitent- von Medizinern unterstützt. wickelt wurde. Wasser und die ganzheitsmedizinische Betrachtungsweise des menschlichen Organis- mus wurden also als wichtige Therapeutika erkannt und führten zu erstaunlichen Erfolgen. Wiederent- deckte antike Heiltheorien, die bis in die Gegen- wart Bedeutung haben, verfestigten sich über die Kurmedizin, die ihre Therapien ständig erweiterte. Massagen, Diäten, Heilgymnastik, Elektrotherapie und Bestrahlungen wurden zusätzlich zu Bädern,

16 Baden bei Wien: historische Entwicklung als Kur- und Badestadt und Teil des geplanten UNESCO-Weltkulturerbes „Great Spas of Europe“

Hans Hornyik Baden ist die Stadt mit dem sprechenden Namen, begannen die Konkurrenz zu überflügeln. Grund deren Wappen aus dem Jahr 1480 ein nackt baden- dafür waren ein ideales Zusammenspiel herausra- des Pärchen zeigt. Zum Baden kam man hierher gender medizinischer Bedeutung und Zuspruch seit der Steinzeit, um in den warmen, schwefelhal- der Könige und Fürsten, Künstler, Intellektuellen tigen Wässern Gesundheit zu finden. Vor der Ent- und Reichen, die wiederum die Entwicklung der wicklung der naturwissenschaftlichen Medizin im Infrastruktur in den Top-Fremdenverkehrsorten späten 19. Jahrhundert hatte die Badekur einen dieser Zeit vorantrieben. Bis zum Zweiten Welt- Stellenwert, den wir uns heute nicht mehr vorstel- krieg sollten diese großen Kurstädte unangefoch- len können. Baden bei Wien war eines der beiden tene Spitzenreiter des Europäischen Fremdenver- wichtigsten Kurbäder der Donaumonarchie. 1777 kehrs bleiben. Fast 100 Jahre später haben sich nun publizierte Heinrich Joseph Crantz seinen Führer die elf am besten erhaltenen dieser „Weltkurorte“ durch die „Gesundbrunnen der österreichischen zu den Great Spas of Europe zusammengefunden. Monarchie“. Er beschreibt fast 600 Kurorte. Nur Die Vorbereitungen für die Einreichung zur Auf- Baden und Karlsbad waren ihm mehr als ein paar nahme auf die Liste des UNESCO-Weltkulturerbes Zeilen wert. Mit Beginn der europäischen Aufklä- laufen. Great Spas of Europe sind: Baden bei Wien, rung stellten Adel und aufstrebendes Bürgertum Baden-Baden, Bad Kissingen, Bad Ems, Bath, neue Ansprüche an Komfort und Unterhaltungs- Montecatini Terme, Spa, Vichy, Karlsbad, Marien- angebot. Einige wenige der unzähligen Kurorte bad und Franzensbad.

Stadtwappen Baden, Mosaik an der Fassade des Herzoghofes

Herzogbad, Kupferstich von Matthäus Merian 1649

17 sind allerdings profunde Hinweise auf Reichtum der Kurstadt und hohe Qualität der Gästequar- tiere seit dem Mittelalter.

Kaiser Franz II. (I.) 1796–1834 Im Jahr 1796 besuchte Kaiser Franz II. erstmals Baden. Damit begann für die Kurstadt eine neue Ära. Kaiser Franz setzte in Baden vielseitige Ini- tiativen zur Entwicklung des Badeortes. Höhe- punkt des kaiserlichen Willens, Baden zu einer imperialen Baderesidenz zu entwickeln, war die Planung eines Badeschlosses unter Einbezie- hung des Frauenbades und des schon bis dahin als Hofquartier genutzten Klosters der Augusti- ner Eremiten im Jahr 1811. Chronischer Geld- Schloss Weilburg bei Baden von den Anfängen bis 1796 mangel wegen der Franzosenkriege, gipfelnd im Baden, Baden bei Wien wurde erstmals im 3. Jahrhun- Staatsbankrott 1811, ließ die meisten kaiserlichen 1821–1945/64, dert n. Chr. als Aquae erwähnt. Die antiken Ideen scheitern. Letztlich erwarb Kaiser Franz kolorierter Kupferstich Badeanlagen befanden sich im Bereich des heuti- das fürstlich Esterhazy’sche Haus am Hauptplatz. gen Kongresshauses und der Sommerarena. Eine Er wohnte beinahe jedes Jahr in dem bis heute erste Nennung von „Padun“ nach der Völker- „Kaiserhaus“ genannten Palais. Kaiserliche Fami- wanderungszeit ist aus dem Jahr 869 erhalten. Im lie, Hofstaat, Regierung und ausländische Diplo- 11. Jahrhundert war Baden Eigentum der Baben- maten folgten ihm und logierten verstreut in der berger Markgrafen. ganzen Stadt. Es waren Jahre des Aufbruchs: Der Ab dem 13. Jahrhundert erkoren die Habs- Kurpark wurde erweitert, in ihm Äskulaptem- burger Landesfürsten Baden zu ihrem liebsten pel und Ursprungsbad errichtet, das Josefsbad um Heilbad. Kaiser Friedrich III. wählte die Stadt den Zubau im Stil eines Vestatempels ergänzt und als kaiserlichen Kurort. Maximilian I., Leopold das Leopoldsbad neu erbaut. Das Rathaus wurde I., Josef I., Maria Theresia, und Josef II. folgten 1815 auf ausdrücklichem Wunsch des Kaisers, seinem Vorbild. Neben der kaiserlichen Fami- gegen den Willen der Stadtväter, im klassizisti- lie besuchten zahlreiche gekrönte Häupter Euro- schen Stil neu erbaut. pas die Heilquellen, wie König Mathias Corvinus war der bedeutendste von Ungarn, Ladislaus IV. von Polen, König Fer- Künstler, der Baden in diesen Jahren regelmäßig dinand IV. von Sizilien, August der Starke, der in aufsuchte. Viele Musiker und bildende Künstler Baden zum Katholizismus konvertierte, oder Zar waren Teil der Sommergesellschaft der Kurstadt. Peter der Große, der nach seiner Rückkehr nach Der Wiener Theaterbetrieb verlegte sich während St. Petersburg den Befehl gab, in Russland Ther- der Saison nach Baden, wo das 1812 neu erbaute malquellen nach Badener Vorbild zu suchen. Die Kornhäuseltheater als Spielstätte diente. Zahlreiche Kurinfrastruktur war in dieser Zeit eher sparta- Salons und Landhäuser, wie jene Fanny von Arn- nisch. Nur Herzog- und Sauerhofbad bekamen im steins und des Hofbibliotheksdirektors Graf Osso- Laufe des 16. Jahrhunderts ein repräsentativeres linski, bildeten Kristallisationspunkte des intellek- Aussehen. Ansonsten waren die Badehäuser klein tuellen Lebens in der Kurstadt. und unscheinbar. Erhaltene hochwertige Fresken Neben dem Kaiser schufen sich zwei sei- und Stuckdecken in Privathäusern der Innenstadt ner Brüder repräsentative Sommersitze. Erzherzog

18 Situationsplan der landesfürstlichen Stadt Baaden, Carl Graf Vasquez, ca.1830 (Ausschnitt)

Anton Viktor ließ 1812 das Stadtpalais in der 1835 bis 1870: Stagnation und beginnendes heute nach ihm benannten Antonsgasse errich- Wachstum. ten. Erzherzog Carl, der Sieger über Napoleon in Mit dem Ableben von Kaiser Franz 1835 verlor die der Schlacht bei Aspern, erbaute seiner Gemah- Stadt wichtige Gäste. Seine beiden Nachfolger blie- lin Erzherzogin Henriette am Eingang ins Hele- ben Baden fern. Ein Blick in die Gästestatistik zeigt, nental das repräsentative Schloss Weilburg. Dieses dass die Gästezahlen bereits seit 1820 leicht rückläu- Schloss war bis 1918 eine der wichtigsten Som- fig waren. Mit dem Ausbleiben des kaiserlichen Hof- merresidenzen der Familie Habsburg. Der Bruder staates wurde das Problem offensichtlich. Die wirt- Henriettes, Fürst Wilhelm von Nassau, ließ nach schaftliche Stagnation war Abbild der ökonomischen Vorbild der Parklandschaft im Badener Helenen- Lage der Monarchie. Trotz Anschluss an die Eisen- tal in Bad Ems den berühmten Kurpark anlegen. bahn 1842 und einer Reihe von Investitionen der In den Jahren um 1820 erlebte Baden einen Stadt in den Badebetrieb, wie die Errichtung einer regelrechten Bauboom. Neben der Weilburg wur- Trinkhalle 1843 oder der Mineralschwimmschule den innerhalb kurzer Zeit eine erste Trinkkuran- 1847, sollte erst Mitte der 1850er eine erste Trend- stalt, Sauerhof, Engelsbad, Frauenbad, Militärbad wende erreicht werden. 1853 wurde der Kurpark Peterhof und Wohltätigkeitshaus Mariazellerhof erweitert, Dampf-D­ ouche-Wannenbäder, Musik- neu errichtet. Diese Jahre waren Höhepunkt einer pavillon, Stadtgärtnerei gebaut, die Sommerarena Ausbauphase des Kurortes, die 1794 begonnen erneuert. Mit dieser Kraftanstrengung hatte sich hatte und mit dem Kauf des ehemaligen Klosters die Stadt hoch verschuldet. Es folgten weitere Jahre durch das Hofaerar zur Unterbringung des Hof- ohne wesentliche Investitionen, die in abermals fal- staates 1827 endete. lenden Gästezahlen ihr Abbild fanden.

19 beim Hotel Sacher und das Sanatorium Guten- brunn setzten neue Maßstäbe für Badens Tou- rismus. Eine Reihe moderner Hotels erwei- terte in den Jahren darauf das Zimmerangebot. Mit der Sommerarena 1906 und dem Stadtthe- ater 1908 reagierte man auf die Wünsche des Bildungsbürgertums. Ein fulminantes Musikangebot rundete das Angebot des Kurortes ab. Johann Strauß und Josef Lanner gaben Konzerte, das Theater spielte ein dichtes Programm. Internationale Größen wie Carl Michael Ziehrer, Karl Komzak und Carl Zeller waren als Kapellmeister der Kurmu- sik engagiert. Gesellschaftlich wurde Baden von den Nebenlinien der Familie Habsburg geprägt. Neben Weilburg und dem Kaiserhaus gab es zwei weitere Residenzen: 1873 die Villa von Erz- herzog Rainer und Erzherzogin Maria Karoline Kurpark mit Undine- 1870 bis 1918: auf dem Weg zum Weltkurort und 1886 die Villa von Erzherzog Wilhelm im brunnen und Kurhaus Im letzten Viertel des 19. Jahrhunderts exponen- Helenental. – heute Kongresshaus tiell steigende Gästezahlen spiegeln sich auch in Einige der reichsten Familien der Monar- der rasanten Entwicklung der kurstädtischen Inf- chie wohnten ebenfalls jeden Sommer in Baden rastruktur wider. Theater, Musik und Spiel waren und lockten ihresgleichen, aber auch Kunst und zu allen Zeiten treue Begleiter der Badekur. Viele Geist in die Kurstadt. Die Friedensnobelpreis- Einrichtungen, die uns heute selbstverständ- träger Bertha von Suttner und Alfred Fried, die lich sind, kamen in die großen Kurstädte bereits Schriftsteller Arthur Schnitzler und Stefan Zweig 100 Jahre früher als in andere Landstädte. Den hielten sich ebenso häufig in Baden auf wie der gewohnten Standard der Metropolen Europas zu ideologische Begründer des Zionismus Theo- bieten, war auch das Badener Erfolgsgeheimnis. dor Herzl, Architekt Adolf Loos oder Kompo- 1876 und 1877 erneuerte die Stadt die wichtigs- nist Oscar Strauß. Andere berühmte Personen ten Bäder. Das Thermalwasser ließ man wissen- wurden in Baden geboren, wie Karl Landstei- schaftlich analysieren, Frauenbad, Franzensbad, ner (Medizinnobelpreis), Architekt Joseph Frank Dampfbad, Ursprungsbad, Josefsbad und Her- oder der große Theaterreformer , zogbad wurden modernisiert. 1885/86 folgte der andere verbrachten einen Teil ihrer Jugend hier Neubau des Kurhauses. wie Elias Canetti (Literaturnobelpreis) oder Seit 1866 gab es in Baden ein Gaswerk Jura Soyfer. Baden war eine Mischung aus Spit- und öffentliche Gasbeleuchtung. Zwischen 1873 zen-Tourismusdestination und Sommerwohn- und 1910 wurden vier Straßenbahnlinien ange- ort der Superreichen der k.u.k. Monarchie und legt, von denen die nach Wien stand damit in einer Reihe mit den anderen bis heute existiert. Sport wurde immer wichti- Weltkurorten. ger. 1893/94 errichtete der Trabrennverein seine Mit Ausbruch des Ersten Weltkrieges Rennbahn. Mit dem 1900 eröffneten „interna- wurde Baden zur Lazarettstadt. Kaiser Karl I. tionalen Sportplatz“ schloss man bewusst an die verlegte das Oberkommando der k.u.k. Armee Entwicklung der großen Kurstädte Deutsch- von Teschen in Schlesien mit 1. Jänner 1917 lands an. Die neuen Kuranstalten im Kurpark, nach Baden. Der Kaiser hatte seine allerhöchste

20 seit den 1870er Jahren einen zweiten Lebensmit- telpunkt eingerichtet hatten. Der Anschluss an das Deutsche Reich 1938 bedeutete für Baden den Verlust des jüdischen Elements und das abrupte Ende des Aufstiegs der letzten 65 Jahre. 1945–1955 wählte die Admi- nistration der sowjetischen Besatzungszone in Österreich Baden als Ort für ihre Kommandan- tur. Der Kurbetrieb kam weitgehend zum Erlie- gen. Diese lange Unterbrechung des Fremdenver- kehrs, bei gleichzeitiger Devastierung von beinahe aller Infrastruktur und Verlust etlicher wichti- ger Gebäude, bedeutete für die Kurstadt Baden eine schwere Zäsur. Erst Mitte der 1960er Jahre erholten sich Fremdenverkehr und Kurwesen. Die Bedeutung der Zeit vor 1938 konnte aber nicht mehr erreicht werden. Heute werden die Kuranstalten von den Villa Erzherzog Hofstatt im Kaiserhaus eingerichtet. In den großen Österreichischen Sozialversicherungen Wilhelm, heute Wintern 1916/17 und 1917/18 wohnte die bzw. in einem Fall einem privaten Träger betrie- nach dessen Neffen ganze kaiserliche Familie in diesem Palais. Die ben. Das Kurhaus bietet darüber hinaus die all- Eugenvilla genannt Monarchen und Befehlshaber der Achsenmächte gemeinen Kuranwendungen ambulant an. In waren häufige Gäste. den letzten 15 Jahren hat die Zahl der Kur- und Reha-Gäste von rund 250.000 Nächtigungen im Baden nach 1918 Jahr auf 350.000 zugenommen. Die Bädertradi- Das Ende der Donaumonarchie veränderte Baden tion Badens wird weiterhin gepflegt. Wie seit über grundlegend. Die Habsburger waren bisher ein 2.000 Jahren dient das Schwefel-Thermalwasser geradezu konstituierendes Element Badens. Spöt- der Heilung leidender Menschen. tisch nannte man die Stadt Schwarzgelbowitz. Die Die Initiative zur Eintragung der Great meisten Badener Habsburger waren kürzlich ver- Spas of Europe auf die Liste des Weltkulturer- storben, der Eigentümer der Weilburg, Erzher- bes bewirkt eine Rückbesinnung auf die unver- zog Friedrich und seine Familie, nach Ungarn wechselbare Stärken Badens, seine Tradition als ausgewandert. Badeort und Zentrum konzentrierter Urbanität, Trotzdem hielt die rasante Aufwärtsentwick- die, zeitgemäß interpretiert, eine prosperierende lung des Kurtourismus in der Zwischenkriegszeit Zukunft ermöglichen werden. an. Thermalstrandbad aus 1926, Trinkhalle und Beethoventempel aus 1927 sind Zeugnisse dieser Epoche mit den höchsten Gästezahlen aller Zei- ten. Der riesige Anteil von Wiener Großbürger- tum und dessen Entourage an der Bürgerschaft der Stadt unterschied Baden auch weiterhin von allen anderen Kleinstädten im Umfeld der Metro- pole. Die drittgrößte jüdische Gemeinde Öster- reichs mit über 2400 Mitgliedern bestand vor allem aus dem Kreis dieser Familien, die in Baden

21 Die niederösterreichische Bäderlandschaft der Sommerfrische. Status Quo aus der Sicht der Denkmalpflege

Gerold Eßer Eine Beschäftigung mit dem Thema der Bäder- Baden in Baden – Neubeginn der Badekultur bauten und Badeanlagen der Sommerfrische in In Baden bei Wien wurde die Badekultur in Nie- Niederösterreich enthüllt schnell die Vielfalt der derösterreich neu geboren. Ausgelöst durch kaiser- erdachten und gebauten Konzepte: Von zunächst liche Initiative und gut dotierte Bauaufträge von dem Kaiserhaus und adeligen Kreisen vorbehalte- Angehörigen des Hofes und der adeligen Gesell- nen Badehäusern bis hin zu den großen, allen sozi- schaft entstanden in Baden als Zentralort der Ther- alen Schichten zugänglichen „Frei“-Bädern sind menlinie mit seinen warmen, mineralhaltigen bauliche Unterschiede evident. Eingefügt in so Quellen im gesamten 19. Jahrhundert und bis in unterschiedliche Stadt- und Landschaftsräume wie die 1920er Jahre hinein teils architektonisch her- etwa jene der Thermenlinie südlich von Wien, die ausragende, bis heute zum großen Teil in ihrem teils wildromantischen Gebirgstäler und Regio- prägenden Bestand erhaltene Bäderbauten, die lan- nen des Alpenrandes über die weit sich ausbrei- desweit ihresgleichen suchen. Den Schlusspunkt tende Flusslandschaft des Donaustroms bis hin zu dieser Entwicklung setzte die Errichtung des zwi- den kühlen Sommerfrischen des Waldviertels nutz- schen spätem Sezessionismus und Art Deco ange- ten und nutzen Bäder und Badeanlagen in beson- siedelten, nach dem Vorbild adriatischer Seebä- derer Weise die jeweils gegebenen geologischen, der gestalteten Thermalstrandbades nach Plänen geographischen und landschaftlichen Bedingun- von Alois Bohn im Jahr 1926. Die überwiegende gen, in denen sie entstehen. Im Folgenden soll die Zahl der in Baden verwirklichten und bis heute niederösterreichische Bäderlandschaft der Sommer- teils in ihrer ursprünglichen Funktion genutzten, frische in ihrem auf uns gekommenen Bestand aus teils erfolgreich umgewidmeten Anlagen sind heute dem Blickwinkel der Denkmalpflege beschrieben geschützte Baudenkmale. Sie stellen stadtbildprä- werden. gende Ankerpunkte im Badener Ortsgefüge dar

Baden, Strandbad

22 durch den Bankier Moritz von Fries und erweitert durch den Ringstraßenarchitekten Theophil Han- sen im Jahr 1873, der Ausbau einer zunächst aus- schließlich als Holzarchitektur erdachten öffent- lichen Badeanstalt als eine später bedeutende Institution der Gesundheitskultur ihren Anfang. Auch in Vöslau waren warme Mineralquellen der Ursprung und Adlige sowie begüterte Angehö- rige der oberen Mittelschicht die treibenden Kräfte einer Entwicklung, die den Ort zu einer belieb- ten Sommerfrische des Wiener Bürgertums wer- den ließ. Das heutige Erscheinungsbild des Vös- lauer Thermalbades resultiert aus einem in den Jahren 1924–1926 ins Werk gesetzten Monumen- talbauentwurf mit südlichem Fin-de-Siècle-Flair nach Plänen der Architekten Peter Paul Brang Bad Fischau, und heben – wegen ihrer Vielzahl, gestalterischen und Wilhelm Luksch. Das Vöslauer Bad kann als Thermalbad Variation und geschichtlich- kulturellen Bedeu- eine der Perlen im reichhaltigen Bestand der nie- tung – Baden in die internationale Elite der euro- derösterreichischen Bäderbauten angesehen wer- päischen Hauptstädte der Badekultur. Zugleich den. Eine Würdigung seiner kulturellen Bedeutung können sie als Modell und Ausgangspunkt einer durch gesetzliche Gleichstellung mit den denkmal- Entwicklung gelten, die einen Großteil des nie- geschützten Badener Bäderbauten blieb ihm bis derösterreichischen Landschaftsraumes mit durch heute verwehrt. das Beispiel Baden beeinflussten Bäderbauten und Ganz anders das noch weiter südlich vor -anlagen prägen sollte. dem Panorama der Fischauer Berge und der Hohen Wand situierte Bad Fischauer Thermalbad, dessen Badeanlagen an der Thermenlinie warme Quellen – wie in Baden und Bad Vöslau – Bad Vöslau, Im nur wenige Kilometer südlich von Baden gele- bereits von den Römern zu Badezwecken genutzt Thermalbad genen Bad Vöslau nahm bereits seit 1822, initiiert wurden. Auch im Mittelalter mit einem Badebe- trieb ausgestattet, wurde das im 19. Jahrhundert als Badeanlage betriebene Areal 1898 durch Erz- herzog Rainer erworben und bis 1900 mit Hilfe des Hofbaumeister Matthias Gerl zu einer land- schaftsbezogenen Badeanlage mit Herrenbad, höl- zernen Kabinenreihen im Laubsägedekor der Jahr- hundertwende und weiteren festen Badgebäuden umgebaut. Nach Erweiterung des Bades um ein Damenbad mit eigenem Becken und Kabinenrei- hen und Errichtung der dem Herrenbad vorge- stellten zweigeschoßigen Kabinenanlage von Hans Goldschmied (1925–1928) entwickelte sich das Fischauer Bad zu einem mittels Terrassenstufen, Wandelgängen und Aussichtspunkten in das natür- lich ansteigende Gelände eingefügten Gesamt- kunstwerk. Noch heute wird das seit vielen Jahren

23 Edlach, Standbad

besonders unter Künstlern und Kulturschaffenden sich etwa die Marktgemeinde Kaltenleutgeben seit beliebte Bad in seinem ursprünglichen Sinn betrie- der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts zu einem ben. Die verantwortungsvolle Suche nach einer wichtigen Kurort mit den entsprechenden Bade- den zeitgemäßen Nutzungsansprüchen seiner Besu- und Kureinrichtungen. cher folgenden Attraktivierung des Bades garantiert Frühe Badeanlagen der Region gab es auch seinen Betrieb, stellt jedoch erhöhte Anforderun- in Pressbaum mit seinem im 19. Jahrhundert gen an die denkmalgerechte Erhaltung der Anlage errichteten, 1877 renovierten und in den 1920er unter der Maßgabe einer baudenkmalverträgli- Jahren adaptierten Strandbad, von dem sich Teile chen, sensiblen Weiterentwicklung. In Bad Fischau der von Kabinentrakten umschlossenen Anlage scheint dieses Konzept aufzugehen. erhalten haben, sowie in Weissenbach an der Tries- An der Thermenlinie wurde noch eine ganze ting, wo im Badpark bereits vor 1886 ein Freibad Reihe weiterer Kur- und Badeanlagen errichtet. aus unbewehrtem Stampfbeton existierte. Noch im Betrieb steht etwa das 1927–1928 nach Auch entlang der Piesting entwickelten sich Entwürfen des Architekten Hermann Tamussino einige der Altsiedlungen zu beliebten Sommer- erbaute Mödlinger Stadtbad, dessen Hauptbau als frischeorten weiter. Ein gutes Beispiel dafür ist ein besonders gelungenes Beispiel des Bauens der Gutenstein, das bereits seit der Biedermeierzeit ein neuen Sachlichkeit in der Zwischenkriegszeit gel- beliebter Aufenthaltsort von Dichtern und Malern ten kann. In der Tradition formal ähnlicher Wie- war und seit 1889 ein von dem Wiener Architek- ner Kommunalbauten stehend, ist es mit einer ten Julius Deininger, der in Gutenstein für eine Reihe aufwändiger, qualitätsvoller Details ausge- Reihe von späthistoristischen Villenbauten verant- stattet. Als Hallen- und Freibad wird es ganzjährig wortlich zeichnet, in der Formensprache der Zeit genutzt. Der Bau ist ein geschütztes Baudenkmal entworfenes Eingangsbauwerk zur heute noch in und wurde zuletzt kurz vor der Jahrtausendwende Betrieb stehenden Freibadeanlage besitzt. behutsam revitalisiert. Noch weiter südlich entstand im Tal der Schwarza bis hinauf zum Semmering nach Bade- und Kuranlagen in den östlichen Voralpen 1848/54 eine der bekanntesten österreichischen Auch östlich der Thermenlinie sind uns eine Reihe Sommerfrische-Landschaften, zu deren Grundaus- weiterer Badeanlagen bekannt. So entwickelte stattung neben privaten Villenbauten betuchter

24 Wiener Bürger sowie den kleinen und großen Jahrhundertwende wesentliche Bauabschnitte Hotelanlagen auch der Freizeitgestaltung dienende des um 1930 errichteten städtischen Freiba- Kurparks gehörten. So bestand etwa in Payerbach des erhalten. Die denkmalgeschützte Anlage wird in dem als „Badegarten“ bezeichneten Kurpark durch einen abgerundeten Trakt zur Badepro- seit 1882–1883 ein öffentliches Schwimmbad, menade im Stil der Neuen Sachlichkeit mit run- das bereits im Jahr 1896 um ein Warmbad erwei- den, dem Schiffsbau entlehnten Fenstern ausge- tert wurde. In Reichenau an der Rax wurde die zeichnet. Auch in Hohenberg und Rabenstein an Badetradition Ende des 19. Jahrhunderts durch der Pielach sind historische Badeanlagen aus der Dr. Albert Konried und dessen noch bis in die Zeit der Jahrhundertwende historisch belegt. In Nachkriegszeit betriebene Kuranstalt in Edlach Lunz am See steht das dortige, 1964 nach Ent- begründet. Im Jahr 1928 entstand hier eine Frei- würfen von Kurt Pfeiller errichtete Seebad unter badeanlage, für deren Freiflächen Meeressand aus Denkmalschutz. Allerdings ist auch hier ein älte- Grado herangeschafft wurde, und das über ein bis rer Vorgänger anzunehmen, dessen Errichtung 20 ° C beheizbares Warmwasserbecken verfügte. im frühen 20. Jahrhundert in dem nach Erschlie- Der repräsentative, durch neoklassizistische Bau- ßung durch die Ybbstalbahn um 1900 florieren- und Gestaltungsformen nobilitierte Hauptbaukör- den Sommerfrischeort als wahrscheinlich gelten per des noch heute betriebenen „Alpenstrandba- kann. Auch heute noch bildet das Lunzer See- des“ steht unter Denkmalschutz. bad „eine Einheit mit der umgebenden Landschaft Anders am Semmering: Hier wurden im und dem eindrucksvollen Gebirgspanorama u. a. Jahr 1932 zeitgleich zwei innovative Schwimmbad- von Scheiblingstein und Ötscher“, wie es in dem bauten innerhalb großer Hotelkomplexe erbaut, die für die Entwicklung des Bäderbaus internatio- nal wegweisend sein sollten. Im ehemaligen Hotel Semmering (später Südbahnhotel) nach Entwurf von Emil Hoppe und Otto Schönthal wie auch im Hotel Panhans als ein eigener Baukörper nach Plä- nen von Anton Liebe und Ludwig Stiegler wurden nach den Vorbildern des internationalen Stils groß- zügige Badehallen errichtet, die die umgebende Bergwelt über wandhohe und öffnenbare Fenster- fronten nach dem Prinzip der curtain walls und über vorgelagerte Terrassen mit den vor dem Wet- ter geschützten Badebecken verbanden. Nur noch geringe Reste sind von diesen innovativen Bau- ten erhalten: Während das Badehaus des Hotel Panhans später abgetragen wurde, harrt das seiner Oberflächen weitgehend beraubte Hallenbad des Südbahnhotels einer ungewissen Zukunft.

Nördliche Voralpen Am nördlichen Alpenrand setzte sich die angespro- chene Entwicklung einer touristischen Erschlie- ßung potentieller Sommerfrischen fort. So haben Semmering, Panhans, sich etwa an der Badepromenade in Hainfeld an Plakat der Gölsen nahe eines kleinen Villenviertels der

25 schwerpunktmäßigen Beschäftigung mit den Klos- terneuburger Bädern an anderer Stelle in diesem Band sollen diese hier nur kurz aus dem Blick- winkel der Denkmalpflege angesprochen werden. Das in Klosterneuburg maßgeblich in den Jahren 1919–1920 nach Plänen von Franz Polzer errich- tete Strandbad zählt zu den größten und sozialge- schichtlich interessantesten Badeanlagen des Lan- des. Besondere Bedeutung erhält es durch seine fast städtebaulich zu nennende Strukturierung mit zentralen Funktionen rund um einen Platzbe- reich (Eingangsbauwerk, Uhrturm, Musikpavillon, Café-Restaurant, Milchkiosk etc.) sowie die zentral gesteuerte, seit 1923–1924 ins Werk gesetzte Sied- lungserweiterung (Bädersiedlung) um gegen die Kritzendorf, Strombad Unterschutzstellungsbescheid des Bundesdenkmal- Hochwassergefahr aufgeständerte Badehäuschen amtes heißt. und Strandvillen. Nicht zuletzt wären aus dem Mostvier- In ähnlicher Weise entwickelte sich das 1902– tel noch zwei weitere, in Holzbauweise errichtete 1903 unmittelbar am Ufer der Donau gegründete Flussbadeanlagen an der Ybbs zu nennen: In Hol- Strombad in Kritzendorf, nachdem 1927–1928 lenstein wird eine etwa 100 Jahre alte, den Kamp- auch für dieses Bad eine dem Klosterneuburger talbädern ähnliche Badeanlage in ihrer ursprüng- Beispiel folgende Planungsaufgabe ausgeschrie- lichen Funktion durch einen ansässigen Verein ben worden war. Für die Entwürfe zeichneten die erhalten und betrieben. Und auch in Göstling sind Architekten Heinz Rollig und Julius Wohlgemuth Gebäude eines historischen Flussbades erhalten, die verantwortlich, die eine zentrale Eingangs- und durch einen Verein gepflegt und genutzt werden. Platzsituation mit einem monumentalen Torbau mit Dachterrasse sowie flankierenden Platzbauten Badeanlagen an der Donau zur Gänze in Holzbauweise realisierten. Diese Bau- Die Donaubäder gehören zum Faszinierends- ten sind bis zum heutigen Tag weitgehend origi- Klosterneuburg, ten, was Niederösterreich an Freibadeanla- nal erhalten geblieben. Diese wesentliche Tatsache Strandbad gen zu bieten hat. Vor dem Hintergrund einer sollte – neben den genannten Aspekten – Fragen nach der Denkmalwertigkeit dieser beiden Anlagen wieder einer ernsthaften Prüfung zuführen. Auch Hinweise auf das Bestehen von Bade- anlagen am nördlichen Donauufer lassen sich fin- den: Historischen Darstellungen zufolge hatte auch in Stockerau noch vor der Jahrhundertwende eine durchaus imposante, möglicherweise als Badeschiff in den Strom gebaute hölzerne „Badeanstalt“ mit Kabinen und einem zentralen Turmbau Bestand. Von dieser Anlage ist nichts erhalten geblieben. In Krems wurden durch die Stadtgemeinde in den Jahren 1929–1931 fast gleichzeitig das mit einem Warmbad ausgestattete Stadtbad am Bahnhofsplatz (Standort Bahnzeile 11) und das Sommerbad an

26 Eröffnung der Kamptalbahn 1889 überall in den zuvor ländlich geprägten Ortschaften und Gemein- den einnistete. Historisch bekannt und teilweise bildlich überliefert, heute jedoch verloren sind etwa die Flussbadeanstalt in Hadersdorf am Kamp, die zwei nur den Frauen bzw. den ansässigen Klosterfrauen vorbehaltenen Schwimmbäder in Langenlois (Frau- enbad und Klosterbad) sowie auch die Flussba- deanstalt am Umlaufberg bei Altenburg. Leider musste auch das im Jahr 1884 gegründete Alte Bad in Gars am Kamp – nach Aufhebung des Denk- malschutzes – im Jahr 2000 einem Neubau wei- chen. Die bis dahin am Ufer des Kamp erhaltenen Gebäude waren Zeugnis eines der schönsten, mit Stockerau, Badeanstalt, der Haringlacke westlich der Eisenbahnbrücke (am einem städtischen Flair ausgestatteten Bäder der Postkarte Standtort der heutigen Badearena) errichtet. Beide Region. Objekte sind nicht mehr in der baulichen Substanz Baulich erhalten dagegen und zum Großteil der 1930er Jahre erhalten. noch in ihrer ursprünglichen Funktion verwendet sind die Anlagen in Zöbing, Schönberg und Gars. Badeanlagen am Kamp und im nördlichen In der Katastralgemeinde Zöbing steht das soge- Waldviertel nannte Langenloiser Kampbad nächst einer kleinen Am Unterlauf des südlich von Grafenwörth in die Wehranlage noch in privatem Betrieb. Weiter fluss- Donau mündenden Kamp zwischen Hadersdorf aufwärts ist das in der Ortschaft Schönbergneustift und Altenburg ist eine Reihe von in Holzständer- bauweise gefertigten Badeanlagen bekannt. Eine Vielzahl dieser meist in frohen Farbkombinatio- nen gefassten Bauten und der ihnen zugehörigen Badestellen und Freiflächen ist bis in unsere Tage erhalten geblieben. Die durch ihre einfache, aber strenge Bautypologie und die zumeist gefällige Ein- fügung in die malerische Flusslandschaft charakte- risierten Anlagen sind weit über die Landesgrenzen bekannt. Die Kampbäder wurzeln in einer loka- len und handwerklichen Tradition, die durch eine sparsame Verwendung von dekorativen Elemen- ten gekennzeichnet ist. In ihrer Gesamtheit bilden sie eine bedeutende, für Bewohner wie Besucher des Kamptales mit einem hohen Identitäts- und Wiedererkennungswert ausgestattete Baugruppe, die wesentliche Elemente der Kultur-, Denkmal- und Erholungslandschaft des Waldviertels darstel- len. Sie alle wurzeln im auch im Kamptal in der Drosendorf, Strandbad, zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts aufblühenden Postkarte Sommerfrischetourismus, der sich spätestens nach

27 ist denkmalrechtlich geschützt. Es wird seit jeher durch einen privaten Verein betrieben und sorgsam gepflegt. Gut in den sommerlichen Badebetrieb integriert ist ebenfalls das innerhalb eines moder- nen Freibades gelegene imposante Badehaus der gleichfalls 1928 errichteten Badeanstalt in Gars am Kamp-Thunau. Auch dieses Objekt genießt den in Österreich derzeit höchstmöglichen Schutzstatus und sein Erhalt erscheint gesichert. Auch weiter im Norden des Waldviertels hat es einst viele Flussbadeanstalten gegeben, in Anlage und baulicher Form ganz ähnlich jener des Kamp- tales. Den Besuchern heute noch zugänglich ist das an der Thaya gelegene, in einer Publikation von Mella Waldstein beschriebene Drosendorfer Strandbad. Dieses beeindruckende Beispiel eines Plank am Kamp, gelegene, umgenutzte Badehaus des Kampbades Waldviertler Flussbades ermöglicht im Sommer Strandbad Zöbing erhalten. In Schönberg am Kamp wurde einen erholsamen und vergnüglichen Badebetrieb das Badehaus des 1908 errichteten Kaiser-Jubi- und erfreut sich großer Beliebtheit. Dem nachhal- läums-Bades als Veranstaltungsraum umgewid- tigen Engagement kulturinteressierter Menschen met und dadurch baulich erhalten. In Stiefern sind ist der Erhalt dieses Juwels niederösterreichsicher zwei nach 1945 errichtete, Badenden zugängli- Bade- und Baukultur zu verdanken. che Badetrakte erhalten geblieben. Die vier zuletzt genannten Objekte sind jedenfalls ortsbild- und landschaftsprägend und sollten nach Möglichkeit ungestört erhalten bleiben. In Plank am Kamp steht das wohl besterhal- tene Bespiel einer für die Kampregion typischen Drosendorf, Strandbad, historischen Badeanlage. Das 1928 durch den ört- Postkarte, 1950er Jahre lichen Verschönerungsverein angelegte Freibad

28 Von Strand-, Strom- und Römerbädern in Niederösterreich. Ein architekturgeschichtlicher Überblick

Caroline Jäger-Klein Schon die Römer schätzten Niederösterreich als europaweit das Kurwesen. In ihm steht nicht das Bäderlandschaft. Sie errichteten und betrieben ent- sportliche Training des menschlichen Körpers im lang der Thermenlinie Bäder zur Regeneration von Vordergrund, sondern generell der therapeuti- Körper und Geist. Baden, Bad Vöslau und Bad sche Aufenthalt im Freien außerhalb des täglichen Fischau setzen diese Tradition bis in die Gegen- höfischen und großstädtischen Lebens mit mäßi- Freiherr von wart fort. Darüber hinaus entwickelten die Römer ger Bewegung und dem Sonnenbad. In einer ers- Wetzelsberg, „Der durch ihre zivilen und militärischen Limes-Stütz- ten Welle entwickelten sich früh im 19. Jahrhun- Ursprung“, Aquarell, punkte an der Donau weitere Orte mit Bädern. dert dem Kneipen vergleichbare Kaltwasserkuren. 30,4 x 23,7cm. Carnuntum als eine der größten zivilen Städte und Allerdings hatte diese Hydrotherapie wenig mit Die Architektursprache Militärstützpunkt der Region hatte selbstverständ- dem Begriff des Freibades gemein, das erst rund ein des Ursprungsbades in lich eine Therme, die von Zivilisten wie Militäran- Jahrhundert später das Baden unter freiem Him- Baden bei Wien aus gehörigen benutzt werden konnte. Auf das Militär- mel mit entsprechender Infrastruktur am Ufer dem Jahre 1796 ist wesen geht auch ein Gutteil des Wiedererstehens zusammenfasste. Mit dem Baden bei freiem Ein- absichtsvoll exotisch der Schwimm- und Badekultur nach den prüden, tritt erlangte der Begriff des Freibades im sozialde- und damit für die körperfeindlichen Jahrhunderten des Spätmittel- mokratisch regierten Wien der Zwischenkriegszeit Zeit des Klassizismus ungemein sympathisch. alters und des Barock zurück. Im Bodensee bei eine gesundheitspolitisch motivierte Erweiterung. Selbst die k.k. Nö Bregenz existiert bis heute eine Militärschwimm- Ganz gegenteilig hingegen war das mondäne Kuren Oberbaudirektion schule, die „Mili“, eine hölzerne Pfahlkonstruktion der oberen Gesellschaftsschichten, das um 1800 konnte sich aus dem Jahre 1846. einsetzte. Dabei ging es nur am Rande um Baden wohl gewissen Parallel zu den Schwimmschulen entwickelt in heilkräftigem oder gar Schwimmen in kaltem Modeströmungen der sich, getrieben durch die Aufklärung und der damit Wasser. Im Kuren spiegelte sich die adelige wie Zeit nicht verschließen. verbundenen „Zurück zur Natur“-Bewegung, neureiche Gesellschaft der Reichshaupt- und Resi- denzstadt der Monarchie während des Biedermeier und weiter in der Gründerzeit in ihrer Freizeitge- staltung am Lande wider. Mit Sport und Gesund- heit hatte dies nur wenig zu tun, mit gesellschaft- licher Hierarchie hingegen viel. Dies bringt uns zu den römischen Badeorten an der niederösterrei- chischen Thermenlinie südlich von Wien zurück, denn hier beginnt in Baden bei Wien das Baden der Neuzeit.

Klassizistische Römerbäder – Baden bei Wien Baden bei Wien beherrscht in den ersten beiden Jahrzehnten des 19. Jahrhunderts zweifellos die Kur-Szene der Habsburgermonarchie. Seine war- men und schwefelhaltigen Thermalquellen, schon den Römern bekannt, ziehen zwischen 1803 und

29 runder Kuppelbau mit Laterne nach dem soge- nannten Vestatempeltyp beigestellt. Der zylind- rische Baukörper mit hochliegenden Korbbogen- fenstern ist durch vortretende ionische Halbsäulen untergliedert und zum Dach hin über Gebälk und Gesims nochmals mittels Tambour überhöht. Den- noch attestiert Johann Kräftner 1988/89 dem Bau im „Baden im Biedermeier“-Ausstellungskata- log des Rolletmuseums „bürgerliche Behäbigkeit“ anstelle des repräsentativen revolutionären Klassi- zismus der Baden zu dieser Zeit beherrschenden Hofbauamtsarchitektur. Das 1812 errichtete Leo- poldsbad, heute die Tourismusinformation, und das 1819 gestarteten Petersbad mit Palladiomotiv, seien „steife“ Hofbauamtsarchitektur, die doktri- när den vorgeschriebenen Staatsklassizismus befolg- Das Frauenbad und im 1834 Kaiser Franz I. und in seinem Gefolge die ten. Zudem dürfte das ehemalige Frauenbad, heute Hintergrund der Zubau Hofgesellschaft mit ihren Adeligen, Geldleu- Arnulf Rainer Museum, am Josefsplatz um 1820 zum Josefsbad in Baden ten, Politikern und Künstlern an. Neben der kör- errichtet, aber im Inneren 1876–1878 weitgehend bei Wien – Architek- perlichen Regeneration stehen die gesellschaftli- umgestaltet, aus dem Wirkungsbereich des Hof- tur des Wiener Hofes che Repräsentation und kulturelle Aktivitäten im baurates kommen, auch wenn der Entwurf immer im biedermeierlichen Vordergrund. wieder Karl (Charles) von Moreau zugeschrieben Baden Die teilweise schon bestehenden Badege- wird. Dem Frauenbad liegt jedenfalls eine lange bäude über den Quellen erhalten eine neue Gestalt Planungsgeschichte zugrunde, seit man sich 1811 in der Stilsprache des Klassizismus, manchmal beginnend mit dem Gedanken trug, hier einen sogar in einer sehr exotischen Ausprägung. Dies großzügigen kaiserlichen Badebezirk einschließlich wird auf die ungewöhnliche Bauaufgabe zurückzu- kaiserlicher Residenz unter Einbeziehung des Are- führen sein, die mit dem Lusthaus-Thema benach- als des angrenzenden Frauenklosters zu errichten. barter Schlossparks wie Laxenburg und Bad Schö- Nach dem Stadtbrand von 1812 begnügte man nau verwandt ist. So ist in Baden bei Wien nicht sich ab 1818 mit sparsameren Varianten zur Erneu- nur am im Jahre 1800 fertiggestellten Kiosk im erung des Neu-, Frauen- oder Karolinenbades, bei Kurpark deutlich ein „ottomanischer“ Einfluss der teilweise sogar die Erhaltung des alten Neuba- spürbar. Der 1796 nach Plänen der k. k. Nö. Ober- des angedacht wurde. baudirektion errichtete Bau des Ursprungsbades Moreau sollte jedenfalls kurz danach Wien rückt deutlich von der Strenge des Klassizismus ab. mit einem prominenten Neubau bereichern, dem Seine seitlichen Pavillons werden von geschweiften ersten Dianabad am Donaukanal. 1808 erwarb Kuppeln bekrönt und enden mit Halbmonden auf er zusammen mit dem Maler Karl Hummel das Stangen ganz oben. Auch das rot-blaue Liniennetz Areal in der Leopoldstadt, auf dem er das Bad- des Fassadenverputzes zur Andeutung eines Stein- haus errichtete, in dem er selbst bis zu seinem Tod schnitts trägt zur fröhlichen Grundstimmung die- 1840 wohnte. Die Architektur des ersten Diana- ser Architektur wesentlich bei. bades erschien durch ihre Rundbogenarkaden in Viel traditioneller dagegen fällt der 1804 Form des palladianischen Fenstermotivs (Serliana) erfolgte Zubau des Josefsbades aus. Dem bereits den Zeitgenossen als unter französischem Einfluss 1697 errichteten Rechteckbau unter einem hohen stehend. Der eigentliche Badeteil bestand aus Wan- Walmdach wird ein wirklich klassizistischer, nenbädern, die in zwei Etagen um einen Gartenhof

30 ein Hotel mit Bad, Restaurant und Kapelle, das der Architekt parallel zum Engelsbad nebenan für den- selben Bauherrn bis 1822 errichtete. Der am meis- ten beeindruckende Innenbereich des Sauerhofs ist zweifellos das „römische“ Bad, ein dreischiffiger Raum, überwölbt von einem Tonnengewölbe mit Glasoberlicht und unterteilt durch acht dorische Säulen. In einer verschollenen Aquarellskizze von Thomas Ender (1793–1841) ist uns der Raum in seiner Originalausstattung überliefert. Das unmit- telbar neben dem Sauerhof platzierte Engelsbad setzt sich aus mehreren, miteinander verschnitte- nen, kubischen Baukörpern zusammen. Der zen- trale Würfel des Hauptbaukörpers wird von nied- rigeren, querrechteckigen Kuben flankiert und an der Rückseite durch einen Halbzylinder abge- Das „römische“ Bad im angeordnet waren. Die Anlage wurde mit einem schlossen. Die scheinbare Ablesbarkeit der Innen- Sauerhof in Baden bei Erfrischungssaal abgeschlossen, dem ein Portikus räume durch die Außengeometrie ist jedoch nicht Wien nach der Konzep- mit vier Säulen vorgelagert war. Die Gesamtan- gegeben. Der mittlere Kubus und der Zylinder tion durch Architekt lage orientierte sich generell an der monumenta- sind im Inneren mehrfach unterteilt. Dennoch Joseph Kornhäusel von len Form antiker Thermen. Jedenfalls zeichnet sich erscheint Kornhäusels Engelsbad heute durch seine 1820–22 – Originalzu- beim ersten Dianabad in Wien ab, was auch Josef klare Volumetrie mehr der Bautradition der fran- stand mit der verschol- Georg Kornhäusel (1782–1860), der wohl bedeu- zösischen Revolutionszeit und ihren prominenten lenen Äskulapstatue von tendste einheimische Biedermeierarchitekt, mit Architekten Ledoux und Boulee verhaftet als die Josef Klieber dem Sauerhof in Baden umsetzt: die Adaption des Architektursprache Karl von Moreaus. römischen Thermenbaus für die Bäderkomplexe 1827 wird in Baden das Franzensbad errich- Das 1827 erbaute der Neuzeit. Der Sauerhof ist eine urkundlich tet, ein eingeschossiger genuteter Rechteckbau Franzensbad in Baden erwähnte Besitzung des 13. Jahrhunderts, der seit unter einem abgeflachten Walmdach mit Oberlicht bei Wien dient heute 1594 so benannt wird. Die Freiherrn von Dobl- und einem halbrund vorspringenden, mittigen als Hamam. hoff baten 1820 Josef Kornhäusel um Umbau in Kuppelbau mit Laterne an der Nordseite. Heute beherbergt es ein Hamam. Nach dem Tod von Kaiser Franz I., der dem Franzensbad noch den Namen gab, mied dessen Nachfolger Ferdinand I. Baden, da auf ihn hier ein Attentat verübt worden war. Kaiser Franz Josef vollzog dann den Wechsel der Sommerresidenz nach Bad Ischl. Baden blieb aufgrund des Bahnanschlusses seit 1841 dennoch ein beliebter Sommerfrische-, Bade- und Kurort, den vor allem der Mittelstand frequentierte. Die Reste der 1847/1848 von den bekannten Wiener Ringstraßenarchitekten August Sicard von Sicards- burg und Eduard van der Nüll errichteten Mine- ralschwimmschule verbergen sich in der heuti- gen Römertherme und das ehemalige Kurhaus von 1884, unzweifelhaft in seiner Formensprache mit

31 Das alte Englbad bei durch Planungen von Peter Paul Brang, Wilhelm Klosterneuburg im Lukesch und Louis Breyer entschloss. Es entstand Jahre 1882 in einer ein Bäderkomplex mit repräsentativ geschwunge- Ansicht von Rudolf ner Eingangskolonnade, einem viergeschossigen Lemp Mittelturm mit zweifachem Kupferhelm in neoba- rocker Anmutung und zweigeschossigen, schön- brunnergelben Kabinenflügeln. Um der Badener Konkurrenz zu trotzen, erhielt der obere Teil des Bades einen Thermalparkstrand. Bis heute ergötzt sich das Publikum am gewärmten „blauen“ Becken im vorderen Badebereich und am kühlen „grünen“ Becken. Im Charakter ähnlich, aber viel mode- rater im Maßstab seiner Bauten ist das Mine- dem Wiener Hofoperngebäude der beiden Archi- ralschwimmbad (Freibad) von Bad Fischau – tekten verwandt, dient heute als Casino. Geschul- Brunn, das heute Kristalltherme genannt wird. det ist dies dem Badener Bürgermeister der Zwi- Seine Quellteiche mit Kiesboden kannten schon schenkriegszeit Josef Kollmann, der Baden durch die Römer, ausgebaut wurde aber in mehreren Therapie, Sport und Spielcasino zum „Karlsbad Bauphasen von 1872 (1891) bis 1899. Prägend von Österreich“ machte, wie sein Nachfolger Vik- sind heute die jüngeren Ausbaustufen, insbeson- tor Wallner im Band 8 der „Denkmalpflege in Nie- dere die von 1925–1928 durch Hans Gold- derösterreich“ zum Thema Sommerfrische aus- schmied erichteten gelb-grün gestrichenen, ein- führt. Das identitätsstiftende Bauwerk dieser Zeit geschoßigen hölzernen Kabinentrakte, die sich ist das 1926 nach Entwürfen von Alois Bohn durch den Geländesprung naturnah übereinan- umgesetzte Strandbad, das bis heute nahezu unver- der treppen. Ihr baulicher Charakter zeigt große ändert erhalten ist. Berühmt ist es für den größ- Nähe zu den charmanten Flussbadeanstalten am ten Sandstrand Österreichs einschließlich seiner Kamp. Die Keimzelle der Kamptalbäder liegt Palmen sowie die Art-Déco-Architektur, die sich in der Sommerfrische von Gars am Kamp, wo insbesondere an den Bleiglasfenstern der renom- schon 1914 erste private Badehütten nachweis- mierten Wiener Werkstatt der Familie Geyling im bar sind. Diese letzte Entwicklung manifestiert Foyer- und Umkleidebereich manifestiert. sich mit großer Kraft im Raum Klosterneuburg- Kritzendorf-­Greifenstein-St. Andrä-Wördern ent- Mineralschwimmschulen an der Thermenlinie lang des „Donaustrandes“. Die besonders günstige Auch in den Nachbarorten Badens an der nördli- Verkehrsanbindung an das Zentrum Wiens über chen Thermenlinie hatten sich in der Zwischenzeit Bus und Bahn ermöglicht dort nach dem Ersten namhafte Badestätten etabliert. Bad Vöslau, das Weltkrieg ein ungeahntes, explosionsartiges Auf- ebenfalls schon im Biedermeier seinen ersten Bad- treten sogenannter Weekend-Siedlungen rund um bau aufweisen konnte, erweiterte 1868 mächtig ältere Schwimmschiffe und Badeplattformen in der durch den umfangreichen Ausbau des Mineralba- Donau und ihren Seitenarmen. des und leistete sich dazu ebenfalls einen Ringstra- ßenarchitekten. Bis 1873 leitete Theophil Hansen Entlang der niederösterreichischen Donau – dieses Konkurrenzunternehmen zu Baden. Aller- Strombäder und Wochenendkolonien dings wiesen seine noch in Holz errichteten Bauten Die Donauauen im Raum Klosterneuburg wur- nach dem Ersten Weltkrieg derartige Schäden auf, den ebenfalls schon früh im 19. Jahrhundert als dass man sich 1925/1926 zum Neubau der Anlage Naturparadiese entdeckt. Bis zur Einrichtung des

32 Strombades in Kritzendorf im Jahre 1903 befanden werden. Diesmal beauftragte man den vom Stift sich die meisten Bade- und Schwimmeinrichtun- beschäftigten Architekten Franz Polzer (1875– gen nicht am offenen Donaustrom, sondern in den 1930), einen Schüler von Otto Wagner an der Aka- Altarmen, die sich durch Hochwässer ständig verla- demie der Bildenden Künste in Wien, mit der Pla- gerten und durch eingeleitete Abwässer zusehends nung der neuen Gesamtanlage. Polzer nannte als verschmutzen. Bereits 1811 wurde ein Militär- Vorbilder die Bäder an der Adria und am Mittel- schwimmbad beim Pionier-Zeugs-Depot in einen meer, die er zu Studienzwecken bereist hatte. Ins- Arm der Donau gesetzt. 1878 beauftragte dann die besondere ihre mondänen Strandländen dienten als zuständige Bezirkshauptmannschaft den Schiffs- Anregung, und so entwickelte sich auch in Kloster- müllersohn Heinrich Engl mit der Errichtung einer neuburg ein reges öffentliches Leben rund um den Badeanstalt. Wie damals üblich, hingen fortan Uhrturm, umgeben von den Kabinentrakten, dem sogenannte Schwimmschiffe – hölzerne Bade- Musikpavillon, dem Café-Restaurant, dem Ein- flösse, die rund um einen von der Strömung durch- gangsbauwerk mit Kassa, Bus- und Bahnkarten- flossenen Schwimmkorb Kabinentrakte zwecks schalter, Milchkiosk und nicht zuletzt dem Haus Umkleide und Sichtschutz aufwiesen – auch zu des Bademeisters. Füßen des altehrwürdigen Stiftes im Donauarm. Seit 1923/1924 gruppieren sich rund um Als dieses sehr populäre Bad zusehends dem Besu- diesen gemeinschaftlichen Kernbereich unzählige cherstrom und den hygienischen Standards nicht private Badehäuschen und Standvillen, die gemein- mehr entsprechen konnte, übernahm 1913 die sam mit diesem über die Bäderverwaltung zent- Gemeinde das Bad und begann es in Zusammenar- ral organisiert und administriert werden. Aufgrund beit mit heimischen Tischlern und Zimmerern aus- der nach wie vor akuten Hochwassergefahr müssen zubauen. Damit entstand unmittelbar neben dem alle Bauten bis heute auf Pfählen errichtet werden, alten Englbad das bis heute existente Strandbad was den Wochenendkolonien ein unverwechselba- Klosterneuburg mit nach Geschlechtern getrennten res Aussehen verleiht. Kabinentrakten, Kassa und Inspektion, Restaurant Insbesondere in der Siedlung rund um das und Wäscherei, alles hölzerne Bauten, die mittels Strombad Kritzendorf entwickelte sich in der Zwi- Laubsägearbeiten verziert waren. Wahrscheinlich schenkriegszeit aus dergleichen Vorgaben der Kritzendorf, ein war diesen Bauten ein ausgedehntes „Schwimm- Behörden eine architekturgeschichtlich bedeut- typisches Einraumhaus schiff“ vorgelagert. Jedenfalls hat sich im Bäderar- same Formensprache, die alle Charakteristika der auf Pfählen am chiv der Plan dazu erhalten. 1919 musste das Bad Internationalen Moderne aufweist. Durch die Villenstrand bereits wieder modernisiert und damit neu gebaut Limitiertheit des Platzes mussten die Planer mul- tifunktionelle Einraumgrundrisse mit flexibler Möblierung entwickeln. Dieser sogenannte „freie Grundriss“ drückt sich auch in der Fassadenge- staltung aus, die sich insbesondere in horizon- talen Fensterbändern – um die Aussicht entlang des Donaustromes zu genießen – und Bullaugen- fenstern als Reminiszenz an die Schiffsarchitek- tur niederschlägt. Rund um das eigentliche Ein- raumhaus bieten die Plattformen auf den Pfählen ausreichend Gelegenheit für das Sonnenbad und den Aufenthalt im Freien, und selbst die Flach- dächer wurden in der Anfangszeit stärker für das uneinsehbare, private Sonnenbad insbesondere der weiblichen Familienmitglieder genutzt. Die Firma

33 Im Strombad Kritzendorf, das 1902/1903 ent- standen war, wurde 1927/1928 eine ähnliche Pla- nungsaufgabe wie für das Strandbad Kloster- neuburg ausgeschrieben: Es sollte dem Bad ein zentraler Platz mit diversen gemeinschaftlichen Versorgungseinrichtungen gegeben werden, der die bereits bestehenden Hüttenzeilen aus den frü- hen 1920er Jahren integrierte. Ein Schüler Fried- rich Ohmanns von der Akademie der Bildenden Künste, der Architekt Heinz Rollig (1893–1978) gewann in Zusammenarbeit mit Julius Wohl- muth (1874–1931), an der Staatsgewerbeschule in Wien technisch solide ausgebildet, die Aus- Das Rondeau und Kawafag (Klosterneuburger Wagenfabrik) entwi- schreibung. Bis heute sind der monumentale Tor- dahinter der Turmbau ckelte nicht nur für diese Wochenendkolonien bau zur Donau und das oktogonale Rondeau, das im Zentrum des Strom- entlang der Donau ein ausgedehntes Programm die von Bahnhof ankommenden Badegäste emp- bades von Kritzendorf für in Holzbauweise vorgefertigte Ferienhäuschen, fängt, original erhalten. Der oktogonale Platz des – Planung durch Heinz von denen in der Zwischenkriegszeit in Nieder- Rondeaus wird durch kleine Turmbauten mit Zelt- Rollig und Julius Wohl- österreich über 2000 Bauwerke umgesetzt wur- dächern umschlossen, an die queraxial zur Haupt- muth, 1927/28. den. Durch die Arisierungswelle des Jahres 1938 erschließung Kabinentrakte mit ebenfalls torarti- fand diese innovative Firmengeschichte ein jähes gen Durchgängen andocken. Noch mondäner war und grausames Ende. Auch einen Großteil der das Areal des Kritzendorfer Sportklubs innerhalb ursprünglichen Pächter der Wochenendkolonien des Strombades, in dem ab 1921 englische Clubat- an der Donau erlitt in der Zeit des Nationalsozia- mosphäre zelebriert wurde. Im noch vorhandenen, lismus ein ähnlich schreckliches Schicksal. Gleich- aber privatisierten Klubrestaurant von Adolf Erker zeitig gelangte diese fortschrittliche Architektur- dinierte man am Wochenende im eleganten Blazer sprache damit bis in den Raum New York, wo der bei bester Live-Musik. vertriebene österreichische Architekt Felix Augen- feld (1893–1984) auf Fire Island in der Nach- kriegszeit mehrere Projekte in dieser Art umset- zen konnte.

Strandbad Klosterneuburg, Zustand nach den Umbauten von 1920. Gemälde aus dem Stadtarchiv Klosterneuburg.

34 Römische Bäder in Niederösterreich

Franz Humer Wenn wir heute von Wellness, „Spa“ und Relaxing größeren zeitlichen Abständen, wenn wir den lite- im Zusammenhang mit Badegenuss und Freizeit rarischen Überlieferungen des römischen Philo- hören, sollten wir immer auch an unsere römische sophen Seneca (schrieb zur Zeit des Kaisers Nero Vergangenheit denken, denn die Römer brachten Mitte des 1. Jahrhunderts n. Chr.) Glauben schen- diese heute bei uns so beliebte und gesunde Frei- ken dürfen: „... denn wie die sagen, die die alten zeitgestaltung zu uns. Sie übernahmen die aus- Bräuche der Stadt überliefert haben, man spülte nur geprägte Badekultur und die damit verbundene Arme und Beine täglich ab, auf denen sich natürlich Architektur aus dem griechisch-hellenistischen Schmutz beim Tagwerk angesammelt hatte, ansonsten Kulturraum und leiteten die Entwicklung vom pri- badete man ganz nur an Markttagen (also an jedem vaten Bad zur öffentlich zugänglichen Thermenan- neunten Tag)“ (Seneca, epist. 86,12) lage ein. Römische Thermen dienten der Körper- Die öffentlichen Badeanlagen wurden meist pflege, Hygiene, körperlichen Ertüchtigung sowie von privaten Bauherren finanziert. In Rom geschah gesellschaftlichen Kommunikation und waren dies oftmals durch die staatlichen Bauprogramme damit ein fester Bestandteil römischer Lebens- einzelner Kaiser, man denke an die monumenta- kultur. Doch diese Entwicklung dauerte, denn len Thermen von Traian, Septimius Severus, Cara- in republikanischer Zeit vor der Zeitenwende calla oder Diokletian. In den römischen Provin- wusch sich der Römer morgens und badete nur in zen (in Niederösterreich waren dies Noricum und

Luftaufnahme der Caracalla-Thermen in Rom, erbaut etwa 206–216 n. Chr.

35 Rekonstruierte römische Therme in der zivi- len Siedlung (Zivil- stadt) der Römer- stadt Carnuntum auf Basis der Ausgrabungen 2005–2008

Pannonien) waren wohl hohe öffentliche Würden- Raumgliederung der unterschiedlichen Tempera- träger wie Provinzstatthalter, wohlhabende Stadt- turbereiche in zweifacher Ausführung, wobei der räte oder auch Großgrundbesitzer, die sich mit Rückweg durch die gleichen Räume zurückzule- diesem „Sponsoring/Marketing“ für ihre Person gen war. Solche Doppelanlagen dienten auch als Zuspruch bei den nächsten Bestellungen für hohe Trennung zwischen Männern und Frauen. Denn Ämter Unterstützung der „gesponserten Stadt- in öffentlichen Bädern gab es zeitliche terminisierte bewohner“ erwarteten, für die Finanzierung ver- Geschlechtertrennung. Für den privaten Bereich antwortlich. Daneben gab es aber gerade außer- lässt sich das wissenschaftlich nicht nachweisen. halb der Städte in den zahlreichen villae rusticae Viel über das römische Badewesen ist uns (Bauernhöfe, Gutshöfe) privat gebaute kleine einerseits durch römische Schriftsteller, vor allem Badeanlagen. aber auch durch das Werk des antiken Architek- Je nach finanzieller Möglichkeit sind daher ten Marcus Vitruvius Pollio (ca. 80–15 v. Chr.) römische Badeanlagen in Größe und Ausstattung bekannt, der u. a. viele Hinweise zu Baumateri- sehr unterschiedlich. Der Eintrittspreis bei öffent- alien und Verarbeitungstechniken überliefert. In lichen Anlagen war in der Regel gering, wobei Niederösterreich kennen wir einige römische Bade- Frauen mehr als Männer und Kinder zahlen muss- anlagen, etwa aus (exemplarisch) Baden (Aquae), ten. Dies hängt vor allem damit zusammen, dass Mautern (Favianis), Petronell-Carnuntum (Car- Frauen sehr oft nur am Vormittag baden durften, nuntum) oder St. Pölten (Aelium Cetium). In Car- wenn das Wasser noch heißer und sauber war. nuntum sind mehrere Thermenanlagen bekannt. Der Raumfolge nach werden römische Ther- Neben den Bädern in der Lagerstadt und im Auxi- men in verschiedene Bautypen eingeteilt. Der am liarkastell (wohl von den Soldaten genutzt) wur- häufigsten verbreitete Typ zeigt eine reihenförmige den in der Zivilstadt bislang zwei öffentliche

36 Untersuchung dieser römischen Therme ergab, dass das Bad vom öffentlichen Verkehrsweg (Pflas- terstraße) aus über eine die gesamte Nordfassade des Stadtteils durchlaufende Säulenhalle betreten wurde. Dadurch gelangte man in das als „Nord- trakt“ bezeichnete Gebäude, welches noch nicht zum direkten Badebereich gehörte. Hier befand sich u.a. ein thermopolium, ein gastronomisch genutzter Bereich sowohl zur Versorgung der Ther- menbenützer als auch für den freien „Gassenver- kauf“ in der Straßenhalle. Am Zugang zu den eigentlichen Baderäumen lag eine Latrine. Wir wissen durch archäologische Untersuchungen, dass römische Privathäuser nur selten mit Wassertoiletten ausgestattet waren. Häu- fig hatten sie Aborte mit Senkgruben oder einem Sammelbehälter (dolium), die von einem cloacarius „basilica thermarum“ Badeanlagen ausgegraben: die Große Therme (sog. entleert wurden. Die großen mehrstöckigen Miets- mit rekonstruierter Palastruine) nördlich des Forums im Tiergarten häuser Roms hatten Sammelstellen bzw. Gruben- Möblierung auf Basis von Petronell-Carnuntum sowie eine Therme im latrinen im Erdgeschoss. Die Bevölkerung verrich- der archäologischen Westteil der Insula VI in der Römerstadt Carnun- tete ihre Notdurft aber auch zuhause auf einem Befunde tum. Das Gebäude dort (heute als M 1:1-Rekon- lasanum (topfförmiges Gefäß), das in den Kanal struktion voll funktionstüchtig basierend auf den entsorgt wurde, oder gegen eine geringe Gebühr in Rekonstruierte Latrine antiken Befunden rekonstruiert) wurde in die- einer öffentlichen Bedürfnisanstalt. Diese wurden mit Holzsitzen und ser Form zu Beginn des 2. Jahrhunderts n. Chr. von einem conductor foricae verwaltet. Fließwassersystem in der errichtet. Es blieb mit geringen Umbauten bis in In der Carnuntiner Therme fand sich rekonstruierten Therme die Mitte des 4. Jahrhunderts in Betrieb. Die in eine öffentliche Latrine. An drei Wänden waren der Zivilstadt den Jahren 2005–2008 erfolgte archäologische ursprünglich Sitzbänke aus Holz oder Stein mit Löchern und länglichen Schlitzen. Unter allen Sit- zen führte als wesentliche hygienische Maßnahme ein Kanal mit fließendem Wasser durch, der vom Abwassersystem der Badebecken des Badegebäudes versorgt wurde. Die Fäkalien wurden von diesem Fließwasser in den öffentlichen Kanal geleitet. Vor den Sitzbänken verlief eine Rinne mit Frischwas- ser. In der Mitte des Raumes stand vermutlich ein Wasserbecken zum Händewaschen. Für heutige Verhältnisse waren die öffentli- chen Bedürfnisanstalten wenig intim. Sie hatten keine verschließbaren Kabinen. Man saß, höchs- tens nach Geschlechtern getrennt, ohne jeglichen Sichtschutz sehr eng beisammen. Es gab nebenein- ander angeordnete Sitzplätze für mehrere Personen, die miteinander plaudern und ihre „Geschäfte“ abschließen und verrichten konnten. Dagegen

37 Temperaturwechselbäder hinter sich, ging man entweder ins „Fitnessstudio“ (palaestra) oder in die Ruheräume in der basilica thermarum, wo man auf bequemen Klinen traschte, Geschäfte machte oder sich vom hauseigenen thermopolium (heute würde man es mit „Thermencafe“ umschreiben ) mit kuli- narischen und oenologischen Spezialitäten verwöh- nen ließ. In fast allen Baderäumen waren Boden- und Wandheizungen eingebaut, die für die ent- sprechend unterschiedlichen Raum- und Wasser- temperaturen sorgten. Das Heizungsprinzip einer römischen Fußbodenheizung ist vom Funktions- prinzip her eine Heizung mit untersetzter Feue- rung, wobei unter dem Fußboden teilweise oder flächig ein Hohlraum liegt. Dieser hohle Boden Kaltwasserbecken war der hygienische Standard sehr hoch: fließen- besitzt eine zentrale Feuerungsstelle außerhalb des („frigidarium“) in der des Wasser zur Fäkalienentfernung, Frischwasser in Raumes (praefurnium). Dadurch wird in den unter rekonstruierten Therme Kübeln zur Reinigung der anstelle von Toiletten- dem aufgeständerten Fußboden (hypokaustum) lie- papier verwendeten Stielschwämme und sauberes genden Hohlraum geheizt. An der der Heizstelle Wasser im Frischwasserbecken zum Reinigen der gegenüberliegenden Wand wird das Rauchgas über Hände. Kamine aus Tonrohren (tubuli) bis zum Dachaus- Hatte man die Latrine hinter sich, betrat lass geführt. So werden der ganze Boden und auch man den mit Abstand größten Raum des Komple- die Wand erwärmt, der Rauch zieht unter dem xes, die basilica thermarum. Diese diente wohl als Boden in die tubuli und entweicht über das Dach. Umkleide- und Ruheraum, zum Genuss von klei- Den oberen Abschluss der Kamine außen am Dach nen Mahlzeiten sowie Getränken und im oberen bilden getöpferte Dachaufsätze. Im Haus gibt es Bereich der Galerie als Ruhe-, Massage- und Lese- kaum Rauchentwicklung, Funkenflug tritt nicht bereich. Der weitere Aufbau auch dieser Therme ist auf. Die Abgastemperatur an den Kaminen liegt, mit dem Ablauf des Badevorganges abgestimmt. Je wie in den experimentalarchäologischen Versuchen nach Größe der Anlage konnte man die Spiel- und in Carnuntum nachgewiesen werden konnte, sehr Sportanlagen im Freien (palaestra) sowie kultu- niedrig, wodurch eine maximale Wärmeausbeu- relle Einrichtungen wie Bibliotheken mit Papyrus- tung gegeben ist. Schriftrollen oder Massage und Friseurangebote An der Südfront des Gebäudes war die nutzen. Dann begann das stufenweise Aufwär- Hauptfeuerstelle extra überdacht. Unmittelbar men des Körpers in den marmorvertäfelten Was- westlich daran anschließend erhob sich ein monu-

serbecken des Kaltbades (frigidarium, 20–25 ° C) mentaler Turm, der in Geschoßhöhe einen Wasser- und anschließend in den trockenen Durchgangs- speicher trug. Die Wasserversorgung erfolgte über

räumen des Warmbades (tepidarium, 35–40 ° C). Rohrzuleitungen von Westen. Vom Wasserspei- Die Höchstbelastung für den Körper war das Heiß- cher wurde mittels natürlichen Gefälles ein (wohl

bad (caldarium, 50 ° C), wo ein Wasserbecken (pis- metallener) Wassertank direkt über der heißesten cina) errichtet war. Manchmal war auch ein trocke- Stelle des Komplexes, dem praefurnium, befüllt. ner Schwitzraum (sudatorium) vorhanden. Dann Das hier aufgeheizte Wasser wurde wiederum mit- erfolgte die abschließende Abkühlung erneut im tels natürlichen Gefälles und ohne Wärmeverlust in Kaltbad (frigidarium). Hatte der Körper diese das direkt nördlich hinter einer Mauer befindliche

38 diesen positiven Genüssen wurde damals aber auch noch viel Wirtschaft und teils auch Politik in die- sen Anstalten gemacht. Durch den Niedergang die- ser hochentwickelten Kultur war dann über Jahr- hunderte keine vergleichbare Qualität in Bezug auf Badekultur mehr vorhanden. Erst etwa 1500 Jahre später, mit dem Boom der Sommerfrischen und Luftkurorte, wurde dem Körper der Menschen wieder vermehrt positive Aufmerksamkeit und Zuwendung entgegengebracht.

Römischer Warmwasserbecken geleitet. Dabei wurde es mit- Dreilagenkamm aus tels Ventilregelung mit Kaltwasser vermischt. Somit Bein und Eisen mit gelangte über die beiden Rohrauslässe ein mäßig

Kreisaugenverzierung warmes Wasser von 30–35 ° C in das Warmwas- aus Carnuntum serbecken. Ein verzweigtes Kanalnetz leitete die Abwässer der Becken zuerst durch die Latrine und dann weiter in den Abwasserkanal der öffentlichen Straße. Die Räume der Therme waren mit Marmor, Stuck, Wandmalerei und in Mosaikböden ausge- schmückt. Bei den früheren Ausgrabungen fanden sich auch für einen Badebetrieb typische Funde wie Haarnadeln, Haarkämme, Spiegel, Körperschaber, Ohrstäbchen, Pinzetten und Sonden, Keramik- schälchen und Glasfläschchen für Flüssigkeiten. Für die Möblierung der Räume dienten provinzial- römische Vorbilder (Reliefs, Malereidarstellungen) und erhaltene Funde aus anderen Badeanlagen als Grundlage. Der Bau der Therme in Carnuntum wurde als Beispiel antiker Bauweise modellhaft in allen Details für Fachleute und Laienpublikum teil- weise experimentalarchäologisch ausgeführt, d.h. es kamen antike Bautraditionen in Material und Technik zu Anwendung. Abschließend kann festgehalten werden, dass die Spiegel mit Griff römische Badekultur sehr weit fortgeschritten war aus Carnuntum, und vieles von dem vorweggenommen hat, was wir versilberter Bronze heute unter „Wellness-Oasen“ verstehen. Neben

39 Private Badeanlagen in Niederösterreich in historischer Zeit

Nina Kallina und Zu Unrecht wird in der europäischen Kunst- und Baden hatte aber nicht nur den Aspekt der körper- Patrick Schicht Kulturgeschichte das Thema Baden – Hygiene und lichen Reinigung und Erholung, es war auch ein Wellness – vernachlässigt, obwohl das Interesse ritueller Aspekt in unterschiedlichen Kulturen und an der Wasserbeschaffung (Brunnen, Zisternen, Religionen. Juden, Christen und Moslems hatten Rohrsysteme) sowie der Wasserableitung (Aborte, und haben teils strenge Regeln der Reinigung, zu Kanäle) durchaus groß ist. Seit dem 19. Jahrhun- denen komplexe Architekturen gehörten. Hervor- dert hat es auch Tradition, früheren Zeiten das zuheben sind die jüdischen Mikwen, Tauchbäder, Bedürfnis nach Sauberkeit abzusprechen, so gilt die jeder Synagoge angeschlossen waren, sowie die etwa das Mittelalter fälschlicherweise als düster christlichen Baptisterien, die vor allem im Früh- und schmutzig. christentum zu jeder Pfarrkirche gehörten. Dem entgegen kennt die zeitgenössische Das christliche Mönchtum führte antike Tra- Literatur unzählige Texte zum Thema Baden (etwa ditionen der ausgefeilten Waschkultur weiter und in der Gralslegende), auch auf Malereien sind oft verbreitete sie durch die überregionale Vernetzung, Brunnenhaus Stift Badende dargestellt (etwa in der Wenzelsbibel), wie komplexe Tunnelbauten, Druckwasserleitun- Zwettl (1. Hälfte zudem berichten historische Schriftquellen vom gen und Hochbehälter belegen. Gemäß schriftli- 13. Jahrhundert), Baden als normalem Bestandteil des Lebens und chen Quellen gab es dabei eine Unterscheidung in prunkvoller Schrein auch als gesellschaftlichem Ereignis, wenn etwa körperliche Waschbereiche in der Nähe der Schlaf- des „fons vitae“ Gesandtschaften im privaten Bad empfangen wur- räume (teilweise mit Fließwasser bis in die Zellen) im Zentrum der den. Schwimmen gehörte sogar zu den ritterlichen und den Ort der rituellen Reinigung im Kreuz- klösterlichen Klausur Fertigkeiten. gang. Dieser „fons vitae“ wurde gerade in Nie- derösterreich oft zum Prunkstück eines Klosters gestaltet, wie die kunstvollen Brunnenhäuser von Zwettl, Lilienfeld, Klosterneuburg und Heiligen- kreuz mit ihrer komplexen Baugestalt, den gestuf- ten Brunnenschalen und den aufwändigen Glasma- lereien eindrucksvoll zeigen. Obwohl bei Klöstern die reine Körperpflege im warmen Wasser als welt- liche Lustbarkeit galt und streng geregelt war, fin- den sich europaweit aufwändige Badebereiche mit Fußboden- und Luftheizungen sowie Vorrichtun- gen für heiße Wannenbäder. Auch der Adel genoss spätestens seit dem Hochmittelalter das Privileg reinigender Entspan- nung, wobei die Schriftquellen durchaus große Unterschiede in der Frequenz vom täglichen bis zum mehrmonatigen Bad überliefern. Prinzipiell unterschied man (neben der oftmaligen Handwä- sche sowie der sommerlichen Abkühlung in freien

40 Grundriss (rechts) Gewässern) zwei Methoden der Hygiene: Schwitz- während manikürt und frisiert wurde. Am Schluss der Kernanlage der und Wannenbäder. Im Schwitzbad saß man in wurde wiederum abgeschrubbt und mit Frischwas- Burgruine Rehberg aus geheizten Räumen auf gestuften Mauern mit Holz- ser geduscht, nach dem Aussteigen stürzte man die dem 16. Jahrhundert auflagen, während durch Aufgießen von Öfen oder Wanne einfach um. mit Vorhebung des heißen Steinen das Schwitzen gefördert wurde. Bei Die erste schriftliche Überlieferung eines Schwitzbads. Gut Bedarf wurden dabei auch Bart, Kopfhaare und adeligen Privatbads findet sich für Burg Persen- erhalten blieben die Nägel gekürzt, es wurde geschröpft und zu Ader beug bereits aus dem Jahr 1045, als bei einem massive Feuerstelle gelassen. Am Schluss erhielt man eine „Abreibung“ Fest der Saalboden einbrach und die Gesellschaft sowie die gestuften und wurde mit Wasser abgewaschen. Reste dieser in die darunter liegende Badestube stürzte. Seit Wandbänke (links). Schwitzstuben sind an Niederösterreichs Burgen dem 11. Jahrhundert sind im Burggarten frei ste- mehrfach durch tief liegende heizbare Gewölbe mit hende Badhäuser archäologisch nachgewiesen, Bodenauslässen (Burgruine Kaya), nur selten durch so im deutschen Schlössl und etwas später auf überlieferte aufgemauerte Stufenanlagen (Burgru- der Festung Hohensalzburg. Bis ins Spätmittelal- ine Rehberg) sowie durch Hinweise auf Heiz- und ter verfeinerte sich die Badekultur mit mehrtei- Lüftungskonstruktionen (Burgruine Hardegg) ligen geräumigen Badekomplexen, im 15. Jahr- erhalten. Auf der Osterburg findet sich sogar der hundert galt der Empfang im Bad als besonderes Rest einer einstigen aquäduktähnlichen Holzzulei- Zeichen der Gastfreundschaft, im Winter fand tung, die in ein Wandrohrsystem mündete. man sich jedoch auch aus heiztechnischen Grün- Die zweite Form war das Wannenbad, das den gern hier ein. Ab dem 16. Jahrhundert gab es sogar in Obergeschoßen belegt ist. Hier wurde schon modern eingerichtete Badezimmer für eine Wasser direkt erwärmt und in Wannen geleert, aufwändige persönliche Hygiene, zudem kamen oder diese durch heiße Steine gewärmt, in die- mobile Badewannen zum Einsatz, in italienischen sem Fall saß man auf Schemeln und Fußstützen. Schlössern sind auch erste Duschanlagen überlie- Tinkturen, Blüten und Kräuter dienten als Bade- fert. Im 17. Jahrhundert führte beim Hochadel zusätze, zudem konnte man auf einem aufgelegten die Verbreitung von oft gewechselter Unterwäsche Brett Essen und Trinken servieren und somit einen – die der Aufnahme von Schweiß und Schmutz längeren angenehmen Aufenthalt gewährleisten, dienen sollte – zur deutlichen Verminderung des

41 Grundrissdetail (links) der Kernanlage der Burgruine Osterburg aus dem 15. Jahrhun- dert mit Vorhebung der vermutlichen Badstu- ben. Gut erhalten blieb der Wasserkanal in der Wand, der einst durch ein hölzernes Aquädukt gespeist wurde (rechts).

Badens, Gerüche wurden nun durch Parfüm und als multifunktionale Wellness-Center. Neben Schminke verschleiert. dem Baden, das nicht immer nach Geschlech- Auch ein gehobener bürgerlicher Haushalt tern getrennt war und je nach Wunsch und Geld verfügte seit dem Mittelalter über eigene Badege- mit Schwitzen oder Wannen möglich war, gab es legenheiten. Hier steht die Hausforschung in Nie- Räume für die medizinische Versorgung, für Bar- derösterreich noch am Anfang, so gibt es keinen biere und Friseure sowie kleine Kammern zum einzigen sicheren Befund, wenngleich oftmals tief Ruhen und für sonstige Begehrlichkeiten. Die Bad- gelegene Gewölbe mit Heizanschlüssen, Brun- häuser dienten nicht zuletzt als gesellschaftlicher nenzugang und geneigtem Steinboden mit Aus- Treffpunkt mit Schwerpunkten an Samstagen und lass angetroffen werden. Wahrscheinlich stand hier Tagen vor größeren Feiertagen. das Wannenbad im Vordergrund, während Wand- Architektonisch findet sich im deutschen stufen nicht bekannt bzw. erhalten sind. Auch für Sprachraum meist ein L-förmiger zweigeschoßi- Bürgerhäuser gibt es zahlreiche bildliche Belege, ger Bautyp, der im tiefer gelegten, nicht sehr hohen wonach die ganze Familie im Bad zusammen saß Erdgeschoß den Empfangs- und Umkleideraum, und sich wohl das Badewasser nacheinander teilen den großen Baderaum sowie eventuell isolierte musste. In größeren Bauernhäusern finden sich seit Heiz- und Ruhebereiche umfasste. Das nur von dem Mittelalter Hinweise auf eigene Badehäuser, außen zu betretende Obergeschoß diente als Woh- die mit Wasserzuleitungen und Heizung ausgestat- nung von Bader und Barbier und hatte mehrfach tet waren und wohl dem ganzen Gesinde dienten. eine ganze Reihe kleiner Kammern für Sonder- Dem gegenüber mussten einfache Stadtbe- nutzungen. Von der Ausstattung künden oft noch wohner, Kleinhäusler und Tagelöhner in öffentli- große Kachelöfen, Wasserheizstellen und Sitzbänke che Badhäuser gehen. Diese sind seit dem hohen sowie aufwändige Wasserzu- und -ableitungen. Ab Mittelalter in zahlreichen niederösterreichischen dem Spätmittelalter waren wegen der Feuchtigkeit Städten, Märkten und größeren Dörfern belegt die Baderäume prinzipiell gewölbt und besaßen bei und waren integraler Bestandteil jeder größe- größeren Breiten mächtige Pfeiler. Weitere Kenn- ren Siedlung. Diese wegen der Brandgefahr, aber zeichen sind wenige hohe Fenster und Kiesel- oder auch wegen der Wasserzugänglichkeit oft in Platz- Ziegelpflaster mit starkem Gefälle. Mit Pest und mitte (Grätzl) oder am Stadtrand (aber inner- Cholera im Spätmittelalter und der aus Amerika halb der Stadtmauern) gelegenen Häuser dienten eingeschleppten Syphilis in der frühen Neuzeit,

42 Schloss Greillenstein, deren Übertragungswege unbekannt waren und auf Bad (um 1590) die öffentliche Wasserhygiene geschoben wurden, brach das öffentliche Baden regelrecht ein. Mehr- fach wurden Badhäuser auf Anordnung geschlos- sen, ab dem 16. Jahrhundert hatten die meisten ihre ursprüngliche Funktion verloren und gerieten in Vergessenheit, wenngleich der Baubestand fast durchwegs erhalten blieb. Ab dem 17. Jahrhundert entwickelte sich das Privatbad zumindest in adeligen Residenzen in eine neue Richtung: In Rezeption italienischer Grot- tenarchitekturen mit ihren integrierten Wasserspie- len, repräsentativen Badebecken und geräumigen Badehäusern finden sich an zahlreichen Schlös- sern ähnliche grottenartige Wasserbereiche sowie Freibecken, die wohl höchstens im Sommer zum Baden genutzt wurden. Nur vereinzelt gibt es aus dieser Frühzeit ganzjährige „Badeappartements“, die neben den eigentlichen Badezimmern Ruhe-, Umkleide- oder Gesellschaftsräume umfassten. So wurde im Renaissanceschloss Greillen- stein im Waldviertel in den 1980er Jahren im für den Abzug der Rauchgase deuten darauf hin. Untergeschoß eine bis dahin verschüttete, etwa Die Wasserversorgung selbst wurde offensichtlich quadratische Grube entdeckt, die sorgfältig mit durch eine Bleileitung gewährleistet, die in Tei- Sandsteinplatten ausgekleidet war und zusammen len im Boden noch erhalten war. Eine weiterge- mit den vorhandenen Heizvorrichtungen zweifels- hende bauarchäologische Untersuchung konnte frei als Badebecken identifiziert werden kann, das darlegen, dass das Badebecken ein älteres Bad abge- wohl um 1590 entstanden ist. In das Becken führt löst hatte, in dem die Badenden noch in hölzer- eine Stiege, ebenfalls mit Sandsteinstufen, über nen Zubern gesessen haben. Mit dem Umbau zum welcher ein hölzerner Aufbau steht. Im benach- großen Badebecken zeigt sich – besonders im herr- barten Vorraum, von dem aus man in das Becken schaftlichen Bereich – dann bereits der Übergang gelangen konnte, haben die Badenden wohl ihre zur Barockzeit. Kleidung abgelegt. Im Becken selbst sind durch Eine ähnliche, aber dekorativ schon aufwen- Reste von Beschlägen ausklappbare Sitzbänke gesi- diger ausgestattete Anlage ist in der Rosenburg im chert. Über dem Becken ist an einer Wand eine Turm an der Südostecke des Ziergartens einge- Galerie eingezogen, von wo aus man die Baden- richtet. Im Erdgeschoss befindet sich ein von einer den beobachten konnte. Dies verdeutlicht, dass Balustrade umgebenes, ca. 10 m² großen Badebe- das Baden in derartigen Anlagen kein bloß privates cken. Darüber spannt sich ein Stichkappengwölbe Vergnügen war, sondern durchaus ein gesellschaft- mit Stuckkartuschen und renaissancezeitlichen liches Ereignis. Friesen entlang der Grate. Die großen Mengen an Wasser wurden Ein besonderes Beispiel adeliger Bade- wahrscheinlich in einem großen Kessel gleich kultur hat sich in Schloss Salaberg erhalten, wo neben dem Becken erhitzt. Dieser ist zwar nicht das im Schlosspark errichtete Badehaus sowohl mehr vorhanden, aber starke Brandspuren auf der über eine reich ausgestattete Grotte als auch Sohle einer Heizgrube und ein mächtiger Schlot über ein Badebecken mit zwei anschließenden

43 Gesellschaftszimmern verfügt. Der kleine, im Jahr Im älteren Turm an der Nordwestecke des Gebäu- 1700 vollendete Bau, der unter Einbeziehung eines des war die Feuerstelle für die Warmwasseraufbe- älteren Wehrturmes errichtet wurde, öffnet seine reitung untergebracht. Bei archäologischen Gra- vierfärbige Fassade zum Garten hin in einer drei- bungen vor der umfassenden Restaurierung um achsigen Bogenstellung. Hinter dieser als Arkade das Jahr 2000 konnte der Verlauf der Wasserzu- geöffneten bunten Fassade liegt ein halbellipti- und -ableitung zum Bassin befundet werden. Wei- scher Raum, der durch die reiche Verwendung von ters lassen diese Untersuchungen darauf schließen, Stuck, Tuffstein sowie farbigen, mit bunten Glas- dass sich im nördlich anschließenden Gesellschafts- splittern und Kieselsteinen durchsetztem Putz als zimmer eine Fußbodenheizung befunden hat. Grotte gestaltet ist. Zwei seitliche Durchgänge füh- Die Badeanlagen von Greillenstein und Rosen- ren zu einem dahinterliegenden Korridor, hinter burg können unter anderen Beispielen wohl als dem drei weitere Räume angeordnet sind. Vorbilder für das Konzept des Badebeckens und Der mittlere Raum wird zum großen Teil von der anschließenden Räume in Salaberg angesehen einem versenkten, marmorverkleideten Badebecken werden. eingenommen, das von den flankierenden Gesell- Auch die dekorative Ausstattung des Bade- schaftsräumen aus über eine doppelläufige Holz- hauses ist hochwertig und bemerkenswert, wenn treppe erreichbar ist. Der schmale verbleibende Rest sie auch nicht mehr geschlossen aus der Bauzeit des Raumes an der Westseite wird durch eine Gale- erhalten ist. Die Wandflächen des Baderaumes sind rie mit einer Marmorbalustrade eingenommen. Von oberhalb des Beckens vollständig mit Quadratur- hier konnte man auch in diesem Badehaus, aus den malerei dekoriert. Die Decke – hier sind die ori- benachbarten Zimmern kommend, dem Badever- ginalen Malereien verloren – gab wohl den Blick gnügen anderer beiwohnen. in den Himmel frei. An der Hauptschauwand

Schloss Salaberg, Sommerhaus (um 1700), Grundriss (links)

Schloss Salaberg, Sommerhaus (um 1700), Bad, Hauptschauwand (rechts)

44 Westlich oberhalb des Schlosses befindet sich im Garten ein großes, unregelmäßig geschwungenes Schwimmbassin, das erst kürzlich (2016/2017) res- tauriert wurde. Dieser „Außenpool“ aus der zwei- ten Hälfte des 19. Jahrhunderts ist wohl auch ein Zeichen seiner Zeit – sozusagen Sommerfrische vor der eigenen Haustür. Der kurze Streifzug durch die Geschichte des privaten Badens in Niederösterreich zeigt, dass sowohl Körperpflege als auch Erholung durch das Baden seit dem Mittelalter einen großen Stellen- wert im Leben der Menschen hatten. Dabei war man gar nicht so weit von unserer heutigen Well- ness entfernt, es galt wohl schon immer das Motto „erlaubt ist, was gefällt“.

Schloss Artstetten, führt – einer antiken Therme nachempfunden – Badehaus und Teich eine Säulenhalle zu einem Kaskadenbrunnen. Die (2. Hälfte Anspielung auf antike Bauten ist hier sicherlich 19. Jahrhundert) bewusst erfolgt, so setzt sich die Thermen(schein)- architektur an der Nord- und der Südwand mit einer offenen Säulenhalle mit einer Empore fort. In der österreichischen Kunstgeschichte findet sich kein Beispiel, das dem Sommerhaus von Salaberg in seiner Symbiose von Grotte und Bad vergleich- bar wäre. Zuletzt sollen die Badeanlagen von Schloss Artstetten kurze Erwähnung finden: Das Bade- zimmer aus dem Jahr 1865, in dessen Holzbo- den eine mit Fayencen gekachelte Wanne eingelas- sen ist, wird fast zu Gänze von diesem Badebecken eingenommen, es war ausschließlich zum priva- ten Gebrauch vorgesehen. Die gesellschaftliche Konnotation des Badens – im Sinne von Körper- pflege – gehörte im 19. Jahrhundert längst der Ver- gangenheit an, der Aspekt der Reinigung und der heilenden Wirkung durch das Wasser traten (wie- der) in den Vordergrund, wenngleich eine hoch- wertige Ausstattung – sowohl in künstlerischer als auch in technischer Hinsicht – in den entsprechen- den gesellschaftlichen Kreisen durchaus gewünscht war. Im Badezimmer von Artstetten war sowohl Schloss Artstetten, kaltes als auch warmes Fließwasser verfügbar, in Badezimmer den darunterliegenden Räumen sind die entspre- (um 1865) chenden Heizvorrichtungen untergebracht.

45 Vom Frauenbad zum Arnulf Rainer Museum

Richard Messner

„Wenn wir wollen, dass alles bleibt, wie Wertschätzung entgegengebracht. es ist, dann ist es nötig, dass alles sich Am Anfang der ­Recherchearbeit zum verändert.“ Wettbewerb stand die Aufgabe, das Diese Worte legt der Autor Giuseppe Wesen des bereits mehrmals umge- Tomasi di Lampedusa in seinem bauten Frauenbades zu ergründen. Roman „Il Gattopardo“ dem jungen Ebenso war es notwendig, sich mit Tancredi in den Mund, um seinen Arnulf Rainers Haltung zur Archi- Anschluss an die Gruppen Garibaldis tektur zu befassen und im Entwurf zu rechtfertigen. Dieser Vorsatz, die gewonnenen Erkenntnisse zu notwendige Veränderungen in Kauf verbinden. zu nehmen, um im besten Sinne Zur ersten Ausstellung Arnulf konservatorisch zu wirken, sollte am Rainers 1977 in den damals frisch Beginn einer Arbeit mit wertvoller adaptierten Räumen schuf der Künst-

Restaurierbeispiel Bausubstanz stehen. ler einen eigenen Werkzyklus, der Der Umbau des historischen Übermalungen von Fotos und Stichen Frauenbades in das Arnulf Rainer des Frauenbades zum Inhalt hatte. Museum war ein klares Bekenntnis Eine dieser Übermalungen zeigte eine der Stadt Baden und des Landes Nie- intensive Bearbeitung – oder eigent- derösterreich zur Erhaltung eines Bau- lich Auslöschung – der Dachlaterne. denkmales. Gleichzeitig wurde einem Beim Studium alter Ansichten wurde Arnulf Rainer Museum, Außenansicht Gegenwartskünstler die gebührende erkennbar, dass dieser Dachaufbau erst im Zuge eines späteren Umbaus hinzugefügt worden war. Hier führte Rainer über seine Intuition zu einer wichtigen gestalterischen Aussage eines bereits lange verstorbenen Bau- künstlers. Ohne den historischen Baukörper zu stören, wurde durch die ‚bauliche Übermalung‘ der Dach- laterne der ursprünglich geplante Eindruck eines griechischen Tem- pels klassizistischer Prägung wieder hergestellt. … Da für die künftige Architek- tur die formalen Wege, wie sie in der modernen Malerei entwickelt wurden, fruchtbar und inspirierend sein werden,

46 empfehle ich den Baumenschen das Ein- hüllungsprinzip. Rainer 1967 Die Innenräume wurden scho- nend, aber bestimmt der neuen Auf- gabe entsprechend adaptiert. Der Kontrast zwischen den großzügigen Bädern und den zellenartigen Umklei- deräumen ist von besonderer Bedeu- tung. Die historischen „Kabanen“ wurden größtenteils belassen und ermöglichen dem Betrachter einen konzentrierten Blick auf kleinforma- tige Arbeiten. Die mit Marmor ver- kleideten Wandflächen des Karolinen- und Frauenbades, besonders geeignet zur Präsentation größerer Werke, wur- den schonend gereinigt. Auf den Ein- satz eines Sandstrahlverfahrens wurde und Decke abgesetzt, dass sichtbar Großfilteranlage, welche die Außen- verzichtet, um einen Teil der angesetz- bleibt, wo sich Baderäume befanden, luft klärt und die Umluft in einem ten Patina zu erhalten. die später aufgelassen wurden. zirkulierenden Kreislauf hält, kön- Der sparsame Einsatz der ver- Die begehbaren Glasdecken aus nen die musealen Randbedingungen wendeten Materialien unterstützt die den 1980er Jahren wurden entfernt, eingehalten werden. Trotz aufwändi- kohärente Struktur des Gebäudes. um das Karolinenbad auf Niveau der ger Messanlagen zur Überprüfung der Alle fixen Einbauten, Teile der Möb- ehemaligen Badegäste wieder betret- Grenzwerte erweist sich hier die Nase lierung und die neu geschaffenen und erlebbar zu machen. als äußerst sensibler Gradmesser der betretbaren Ebenen über den Becken Ein Terrazzoboden mit gerin- Luftqualität. Die Besonderheit des wurden in silbergrauem Eichenholz ger Aufbauhöhe ermöglichte es die Beleuchtungskonzeptes sind frei span- ausgeführt. Der Besucher wird damit vorhandenen Türen in voller Höhe nende Träger, die in den Haupträu- auf die aktuellen architektonischen zu belassen. Um die Aufmerksamkeit men indirekt die Tonnengewölbe Eingriffe hingewiesen. auf die Ausstellungsobjekte zu lenken, erhellen. An deren Unterseite sind Seit Beginn des Badebetriebes wurde die Farbe des Bodens in allen Spots zur Beleuchtung der Exponate wurde das Gebäude ständig umge- Räumen vereinheitlicht. Glasgeländer und Videokameras montiert. baut, wichtige Bauphasen bleiben ermöglichen freie Sichtbeziehungen Die meisten gestalterischen ablesbar. Im Eingangsbereich (Shop) zwischen den Ausstellungsebenen. Interventionen bestanden in einer wurde der Einbau so weit von Wand Eine technische Herausforde- Reduktion der vorhandenen Elemente rung bestand darin, die teilweise kon- und können als reversibel betrachtet taminierte Luft aus den artesischen werden. Architekten, denen die ver- Quellen, die sich im Keller befinden, antwortungsvolle Aufgabe übertragen zu reinigen. Durch den Einbau einer wird, sich mit denkmalgeschützten Bauten zu beschäftigen, sollten daran denken, dass die letzte Planung nur Arnulf Rainer, Frauenbad, die vorerst letzte Planung darstellt: Übermalung, o.J. (oben) Wenn wir wollen, dass sich alles ver- Arnulf Rainer Museum, ändern kann, sollten wir genau hinse- Kabanen (links) hen, was bleibt.

47 Baden-Baden – Sommerhauptstadt und Stadtdenkmal

Volkmar Eidloth

Im 19. Jahrhundert galt Baden-Baden des 2004 nach Plänen Richard Meiers vielen als die „Sommerhauptstadt errichteten Museums Frieder Burda Europas“, die jährlich ein internatio- bis heute bewahren können. Weni- nales Publikum, Politiker und Künst- ger bekannt ist Baden-Baden als eines ler in das Oostal am westlichen Rand der bedeutendsten Stadtdenkmale in des Nordschwarzwalds lockte. Das Südwestdeutschland. An die 1000 1889 erschienene europäische Bäder- Bau- und Gartendenkmale nach dem lexikon von Robert Flechsig bezeich- baden-württembergischen Denkmal- nete Baden-Baden als „das größte schutzgesetz verzeichnet die Kultur- und besuchteste Luxusbad, welches denkmalliste für die Baden-Badener Deutschland aufzuweisen hat.“ Das Innenstadt, der historische Stadt- Image eines internationalen Mode- kern steht auf einer Fläche von knapp bades und seine Anziehungskraft hat 134 Hektar als Gesamtanlage unter

Blick über die Grenzen Blick International Denkmalpflege Baden-Baden dank des Spielcasinos Ensembleschutz. Mit diesem Bestand mit seinen historischen Spielsälen, des gehört Baden-Baden zu einer Gruppe 1998 eröffneten Festspielhauses oder von Städten, die sich gegenwärtig als „Great Spas of Europe“ um die Aner- kennung als UNESCO-Welterbe bewerben. Ihre Entstehung verdankt die Stadt den am Südhang des Floren- tinerbergs (heute Schlossberg) ent- springenden Thermalquellen, was sich auch im überlieferten Namen „Aquae“ der spätantiken Siedlung nie- derschlug. Die im letzten Viertel des 1. Jahrhunderts errichteten Badean- lagen dienten vor allem der im nahen Argentorate (Straßburg) stationierten VIII. Legion zur Erholung. Urkund- lich 987 erstmals genannt, erhielt die „villa Baden“ in der zweiten Hälfte

Situations-Plan der Stadt und Umgegend von Baden im Jahr 1889

48 Romantik. Bereits 1765/66 war vor Anlage der Trabrennbahn in Iffezheim Baden-Baden – Sommerhauptstadt den Stadtmauern auf der gegenüber- initiierten und finanzierten und damit und Stadtdenkmal liegenden Seite des Flüsschens Oos den Aufstieg Baden-Badens zum eine Kastanienallee angelegt und das mondänen internationalen Spielebad sogenannte Promenadenhaus errichtet ermöglichten. Mit weit über 47.000 worden, das 1822–1824 der großher- Kurgästen verzeichnete Baden-Baden zoglich-badische Baudirektor Fried- um 1850 unter allen europäischen rich Weinbrenner zum Konversati- Kurstädten die größte Zahl und vor onshaus (heute Kurhaus) umbaute. allem die größte Diversität an aus- Damit war der Grundstein für ein ländischen Gästen. Für deren Unter- neues Kurviertel gelegt, das nicht bringung standen über 40 Hotels, Konversationshaus von Friedrich Weinbrenner nur dem alten Bäderquartier schon aber auch zahlreiche Villen zur Verfü- (heute Kurhaus) im Kurgebiet, 1822–24 bald den Rang ablaufen, sondern gung. Zu dem Aufschwung trug nicht auch zu einer Schwerpunktverlage- zuletzt der Anschluss an das Eisen- des 13. Jahrhunderts Stadtrecht und rung der baulichen, wirtschaftlichen bahnnetz 1845 bei, sodass spätestens das Privileg zum Bau der Stadtmauer. und gesellschaftlichen Stadtentwick- 1869 eine direkte Expresszugverbin- Ab 1306 wurden nachweislich die lung führen sollte. Großen Anteil dung nach Paris bestand. Heilquellen als landesherrliches Regal daran hatten die französischen Spiel- Der Deutsch-Französische verliehen. Um 1500 konnte Baden- bankpächter der Familie Bénazet, Krieg 1870/71 und das Glücksspiel- Baden bereits mit zwölf Badehäusern die ab 1838 die Neueinrichtung der verbot im Deutschen Reich 1872 mit beinahe 400 Badekästen aufwar- Spielbank im Konversationshaus, den bedeuteten einen neuerlichen spür- ten. Zudem hatten 1479 die Mark- Neubau einer Trinkhalle und eines baren Einbruch in der Entwicklung grafen von Baden ihren Hauptsitz Theaters, die Ausgestaltung des Kur- Baden-Badens. Die Stadt reagierte von der oberhalb der Stadt gelegenen parks der Lichtentaler Allee sowie die darauf mit einer Rückbesinnung Stammburg Hohenbaden in das soge- nannte Neue Schloss auf dem Floren- tinerberg verlegt, das noch Mitte des 17. Jahrhunderts mit einem barocken Prunkbad ausgestattet wurde. Einen schweren Rückschlag erlitt die Ent- wicklung Baden-Badens und seines Badewesens durch die weitgehende Zerstörung der Stadt im Pfälzischen Erbfolgekrieg 1689 und die anschlie- ßende Verlagerung der markgräflichen Residenz nach Rastatt. Wiederentdeckt wurde Baden als Badeort durch die Teilnehmer am Rastatter Kongress 1797/98, gefolgt von Künstlern der deutschen

Stadtansicht mit dem Hotel Euro- päischer Hof, aus „Frühlingsblätter Baden-Baden, Feuilles printanières, Messengers of Spring“ 1894

49 Friedrichsbad von Carl Dernfeld im Bäderquartier der Altstadt, 1869–77

auf ihre ursprüngliche Badetradi- tion. Unmittelbar an den Thermal- quellen in der Altstadt wurden mit dem Friedrichsbad 1869–1877 und dem Kaiserin-Augusta-Bad 1893 zwei große Badetempel errichtet, die modernsten Ansprüchen genügten. Im neuen Friedrichsbad „kann man jedes Bad nehmen, das jemals erfun- den wurde“, notierte Mark Twain bald nach dessen Eröffnung. Die Erneuerung als Heilbad ließ auch die erstreckt sich in Hanglage auf mit- Südwestlich der Altstadt, in der Gästezahlen schnell wieder ansteigen. telalterlichem Grundriss die Altstadt. Talaue jenseits der Oos, liegt das Kur- 1890 wurde die Marke von 60.000 Diese teilt sich in die aus der ehe- viertel mit dem klassizistischen Kur- Besuchern im Jahr übertroffen, 20 maligen Vorburg entwickelte Ober- haus, dessen nördlicher Eckpavil- Züge täglich liefen den 1895–1896 stadt und die Unterstadt mit dem lon seit 1855 die Spielbank mit ihrer neu gebauten Bahnhof Baden-Baden alten Markt, an dem die Stiftskir- prunkvollen historistischen Raumaus- an. Bis zum Ersten Weltkrieg wuchs che und das ehemaligen Jesuitenkol- stattung in den Stilen des Louis XIII. die Zahl an Kurgästen auf jährlich leg (heute Rathaus) stehen. Die Bau- bis Louis XVI. beherbergt. Der Süd- beinahe 80.000 an. Der Ausbruch des substanz der Altstadt geht zum einen pavillon bildet den Point de vue der Ersten Weltkriegs bedeutete das Ende auf den barocken Wiederaufbau nach schon erwähnten vierreihigen Kas- der Belle Époque im Weltbad Baden- 1689 zurück, zum anderen ist sie das tanienallee des 18. Jahrhunderts, die Baden. Die städtebauliche Entwick- Ergebnis von baulichen Erneuerun- seit 1818 von 1867 erneuerten Ver- lung der Nachkriegszeit erstreckte sich gen im Zuge der Kurstadtentwick- kaufsboutiquen begleitet wird. Flan- vor allem auf die Vorstadtgebiete in lung des 19. Jahrhunderts, die meist kiert wird das Kurhaus im Norden Richtung der Rheinebene. Allein die auch mit einer Aufzonung verbunden von der 1839–1842 durch Heinrich Erschließung eines neuen Landhaus- waren. Dies hat dazu geführt, dass Hübsch erbauten Trink- und Wan- gebietes am Annaberg nahm direk- auch die baulichen Unterschiede zwi- delhalle. Im Süden ergänzt das 1860– ten Bezug auf den alten Stadtkern. schen Altstadt und Stadterweiterun- 1862 errichtete Theater das Gebäu- Im Zweiten Weltkrieg von Kriegszer- gen weitgehend überformt sind. In deensemble des Kurviertels. Vom störungen verschont, blieb die his- der Linienführung von Luisen- und sich nördlich dahinter erhebenden torische Kurstadt von punktuellen Sophienstraße lässt sich wenigstens Michaelsberg bis zum Zisterziense- Eingriffen abgesehen in den Dimen- noch der Verlauf der einstigen Stadt- rinnenkloster Lichtental im Südwes- sionen und der Gestalt des 19. Jahr- befestigung erkennen. Innerhalb der ten erstreckt sich über 2,3 km Länge hunderts bestehen. Altstadt befindet sich auch das alte der ab 1839 unter Johann Michael Die städtebauliche Krone des Bäderquartier mit den baulichen Res- Zeyher angelegte Landschaftspark Stadtdenkmals Baden-Baden bildet ten der antiken Thermen, dem 1846– der Lichtentaler Allee. Dessen Rück- bis heute die auf hohen Substruktio- 1848 von Heinrich Hübsch errichte- grat bildet zum einen die gleichna- nen errichtete Renaissanceanlage des ten ehemaligen Dampfbad und dem mige, seit dem 17. Jahrhundert nach- Neuen Schlosses. Zu ihren Füßen bereits genannten Friedrichsbad. weisbare Allee, zum anderen die

50 „Paradies“ von Max Laeuger am Annaberg, 1922–25

begradigte und als Parkelement ausge- staltete Oos. An deren östlichem Ufer reihen sich die historischen Palastho- tels, beginnend mit dem 1807 von Friedrich Weinbrenner geschaffenen Badischen Hof über Brenners Parkho- tel bis zum Hotel Bellevue. Vor allem die Hanglagen bei- derseits der Oos nehmen ausgedehnte Villengebiete ein. Das älteste ist das von Beutig und Quettig im Westen und Südwesten der Stadt. Die Bebau- erschlossen, war dessen Bebauung mit Stadt Baden-Baden deshalb jüngst ung setzte hier mit einzelnen Villen dem Ausbruch des Ersten Weltkriegs städtebaulich-denkmalpflegerische inmitten parkartiger Gärten schon in allerdings zum Erliegen gekommen Analysen und Wertepläne erarbeiten den ersten Jahrzehnten des 19. Jahr- und setzte erst in den 1920er Jahren lassen, die in Kombination mit bau- hunderts ein. Bis nach 1900 entwi- wieder verstärkt ein. Dazu hatte der planungsrechtlichen Regelungen hel- ckelte es sich zu einem stark durch- Annaberg mit dem 1922–1925 nach fen sollen, die historisch-städtebauli- grünten, vornehmen Wohngebiet mit Plänen Max Laeugers geschaffenen chen Charakteristika dieser Gebiete einem vielfältigen Bestand an Vil- „Paradies“ – einer am Vorbild italieni- zu sichern. Zum außergewöhnlichen lenanwesen unterschiedlicher zeitli- scher Renaissancegärten orientierten universellen Wert, den angehende cher Entstehung und Gestaltung. In Wasserkunstanlage – eine bis heute Welterbestätten nachweisen müs- der Talaue östlich der Oos liegt das beachtete Attraktion erhalten. sen, gehören neben einer besonde- Villenquartier der Lichtentaler Vor- Für die Denkmalpflege bie- ren kulturgeschichtlichen Bedeutung stadt, die in den 1860er Jahren pro- tet Baden-Baden ein breit gefächer- und einer hohen Überlieferungsquali- jektiert wurde. Ihr städtebauliches tes Aufgaben- und Betätigungsfeld. So tät schließlich auch aktive Erhaltungs- Kennzeichen ist ein von der Evange- wurden bedeutende Baudenkmale des und Pflegebemühungen. lischen Stadtkirche ausgehender Stra- historischen Kurwesens wie z.B. das ßen-Dreistrahl. Die Bebauung besteht Friedrichsbad, die Räume der Spiel- aus von Bauunternehmern erstellten bank oder die Trinkhalle aufwän- Villen auf kleinen, regelmäßigen Gar- dig restauriert. Besondere Bedeutung tengrundstücken. Zu den Besonder- kommt aber auch der städtebaulichen heiten dieses Quartiers gehören die Denkmalpflege zu. Das betrifft bei- 1864–1867 für die englische Kolo- spielweise die Villen- und Landhaus- nie in Baden-Baden errichtete Ang- gebiete, in denen bauliche Nachver- likanische Kirche und die 1882 ein- dichtungen nicht nur denkmalwerte geweihte Russische Kirche. Den Gartenräume bedrohen, sondern auch Fuß des Friesen- heute Annabergs die historische Quartiersstruktur in im Südosten der Altstadt nimmt das Gänze gefährden. Auf Anregung und jüngste der Baden-Badener Villen- unter fachlicher Begleitung des Lan- und Landhausgebiete ein. Um 1900 desamts für Denkmalpflege hat die

51 Auf den folgenden Seiten informieren wir Sie über die wichtigsten derzeit laufenden Restaurierungen und die anstehenden Probleme im Bereich der Denkmalpflege in Niederösterreich. Beiträge von Gerold Eßer, Patrick Schicht, Christoph Tinzl, Bärbel Urban-Leschnig

Baden, Renngasse 7–11, Freskenausstattung des 16. Jahr- Bürgerhaus hunderts im rechten Hoftrakt, die Nach einem weiträumigen Dachbo- trotz starker Reduktion noch als denbrand 2012 und einer vorbild- floral ornamentierte Landschaft lichen Notabdeckung, die Zeit für mit Figurenprogramm zu erken- umfassende Vorbereitungen eines nen ist. Auf dieser Basis konnte bis nachhaltigen Revitalisierungspro- zum Frühjahr 2017 ein denkmalge- jekts gab, wurden bauhistorische rechter Umbau ausgeführt werden, und archäologische Untersuchun- der neben der Rückführung der gen durchgeführt, die im außen Fassaden mit Kastenfenstern sowie unscheinbaren Innenstadthaus mit ursprünglicher Putz- und Farbge- einfacher barocker Fassade einen staltung auch eine Teilfreilegung gotischen Kernbau mit renaissance-

Aktuelles Niederösterreich in aus der Denkmalpflege zeitlichen und barocken Erweite- Baden, Bürgerhaus, Ausschnitt rungen belegten. Die Überraschung aus den freigelegten Fresken (links), boten Reste einer großflächigen Hoftrakt (rechts)

52 der Fresken umfasste. Im linken und durch kleinere Veränderungen Hoftrakt wurde ein Kindergar- an der Dachhaut längerfristig die ten mit neu vorgesetztem Verbin- Erhaltungsprognose zu optimie- dungsbereich untergebracht, womit ren. (CT) dem höchst qualitätsvollen Ensem- ble eine adäquate neue Zeitschicht Feistritz am Wechsel, Burgverlies des 21. Jahrhunderts hinzugefügt Die mächtige, hoch über dem Ort wurde. (PS) thronende Burganlage mit ihrem englischen Landschaftsgarten ist seit Dürnstein, Kunigundenturm vielen Jahren ein besonderer Ver- Der charakteristische Kunigun- anstaltungsort für Kulturevents denturm, mächtiger Rest der 1803 im südlichen Niederösterreich. weitgehend abgebrochenen ehema- Im 12. Jahrhundert gegründet, ligen Pfarrkirche von Dürnstein, wurde der Kernbau bis in das frühe ist eines jener Wachauer Denkmä- 20. Jahrhundert hinein immer wie- ler, dessen Architekturoberflächen der durch Errichtung neuer Gebäu- noch mehrheitlich aus der Gotik deteile verändert und erweitert. stammen. Gleich der Schönheit Besonders prägend für die Bauge- eines gealterten Gesichtes, in das schichte der Burg und ihre direkte Dürnstein, Kunigundenturm (oben) das Leben gleichsam seine Jahres- Umgebung waren Umbauten im Stil ringe eingeschrieben hat, bewahrt des romantischen Historismus, die diese dünne, aus Sand und Kalk Josef Freiherr Dietrich von Diet- bestehende Verputzhaut Spuren richsberg, ein Wiener Fuhrwerks- Feistritz am Wechsel, Burgverlies der Jahre, Jahrzehnte und Jahrhun- großunternehmer, Armeeliefe- derte, die vergangen sind: gewollte rant und Theaterliebhaber, ab 1815 Spuren wie jenen innerhalb von tätigte. In diese Zeit etwa fallen die Vorritzungen in Rot angelegten Anlage des weitläufigen Burggartens Fries knapp unterhalb des Dachan- mit künstlichem Teich, Wasserfall satzes oder auch die charakteristi- und Grotte, der Bau der heute für schen weißen Fensterfaschen, aber Veranstaltungen genutzten Reithalle auch „Abdrücke“, die sich aus his- und der Einbau eines Rittersaales im torischen Wechselfällen ergaben, Stil der Neogotik sowie des Schloss- wie etwa Reste des Giebels und der theaters. Als Mitglied des Ordens Innenraumausmalung des verlore- der „Ritterschaft der Wildensteiner nen Kirchenbaus, die nun an der auf Blauer Erde“ nützte Freiherr von Ostseite des Turmes von den ehe- Dietrichsberg den Erwerb seiner maligen architektonischen Zusam- Feistritzer Burg zur Ausschmückung menhängen erzählt. So war auch nach mittelalterlichen Vorbildern 2016 Restaurierziel der von der und zur Inszenierung von Ritter- Stadtgemeinde Dürnstein getra- spielen mit romantischem Hin- genen und von Restaurator Karl tergrund. Im Zuge laufender Res- Brandner umgesetzten Restau- taurierungen wurde kürzlich auch rierung, die gewohnte Erschei- eine in einem als Verlies inszenier- nung konservatorisch zu stabilisie- ten Raum eingebaute Aufzugsanlage ren, Pflanzenbewuchs zu entfernen wiederhergestellt: Mittels eines an

53 einer Kette aufgehängten, eisernen hochmittelalterlichen Wehrkirchen- Käfigs konnten Gefangene mimende anlagen in der Buckligen Welt. Der Schauspieler im Zuge inszenierter in der ersten Hälfte des 13. Jahr- Handlungen aus einem tief im Kel- hunderts errichtete Saalbau, der ler der Burg befindlichen Raum in kurz nach 1400 durch Aufstockung die Mitte der Teilnehmenden und eines Wehrgeschoßes erhöht wurde, Akteure gezogen werden. (GE) imponiert noch heute durch seine geschlossene, von nur wenigen Öff- Großengersdorf, Pfarrkirche – Res- nungen aufgelockerte Erscheinung taurierung der Westfassade und seinen mächtigen Westturm. Die westliche Fassade der Ende Im Zuge einer notwendigen Erwei- des 19. Jahrhunderts durch Eugen terung des nördlichen Sakristeizu- Schweigel errichteten Pfarrkirche baus, der als kubisches Volumen in wird durch das reich dekorierte, Entsprechung der Vorgabe des Alt- von Fialen flankierte Trichterportal, bestandes umgesetzt wurde, fiel die über dem sich zwei Rosettenfenster Entscheidung zur Überarbeitung und ein fünfteiliger Arkadengang der in einem hellen Sandton gehal- sowie ein mit Blendmaßwerk beton- tenen Kalkfassade. Damit einher- tes Hauptgesimse befinden, künstle- gehend wurden die fragmentarisch risch und architektonisch gegliedert. erhaltenen Reste einer an der West- Im Zuge der restauratorischen Vor- seite angebrachten, den Heiligen Großengersdorf, Pfarrkirche untersuchung musste man fest- Christophorus darstellenden Wand- stellen, dass durch die Vielzahl der malerei gesichert sowie partiell vor- verschiedenen verwendeten Stein- handene Architekturgliederungen materialien (Naturstein, Kunststein) aus unterschiedlichen Dekorations- und Oberflächen (Naturputz, Stein) phasen wieder lesbar gemacht. (GE) sowie durch mehrmalige Instand- Lichtenegg, Pfarrkirche setzungen die unterschiedlichsten Matzendorf, Pfarrkirche – Gestal- Schadensbilder vorhanden waren. tung des Altarraumes Für jedes Material und jedes Scha- Die Pfarrkirche Hl. Radegundis in densphänomen wurde ein eige- Matzendorf ist eine für die Zeit Kai- nes Konzept zur Konservierung der ser Josephs II. typische kleine Saal- Substanz erarbeitet. Vorrangiges kirche: Im Jahr 1787 geweiht, ist Ziel der Restaurierung war, die ver- ihre Eingangsseite durch eine drei- schiedenen Materialien mit ihren achsige Fassadenfront mit leicht jeweiligen Altersspuren zu einem geschwungenem Blendgiebel cha- einheitlichen und geschlossenem rakterisiert und von einem Glo- Gesamterscheinungsbild zusammen- ckenturm bekrönt. Der dreijochige zufassen. (BUL) Saalraum wird von einem Kreuz- gewölbe mit breiten Gewölbe- Lichtenegg, Pfarrkirche gurten überdeckt. Auf Initiative – Fassadenrestaurierung der Pfarrgemeinde wurde kürz- Die dem heiligen Jakobus dem Älte- lich eine Restaurierung und Umge- ren geweihte Pfarrkirche in Lich- staltung des Altarraumes durchge- tenegg gehört zu einer Reihe von führt. Im Zuge dessen wurde der

54 wurden der Hauptaltar, der Ambo, abgebaut, restauriert und auf den das Taufbecken und die Sessio nach Bergsattel versetzt. Weithin sichtbar Entwürfen der Architektengruppe markiert sie nun den Standort des G.O.Y.A. in einer minimalistischen einstigen Wallfahrtszentrums und Formensprache in Holz, Leichtbe- belegt mit ihrer künstlerisch hoch- ton und vergoldetem Glas angefer- wertigen Ausgestaltung anschaulich tigt. (GE) die starke Frömmigkeit der Region in früherer Zeit. (PS) Perchtoldsdorf, Leonhardibergsäule Weitgehend unbekannt, gab es auf Pressbaum, Bahnwärterhaus 30 dem Leonhardiberg nordwestlich Im mittleren 19. Jahrhundert von Perchtoldsdorf einst eine große begann in der Habsburger-Mon- gotische Wallfahrtskirche, die im archie ein systematisch angeleg- Barock durch eine Reihe von Kal- tes Programm zur Erschließung varienbergkapellen und Bildstö- der weiträumigen Gebiete durch cken ergänzt wurde. Nach der Ein- die Eisenbahn. Der Großteil die- schränkung des Wallfahrtswesens ser Schienentrassen ist in Nieder- durch Kaiser Josef II. verschwan- österreich heute noch in Benut- den die Bauten fast völlig, bis auf zung, erst die jüngsten Ausbauten eine Kapelle und eine schlanke Auf- von Hochgeschwindigkeitsstrecken erstehungssäule am Hang. Die- und die Schließung von Nebenbah- ses 1734 geschaffene, fast 8 m hohe nen führten zu massiven Verände- Bildwerk war zuletzt statisch unsi- rungen bzw. Verlusten. Während cher, renovierungsbedürftig sowie die weltbekannte Semmering- bildhauerisch reduziert und lag ver- Strecke als UNESCO-Welterbe- loren inmitten eines kleinen Wäld- stätte zur Gänze unter Denkmal- chens. Daher wurde die Säule 2016 schutz steht und gesamtheitlich

zur Errichtungszeit der Kirche aus dem aufgelassenen Wiener Neustäd- ter Karmeliterkloster nach Matzen- dorf übertragene Hochaltar einer Reinigung, Konservierung und Res- taurierung unterzogen. In Teilberei- chen war eine Überfassung rezenter Schichten erforderlich. Im Ergeb- nis eines für Künstler und Architek- ten ausgelobten Wettbewerbs zur Neuausgestaltung des Altarraumes

Perchtoldsdorf, Leonhardibergsäule (oben)

Matzendorf, Pfarrkirche (rechts)

55 erhalten wird, können an der und belegt damit die repräsentative Westbahn nur ausgewählte Bahn- Gestaltung der frühen österreichi- höfe und Wärterhäuser der Nach- schen Bahntechnik. (PS) welt bewahrt werden. Für diese k. k. privilegierte Kaiserin-Elisabeth- Purkersdorf, Schloss Bahn, der 1856 die Konzession ver- Das Schloss Purkersdorf, das im liehen wurde, entstanden entlang Hochmittelalter als politisches der Strecke zahlreiche Bahnwär- Zentrum der lokalen Erschließung terhäuser, die heute fast alle ver- des Wienerwaldes gedient hat und loren sind. Umso bedeutsamer ist seit dem 14. Jahrhundert bis heute die 2016 abgeschlossene Restau- Hauptsitz der österreichischen rierung von Nr. 30 in Pressbaum. (zunächst habsburgischen, heute Das kompakte Haus, das einst zwei republikanischen) Forstverwaltung Wohneinheiten für den Schicht- ist, erhielt nach umfangreichen betrieb beherbergt hat, wurde von Vorarbeiten in den Jahren 2016/17 späteren Verkleidungen befreit und eine innere Modernisierung durch mit originalgetreuen Kastenfens- Lifteinbau und Fluchtwegadap- Pressbaum, Bahnwärterhaus tern versehen. Die primären, durch tierung sowie eine Restaurierung Nuten gegliederten Putze wurden der gesamten Fassaden und Fens- sorgfältig erhalten und ergänzt, ter. Damit wurde gewährleistet, wodurch ein lebendiges Fassaden- dass das komplexe Schlossensemble bild entstand. Darauf konnte die mit seinen unterschiedlichen Nut- historische zweifärbige Fassung in zungen auch für die nächste Gene- Kalktechnik wieder hergestellt wer- ration am neuesten technischen den. Somit präsentiert sich das Stand erhalten werden kann. (PS) Haus wieder in seiner ursprüng- Purkersdorf, Schloss lichen aufwändigen Erscheinung Stollhofen, Mariensäule Auf dankenswerte Initiative einer Anrainerfamilie konnte im Früh- jahr 2016 die hoch aufragende Votivsäule einer Maria Immacu- lata in Stollhofen bei Traismauer konserviert und restauriert werden. Dabei wurde die aus inzwischen stark aufgewittertem Zogelsdorfer Muschelkalk gefertigte, ausdrucks- starke Skulptur auf ihrer Wolken- säule gereinigt, fehlende Details in Steinersatzmassen rekonstru- iert und die Substanz durch den mehrfachen Auftrag einer Kalkla- sur in ihrer Oberfläche wiederher- gestellt. Die Schlämme dient somit zum einen der längerfristigen Ver- besserung der Erhaltungsprognose,

56 zum anderen hat sich das Ensem- gerieselten Nullflächen und dem ble dadurch auch wieder seiner Gelbocker der geglätteten Archi- ursprünglichen Wirkung angenä- tekturgliederungen wird noch im hert, ohne allzu neuwertig zu wir- Obergeschoß durch das Braun ken. Neben dem vergoldeten Strah- der teilweise neuen Kastenfenster lenkranz wurde abschließend auch unterstrichen, die wiederum in der die Einfassung überarbeitet, sodass Materialfarbigkeit eines lasierend in der Landschaft wieder ein wür- gestrichenen Holzes erscheinen. Im diger „Flursegen“ zu finden ist. Zusammenklang mit dem bereits (CT) 1991 restaurierten, den südlichen Abschluss des Ensembles bilden- Weißenkirchen, Gasthaus Korner den Kornerturm steht nun wieder Die lang gestreckten Fassaden des ein repräsentatives Baudenkmal im im Zentrum von Weißenkirchen Herzen der Wachaugemeinde. (CT) an der Donau gelegene, in Tei- len ins 14. Jahrhundert zurückrei- chenden Gasthauses Weiße Rose, vielen auch nach der langjährigen Eigentümerfamilie Korner bekannt, wurden nach rund 55 Jahren wie- der durch lokale Betriebe im Ver- putzbestand saniert und in der Farbigkeit der letzten gestalteri- schen Redaktion, jener des frü- hen 20. Jahrhunderts, gefasst. Der Stollhofen, Mariensäule (links) nobel wirkende Farbzusammen- Weißenkirchen, Gasthaus Korner klang von kräftigem Grau auf den (unten)

57 Buchempfehlungen

Nachdem schon seit 1988 im großen Schloss Pöggstall Rondell des Schlosses das „Museum Adelige Residenz zwischen Region für Rechtsgeschichte“ untergebracht und Kaiserhof war und bald wieder sein wird, sind ISBN 978-3-99028-710-1 die historischen Gemäuer ein idea- 26 x 22 cm, 192 Seiten, vierfärbig, ler Austragungsort der Niederöster- Hardcover reichischen Landesausstellung 2017 mit dem Titel „Alles was Recht ist“. Die zeitgleich eröffnete Sonder- und Dauerausstellung „Schloss Pöggstall – zwischen Region und Kaiserhof“ vermittelt einen Überblick über die Forschungsergebnisse, die in diesem Schloss Pöggstall – Adelige Residenz Band ausführlich dargelegt sind. Da- zwischen Region und Kaiserhof mit wird Schloss Pöggstall wieder jene Aufmerksamkeit als Ort der Ausein- Wie der Titel des Buches verrät, andersetzung mit Kultur und Ge- handelt es sich bei Schloss Pöggstall schichte zuteil, die es verdient. nicht um ein abgelegenes Schloss „am Land“, sondern um einen Mit Beiträgen von Peter Aichinger- bedeutenden Adelssitz. Der Ausbau Rosenberger, Ralph Andraschek- von der Burg zum Renaissanceschloss Holzer, Peter Berzobohaty, Margit Sonderpreis nur für Abonnenten der fand Ende des 15. Jahrhunderts unter Blümel-Keller, Gerhard Floßmann, NÖ Denkmalpflegebroschüre Kaspar von Rogendorf statt, der Rat Nadine Geigenberger, Michael € 25,00 (statt € 29,00, und Kämmerer Kaiser Friedrichs III. Grabner, Martin Grüneis, Andrea per Erlagschein, inkl. war. Im 19. Jahrhundert wurden Hackel, Wolfgang Häusler, Wolfgang Versandkosten) die Habsburger selbst Eigentümer, Huber, Nina Kallina, Herbert 1919 die Republik Österreich und Knittler, Helga Kusolitsch, Renate Bestellung per E-Mail: schließlich übernahm 1986 die Leggatt-Hofer, Susanne Leiner, [email protected] Gemeinde Pöggstall das Schloss. Thomas Mahr, Edgar Mandl, Herbert (unter Angabe der Liefer- und Auf den Pfaden der Geschichte des Neidhart, Claudia Riff-Podgorschek, Rechnungsadresse) oder per Schlosses zu wandeln, führt also Markus Schmoll, Margit Straßhofer, Tel: 0043 (0)2742 9005 DW 17010 zwangsläufig über die Region hinaus Katja Unterguggenberger, Elisabeth und bietet wertvolle historische Aus- Vavra, Ulrike Vitovec, Guido Wirth, und Einblicke. Bettina Withalm, Andreas Zajic.

58 Architekturlandschaft Niederöster- Thronbesteigung Kaiser Franz Josefs I. reich – 1848 bis 1918 bis zum Ende des Ersten Weltkriegs und dem Sturz der Monarchie, brach- Broschur, 264 Seiten, 200 farbige te tiefgreifende und für das Bauen we- Abbildungen, 11 Überblickskarten sentliche Veränderungen mit sich. Deutsch | Englisch Theophil Hansen, Sicardsburg & van 11,5 x 19 cm der Nüll, Heinrich von Ferstel, Carl ISBN 978-3-03860-048-0 von Ghega, Fellner & Helmer, Otto EUR 29,90 Wagner, Josef Hoffmann, Theiß & Jaksch, Jože Plečnik, Joseph Maria Ol- Der fünfte Band der Reihe „Archi- brich, Clemens Holzmeister und Josef tekturlandschaft Niederösterreich“ Frank sind nur einige der Architekten versammelt typologisch geordnet und Ingenieure, deren Werke in dem Bauwerke aus den Jahren 1848 bis Band dokumentiert werden, der einen 1918. Dieser Zeitraum, von der ös- umfassenden Überblick über 70 Jahre terreichischen Revolution und der Architektur in Niederösterreich bietet.

Ruth & Peter Schubert, und versteckten Kapelle und von In- Jugendstil in Niedösterreich dustriebauten bis zu Gräbern, man findet Jugendstil dort, wo man auf das Hardcover mit vielen farbigen Abbil- mittelalterliche Stadtbild stolz ist, wie dungen, ca. 200 Seiten in Krems, oder wo scheinbar die baro- 22 x 26 cm cke Pracht und die Moderne dominie- ISBN 978-3-99024-472-2 ren wie in St. Pölten. ca. EUR 26,90 Die Namen der bedeutends- ten Künstler der Zeit um 1900 finden Der Bildband präsentiert eine Viel- sich dabei ebenso wie solche, von de- zahl bekannter und weniger bekann- nen nur wenige Bauten bekannt sind: ter niederösterreichischer Bauwer- Josef Maria Olbrich, Max Hegele oder ke des Jugendstils. Das Angebot von Josef Hoffmann waren in Niederöster- Jugendstilelementen ist vielfältig: Es reich tätig, genauso wie Namen, die reicht von der Planung einer ganzen nur Fachleuten etwas sagen, wie Sepp Stadt – wie Berndorf – bis zur Villa Hubatsch oder Wilhelm Knepper.

59 Ausstellungsempfehlungen

„300 Jahre Maria Theresia: Schloss Hof Schloss Niederweiden Strategin – Mutter – Reformerin“ „Bündnisse und Feindschaften“ „Modernisierung und Reformen“ Maria Theresia ließ sich um 1775 in Schloss Niederweiden, errichtet von Sonderausstellung bis 29. November ihrem niederösterreichischen Land- J. B. Fischer v. Erlach für Ernst Rüdi- 2017 sitz Schloss Hof ein Witwenapparte- ger Graf v. Starhemberg, war einst für ment einrichten. Dieses kann seit sei- Jagdgesellschaften und Feste reserviert. Infos und Rahmenprogramm: ner Restaurierung vor einigen Jahren Wie Schloss Hof erhielt auch Schloss www.mariatheresia2017.at wieder besichtigt werden. In der Bel- Niederweiden sein heutiges Aussehen www.schlosshof.at etage des Schlosses werden die Schwie- im Wesentlichen unter Maria Theresia. rigkeiten ihrer Herrschaftsübernahme, Dieser Ausstellungsstandort erzählt Die Sonderausstellung anlässlich des Kriege und Friedensschlüsse, Gebiets- von den großen innenpolitischen und 300. Geburtstages von Maria The- verluste und -erweiterungen sowie der staatsverändernden Reformen Maria resia beleuchtet in den Marchfeld- große (außen-)politische Gestaltungs- Theresias. Ein neuer Geist prägte den schlössern Hof und Niederweiden, im wille Maria Theresias präsentiert. Regierungsstil in der zweiten Hälfte Hofmobiliendepot • Möbel Museum des 18. Jahrhunderts, die Politik war Wien und in der Kaiserlichen Wagen- gekennzeichnet vom Gedanken der burg Wien das Leben und Wirken der Nützlichkeit für das Wohl des Staates Regentin. und seiner Bevölkerung.

60 Einblick gewinnen. Entwicklungen. Ja, sie fordert dazu begegnen. Es versteht sich als ein ak- Geschichte verstehen. auf, nationale und internationale Zu- tives Netzwerk aus niederösterreichi- Das Haus der Geschichte sammenhänge zu verstehen und selbst schen Sammlungen, Archiven und im Museum Niederösterreich über die Zukunft unserer Geschichte Museen, lokalen Initiativen sowie nachzudenken. universitären und außeruniversitären Im Museum Niederösterreich präsen- Dieser Leitgedanke, Geschich- Forschungseinrichtungen. Fachvorträ- tiert sich österreichische Geschich- te in Geschichten zu erzählen, spie- ge, Workshops, Filmabende und vieles te von den ersten Besiedelungen bis gelt sich in der Struktur der Aus- mehr machen das Haus der Geschich- zu den gesellschaftspolitischen Ent- stellung: Sie ist bewusst thematisch te zu einem Geschichtsportal für Jung wicklungen des heutigen Tages. Das strukturiert. Man kann sich einen ra- und Alt. Haus der Geschichte ermöglicht mit schen Überblick über die zentralen eindrucksvollen Objekten aus den Kenntnisse und Ereignisse verschaf- Haus der Geschichte im Museum Landessammlungen und ganz Zen- fen, gleichzeitig aber auch einzelne Niederösterreich traleuropa einen neuen Blick auf Themen anhand noch nie gezeigter Ab 10. September 2017 Geschichte und Gegenwart unseres Raritäten aus den Sammlungen des Dienstag bis Sonntag & Feiertag Landes. Landes Niederösterreich vertiefen. In- 9.00–17.00 Die Vielfalt an Objekten gibt teraktive Stationen, Foren zu aktuel- eine Vielzahl von Geschichten frei, len Debatten, eine Wahlkabine oder Kulturbezirk 5 Geschichten, die ein Teil unserer ei- ein Parlament sorgen für ein interakti- A-3100 St. Pölten genen individuellen Erinnerungen ves Erlebnis. T +43 2742 90 80 90 sind. Die Ausstellung vermittelt My- Das Haus der Geschichte im then und Entdeckungen der Vergan- Museum Niederösterreich ist mehr [email protected] genheit, erlaubt aber zugleich eine als eine Ausstellung: Es versteht sich www.museumnoe.at emotionale Annäherung an politische, als offenes Forum, in dem Wissen- wirtschaftliche und gesellschaftliche schaft und Öffentlichkeit einander

61 Literaturhinweise

Johannes Cramer, Badhäuser – Ein Susanne Hawlik, Sommerfrische im Eva Pusch, Mario Schwarz, Archi- städtischer Bautyp, in: Hausbau Kamptal. Der Zauber einer Flussland- tektur der Sommerfrische, St. Pölten/ im Mittelalter II, Sobernheim/Bad schaft, Wien/Köln/Weimar 1995. Wien 1995. Windsheim 1985. Elke Krasny, Theresia Hauenfels, Mella Waldstein, Willi Erasmus, Johannes Cramer, Bauarchäologie in Architekturlandschaft Niederöster- Drosendorf. Großer Sommer an der Badhäusern, in: Bauforschung und reich. Industrieviertel, Salzburg/Mün- Thaya. Erinnerungen an die Sommer- Archäologie, hg. von Dirk Schumann, chen 2009. frische, Weitra 1998. Berlin 2000. NÖ Landesregierung (Hg.), Som- Wasser auf Burgen im Mittelalter, Grotte und Bad. Das Sommerhaus merfrische, Denkmalpflege in Nieder- Geschichte der Wasserversorgung Bd. im Garten von Schloss Salaberg in österreich, Band 8 (1991). 7, hg. von der Frontinus-Gesellschaft, Niederösterreich, hg. von der Messer- Mainz 2007. schmitt Stiftung, Wien 2002. Iris Meder, Badefreuden. Bäder in Mitteleuropa, Wien 2011.

Abbildungsnachweise

Titelbild: © Thermalbad Bad Fischau Rückseite: Land NÖ – Archäologi- scher Park Carnuntum, Bad Deutsch- Altenburg (Foto: N. Gail)

S. 6 Wikimedia Commons S. 24 © Gerold Eßer S. 39 oben und unten Land NÖ – S. 7 oben und unten Wikimedia S. 25 www.panhans.at Archäologischer Park Carnuntum, Bad Commons S. 26 oben und unten © Gerold Eßer Deutsch-Altenburg (Foto: N. Gail) S. 8 Wikipedia S. 27 oben Archiv des Autors, unten S. 40–42 Bundesdenkmalamt S. 9 Archiv der Autorin Strandbad Drosendorf/Cem Firat S. 43 © Amt der NÖ Landesregierung S. 10 AStKl S. 28 oben © Markus Schmoll, unten S. 44 beide © Foto Bundesdenkmal- S. 11 Diasammlung des AStKl Sammlung Wili Erasmus amt, Wien S. 12 Archiv der Autorin S. 29 Inv Nr KS-5217/35, © Lan- S. 45 oben © Schloss Artstetten, D. S. 13 Sauerhof, kolorierter Kupferstich, dessammlungen Niederösterreich Mayrhofer, unten © Amt der NÖ Ausschnitt aus dem Vasquez Plan, S. 30 © Erich Lehner Landesregierung Städtische Sammlungen Baden S. 31 oben Bildarchiv der ÖNB, unten S. 46 Arnulf Rainer Museum S. 14 Archiv der Autorin © Erich Lehner S. 47 oben Archiv des Autors, unten S. 15 Wikimedia Commons, Foto S. 32 Stadtarchiv Klosterneuburg Foto: Bruno Klomfar Peter Geymayer S. 33 © Caroline Jäger-Klein S. 48 Stadtmuseum/-archiv Baden- S. 16 Archiv der Autorin S. 34 oben © Caroline Jäger-Klein, Baden S. 17 oben © Hans Hornyik, unten unten Stadtarchiv Klosterneuburg S. 49 oben LAD, Bernd Hausner, Stadtarchiv Baden (TSB 541) S. 35 Wikipedia unten Stadtmuseum/-archiv Baden- S. 18 Stadtarchiv Baden (TSB 176) S. 36 © Franz Humer Baden S. 19 Stadtarchiv Baden S. 37 oben und unten Archäologische S. 50 und 51 Bernd Hausner S. 20 und 21 © Hans Hornyik Kulturpark NÖ Betriebsges.m.b.H, S. 52–57 Bundesdenkmalamt S. 22 © Uwe Hauenfels Petronell-Carnuntum (Foto: P. Ol- S. 23 oben © Thermalbad Bad schinsky) Fischau, unten © Heinz Schmölzer S. 38 © Franz Humer

62 Bisher sind erschienen: Nachbestellung, Bezug Band 1 Stift Dürnstein 2 Kleindenkmäler * Wenn Sie die Broschüre der Reihe „Denkmalpflege 3 Wachau * in Niederösterreich“ noch nicht regelmäßig erhalten 4 Industriedenkmäler * haben und die kostenlose Zusendung wünschen, 5 Gärten * senden Sie uns die Antwortkarte ausgefüllt zu. 6 Handwerk * Verwenden Sie diese auch für allfällige 7 Rückblicke – Ausblicke Mitteilungen, Anregungen und Adressänderungen. 8 Sommerfrische * Schreiben Sie bitte an: 9 Denkmal im Ortsbild * Landeshauptfrau Mag.ª Johanna Mikl-Leitner, 10 Verkehrsbauten * 11 Elementares und Anonymes * Landhausplatz 1, 3109 St. Pölten 12 Burgen und Ruinen * oder senden Sie uns ein E-Mail an [email protected] 13 Kulturstraßen * bzw. senden Sie uns ein Fax unter 02742/9005-13029. 14 Zur Restaurierung 1. Teil * Hinweis 15 50 Jahre danach * 16 Zur Restaurierung 2. Teil * Vergriffene Broschüren können im Internet heruntergeladen werden 17 10 Jahre Denkmalpflege unter: http://www.noe.gv.at/Kultur-Freizeit/Kunst-Kultur/ in Niederösterreich Publikationen/pub_denkmalpflegebroschuere.html 18 Zur Restaurierung 3. Teil * Auf Wunsch können Ihnen alle verfügbaren Broschüren zugeschickt werden. 19 Umbauten, Zubauten * 20 Leben im Denkmal 21 Speicher, Schüttkästen * 22 Der Wienerwald * 23 Die Via Sacra * 24 Blick über die Grenzen

25 Die Bucklige Welt Bitte frankieren

26 Die Wachau, ausreichend UNESCO Weltkultur- und Naturerbe 27 Südliches Waldviertel 28 Most- und Eisenstraße 29 Semmering UNESCO Weltkulturerbe 30 St. Pölten, Landeshauptstadt und Zentralraum 31 Waldviertel 32 Archäologie 33 Weinviertel 34 Gemälde

35 Holz An Frau Landeshauptfrau Mikl-Leitner Johanna Mag.ª Landhausplatz 1 Polten 3109 St. 36 Menschen und Denkmale 37 Stein 38 Wallfahren 39 Lehm und Ziegel 40 Klangdenkmale – Orgeln und Glocken 41 Glas – Baustoff und Kunstwerk 42 Friedhof und Denkmal 43 Beton 44 Maria Taferl 45 Carnuntum und Limes 46 Vom Wert alter Gebäude 47 Textilien 48 Museumsdörfer 49 Papier und Bücher 50 Kulturlandschaft 51 Film und Fotografie 52 Theater und Kinos 53 Licht 54 Denkmale und Mahnmale 55 Farbe Die mit * versehenen Titel sind bereits vergriffen.

Kein Nachdruck vorgesehen! „Denkmalpflege habe die Broschüre Ich noch nicht erhalten in Niederösterreich“ kostenlos und möchte diese in Zukunft zugesandt Verpflichtung und ohne jede bekommen. Absender bitte in Blockbuchstaben Telefon

63 Autoren von Band 56 Rechte und Haftung Impressum

Volkmar Eidloth Alle Rechte, insbesondere das Recht der Herausgeber und Verleger Esslingen am Neckar, Landesamt für Vervielfältigung und Verbreitung sowie der Amt der NÖ Landesregierung Denkmalpflege Baden-Württemberg, Übersetzung, vorbehalten. Kein Teil des Wer- Abteilung Kunst und Kultur Bau- und Kunstdenkmalpflege, kes darf in irgendeiner Form (durch Fotoko- Leiter: HR Mag. Hermann Dikowitsch Spezialgebiete, Schwerpunkte und Welterbe pie, Mikrofilm oder ein anderes Verfahren) Landhausplatz 1, 3109 St. Pölten ohne schriftliche Genehmigung des Verlegers Dipl.-Ing. Dr.techn. Gerold Eßer reproduziert oder unter Verwendung elektro- Broschürenbestellung Krems, Bundesdenkmalamt, nischer Systeme gespeichert, verarbeitet, ver- [email protected] Abteilung für Niederösterreich vielfältigt oder verbreitet werden. Tel. 02742/9005-17010 Sämtliche Angaben in diesem Werk erfolgen Fax. 02742/9005-13029 Dr. Lisa Fischer trotz sorgfältiger Bearbeitung ohne Gewähr; Wien eine Haftung der Autoren, des Herausgebers Redaktionskomitee und des Verlegers ist ausgeschlossen. Hermann Dikowitsch StR Hans Hornyik Hermann Fuchsberger Baden © 2017 Land Niederösterreich, St. Pölten Martin Grüneis Nina Kallina HR Mag. Franz Humer Christina Schaaf-Fundneider Archäologischer Park Carnuntum, Margit Kohlert Amt der NÖ Landesregierung, Andreas Lebschik Abteilung Kunst und Kultur Else Rieger Patrick Schicht Ao.Univ.Prof. Dipl.-Ing. Dr. techn. Caroline Alexandre P. Tischer Jäger-Klein Wien, Technische Universität, Koordination Abteilung Architekturgeschichte Nina Kallina Else Rieger MMag. Nina Kallina St. Pölten, Amt der NÖ Landesregierung, Lektorat Abteilung Kunst und Kultur Else Rieger

Arch. DI Richard Messner Layout Wien, lottersberger messner architekten David M Peters

Dr. Susanna Reichert-Freude Hersteller Baden, Kurzentrum Druckerei Berger, Horn

Dipl.-Ing. DDr. Patrick Schicht Linie Krems, Bundesdenkmalamt, Informationen über denkmalpflegerische Abteilung für Niederösterreich Vorhaben im Land Niederösterreich, in Zu- sammenarbeit mit dem Bundes­denkmalamt, Landeskonservatorat für Niederösterreich. Namentlich gezeichnete Beiträge müssen nicht unbedingt die Meinung der Redaktion bzw. des Herausgebers darstellen.

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Denkmalpflege in Niederösterreich Bade- und Kuranstalten Bade- Band 56 – Bade- und Kuranstalten 56 – Bade- Band

Mitteilungen aus Niederösterreich Nr. 5 /2017 Österreichische Post AG MZ02Z032683M Amt der NÖ Landesregierung Landhausplatz 1, 3109 St. Pölten

Band 56

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