Bayerisches Staatsministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten

25. Wettbewerb 2013 bis 2016 „Unser Dorf hat Zukunft – Unser Dorf soll schöner werden“

Abschlussbericht der Bewertungskommission für den Freistaat Bayern im Jahr 2015

25. Wettbewerb 2013 bis 2016

„Unser Dorf hat Zukunft – Unser Dorf soll schöner werden“

Abschlussbericht der Bewertungskommission für den Freistaat Bayern im Jahr 2015

www.dorfwettbewerb.bayern.de 1 INHALTSVERZEICHNIS Seite

Vorwort 3 Anzahl der Teilnehmerorte / Bezirkssieger in den Regierungsbezirken Bayerns im laufenden Wettbewerb 2013 bis 2016 4 Anzahl der Teilnehmerorte in den Regierungsbezirken Bayerns nach Gemeindegröße im laufenden Wettbewerb 2013 bis 2016 5 Anzahl der Bezirkssieger in den Regierungsbezirken Bayerns nach Gemeindegröße im laufenden Wettbewerb 2013 bis 2016 5 Teilnehmerorte am Landesentscheid 2015 6 Ergebnisübersicht Landesentscheid 2015 7 Sonderpreise Landesentscheid 2015 8

Berichte (in alphabetischer Reihenfolge) Alt-Oberasbach, Stadt Oberasbach, Landkreis Fürth, Mittelfranken 12 Döringstadt, Markt Ebensfeld, Landkreis Lichtenfels, Oberfranken 18 Fatschenbrunn, Gemeinde Oberaurach, Landkreis Haßberge, Unterfranken 24 Gaisthal, Stadt Schönsee, Landkreis Schwandorf, Oberpfalz 30 Geldersheim, Gemeinde Geldersheim, Landkreis Schweinfurt, Unterfranken 36 Graben, Stadt Treuchtlingen, Landkreis Weißenburg-Gunzenhausen, Mittelfranken 42 Hirnsberg, Markt Bad Endorf, Landkreis Rosenheim, Oberbayern 48 Lahm und Pülsdorf, Gemeinde Itzgrund, Landkreis Coburg, Oberfranken 54 Meinheim, Gemeinde Meinheim, Landkreis Weißenburg-Gunzenhausen, Mittelfranken 60 Moosdorf, Stadt Waldmünchen, Landkreis Cham, Oberpfalz 66 Neudrossenfeld, Gemeinde Neudrossenfeld, Landkreis , Oberfranken 72 Perlesreut, Markt Perlesreut, Landkreis Freyung-Grafenau, Niederbayern 78 Reichenbach, Gemeinde Reichenbach, Landkreis Cham, Oberpfalz 84 Schönau, Gemeinde Tuntenhausen, Landkreis Rosenheim, Oberbayern 90 Schönbrunn, Stadt Wunsiedel, Landkreis Wunsiedel, Oberfranken 96 Seeg, Gemeinde Seeg, Landkreis Ostallgäu, Schwaben 102 Steppach, Gemeinde Pommersfelden, Landkreis Bamberg, Oberfranken 108 Wiesenfelden, Gemeinde Wiesenfelden, Landkreis Straubing-Bogen, Niederbayern 114

Bewertungskommission für den Landesentscheid 2015 121 Bewertungsbogen 122 Bayerische Siegerdörfer am Dorfwettbewerb auf Bundesebene von 1977 bis 2013 124 Medaillenspiegel der bayerischen Landkreise an Preisträgern bei den Bundesentscheiden 1961 bis 2013 126 Teilnehmerentwicklung am Dorfwettbewerb in Bayern von 1961 bis 2016 127 Anzahl der Siegerdörfer am Dorfwettbewerb in Bayern von 1961 bis 2015 127 2 Vorwort

In den 54 Jahren seit Gründung des Wettbewerbs „Unser Dorf hat Zukunft – Unser Dorf soll schöner werden“ im Jahre 1961 haben sich die Herausforderungen für den länd- lichen Raum stark verändert. Auch der Dorfwettbewerb hat auf diese Entwicklung reagiert und sich von seiner ursprünglichen Ausrichtung auf eine reine Dorfverschönerung hin zu einem Wettbewerb für eine ganzheitliche Dorfentwicklung gewan- delt. Es stehen dabei soziale Themen mit Fragestellungen zur wirtschaftlichen Entwicklung ebenso im Fokus wie der Um- gang mit der Bausubstanz oder die Entwicklung dörflicher Grünflächen. Damit ist er heute eines der bekanntesten Markenzeichen des ländlichen Raumes für aktive Dörfer und ihre Bewohner. Bei der Bereisung erlebte die Landeskommission 18 Dörfer, die ihre Zukunft mit Kreativität, Kompetenz sowie Begeisterung und Leidenschaft aktiv gestalten und damit Verantwortung für die nächste Generation übernehmen. Bei vielen Gesprächen konnte ich das Herzblut spüren, mit dem die Bewohner ihre Ideen und Projekte umsetzen. Ein wesentlicher Faktor des Erfolges beim Wettbewerb ist der Gemeinsinn. Das Initiieren und die Umsetzung von Einzelprojekten reicht in der heutigen Zeit für eine nachhaltige Entwick- lung nicht mehr aus. Für den Erfolg ist es entscheidend, Synergieeffekte aus einem gemeinsa- men Handeln zu nutzen. Eine sehr große Bedeutung kommt dabei der Abstimmung zwischen den verschiedenen beteiligten Institutionen, den örtlichen Vereinen und der Gemeinde zu. Die Landeskommission konnte sich vom 23. Juni bis zum 04. Juli 2015 von den Stärken der ein- zelnen Dörfer überzeugen. Es wurde aber auch konstruktiv nach Lösungen für individuelle Probleme gesucht. Mit den ausgesprochenen Empfehlungen sind alle Teilnehmerdörfer gut für die Zukunft aufgestellt. Unabhängig vom erzielten Ergebnis profitieren alle Dörfer allein schon durch ihre Teilnahme. Dies drückt auch das Motto des Wettbewerbs aus: „Mitmachen. – Dabei sein. – Gewinnen!“. Der gestärkte Gemeinschaftssinn bringt alle Generationen und Neubürger zusammen. Für die Dorfgemeinschaft bedeutet dies einen unschätzbaren Mehrwert. Im Rahmen des 25. Wettbewerbs haben sich aus den 327 Dörfern des Kreisentscheids 75 Dörfer für den Bezirksentscheid und 18 Dörfer für den Landesentscheid qualifiziert. Die vier Landes- sieger werden Bayern beim Bundesentscheid 2016 gebührend vertreten. Zum Abschluss des Landesentscheides bedanke ich mich bei allen, die sich für die Durchfüh- rung und das Gelingen des Wettbewerbes auf Kreis-, Bezirks- und Landesebene mit so viel Engagement eingesetzt haben. Allen teilnehmenden Orten wünsche ich viel Erfolg für die Zu- kunft. Sie gestalten einen Kulturraum, von dem viele Menschen in den Ballungsräumen nur träumen können. Lassen Sie ihn uns gemeinsam für unsere Kinder erhalten, gestalten und weiterent­wickeln. München, den 28.11.2015

Ministerialrat Günter Knüppel Leiter der Landesbewertungskommission 3 Anzahl der Teilnehmerorte / Bezirkssieger in den Regierungsbezirken Bayerns

Oberfranken Unterfranken 116 / 19 22 / 6

Mittelfranken 58 / 8 Oberpfalz 69 / 18

Niederbayern 23 / 9 Schwaben 19 / 8

Oberbayern 20 / 7

4 Anzahl der Teilnehmerorte in den Regierungsbezirken Bayerns nach Gemeindegröße im laufenden Wettbewerb 2013 bis 2016

Anzahl der Teilnehmerorte Gruppe A Gruppe B Gesamt (bis 600 Einw.) (601-3000 Einw.) absolut %

Oberbayern 7 13 20 6,1

Niederbayern 17 6 23 7,0

Oberpfalz 50 19 69 21,1

Oberfranken 81 35 116 35,5

Mittelfranken 45 13 58 17,8

Unterfranken 10 12 22 6,7

Schwaben 9 10 19 5,8

Bayern 219 108 327 100

Anzahl der Bezirkssieger in den Regierungsbezirken Bayerns nach Gemeindegröße im laufenden Wettbewerb 2013 bis 2016 Anzahl der Teilnehmerorte Regierungsbezirk Gruppe A Gruppe B Gesamt (bis 600 Einw.) (601-3000 Einw.) absolut %

Oberbayern 3 4 7 9,3

Niederbayern 6 3 9 12,0

Oberpfalz 11 7 18 24,0

Oberfranken 12 7 19 25,3

Mittelfranken 6 2 8 10,7

Unterfranken 2 4 6 8,0

Schwaben 3 5 8 10,7

Bayern 43 32 75 100

5 Teilnehmerorte am Landesentscheid 2015

Lahm/ Unterfranken Pülsdorf Oberfranken Fatschenbrunn Döringstadt Schönbrunn Geldersheim Neudrossenfeld

Steppach

Gaisthal Alt-Oberasbach

Mittelfranken Oberpfalz Moosdorf

Meinheim Reichenbach Graben Wiesenfelden

Perlesreut

Niederbayern

Schwaben

Oberbayern

Schönau

Hirnsberg Seeg

6 Ergebnisübersicht Landesentscheid 2015

Die Reihung der 18 Ortschaften erfolgt alphabetisch (A) = bis 600 Einwohner; (B) = 601-3000 Einwohner und stellt somit keine Rangfolge innerhalb der (F) = Ort mit Dorferneuerung oder Städtebauförderung Medaillengruppen dar.

GOLDMEDAILLE

(B) Geldersheim (F) Gemeinde Geldersheim, Landkreis Schweinfurt, Unterfranken (A) Hirnsberg Markt Bad Endorf, Landkreis Rosenheim, Oberbayern Gemeinde Meinheim, Landkreis Weißenburg-Gunzenhausen, (A) Meinheim (F) Mittelfranken (B) Perlesreut Markt Perlesreut, Landkreis Freyung-Grafenau, Niederbayern

SILBERMEDAILLE

(A) Döringstadt (F) Markt Ebensfeld, Landkreis Lichtenfels, Oberfranken (A) Gaisthal Stadt Schönsee, Landkreis Schwandorf, Oberpfalz (A) Moosdorf Stadt Waldmünchen, Landkreis Cham, Oberpfalz (B) Neudrossenfeld (F) Gemeinde Neudrossenfeld, Landkreis Kulmbach, Oberfranken (B) Schönau Gemeinde Tuntenhausen, Landkreis Rosenheim, Oberbayern (B) Schönbrunn (F) Stadt Wunsiedel, Landkreis Wunsiedel, Oberfranken (B) Seeg (F) Gemeinde Seeg, Landkreis Ostallgäu, Schwaben (B) Steppach (F) Gemeinde Pommersfelden, Landkreis Bamberg, Oberfranken

BRONZEMEDAILLE

(B) Alt-Oberasbach Stadt Oberasbach, Landkreis Fürth, Mittelfranken (A) Fatschenbrunn (F) Gemeinde Oberaurach, Landkreis Haßberge, Unterfranken Stadt Treuchtlingen, Landkreis Weißenburg-Gunzenhausen, (A) Graben (F) Mittelfranken (A) Lahm / Pülsdorf (F) Gemeinde Itzgrund, Landkreis Coburg, Oberfranken (B) Reichenbach (F) Gemeinde Reichenbach, Landkreis Cham, Oberpfalz Gemeinde Wiesenfelden, Landkreis Straubing-Bogen, (B) Wiesenfelden Niederbayern

7 Verleihung der Sonderpreise

Bayerisches Staatsministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten Seeg erhält den Sonderpreis des Bayerischen Staatsministers für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten für „die Stärkung der funktionalen Struktur des Altortes“.

Fatschenbrunn erhält den Sonderpreis des Bayerischen Bauernverbandes für „die Förderung der traditionellen Hutzelkultur“. Der Bayerische Bauernverband nimmt als Berufsorganisation der Landwirtschaft aufklärende und beratende Auf- gaben wahr, die die Förderung der gesamten Landwirtschaft auf fachlichem, beruflichem und wirtschaftlichem Gebiet zum Gegenstand haben. Die Vertretung der Bäuerinnen wird im Bayerischen Bauernverband durch die Landfrauengruppe wahrgenommen. Diese wird von der Landesbäuerin geführt.

Lahm / Pülsdorf erhalten den Sonderpreis der Bayerischen Architektenkammer für „den Erhalt und die künftige Nutzung der Scheunen“. Die Bayerische Architektenkammer dient der Selbstverwaltung der rund 22.000 Architekten, Landschafts- und In- nenarchitekten in Bayern. Sie bestimmt die Berufspolitik und wirkt beim Erlass von Gesetzen und Verordnungen mit. Zudem bietet sie ihren Mitgliedern umfassende Fort- und Weiterbildung sowie auch der breiten Öffentlichkeit durch Veranstaltungen und Publikationen fundierte Informationen zu den Themen Architektur und Baukultur.

Verband Garten-, Landschafts- und Sportplatzbau Bayern e. V. Schönau erhält den Sonderpreis des Verbandes Garten-, Landschafts- und Sportplatzbau Bayern e. V. für „die vorbildliche Revitalisierung der Braunau“. Im Verband Garten-, Landschafts- und Sportplatzbau Bayern e. V. sind die Fachfirmen des Garten-, Landschafts- und Sportplatzbaus organisiert. Unsere Mitgliedsbetriebe sind auf den Bau und die Pflege von hochwertigen Pri- vatgärten, öffentlichen Parks und Grünanlagen, Sport- und Spielplätzen, Schwimmteiche und Naturbäder, Golf- plätzen und Freizeiteinrichtungen, Dachgärten, Fassadenbegrünungen, Friedhöfen, begrünte Außenanlagen für Gewerbe- und Industrieeinrichtungen, ingenieurbiologische Sicherungsbauweisen, Baumsanierungen, Pflanzen- kläranlagen usw. spezialisiert. Der Verband sorgt durch ein strenges Aufnahmeverfahren dafür, dass seine Mitglie- der die erforderliche Fachkunde, Leistungsfähigkeit und Zuverlässigkeit als „Experte für Garten & Landschaft“ auf- weisen. Die geprüften Verbandsmitglieder erkennt man an dem europaweit gesetzlich geschützten Markenzeichen.

Bayerischer Landesverbandes für Gartenbau und Landespflege e. V. Wiesenfelden erhält den Sonderpreis des Bayerischen Landesverbandes für Gartenbau und Landespflege e. V. für „die nachhaltig verankerte Schulgartenarbeit“. Der Bayerische Landesverband für Gartenbau und Landespflege e.V. fördert den Obst- und Gartenbau, die Lan- despflege und den Umweltschutz. Ausdrücklich will er dem Erhalt einer schönen Kulturlandschaft und der menschlichen Gesundheit dienen. Weitere Förderziele sind die Ortsverschönerung und damit die Verschönerung der Heimat, die Heimatpflege und die gesamte Landeskultur. 8 Landesentscheid 2015 – Impressionen der Bereisung

9 10 11 ALT-OBERASBACH

12 BRONZE 1. Entwicklungskonzepte und Alt-Oberasbach wirtschaftliche Initiativen Alt-Oberasbach wird als „Insel“ im Stadtgefü- Stadt Oberasbach Landkreis Fürth, Mittelfranken ge von der Infrastrukturausstattung der Stadt Oberasbach versorgt. Die Bürger haben sich entschieden, dass sie ihre Identität als Dorf nicht an die Stadt abgeben wollen. Das zeigt, dass noch eine intakte Dorfgemeinschaft vor- handen ist, die auch Neubürger integriert. Alt-Oberasbach hat neben einer guten Wirt- schaftsstruktur mit Kleingewerbe auch noch landwirtschaftliche Betriebe, die ihre Stärke in der Direktvermarktung sehen. Darüber hinaus besitzt der Ort baulich eine sichtbare Dorfstruktur mit einigen herausragenden Bauwerken als Identifikationspunkte. Ziel der Bürger von Alt-Oberasbach ist es, die positiven Aspekte des dörflichen Lebens mit Landrat: Matthias Dießl den Annehmlichkeiten der vorhandenen Bürgermeisterin: Birgit Huber Stadt zu verbinden. Um die vorhandenen Strukturen städtebaulich zu sichern, wurden Kreisfachberatung für Gartenkultur und Landespflege: Lars Frenzke ein Rahmenplan und eine Gestaltungsfibel mit empfehlendem Charakter erstellt, die die Einwohnerzahl: 718 zukünftige Entwicklung steuern sollen. Damit Gemarkungsfläche: 33 ha wurde planerisch eine gute Ausgangsposi­ Dorferneuerung / Städtebauförderung: nein tion geschaffen. Es handelt sich dabei aber Betriebe in der Landwirtschaft um informelle Planungsinstrumente, die Vollerwerbsbetriebe: 3 zwar über Stadtratsbeschlüsse gefestigt sind, Nebenerwerbsbetriebe: 4 Betriebe in Industrie und Gewerbe: 39 jedoch keine rechtliche Verbindlichkeit besit- zen. Es stellt sich die Frage, ob diese Unver- bindlichkeit dem zweifelsohne durch das Umfeld bestehenden Druck potentieller Investoren standhält, oder ob nicht die Mög- lichkeiten einer verbindlichen Planung aus- geschöpft werden sollten, um das ange­ strebte Ziel zu erreichen.

Es wird als „Dorf in der Stadt“ bezeichnet, liegt es doch am Rande des Ballungsraumes Nürnberg – Fürth – Erlangen. Die Alt-Oberasbacher sehen selbst viele Vorteile darin, als Dorf in die Stadt ein- gebunden zu sein: eine herausragende Infrastruk- tur, Geschäfte, ein ständiges Wachstum. Doch in der „Stadt um das Dorf“ gibt es auch viel Konkur- renz – trotzdem kann sich im Dorf weiterhin das Kleingewerbe halten, und darauf können die Alt- Oberasbacher stolz sein. 13 Zudem wäre es wünschenswert, sich nicht 2. Soziale und kulturelle Aktivitäten vollständig auf die vorhandene Infrastruktur- ausstattung der Stadt zu verlassen, sondern Alt-Oberasbach hat trotz seiner Lage im auch eigene Initiativen zu entwickeln, bei- „Speckgürtel“ der Metropolregion in seinen spielsweise auf dem Sektor der Energieerzeu- Strukturen bis heute das Dorf mit frän­ gung und -verwendung. Dörfer zeichnen sich kischem Charakter bewahrt, ist stolz „unser oft durch innovative Konzepte und Eigen­ Dorf in der Stadt“ zu sein. Wachgerüttelt initiativen aus, die zwar oft auch aus der Not durch eine Unterschriftenaktion im Jahr 2006 entstehen, aber trotzdem das Wesen eines gegen den geplanten Abriss eines histori- Dorfes ausmachen. schen Gehöfts stehen die Alt- Oberasbacher geschlossen hinter ihrer Dorfkultur. Die Vielfalt der Gruppen und Vereine ist deut- lich zu spüren. Von der Kirchengemeinde „St. Lorenz“ gehen viele Initiativen aus. In der aktiven Kirchengemeinde gibt es viele Grup- pen und Kreise – von der Jugend bis zu den Senioren werden hier alle mitgenommen und ein gutes Miteinander wird gelebt. Das Gemeindehaus ist, neben der Kirche und dem Kindergarten, ein großer sozialer Treff- punkt im Ort. Doch nicht nur in der Kirchengemeinde, son- dern auch in vielen weiteren Vereinen wird Jugendarbeit praktiziert: Die Ausbildung bei 14 der Jugendfeuerwehr macht den Jugend­ 3. Baugestaltung und -entwicklung lichen sichtlich Spaß, auf der Streuobstwiese des Bund Naturschutzes können die Kinder Das Dorf hat seine dörflichen Grundstruktu- die Natur pur erleben und der Chor und der ren erhalten und durch einen Rahmenplan Posaunenchor umrahmen kirchliche und die Siedlungsräume unter Erhalt der Maß- weltliche Feste. stäblichkeit definiert. Bei den Bürgern sind Die Sudetendeutsche Landsmannschaft und dadurch das Bewusstsein für das gebaute der Heimatverein sind in Alt-Oberasbach un- Kapital und der Wille, im Altort zu bleiben, ter einem Dach untergebracht. Der Heimat- stetig gewachsen und mit der deutlichen verein hat alle Jahre ein bestimmtes Thema: Abgrenzung zur gestalterischen Beliebigkeit Im letzten Jahr war es „Schafe, Wolle und verbunden. Durch die Ordnung der bauli- mehr“. In diesem Jahr beschäftigen sie sich chen Tätigkeit ist gestalterische Qualität im mit dem Thema „Die Welt der Pferde“, das sie Dorf entstanden. mit Veranstaltungen und Ausstellungen erör- Die landwirtschaftlichen Flächen am Orts- tern. Das Wirtshaussingen, das vom Männer- rand bilden einen Schutzgürtel gegenüber gesangverein und dem Heimatverein organi- den städtischen Verdichtungsräumen von siert wird und der zweimal im Monat Nürnberg und Fürth. Ortsbildprägende Drei- stattfindende Spaziergang für Senioren, den seithöfe und zahlreiche denkmalgeschützte die „Dorfrunde“ veranstaltet, sind beliebte Gebäude kennzeichnen große Teile des Dor- Veranstaltungen, die für den sozialen Kontakt fes. Vielfältige fußläufige Wegebeziehungen und Austausch sorgen. erhöhen zudem das Entdeckungspotenzial Dass die „Kerwa“ vor zehn Jahren wieder aus- von Alt-Oberasbach. gegraben wurde, ist für den Ort ein Gewinn. Umnutzungen verschiedener Art sorgen für Die „Kerwabuam Oberasbach“ wurden neu eine gesunde Mischung von Wohnen und gegründet und richten heute mit ihren über Arbeiten. Im Rahmen der Innenentwicklung 100 Mitgliedern dieses Kulturfest aus, ein- sind somit zahlreiche Gebäude mit neuem schließlich des Kirchweihumzugs, der viele Leben erfüllt worden. Das gepflegte Kirchen­ Besucher anlockt. Hervorzuheben ist auch ensemble, der „Schoferhof“ als Nachlass des die Bürgerstiftung „Weichler Stiftung“, die Fabrikanten Faber Castell und das Verwalter- ALT-OBERASBACH viele Initiativen unterstützt. haus sind für den Ort identitätsstiftend. Das Verwalterhaus stellt eines der auffallendsten Gebäude im Ort dar. Von 2006 bis 2008 wur- de es restauriert und ist ortsbildprägend für Alt-Oberasbach. Planungen für die Verkehrs- beruhigung sind auch mit einem Konzept zur Erhöhung der Aufenthaltsqualität verbun- den.

15 Der Leerstand der ortsbildprägenden denk- Plätze und Straßenräume neu gestaltet wer- malgeschützten Sandsteinscheune in der den und die bauliche Nutzung an den Dorf- Ortsmitte soll behoben und das Gebäude charakter angepasst werden. durch Bürgergruppen und Vereine genutzt Zur Förderung der dorfgerechten Grün­ werden. Die Scheune steht an der Albrecht- entwicklung agiert die Aktionsgruppe Dürer-Straße und wurde bereits im Jahr 1804 „Innerörtliches Grün“ mit Fachvorträgen und errichtet. Sie war der erste Massivbau in Führungen zu Mustergärten. In diese Reihe Oberasbach und gilt in ihrer Bauweise in ganz gehört das vormalige Verwalterhaus „Hof Mittelfranken als einzigartig. Rötsch“, das mit Blumen- und Topfpflanzen- Ziel muss es sein, das Bewusstsein für die kulturen überzeugt. Besondere Aufmerk­ Wohn- und Lebensqualität zu stärken und samkeit verdient hier die mächtige Bergulme die Unverwechselbarkeit des Ortes immer im Ensemble mit dem Fachwerkbau. wieder herauszuarbeiten, um die hohen Ziele Auch der Heimatverein geht mit gutem Bei- der Planungen in die Tat umzusetzen. Das spiel an die Entsiegelung von Hofflächen und wird den Alt-Oberasbachern gelingen, die hat bereits im „Hübler Hof“ eine kleine die Neubaumaßnahmen in ihrem Ort als Grüninsel mit einem Nussbaum geschaffen. Chance sehen und die den dörflichen Cha- Großzügig ist auch die Eingrünung des rakter nicht gefährden werden. Feuerwehr-Gerätehauses am Rande der Asbachaue. Im Asbachgrund wurde bereits ein erster Bauabschnitt zur Naturierung der Asbach mit Mäandern und Flachufern vollzo- gen. Weitere Schritte sind vorbereitet. Mit 4. Grüngestaltung und -entwicklung Unterstützung eines ehemaligen Stadtrats, Walter Weichlein, werden die Maßnahmen Alt-Oberasbach ist ein „Dorf in der Stadt“ und von der Stiftung zur Renaturierung des in diesem Umfeld nimmt Alt-Obererasbach Asbachgrundes unterstützt. eine Sonderstellung im Wettbewerb ein. Die Einzigartig sind Wanderbäume in der Haupt- Auswirkungen und Folgen des städtischen straße, die als „Bäume zur Probe“ bereits vor Umfeldes sind Anlass für die Bürger von Alt- der eigentlichen Anpflanzung erst die Zunei- Oberasbach, diese Sonderstellung planerisch gung beeinträchtigter Nachbarn gewinnen zu fixieren und Maßnahmen zu ergreifen, um sollen. Sehr gute grüngestalterische Ziele das Gesicht des Dorfes zu bewahren oder gar sind formuliert und in Angriff genommen; das dörfliche Gepräge zu steigern. Hierzu die Grünkonzepte sind optimal ausgefeilt – werden bauleitplanerische Ziele formuliert nun reifen die Früchte. und planungsrechtlich verankert, beispiels- weise zur „Erhaltung der Dorfränder und der besonderen Insellage“. Des Weiteren sollen

16 5. Dorf in der Landschaft angepflanzt und betreut von Baumpaten, was eine sehr schöne Idee ist und für viele an- Nach dem städtischen Flair beginnt am Hain- dere Dörfer Vorbild sein kann. Auch kleinste berg und im Asbachgrund viel Grün. Hier Flächen am Ortsrand werden für Gemüsean- kann ein kleines, aber idyllisches Biotop bau genutzt. Bei einem Blick aus der Ferne ist genossen werden, das sich am alten Ortskern die Stadtnähe der Metropolregion jedoch zu von Oberasbach findet. Viele Obstbäume spüren. Hier würde eine stärkere Eingrünung begleiten das kleine Bächlein, das die Wiese des Ortsrandes gut tun, um wirklich ein „Dorf durchzieht; Vögel und andere Insekten haben in der Landschaft“ zu sein. hier ihren Lebensraum gefunden. Doch nicht nur Tiere halten sich am Biotop auf – auch die BN-Kindergruppe nutzt das Gelände für ein Erlebnis in der Natur. Das Biotop wurde naturnah gestaltet – aber auch die Asbach in Rehdorf und die Sattler- wiese wurden naturnah umgestaltet. Die Alt-Oberasbacher haben eine Vision – eine grüne Vision von der Renaturierung des Asbachgrundes, der zur „Grünen Mitte Oberasbachs“ werden sollte. Ein langfristig angelegter Masterplan der Stiftung zur Renaturierung des Asbachgrundes sollte helfen, Naturschutz, Landwirtschaft, Stadt- entwicklung und Erholung unter ein Dach zu bringen. Bereits im Frühjahr 2014 wurde so die Sattler- wiese umgestaltet, die im Asbachgrund zwi- schen Rehdorf und Oberasbach liegt. Ein wenig abgelegen vom Bach sollen künftig ALT-OBERASBACH Gehölze wie Weiden, Eschen oder Trauben- kirschen, sowie einige Hecken gepflanzt werden, um für Flora und Fauna neue Lebensräume zu schaffen. Alt-Oberasbach, es ist also gleichzeitig ein „Dorf in der Stadt“ und ein „Dorf im Wiesen- grund“, eben im Asbachgrund. Doch bald sollte dieser ohne Asbach sein. Es klingt ma- kaber zu hören, dass die Asbach vielleicht bald trockenfallen wird. Und das nach der Renaturierung des Asbachgrundes – unter- stützt mit staatlichen Geldern, wie eben auf- geführt. Gegebenenfalls sollen im Auen- grund größere Flächen für Gemüsebau umfunktioniert werden. Das würde bedeu- ten, dass diese intensiv genutzten Flächen gewässert werden müssten und somit die Asbach trocken fiel und damit auch die Renaturierung als Farce erscheint. Ein positiver Aspekt: Neben dem Asbach- grund finden sich viele Streuobstwiesen, 17 DÖRINGSTADT

18 SILBER 1. Entwicklungskonzepte und Döringstadt wirtschaftliche Initiativen Markt Ebensfeld Döringstadt zeichnet sich durch eine stabile Landkreis Lichtenfels, Oberfranken und junge Bevölkerungsstruktur aus. Dieses Dorf profitiert zudem von seiner verkehrs- günstigen Lage zwischen Bamberg, Lichten- fels und Coburg. So konnten in den letzten Jahren Handwerks- und Gewerbebetriebe wie eine Bäckerei, ein Obst- und Gemüse- händler oder zwei Schreinereien, angesiedelt werden. Diese Gewerbe sind entweder in umgenutzten Bestandsgebäuden unterge- bracht oder in die bestehende Baustruktur des oberfränkischen Dorfes integriert. Die Versorgung ist bei einem Ort dieser Grö- ßenordnung naturgemäß schwierig, jedoch hat es Döringstadt geschafft, mit einer schnel- Landrat: Christian Meißner len Internetverbindung den hohen Ansprü- chen zu genügen. Dies ist eine unerlässliche Bürgermeister: Bernhard Storath Voraussetzung für die Zukunft dieses Stand- Kreisfachberatung für Gartenkultur orts, sowohl im Hinblick auf die wirtschaft­ und Landespflege: Michael Stromer liche Entwicklung, als auch für die Eignung als Wohnort. Einwohnerzahl: 412 Gemarkungsfläche: 667 ha Baulich liegt der Fokus auf der Innenentwick- lung – es werden keine neuen Baugebiete Dorferneuerung: ja ausgewiesen, um den Bestand zu schützen Betriebe in der Landwirtschaft Vollerwerbsbetriebe: 3 oder weitere Leerstände zu provozieren. Nebenerwerbsbetriebe: 6 Bestehende Leerstände werden aktiviert und Betriebe in Industrie und Gewerbe: 56 neu genutzt. Eine große Chance für die künf- Betriebe in sonstigen Bereichen: - tige Entwicklung könnte das alte Schul­ gebäude bieten, das leer steht und für das noch keine Nutzungsperspektive vorhanden ist. Hier sind Dorfgemeinschaft und Gemein- de gefordert, sich tragfähige Lösungen für die Zukunft zu überlegen.

Welches Dorf kann von sich schon behaupten, dass es am „Gottesgarten“ liegt? Döringstadt! Mit be- kannten Kirchen wie „Vierzehnheiligen“ oder dem Kloster Banz, aber auch dem ältesten Wehrturm Frankens aus Sandsteinbauweise zieht das Dorf viele Touristen an. Von Döringstadt aus gelangt man schnell zu weiteren beliebten Zielen, wie Bam- berg, Coburg oder der Fränkischen Schweiz, die den Fremdenverkehr im 412-Seelenort fördern. 19 Das größte Potenzial und zugleich der größte 2. Soziale und kulturelle Aktivitäten Wert von Döringstadt ist neben den Men- schen auch die historische städtebauliche „Eine Symphonie zwischen Historie und Struktur, die sich ideal für modernes Wohnen Moderne“ – mit diesem Slogan weckt der eignet. Die Höfe mit ihrer grenzständigen kleine Ebensfelder Ortsteil, am Tor des Gottes­ Bebauung bieten eine hohe Wohn- und auch gartens liegend, das Interesse der Besucher. Aufenthaltsqualität im Freibereich: Im Gegen­ Das ausgeprägte Geschichts- und Kulturbe- satz zu neuen Einfamilienhausgärten bieten wusstsein und die Vermittlung desselben an sie geschützte Freibereiche mit unterschied- Jung und Alt, sowie an Besucher des Ortes, lichen Qualitäten und einem günstigen Mik- zeichnet die rührige Dorfgemeinschaft in roklima. Zudem sind sie auch noch flächen- diesem vermutlich 791 n. Chr. erstmals sparend. Um auch in Zukunft ein qualitativ urkundlich erwähntem Dorf besonders aus. hochwertiger Wohnort zu bleiben, ist es für Eine herausragende „Pioniertat“ war 1997 Döringstadt essentiell, diesen Schatz zu die Initiative zum historischen Rundgang. erhalten und zu sichern. Um das zu er­rei­chen Mittels Schildtafeln informieren die Döring­ sollte ein Innenortsbebauungsplan von städter ihre Gäste über Wissenswertes zur einem qualifizierten Planer mit ausgearbei­ Geschichte ihres Wohnortes. Die noch teten Beispielplanungen erstellt werden und offenen Fragen, warum es in und um die Möglichkeiten dieser Baustrukturen den Döringstadt so viele Flurdenkmäler in Form Kaufinteressenten aufzeigen. von Martern und Bildstöcken gibt, ist sicher mit der Nähe zu „Vierzehnheiligen“ und ei- ner damit verbundenen traditionell tiefen Volksfrömmigkeit zu erklären. Ein geradezu

20 mächtiges Symbol dieser Frömmigkeit ist 3. Baugestaltung und -entwicklung auch „einer der schönsten Wehrtürme Fran- kens“, wie der Autor Heinrich Mayer in „Die Das Dorf wird durch überwiegend giebel- Kunst des Bamberger Umlandes“ schrieb. ständige Wohnstallhäuser mit rückwärtigen Die mächtige Chorturmkirche, das Pfarrhaus querstehenden Scheunen geprägt. Diese und das ehemalige domprobsteiliche­ Amts- bilden teilweise einen regelrechten Scheu- haus bestimmen noch heute den histori- nengürtel, der dann über Streuobstwiesen in schen Ortskern. Ein weiteres für die Orts­ die freie Landschaft hinausführt. Die durch- geschichte bedeutendes Gebäude ist das laufende Dorfstraße weitet sich an zwei Geburtshaus des Weihbischofs Dr. Adam Sen- Stellen zu platzartigen Bereichen auf. ger, das noch als Gasthaus besteht und das Zahlreiche Gebäude sind denkmalgeschützt den stimmigen Charakter dieses Ortes und zeigen in Sandstein und Fachwerk den abrundet. ganzen Reichtum der regionalen Baukultur. Dass Döringstadt auch ein klingender Ort ist, Der „Goldene Ammonit“, eine landkreisweite zeigen die vielen qualitätsvollen musikali- Auszeichnung für gute und fachgerechte schen Projekte im kirchlichen Bereich mit der Sanierung, hat hier viel bewirkt. Ein histori- Jugendband „Friedensnetz“ oder den scher Rundgang mit einer Informationstafel „Döringstadt Musikanten“. Weitere Vereine und Hausgeschichten an den Objekten und Gruppierungen prägen mit ihren Ver­ tragen zur Wertschätzung für Baukultur bei. anstaltungen das kulturelle Leben im Dorf. Dass eine grüne Tonne als Perkussionsinstru- ment den Rhythmus der Tanzgruppe der DÖRINGSTADT über 60 Mitglieder starken Jugendgruppe „Die Turmfalken“ bestimmt, untermalt klang- lich ein für den kleinen Ort erstaunlich brei- tes, pädagogisch sehr gut betreutes Angebot an Umwelt- und Naturerfahrungen für Kinder und Jugendliche. Nicht nur der Lehrgarten für Jugendliche und der Lehmbackofen tragen zur Vermittlung der Alltags- und Sozialkompetenzen oder zum Zusammen­ gehörigkeitsgefühl bei, sondern auch die schönen Spiel- und Bewegungsplätze sind nahezu ein Anziehungspunkt für Jung und Alt.

21 Eine verträgliche Durchmischung von Ge- stattliche Baumgruppe mit Birne, Walnuss werbe und Wohnen zeichnet das Dorf aus. und Esskastanie den Freiraum, der an der Umnutzungen, wie beispielsweise die ehe- benachbarten Scheune etwas Fassadengrün malige Kühlanlage für die Feuerwehr und der bedarf. Einbau einer KFZ-Werkstatt in eine Scheune, Für ihre Jugend hat Döringstadt auch „grüne sind gut gelungen. Vielleicht gelingt dies ja Plätze“ im Dorf gestaltet: Der Spielplatz, der auch bei der Neunutzung der alten Schule. Sportplatz neben dem Kinder­garten, der Denn durch den Verzicht auf neue Siedlungs- Kindergarten selbst, die Barfußschnecke am gebiete wird eine bauliche Geschlossenheit Ortseingang oder die Badegelegenheit direkt des Dorfes auch für die Zukunft erreicht. Eine am renaturierten Mainufer bei Mönchshof denkmalgerechte Sanierung des Brauhauses seien hier erwähnt. und der alten Schmiede wäre für dieses Dorf noch optimal. Hier könnte man sich an den Dreiseithof mit Weinberg orientieren, der ein Vorbild für eine denkmalgerechte Sanierung darstellt. Einen städtebaulichen und topographischen Höhepunkt innerhalb des Dorfes stellt dann das historische Zentrum um die ortsbildprä- gende Kirche „St. Martin“ mit dem prägnan- ten mittelalterlichen Chorturm, Pfarrhaus und Pfarrgemeindehaus dar. Hier bekommt man einen Einblick in die über 1200-jährige Siedlungsgeschichte dieses oberfränkischen Dorfes. Lebensqualität, soziale und kulturelle Identi- tät sowie Sicherheit der Bürger sind Werte eines solchen alten Dorfes. Der Ort hat Geschichte im Gegensatz zu vielen Neubau- gebieten und ist eine Heimat für seine Bewohner geworden. Deswegen ist eine zu- rückhaltende Siedlungsentwicklung Döring- stadts an dieser Stelle angebracht.

4. Grüngestaltung und -entwicklung

In diesem „412 Seelen-Dorf“, das am „Tor zum Gottesgarten“ liegt, kümmern sich auch schon die ganz Kleinen „Turmfalken“ um die Grüngestaltung ihres Ortes. An das Leitbild „Die Jugend ist unsere Zukunft“ wird sich in Döringstadt gehalten. Beeindruckende Ergebnisse des Mitwirkens der „Turmfalken“ sind bereits am Ortseingang an der Wasser- spielstelle des Bernhardgrabens oder am Lehmbackofen zu sehen, auf den die „Turm- falken“ besonders stolz sind. Hier prägt eine 22 Das Döringstädter Grün kann man am besten attraktiver gestaltet werden, damit sich viele über den Historischen Rundweg wahrneh- Fahrradfahrer oder Wanderer, deren Wege men. Er beginnt in der Dorfmitte am Bern- sich hier kreuzen, erholen können. hardsgraben, der im Zuge der Dorferneue- Neben den Laub- und Mischwäldern fällt rung grüngestalterisch aufgewertet wurde, auch der prägende Wuchs des Walnuss- und heute durch intensiven Blumenschmuck baums auf. Das angenehm warme Klima in zusätzlich bereichert ist. Der ehemalige Vieh- Döringstadt und der Umgebung fördert das trieb wird in Zukunft Teil des ortsspezifischen Wachsen von diesem besonderen Baum. Die Rundweges sein. Döringstädter können stolz auf den Walnuss- Prächtige Hof- und Hausbäume sowie Blu- baum sein und sollten ihn als Leitbaum menschmuck in Topfkulturen, im Hof oder an deklarieren. Hausfassaden sind in Döringstadt üppig Der Blick über Döringstadt lässt einem auch gegeben, beispielhaft an der Bushaltestelle den fließenden Übergang von der Bebauung oder der Meinerstraße und Hauptstraße. zur Landschaft auffallen – mehrere Streuobst­ Einzigartig ist der individuelle Döringstadter wiesen sind zwischen der Bebauung und den Weingarten mit dem dazugehörigen An­ landwirtschaftlichen Flächen zu finden. Die wesen. Hangwiesen werden als Pferdekoppeln oder als Schaf- und Ziegenweiden genutzt und trotz des intensiven Ackerbaus gibt es einen großen Bestand an Hecken zur Erhöhung der ökologischen Stabilität und Vermeidung von 5. Dorf in der Landschaft Erosionen. Eine Besonderheit in Döringstadt DÖRINGSTADT ist nicht nur der renaturierte, begrünte Bach- Die Ortschaft liegt am Rande des Maintales in lauf, sondern auch das Feuchtbiotop mit dem westlicher Richtung und bettet sich male- Wasserspielplatz am Ortseingang. risch in eine Talzunge ein, die von Hügeln umrahmt wird. Lässt man den Blick über die Landschaft schweifen, wirkt alles harmonisch – diese Region wird nicht umsonst als Gottes- garten bezeichnet. Von hier aus werden einem wunderschöne Ausblicke auf den Veitsberg, den Staffelberg und das Kloster Banz ermöglicht. Von der Anhöhe auf das Dorf geschaut, ver- schwinden die Häuser in einem Dunkelgrün der belaubten Bäume und Großsträucher. Der große Bestand an Laub- und Mischwäl- dern rund um das Dorf wird einem hier be- wusst. Nur die Kirchturmspitze des ältesten Wehrturms Franken mit ihren vier typischen Erkern im Spitzdachbereich wacht über das Dorf. Der Blick in die Landschaft zeigt auch, dass einige der Flurwege mit all den gepfleg- ten Kapellen, Kreuzen und Marterln ein be- gleitendes Grün aus Büschen Sträuchern und auch Einzelbäumen gut vertragen würden. Sehr lobenswert sind die Sitz- und Brotzeit- möglichkeiten am Wegesrand, die zum Ver- weilen und Entspannen einladen. Doch auch diese könnten mit einer Begrünung noch 23 FATSCHENBRUNN

24 BRONZE 1. Entwicklungskonzepte und Fatschenbrunn wirtschaftliche Initiativen Fatschenbrunn „Ihre Häuser fallen ihnen auf den Kopf“ – Gemeinde Oberaurach 1966 erschien diese Schlagzeile in einem Landkreis Haßberge, Unterfranken Zeitungsartikel über die Bewohner von Fatschenbrunn. Seitdem ist viel geschehen: Die Häuser wurden saniert und auf den neu- esten Stand gebracht und inzwischen wer- den bereits Häuser aus den siebziger Jahren des letzten Jahrhunderts energetisch saniert und an die gegenwärtigen Ansprüche ange- passt. Und es geschieht noch wesentlich mehr: So wurde die dörfliche Infrastruktur nicht allein durch die Gemeinde, sondern auch durch die Eigeninitiative der Bürger zu- kunftsfähig gemacht, unter anderem durch eine schnelle Internetverbindung, die dafür Landrat: Wilhelm Schneider unerlässliche Voraussetzung ist. Das Ergebnis ist eine positive Bevölkerungs- Bürgermeister: Thomas Sechser entwicklung in einer Dorfgemeinschaft, in Kreisfachberatung für Gartenkultur der sich auch Neubürger schnell wohl fühlen und Landespflege: Guntram Ulsamer, Johannes Bayer und sich integrieren. Weiter sind eine Reihe von Betrieben entstanden und das in einer Einwohnerzahl: 247 Gemarkungsfläche: 4515 ha erstaunlichen Bandbreite; angefangen beim historischen Handwerk der Herstellung und Dorferneuerung: ja der Vermarktung von Hutzeln, bis hin zu Betriebe in der Landwirtschaft Vollerwerbsbetriebe: 1 High-Tech-Betrieben und innovativer Gastro- Nebenerwerbsbetriebe: 6 nomie. Sie kamen nicht von außen, sondern Betriebe in Industrie und Gewerbe: 13 sie entstanden durch Eigeninitiative und innovative Ideen am Ort oder wurden aus historischen Wurzeln wiederbelebt. Auch die Gemeinde hat mit Projekten der in- terkommunalen Zusammenarbeit in der Allianz „Südlicher Landkreis Haßberge“ und mit der Unterstützung der Innenentwicklung zur positiven Entwicklung beigetragen.

„Es dauerte zwei Generationen bis sich Fatschen- brunn vom „Sorgenkind“ zum heutigen Erschei- nungsbild entwickelte“, heißt es über das Dorf. Doch jetzt hat es sich entwickelt, und zwar in die richtige Richtung. Die intakte Dorfgemeinschaft, die „Fat- schis“, hat hier auch zum größten Teil dazu beige- tragen. Eine Besonderheit in Fatschenbrunn sind neben der Dorfgemeinschaft aber auch die „Hutzel- birnen“. Ein fast ausgestorbenes Element der fränki- schen Kulturlandschaft, aber in Fatschenbrunn noch zu finden. 25 Die größte Stärke von Fatschenbrunn sind gefördert wird. Durch dieses Forschungspro- aber die Bürger mit ihrem Zusammenhalt, jekt stehen geographische, archäologische, ihrem Engagement und den daraus entste- botanische, bodenkundliche und geolo­ henden Initiativen, wie beispielsweise der gische Daten für einen interdisziplinären Gemeinschaftsdörre für die Hutzeln und den Lehrpfad zur jungen Landschaftsgeschichte geplanten Zukunftsprojekten, dem im Zu- zur Verfügung. sammenhang mit einem Forschungsprojekt Das Dorf ist von einer „Hutzelkultur“, des der Universitäten Bamberg und Erlangen „Hutzel Dörrens“, geprägt, die dort liebevoll entstehenden Lehrpfad zur historischen gepflegt und weitergetragen wird. Für Förde- Kulturlandschaft, dem Dorfladen und der rung der traditionellen Hutzelkultur erhält geplanten Solartankstelle. Fatschenbrunn den Sonderpreis des Bayeri- schen Bauernverbandes. Fatschenbrunn hat zudem ein reiches Vereinsleben. Alle Bürger bringen sich mit ihren Talenten in die

2. Soziale und kulturelle Aktivitäten

Fatschenbrunn im nördlichen Steigerwald ist ein sowohl landschaftshistorisches, als auch ökologisch besonders wertvolles Gebiet. Die Universitäten in Bamberg und Erlangen führen in der Gemarkung seit 2012 ein Forschungsprojekt mit dem Titel „Kulturland- schaftliche Entwicklung vom Mittelalter und Neuzeit“ durch, das aktiv von den Einwoh- nern Fatschenbrunns unterstützt und 26 Dorfgemeinschaft ein. Es ist eine große Soli- 3. Baugestaltung und -entwicklung darität untereinander spürbar, die den Gemein­schaftsgeist beflügelt. Soziale Integ- Wesentliches Gestaltungsmerkmal des Dorfes ration und Inklusion sind dort vorhanden ist das Vorhandensein zweier Ortsteile, die und werden großgeschrieben. Der große durch ein Neubaugebiet mittlerweile verbun- Zusammenhalt und die Eingliederung der den sind. Das Dorf zeichnet sich durch große Neubürger sind ebenfalls deutlich zu spüren. bauliche Geschlossenheit aus. Im Zuge der Es ist eine Harmonie der Dorfgemeinschaft in Dorferneuerung wurden öffentliche Bereiche allen Bereichen erlebbar. Vorbildlich ist die umgestaltet und erneuert. Den Altort zeich- Ein­beziehung der älteren Menschen – hierfür nen einfache und ruhige Baukörper aus. symbolisch ist das Nebeneinander von Im Zuge einer Innenentwicklung wurden Kinderwagen und Rollator. Gebäude umgenutzt und bieten nun Raum Kulturelles Brauchtum, wie Maibaum aufstel- für verschiedene Lebensbereiche. Zahlreiche len, Osterbrunnen schmücken und die öffentliche und private Gebäude wurden Gestaltung des Osterfeuers werden von der fachgerecht saniert und deswegen gibt es Dorfjugend ausgeführt. Wallfahrten, Konzer- auch keinen Leerstand im Dorf. Der Umbau te, Festgottesdienste und andere kirchliche des neuen Gemeinschaftshauses verbunden Veranstaltungen werden von der Kirchen- mit einer energetischen Sanierung stellt ein band musikalisch begleitet und bringen Alt Beispiel guter neuer Architektur dar. und Jung auch im Glauben zusammen. Gewerbebereiche sind innerhalb des Ortes Junge Menschen sind stolz auf ihre Gemein- untergebracht und bilden eine gesunde de und wollen vor Ort bleiben. Die Ausgangs- Mischung von Wohnen und Arbeiten. Zahl- position als angeblich ärmstes Dorf Bayerns reiche Fachwerkgebäude bilden das histori- hat sich hin zu einer stolzen Gemeinde sche Kapital des Dorfes. gewandelt, in der Platz für jeden ist. FATSCHENBRUNN

27 Das ehemalige Wasserschloss, ein Sandstein- Reduzierung dieser einst modischen gebäude am renaturierten Weiher, stellt Weihnachtsbäume wird sich positiv auf den seinen baulichen Wert besonders heraus und Gesamteindruck auswirken. kann als Vorbild angesehen werden. Ähnlich verhält es sich mit der „Zaunkultur“, Im Neubaugebiet fällt ein langgestrecktes die insbesondere im Oberdorf für das Klein- graues Haus auf, das die baulichen Vorbilder tier- und Federviehhalten erforderlich ist des Altortes neu interpretiert, die übrigen bzw. überwiegend war. Im Unterdorf sind Neubauten halten sich nicht daran. Die Ge- durch Einfluss der Dorferneuerung Grund- staltung der alten Siedlungshäuser könnte stückseinfriedungen mit Sandsteinpfosten ebenfalls ein Vorbild sein, um baugestalteri- und Holzlatten stimmig ins Ortsbild eingezo- sche Fehlentwicklungen zu vermeiden. Eine gen. Ganz wesentlich wurden mit der Neu­ Gestaltungssatzung oder eine Bauberatung gestaltung des Dorfweihers die ökologische könnten dort hilfreich sein und so langfristig Funktion und das Gesamterscheinungsbild für Qualität sorgen. Außerdem wäre ein aufgewertet. Innenentwicklungskonzept zu empfehlen. Zur Nachahmung empfohlen wird die Pflanz- Den Fatschenbrunnern wird dies in Zukunft aktion „Wir ziehen Grün vor“, bei der eine gelingen, da sie schon jetzt an einer Konzep- schlichte Buchenhecke vor Stromverteiler- tion arbeiten. Denn ein neues Baugebiet ist und Kommunikationskästen angelegt wurde. für die Fatschenbrunner nicht angedacht – Derartige Aktionen werden von der Dorf­ wegen weniger freien Bebauungsflächen ist gemeinschaft angestoßen und umgesetzt. es sinnvoll, eine Option für neue Bauplätze Erstaunlich vielfältig sind die Haus- und Hof- bereitzustellen. Hierbei wird von der gesam- gärten angelegt, deren Gartenformen von ten Gemeinde und dem Amt für ländliche wild, naturnah, nutzbar, prächtig bis steinern Entwicklung darauf geachtet, den dörflichen reicht. Im neueren Siedlungsteil wurde der Charakter Fatschenbrunns aufrecht zu erhal- alte Baumbestand angenehm berücksichtigt ten, der diesen Ort so besonders macht.

4. Grüngestaltung und –entwicklung

In Fatschenbrunn wurden in den letzten 20 Jahren enorme Anstrengungen unter- nommen, um den „Sorgenkind“-Weiler in einer Rodungsinsel des Steigerwaldes zu ei- nem Aushängeschild im Naturpark zu entwi- ckeln. Diese Entwicklung erfolgt mit staat­ licher Unterstützung und wissenschaftlicher Begleitung der zukunftsorientiert zupacken- den Dorfgemeinschaft, den „Fatschis“. Ganz wesentlich wurde das innerörtliche Grün erneuert; das „Obstartenparadies“ im Außenbereich mit hunderten alter Obstbäu- me und -sorten soll zum Markenzeichen von Fatschenbrunn werden. Das Dorfbild ist wesentlich von 393 Laub­ bäumen mit einem Stammdurchmesser über 60 cm geprägt, wobei auch zahlreiche Nadelbäume im Dorfbild auffallen. Eine 28 Fatschenbrunner Hutzelproduktion. Bildeten sie damals im 19. Jahrhundert einen enorm wichtigen Bestandteil der Ernährung der Bewohner Fatschenbrunns – besonders im Winter – bleibt für sie heute nur noch ein Nischenmarkt übrig. Dennoch: Für die traditionell hergestellten Hutzeln im Dorf gibt es noch zwei Hutzeldarren. In einem Ge- dicht ist nachzulesen: „A schöna Birn gibt a guada Hutzl“ – und der Geschmack steht in Fatschenbrunn an erster Stelle. Deswegen kann man den „Fatschis“ nur zu ihren Hutzeln und ihrem Erhalt gratulieren, die den Sonder- bzw. integriert. Ein prachtvoller Garten preis des Bayerischen Bauernverbandes für erwartet den Besucher der örtlichen Gastro- die „Förderung der traditionellen Hutzelkul- nomie. tur“ erhalten haben. Über das Hutzelbirnen- Die grüngestalterischen Mühen und Aktio- projekt in Fatschenbrunn, in das auch die nen der „Fatschis“ verdienen eine behörd­ Universität Bamberg mit einem Forschungs- liche Anerkennung und Unterstützung – so projekt involviert ist, wird die Baumfelder- ist angeraten, die Kirchenlinde wieder als wirtschaft ausgebaut. Naturdenkmal auszuweisen. Doch Hutzeln sind in diesem Dorf bei weitem nicht die einzige Besonderheit: Über den Wiesen kreisen Mäusebussarde und geben einem das Gefühl der Geborgenheit – als würden diese Greife auf das ökologische 5. Dorf in der Landschaft Gleichgewicht „Obacht“ geben. Bei einer Wanderung durch die Flur wird die Liebe der FATSCHENBRUNN Eingebettet in einen Waldgürtel liegt Bewohner zur Kulturlandschaft sicht- und Fatschenbrunn auf einer Rodungsfläche. Die spürbar. Für die Schmutzwasserreinigung Landschaft im Naturschutzgebiet ist übersät wurde eine ökologisch arbeitende Dreikam- mit Eichen, Birken, Eschen, Ahorn, Fichten, merkläranlage, zum Großteil in Eigenregie, sowie Tannen – ein angenehmer Mischwald, errichtet. ein typischer Steigerwald, zu 100 Prozent Staatsforst. Aufgrund der schweren Keuperböden wird hier vorwiegend Pferdewirtschaft betrieben und neben der Pferdezucht gibt es auch die Fohlenaufzucht. Die Flur ist weiter durch­ zogen von alten Obstbäumen, Hecken und Gebüschen. Auf den ca. 20 ha Wiesenflächen findet man aber besonders viele der alten Obstgehölze – und zwar Birnen: die Hutzel- birnen, die das einzigartige Landschaftsbild prägen. „Das Baumfeld – ein fast ausgestor- benes Element der fränkischen Kulturland- schaft, wo sich besonders in Fatschenbrunn dichtere Baumfeldrelikte erhalten haben.“ So lautet ein Auszug des Forschungsberichts von Dr. Thomas Gunzelmann. Diese genann- ten Baumfelder dienen als Grundlage für die 29 GAISTHAL

30 SILBER 1. Entwicklungskonzepte und Gaisthal wirtschaftliche Initiativen Stadt Schönsee Gaisthal als Ortsteil der Stadt Schönsee im Landkreis Schwandorf, Oberpfalz Landkreis Schwandorf hat als ehemaliger Grenzlandbereich eine schwierige Ausgangs- lage. Bis 1975 war Gaisthal eine selbststän­ dige Gemeinde, wurde aber bei der Gebiets- reform in die Stadt Schönsee eingegliedert. Trotz der schwierigen Lage bemühen sich die Gaisthaler um ihr Dorf und verbessern mit immer neuen Ideen beispielsweise die Infra- struktur. Bei der Zusammenarbeit wurde auch erkannt, dass eine ausgewogene Ein- wohner- und Altersstruktur wichtige Kriteri- en der Weiterentwicklung sind. Entsprechend attraktiv wird hier also Bauland angeboten. Auch dem innerörtlichen Leerstandsthema Landrat: Thomas Eberling wird Beachtung geschenkt: Bereits im Jahr 2009 wurden erste Projektideen zum Thema Bürgermeisterin: Birgit Höcherl vorgestellt und Vorbereitungen getroffen. Kreisfachberatung für Gartenkultur 2011 entwickelte sich ein vierköpfiges Team und Landespflege: Heidi Schmid aus Absolventen für das Stadtentwicklungs- büro und seit 2012 gibt es eine Intensivie- Einwohnerzahl: 262 Gemarkungsfläche: 350 ha rung der Daseinsvorsorge und eine inter- kommunale Zusammenarbeit. Dorferneuerung / Städtebauförderung: nein Wichtige Voraussetzungen für die Zukunfts- Betriebe in der Landwirtschaft Vollerwerbsbetriebe: 2 fähigkeit sind im Dorf mit Wasserver- und Nebenerwerbsbetriebe: 1 Abwasserentsorgung geschaffen. Auch der Betriebe in Industrie und Gewerbe: 12 bürgerschaftlich aktiven Beteiligung am Straßenbau gebührt Anerkennung – der leistungsfähige Breitbandausbau kann den Ort noch weiter stärken. Zwangsläufig sind in der Stadt Schönsee und anderen naheliegen- den Orten die Hauptversorgungseinrichtun- gen angesiedelt. Dennoch ist das örtliche An- gebot in Gaisthal auch in gastronomischer und wirtschaftlicher Sicht beachtlich.

Gaisthal – ein Dorf mit Geschichte. Waren bis zum 19. Jahrhundert die Gewerbe der Eisenhämmer we- gen des Eisenerzreichtums vorherrschend, übernah- men dann die Glasschleifer die Oberhand. Hierbei wurde Wasserkraft über Wasserräder zum Betrieb der Hammerwerke sowie der Schleif- und Sägemüh- len genutzt. Auch heute lebt die Geschichte im ehe- maligen Hammerwerk und der Glasschleiferei wei- ter, deren Gebäude sich gut in die Natur eingebunden haben. 31 Die vorgestellten Eigeninitiativen im touristi- auf internationaler Ebene beim Austausch- schen Bereich erweitern das Ortsleben. Mit programm mit Tschechien. dem Ausbau erneuerbarer Energien kann Die Gaisthaler Bürgerschaft geht selbstbe- Wirtschaftskraft im Ort gehalten werden. Ein wusst mit dem Dorf und seiner Entwicklung Zukunftsthema könnte sein, ob die Bauleit­ um. Es gibt Initiativen zur Gestaltung der ver- planung dauerhaft in dieser Form ausreicht. schiedensten Lebensbereiche, im Miteinan- Die Bürgerschaft wird ermutigt, das örtliche der und im Wohnumfeld. So wurden die Angebot zu nutzen. Wirtschaftlich könnten Linden an der Ortsdurchfahrt gerettet, aber Initiativen ergriffen werden, Existenzgründern auch Hinweise zur Gestaltung und Verbesse- und Jungunternehmern eine Plattform zu rung auf dem Friedhof gegeben und diese geben. auch umgesetzt. Ebenso wird aber auch Wert auf den Erhalt von Traditionen gelegt: Das Maibaumaufstellen, der Blumenschmuck, die Koch- und Backkurse, die gemeinsame Neujahrswanderung zum Frauenstein, die 2. Soziale und kulturelle Aktivitäten Feste und Angebote im Jahreskreis und nicht zuletzt der Faschingsball sind hier zu er­ Das Graffiti auf einer Wand des Zeltlagerplat- wähnen. Private Initiativen, wie die unent- zes „We love Gaisthal“ beschreibt das Leben geltliche Zurverfügungstellung einer im Dorf aufs Trefflichste. Hier wird Zusam- Scheune als Lagerstelle für die vielen Musik- menarbeit und Vernetzung im Großen und instrumente, sind ein weiteres Zeugnis für Kleinen betrieben und gelebt. Und das nicht das hohe bürgerschaftliche Engagement und nur im Ort, wo es ganz selbstverständlich ist, machen das Leben im Dorf zusammen mit dass das Feuerwehrhaus auch den anderen der Schule, dem Kindergarten und dem örtlichen Jugendgruppen und Senioren für Wirtshaus harmonisch und rund. ihre Arbeit zur Verfügung steht, sondern auch 32 Gaisthal erweist sich dabei auch offen für Neues. Der Ausbau des Breitbandangebots/ DSL ist in Arbeit und es sind Arbeits- und Aus- bildungsplätze im Ort vorhanden. Der „Wilde Haufen“, ein Chor mit jungen und alten Mit- gliedern, gestaltet Feste und Gottesdienste mit weltlicher und neuer geistlicher Musik. Nicht zuletzt der gemeinsam gestemmte Umbau des Alten Bahnhofs zur „Endstation“ bietet einen Ort für gemeinsame kulturelle Aktivitäten von Jung und Alt. Wenn sich Gaisthal seine Kultur des Aufste- hens und aufeinander Zugehens und mit­ einander Handelns bewahrt und weiterent- wickelt, wird der Bahnhof sicherlich keine „Endstation“ auf dem Weg in ein zukunfts­ Einen Höhepunkt im Straßendorf übernimmt GAISTHAL fähiges und lebenswertes Dorf sein. neben der kleinen Kirche „St. Laurentius“ mit ihrer schiefergedeckten Birnkuppel auch das wunderschön sanierte Pfarrhaus aus dem Jahr 1880, das mit vielen erhaltenen Details, wie Fenster und Haustüre, beeindruckt. Eine 3. Baugestaltung und -entwicklung erstaunlich schön gewachsene 300-jährige Linde rundet dieses einmalige Raumbild ab. Der Kern des historischen Gaisthal hatte sich Romantisch und verschwiegen sind die schön auf die Schönseer Straße konzentriert, die in eingewachsenen Wege am Ufer der Ascha im der ehemaligen Dorfmitte den kleinen Fluss Dorf. Das Wasser des Baches wurde ehemals Ascha quert. Ein zweiter Siedlungsschwer- durch zahlreiche Mühlen genutzt, was be- punkt etwas nördlich davon hieß laut Karte sonders im nördlich anschließenden kleinen „Robein“, der heute im Siedlungsgefüge auch Tal mit dem Gaisthalerhammer und dem noch durch ältere Bebauung nachvollziehbar Rosenhof noch eindrucksvoll erlebbar ist. ist, aber im Gesamtgefüge nicht mehr Daraus erschließt sich auch die besondere getrennt wahrgenommen wird. Die früher Bautradition der Gegend, die durch diese gleichförmig zur Straße orientierten Dreiseit- historischen Industriebetriebe am Wasser höfe sind zum Teil noch ablesbar, wurden geprägt ist und vor allem mit den Natur­ aber insgesamt durch ein inzwischen ent- steinen der Umgebung und Holz eine ganz standenes Wechselspiel von trauf- und eigene Material- und Farbstimmung hat. giebelständigen Baukörpern aufgelockert. Dass sich die Bewohner des Dorfes intensiv mit ihrer Bautradition und einer angemesse- nen Gestaltung ihres Dorfraums auseinan- dersetzen, belegen die zahlreichen gelungen Bausanierungen und Bauergänzungen. Obwohl weniger Dachaufbauten und Balkonanbauten­ wünschenswert wären, ist doch das Gesamterscheinungsbild beein­ druckend. Das größtenteils harmonische Miteinander von Gebäuden, Hofraum und Gärten bis hin zu schönen Gartenzäunen, die auch ein Durchwachsen zum öffentlichen Raum zulassen, ist in der Lage, auch den ein oder anderen gestalterischen Mangel zu 33 überspielen. Um dies auch künftig zu garan- Entsprechung ein bereicherndes architekto- tieren, wäre es gerade für die aufgeschlosse- nisches Detail darstellt. Deutlich sichtbar ist ne Bevölkerung von Vorteil, wenn aus fach­ der Stolz der Einwohner auf ihre dörfliche licher und städtebaulicher Sicht eine Gartenkultur, die sich in den liebevoll gestal- Unterstützung insofern erfolgt, dass die teten Privatgärten zeigt. Die blütenreichen regionalen Elemente in die neueren Sied- und fruchtenden Gärten tragen wesentlich lungsbereiche übertragen werden. Dies zur Verschönerung des Ortsbildes bei, wobei könnte helfen, die Diskrepanzen zwischen der harmonische Gesamteindruck durch das neuen und traditionellen Baugestaltungen sichtliche Bemühen um eine einheitliche zu lindern, aber auch durch Überlegungen Zaunkultur unterstützt wird. zur Nachverdichtung, die zum Teil weit Gut eingegrünt und vom Gartenbauverein auseinander liegenden Siedlungsbereiche betreut ist der ortsnah gelegene, als einer der mit dem historischen Kern verschmelzen zu schönsten Plätze bundesweit ausgezeich­ lassen. nete Zeltlagerplatz der sudetendeutschen Gaisthal ist ein Ort mit hohem Wohnwert und Jugend. Er dient als Begegnungsstätte mit dadurch attraktiv für Zuzug, wie Neubürger den tschechischen Nachbarn. Ein ebenfalls in historischen Gebäuden belegen. Diese vom Gartenbauverein gepflegter, landschaft- Attraktivität liegt zu einem Großteil an dem lich gut situierter Platz mit Ausblick auf Berg Gesamterscheinungsbild und dessen Atmos­ und Tal ist der ein wenig außer- und oberhalb phäre. von Gaisthal gelegene Friedhof. Dahinter ver- läuft auf der stillgelegten Bahnlinie von Schönsee nach Wölsendorf/Nabburg der Bayerisch-Böhmische Freundschaftsweg. Dieser wurde von der Vereinsgemeinschaft 4. Grüngestaltung und -entwicklung Gaisthal und Rackenthal in intensiver Eigenleistung als Radstation und Veranstal- Gaisthal begrüßt seine Gäste mit straßensäu- tungsort revitalisiert. Eine sehr gelungene menden Alleen und signalisiert landeskultu- Maßnahme im Grünen mit hoher Aufent- relles Niveau. Dieser Eindruck wird durch die haltsqualität, die ebenso wie die Marterl und tausendjährige Linde verstärkt, die durchaus der fledermausbewohnte Felsenkeller als als Leitpflanze für die Begrünung des historische Artefakte die Geschichte leben- öffentlichen Raums bezeichnet werden kann. dig erhalten werden. Ein ebenfalls vorbild­ So wird das vorhandene Bewusstsein über liches Projekt ist die Aufschulung von die positive Auswirkung einer planvollen ab- 40 Bäumen aus den Samen der betagten, wechslungsreichen Grüngestaltung durch standortheimischen Dorflinde. die schon lange Zeit durchgeführten und umfangreichen Baumpflanzungen dorfge- rechter Bäume und Sträucher dokumentiert. Dabei sorgen die straßenbegleiteten Grün- säume für eine harmonische Vernetzung der dörflichen Strukturen und bilden das grüne Rückgrat von Gaisthal. Bemerkenswert sind auch die Maßnahmen zur Anbindung von entsiegelten Hofein­ fahrten an den öffentlichen Straßenraum, die konsequent weitergeführt werden soll- ten. Hervorzuheben ist die vorhandene Spalierkultur an den Hauswänden, die auf- grund der Wahrung von Maßstäblichkeit und unter Berücksichtigung von Harmonie und 34 5. Das Dorf in der Landschaft Über Jahrhunderte prosperierte die oberpfäl- zische Montanindustrie im „Ruhrgebiet des Nach einer starken Gefällestrecke weitet sich Mittelalters“ bis zur Renaissance. Im 19. Jahr- das Tal der Ascha von Schönsee kommend zu hundert löste das verwandte Gewerbe der einer breiten Mulde aus. Hier liegt beidseits Glasschleifer die Eisenhämmer ab. Wasser- des Flusses Gaisthal ein Dorf auf dem geolo- kraft wurde über Wasserräder zum Betrieb gischen Untergrund von Gneis und Granit am der Hammerwerke sowie der Schleif- und Nordostrand des Naturparkes Oberpfälzer Sägemühlen genutzt. Der Waldreichtum der Wald in einer kleinteiligen landschaftlichen Region stellte über die Köhlerei die nötige Szenerie. Der dezente Zwiebelturm von Energie für den Betrieb der Essen zur Verfü- „St. Laurentius“ ragt nur wenig über die gung. Dies ist bis heute am Landschaftsbild Dachlandschaft hinaus. Ein dichtgeknüpfter ablesbar, da der ursprüngliche standorthei- Biotopverbund, mit seiner Hauptachse als mische Mischwald durch Nadelwald ersetzt Galeriewald an der mäandrierenden Ascha wurde. gut ablesbar, erstreckt sich entlang der Auch heute ist Gaisthal energetisch rechne- Nebenbäche und über die Flurhecken, die risch autark – dank Energieerzeugung aus GAISTHAL teilweise auf Steinriegeln stocken, zu den Holz, Biogas und Wasserkraft. Das Haupt­ Hangwäldern hinauf. Eingestreut sind Einzel- lebensmittel Wasser kann aus den eigenen bäume, Feuchtwiesen, und Quellhänge wie Quellen am Frauenstein und im Rosenhofge- die preisgewürdigte Wiesenknopfwiese mit biet in hoher Qualität gewonnen werden. Bergmolch- und Kreuzotterinventar. Eine sanfte regionale Wertschöpfung erfolgt Ein Alleinstellungsmerkmal besitzt das Land- über einen Erlebnisbauernhof, der Urlaub auf schafts- und Wirtschaftsdenkmal der „Be- dem Hof anbietet und die durch örtliche triebskette Aschatal“, die Zeugnis vom histo- Landwirte betriebene Landschaftspflege. In rischen Eisenerzreichtum dieser Region gibt. der Gaisthaler Brennkammer wird aus den Es liegt in jenem Flussabschnitt, der auf Früchten der Obstbäume Hochprozentiges 4,3 km Länge durch ein enges Waldtal mit destilliert. sprechenden Flurnamen wie Hammerberg, In der Landschaft liegt noch erhebliches Po- Hammerfels und Wasserranken ca. 120 m tenzial für regionale Wertschöpfung aus der Gefälle hinter sich bringt. Das Industriedenk- Landwirtschaft und insbesondere für den mal-Ensemble der Betriebskette von zehn Tourismus. Daher ist für die Landwirtschaft Anlagen erstreckt sich nördlich des Dorfes zur besseren Wertschöpfung eine allmäh­ vom im 15. Jahrhundert gegründeten liche Hinwendung zum EU-zertifizierten Gaisthalerhammer über den Hinteren ökologischen Landbau zu empfehlen. Hammer, Rosenhof, Rosenthal, Muggenthal Die besonderen Stärken der Gaisthaler liegen flussaufwärts bis zum 1387 n. Chr. erstmals im Dreiklang ihrer ausgeprägten Sozialkultur, genannten Schallerhammer. der bäuerlich geprägten, landschaftsgerech- ten Landbewirtschaftung und ihrer land- schaftsökologischen Leistungen. Hohe Aner- kennung verdient Gaisthal für das Bewahren und Entwickeln der Werte und Qualitäten seiner unverwechselbaren oberpfälzischen Kulturlandschaft.

35 GELDERSHEIM

36 GOLD 1. Entwicklungskonzepte und Geldersheim wirtschaftliche Initiativen Gemeinde Geldersheim Die unterfränkische Gemeinde Geldersheim Landkreis Schweinfurt, Unterfranken liegt nur fünf Kilometer von der Stadt Schweinfurt entfernt. Von West nach Ost ver- läuft hier der Euerbach, der ab der Gemar- kungsgrenze „Biegenbach“ genannt wird und der bei Schweinfurt in die Wern mündet. An Geldersheim grenzen die Gemeinden Niederwerrn, Schweinfurt, Bergrheinfeld, Werneck, Wasserlosen und Euerbach. Daher ist es nicht verwunderlich, dass Geldersheim Mitglied der „Interkommunalen Allianz Obe- res Werntal“ ist: eine Arbeitsgemeinschaft von zehn Gemeinden. Ein flächendeckendes Breitbandnetz, welches 2011 auf 50 Mbit/s ausgebaut wurde, kann von allen genutzt Landrat: Florian Töpper werden und so schafft dieses moderne Dorf mit seinen traditionellen Wurzeln den Spagat Bürgermeister: Oliver Brust zur digitalen Welt. Kreisfachberatung für Gartenkultur Das landwirtschaftlich geprägte Geldersheim und Landespflege: Brigitte Goss kann mit der Steigerung der Einwohnerzahl seine Attraktivität beweisen: Zählte Gelders- Einwohnerzahl: 2870 Gemarkungsfläche: 1533 ha heim 1950 noch 1.549 Einwohner, so sind es im Jahr 2015 bereits 2.870 Bürger. Vielleicht Dorferneuerung: ja liegt es daran, dass es in Geldersheim noch Betriebe in der Landwirtschaft Vollerwerbsbetriebe: 9 alles gibt, was gebraucht wird: Ein Allgemein- Nebenerwerbsbetriebe: 9 arzt, ein Zahnarzt, drei Bäckereien, zwei Metz- Betriebe in Industrie und Gewerbe: 25 gereien und weitere Geschäfte finden sich hier. Insgesamt gibt es 25 mittelständische Handwerks-, Handel- und Kleingewerbe­ betriebe, die 295 Dorfbürgern einen Arbeits- platz ermöglichen.

Das erstmalig im Jahr 763 n. Chr. als „Geltresheim – Heim des Gelthari“ urkundlich erwähnte Dorf war bereits zu Zeiten Ottos II. eine kleine Kaiser- pfalz. Das historische Dorf Geldersheim liegt im Landkreis Schweinfurt und bietet für alteingesesse- ne Bürger, aber auch für Neubürger eine Heimat. Die Geldersheimer nennen ihr Dorf im Dialekt lie- bevoll „Galderschum“ – Geldersheim ist für seine Bürger nicht nur ein Dorf, sondern auch ein „Lebensgefühl“. 37 freiwilliger Basis durchgeführt worden sind. So findet man hier erfreulicherweise wieder bedrohte oder seltene Tiere wie beispiels­ weise die Wiesenweihe, den Biber, den Storch oder den Feldhamster. Hier zeigt sich schon, dass Geldersheim auf allen Gebieten – sei es nun die Landschaft, das Bauen, die Digitalisierung, die Brauchtumspfle- ge, das Traditionsbewusstsein oder die Kultur – aktiv und stets auf der Höhe der Zeit ist. Den Geldersheimern ist ihr Dorf wichtig. So arbeiten sie gemeinsam an einem Leitbild, das für sie Orientierung für die künftige Doch auch für die ganz Kleinen ist gesorgt: Dorfentwicklung mit einem behutsamen Das Betreuungsangebot reicht von der Kita Auge auf die Vergangenheit sein soll. Ganz über die Grundschule bis hin zur Mittagsbe- nach dem Motto: „Dorferneuerung mit dem treuung. Für Senioren findet man in Gelders- Bürger für den Bürger.“ heim eine vollstationäre Einrichtung in der Altenpflege, dem Alten- und Pflegeheim „St. Martin“. Wer sich sportlich betätigen will, der ist in Geldersheim am richtigen Ort: Mit vier Kinderspielplätzen, zwei Fußballplätzen, 2. Soziale und kulturelle Aktivitäten einem Beachvolleyballfeld, drei Tennisplät- zen, einer Kegelbahn, zwei Sporthallen, dem Das soziale und kulturelle Leben ist in dieser AOK-Nordic-Walking-Weg oder dem Reit- Gemeinde historisch geprägt und äußert sich platz lässt Geldersheim die Sportherzen höher besonders durch das Altenheim „St. Martin“ schlagen. Auch das gesellschaftliche Leben mit einer kirchlichen Stiftung für den sozialen im Dorf kommt nicht zu kurz: Die 20 Vereine Bereich und die „Gadenanlage“ mit einem haben mit den drei örtlichen Gaststätten eigenen Verein für den kulturellen Bereich. einen Treffpunkt. Hier kann auch übernach- Einen wichtigen Punkt im sozialen Miteinan- tet werden. Für die Zukunft sind in den Gast- der nehmen die Mehrgenerationenhäuser im stätten weitere Fremdenzimmer für die Pilger Ortszentrum ein. Das bürgerliche Engage- am Jakobsweg geplant. ment erkennt man aber auch bei der ehren- Ein weiterer Punkt, der Geldersheim so attraktiv amtlichen Pflege des öffentlichen Grüns. macht, ist die überörtliche Anbindung an die Dass die Geldersheimer ihre Tradition leben, Autobahn A 71 und die damit einhergehende zeigt sich im Tragen von Trachten und der Entlastung des Ortskernes. Weitere überört­ Existenz eines eigenen Gebäudes, in dem die liche Anbindungen sind die ehemalige B 19 Trachten aufbewahrt werden. Damit dieses Würzburg-Bad Neustadt, die Bundesstraße Museum noch mehr Anerkennung erfahren B 303 Rütschenhausen-Schweinfurt und die kann, als es bisher tut, könnten regelmäßige Kreisstraße SW 31 Richtung-Schweinfurt, die Öffnungszeiten eingeführt und in das Touris- einen Segen für das Dorf darstellen. musgeschehen eingebunden werden. Tradi- Mit seinem landschaftlichen Reiz kann Gel- tion, das hat sich auch der „Heimatgeschicht- dersheim dann vollkommen überzeugen. liche Arbeitskreis“ zur Aufgabe gemacht, der Durch Renaturierungsmaßnahmen wurde sich um die Dokumentation der Gelders­ ein naturnaher Lebensraum für Tiere und heimer Geschichte kümmert. So erfährt die Pflanzen umgestaltet, Streuobstwiesen wur- jetzige Generation von ihrer Vorgeschichte. den angelegt und Biotope hervorgebracht. Doch nicht nur die Vergangenheit ist dem Insgesamt wurden somit 32 Hektar Öko-Flä- Dorf wichtig – auch das Jetzt und Hier spielt chen geschaffen, wovon 76 Prozent auf eine wichtige Rolle im Alltag der Bürger. 38 Deswegen wurde das gemeinsame Bürger- Daraus schlossen sich die Umgestaltungs- frühstück an einer langen Tafel eingeführt, maßnahmen im öffentlichen Bereich an. um sich noch besser kennenzulernen. Es wird Zahlreiche Straßenzüge und Freiflächen wur- bestimmt ein Muss für Alle in der Zukunft. den somit mustergültig gestaltet. Hervorzu- Für die Zukunft wird auch im Umgang mit heben ist an dieser Stelle besonders die Asylbewerben soziales Engagement von den Instandsetzung der Kirchenburganlage als Geldersheim gefragt sein. Diese sind in der identitätsstiftendes Element. Von hier entwi- nahegelegenen Kaserne untergebracht. Es ist ckelt sich auch der Generationengedanke mit hier eine wichtige Bürgerpflicht, diese dem barrierefreien Ausbau und der Anlage Menschen in die ehrenamtliche Obhut zu des Seniorenheims in zentraler Lage. Aber nehmen, indem man sie auch in die verschie- auch viele Privatmaßnahmen an Gebäuden denen Ortsvereine integriert. Auch diese in- und Hofräumen wurden vorbildlich umge- tensive Eingliederung wird den zahlreichen setzt. Damals wurde schon Augenmerk auf die Vereinen, die das kulturelle und soziale Reaktivierung der ungenutzten innerörtlichen Geschehen im Dorf widerspiegeln, meistern. Bausubstanz gelegt. Dazu wurden planerisch Das ökumenische Miteinander hängt oft an Haustypologien entwickelt, welche die Um- Einzelpersonen, aber es ist trotzdem ein nutzung der Gebäudesubstanz beispielhaft Wollen der Bürger als Gemeinschaft. vor Augen führen. Beachtenswert ist die inter- kommunale Sichtweise der Aufgabenstellung hinsichtlich der Innenentwicklung. Neuzeitliche Entwicklungen sprechen von einem zusätzlichen Wohngebiet im Süden 3. Baugestaltung und -entwicklung des Ortes. Hier sollte gelten: „Innenentwick- GELDERSHEIM lung vor Außenentwicklung“. Nach wie vor Die Geschichte des Ortes ist in Geldersheim besteht ein großes Potenzial an ungenutzten aus baugestalterischer Sicht sehr gut ables- innerörtlichen Gebäuden. Es gilt, die Verän- bar. Die Kirchenburg, Gadenanlage genannt, derungsbereitschaft der Besitzer zu wecken – mit der stattlichen Pfarrkirche bildet den Aus- es muss ein „Wandel in den Köpfen“ stattfin- gangspunkt der Entwicklung. Die Siedlungs- den. Denn es ist zukunftsweisend, dass die struktur besteht aus einem langgestreckten Immobilie in die Hände der nächsten Genera- Straßendorf mit giebelständigen Häusern tion zu geben ist, damit Chancen für Zuzug von imposanten Dreiseithöfen. oder Wiederkehrer eröffnet werden. Der älte- Geldersheim entwickelt seinen Ort langfristig ren Generation muss hier aktiv ein Angebot und kontinuierlich: Bereits 1987 wurden Ent- unterbreitet werden, um aufzuzeigen, welche wicklungsstrategien mittels Durchführung Alternativen es geben kann: vom Mehrgene- der Dorferneuerung und eines Leitbildes rationenwohnen bis hin zu Seniorenwohn­ erarbeitet. gemeinschaften.

39 Hier sei auch das Leitbild von Geldersheim Der Friedhof wird im Dorf durch eine vorangestellt, „Handle ehe es da ist, lenk es, Schnitthecke eingegrenzt, die durch größer ehe es wirr wird.“ werdende Laubgehölze erweitert werden Die Entwicklung der Gebäudesubstanz kann könnte. Denn diese würden das Raumgefühl sich dann problemlos an den vorhandenen im Friedhof noch mehr verstärken. Nachdem Vorbildern orientieren. Denn es ist wirklich der Wunsch nach Baumbestattungen immer alles an Formen, Materialien und Details größer wird, könnte das Angebot zudem vorhanden, um eine dorfgerechte Entwick- erweitert werden. Beachtenswert ist die der- lung zu gestalten. zeitige Auswahl für die Urnenbestattungen. Sehr ansprechend ist beispielsweise die Bestattung in einer Trockenmauer, doch auch der Wunsch nach einer einfachen Bestattung in einem Rasenfeld wird erfüllt. 4. Grüngestaltung und -entwicklung Eine weitere, ansprechende Grüngestaltung findet man an der Schule: Die Flachdach­ Geldersheim hat sich von einem Ort mit tra- begrünung auf dem Pelletsbunker oder die ditionell landwirtschaftlich geprägter Dorf- Trockenmauern sind hier erwähnt. Auch struktur zu einem ansprechenden Ort mit ei- wenn die große Freifläche im Süden des ner Grünstruktur gewandelt, die im Rahmen Schulgebäudes für Festlichkeiten genutzt der Dorferneuerung aufgewertet wurde. Auf- wird, wären großkronige Bäume als Baum­ fallend sind auch großzügig angelegte reihen entlang der Grundstücksgrenzen von Bauerngärten, die sich im Altort hinter den Vorteil. Gleiches würde sich für die Fläche Gehöften befinden. gegenüber bei der Feuerwehr anbieten. Beeindruckend sind die Gestaltungen man- Entlang der Untertorstraße befindet sich in cher Innenhöfe und der Blumenschmuck an Abschnitten ein breiter Grünstreifen, dort etlichen Häusern, wie zum Beispiel am Rat- stehen kleinkronige Rotdornbäume. Auf län- haus. Die historischen „Gaden“ im Zentrum gere Sicht sollten hier größer werdende Laub- mit den alten Gebäuden und Kellern haben bäume diese ersetzen. Eine Besonderheit im ein besonderes Flair. Unterstützt wird dies Dorf sind die alten „Holunderbäume“ gegen- durch die bestehende Grünstruktur. Rund um über dem Unteren Tor. Ein weiterer idyllischer den Kirchhof befinden sich schöne, prägende Ort ist der Schützengarten: Alte Kastanien Altbäume, die die Hauptstraße begleiten und prägen diesen Garten mit hoher Verweil­ Freiflächen, die mit kleinkronigen Bäumen qualität. nach den Wünschen der Anwohner bepflanzt wurden. Bei Wurzelproblemen sollte die Ver- sorgung mit Wasser oder Dünger helfen.

40 5. Dorf in der Landschaft verknüpft es über neun zusammenhängende Rundtouren mit der Vorrhön. Der Jakobus- Das weiträumige, offene Landschaftsbild er- weg im Oberen Werntal, der durch Gelders- möglicht Blickbeziehungen über große Ent- heim führt, ermöglicht dem ambitionierten fernungen. Der Turm der Gadenkirchenburg Wanderer auf den Spuren der Muschel bis „St. Nikolaus“ mit seiner Welschen Haube und nach Santiago de Compostela zu pilgern. Wer der darauf aufgesetzten Laterne dominiert Besinnlichkeit in der Nähe sucht, ist auf dem den westlichen Teil des Schweinfurter Landes. Bildstockweg richtig unterwegs. Sandsteins- Die Talräume der Wern und des Biegenbaches­ kulpturen in hoher Qualität werden den sind zusammen mit dem länglichen Höhen- Besuchern erläutert. Dieses Angebot führt in zug zum Maintal hin die landschaftsprägen- der Zusammenschau mit dem gemeind­ den Biotopverbundachsen. Auf den trocke- lichen Archäologischen- und einem privaten nen Mainfränkischen Platten werden die gut Bauernmuseum sowie einer heimatkund­ zu bearbeitenden, fruchtbaren Lößböden lichen Sammlung zu einer idealen Vernet- seit der Bandkeramikerzeit intensiv landwirt- zung und Inwertsetzung von Flur, Brauch- schaftlich-ackerbaulich genutzt. Die Weizen­ tum, Bäuerlichkeit und Geschichte. garbe im Gemeindewappen spricht davon. Die Pflege und Entwicklung der umfang­ Die Geldersheimer betreiben seit Jahrzehn- reichen Flächen wird zum Teil durch einen ten eine vorausschauende, ganzheitliche Schäfer betrieben. Die Geldersheimer Pferde Landschaftsentwicklung. Die systematische, fressen Heu, das in den Auen und in der Flur großflächige Revitalisierung der Auen von als Landschaftspflegeprodukt erzeugt wird. Wern, Biegenbach, Euerbach-Röstgraben, Eine Zukunftsaufgabe ist die Umnutzung der

Asbachgraben und am Quaiernest sowie die „Conn-Barracks“, das ehemalige US-Militärge- GELDERSHEIM Anlage von Streuobstwiesen und Baumrei- lände. Es ist den Geldersheimern eine ebenso hen ist in der Flurneuordnung und Dorf­ glückliche Hand wie bei ihren bisherigen erneuerung mit einer weitblickenden Vor- Projekten zu wünschen, um auch hier gemäß standschaft vorbildlich realisiert worden. dem Motto „Tradition und Innovation“ den Damit ist das Dorf auch auf eine klima­ Gleichklang von Ökonomie, Ökologie und wandelbedingte weitere Verschärfung der Sozialem zu erreichen. Trockenheit, sowie der Überschwemmungs- Den Geldersheimern gebührt für ihre ausge- gefahren an Biegenbach und Wern vorbe­ prägte Sozialkultur, ihre zukunftsorientierte reitet. Landschaftsgestaltung, sowie ihre standort- Anbauschwerpunkte in der Region sind gerechte Landnutzung höchste Anerken- Zuckerrübe und Gemüse sowie die Saatgut- nung. Galderschum hat Zukunft! vermehrung. Die „Interkommunale Allianz Oberes Werntal“ ist seit 2014 staatlich aner- kannte Öko-Modellregion. Eine nachhaltige landwirtschaftliche Wertschöpfung in der Nähe zum regionalen Absatzmarkt Schwein- furt und die Förderung der regionalen Identi- tät ist das Ziel. Bereits jetzt gibt es einen jähr- lichen Regionalmarkt. Ein Bauer erzeugt Bio-Holler für Bionade und hält eine Mutter- kuhherde. Für Streuobst, Gemüse und Öko- Getreide aus der Region, die in der Region weiterverarbeitet werden sollen, erwartet man sich wichtige Impulse. Die Geldersheimer Flur ist ein vielfältiges Naherholungsgebiet: Ein gut ausgebautes Radwegenetz erschließt das Werntal und 41 GRABEN

42 BRONZE 1. Entwicklungskonzepte und Graben wirtschaftliche Initiativen Stadt Treuchtlingen Die Einwohner von Graben sind sich ihres his- Landkreis Weißenburg-Gunzenhausen torischen Erbes bewusst. Dies ist nicht nur Mittelfranken sichtbar durch das neue Gerinne entlang des Dorfangers, das im Zuge der Dorferneuerung als Reminiszenz an den vor Jahrzehnten unglücklicherweise zugeschütteten Graben angelegt wurde. Dieser Graben führte durch den Ort und ist wohl auch für den Ortsnamen verantwortlich. Dieses Geschichtsbewusstsein sieht man auch an bemerkenswerten Privatinitiativen, wie beispielsweise am Museum, das in einem alten Stadel untergebracht ist. Die historische Bausubstanz wurde somit sinnvoll umge- nutzt und im Museum werden die neuesten Landrat: Gerhard Wägemann Erkenntnisse der Forschung über die „Fossa Carolina“ dokumentiert und der Öffent­ Bürgermeister: Werner Baum lichkeit zugänglich gemacht. Weitere ehema- Kreisfachberatung für Gartenkultur lige landwirtschaftliche Gebäude und und Landespflege: Carola Simm historische Wohnhäuser wurden erhalten, restauriert und einer neuen Nutzung zu­ Einwohnerzahl: 203 Gemarkungsfläche: 360 ha geführt. Ein herausragendes Beispiel dafür ist das Dorfgemeinschaftshaus, ebenso wie eine Dorferneuerung / Städtebauförderung: ja Reihe von landschaftstypischen Jurahäusern, Betriebe in der Landwirtschaft Vollerwerbsbetriebe: 2 die – sofern sie nicht dauerhaft bewohnt sind Nebenerwerbsbetriebe: 6 – touristisch genutzt werden. Betriebe in Industrie und Gewerbe: 8

Graben beschreibt sich selbst als „ein Dorf mit historischen Wurzeln“. Seine Gründung hat es Karl dem Großen zu verdanken, der auch großes mit dem Dorf vorhatte: Er wollte Altmühl und schwäbi- sche Rezat verbinden. Letztendlich sollte der ge- plante Karlsgraben dann Donau und Rhein verbin- den. Heute ist noch am nördlichen Ortsrand ein Teil des ehemaligen Karlsgrabens vorhanden, der einst als erste Kanalverbindung zwischen den Fluss- systemen der Donau und des Rheins diente und die europäische Wasserscheide überwand. 43 In Graben wurde viel geschafft: Die vor­ Energieversorgung oder auf die künftigen handenen Planungsinstrumente werden Herausforderungen des demographischen verwendet, eine Dorferneuerung wurde Wandels. durchgeführt und es gibt einen Flächennut- zungsplan. Auch bei der Neuplanung eines Wohngebietes wurde über den Bebauungs- plan versucht, den überlieferten Vorgaben gerecht zu werden und die typischen Merk- 2. Soziale und kulturelle Aktivitäten male, der vorherrschenden historischen Hauslandschaften des Jurahauses und des Das Dorf wird bestimmt von einem starken mittelfränkischen Steildachhauses, aufzu- generationenübergreifenden Vereinsleben, nehmen. Dies ist dem Dorf in den Hausmerk- in dem die Landfrauen einen nicht unmaß- malen geglückt. Die Vorgaben sollten aller- geblichen Anteil haben, da sie die Traditio- dings auch ortsplanerisch und strukturell nen vom Spinnen, Backen und vielem mehr Vorbild sein. pflegen und an die Jugend weitergeben. Bei der Versorgung bestehen durch die gerin- Eine historische Scheune in Privatbesitz wur- ge Einwohnerzahl des Ortes Graben Defizite. de als kulturelle Begegnungsstätte ausge- Diese werden größtenteils durch den baut. Dort stellen die Bürger Informationen Hauptort, die benachbarte Stadt Treucht­ zu Forschungsergebnissen des Bayerischen lingen ausgeglichen. Jedoch findet sich auch Landesamtes für Denkmalpflege in Koopera- im Dorf noch ein Gasthaus. Schön wäre es, tion mit den Universitäten Jena und Leipzig wenn die ortsansässigen Landwirte die zum Karlsgraben aus, den sie zu ihrem Direktvermarktung in Graben verstärken „Eigentum“ und Kulturgut gemacht haben. würden. Ebenso wird empfohlen, weitere In Graben begeistert man sich sowieso für die kreative Konzepte zu entwickeln – beispiels- Tradition und die Kultur: Vereine, wie die weise im Hinblick auf eine regenerative historische Böllerschützengruppe oder der 44 3. Baugestaltung und -entwicklung

Giebelständige Dreiseithöfe prägen die Dorf- gestalt entlang der Karlsgrabenstraße, die neu gestaltet den ehemals verrohrten Über- lauf des Karlsgrabens in einem offenen Gerin- ne freigelegt hat. In Graben treffen zwei Hauslandschaften zusammen: Das Jurahaus mit seinem relativ flach geneigten Dach mit der Jurakalkplattendeckung und das fränki- sche Steildachhaus mit der Biberschwanz­ deckung.

Sehr viele Gebäude sind gut gepflegt und GRABEN Karlsgraben-Verein, haben es sich zur Aufga- teilweise mit einer neuen Nutzung versehen. be gemacht, Brauchtum zu pflegen und den Das gebaute Kapital des Dorfes ist erkannt Karlsgraben zu erhalten. Auch die ländliche und seine positive Auswirkung auf sein Gruppe Graben steht für Tradition. Mit alt Umfeld wird deutlich. Eine Scheune wird als herkömmlichen Geräten und Werkzeugen Museum genutzt – sie ist denkmalgerecht der Grasmahd, Heuernte oder des Getreide- saniert und zu einem Dorfgemeinschafts- mähens treten sie bei Festen in traditioneller haus umgenutzt worden. Das ehemalige Arbeitstracht auf. Austragshaus beherbergt nun eine Ferien- Das kirchliche Leben in Graben wird von der wohnung und die ganze Anlage wird mit Einbeziehung der Jugend, den Kindern und nachwachsenden Rohstoffen energetisch dem eigenen Kirchenchor geprägt. Obwohl versorgt. Die anschließende baumüberstan- in der nahegelegenen Kreisstadt Treuchtlin- dene Fläche ist jetzt der zentrale Anger und gen eine Feuerwehr mit allen technischen bei Dorffesten der Mittelpunkt. Möglichkeiten existiert, schafft es die Dorfge- Der gute Umgang mit dem baulichen Erbe meinschaft, eine eigene Stützpunktfeuer- fällt auf und manifestiert sich in den baulich wehr aufrecht zu erhalten. Es zeugt über- kompakt gestalteten Ortseingängen, die haupt von einer aktiven Dorfgemeinschaft, durch gut gestaltete Gebäudekomplexe sich im Sog der Kreisstadt zu behaupten und gekennzeichnet sind. sich eine eigene Identität zu geben: Die Gra- Das neue Baugebiet „Mandlfeld“ mit seinen bener erhalten sich die Traditionsvereine, die Festsetzungen für klare Baukörper zeigt gute in der ehemaligen Weislein-Scheune – dem Ansätze, wie eine historische Bautradition heutigen Dorfgemeinschaftshaus – eine zu- zeitgemäß weiterentwickelt werden kann. kunftsgesicherte Bleibe haben. Und die Dorf- jugend darf zuversichtlich hoffen, dass ihnen der Ausbau des Dachgeschosses für einen Ju- gendraum zugesichert wird. Es wäre schade, wenn der Platz mit der Linde für eine Schlie- ßung einer Baulücke geopfert werden würde. Stolz sind die Grabener Bürger auf die 120-Jahr-Feier in ihrem Dorf. Die gesamte Dorfgemeinschaft hat bei dem Fest mit­ gewirkt und geholfen, damit eine Bilderaus- stellung gelingen kann. Seit der Feier, die in der Hüttinger-Scheune ausgetragen wurde, gibt es dort die Karlsgraben-Ausstellung, die seitdem als örtliches Museum von vielen Touristen besucht wird. 45 Das leerstehende Wohnstallhaus am Dorf­ Vor der Dorfscheune dominieren mächtige anger sollte gehalten und einer Nutzung zu- Linden und Eichen – weitsichtig wurde hier geführt werden. Ebenso könnten einige Hof- trotz des vorhandenen Großgrüns eine zu- flächen noch mehr entsiegelt werden, um sätzliche Kastanie gepflanzt, die den Aufent- selbstverständlichere Übergänge vom priva- haltsbereich bzw. Dorfplatz mit prächtigen ten zum öffentlichen Bereich zu schaffen. Staudenpflanzungen und einer Baumbank vervollständigt. Der Hofraum Minnameyer wird von einer stattlichen Hoflinde beherrscht, die einen Stammdurchmesser von 70-100 cm aufwei- 4. Grüngestaltung und -entwicklung sen kann; dieses Ensemble wird durch gestal- terisch hochwertig verlegtes Jurapflaster, Im Rahmen der Dorferneuerung von Graben Hopfen- und Weinreben oder Blumen- und wurde der historische Karlsgraben als offene Topfkulturen an den Fassaden vervollstän- Wasserführung erlebbar in das Dorfbild auf- digt. Selbst landwirtschaftlich genutzte genommen und prägt heute den grünen Anwesen mit Wildem Wein an der Scheunen- Dorfanger einschließlich Karlsgrabenstraße. fassade, eine Obstwiese sowie eine Hainbu- Dorftypische Staketenzäune grenzen reich- chenhecke zeugen von hoher Grünkultur. lich blühende Gärten und Höfe gegen den Graben verfügt über einen Rasenfriedhof mit öffentlichen Freiraum ab, der von großzügi- intensiv begrünter Einfriedung. Markant ist gen Rasenflächen und Baumpflanzungen in der Fernblick aus dem Friedhof durch ein Ergänzung mit zahlreichen ausgewachsenen „Grüntor in die freie Flur“. Bereits 1987 wurde Baumgrößen durchzogen ist. der Friedhof Grabens als „Grüner Friedhof“ ausgezeichnet – und er hat sich bis heute so gehalten. Mit abgesenkten Einfassungen auf einer Rasenfläche liegen die Gräber, die von einer Friedhofsmauer geschützt werden. Beim Spielplatz, der trotz der Randlage gut angenommen wird, wurde großer Wert auf die landschaftliche Einbindung mit heimi- schen Sträuchern gelegt. Gegen den durch- grünten Altort heben sich der Siedlungs­ bereich, sowie das neue Baugebiet grüngestalterisch deutlich ab. Die jungen Straßenbaumarten im Neubaugebiet sind willkürlich ohne Grünkonzept gewählt. Dem 46 Leitspruch „wenig ist oft mehr“ sollte künftig Hier und da könnte der Ortsrand ein wenig noch mehr Beachtung geschenkt werden. stärker eingegrünt werden, vor allem im Neubaubereich. Das wird den Grabenern bestimmt gelingen, setzen sie doch auf Begrünung viel Wert, wie man an der Ebereschenpflanzung bis zum 5. Dorf in der Landschaft Sportplatz sehen kann. Außerdem wurde eine Lindenallee gepflanzt, sowie Obstbäu- Der Name des Ortes Graben ist Programm: me entlang der Gemeindeverbindungs­ Entsprechend wird die Landschaft um Graben straße. Diese Pflanzungen sollten als Vorbild geprägt von den Auenwiesen der Flussland- für Neubaugebiete genommen werden, schaft, sowie der angrenzenden Hügelland- damit Graben so schön grün bleibt, wie es schaft. Wirft man einen Blick in Richtung jetzt schon ist. GRABEN Südosten, kann der Nagelberg der Fränki- schen Alb gesehen werden. Mit seiner bewal- deten Kuppe und dem Juramagerrasen stellt er eine Erholungsfläche in der Landschaft dar. Lässt man den Blick weiter Richtung Westen schweifen, so fällt einem die Kriegs- gräberstätte auf. Eine Besonderheit in Graben war natürlich der Karlsgraben – der nordöstliche Teil davon ist heute ein Feuchtbiotop. Im Winter finden sich hier viele Eisläufer zusammen, die Spaß auf der rund 400 m langen Eisfläche haben. Weiter herausragend ist in Graben der ent- standene Auen-Erlebnispfad, der sich am westlichen Ortsrand in einer Altwasser- Schleife der Altmühl befindet. Die Kinder Grabens, denen die Natur über den jährlich stattfindenden Auenerlebnistag auf dem Pfad nähergebracht wird, verankern den Naturschutz auch in den Familien. Das wird in der Landschaft durch viele kleine und größere Naturschutzprojekte sichtbar. Erwähnenswert ist auch das Projekt der Katholischen Universität Eichstätt-Ingolstadt: Der Studiengang Geografie hat ein Gelände- modell erstellt, das nach Hochwässern aktua- lisiert wird. Der Erhalt von Überflutungs­ gräben, viele ruhige Wasserarme, Altarme teils vom Biber gestaut, Initialpflanzungen auf Retentionsflächen sowie die Freihaltung vereinzelter Flächen vor Verbuschung bieten den Besuchern immer neue Eindrücke der wunderbaren Landschaft rund um Graben. Hier sollten an besonders schönen Aussichts- punkten mehr Sitzmöglichkeiten geschaffen werden, die ein intensiveres Genießen der Ausblicke in die Landschaft möglich machen. 47 HIRNSBERG

48 GOLD 1. Entwicklungskonzepte und Hirnsberg wirtschaftliche Initiativen Markt Bad Endorf Hirnsberg ist ein kleines Dorf mit gerade Landkreis Rosenheim, Oberbayern einmal 83 Einwohnern. Durch seine Lage kann es einerseits aus einem herrlichen Land- schaftspotenzial schöpfen, andererseits hat es aber auch keinerlei Entwicklungsmöglich- keiten nach außen. Denn der Ort liegt zwischen zwei Landschaftsschutzgebieten. Auf den ersten Blick könnte man so eine Ausgangssituation als Nachteil empfinden. Die Hirnsberger haben es aber geschafft, aus dieser Ausgangssituation einen Vorteil zu machen, indem sie sich vollständig auf die Innenentwicklung ihres Ortes konzentriert haben. So wurden beispielsweise leer ge­ fallene landwirtschaftliche Betriebe in Hand- Landrat: Wolfgang Berthaler werksbetriebe umgenutzt, ohne große sicht- bare Veränderung nach außen. Auch die in Bürgermeisterin: Doris Laban den letzten Jahren im Ort neu errichteten Kreisfachberatung für Gartenkultur Wohnhäuser fügen sich mit ihrer unpräten­ und Landespflege: Harald Lorenz, Josef Stein tiösen, aber durchaus hochwertigen Architektur strukturell und gestalterisch gut in Einwohnerzahl: 83 Gemarkungsfläche: 784 ha den Ort ein. Damit ist das alte Dorfbild so qualitätsvoll erhalten geblieben, dass trotz Dorferneuerung / Städtebauförderung: nein einer vielfältigen handwerklichen Struktur Betriebe in der Landwirtschaft Vollerwerbsbetriebe: 1 sanfter Tourismus mit großem Erfolg betrie- Nebenerwerbsbetriebe: 3 ben werden kann. Betriebe in Industrie und Gewerbe: 12 Im Hinblick auf die Infrastrukturversorgung ist bemerkenswert, dass Hirnsberg sich nicht nur selbst mit erneuerbaren Energien ver- sorgt, sondern diese auch noch für die Um­ gebung bereit stellt. Dies gilt nicht nur für die regenerative Stromversorgung, sondern auch für den Wärmebedarf, der über KWK- Anlagen erzeugt und mit Nahwärmenetzen an die Verbraucher verteilt wird.

Die einstige Burg von Herrantisperch hat Hirnsberg seinen Ortsnamen verliehen. Erwähnt wurde der einstige Burgherr Chono um 1100 n. Chr.. Im Zusammenhang mit diesem war 1150 n. Chr. auch von einer Kirche die Rede. Es war sicherlich nicht die jetzige Kirche „Maria Himmelfahrt“ – aber schon die damalige hatte Bedeutung als Wallfahrts- kirche. Die Hirnsberger sind stolz auf ihre Kirche, aber auch auf ihren Zusammenhalt in der Dorf­ gemeinschaft. 49 Erstaunlich für einen Ort dieser Größe ist eine Verpflichtung ist, sondern auch im Dorf auch die vorhandene Grundversorgung und der Gemeinschaft gelebt wird, zeigt sich durch einen Lebensmittelladen, die Bäckerei, nahezu in jedem Winkel des Ortes. Gemäß die Metzgerei und das Wirtshaus. Das ihrem Motto hält auch schon der ein-gruppi- Kinderhaus in der alten Schule, das auch den ge Land-Kindergarten für zweijährige Kinder benachbarten Ort Pietzing versorgt, macht Plätze bereit und entlastet somit die Eltern. die jugendbetonte Bevölkerungsstruktur Trotz der „Kleinheit“ der Dorfgemeinschaft auch im Ortsbild sichtbar. gibt es ein unfassbar aktives und weltliches Obwohl der Zuzug von außerhalb nicht ein- wie kirchliches Vereinsleben: Viele Feste und geschränkt wird, liegt der Schwerpunkt auf kulturelle Angebote durch die verschiedenen dem Erhalt und der maßvollen Weiterent- Verbände im Jahreslauf gehören zur wicklung der vorhandenen Strukturen. Die Dorftradition, wie beispielsweise der Feld- Basis dafür ist eine intakte Dorfgemeinschaft, gottesdienst, Theateraufführungen, das bei der Zusammenhalt sehr wichtig ist, und Mostfest oder die Fronleichnamsprozession. die bisher alles gut geregelt hat. Das sollte in Ein Jugendchor, der 2007 gegründet wurde Zukunft unbedingt so beibehalten werden. und 18 Mitglieder zählen kann, begleitet und gestaltet die Gottesdienste und Feste mit traditionellen und modernen Liedern übers ganze Jahr verteilt. Ebenso gibt es ein Ferien- programm, aufgestellt, organisiert und 2. Soziale und kulturelle Aktivitäten betreut von den örtlichen Vereinen. Auch Angebote für Senioren sind im Hirnsberg hat sich in seinem Leitbild dazu Jahreskalender zu finden. Und das, was an verpflichtet, „das, was wir haben, schützend Aktivitäten und Programm nicht selbst ange- in die Zukunft zu tragen“. Dass dies nicht nur boten werden kann, wird im Rahmen eines 50 Netzwerks mit anderen Gemeinden ermög- Pfarrhaus, der Kindergarten, das Feuerwehr- licht. Hirnsberg ist ein Dorf der kurzen gerätehaus und die Bücherei stehen für Bau- Wege im bestmöglichen Wortsinn. Entschei- qualität bis ins Baudetail – dafür sprechen dungen werden in einem basisdemokrati- beispielsweise Kastenfenster. schen Prozess von allen Bewohnern gemein- In den vergangenen Jahrzehnten wurden im sam getroffen. Einen „Hot Spot“ bildet hierbei Dorf neun Wohnhäuser neu gebaut, drei der Platz zwischen der Kirche, der Krämer­ weitere als Ersatzbauten. Sie folgen keinem laden, mit einem guten Angebot an Waren Bebauungsplan – die neuen Wohnhäuser des täglichen Bedarfs und den beiden Wirts- halten sich an die bauliche Tradition, setzen häusern. Die vor Ort ansässigen Betriebe bie- diese aber zeitgemäß um und bilden damit ten zudem Arbeits- und Ausbildungsplätze. zu den bestehenden Gebäuden eine über- Durch die wunderschöne Lage am Simssee zeugende bauliche Verwandtschaft. Ebenso können Badebegeisterte hier die unter- ist die Gewerbenutzung intelligent in die schiedlich gestalteten Badeplätze auspro­ landwirtschaftlichen Kubaturen integriert bieren. Für sportliche Aktivitäten ist weiter und garantiert eine gesunde Mischung von mit einem Bolzplatz gesorgt, doch auch das Wohnen und Arbeiten im Dorf. nahegelegene Talkirchen verfügt über einen Offen gestaltete Hofbereiche und selbstver- Sportplatz. ständliche Übergänge in die Landschaft sind Hirnsberg hat sich auf einen erfolgreichen weitere überzeugende Kennzeichen des HIRNSBERG Weg in die Zukunft aufgemacht, ohne die Dorfes. Der verantwortungsvolle Umgang Vergangenheit mit ihren Traditionen aus den mit dem baulichen Kapital ist ein wichtiger Augen zu verlieren. Bestandteil innerhalb der vorhandenen Gesamtqualität. Zäune gibt es im Dorf wenige und wenn, dann zeichnen sie sich durch eine einheit­ liche Zaunkultur aus. Der Dorfplatz vor der 3. Baugestaltung und -entwicklung Kirche wurde mit der Ortsgemeinschaft um- gestaltet. Heute kann man 40000 Bachkugel- Das kleine Dorf über dem Simssee begeistert steine sehen, die einzeln eingepasst und ein- auch mit der baulichen Geschlossenheit. Das geklopft wurden. Doch nicht nur die Dorf wird geprägt durch die großen Wohn- Bachkugelpflasterung besticht durch seine stallhäuser mit ruhigen Dachflächen und klar hohe Qualität, sondern auch der Dorfanger definierten Baukörpern. Das Dorfzentrum trägt mit seinen Obstbäumen zu einer her- mit der Kirche „Maria Himmelfahrt“, dem ausragenden Gesamtansicht des Ortes bei. Gasthaus und dem Kramerladen stellt ein Hirnsberg überzeugt durch seinen überra- maßstäbliches räumliches Miteinander dar. genden Gesamteindruck, der wiederum eine Andere öffentliche Gebäude wie das Selbstverständlichkeit darstellt, wie man sich

51 ländliche Baukultur wünscht. Ziel muss es Obst- und Gartenbauverein verwiesen, der sein, auch in Zukunft diese Qualität zu halten die Grüngestaltung seit Jahrzehnten unter- und fortzuführen. stützt. Fachlich hochwertig ist auch die Pflanzen­ zusammensetzung bei neuen oder jungen Grünanlagen, wie beispielsweise am Kinder- garten, der zusätzlich mit drei individuellen 4. Grüngestaltung und -entwicklung „Hirnsberger Insektenhotels“ vom Obst- und Gartenbauverein und den Kindern ausgestat- Im beschaulichen Hirnsberg beherrschen die tet wurde. Gleich qualitätsvoll sind die Privat- markante Fischereiche am Ortseingang, so- gärten, wie am Dorflädchen oder die lehrrei- wie die Luitpoldlinde am Kindergarten das che Vorgartenbepflanzung des Fischerhofs. Großgrün des kleinen Dorfes. Die Dorfge- Hier erhalten Passanten auf stimmigen meinschaft hat in Eigenleistung im Jahr 2014 Schiefertafeln Informationen über die Stau- Unwetterschäden an der 100-jährigen Linde dennamen bzw. -arten im Vorgarten. Auch und der 250-jährigen Eiche saniert. Beide der Blumen- und Balkonschmuck im Dorf an „Baumveteranen“ sind nach Eigenart und den privaten Häusern ist beachtenswert. Schönheit absolut eines Naturdenkmals wür- Fassaden sind außerdem mit Obstspalieren dig. Die Dorfgemeinschaft hat es verdient, oder Ziergehölzen, wie Kletterrosen, begrünt. dass ihre Baumveteranen Luitpoldlinde und Ebenfalls harmonisch in das Landschaftsbild Fischereiche naturschutzrechtlich als Natur- integriert hat sich das Kirchenumfeld mit re- denkmal gewürdigt werden. gional typischen Materialien. Um naturnahe Charakteristisch sind die zahlreichen erwach- Lebensräume zu fördern, wurden Maßnah- senen Nutz- bzw. Obstgehölze um und in men, wie die Entbuschungen im Thalkirchner ganz Hirnsberg, die ohne Zaun in die freie Moos, ein Krautstreifen entlang der Kreis­ Flur überleiten. Vor 20 Jahren wurden im Dorf straße oder die Blumenwiesen-Heudrusch- um die 35 Obst-Hochstämme gepflanzt – Ansaat auf den öffentlichen Grünflächen um rechnet man die umliegenden Weiler und die die Kirche vorgenommen. Auch in der Grün- freie Landschaft mit ein, finden sich bestimmt gestaltung findet sich wieder das Leitbild der 400 Obstbäume. Diese Obstkulturen reichen Hirnsberger: „das, was wir haben, schützend von Beerensträuchern, Brombeerhecken, in die Zukunft zu tragen“, indem beispiels- vielfältigen Obstarten bis Walnuss, weise Basteltage für Vogelnistkästen und an- Esskastanie und Holzbirne. Auf der Ratzinger dere Bruthilfen mit den Kindern veranstaltet Höhe wurde zudem ein Obst- und Kulturweg werden. geschaffen. An dieser Stelle sei auch auf den

52 5. Dorf in der Landschaft Die beispielhaften Verzahnungen der Wald- ränder mit den Wiesen, die Naturverjüngung Fährt man nach Hirnsberg, ragt die spätgoti- der Wälder mit Tannen und Eiben und die sche Wallfahrtskirche „Maria Himmelfahrt“ angepasste Streunutzung des Thalkirchener 70 Meter über dem Simssee weit in den Mooses belegen dies. Seit 1992 gibt es eine Chiemgau hinaus. Den Turm bewohnen Eigenjagd der Hirnsberger; das Ergebnis ist ca. 40 Dohlenbrutpaare – ein Hinweis, dass in ein stabiler, artenreicher Mischwald und der Hirnsberg ein gutes Miteinander von Mensch, Staatspreis für vorbildliche Waldbewirtschaf- Tier und Landschaft gelebt wird. tung im Jahr 2013. Was macht ein Dorf, dessen Alleinstellungs- Die freilaufende Ache mit ihren Neben­ merkmal ist, dass es kein Gewerbegebiet hat? bächen, die – eine geologische Besonderheit Das Gewerbe wurde qualitätsvoll in die be- – tief in die Molasserücken eingeschnitten stehende Bausubstanz der Weilerstruktur in- sind, sowie die eigene Trinkwasserversor- tegriert und die Landschaft konnte auf dieser gung von der Ratzinger Höhe zeugt von der Grundlage bewahrt und weiterentwickelt Wertschätzung des Schutzgutes Wasser. werden. Das Ergebnis ist eine lebendige, mit Die Wertschöpfung aus der Landschaft führt viel Gefühl gestaltete und vielfältige Kultur- zu vielfältiger Nutzung von Koppeln. Die landschaft zwischen Simssee, Thalkirchener Streu des Thalkirchener- und Seemooses wird Moos, Ratzinger Höhe und Hirnsberger Berg. in Laufställen eingestreut. Diese Nutzung HIRNSBERG Da Obst das Generalthema der Hirnsberger erhält die tier- und pflanzenartenreichen Landschaft ist, begleiten Obstbäume die We- Mooswiesen und bietet Wiesenbrütern ge. Dabei wird gemeideübergreifend mit den Lebensraum. Ein Landwirt betreibt als weite- Nachbarorten Prien und Rimsting zusam- res Standbein eine Obstpresse, in der die mengearbeitet. Der Obst- und Kulturweg mit Früchte verwertet werden. Weitere Bauern 500 Obstbäumen an zwei ausgeschilderten betreiben ein Blockheizkraftwerk, eine Hack- Wanderwegen verbindet die Nachbarn, er- schnitzelanlage für die Nahwärmever­ möglicht eine intensive Obstkunde und führt sorgung im Dorf und eine Biogasanlage. an Kirchen, Kapellen und Feldkreuzen sowie Zukünftig gilt es, die meisterlich entwickelte an der Burgruine des wieder entbuschten Kulturlandschaft zu bewahren und sorgfältig Speckerturms vorbei. weiterzuentwickeln. Hohe Anerkennung ge- Die Behutsamkeit, mit der das Obst gepflegt bührt der Dorfgemeinschaft, die das Kleinod wird, ist auch bei der sonstigen Landnutzung Hirnsberg inmitten seiner Gesamtkunst- zu erkennen. werks-Parklandschaft als bauliches, sozialkul- turelles und ökologisches Gemeinschaftspro- jekt im besten Sinne nachhaltig gestaltet.

53 LAHM / PÜLSDORF

54 BRONZE 1. Entwicklungskonzepte und Lahm / Pülsdorf wirtschaftliche Initiativen Gemeinde Itzgrund Lahm / Pülsdorf gehört zur Gemeinde Itz- Landkreis Coburg, Oberfranken grund und ist die südlichste Ortschaft im Landkreis Coburg. Die Gemeinde grenzt an die Landkreise Bamberg und Lichtenfels sowie an den unterfränkischen Landkreis Hassberge. „Aus zwei mach eins!“, so könnte die Entwicklung der zwei direkt benachbar- ten Orte Lahm und Pülsdorf beschrieben werden: Durch die frühzeitige Erschließung eines Neubaugebietes wurde die Freifläche zwischen Lahm und Pülsdorf fast vollständig geschlossen und so zählt Lahm / Pülsdorf heute 414 Einwohner. Den Mittelpunkt von Lahm bildet das sehens- werte Ensemble Schloss mit Jägerhaus, Landrat: Michael Busch Kirche und See. Die Infrastruktur ist für einen Ort dieser Größe gut ausgebaut, doch leider Bürgermeister: Werner Thomas gibt es keine Gaststätte mehr. Das Vereins- Kreisfachberatung für Gartenkultur heim übernimmt diese „gesellschaftliche und Landespflege: Thomas Neder Aufgabe“ und wird selbst verwaltet und bewirtschaftet. Sandstein, Fachwerk, Schiefer Einwohnerzahl: 414 Gemarkungsfläche: 3300 ha wie auch reichhaltige Putzfassaden mit Gliederungen bilden ein nach Bauepoche Dorferneuerung: ja vielfältiges Ortsbild. Betriebe in der Landwirtschaft Vollerwerbsbetriebe: 4 Ein Breitbandausbau ist geplant und vorsorg- Nebenerwerbsbetriebe: 5 lich wurde bei allen baulichen Maßnahmen Betriebe in Industrie und Gewerbe: 8 der letzten Jahre bereits Leerrohre für eine Glasfaseranbindung in die Häuser mit verlegt. Beflügelt durch die Dorferneuerung haben viele Anwohner ihre privaten Vorgärten und Höfe auf Vordermann gebracht. Es macht Spaß, durch diese Ortschaft zu schlendern und mit dem Blick am Feuerlöschteich ent- lang zum Biberstammtisch zu schweifen:

Im Itzgrund wird der mainfränkische Dialekt „Itz- gründisch“ gesprochen – dies ist ein Ausdruck be- sonderer Heimatverwurzelung. Diese Verbunden- heit zeigt sich ebenso an den im Einklang wirkenden landschaftsökologischen und landwirtschaftlichen Leistungen der Lahmer und Pülsdorfer. Stolz sind sie auch auf die Schlosskirche, die das Wahrzeichen des „Doppeldorfes“ darstellt. 55 Dieser Platz wurde aufgewertet, denn mit der sozialen Leben eine fest verschmolzene Renaturierung des Teiches und weiteren Ge- Einheit bildet, ist nicht zuletzt den Impulsen staltung der Randzonen entsteht hier das zu verdanken, die von der 1225-Jahr-Feier in neue Dorfzentrum von Lahm. Lahm / Püls- der Gemeinde Itzgrund ausgingen. dorf wirkt insgesamt als grünes Dorf. Das soziale und kulturelle Leben wird sehr Die Landschaft ist klein strukturiert und bie- stark vom Angebot der Kirchengemeinde tet beste Voraussetzung für die Vielfalt in der getragen. Der sehr gute Posaunenchor, die wildlebenden Pflanzen- und Tierwelt. Hecken, Jungbläser und der Projektchor sind kirch­ Streuobstreihen oder Blühwiesen wechseln liche Initiativen, die sich aber auch der welt­ sich mit den Ackerflächen ab, bei denen lichen Musik widmen und viele Veranstaltun- erfreulicherweise der Mais keine dominante gen im Dorf umrahmen. So auch das Rolle spielt. Der Obst- und Gartenbauverein Adventsfensterschmücken, welches das ergänzt laufend die Pflanzung der Pappel­ Einheitsgefühl in diesem „Doppelort“ weiter allee, wie zum Beispiel mit Obstbäumen stärkt. entlang des Fahrradweges im Itzgrund. Neubürger fühlen sich sehr wohl, denn sie Die Dorferneuerung Lahm-Pülsdorf-Herreth werden im kulturellen und sozialen Leben wurde im Jahr 2003 angeordnet und bis heu- gut einbezogen. Für Jung und Alt werden aus te konnten etwa 90 Prozent der Maßnahmen der Mitte der Kirchengemeinde zahlreiche realisiert werden. Seit 2008 ist die Gemeinde Veranstaltungen und Aktionen getragen. Das Itzgrund Mitglied der länderübergreifenden Team der kommunalen Jugendarbeit sorgt ILE „Initiative Rodachtal“. In interkommunaler sich um die Schulkind- und Nachmittags­ Zusammenarbeit konnten schon sehr viele betreuung, organisiert ein Ferienprogramm Projekte umgesetzt werden. Zurzeit beschäf- und veranstaltet weitere Initiativen der tigt sich die Gemeinde verstärkt mit den offenen Jugendarbeit. Beim Gartenbauverein Themen Flächenmanagement und Kern­ können Jugendliche Naturkreisläufe in und wegenetz. um den Garten erlernen. Auch im sportlichen Bereich verfügt der Ort über ein gutes Angebot, aus dem die sehr erfolgreiche Kegelabteilung TSV 1961 Lahm herausragt. Bei der Seniorenarbeit sind Hilfen 2. Soziale und kulturelle Aktivitäten als vorbildlich zu nennen, vor allem die von der Dorfgemeinschaft organisierten häusli- Vielen Kulturinteressierten in Franken begeg- chen Hilfen, die bei Bedarf durch die Pflege- net der kleine Ort Lahm im Itzgrund im dienste professionell unterstützt werden und Zusammenhang mit seiner berühmten 1728- dadurch älteren Menschen die Möglichkeit 1732 in Halberstadt gebauten Herbst-Orgel geboten wird, möglichst lange im vertrauten in der ehemaligen Schlosskirche. Außerdem familiären Umfeld zu wohnen. Der große verbindet man sowohl mit dem Ort, als auch Zusammenhalt und die Harmonie der Dorf- mit der Orgel das langjährige Wirken von gemeinschaft Lahm / Pülsdorf sind in allen Johann Lorenz Bach, einem seit 1718 in Lahm Bereichen erlebbar. als Schulhalter und Kantor tätigen Neffen zweiten Grades und Schüler von Johann Sebastian Bach. Noch heute prägt dieses klangschöne Instrument das kulturelle Leben des kleinen Dorfes. In der evangelischen 3. Baugestaltung und -entwicklung Pfarrkirche werden mit der Orgel viele Kon- zerte von der Hochschule für evangelische Ein Schloss – zwei Orte: So beschreibt die Kirchenmusik in Bayreuth organisiert. Dass Dorfgemeinschaft ihre Ortschaften. Lahm der nahe der alten Handelsstraße Nürnberg- entwickelte sich aus einem handwerklich Erfurt gelegene „Doppelort“ heute auch im geprägten Haufendorf heraus mit der 56 Besonderheit der Schlossanlage, welche ver- Raum, die historische Mitte, wurde gestärkt. schiedene Phasen der Entwicklung aufzeigt – Somit ist ein toller Straßenraum entstanden vom ehemaligen Wasserschloss bis hin zur und die Übergänge zu den Hofstellen wurden Barockanlage mit imposantem Kirchenbau. dorfgerecht saniert. Nach umfangreichen Der Ort profitierte von der Durchgangsstraße,­ Entsiegelungsmaßnahmen sind sanfte der sogenannten „Geleitstraße“, die eine Übergänge zu den Gebäuden entstanden, Prägung als Straßendorf aufweist. Es sind hier die Hofräume und die Zugänge zu den immer noch die alten Einzelhandelsstruktu- Gebäuden wurden liebevoll gestaltet, es sind ren wie Bäcker, Metzger oder Handwerker im gelungene Hof- und Scheunengestaltungen Dorfkern vorhanden, welche einen positiven entstanden, einzelne herausragenden Haus- Beitrag zur Lebendigkeit des Ortes beitra- sanierungen und es gibt eine hohe Dichte an gen. Baudetails. Der Gesamteindruck des Dorfes Das Thema der Innenentwicklung ist erkannt überzeugt aufgrund der gestalterischen Ein- und schlägt sich in vorbildlichen Haussanie- heit. Deswegen erhält Lahm / Pülsdorf den rungen nieder, sei es von Zuzüglern als auch Sonderpreis der Bayerischen Architekten- von Einheimischen. Das Gesamtbild beein- kammer für „den Erhalt und die künftige druckt mit dem dorfgerecht instand gesetz- Nutzung der Scheunen“. ten Straßenraum, den Übergängen mit privat Zum Thema der Siedlung ist zu sagen, dass gepflegten Vorbereichen, liebevollen Grün- die Chance besteht, dass sich die beiden maßnahmen in Gärten und Fassaden bis hin Ortsteile über die Siedlung verbinden. Dies zu den charmanten Rückbereichen, welche gelingt durch die Übertragung des Qualitäts- hohen Wohn- und Aufenthaltswert bieten. bewusstseins der beiden Kernorte auf die Die Fassadendetails haben hohen Gestal- Siedlung, hinsichtlich der Ausgestaltung von tungswert, sind fachgerecht umgesetzt und Einfriedungen, Bepflanzungen, Grünstruktu- orientieren sich an den historischen ren und Fassaden. Vorbildern. Weitere Sanierungen sind nach Durch die planerische Begleitung mit gutem diesen Beispielen umzusetzen. vorhandenem Beratungsangebot kann die Pülsdorf hingegen war und ist von der Land- Baugestaltung auf sehr hohem Niveau fort- wirtschaft geprägt. Davon zeugt nach wie vor geführt werden. Ebenso ist eine Leerstands- der zentrale Anger und die giebelständigen börse vorhanden, welche als wichtiges Hofstellen. Im Zuge der Dorferneuerung wur- Instrument der Innenentwicklung dienen LAHM / PÜLSDORF den die Freiräume und die Bausubstanz vor- kann. Ein Qualitätsbewusstsein unabhängig bildlich instand gesetzt. Der öffentliche von der Förderkulisse wird den Ort positiv weiterentwickeln.

57 4. Grüngestaltung und -entwicklung

Durch die Maßnahmen im Rahmen der Dorferneuerung hat der Ort gewonnen: Die Pflanzungen entlang der Dorfstraße sind sehr gelungen und an der Hauptstraße in Lahm fallen die Kletterpflanzen wohltuend auf. Nur dort, wo entsprechende Freiräume in den Vorgärten zu finden sind, sollten Laubbäume gepflanzt werden. Sehr ansprechend gestaltet sind mehrere Innenhofgärten. Kletterpflanzen und Rosen schaffen ein ansprechendes Umfeld. Positiv hervorzuheben ist die geplante Dorferneue- rungsmaßnahme am Eggenbach: Der Bach Sie könnten stilgerecht manche Nadelge­ soll aus seinem Betonkorsett befreit und hölze ersetzen. Ebenfalls sollten auf dem naturnäher gestaltet werden. Für die Kinder Friedhof oder außerhalb der Einfriedung des Ortes wird auch der geplante Wasser- großkronige Laubbäume gesetzt werden. spielplatz ein Anziehungspunkt werden. Dieser soll möglichst naturnah ausgestaltet werden. Ein Kleinod stellt der Garten des OGV Vorsit- zenden dar – vielfältige Pflanzengemein- 5. Dorf in der Landschaft schaften prägen den Garten. Die besondere Liebe gilt dem Obstanbau. Hier werden sogar Der „genius loci“ (lat. der Geist des Dorfes) Jungbäume selbst gezogen und veredelt. nimmt den Betrachter im sanft hügeligen Auch die Kinder der Jugendgruppe des Fränkischen Keuper-Lias-Land gefangen. Gartenbauvereins werden dort an die Natur Schon Gottfried Herder hat an seine Frau herangeführt und lernen zum Beispiel den geschrieben: „Der Itzgrund, dieses bezau- Umgang mit Bienen. Solch eine abwechs- bernde Wiesental, ist die schönste Gegend lungsreiche Gestaltung könnte noch mehr in der Welt!“. Mit Schwung und Gegenschwung, anderen Gärten nachgeahmt werden. Beson- von Ost nach West, entwickelt sich die ders sollten übermäßig versiegelte Flächen harmonische Abfolge der Kulturlandschaft umgestaltet werden. Die Pflanzung von vom Mischwald über flachhängige Ackerflur Obstbäumen oder anderen Laubbäumen hinunter zum offenen grünen Itzgrund und gerade im Neubaugebiet wird empfohlen. im steileren Gegenschwung weiter hinauf mit kleingliedriger Ackerflur zum Wald. In der Mulde des Eggenbaches liegen zwei alte Haufendörfer mit jeweils verschiedenem Charakter. Zum einen das von seinem Barockensemble aus Schloss, stattlicher Kirche mit prägendem Turm, Wirtschaftsge- bäuden und Park und Weiher bestimmte Lahm, das nach Westen seine Schauseite hat. Zum anderen das bäuerliche, noch als ge- schlossener Rundling wahrzunehmende Pülsdorf, das nach außen durch die großen Scheunen sehr eigenständig wirkt. Beide sind durch ein neuentwickeltes Baugebiet zu einem Doppeldorf verbunden worden. Bis 58 auf den südlichen Rand sind die Ortsränder Zwischen Coburg und Baunach ist das Itztal gut eingegrünt. Eine einladende Säulenpap- Flora-Fauna-Habitat- und Vogelschutzgebiet. pelallee verbindet das Dorf mit dem deutlich Es zählt zu den bedeutendsten naturnahen außerhalb liegenden, sandsteinummauerten Flusslandschaften Bayerns. Die von ihrem ga- Friedhof. Hier ist der großformatige barocke lerieartigen Auwald begleitete Itz mäandriert Grabstein eines verunglückten, für hohe in großen Schleifen durch den Grund. Die Herrschaften sechsspännig fahrenden Aue wird bei Hochwasser regelmäßig über- Kutschunternehmers bemerkenswert. schwemmt. Charakteristisch für diese große In den Ackerlagen oberhalb des Dorfes wird Biotopverbundachse sind viele seltene und viel Getreide angebaut und der Futtermais bedrohte Arten. Die Groppe findet in der über das Tier veredelt. Zwei Imker erzeugen fischpassierbaren Itz gute Lebensmöglich­ Honig und sorgen damit für die Bestäubung keiten. Storch, Bläuling, Blaukehlchen, der Obstbäume. Blühstreifen, häufig wegbe- Bekassine, Kiebitz, Nachtigall, Rohrweihe, der gleitendes Streuobst und die Gehölzsäume Helle und der Dunkle Wiesenknopfbläuling am Eggenbach sind kennzeichnend für die sowie der Biber sind Beispiele für den faunis- Flur. Gewässerbegleitstreifen am Eggenbach tischen Reichtum. sollen mit der Dorferneuerung umgesetzt Für eine Fläche von 14,5 km² wurden werden. Entlang der Flurwege wären Gras- FFH-Managementpläne erstellt. In einem und Krautfluren für das Rebhuhn, sowie längeren Prozess mit Runden Tischen und begleitende Gehölze und Baumreihen vielen Gesprächen konnten die naturschutz- wünschenswert. fachlichen, sozialen und ökonomischen Mischwälder aus Eichen, Kiefern und Fichten Belange austariert und ein Ausgleich zwi- mit Niederwaldanteilen stocken auf den schen Gemeinwohl und Privatnutzen erzielt Anhöhen. Rauhfußkauz, Schleiereule und werden. Die Ergebnisse sind mittlerweile Schwarzspecht sind die wertgebenden Vögel akzeptiert. Man hört im Nachhinein, dass bei- dieser Habitate. Das Motto der Waldkoopera- de Seiten viel voneinander gelernt haben. tion ist „Wald vor Wild“. Ein geplantes Wald- Die Landwirte bewirtschaften die artenrei- tauschverfahren soll die Brennholzgewin- chen Grün- und Biotopflächen extensiv und nung und damit die hier noch praktizierte, haben ihre Betriebsabläufe darauf abge- seltene Niederwaldbewirtschaftung erleich- stimmt. tern. Die teilweise gut ausgeprägten Wald- Auch bei den erneuerbaren Energien punktet LAHM / PÜLSDORF ränder und Waldzungen mit ihren mageren das Dorf: Das Holz aus dem Niederwald dient Strukturen bilden vielfältige Übergänge zum dem Hausbrand. Mit 17 Photovoltaikanlagen Offenland. Hier sollten regelmäßige Land- wird Strom für 50 Haushalte erzeugt. Kurz vor schaftspflegemaßnahmen die aufkommen- der Realisierung steht das mit Bürgerbeteili- de Verbuschung verhindern. gung finanzierte Windparkprojekt „Bürger- wald“. Damit erzeugt das Dorf in Zukunft ein Vielfaches seines eigenen Energieverbrauches. Ein alter Fernhandelsweg, die Hohe Straß, führt oberhalb des Flusses durch das Tal. Als dessen moderne Variante ist der Fernrad­ wanderweg von Hamburg nach München anzusehen. Hier und auf den durchwegs aus- geschilderten Wanderwegen ist ruhiges und sportliches Landschaftserleben möglich. Hohe Anerkennung verdienen die Lahmer und Pülsdorfer für das Bewahren und Entwi- ckeln der Werte und Qualitäten ihrer ausge- sprochen harmonischen, bäuerlich gepräg- ten fränkisch-barocken Kulturlandschaft. 59 MEINHEIM

60 GOLD 1. Entwicklungskonzepte und Meinheim wirtschaftliche Initiativen Gemeinde Meinheim, VG Altmühltal Das 567 Einwohner zählende Dorf wurde wie Landkreis Weißenburg-Gunzenhausen, so viele andere Dörfer auch vom Struktur- Mittelfranken wandel mitgerissen und aus dem ehemals ländlich geprägten Bachangerdorf wurde ein Ort mit Siedlungsstruktur und einem Orts- kern. Im Ortsinneren säumen charakteris­ tische Haken- und Dreiseithöfe die Haupt- straße, in erster Linie giebelständige Wohnhäuser mit fränkisch-steilen Sattel­ dächern. Trotz zahlreicher neuerer Wohnhäuser haben sich die historischen Hofstrukturen fast durchgängig erhalten und schenken dem Dorf seinen eigenen Charak- ter. Bei der hohen Denkmaldichte wird von den Bewohnern kulturelles Verantwortungs- Landrat: Gerhard Wägemann gefühl gefordert. Was aber macht dieses Dorf so liebens- und Bürgermeister: Wilfried Cramer lebenswert? Eine Besonderheit des Anger- Kreisfachberatung für Gartenkultur dorfes ist der Mühlbach, der ein einladendes und Landespflege: Carola Simm Flair ausstrahlt. Für die Grundversorgung sind fahrende Händler zuständig, die das Einkau- Einwohnerzahl: 567 Gemarkungsfläche: 1247 ha fen besonders den älteren Mitbürgern erleichtern. Für die Kinder sorgt der örtliche Dorferneuerung / Städtebauförderung: ja Kindergarten, der zwei Gruppen betreut. Betriebe in der Landwirtschaft Vollerwerbsbetriebe: 6 Dort werden auch zweijährige Kinder aufge- Nebenerwerbsbetriebe: 12 nommen, sowie eine Mittags- und Schulbe- Betriebe in Industrie und Gewerbe: 10 treuung angeboten. Die ersten zwei Klassen der Grundschule besuchen die Kinder in Meinheim, danach wechseln sie zur Grund- schule in das benachbarte Dittenheim. Die größeren Schulkinder pendeln mit dem Schulbus in weiterführende Schulen nach Treuchtlingen, Weißenburg oder Gunzen- hausen.

Das Wappen des Dorfes sagt viel über Meinheim aus. Zu sehen ist ein Kirchturm und zwei Linden- blätter, die diesen umrahmen. Es sind die Wahr­ zeichen Meinheims, die das Wappen zieren: Der Kirchturm ist schon von Weitem sichtbar und die Linden stehen für die Vielfalt der Bäume in dieser Gegend. Meinheim hat aber noch mehr zu bieten, was sich im Namen schon selbst versteckt: „Mein Heim“, für jeden Bürger, der hier lebt. 61 Auch Nachhaltigkeit wird in Meinheim groß- 2. Soziale und kulturelle Aktivitäten geschrieben und realisiert: Über 100 Gebäu- de wurden an ein Nahwärmenetz ange- Viel zu tun gibt es auch bei den 25 Vereinen schlossen und die hierfür notwendige und Gruppierungen im Dorf, die bestens auf- Energie wird von zwei der drei örtlichen gestellt sind. Mit ihrem kulturellen, sozialen Biogasanlagen geliefert. Im Zuge des Nahwär- und sportlichen Angebot bieten sie viele menetzausbaus wurde gleichzeitig moderne Veranstaltungen, bei denen jeder aktiv Glasfasertechnik verlegt, um den Meinhei- werden kann, der will. Isolation ist in Mein- mern den Zugang zum schnellen Internet zu heim ein Fremdwort. ermöglichen. Mit den schönen, vielfältigen, historischen Meinheim ist ein Dorf, das sich für die Zu- Trachten halten sie eine alte Kultur aufrecht, kunft viele Ziele vorgenommen hat, wie die die als erneuerte Tracht jetzt wieder großen Belebung des Tanzhauses im Kernort, die Anklang findet. Auch der Breitensport hat Wahrung des Charmes des Dorfcharakters, hier eine lange Tradition. Tischtennis ist ein die fränkische Architektur für Neubauten sehr großer Verein mit zehn Mannschaften, oder die Bewahrung des persönlichen „Dorf- von denen einige in der Bezirksliga spielen. gesichts“ bei technischen Neuerungen. Zudem gehen einmal im Jahr triathlonbe- Man sieht: Hier ist man in Mittelfranken. Das geisterte Frauen und Männer an den Start. alles schreibt sich das sympathische Dörflein Die Jugend kommt in Meinheim aber auch Meinheim auf die Fahne. So ist man für die nicht zu kurz – mit der eigenständigen Zukunft gut gerüstet. Es gibt immer etwas zu Jugendgruppe „Hummelhaus“ glänzt sie mit tun! „Packen wir´s an“ – könnte man meinen, vielen Veranstaltungen und sozialem Enga- wenn man durch diesen netten Ort schlen- gement. Eine weitere Jugendgruppe nennt dert. sich die „Wühlmäuse“ des Garten- und 62 Heimatvereins, die einen eigenen Garten be- 3. Baugestaltung und -entwicklung wirtschaftet und so das Wachsen, das Pflegen und Ernten des Gemüses beobachtet und Meinheim präsentiert sich als historisch lernt. gewachsenes Flussangerdorf. Der sich von Der Kulturverein veranstaltet alle Jahre das West nach Ost erstreckende Straßenraum ist Stoppelfest, zu dem bis zu 5000 Besucher ensemblegeschützt und weist eine hohe erwartet werden. Zwei Chöre übernehmen Dichte an denkmalgeschützter Bausubstanz die musikalische Gestaltung zusammen mit auf. Dies ist eine gute Voraussetzung, um der Schützenkapelle und dem Posaunenchor, bauliche Qualitäten entstehen zu lassen. die auf allen Festlichkeiten vertreten sind. Meinheim betreibt auch weit vorausschauen- Viele Initiativen gehen in Meinheim auch von de Planungsaktivitäten: 1971 wurden die der Kirche aus, wie beispielsweise das Kinder- ersten Bebauungspläne, 1980 die zweite Auf- kochen, Seniorennachmittage, das Frauen- lage und 1986 der Flächennutzungsplan frühstück und das Ferienprogramm. Es sind erstellt. Im Nachgang schloss sich die Dorfer- wunderbare Gelegenheiten miteinander ins neuerung an. Gespräch zu kommen und sich kennenzuler- Hier wurde der Bachlauf dorfgerecht gestal- nen. Ein weiterer beliebter Treffpunkt für die tet, ebenso der Straßenraum entsiegelt und MEINHEIM Meinheimer ist der alte Weiher, in dem man die sanften Übergänge zu den Hofanlagen an heißen Sommertagen herrlich baden und geschaffen. Insgesamt ist ein sehr harmoni- sich abkühlen kann. sches Gesamtbild entstanden. Die öffentli- Die vielen Vereine garantieren ein buntes chen Gebäude sind zum ortsbildprägenden Jahresveranstaltungsprogramm. Nicht weg- Anger gerichtet, die Kirche bildet den Mittel- zudenken sind die beliebten Backkurse und punkt und das weit sichtbare Wahrzeichen Küchlebackabende der Landfrauen oder des Ortes. Einige herausragende Sanierun- deren geschmückter Osterbrunnen. Der gen sind hier in der Ortsmitte zu finden. Garten- und Heimatverein engagiert sich mit Aber auch das Neubaugebiet mit seiner vielen Pflanz- und Pflegeaktionen um den angemessenen Ausdehnung trägt hohe Qua- Erhalt des ländlichen Kulturgutes. litäten des regionalen Baustils in sich. Hier Bei all diesen bürgerschaftlichen Aktivitäten sind vorbildhafte Neubauten entstanden, die stimmt der Satz: „Es sind die Menschen, die Details von Freiraum, Einfriedungen, Bepflan- ihren Ort prägen.“ zungen, Hof- und Gartengestaltung zeigen. Formen, Materialien und Details an Gebäu- den – alles was regionale Baukultur aus- macht, ist zu finden. Vieles deutet darauf hin, dass hier ein Bewusstsein für die Entwicklung von Gebäuden entstanden ist, was letztend- lich auf die ständige planerische Begleitung

63 von Dorferneuerung und Denkmalpflege zu- großkronigen Schattenspendern. Eine Be- rückzuführen ist. sonderheit stellen hier die Maulbeerbäume Das Thema der Innenentwicklung findet sich ganz in der Nähe dar. Diese wurden zur Sei- wieder in einem aktuellen Leitbild aus dem denraupenzucht früher angepflanzt. Durch Jahr 2015. Damit folgt die Gemeinde der eine Pflegeaktion wurden noch vorhandene Empfehlung der Jury des Dorferneuerungs- Altbestände freigelegt und auch neue Bäu- preises auf Bezirksebene nach, den Struktur- me gepflanzt. In der Manufaktur „Gelbe Bürg“, wandel aktiv zu gestalten. „Die Gemeinde bei der Nüsse und Früchte aus der Region zu Meinheim setzt sich das Ziel, bei der künfti- Spezialitäten verarbeitet werden, könnten auch gen Ansiedlung den Fokus mehr auf den be- die Maulbeeren zu kulinarischen­ Besonder­ reits bestehenden Ortskern zu setzen und heiten verarbeitet werden. weniger die Ausdehnung der Siedlungsge- Lässt man den Blick über Meinheim schwei- biete voranzutreiben.“ Damit können Bewoh- fen, ist es durch und durch grün – besonders ner, ob jung oder alt, im Ort gehalten werden. Mit dem Miteinander der Generationen kann der demografische Wandel aktiv umgesetzt werden. Angebote zum barrierefreien Woh- nen lassen neue Chancen eröffnen, Bestands­ immobilien in die nächste Generation zu übergeben. Von der Gemeinde können hier optimale Rahmenbedingungen angeboten werden: Von der Leerstandskartierung, der Bereitstel- lung von Beratungsangeboten bis hin zur direkten Förderung durch Dorferneuerung, Denkmalpflege und Gemeinde selbst.

4. Grüngestaltung und -entwicklung

In seinem Wappen trägt Meinheim Linden- blätter – und das zu Recht. In vielen Berei- chen begegnet man dem Wappenbaum im Dorf, wie die Linden beim Brauereigasthof oder um die Kirche. Auch Obstbestände in den Gärten und im Umland sind zu finden. Das klassische Angerdorf wird geprägt durch den Mühlbach, der statt Leitplanken in wei- ten Bereichen mit einer Hainbuchenhecke eingerahmt und von zahlreichen Bäumen begleitet wird. Schmale Zugänge zum sehr seichten Bach würden Möglichkeiten schaffen, näher an den Bach heranzukom- men, damit Kinder spielen und Erwachsene die Natur beobachten könnten. Ein weiterer begehrter Ort der Naherholung ist der alte Weiher, der im Sommer als Badeweiher genutzt wird. Er ist eingerahmt von 64 fallen hier die ursprünglichen bäuerlichen sich aber auch Camarguepferde und Charo- Gärten auf. Aber auch in den Neubaugebie- laisrinder, die ein Biobauer hält. Sie sind ten zeigt sich eine reichhaltige Eingrünung. besondere, belebende Elemente in der Land- Ein grüner Ort ist auch der Friedhof, mit schaft und leisten einen Ausgleichsbeitrag in seinen großen Bäumen und den in Rasenflä- der intensiven Flur. chen eingebetteten Gräbern. Meinheim ist Eine weitere Besonderheit ist die steinerne ein Dorf mit einer hohen Qualität an Grün- Rinne bei Wolfsbronn, die ein höchst seltenes strukturen – diese könnten auch im Altort Geotop darstellt, das im feinsinnigen Zusam- noch erweitert werden, indem die großen menwirken von Natur und Mensch entstan- Zufahrten zurückgebaut und die entstehen- den ist. In dessen Nähe beim Katzenbrünn- den Freiräume bepflanzt werden. lein kann mit dem naturnahen Umbau der Fichteninseln zu Laubwald die Gesamtwir- kung gesteigert werden. Zudem wird emp- fohlen, das bisher verfolgte, aber noch nicht ausformulierte landschaftliche Leitbild in 5. Dorf in der Landschaft einem Bürgerbeteiligungsprozess zu verschriftlichen und in einem Landschafts- MEINHEIM Wie auf der Bühne eines Amphietheaters konzept und Plan darzustellen. liegt Meinheim am östlichen äußeren „Rieser- Hohe Anerkennung verdienen die Meinhei- Kraterrands“ unterhalb des Hahnenkammes. mer für ihre gut aufeinander abgestimmten Der weithin sichtbare – auch im Wappen ge- landwirtschaftlichen, landschaftsökologi- führte – spitzbehelmte, fast 50 m hohe Kirch- schen und bauleitplanerischen Leistungen, turm von St. Wunibald mit den bunten, die dem Dorf seine gediegene Einfügung in glasierten Ziegeln definiert die Ortsmitte. die Landschaft unterhalb des Hahnenkam- Ein landschaftlicher Dreiklang mit mehr als mes bewahrt haben. 200 m Höhenunterschied von Ost nach West kennzeichnet Meinheims Umfeld. Das wie- senreiche Altmühltal mit den ihm zulaufen- den Mühlbächen bietet 14 Störchen ausrei- chend Futter. Das flachwellige Albvorland mit seinen sehr guten Böden ist intensiv ackerge- nutzt. Der sich steil aufschwingende waldbe- stockte Hahnenkamm wird auf seinen flacher geneigten, kargeren Böden extensiv bewirt- schaftet. Die Wertschätzung dieser Kultur- landschaft zeigt sich in einer standorts- und landschaftsgerechten landwirtschaftlichen und landschaftspflegerischen Inwertsetzung. Der Ressource Wasser wird von der Dorfge- meinschaft besondere Wertschätzung ent­ gegengebracht. Es ist für sie wichtig, dass ihr Hauptlebensmittel in hoher Qualität aus der Roten- und der Welsch-Quelle gewonnen werden kann. Die Verläufe der beiden Mühlbäche sind durch ihre Gehölzsäume gut ablesbar. Zu- sammen mit Ahornbaumreihen, Flurhecken, und wegbegleitenden Obstbäumen formen sie einen Biotopverbund, der Fledermaus­ ansprüche gut erfüllt. In Meinheim finden 65 MOOSDORF

66 SILBER 1. Entwicklungskonzepte und Moosdorf wirtschaftliche Initiativen Stadt Waldmünchen Für Moosdorf als kleinem Ortsteil mit nur Landkreis Cham;, Oberpfalz 70 Einwohnern werden viele Versorgungs- funktionen vom nur drei km entfernten und infrastrukturell sehr gut ausgestatteten Hauptort Waldmünchen übernommen. Des- halb gibt es auch keine institutionellen Ent- wicklungsplanungen und auch keine Orts­ erweiterungen durch Siedlungs- und Gewerbegebiete, was für die Lage und die Größe des Ortes auch unangemessen wäre. Die wesentlichen Belange darüber hinaus regelt die Dorfgemeinschaft selbst. So gibt es zwar kein offizielles Leerstandsmanagement; die Vergangenheit hat aber gezeigt, dass leerstehende Gebäude an interessierte Dorf- Landrat: Franz Löffler bewohner weiterverkauft werden und von diesen – anstelle eines Neubaus – renoviert Bürgermeister: Markus Ackermann und weiter genutzt werden. Möglich ist dies Kreisfachberatung für Gartenkultur durch den guten Zusammenhalt der Bevöl- und Landespflege: Renate Mühlbauer kerung am Ort und einen ganzheitlichen Blick auf das Dorf, ohne den sonst oft im Einwohnerzahl: 70 Gemarkungsfläche: 90 ha Vordergrund stehenden Eigennutz. Hervorzuheben ist ein innovativer Betrieb, Dorferneuerung / Städtebauförderung: nein der Biomüll verarbeitet und aus Gründen des Betriebe in der Landwirtschaft Vollerwerbsbetriebe: 1 Immissionsschutzes außerhalb des Ortsbe- Nebenerwerbsbetriebe: 3 reiches situiert ist, aber dennoch das gesam- Betriebe in Industrie und Gewerbe: 5 te Dorf mit Wärme und Strom versorgt und Arbeitsplätze bereitstellt. Das innovative Konzept, eine Biogasanlage mit Abfällen zu betreiben, das erzeugte Gas mittels einer Leitung in den Ort zu führen und damit ein wärmegeführtes Blockheizkraftwerk zu betreiben, das den ganzen Ort beheizt, sollte Vorbildfunktion für andere Orte mit ähnlichen Potenzialen haben. „Eine Kapelle in Moosdorf steht, sie ruft die Men- schen zum Gebet. Mit allem was unser Herz berührt, dürfen wir zu dir kommen, mit Danken, Lobpreis und Bitten werden wir von Gott angenom- men. Maria Magdalena, beschütze unser Dorf. Maria Magdalena, sei nahe diesem Ort.“ Und die Schutzpatronin der Kapelle ist diesem Ort sehr nahe – die Magdalenenkapelle stellt den Mittel- punkt Moosdorfs dar und gleich daneben fließt das nächste „Wahrzeichen“ dieses Orts vorbei: Der Moosbach, der sich auch bei den folgenden Punkten „durchzieht“. 67 In Moosdorf wurde durch Eigeninitiative ein- Das moderne Leben findet in der nahe zelner, sowie der Dorfgemeinschaft vieles gelegenen Stadt Waldmünchen statt, wo die erreicht. Trotzdem wäre es für die Weiterent- Nahversorgung, Schulen und sonstige wicklung sinnvoll, Beratung von außen in Einrichtungen vorhanden sind. Anspruch zu nehmen, beispielsweise im Ein Wechsel von Moderne und Tradition wird Hinblick auf die zeitgemäße Gestaltung des hier gelebt. So besinnt man sich wieder auf Ortsbildes abgeleitet von der historischen das alte Brauchtum zurück, indem wieder die Hauslandschaft oder in Bezug auf weitere Hausnamen neben die Familiennamen an wirtschaftliche Entwicklungsmöglichkeiten, den Häusern angebracht werden. Dies zeugt wie beispielsweise die Reaktivierung des auch vom Gemeinschaftssinn im Dorf. Zu ge- sanften Tourismus. meinsamen Diskussionen und Feiern treffen sich alle in einer Hütte am Ende des Dorfes mit einem runden Tisch. Ein weiterer Lebens- mittelpunkt ist die selbsterbaute Kapelle „Hl. Magdalena“ am Bach, direkt am Dorfein- 2. Soziale und kulturelle Aktivitäten gang gelegen, in der viele kirchliche und weltliche Feste mit der Dorfgemeinschaft „Die Bewohner dieses Dorfes sind eine gefeiert werden. Jedes Jahr wird zum Beispiel Familie“. Mit diesem Satz lässt sich das soziale die Dankandacht zum Gedenken der Heili- und kulturelle Leben kurz zusammenfassen. gen Magdalena beim Marterl am Berg über Hier seine Kindheit zu erleben ist ein Traum. Moosdorf gefeiert. Danach ziehen die Moos- Ein ungezwungenes Miteinander und Fürein- dorfer zur Kapelle, wo das gemütliche ander prägt die eingeschworene Dorf­ Beisammensein im Vordergrund steht. Leider gemeinschaft, weg von aller Hektik und dem kommt somit die Linde im Zentrum des Trubel. Die Kinder leben auf und neben der Dorfes nicht mehr zu ihrer wichtigen Bedeu- Straße, im und am Bach. Ein großer Stadel mit tung einer „Dorflinde“. Puppenküche, Kaufladen und anderem Neben dem Kapellenbau- und Dorfverein historischen Spielzeug aus Großmutters Zeit Moosdorf engagieren sich alle Moosdorfer ersetzt den Kindergarten und jeder passt auf für ihr Dorf. Die meisten von ihnen sind in jeden auf, teilt seine Sorgen und Nöte und Vereinen, wie dem Landfrauenchor, der Jagd- freut und feiert gemeinschaftlich – und doch genossenschaft oder der Wasserwacht. Dies hat jeder sein eigenes Reich. fördert den Zusammenhalt der Dorfgemein- Kultur äußert sich in der Wertschätzung von schaft und zeigt, dass sich jeder noch so alten Materialien, die mit einer Selbstver- kleine Ort für die Öffentlichkeit stark machen ständlichkeit auch von der jüngeren Genera- kann. tion übernommen werden. Trotzdem ist man hier auch dem Modernen aufgeschlossen:

3. Baugestaltung und -entwicklung

Das baulich kompakte Straßendorf hat seine historisch gewachsene Struktur überwie- gend beibehalten. Geringer Siedlungsdruck und einige Ersatzbauten sind für diese Ent- wicklung verantwortlich. In Moosdorf zeigt sich der bewusste Umgang mit der Bau­ substanz in der Materialwahl und der Schaffung neuer räumlicher Qualität. Die typische Ausbildung der Holzverschalungen 68 trägt ebenfalls zur baulichen Identität bei Gemeinsame Aktionen zur Errichtung öffent- und die vielfältigen fußläufigen Wege­ licher Gebäude, wie das Buswartehäuschen beziehungen ermöglichen ein attraktives oder die Magdalenenkapelle, stehen für die Dorferlebnis. intakte Dorfgemeinschaft. Die Gestaltung im Auch bei den Wohnhäusern wurde auf das Umfeld der Kapelle im Bereich der Frei­ verantwortungsvolles Material Holz gesetzt. flächengestaltung und des Bachlaufes unter- Holzbalken oder Dachziegel prägen das Bild, streichen den Willen der Bevölkerung für ein offen gestaltete Hofbereiche und selbstver- lebenswertes Umfeld. Beim Bau der Kapelle ständliche Übergänge zwischen privaten wurde auch sehr viel Kreativität und Innova­ und öffentlichen Raum verstärken den dörf­ tion bewiesen: Beim Bau wurde die Vision der lichen Charakter von Moosdorf. Eine einheit- vier Elemente verwirklicht. Das Element Erde liche Zaunkultur aus Holz oder mit viel Grün zeichnet sich durch die Belassenheit der versehen, zeichnet eine Gesamtqualität aus. ursprünglichen Form des Geländes auf der Empfehlenswert wäre die Verbesserung der südwestlichen Seite der Kapelle aus. Durch Baugestalt einiger Anwesen im Fassaden­ eine Feuerstelle mit Grillplatz wurde das bereich im Rahmen einer langfristigen Bau- Element Feuer verwirklicht. Die blauen Glas- beratung, um auch für die Zukunft die Bau- fenster spiegeln das Element Wasser wieder gestalt sowohl der bestehenden, als auch der und durch ihre Form werden sie dem Element MOOSDORF neuen Gebäude dauerhaft zu sichern. Luft gerecht. Geprägt wird Moosdorf auch durch viele landwirtschaftliche Nebengebäude, wie Scheunen und ehemalige Ställe, die manch- mal eine neue Funktion erhalten, wie zum Beispiel für eine zentrale Energieversorgung des Ortes. Das Thema Leerstand ist in vielen Dörfern ein Problem – nicht so in Moosdorf! Es gibt nur ein einziges Wohnstallhaus, das leer ist. Doch schon bald soll auch dieser Leer- stand behoben werden.

69 4. Grüngestaltung und -entwicklung Der Moosbach durchfließt den ganzen Ort zu einem Großteil durch private Gärten, in Der Gemeinschaftssinn des Dorfes ist auch in denen das Element Fließgewässer gerne und der Grüngestaltung zu spüren. Nach der naturbedacht in die Gartengestaltung inte­ Einwohnerstatistik wird die Grünstruktur in griert wurde. Beneidenswert gut wurde der Moosdorf von 140 „Grünen Daumen“ ent­ Moosbach mit Tritt- und Stufensteinen um wickelt und unterhalten. Das Ergebnis ist die Magdalenenkapelle erlebbar gestaltet. „klein aber fein“ – ein Bilderbuchdorf. Bewusst wurde der Bach in die Konstruktion Unter fachkundiger Anleitung wurde über der Kapelle eingebaut, damit auch er für das Jahrzehnte ein Anwesen nach dem andern Element Wasser stehen könnte. Dieser Ur- durch Rückbau von Hofzufahrten und Ein- bach wurde in seiner ursprünglichen Form bringen geeigneter artenreicher Pflanzenzu- belassen und zieht sich durch das ganze Dorf sammenstellungen aufgewertet. In ehren- wie ein roter Faden – bis heute hat er das amtlicher Tätigkeit hat die Bevölkerung in ganze Dorf begleitet und schon vielen nahezu allen Höfen und Zufahrten das Ober- Kindern zum Spielen gedient. Denn Moos- pfälzer Pflasterhandwerk eingebracht und dorf verfügt über keinen öffentlichen Kinder- das Gesamterscheinungsbild des Dorfes spielplatz – dies ist aber auch nicht erforder- gestaltet. lich, da die natürlichen Gegebenheiten der Schon vor Jahren wurde am Dorfanfang ein Kulturlandschaft, wie eben der Moosbach, Baumtor durch zwei Spitzahornbäume viele Wiesen, Wälder sowie die zahlreichen geschaffen und entlang der Dorfstraße eine Fischweiher die Fantasie und den Forschungs- freiraumprägende Obstbaumreihe gepflanzt, drang spielender Kinder inspiriert. Darüber die heute im besten Alter auf Grund der hinaus können alle Kinder in Moosdorf einen fachmännischen Erziehung gute Erträge ver- privaten Spielplatz aufsuchen oder die spricht. private Spielscheune, die eine Besonderheit darstellt und nicht alltäglich ist.

70 5. Dorf in der Landschaft Und Moosdorf plant noch weitere Maßnah- men, damit Besucher das Dorf noch besser „In einem Tal gleich unterm Böhmerwald, erkunden können: Die Zukunftsvision von dort wo ein kleines Bacherl rinnt, einem barrierefreien Naturlehrpfad wäre eine macht der Wanderer gerne Rast, Bereicherung für das Dorf. Der Gedanke weil ihm bei seinem Aufenthalt hierzu kam, da man den Menschen die ganz Moosdorf glei von Herzen gfallt.“ Artenvielfalt der Pflanzen, die Sträucher und Kleinbiotope in und um Moosdorf herum Dieser Auszug aus der Festschrift zur Einwei- näher bringen möchte. Das Projekt sollte hung der Dorfkapelle beschreibt trefflich die besonders um die naturnahe Teichlandschaft Landschaft von Moosdorf. Der Blick über das nördlich von Moosdorf realistiert werden, da Dorf von der Senke aus lässt einen erkennen, sie mit einer entsprechenden Wege­ dass Moosdorf von vielen Bäumen und Grün- gestaltung barrierefrei eingerichtet werden flächen umgeben ist, die man erkunden könnte. möchte. Mit dieser Aktion würde das Dorf ganz im Auf der Entdeckungsreise am Moosbach an- Sinne des Wettbewerbs noch schöner wer- gefangen, der sich durch das ganze Dorf den – doch bei solch einem großen Projekt schlängelt, liegen Feuchtwälder, Nasswiesen, bedarf es nicht nur der „kleinen, aber feinen“ MOOSDORF Extensivwiesen, Hochstauden- und Streuwie- Dorfgemeinschaft, sondern auch der Unter- senbereiche, sowie Begleitgehölze. Auch stützung von Fachleuten und der Politik. Den einen Felsenkeller kann man hier finden – Moosdorfern ist an dieser Stelle viel Erfolg den „Feichtnkeller“, der im Bericht „Die und Glück dafür zu wünschen, damit Beckenhöhle“ erwähnt wird. Die Idee, den Besucher die Schönheit der Landschaft mit bestehenden Felsenkeller zu einem geeigne- allen Sinnen wahrnehmen können. ten Winterquartier für Fledermäuse herzu- richten, ist großartig.

71 NEUDROSSENFELD

72 SILBER 1. Entwicklungskonzepte und Neudrossenfeld wirtschaftliche Initiativen Gemeinde Neudrossenfeld Neudrossenfeld hat eine sehr gut ausge­­ Landkreis Kulmbach, Oberfranken baute Infrastruktur: Zusammen mit dem Ort Altdrossenfeld bildet das Dorf den Kern der Gemeinde. Alt- und Neudrossenfeld sind durch den Roten Main getrennt. In Neudros- senfeld selbst gibt es aber alles, was man zum Leben braucht. Bemerkenswert ist das Schulzentrum mit Ganztagesbetreuung. Diese Betreuung wird durch die architek­ tonisch bemerkenswerte Mensa nach außen sichtbar. Das Vorhandene ist im Dorf planerisch gesichert und für die weitere Entwicklung wurden kommunale Konzepte ausgearbei- tet, wie beispielsweise der Flächennutzungs- Landrat: Klaus Peter Söllner plan mit digitalem Landschaftsplan, ein Gewässerentwicklungsplan, eine Gestal- Bürgermeister: Harald Hübner tungssatzung, zusätzliche örtliche Bauvor- Kreisfachberatung für Gartenkultur schriften, Bauleitpläne und ein kommunales und Landespflege: Friedhelm Haun Geoinformationssystem. Die Neudrossenfelder versuchen aber nicht Einwohnerzahl: 3834 Gemarkungsfläche: 511 ha nur die Pflicht abzuarbeiten, sondern auch die Kür – sie wollen auch einen hohen An- Städtebauförderung: ja spruch an Qualität verwirklichen und diesen Betriebe in der Landwirtschaft Vollerwerbsbetriebe: 3 nicht nur erhalten, sondern auch weiter aus- Nebenerwerbsbetriebe: 3 bauen. Voraussetzung dafür sind ein gutes Betriebe in Industrie und Gewerbe: 28 wirtschaftliches Fundament, entsprechende Betriebe und auch eine gesicherte Versor- gung, unterstützt durch private Initiativen und die Gemeinde. Wünschenswert wäre es, zusätzlich zu den vorhandenen Versorgungs- und öffentlichen Einrichtungen wieder eine Lebensmittelversorgung in den Ortskern zu bringen. Ebenso wäre ein energetisches

Ein Gespür für die Natur in einer besonderen Weise – das beweist Neudrossenfeld mit seinem Linden- baum-Museum in der Ortsmitte, eingebettet zwi- schen Schloss, der Kirche und dem historischen Brauereigasthof. Sowohl die Entstehung, als auch die Verbreitung und der Umgang mit den Bäumen werden hier deutlich. Vor dem Museum kann man den richtigen Umgang mit Bäumen dann auch im Dorf sehen: Eine 350 Jahre alte Tanzlinde ist am Hang oberhalb des Maintals zu bewundern. 73 Gesamtkonzept für die Gemeinde nützlich, einem touristischen Anziehungspunkt wer- das auch die Möglichkeiten der regenera­ den und zur weiteren Entwicklung positiv tiven Energieerzeugung nutzen würde. Die beitragen. Ansätze mit gasbetriebenen BHKW könnten an dieser Stelle ausgebaut werden. Sehr geschätzt wird in Neudrossenfeld das historische Erbe. So bemüht sich die Gemein- de zusammen mit Vereinen und Bürgern um 2. Soziale und kulturelle Aktivitäten eine intensive Innenentwicklung mit Unter- stützung der Städtebauförderung. Die Erfol- Sportliche Aktivitäten werden in Neudros- ge sind bereits deutlich sichtbar: Neben mit senfeld großgeschrieben und sind ein Bei- neuen Nutzungen reaktivierten Stadeln und spiel für alle anderen Vereine. Die sportlich der Sanierung vieler historischer Gebäude ausgerichteten Vereine haben eines gemein- müssen hier das Schloss und das sogenannte sam: Sie engagieren sich nicht nur für ge­ „Bräuwerck“ als herausragende Beispiele sunde Menschen, sondern bieten auch genannt werden. Die alten Gasthausgebäude unterschiedliche Therapieformen für psycho- konnten durch die Initiative der Gemeinde somatische Jugendliche und herzkranke und zahlreicher Partner vor dem Verfall Menschen an. Hier kommt zum Ausdruck, gerettet, mit hoher architektonischer Quali- dass die anderen Vereine sich neu aufstellen tät saniert und revitalisiert werden. Sie wer- müssen, um den Mitgliederschwund aufzu- den von einer „Bürger-Aktien-Gesellschaft“ fangen. Einen guten Weg geht hier der betrieben. Am Hang über dem Roten Main Geflügel- und Kaninchenzuchtverein, der ein wurde die Baugruppe mit einem architekto- eigenes Jugendhaus zur Verfügung gestellt nisch gelungenen zeitgemäßen Infopavillon bekommen hat und damit den Kinder seinen ergänzt. So kann das Schlossensemble zu Vereinszweck näher bringen kann.

74 Ein besonderes Augenmerk ist auch auf die Kontrast, der sich gegenseitig steigert. Land- Kirchengemeinde zu richten mit der wunder- wirtschaftliche Nebengebäude werden sinn- schönen Dreifaltigkeitskirche, die zu den voll umgenutzt, wie das Beispiel der Gemein- schönsten Markgrafenkirchen gehört, und schaftsobstpresse zeigt. dem Evang.-Luth. Pfarramt. In dieser Gemein- Die Erweiterungsbauten im Bereich der de werden viele Probleme und Sorgen, die Grund- und Mittelschule in Form von Mensa die Jugendlichen bewegen, erkannt und Hil- und Kindergarten zeugen von der Bereit- festellungen für sie angeboten. Hierzu wurde schaft, gute neue Architektur zu schaffen. An extra ein Jugendreferent, der vom Verein diesen Bauten sieht man auch, dass die kirchliche Kinder- und Jugendarbeit e. V. Neudrossenfelder auf die Holzbauweise Wert finanziert wird, eingestellt. Die ist nur mög- legen. Der Kindergarten „Kunterbunt“, die lich, weil der Bevölkerung dies auch wichtig Kinderkrippe und die Mensa wurden über- ist und sie sich hierfür auch über Sponsoring wiegend in dieser Bauweise erstellt. Sowohl die nötigen finanziellen Mittel zur Verfügung der Kindergarten, als auch die Mensa werden stellt. Die lebendige Kirchengemeinde unter- zudem mit einem Luftbrunnen belüftet. Die nimmt deswegen auch viel: Gottesdienste, moderne, mit hochwärmedämmendem Glas Kinderchöre, Jungschargruppen, oder Zelt­ ausgeführte Pfostenriegelkon­struktion der lager stehen hier im Kalender. Auch aktive Mensa erlaubt die passive Nutzung der Asylpolitik wird vor allem in der Kirchenge- Sonnenenergie und schafft somit helle, meinde betrieben, wie beispielsweise die ansprechende Räume. Kleider- und Möbelkammer. Im Neudrossenfelder Siedlungsgebiet ist ein Eine wichtige völkerübergreifende Aktivität kleiner Teil in verdichteter Wohnform gestal- sind die mehrtägigen Europatage mit kultur- tet und trägt so zum Flächensparen bei. Ein übergreifenden Veranstaltungen, bei denen neuer Gewerbebau im Anschluss zeigt eben- die Jugend integriert ist. Ein äußeres Zeichen falls Gestaltungsqualität und zeugt von der intakten Dorfgemeinschaft ist auch das alljährliche Osterschmücken der drei von ins- gesamt sechs Brunnen im Dorf. Da die Kom- mune tatkräftig und finanziell den Vereinen unter die Arme greift, ist es möglich, mit ver- NEUDROSSENFELD hältnismäßig wenig Eigenengagement vieles zu erreichen.

3. Baugestaltung und -entwicklung

Der Altort Neudrossenfelds wird auch heute noch in seiner historischen Mitte durch die Schlossanlage, die Markgrafenkirche und das Pfarrhaus geprägt. Die reizvollen Terrassen- gärten setzen diese gebaute Qualität in den Landschaftsraum fort. Viele historische Gebäude und die öffentlichen Räume um Kirche, Schloss und Brauerei wurden mit Hilfe der Städtebauförderung sensibel neu gestaltet. Ebenso bildet die Sanierung des Brauereige- ländes mit „Bräuwerck“ und dem Erbauen neuer Architekturelemente einen starken 75 einem gewissen Planungsaufwand. Insge- samt ist eine Wertschätzung für vorausschau- ende Planung vorhanden, was sich an lang- fristigen Flächennutzungsplänen zeigt. Da die Topographie den Ort prägt, sollte in Zukunft auf die Einbindung des neuen Seniorenwohnheims in das Gelände großen Wert gelegt werden. Neudrossenfeld über- zeugt aber auch mit der wertvollen, regiona- len Hauslandschaft. Deswegen bietet es sich an, die Dachformen im neuesten Baugebiet diesen anzugleichen.

4. Grüngestaltung und -entwicklung

Vor ca. 20 Jahren wurde im Ortsteil Altdros- senfeld der Grundstein für eine zielführende Ortsstraßenraumgestaltung gelegt – heute kann man sich an der Raumwirkung der damals angelegten Lindenallee erfreuen, die zu einem prächtigen Gründach heran­ gewachsen ist. Künftige Generationen profi- tieren hier vom weitsichtigen Denken und Handeln früherer Entscheidungsträger und können sich diese als Vorbilder nehmen. Diese grüngestalterische Konzeption hält an und wird auch in Neudrossenfeld konsequent unter fachlicher Beratung fortgeführt. So einer Kunstrasenfläche orientiert sich am werden Neubaugebiete gegen die freie Land- Golfspiel und ist „immer grün“. schaft mit heimischen Gehölzen harmonisch Von den öffentlichen Einrichtungen ist das eingegrünt. grüne Umfeld des Rathauses mit Dienstleis- Im Lerchenfeld sind Anpflanzungen von tungszentrum besonders hervorzuheben: Obstbäumen im öffentlichen Straßenraum Auf der einen Seite überzeugt es mit einem erfolgt, sodass die örtlichen Bewohner auch einladenden Rundbrunnen, Rosenbeeten in den Genuss verschiedener Obstarten bzw. und gesundem Apfeldorn, auf der anderen Baumfrüchte kommen. Auch schreckt die Seite versteckt es die Besucherparkplätze in Neudrossenfelder Politik nicht vor Reglemen- kleinen, grünen Nischen. tierung zurück und hat Gestaltungsvorschrif- Die „Gute Stube“ liegt in der Dorfmitte vor ten zu privaten Einfriedungen und Grün- dem historischen Schloss, der Dreifaltigkeits- strukturen in Bebauungsplänen erlassen. Kirche und dem jungen Europäischen Skulp- Die Freianlagen der Friedrich von Ellrodt turen Garten. Hier bedarf es der fachlichen Schule bieten den Besuchern eine Vielzahl an Beratung, um die „trauernde oder hungern- Pausenaktivitäten oder Erlebnissen im Grü- de“ Linde im Ortskern zu vitalisieren. Ähn­ nen. Diese reichen vom „Grünen Klassen­ licher Beratungsbedarf zur Verbesserung der zimmer“, über einen Spielhügel bis zum Grünstruktur besteht für den offenporigen Wasser­erlebnis zwischen naturnahen An- Parkplatz am Ortsrand an, was den engagier- pflanzungen. Das neueste Pausenangebot ten Neudrossenfeldern bestimmt gelingt. 76 5. Dorf in der Landschaft in vier Teilgebiete in Form eines Kreuzes. Aus ökologischer Sicht stellt dies für viele Klein­ Es hieß vor langer, langer Zeit: Es war ein lebewesen das „Kreuz des Todes“ dar: Viele armes Lehensdorf… So arm das Dorf Habitate werden von den Verkehrsadern vielleicht einmal gewesen sein mag, so reich durchtrennt und unpassierbar gemacht. beschenkt darf es sich heute in Bezug auf Andererseits hat Neudrossenfeld dank hoher sein schönes Umland fühlen. In den Mainau- Ausgleichszahlungen und der Umsetzung en mit seinen extensiven Wiesen ist das Reb- des Landschaftsplanes viele neue Hecken, huhn zu Hause, Störche haben bereits seit Streuobstflächen und auch Straßenbegleit- 1978 wieder eine Heimat im Umland von grün zusätzlich erhalten. Neudrossenfeld gefunden und dank der Besonders bemerkenswert ist die Erhaltung Umsetzung des Landschaftsplanes wurden von kulturhistorischen Stätten und Flurdenk- für über 100.000 Euro Hecken, Streuobst­ mälern, wie beispielsweise die Tanzlinden. flächen und auch Straßenbegleitgrün ge- An dieser Stelle muss einem bewusst werden, schaffen. Sanft fügen sich beispielsweise die dass das Aufstellen weiterer Infotafeln zu Bogenschießanlage, der Grillplatz oder der Gebieten wie auch Geschichten aus dem Um- Tennisplatz in das Landschaftsbild ein. land sich sicherlich auch positiv auf den Das Quellwasser aus der aufgelassenen Tourismus auswirken könnte. Wenn man den Wasserversorgung in Neudrossenfeld sorgt einen oder anderen Hohlweg noch zusätzlich im Dorf für die Sportplatzbewässerung. Hier- zu einem Fahrradweg umfunktionieren zu wird das Wasser in einer unterirdischen würde, könnte auch dies dem Tourismus nut- Zisterne gesammelt, daneben auch das zen und somit könnte Neudrossenfeld sein Niederschlagswasser von den Dächern. ganzes Potenzial ausschöpfen. Durch die Nutzung der Zisternen geht in Doch Neudrossenfeld weiß um seine Natur Neudrossenfeld der Trinkwasserverbrauch und um die Freizeitgestaltung hier: Deswe- stetig zurück. Wie sehr die Landschaft den gen ist im Rahmen der Landesgartenschau Neudrossenfeldern am Herzen liegt sieht Bayreuth 2016 auch ein Wanderweg entlang man daran, dass sie die Ehrfurcht und des Rotmaintals geplant, der dem Wanderer Achtung vor der Natur, besonders den alten die Vielfältigkeit der Natur im Bereich der Bäumen, auch anderen mit ihrem Linden­ Rotmainaue veranschaulichen soll und um NEUDROSSENFELD museum näher bringen wollen. Die Auto- den Freizeit- und Wandertourismus im bahn E48 sowie die Bundesstraße B85 unter- Einklang mit der Natur zu fördern. teilt jedoch das Gebiet von Neudrossenfeld

77 PERLESREUT

78 GOLD 1. Entwicklungskonzepte und Perlesreut wirtschaftliche Initiativen Markt Perlesreut Der Markt Perlesreut im Landkreis Freyung- Landkreis Freyung-Grafenau, Niederbayern Grafenau beeindruckt mit einer langfristig umfassenden Planungsstrategie in allen Bereichen. Erkennbaren Defiziten, wie zum Beispiel der prognostizierten Einwohner- und Geburtenentwicklung, wird mit konsequen- ten Lösungsprozessen begegnet. In vielfälti- ger Weise entwickelt sich die Gemeinde zu einer attraktiven Heimat für Familien. Mit der Umgestaltung des Marktplatzes wur- de eine dörfliche Mitte geschaffen und somit auch angrenzende Immobilien aufgewertet. Das außergewöhnlich umfangreiche Ange- bot der Daseinsvorsorge im Umfeld wird dadurch gestärkt. Die Sanierung der Bauhüt- Landrat: Sebastian Gruber te mit öffentlichen Räumen, dem Zentrum der kommunalen Allianz „Ilzer Land“ und Bürgermeister: Manfred Eibl einem privaten Investor mit barrierefreien Kreisfachberatung für Gartenkultur Wohnungen­ ist beispiellos. Äußerst geschickt und Landespflege: Franz Bogner werden bei allen Entwicklungsprozessen die Möglichkeiten staatlicher Förderung ausg­ Einwohnerzahl: 2309 Gemarkungsfläche: 143 ha eschöpft und die kommunalen Planungs­ instrumente werden einfallsreich genutzt. Dorferneuerung / Städtebauförderung: ja Ganz gezielt soll sich hier Handwerk, Einzel- Betriebe in der Landwirtschaft Vollerwerbsbetriebe: 0 handel und Dienstleistung innerorts platzie- Nebenerwerbsbetriebe: 1 ren. Vor Jahren wurde bereits ein interkom- Betriebe in Industrie und Gewerbe: 142 munales Gewerbegebiet mit dem Markt Röhrnbach initiiert. Die eigene Energiever- sorgung und die umfangreiche Breitbander- schließung sind weitere Besonderheiten.

Perlesreut ist stolz darauf, seit 1403 ein Markt zu sein. Von Passau und Vilshofen aus führten damals wichtige Transportwege für Salz über Perlesreut. Hier konnten die Fuhrleute eine Unterkunft finden und brachten somit auch den Handel ins Dorf. Heute zählt der Markt knapp 3000 Einwohner mit seinen 30 Dörfern und Weilern und gehört zu den ältesten Kernorten des Bayerischen Waldes. 79 Ein starker Partner der Gemeinde ist die dem Kindergarten, der Grund- und Mittel- „Perlesreuter Werbegemeinschaft“. Dessen schule, der offenen Ganztagesschule und der neueste Idee ist die Bereitstellung sogenann- Ganztagespflege „Buntstifte“, die es ermög­ ter Mikroläden für Kleinanbieter. Auch die lichen, dass Alleinerziehende ihrem Beruf „Gemeindeentwicklung Perlesreut e. V.“ und ohne große Einschränkungen nachgehen viele soziale und gesellschaftliche Gruppen können. gestalten die positive Entwicklung des Mark- Ein großer Wert wird bei der Jugend auf die tes. Perlesreut, dem vor 500 Jahren das Markt- musische Erziehung gelegt. Bemerkenswert recht verliehen wurde, hat diesen Wert bis an dieser Stelle ist auch die Integration der ju- heute erhalten, ist interkommunal bestens gendlichen Asylbewerber, die in die Vereine vernetzt und in vielen Bereichen kreativer aufgenommen werden und bei den Passions- Vorreiter. Mit Einbindung der Bürgerschaft spielen Rollen übernehmen. kann der Markt eine weiterhin dynamische Die Wege aller sozialen und kulturellen Entwicklung nehmen. Einrichtungen sind nicht nur im lokalen, Vom aktiven Bürgersinn zeugt der Verein sondern auch im übertragenen Sinn kurz. „Gemeindeentwicklung Perlesreut gestalten Regelmäßige Besuche der Kinder im e. V.“ der mit dem Leitsatz „Von uns – mit uns nahegelegenen Altenheim bauen Brücken – – für uns“ auch Landschaftspflege betreibt. denn so wird ihnen von den Senioren das Die Bürgergenossenschaft für Energieversor- Brauchtum und die Tradition vermittelt. Aber gung erzeugt 100 % des Strombedarfs aus auch das bürgerliche Engagement für die der regenerativen Energie eines Wasserkraft- Senioren, die eine eigene Begegnungsstätte werkes und zweier Photovoltaikanlagen. Der mitten im Dorfzentrum haben, kommt nicht in Eigeninitiative verwirklichte Waldkinder- zu kurz. Vor allem ihnen steht ein „Praxis­ garten „Wichtelkinder“ fördert das Bewusst- mobil“ – eine ärztliche Betreuung auf Rädern sein bereits der Kleinsten für eine intakte – und ein Medikamente-„Bringservice“ zur Landschaft und Umwelt. Seit Mai 2015 ist die Verfügung. Überdies hinaus schafft ein ÖPNV- Ilzer Land e. V. (ILE) auch staatlich anerkannte Konzept eine erhebliche Fahrzeiteinsparung Ökomodellregion. Eine Basis dafür ist der für die Schüler, die sie damit für ihre Freizeit- Perlesreuter Landmarkt mit Bio- und regio­ gestaltung zur Verfügung haben. nalen Waren, der Service einer Obst- und Das kirchliche Leben nimmt in dem Markt Gemüsekiste mit Frischwaren aus der Perlesreut eine besondere Stellung ein; dies Biogärtnerei und fünf Gasthäusern, die Zuta- zeigt sich auch darin, dass die Ministranten ten aus der Region verwenden. Angesichts der Kirche und ihrem Dienst nicht einfach der starken Nachfrage nach heimischen und nach der Schulausbildung den Rücken keh- ökologischen Produkten ist der Anteil der ren, sondern weiter aktiv am Kirchenleben Biobetriebe sicherlich ausbaubar. teilnehmen. Doch auch das Vereinsleben allgemein spielt eine wichtige Rolle im Markt,

2. Soziale und kulturelle Aktivitäten

Das Motto des Wettbewerbes lautet: „Unser Dorf hat Zukunft – Unser Dorf baut auf die Jugend“. Diesem Motto wird Perlesreut gänz- lich gerecht, indem es ein umfassendes Betreuungsangebot für Kinder unter einem Dach anbieten kann. Dies gelingt mit den verschiedensten Einrichtungen, wie den Mutter-Kind-Gruppen, der Kinderkrippe, 80 was sich in der Peter und Paul-Kirta, dem Ortsbildes steht. Hinter den Anwesen des Drescherfest, dem Perlesreuter Schmalzler- Marktplatzes fällt das Gelände auf beiden fest oder dem Aufstellen des Maibaums, bei Seiten wieder steil ab. Die gemauerten dem die Spitze eine „Perle“ trägt und somit Giebelscheiben bilden selbst durch die symbolisiert wird: Perlesreut – die Perle im Höhenstaffelung eine spannungsvolle Bayerischen Wald, das ist unsere Heimat. Reihung im Raumbild des Platzes und lassen dazwischen Fenster zur Landschaft und ins Grüne offen. Über einen Wettbewerb fand man die optimale Lösung für diese beson­ dere Ortsmitte. Er war Garant dafür, durch 3. Baugestaltung und -entwicklung sorgfältig gewählte, auch mutige neue Details und mit dem regional typischen Die Geschlossenheit des historischen Gesam- Granitbelag den Marktplatz zu neuem Glanz tensembles um den Marktplatz von Perles- zu verhelfen. reut wirkt heute, als würde sie schon immer Die wohlüberlegte Gesamtplanung mit Aus- von ihren Bürgern geschätzt und gepflegt lagerung des Dauerparkens auf einen nahe- werden. Wie eine wohl überlegte Inszenie- gelegenen gut erreichbaren Parkplatz, wie rung erscheint der Ortsgrundriss auf einem auch alle Aktivitäten zur Belebung des Höhenrücken mit einem sich von unten lang- Marktplatzes bis hin zur Entscheidung, keine

sam aufweitenden Marktplatz bis zum größere Handelsfläche vor den Toren zu­ PERLESREUT Höhepunkt mit der stattlichen Pfarrkirche zulassen und übriges Gewerbe möglichst na- „St. Andreas“, deren Kirchturm von allen he an den Ortskern anzubinden, sind Seiten betrachtet immer im Mittelpunkt des vorbildlich. Mit einem Fassadenprogramm, einem Leer- stands-Förderprogramm und einem Gestal- tungspreis zielt der Markt seit Jahren darauf ab, Wohnen und Arbeiten im Innenort attrak- tiv zu halten und das Motto „Innenentwick- lung vor Außenentwicklung“ mit Leben zu füllen. Mit ihren eigenen Gebäuden geht der Markt als Vorbild voran; so wurde die Grund- und Mittelschule energetisch saniert, ein altes Mädchen-Schulgebäude wurde zum Rathaus umgenutzt und ebenfalls ener­ getisch aufgewertet. Als absolutes Leuchtturm-Projekt ist jedoch die neue Bauhütte Ilzer-Land hervorzuhe- ben. Für ein regionales Informations-, Bildungs- und Tagungszentrum zur Innen- entwicklung für alle Orte der Region wurde ein lange leer stehendes Baudenkmal am Marktplatz saniert und im Rückbereich mit einem privaten Investor durch ein Wohn­ gebäude mit barrierefreien Wohnungen er- gänzt. Wie schon bei der Marktplatzgestal- tung wird auch hier in beispielhafter Form vor Augen geführt, wie spannungsvoll ein Nebeneinanderfügen von Alt und Neu sein kann. Das wird vor allem durch eine gute Planung erreicht, die sich intensiv mit dem 81 Bestand auseinandersetzt. Der Altbau wurde nicht als Museum, sondern als nutzbares Lehr- und Lernobjekt konzipiert: Historische Bauweisen werden am Objekt durch Schau- fenster in Wänden, Böden, und Decken erläutert und beispielsweise energetische Optimierung unter Weiternutzung von vor- handener Materialien aufgezeigt. Ein Projekt, das hoffentlich Strahlkraft in alle Regionen Bayerns hat und im Sinne der Nachhaltigkeit Nachahmer findet.

4. Grüngestaltung und -entwicklung

Viele Anstrengungen wurden auch in der Grüngestaltung unternommen. Die Natur sollte in den Markt Perlesreut hineinwachsen. Die vielen Baumpflanzungen sind hierfür ein eindrucksvolles Zeichen, dass es gelungen ist. Ebenso sind die Bäume aber auch ein Hinweis darauf, kommenden Generationen die Lebensqualität beschatteter privater und öffentlicher Bereiche zu bewahren. Dies könnte mit Hilfe eines Pflegekonzepts Heimat „möbliert“ und mit Beerensträuchern gesichert werden. eingerahmt, von denen auch genascht Im Bereich des Marktplatzes ermöglichen werden kann. Ein Ort, um eine kurze Auszeit freie Blickachsen den optischen Bezug zu vom Unterricht zu haben. den umliegenden Naturräumen, wobei durch Auch die Gestaltung des Parkplatzes am den gezielten Einsatz vereinzelter grün­ Pfarrgarten hat aufgrund seiner abwechs- gestalterischer Elemente in Form von Wand- lungsreichen Bepflanzung eine hohe Gestal- begrünung die Natur direkter erlebbar tungs- und Aufenthaltsqualität. Bemerkens- gemacht werden könnte. Dies würde auch wert ist die Verwendung von Obstgehölzen die farbgebende Wirkung der verwendeten in seinem unmittelbaren Umgriff, der von Pflanzgefäße harmonisch unterstützen. einer Blumenwiese gesäumt ist. Deutlich Besonders hervorzuheben ist an dieser Stelle sichtbar ist in vielen privaten Gärten die der von viel Eigeninitiative getragene Bereich intensive Bildungsarbeit des Gartenbauver- um das Haus der Kinder, der nicht nur eins, die speziell im Neubaugebiet fortzufüh- vorbildlich eingegrünt ist, sondern den ren ist, um die vorhandenen Stärken auszu- Kindern vielfältige Möglichkeiten bietet, die bauen und eine weitere Bereicherung des Natur mit allen Sinnen zu erleben und Wohnumfeldes durch den Einsatz von stand- Zusammenhänge durch Beobachtung zu orts – und ortsgerechter Bepflanzung zu un- erkennen. terstützen. Fachliches Wissen sieht man Auch die Schule dient als Vorbild bezüglich auch an den Lindenreihen entlang des Wert- der Grüngestaltung: Drei Glasstelen ragen in stoffhofes, des Sportplatzes und des Fried- den Himmel, die die Naturelemente Wasser, hofparkplatzes. Weitere Sträucher säumen Erde und Wald symbolisieren. Der Pausenhof die Straßenseiten am neu angelegten Rad- wurde mit Granitblöcken und Kieseln aus der weg nach Waldenreut und eine 82 Streuobstwiese zeigt, dass den Bürgern die dem Motto „blühende Landschaften“ das Begrünung ihres Markts am Herzen liegt. Bild. Die Heugewinnung für die Pferdehaltung bedingt extensive, artenreiche Wiesen. Zusammen mit Lesesteinwällen und Einzel- bäumen vervollständigen sie das Biotop­ 5. Das Dorf in der Landschaft inventar. Zahlreiche gepflegte Bildstöcke, Marterl, Feldkreuze und Kapellen zeugen als Perlesreut liegt im Passauer Abteienland zwi- Kulturstätten von der örtlichen Geschichte. schen der Ilz im Westen und der Wolfsteiner Viele davon liegen auch am europäischen Ohe im Osten. Es lagert weithin sichtbar auf Pilgerweg „Via Nova“, der von Vilshofen durch einem langgezogenen Höhenrücken rund den Bayerischen Wald und Böhmen zum um den mächtigen dreischiffigen Kirchenbau heiligen Berg in Pribram führt. von „St. Andreas“ mit seinem hochaufragen- Mit Blick auf den sich beschleunigenden den Turm. Vielfältige Blickbeziehungen aus Klimawandel wird der Waldumbau von Fich- der Landschaft nach Perlesreut hin und tenforsten zu stabilen, artenreich und stufig Landschaftsbezüge vom Marktplatz in die gebauten Mischwäldern betrieben. Standort- Umgebung hinaus definieren die feine gerechte, laubholzreiche, naturnah bewirt- landschaftliche Situierung. schaftete Wälder gibt es bereits nördlich vom

Der Friedhof mit den denkmalgeschützten Ort, die allgemeine Tendenz zum Wald­ PERLESREUT Arkaden und den großkronigen Linden ist umbau ist vielfach sichtbar. ein gutes Beispiel für einen gefälligen Besonders erwähnt seien die Biotopkom­ Ortseingang. Von Bürgern mit gepflanzte plexe des Naturschutzgebiet Obere Ilz und Baumreihen aus Linden und Walnüssen des Flora Fauna Habitat Gebietes Wolfsteiner sowie alte und neue Streuobstwiesen sorgen Ohe mit ihren Nebenbächen – hier werden für harmonische Übergänge zur Landschaft. hochwertige Auenrevitalisierungen durch­ Durch viele offene Gärten am Ortsrand geführt. Dort gibt es auch Fischotternasch­ vernetzt ein dichtgeknüpfter Biotopverbund teiche und die Smaragdeidechse findet hier aus verschiedensten charakteristischen einen Lebensraum. Lebensraumtypen die Kulturlandschaft mit Der Dreiklang von Glas, Granit und Holz ist dem Dorf. In der überwiegend als Grünland, das landschaftliche und kulturelle Erbe von teilweise auch als Weiden genutzten Flur, Perlesreut. Höchste Anerkennung verdienen finden sich Feuchtwiesen, Feldgehölze, die aktiven Bürger der Marktgemeinde, die Hecken, Hochstaudenfluren an den Gewäs- ihre Landschaft auf der Basis vorhandener sern und Gras- und Krautsäume als glie­ Qualitäten weiterentwickeln und ihr jene dernde Elemente. Zahlreiche von Bürgern Wertschätzung zuteilwerden lassen, die Zu- angelegte Bienenweiden bereichern unter kunftsfähigkeit ausmacht.

83 REICHENBACH

84 BRONZE 1. Entwicklungskonzepte und Reichenbach wirtschaftliche Initiativen Gemeinde Reichenbach Die Gemeinde Reichenbach im Landkreis Landkreis Cham, Oberpfalz Cham hat trotz der Dominanz des Klosters der Barmherzigen Brüder große Anstrengun- gen unternommen, die wirtschaftliche und strukturelle Entwicklung zeitgemäß zu ver- bessern. Ein Hinweis dafür ist die positive Einwohnertendenz. Mit einer strategischen Bauleitplanung wird erfolgversprechend ver- sucht, den Demographiefaktor dauerhaft günstig zu beeinflussen. Somit ist der Ort sehr attraktiv für Bürger geworden – auch durch die Neuausweisung von Baugebieten. Deswegen konnte die Gemeinde einer nega- tiven Bevölkerungsentwicklung entgegen- wirken und liegt mit ihrem Einwohnerstand Landrat: Franz Löffler bei 1302 Bürgern. Die Bereitstellung von Bauland ist ein vorteil- Bürgermeister: Franz Pestenhofer hafter Ansatz – verbunden damit ist eine vor- Kreisfachberatung für Gartenkultur ausschauende Grundstückspolitik. Auch die und Landespflege: Susanne Deutschländer finanzielle Förderung innerörtlicher Bausubs- tanz begünstigt die Gemeinde in ihrer Einwohnerzahl: 1302 Gemarkungsfläche: 971 ha strukturellen Entwicklung. Als Nebeneffekt werden private Immobilienbesitzer für Dorferneuerung / Städtebauförderung: ja ortsbildprägendes Bauen sensibilisiert. Betriebe in der Landwirtschaft Vollerwerbsbetriebe: 6 Die Betreuungsangebote im Kinderhaus Nebenerwerbsbetriebe: 3 „St. Paulus“ bieten einen starken Anreiz für Betriebe in Industrie und Gewerbe: 20 junge Familien. Mit Trinkwasserversorgung, Abwasserentsorgung und Breitbandausbau ist die gemeindliche Infrastruktur voraus- schauend aufgestellt und ebenfalls attraktiv für die Bürger Reichenbachs. Die verkehrliche Anbindung ist zudem auch gesichert. Lobenswert ist die vielfach vorhandene interkommunale Vernetzung.

„Praeclarum monasterium in modum castri posi­ tium in monte“ – „Das berühmte Kloster liegt auf dem Berg wie eine Burg“. Dieser Ausspruch des Humanisten Hartmann Schedel aus dem 15. Jahr- hundert gilt auch heute noch uneingeschränkt. Galt das Kloster früher den Mönchen, so prägt der Klos- terkomplex noch heute das Dorfbild Reichenbachs. Doch jetzt findet sich die Einrichtung der „Barm- herzigen Brüder“ für Menschen mit Behinderung darin. Sie werden liebevoll in die Dorfgemeinschaft aufgenommen – dies ist ein Selbstverständnis für den Ort. 85 Das vielerorts emotional diskutierte Thema verhältnismäßig jungen Vereinsvorsitzenden, Windenergie wird wertneutral behandelt. die ein typisches Zeichen eines intakten Die regenerative Energieerzeugung mit Erd- Vereinslebens sind. wärme, Photovoltaik, Solarthermie, die Hack- Der Freizeit- und Erholungswert Reichen- schnitzelheizung im Kloster sowie zwei Bio- bachs ist sehr hoch: Der neu geschaffene gasanlagen, die Grasschnitt und Mais als Regenanger ist ein ansprechender Platz mit Energielieferanten nutzen, decken mehr als viel Aufenthaltsqualität durch Uferprome­ die Hälfte des Gesamtenergiebedarfs. nade, Badestelle und Bootseinstieg und Wirtschaftlicher Schwerpunkt ist die Be­ einem nahegelegenen Jugendzeltplatz, der hinderteneinrichtung der „Barmherzigen am Ortsrand das Angebot ergänzt. Boots- Brüder“. Von dort werden – wo möglich – wandern ist auf dem Fluss vom Blaibacher Aufträge an naheliegende Dienstleister ver- See bis Regensburg möglich. Zudem findet geben. Das stärkt die Wirtschaftskraft der sich hier ein Fischervereins, bei dem auch die Region. Auch Handwerksbetriebe in bemer- Jugend an die Natur herangeführt wird. kenswerter Anzahl sind vorhanden und Der Kindergarten zeichnet sich durch flexible bieten ein vielzähliges Arbeitsplatzangebot. Betreuungszeiten aus und ist damit den flexi- Die Nahversorgung ist angemessen. Die blen Arbeitszeiten der Eltern angepasst. Das Gemeinde Reichenbach sieht unter Nutzung Besondere an diesem integrativen Kinder­ vorhandener Potenziale und Entwicklung garten ist, dass die Kinder hier schon im neuer Ideen einer guten Zukunft entgegen. schulischen Alltag die Förderung und Gemeinschaft erfahren, die ihnen später weiterhelfen kann im Leben. Da das Wirtshaus, in dem sich die Vereinswelt getroffen und gefeiert hat, ohne weiteren 2. Soziale und kulturelle Aktivitäten Pächter leer steht, finden diese ein neues Zuhause in dem ehemaligen sanierten Sozial geprägt von der ehemaligen Kloster- Brauereianwesen, das zukünftig als Gemein- anlage, finden behinderte Menschen in der schaftshaus dient und das die Vereine in Reichenbacher Dorfgemeinschaft Anschluss Selbstverwaltung betreiben. Umso mehr und werden selbstverständlich in das Dorf­ wäre es wünschenswert, wenn es in diesem leben integriert, wie beispielsweise in den lebendigen Ort wieder ein Wirtshaus gäbe, in Sportverein. Inklusion wird hier im Dorf dem auch unabhängig von Vereinen ein großgeschrieben und alle Vereine haben dies gemeinschaftliches Miteinander ermöglicht verinnerlicht: Aktionen wie Tischtennis mit und eine Wirtshauskultur gelebt wird. Bewohnern, Basteln mit Kindern des Ortes Doch auch außerhalb des Gemeinschafts- und Bewohnern der Einrichtung oder der hauses wird das Miteinander in Reichenbach Fischerstammtisch mit behinderten Men- gelebt: Mit dem jährlichen Maibaumaufstel- schen sind nur einige wenige Beispiele dafür. len, dem Johannifeuer, dem Fischerfest, der In allen Vereinen finden somit Menschen mit Kirchweih, der Nacht der Lichter oder dem Behinderung und alle anderen Vereins­ Weihnachtsmarkt sind nur einige Feste mitglieder jeder Generation ein zweites genannt, bei denen die Vereine zusammen- Zuhause. helfen und etwas großes auf die Beine stellen. Vor allem die Vereine, in denen vor allem Jugendliche mit Engagement ihre Freizeit gestalten können, erfreuen sich besonderer Beliebtheit: Sei es der Burschenverein, der eine zentrale Rolle einnimmt, oder die Feuer- 3. Baugestaltung und -entwicklung wehr, die sich besonders der Jugend bei­ derlei Geschlechter verschrieben hat. Auf­ Das Kapital des Ortes liegt in seiner einmali- fallend sind in dieser Dorfgemeinschaft die gen topografischen Lage im Tal des Regens. 86 Auf einem markanten Bergsporn, der sich und grüngestalterisch aufwertende Maß­ durch zwei Taleinschnitte im Nordhang zum nahmen von Vorteil für die angrenzenden Flusstal herausgebildet hatte, wurde das Eigentümer. Benediktiner-Kloster gegründet, das heute Gespannt sein darf man besonders auf den zusammen mit den beiden Türmen der Filial- Ausbau des ehemaligen Anwesens „Hilde- kirche „Mariä Himmelfahrt“ das Ortsbild brand“, das zu einem Gemeinschaftshaus dominiert und weithin in das Tal des Regens umgebaut werden soll. Hier sollte auch die ausstrahlt. Das Kloster selbst wurde in den Chance ergriffen werden, möglichst viele his- vergangenen Jahrzehnten durch Neubauten torische Details in die Planung zu integrieren, für die Behinderten-Einrichtung der „Barm- um gerade durch Integration von Alt und herzigen Brüder“ Reichenbach erheblich er- Neu zu einem unverwechselbaren Er­ weitert und ist so für das Ortsbild, aber auch scheinungsbild zu kommen. für das gesamte Dorfleben bestimmend. Das kommunale Förderprogramm schließt Obwohl der Verlust einer Brauerei für jedes eine Beratung für sanierungswillige Eigen­ Dorf bedauerlich ist, wurde nach Aufgabe tümer mit ein, was mit Sicherheit ein guter der Brauerei „Häring“ im Jahre 1984 und nach Anreiz ist, das Wohnen in Bestandsgebäuden langem Leerstand am Hangfuß des Klosters wieder attraktiv zu machen und den Neubau mit Unterstützung der Städtebauförderung auf der grünen Wiese einzudämmen. Mit den der aufwändige Abbruch von Brauereigebäu- energetischen Sanierungen von Bauten aus den vorgenommen. Es ergab sich die Chance den 60er- und 70er Jahren hat man einen zur Neugestaltung des gesamten Klosterhan- richtigen Schritt in Richtung Zukunft ge- ges mit Terrassen und Treppenanlagen, die wagt. für eine erhebliche Aufwertung des gesam- Im Gesamten fehlt der baulichen Gestaltung REICHENBACH ten Erscheinungsbildes sorgte. Dominant trotz der überragenden Präsenz des Klosters prägt auch das zu Eigentumswohnungen eine gewisse Leitlinie, die Neu- und Altbau- umgebaute Hauptgebäude der Brauerei das ten zusammenbinden könnte. Vielleicht wäre Ortsbild zum Regen, dessen Ufer an dieser eine detailliertere Untersuchung der histori- Stelle mit einem wohltuend einfach gestalte- schen Bautradition und darauf aufbauend ten Angerbereich zum Aufenthalt und eine Baugestaltungsfibel, die auch einen Genießen am Wasser einlädt. gewissen Farbkanon aus der Historie ent­ Mit viel Liebe und persönlichem Einsatz wur- wickeln könnte und durchaus auf neue den im kleinen Seitental des Harsbachs zwei Elemente eingehen sollte, hilfreich für ein denkmalgeschützte Privathäuser saniert. Das harmonischeres Zusammenführen von Alt beschauliche Tal bekam so an seiner unteren und Neu. Zufahrt ein besonderes Flair. Im sogenannten „Pestenhoferhaus“ sind auch im Innenbe- reich viele überlieferte Details liebevoll integriert worden – ein Engagement der Eigentümer, das sich im Außenbereich fort- setzt. In diesem östlichen Seitental, dessen Bach doch stark eingemauert wurde, gibt es noch viele Elemente, die in ähnlicher Form aufgewertet werden könnten. Dies wäre im Hinblick auf eine Steigerung der Attraktivität von Reichenbach für einen sanften Touris- mus wünschenswert. Dagegen ist der eher technische Ausbau des großzügigeren west- lichen Seitentals wohl der Verkehrsbelastung geschuldet. Hier wären besonders wegen der starken Steigung einige verkehrsbremsende 87 4. Grüngestaltung und -entwicklung Prägend für Reichenbach sind die weitläufi- gen Klosteranlagen, die von klösterlichen Reichenbach ist ein Dorf im Grünen, das sich Gartenelementen und von Großgrün durch- dieser Stärke sehr bewusst ist und diese auch zogen und umgeben sind. Überaus bemer- nachhaltig entwickelt. Deutlich erkennbar kenswert ist die Inwertsetzung des nörd­ sind die großen Anstrengungen, der Natur lichen Klosterhügels, der durch die komplett ihren Platz im besiedelten Raum zurück­ neue Gestaltung das Ortsbild nicht nur erobern zu lassen. Die vielen straßenbeglei- entscheidend aufwertet, sondern auch durch tenden Baum- und Strauchpflanzungen sind die gestalterischen Maßnahmen im Grün­ ein grünes Band, das zur Steigerung der bereich eine neue ökologische und soziale Wohnqualität konsequent weitergeflochten Funktion erhalten hat. wird. Dabei wird auch die positive Wechsel- wirkung zwischen Gehölzen und Stauden bewusst als Gestaltungselement eingesetzt. Dieses Bewusstsein setzt sich auch in den privaten Gärten fort, wo es trotz der teilweise 5. Dorf in der Landschaft topographisch schwierigen Voraussetzungen gut gelungen ist, die dörfliche Gartenkultur Ein spektakulärer Aussichtspunkt ist der über durch blühende und fruchtende Gärten zur dem Regen aufragende „Teufelsbuzn“, der vollen Wirkung zu entfalten. einen weiten Blick über eine kleinteilige Über die Verwendung von ortstypischen Klosterlandschaft erlaubt. Das Granitfels- Baumaterialien und einer vielfältigen Aus- Geotop auf der Kienleitener Seite ist ein wahl von Gestaltungselementen, wie Fassa- durch charakteristische Wollsackverwitte- denbegrünung und offene Hauskanten, rung geformtes Naturdenkmal auf dem selte- tragen diese Bereiche wesentlich zum ne Graslilien wachsen. Hier erlebt der harmonischen Gesamtbild bei. Fortzuführen Betrachter Blickbeziehungen zu dem ehe­ sind auch die schrittweisen Bemühungen, maligen, 1143 n. Chr. gegründeten Zister­ den Friedhof durch Pflanzmaßnahmen zienserkloster Walderbach unten am Regen gestalterisch aufzuwerten. und auf das monumental auf einem Sporn Ebenfalls zu überlegen ist, ob bei der Begrü- des Falkensteiner Vorwaldes sich erhebende, nung des Kindergartens durch die Verwen- 1181 n. Chr. gegründete ehemalige Benedik- dung einiger größerer Gehölze eine schnelle- tinerkloster Reichenbach. Die bastionsartig re schattenspendende Wirkung und damit aufragenden, vor kurzem als ansprechende eine höhere Aufenthaltsqualität zu erzielen Freianlage neuaufgerichteten und restaurier- ist. Bei der Gestaltung des Umfelds am ten Mauern betonen gekonnt das markante künftigen Gemeinschaftshaus ist es ratsam, Kloster mit den krönenden Doppeltürmen fachplanerische Kompetenz einzubinden. von „Mariä Himmelfahrt“. Das Band des Regens mit seiner Wiesenaue verknüpft die durch ihre unterschiedlichen Ordensregeln situierten Klöster – die Zisterzienser am Gewässer und die Benediktiner hoch darü- ber. Sprechende Orts- und Flurnamen wie Abtsried, Pfaffenstein, Pfaffenäcker oder Kalvarienberg und Artefakte wie Kreuzwege, Bildstöcke und ehemalige Klosterweiher zeugen von der Verwurzelung der klöster- lich-klerikalen Welt in der Landschaft. Das Dorf Reichenbach liegt am Fuße des Klosterberges und ist mit der Brücke hinüber nach Kienleiten ortsräumlich zu einem 88 topographisch reizvoll gelegenen Doppel- Die in der Landschaft wirksame Sozial-Kultur dorf erweitert. Eine gute landschaftliche Ein- mit Kräuterwanderungen, Landschafts­ bindung in die stark reliefierten, gegenüber- pflege, Flurumgängen bis hin zu den Vereins- liegenden Regenhänge kennzeichnet die aktionen in der Natur ist eine der großen Ortsansichten. Stärken des Dorfes. Hohe Anerkennung Das als Flora-Fauna-Habitat ausgewiesene verdienen die Reichenbacher auch für den Reichenbacher Regental erhält aus etlichen Kraftakt der landschaftlich stark wirksamen Seitentälern Zufluss von kleineren, naturna- Gestaltung des Klosterhanges. Dies ist ein hen Bächen. Bewaldete Steilhänge wechseln hervorragender Auftakt, um in Zusammen­ sich mit flacheren, ackerbaulich genutzten arbeit mit Walderbach die gemeinsame Hängen ab. Landwirtschaftlich weniger er- Klosterlandschaft weiterhin gemeinsam zu tragsgünstigen Lagen wie Feuchtwiesen in entwickeln und ihre Alleinstellungsmerkma- der Aue und magere, trockene Wiesen an den le herauszuarbeiten. Gemeindeübergreifend Unter- und Steilhängen, werden mit Förder- könnte als erster Schritt, basierend auf dem programmen bewirtschaftet und damit in interkommunalen Entwicklungskonzept ihrer ökologischen Vielfalt gesichert und „Kultur und Tourismuslandschaft Regental“, offengehalten. Der allmähliche Waldumbau ein vertiefendes landschaftliches Leitbild von Fichtenforsten hin zu stabilen, artenreich unter intensivem Mitwirken der Bürger er- und stufig gebauten Mischwäldern mit mehr stellt und Maßnahmen identifiziert werden. Eichen und Kiefern sollte verstärkt ins Auge Die Klosterlandschaft Reichenbachs ist Erbe gefasst und schon jetzt durch ein besser aus- und Auftrag: Hier sollte im Sinne des kirch­ gewogenes Wald-Wild-Verhältnis vorbereitet lichen Leitbildes „Mitverantwortung für die werden. Schöpfung“, die biologische Gemüseproduk- REICHENBACH Der Regen gilt bei Fischern als eines der „wal- tion und Landbewirtschaftung über den ler- und welsreichsten“ Gewässer Bayerns Kreis der Heimbewohner hinaus ausgeweitet und ist dementsprechend beliebt. Gut mar- werden und so für die Bevölkerung der kierte, gepflegte Rad- und Wanderwege wie Region die Nahversorgung gestärkt werden. der Regentalradweg, die Goldsteigsüdroute Angesichts der starken Nachfrage nach hei- oder der Oberpfalzweg, laden zu Land- mischem, ökologisch angebauten Gemüse schaftserfahrung und sportlicher Tätigkeit und des weltweit zunehmenden Druckes auf ein. Auch im Nahbereich sind die Felsforma­ den Ernährungssektor sollten die Fertig­ tionen am Pfaffenstein, der Teufelsbutzn oder keiten und Fähigkeiten des bestehen kulturhistorische Stätten wie Erdkeller über Gartenbaubetriebes genutzt werden, um die Wege und Pfade gut erreichbar. Bemerkens- Verarbeitung und Vermarktung regionaler wert ist der ansprechend nostalgische Wald- Produkte zu erweitern. spielplatz auf der Birkenhöhe, der durch Bürgerengagement entstand.

89 SCHÖNAU

90 SILBER 1. Entwicklungskonzepte und Schönau wirtschaftliche Initiativen Gemeinde Tuntenhausen Schönau als Ortsteil der Gemeinde Tunten- Landkreis Rosenheim, Oberbayern hausen im Landkreis Rosenheim kann auf eine historisch gewachsene und gefestigte Vergangenheit blicken. Die Einwohnerschaft ist mit Unterstützung der Gemeinde bereit, ohne Vorbehalte die dörfliche Entwicklung den Erfordernissen anzupassen. Eine hervor- gehobene Bedeutung kommt dabei der stetigen Bevölkerungsentwicklung mit positivem Demographiefaktor zu. Für einen Ort mit 602 Einwohnern ist die Infrastruktur erstaunlich vielfältig. Wahr- scheinlich hat auch der Dorfwettbewerb zu einer vertieften Auseinandersetzung mit Defiziten geführt und Lösungen ergeben. Landrat: Wolfgang Berthaler Baulandausweisung nach dem Einheimi- schenmodell sichert insbesondere jungen Bürgermeister: Georg Weigl Menschen den Verbleib in der eigenen Kreisfachberatung für Gartenkultur Heimat. Mit einfachen Festsetzungen in und Landespflege: Josef Stein, Harald Lorenz Bebauungsplänen soll möglichst viel Gestal- tungsfreiraum ermöglicht werden. Die Einwohnerzahl: 602 Gemarkungsfläche: 473 ha Kinder­betreuung in zwei überörtlichen Tagesstätten bietet gute Möglichkeiten der Dorferneuerung / Städtebauförderung: nein Vereinbarkeit von Familie und Beruf. Eine Betriebe in der Landwirtschaft Vollerwerbsbetriebe: 1 äußerst wichtige Einrichtung ist auch die Nebenerwerbsbetriebe: 5 Grundschule mit ihrem umfangreichen Betriebe in Industrie und Gewerbe: 63 Angebot. Die Arbeitsplatzsituation am Ort und der näheren Umgebung ist sehr gut, ebenso die Nahversorgung. Wasserversorgung, Abwas- serentsorgung und Optimierung des Straßennetzes tragen zur guten Infrastruktur bei. Hervorzuheben sind ebenfalls die Bemü- hungen um erneuerbare Energieversorgung.

Der Name Schönau, der ursprünglich „Sconninau- hu“ hieß und so viel bedeutet wie „an der schönen Au“, ist verdient. Hier überzeugen fruchtbare Böden, eine nicht zersiedelte Landschaft, sowie die kleinbäuerliche Landwirtschaft mit viel Grün. Nicht umsonst haben die Schulkinder der Grund- schule ihren Heimatort mit dem Spruch „Schön, schöner, Schönau“ verbunden. 91 Die Schönauer Bevölkerung hat durch den Leit- Angebote zur Weiterbildung stehen dabei bildprozess ihre kompakte Struktur noch mehr genauso im Fokus, wie ein vielfältiges Kultur- gefestigt und ist bereit, an einem ganzheit­ angebot, das vor allem im Haus der Vereine, lichen Lebenskreis mitzuwirken und wird auch dem ehemaligen Schulhaus, angeboten wird. die innerörtlichen Aufgaben positiv lösen. Der neugeschaffene und selbstorganisierte Jugendraum „Schubidu“ in der Sporthalle bietet ein niederschwelliges Angebot für Kinder und Jugendliche, die sich noch nicht an einen Verein binden wollen. Der Ausbau 2. Soziale und kulturelle Aktivitäten des Breitbandangebots, der Kindergarten und die Grundschule, der Erhalt und die Schönau bezeichnet sich selbst in seinem Schaffung von Ausbildungs- und Arbeitsplät- Leitbild als „Das beschauliche Dorf“. Aber die zen im Ort schaffen zusammen mit einem Bezeichnung „beschaulich“ ist nur wahrlich kleinen Laden und der Dorfgaststätte ein ein Aspekt im Dorfleben unterhalb dem Berg- solides Fundament für die Zukunftsfähigkeit massiv der „schlafenden Jungfrau“, wie ein Schönaus. Blick hinter die Kulissen offenbart. Aber Schönau blickt auch über den Tellerrand In Schönau ist viel in Bewegung. Mit einem hinaus und stellt sich den neuen Anforde­ sehr regen und lebendigem Vereinsleben rungen: Die Grundschule leistet als Inklusi- und einer hohen Bereitschaft zum bürger- onsschule einen wichtigen Beitrag zur Integ- schaftlichen Engagement ist hier immer et- ration von Kindern mit Handicap und Kindern was los im Dorf – sei es bei Baumaßnahmen, mit Migrationshintergrund. Vereinzelt gibt es beim Dorffest, in Theateraufführungen oder auch in den Vereinen hierzu schon Angebote. bei den vielen Veranstaltungen und Ange­ Der am Ende der Broschüre zum Landesent- boten im Verlauf des gesamten Jahres. scheid zitierte Spruch von Antoine de 92 Saint-Exupery: „Die Zukunft soll man nicht eine Funktionstrennung für Fußgänger und voraussehen wollen, sondern möglich ma- Fahrzeuge im Straßenraum, die überwiegend chen“ ist für Schönau nicht nur graue Theorie. offenen Ränder, das Wechselspiel von ge- Der eingeschlagene Weg zeugt davon, dass schotterten Flächen, Wiesenstreifen und Zäu- vieles möglich ist, wenn die Schönauer es nur nen, ergibt ein insgesamt intaktes Dorfbild. wollen. Wohltuend sind oft die Höfe geschottert ge- blieben, im Friedhof dagegen könnten ein paar zusätzliche grüne Akzente die Strenge der Schotterflächen auflockern. Die Natur- verbundenheit der Schönauer hat zu einem 3. Baugestaltung und -entwicklung Bewusstsein für nachhaltiges Wirtschaften und Bauen geführt. Die neuere Grundschule In eine reizvollen Hügellandschaft eingebet- am südlichen Dorfrand ist folgerichtig in der tet, mit dem phantastischen Panorama der Tradition mit regionaltypischen Baumateria-

Chiemgauer Alpen im Hintergrund, trägt der lien errichtet worden. Die inzwischen ange- SCHÖNAU Ort seinen Namen zu Recht. Die Kirche mit witterten Holzverschalungen bilden mit dem dem Friedhof, der benachbarte Kramerladen, Bewuchs ein harmonisches Zusammenspiel das Pfarrhaus und die alte Schule stehen ge- und spiegeln die Bautradition der ortsty­ nau am rechten Fleck und bilden ein harmo- pischen Scheunen wieder. Erfreulich ist des- nisches Ensemble in der Dorfmitte. In locker halb, dass Scheunen inzwischen umgenutzt gewürfelter Form gruppieren sich die großen und so erhalten geblieben sind. Erfreulich ist stattlichen Höfe um diese Mitte und haben so es aber auch, dass dabei die überkommenen ein Netz von Straßen- und Platzräume ent­ Eigenheiten nicht verloren gegangen sind stehen lassen, das sich in harmonischer Form und teilweise neu interpretiert wurden, wie in die Höfe hinein fortsetzt. Der Verzicht auf beispielsweise durch Schiebeläden in An­ lehnung an traditionelle Scheunentore als Sonnenschutz. Der Ausbau und Erhalt der Alten Schule als Haus für die Vereine kann als Leistung der Dorfgemeinschaft nicht hoch genug ge- schätzt werden. Liebevoll wurden Details im Innenbereich erhalten und neu geschaffen, die für viel Gespür für überliefertes Brauch- tum sprechen. Das äußere Erscheinungsbild des Schulhauses entspricht dem historischen Vorbild, wird aber leider getrübt durch den Einbau von Kunststofffenstern mit innenlie- genden Pseudosprossen. Gemildert wird die- ser etwas geringwertige Eindruck hier durch die Zweiflügeligkeit und das Absetzen der Fensterstöcke in dunklem Grün. Im Biergarten gibt es schattenspendende Bäume, was man sich auf dem geschotterten Parkplatz vor dem Wirtshaus auch wünschen würde. Jedenfalls sind die Gastronomie und der Metzger Garanten für eine lebenswerte Zukunft der Bevölkerung und eine wirtschaft- liche Sicherung für den Ort. Die Bürger selbst haben es in der Hand, die Zukunft der ört­ lichen Betriebe zu unterstützen. 93 4. Grüngestaltung und -entwicklung

In Schönau werden bereits die ersten Jahrgangsstufen in der Grundschule mit „Grün im Dorf“ vertraut gemacht. Vielfältige Obstbäume und Früchte unserer Kulturland- schaft mit Wiesenblumen und -blüten sowie mit Materialmuster wie Weidenzaun und -tipi einschließlich einer Lehrhecke mit heimi- schen Sträuchern gehören zur Schulhof­ ausstattung und zu den vermittelten Grund- kenntnissen. Diese ökologischen Grundkenntnisse spie- geln sich in der umweltfreundlichen Pflege der öffentlichen Freiflächen – egal ob Baum- pflanzungen in Zuordnung zum Parkplatz an der Mehrzweckhalle, der Extensivierung der Pfarrwiese, dem Rück- und Umbau von Asphaltflächen zu Blumenrabatten am Fried- hofseingang aber auch in privaten Initiativen mit typischen Bauerngärten oder dem „barockisierten“ Pfarrgarten. Neben intensivem Balkon- und Blumen- schmuck investieren private Aktionen und Aktivitäten in zahlreiche Details der örtlichen Grünstruktur. Beispielhaft ist das neue grüngestalterisch zu überdenken – unter Birnenspalier an der Scheunenfassade in der fachkundiger Leitung muss über zusätzlichen Dorfmitte oder die Fassadenbegrünung der Anpflanzungen heimischer, großkroniger Friedhofsmauer und der Aussegnungshalle Laubbäume nachgedacht werden. Doch das mit individuellem Freiraummobilar, wie die wir für die Schönauer kein Problem sein, Bank mit Werkzeug oder der Dorfplatz mit haben sie doch einen Obst- und Gartenbau- Ruhebereich am Brunnen. verein, der bekannt für seinen Pflanzen­ Mit der offenporigen Gestaltung des Wirts- flohmarkt ist. platzes sowie des angrenzenden Parkplatzes wurden ökologische und dorfgerechte Ziele in die Tat umgesetzt; die Bepflanzung ist jedoch etwas zurückhaltend und 5. Dorf in der Landschaft

Fährt man nach Schönau, wird man schon an der nördlichen Dorfeinfahrt von einem „Baumtor“ aus einer Winterlinde begrüßt – hier fühlt man sich willkommen. Der fließen- de Übergang zwischen Dorf und Landschaft, der durch sensibles Wachstum und der be- wussten Begrünung geschaffen wurde, laden nach Schönau ein. Vielleicht könnte man den Ortseingang und -ausgang aus Schönau mit Tuntenhausen und Maxlrain verbinden, um das vorhandene Wegenetz noch auszubauen. 94 Das Wegenetz erstreckt sich schon jetzt in Rahmen dieses Ausgleichs wurde 2007 auch Nachbargemeinden und erlaubt Ausflüge zu ein Weiher angelegt, der durch Amphibien Fuß oder mit dem Rad, um die Naturräume in akzeptiert wurde. Ergänzend zu diesen Maß- und um Schönau zu bewundern. Seit 2015 nahmen wurde von der Gemeinde auf der können Besucher die Schönauer Aussichts- gegenüberliegenden Uferseite ein weiteres linde durch einen Rundweg erreichen. Von Biotop angelegt. Für die „vorbildliche Revita- hier aus kann die wunderbare Landschaft lisierung der Braunau“ wurde Schönau auch genossen werden, die Schönau so „schön“ mit dem Sonderpreis des Verbandes Garten-, macht: Die geschwungenen Moränenbuckel Landschafts- und Sportplatzbau Bayern e. V. des Inn-Chiemsee-Gletschers, die Hügelland- ausgezeichnet. schaft oder das Rosenheimer Becken können Schönau gibt auch einen vorbildlichen von hier betrachtet werden. Impuls für die Wasserhaltung mit dem Beginn Ein weiterer bemerkenswerter Aussichts- der Bachrenaturierung der Braunau. Mit punkt stellt das Naturdenkmal „Sieben Kiesbänken, Sohlschwellen und Altwasser­

Linden“ dar – auch von hier kann ein phan- bereichen wurden natürliche Lebensräume SCHÖNAU tastischer Blick auf die Alpenkette geboten geschaffen. So hat sich der selten gewordene werden. An dieser Stelle wäre nachzudenken, Eisvogel bereits angesiedelt, aber auch die ob man den Dorfbäumen noch mehr Namen Fischpopulation entwickelt sich positiv. geben, oder sogar Paten für die Bäume mit Zum Schluss ist den Schönauern für die „Hausnamen“ der Flur suchen sollte. Zukunft noch etwas mit auf den Weg gege- Einen absoluten Höhepunkt bildet das Biotop ben: Das Dorf in der Landschaft kann durch an der Braunau, südlich von Schönau. Es einen Flächennutzungsplan mit einem wurde im Rahmen des ökologischen Aus- Landschaftsplan zur Weiterentwicklung des gleichs fachkundig optimiert und hilft Am- Dorfes noch „schöner“ gemacht werden. phibien bei ihrer Route über Straßen. Im

95 SCHÖNBRUNN

96 SILBER 1. Entwicklungskonzepte und Schönbrunn wirtschaftliche Initiativen Stadt Wunsiedel Schönbrunn, ein Pfarrdorf im Fichtelgebirge, Landkreis Wunsiedel im Fichtelgebirge mit seinen 851 Einwohnern, ist seit 1974 ein Oberfranken Ortsteil der Stadt Wunsiedel. Trotz der überschaubaren Größe des Dorfes kann es mit anderen einwohnerstarken Dörfern mit- halten. Denn hier weiß man um die enorme Bedeutung eines ausgebauten Breitband­ netzes und so wurde bereits 2013 der Breitbandanschluss realisiert und die Haus- halte verfügen nun über 100 Mbit/s. Im Zuge der Energiewende wird Strom und Wärme aus einem dezentralen Biomasseheiz- kraftwerk gewonnen, sodass damit 129 Haus- halte versorgt werden. Zahlreiche PV-Anla- gen auf den Hausdächern und regional Landrat: Dr. Karl Döhler betriebene Windkraftanlagen vervollständi- gen den sogenannten „Wunsiedler Weg“, mit Bürgermeister: Karl-Willi Beck dem die Region energieautark gemacht wird. Kreisfachberatung für Gartenkultur Zudem wird der bestehende Flächennut- und Landespflege: Christian Kreipe zungsplan mit integriertem Landschaftsplan überarbeitet und den neuen Bedürfnissen Einwohnerzahl: 851 Gemarkungsfläche: 670 ha angepasst. Dem demographischen Wandel wird in Dorferneuerung: ja Schönbrunn Rechnung getragen, denn für Betriebe in der Landwirtschaft Vollerwerbsbetriebe: 1 die Kinder gibt es Spielplätze – sogar einen Nebenerwerbsbetriebe: 1 Wasserabenteuerspielplatz. Außerdem gibt Betriebe in Industrie und Gewerbe: 62 es im Dorf eine bedarfsgerechte Betreuung für Kinder ab dem ersten Lebensjahr im Kin- dergarten, sowie Hortplätze für Schulkinder. Für die Versorgung der pflegebedürftigen Bürger gibt es die Diakoniestation Schön- brunn-Tröstau e. V. mit rund 300 Mitgliedern. Gewerbetechnisch sind eine Brauerei, eine künstlerisch tätige Firma, ein Firma für Gerüstbau, eine Spedition, sowie acht kleine

Schönbrunns spätmittelalterliche Geschichte ist die einer bedeutenden Montanregion. Der Erzabbau und die Holzkohlegewinnung erfolgten bis ins 18. Jahrhundert. Sprechende Namen wie Hammer- bühl, Furthammer und Krohenhammer zeugen davon. Durch Eisen- und Zinngewinnung war das Röslautal ein angesehener Bergbaustandort. Hier gelang dem innovativen Schmiedehandwerk der Veredelungsschritt zum Weißblechwalzen. 97 Betriebe und eine Reihe von Dienstleistern sogenannten Globetrotter heute meist ab- im Dorf angesiedelt, die sich ihren Unterhalt handen gekommen ist. Wenn man auf der „zuhause“ verdienen. Höhe der Zeit bleibt, dann ist ein Dorf nach Die Flurbereinigung 1960 bis 1970, sowie die wie vor ein Ort, wo auch die nachkommende Dorferneuerung von 1981 bis 1998 gaben Generation leben kann: Hier wohnen und Hilfestellung bei der Verbesserung der sich „dahoam“ fühlen. Arbeits- und Lebensbedingungen im Dorf. Straßen und Dorfräume wurden gestaltet. Die charakteristische Ortsstruktur mit ihrer regionaltypischen Bauweise wollen die Schönbrunner unbedingt erhalten. Dabei 2. Soziale und kulturelle Aktivitäten respektieren sie denkmalgeschützte Gebäu- de und sanierten bereits sechs Objekte auf Es gehört schon viel ehrenamtliches Engage- vorbildliche Weise. Die Restaurierung der ment dazu, eine eingestürzte Friedhofsmau- historischen Brauerei „Stammhaus Hopf“ er in Eigenleistung wieder aufzurichten. Und stellt bis heute noch eine große Aufgabe dar, dies ist ein Beispiel dafür, wie die Menschen die es zu bewältigen gilt. Zwischenzeitlich in dieser Dorfgemeinschaft zusammenhalten wurde ein Architekt mit der Planung für eine und ihr Kulturgut pflegen. Die Vereine leben Revitalisierung dieses großen Gebäudetrakts miteinander und nicht jeder für sich, sie beauftragt. haben gemeinsame Aktivitäten und treten In einem Dorf wünscht man sich Grünfläche, somit nicht in einen Konkurrenzkampf. Sie denn viel Natur zeichnet ein Dorf gegenüber geben somit auch der Jugend ein Heimatge- einer Großstadt aus. In Schönbrunn findet fühl, was sich auch darin zeigt, dass die Dorf- der Besucher viele alte Haus- und Hofbäume, jugend ihre eigenen Aktivitäten ausleben mit Weinstöcken berankte Hauswände, können. Besonders bemerkenswert sind die Hecken, Obstbäume, sogar Fledermausbäu- zahlreichen musischen Gruppierungen, die me und großzügig begrünte öffentliche Jung und Alt miteinander verbinden und alle Plätze, wie den für alle offenstehenden Stilrichtungen der Musik in ihrem Repertoire Gemeinschafts- und Kräutergarten oder mit haben, wie der Posaunenchor, die Jazzband Pflanzinseln geschaffenen Verkehrsbe­ oder die Brassband. Insgesamt gestalten ruhigungen. 22 Vereine ein vielfältiges und Geborgenheit Der persönliche Umgang miteinander im bietendes Soziale und kulturelle Aktivitäten. Dorf, das selbstverständliche Gespräch auf Es ist die Dorfgemeinschaft, die generatio- „Du und Du“, Gemeinsamkeit statt Isola­tion nenübergreifend Aktivitäten in der Landes- sind die Werte, nach denen sich der Mensch pflege, Kulturpflege und im kirchlichen Leben sehnt und heute wieder sucht. Dieser automa- übernimmt. Kinder werden in einem Kinder- tische Zusammenhalt schafft Heimat­gefühl garten schon früh mit dem Thema „Natur im und Wurzeln: Ein Gefühl, das dem Garten“ vertraut gemacht. Ganz versteckt durch eine wunderbare Eingrünung gibt es ein Wirtshaus mit einem Biergarten und einem Stammtisch. Der Dorfweiher ist ein idealer Treffpunkt zur Freizeitgestaltung – besonders für die Kinder. Viele denkmalgeschützte Gebäude zieren das Dorf. Umso trauriger stellt sich der historisch wertvolle Tanzsaal der „Langbräu“ dar: Eine umgehende Entrümpelung und Restaurierung ist angesagt, damit dies Räumlichkeiten wieder der so kulturbe­ flissenen Bevölkerung zur Verfügung steht 98 3. Baugestaltung und -entwicklung Details haben – sei es in der baulichen Art, aber auch in der Verbindung mit dem Garten. Schönbrunn, „ein Dorf voll Energie“ – mit die- Ebenso zu erwähnen sind die Häuser der sem Leitbild präsentiert sich das Dorf in der Familien Fischer, Göschel, Pöhlmann, Rettin- Gegenwart ohne Stillstand für die Zukunft. ger-Benker und Gonjewski, die mit hohem Die Geschichte des Dorfes, sei es mit der Huf- persönlichen Einsatz für ihr Haus und damit eisenform der Siedlung oder den zum Anger für das ganze Ortsbild wirken. Leerstände stehenden, giebelständigen Hofstellen, ist werden von der Dorfgemeinschaft aktiv ablesbar und in äußerst gepflegtem Zustand. angegangen, die Baudetails an denen sich Der Anger mit dem gemeinschaftlich ange- eine Sanierung orientieren muss sind alle im legten Badeweiher und der Brunnenanlage Ortskern vorhanden. bieten die Identifikation für die Dorfbewoh- Der gesellschaftliche Mittelpunkt findet sich ner. Hierzu sind die Räume der Hofstellen im Dorfwirtshaus, dem „Bräustüberl“ mit ausgerichtet: Es gibt sanfte Übergänge vom seiner tollen Gaststube, sowie dem neu ange- öffentlichen Raum über Gärten am Haus, legten dorfgerechten Biergarten wieder. Den naturnah gestaltete Hofräume, Fassaden­ Höhepunkt der Baugestaltung bildet jedoch begrünungen, bestehende Scheunenreihen die derzeit ungenutzte Gaststätte „Weißes in der zweiten Gebäudereihe bis hin zur Ross“. Der Tanzsaal der Familie Hopf ist ein Landschaft und dem phantastischen Über- Schatz innerhalb des Ortskerns der unbe- gang mit Nutzgärten und Streuobstwiesen. dingt gehoben werden muss. Dieser Saal ist Eine Abfolge von Räumen, von Übergängen wichtig für die Dorfgemeinschaft und kann wie im Bilderbuch. den positiven Blick von außen zusätzlich stär- SCHÖNBRUNN Bei den Gebäudestrukturen bildet die Kirche ken. Die ersten planerischen Ansätze sind das nach außen weit sichtbare Kennzeichen vielversprechend. Mit dieser Qualitätsdichte des Ortes. Dies ist laut dem ansässigen Pfar- an historischen Details, die überregionale rer das geistige „Kraftwerk“, die göttliche Bedeutung besitzen, wird es gelingen eine Kraft, aus der Schönbrunn entstanden ist. weitere Perle in der Reihe der vorbildlich Dieses Kirchenhaus samt Friedhof mit seiner sanierten Denkmäler in Schönbrunn vor­ in Eigenleistung instandgesetzten Mauer zeigen zu können. wird liebevoll von der ganzen Gemeinde gepflegt. Zusammen mit weiteren ortsbild- prägenden Häusern entsteht eine hohe bau- liche Qualitätsdichte. Vorbildlich zu erwäh- nen sind das Frackdachhaus der Familie 4. Grüngestaltung und -entwicklung Jena-Rauh, das reich geschmückte Haus der Familie Sirtl, das Haus der Familie Horn-Schür- Prägend für das „grüne Ambiente“ im Ort mann, welche hohen Vorbildwert in allen steht die Aussage bei der Präsentation des Ortes: „Alle Aktivitäten beginnen mit dem Eingrünen“. So finden sich sowohl im Altort, wie auch in den neueren Baugebieten viele Bäume und Hecken. Besonders auffallend sind die Haus- und Hofbäume. Gerade Obst- bäume zieren die Gärten. Mit dazu beigetra- gen hat die Aktion des Gartenbauvereins, der Nadelbäume gegen Obstbäume getauscht hat. So sind in den letzten Jahren an die 200 Bäume in den Gärten und entlang der Straßen gepflanzt worden. Auffallend sind die zahlreich vorhandenen Kletterpflanzen an den Häusern und an den 99 Nebengebäuden. Wohltuend sind die Grün- naturnahe Pflege können hier die Pflanzen streifen vor den Zäunen. Hier sollte nicht nur aussamen, was den Erhalt der Arten unter- ein kurz geschnittener Rasen im Vordergrund stützt. Ein weiterer Lern- und Erlebnisort für stehen. Dort wo es möglich ist, sollten Strei- Kinder ist der vom OGV nach ökologischen fen mit blühenden heimischen Pflanzen an- Kriterien betriebene Garten, der direkt neben gelegt werden. Damit könnte ein wichtiger dem Kindergarten liegt. Regelmäßig treffen Beitrag für die Insektenwelt geleistet werden. sich die Kinder, um Natur zu erleben, die ver- In einigen Gärten findet sich eine enorme schiedensten Kulturen anzubauen und die Vielfalt an unterschiedlichen Pflanzen. Diese Gemüse und Kräuter auch zu verarbeiten. könnten Anregungen für den gesamten Ort bieten. Einen Treffpunkt für Alt und Jung bildet die „obere Schwemm“. Dieser sanierte Dorfteich wird im Sommer und Winter für Freizeitaktivi- 5. Dorf in der Landschaft täten genutzt. Die Eingrünung ist gut gelun- gen. Ein traditioneller Ort ist die Milchkühlan- Wer vom Unterhang der Kösseine im Fichtel- lage, die mit dem Brunnen im Rahmen der gebirge nach Süden blickt, sieht eingebettet Dorferneuerung reaktiviert worden ist. Der in einen grünen Rahmen das Pfarrdorf Brunnen wird an Ostern festlich geschmückt. Schönbrunn. Während des hochmittelalter­ Etwas streng wirken die dort gepflanzten lichen Landesausbaues im Waldwiesenland Kugelahorne. des Nordgaues gegründet, war es eine Auch der Friedhof ist eingebettet in einen Rodungsherrschaft mit Schutzburg. grünen Rahmen. Hervorzuheben ist der Ausschlaggebend für die Ortswahl war die Ersatz der Pappeln an der Nordseite der Siedlungsgunst der Hanglage oberhalb der Mauer durch Ahornbäume. Eine Besonder- Röslauaue mit frischer Quellwasserver­ heit stellt der durch den OGV freigelegte sorgung. Das markante Bauwerk der im Kern Felsenkeller dar, der im Winter Fledermäusen romanischen Chorturmkirche „St. Peter“ einen Zufluchtsort bietet. Ein beliebter Treff- krönt die ruhig gelagerte Dachlandschaft des punkt ist die alte „Bürg“, eine noch erkenn­ sich ideal in die Topographie schmiegenden bare historische Wallanlage. Sie wird geprägt Dorfes. durch mächtige Bäume. Dieser Platz wird Im Inneren verbreiten ortsbildprägende, immer wieder für Feiern oder auch kulturelle große Bäume Behaglichkeit. Der nördliche Veranstaltungen genutzt. Dorfrand mit Bürg, Kirche, Friedhof, Felsen- Die Freiflächen um das Biomassekraftwerk keller, Anger, Brunnen und Schwemm bildet sind bedarfsgerecht gestaltet worden. Ein ein dörfliches Ensemble von hoher Qualität ökologisches Aushängeschild ist der Natur- mit harmonischem Übergang zur Landschaft. spielplatz in der Röslautalaue. Durch die Die Wallanlagen des spätmittelalterlichen Turmhügels sind heute von einem Birken- wäldchen bestanden. Die stimmungsvolle Anlage ist der älteste Kinderspielplatz Ober- frankens und ein beliebter Festplatz. Seit 1831 ist der „Schöne Brunnen“ bis heute ein Beispiel für dörflichen Gemeinschaftssinn. Die bemerkenswerte Rundanlage mit den quellwassergekühlten Milchkammern wird auch heute noch zur Fischhalterung, Kühlung und zum gemeinschaftlichen Apfelwaschen verwendet. Die Obstbäume des Dorfes werden von den Anwohnern und dem Gartenbauverein­ auch wieder gemeinsam 100 abgeerntet. Mit einer vereinseigenen Presse Die frei mäandrierende Röslau ist eine zen­ wird Saft hergestellt. So erfährt das Streuobst trale Biotopverbundachse mit einer gewäs- wertschöpfend eine gemeinschaftliche serbegleitenden Gehölzaue. Fledermäuse, Wertschätzung. Wasseramsel und der Biber haben hier ihren Der Ortsrand ist durch Bäume und Obstgär- Lebensraum. Die biologische Durchgängig- ten gefällig in die Umgebung eingebunden. keit für Äschen und Bachneunaugen konnte Auffällig viele Baumreihen, Streuobstzeilen mit Umgehungsgerinnen am Krohenham- und Hecken mit Blühsträuchern gliedern die mer und bei der Stollenmühle in Zusammen- Flur. Zwei landwirtschaftliche Betriebe aus arbeit mit der Wasserwirtschaft wieder dem Ort bewirtschaften die seit der Flur­ hergestellt werden. 60 ha zusammenhän- neuordnung in den 70er Jahren gut erschlos- gendes Grünland entlang des Flusses sind senen und geformten Grundstücke. Als ein zentraler Lebensraum für wiesenbrüten- Sonderkultur finden sich hier Erdbeerfelder. de Vogelarten und den Schwarzstorch. Die Vogelbeeren in der Flur werden geerntet Schönbrunn hat seine eigene Wasserversor- und in Wunsiedel zum Sechsämtertropfen gung aus den unterhalb der Luisenburg verarbeitet. gelegenen Quellen. Die Dorfgemeinschaft Die Biodiversität wird als wesentlicher war darauf bedacht, auch nach der Einge- Zukunftsfaktor für das Dorf gesehen. Das meindung ihr Hauptlebensmittel Wasser Leitbild für die Schönbrunner Kulturland- eigenständig zu gewinnen. Vom Umbau der schaft lautet: „Wir wollen mit den Grund- Energieversorgung auf erneuerbare Energien stückseigentümern und Nutzern die ökologi- durch die Stadtwerke Wunsiedel profitiert sche Vielfalt erhalten und verbessern“. Der das Dorf. Ein Biomassekraftwerk östlich des SCHÖNBRUNN naturnahe Umbau des Waldes hin zum Ortes mit Blockheizkraftwerk und Holzver­ klimabeständigen Mischwald hat an den gasern beliefert 130 Haushalte über ein Südhängen bereits begonnen. Die Mittel- Nahwärmenetz. wald-, Hecken- und Biotoppflege wird durch In Furthammer sollten am Radweg kulturhis- die ortsansässige Jägerschaft und die Land- torische Informationen zur Zinnwäsche und wirte geleistet. Der Gartenbauverein pflegt Industriegeschichte erfolgen. Hinweise auf das Streuobst und ist mit Projekten wie dem den „Schönen Brunnen“, die Bürg und die Erlebnisraum Röslautal in der Flur aktiv. Ein Kirche können zu einem Abstecher in den Ort kulturhistorisch, interessantes Heckengebiet animieren und Heimat und geschichtliche ist die „Vordere Leithe“, ein ehemaliger terras- Zusammenhänge erlebbar machen. Zur sierter Weinberg mit alten Obst und Nuss- Freizeitgestaltung lädt der Brückenradweg bäumen. Hier finden sich artenreiche Bayern-Böhmen, der Tröstau mit Asch verbin- Heckenstrukturen mit Äckern und Wiesen, det, ein. Der Wander- und Radlweg auf der auf denen Pferdeheu zwischen den schmalen ehemaligen Bahntrasse bietet abwechs- Terrassen erzeugt wird. 99 Weinstöcken lungsreiche Landschaftseindrücke. erinnern an die vormalige Nutzung. Schönbrunn ist ein Wohlfühldorf in einer Kulturlandschaft, die durch landschafts­ ökologische Leistungen mit bemerkenswert hoher biologischer Vielfalt punktet. Hohe Anerkennung verdienen die Schönbrunner für das Bewahren und Gestalten der Werte und Qualitäten ihrer geschichtsträchtigen oberfränkischen Landschaft auf Granit und Marmor. In diesem Sinne bleibt nur noch eins zu sagen: „Läuft!“

101 SEEG

102 SILBER 1. Entwicklungskonzepte und Seeg wirtschaftliche Initiativen Gemeinde Seeg Es war eine schwierige Ausgangslage für Landkreis Ostallgäu, Schwaben Seeg: Durch einen insolventen Betrieb gingen ca. 300 Arbeitsplätze verloren. Deswegen wurde im Dorf eine generelle wirtschaftliche Umstrukturierung eingeleitet, die nun in allen Bereichen als positive Entwicklung sichtbar ist. Es gibt inzwischen eine gesunde, durch- mischte Wirtschaftsstruktur mit heimischen Betrieben, die gut in das Dorf integriert sind und eine ansehnliche Zahl unterschiedlicher Arbeitsplätze bereitstellen. Dazu wurden leerstehende ehemalige Industriegebäude umgenutzt und zusätzlich ein kleinteiliges Gewerbegebiet in verkehrsgünstiger Lage Landrätin: Maria Rita Zinnecker geschaffen. In die Zukunft gerichtet und geeignet für größere Betriebe ist das neue Bürgermeister: Markus Berktold interkommunale Gewerbegebiet, das zu­ Kreisfachberatung für Gartenkultur sammen mit mehreren Nachbarkommunen und Landespflege: Birgit Wehnert/Friederike Scharpf entwickelt wird. Bemerkenswert ist die noch vorhandene hohe Anzahl von landwirtschaft- Einwohnerzahl: 2800 Gemarkungsfläche: 5700 ha lichen Betrieben, die zusätzlich zu ihrem Haupterwerb die intakte Landschaft als Dorferneuerung / Städtebauförderung: ja Potenzial für einen sanften Tourismus nutzen. Betriebe in der Landwirtschaft Vollerwerbsbetriebe: 94 Hervorzuheben ist auch die Vielfalt an Ver­ Nebenerwerbsbetriebe: 37 sorgungseinrichtungen – angefangen mit Betriebe in Industrie und Gewerbe: 286 unterschiedlichen Handwerksbetrieben, Betriebe in sonstigen Bereichen: - Dienstleistern und Einzelhandel. Zum Erhalt dieser funktionierenden Struktur hat sicher- lich die Reglementierung der Verkaufs­ flächengrößen im Gewerbegebiet ebenso einen entscheidenden Beitrag geleistet, wie der Beibehalt der verkehrsreichen

Ein Dorf im Allgäu, ein Dorf für Menschen, aber auch für Bienen: Seeg ist bekannt als „Honigdorf“, das sich zur Aufgabe gemacht hat, den Bienen einen natürlichen Lebensraum zu geben und den Men- schen die Arbeit der fleißigen Tiere näher zu brin- gen. Die Touristen, die den Luftkurort besuchen, oder auf dem Weg nach Neuschwanstein und Hohenschwangau sind, können in Seeg so einiges entdecken und bestaunen. 103 Hauptstraße in der Ortsmitte und der Neu­ Diese Dorfgemeinschaft hat sehr schnell die gestaltung des Straßenraums, der der dörf­ Nöte der Zeit erkannt und sich aktiv mit dem lichen Situation angemessen ist. Auch der Thema „Heimatsuchend“ auseinanderge- zeitgemäße Ausbau der dörflichen Infrastruk- setzt, indem sie Deutschunterricht und die tur mit dem öffentlichen Personennah­ Aufnahme in das tägliche Familienleben für verkehr ist hervorzuheben – besonders der 13 Asylbewerber ehrenamtlich anbietet. Sie neu errichtete „Moorbahnhof“. Das Energie- werden in die sportlichen und kulturellen konzept, das sowohl auf Nahwärmenetzen, Aktivitäten eingebunden. Der Zusammen- als auch auf regenerativer Stromerzeugung halt der Vereine ist so groß, dass sie es fußt, verdient höchste Anerkennung. geschafft haben, in vielen ehrenamtlichen In Seeg kann man den Erfolg einer voraus- Stunden das Schützen- und Trachtenheim zu schauenden Gemeindeentwicklung sehen, bauen, indem auch andere Vereine eine die das vorhandenen Planungsinstrumen­ Heimat finden und in dem viele gemeinsame tarium, wie beispielsweise Architektenwett- Treffen stattfinden. bewerbe, qualitätsvolle Bauleitplanung in In zahlreichen Vereinen und Vereinigungen funktionaler und gestalterischer Hinsicht und finden neben den „Alt“-Bürgern auch die die Möglichkeiten der Dorferneuerung „Neu“-Bürger sofort Kontakt zueinander, weil genutzt und über viele Jahre durchgehalten hier für jeden etwas generationenübergrei- hat. In der Zukunft sollte allerdings noch fend angeboten wird. Hier wäre es vor allem stärker auf eine kompakte Ortsstruktur empfehlenswert, dass die Freiwillige Feuer- geachtet werden, um den Tendenzen zur wehr eine eigene Jugendfeuerwehr aufbaut. Zersiedelung entgegen zu wirken. Bemerkens- und bewundernswert ist die kul- Auch deuten sich bereits die Herausforderun- turelle Förderung von Schülern in der Schule: gen der Zukunft an: So gilt es den Leerstän- Es wurde ihnen ermöglicht, die Säulen in der den im Ortskern entgegenzuwirken und die Eingangshalle künstlerisch zu gestalten. Problemstellungen des demographischen Wie viel den Bürgern auch die kirchliche Wandels bereits im Vorfeld zu erkennen und Kultur wert ist, sieht man daran, dass mit ihnen zu begegnen. Doch das dürfte für ein einer immensen Spendenbereitschaft und Dorf wie Seeg kein Problem sein, sind bereits ehrenamtlichen Engagement die „Kleine jetzt schon Ansätze für eine Weiterentwick- Wies“ – ihre Barockkirche – restauriert und zu lung vorhanden, wie an der Errichtung barri- neuem Glanz verholfen wurde. Auch bei der erefreier Wohnungen, dem Ausbau der Mo­ Beerdigungskultur haben die Seeger den bilität mit zusätzlichen Angeboten wie dem Wandel der Zeit erkannt, indem es ihnen Ruftaxi, oder der Weiterentwicklung der gelungen ist, in ihrem kirchlichen Friedhof, Willkommensstruktur in Bezug auf Zuwande- der von allen Konfessionen genutzt wird, die rer zu sehen ist. unterschiedlichsten Beerdigungsformen anzubieten; die unterschiedlichen Grab­ formen sind hierbei beispielhaft in die Hang- lage des Friedhofs integriert.

2. Soziale und kulturelle Aktivitäten

Einen bleibenden Eindruck hinterlässt das Caritasheim „St. Marien“, das seit über 70 Jah- 3. Baugestaltung und -entwicklung ren in beispielhafter Weise die Integration von ganz Klein bis Alt, von Kerngesund bis Kennzeichnend für Seeg ist die topographi- Gebrechlich unter einem Dach schafft. Diese sche Lage mit der städtebaulichen Domi­ Einrichtung ist beispielhaft und zieht sich wie nante der weithin sichtbaren Rokokokirche ein roter Faden durch das soziale und kul­ „St. Ulrich“. Diese wurde von 2004 bis 2007 turelle Leben des Dorfes. restauriert und stellt eine historische und 104 denkmalgeschützte Bausubstanz im Dorf Das Freihalten von wichtigen Sichtachsen dar. Viele Vereine und Seeger Bürger haben stellt eine wichtige Maßnahme zur Identifika- für die Restaurierung gespendet und freiwilli- tion und Orientierung des Dorfes dar. Die ge Helferstunden geleistet. Auch die positi- denkmalgeschützte Bausubstanz ist gut ven energetischen Lagebedingungen stellen erhalten und belebt, die regionaltypischen neben den baulichen Verzahnungen mit der Verschindelungen an privaten und öffent­ Landschaft unverwechselbare Bereiche dar. lichen Bauten werden gepflegt.

Im Altort ist der Bestand an maßstabgeben- Übergänge vom privaten zum öffentlichen SEEG der regionaltypischer Bausubstanz bemer- Raum sind dorfgemäß und bilden mit den kenswert und prägt das bauliche Zentrum ost-westausgerichteten ehemaligen Wohn- entscheidend. Diese vitale Ortsmitte vermit- stallhäusern eine starke Gesamtbauqualität. telt Geschlossenheit und wird durch die Architektenwettbewerbe für den neuen Innenentwicklung als Mittel zur Umnutzung „Moorbahnhof“, für die neuen Baugebiete, leerstehender Bausubstanz verstärkt. Es ist für die Grundschule mit Sporthalle oder für nicht verwunderlich, dass Seeg den Sonder- das Gemeindezentrum mit Rathaus und preis des Bayerischen Staatsministers für Veranstaltungssaal versprechen neue Quali- Ernährung, Landwirtschaft und Forsten für tät in der Baugestaltung und stehen in der „die Stärkung der funktionalen Struktur des Tradition des Altortes. Altortes“ erhält. Der Ortskern ist weiter Empfehlenswert wäre im Neubaugebiet der geprägt vom Dorfanger mit seiner grünen stärkere Umgang mit der Topographie und Mitte, von der Kirche, dem Heimatmuseum der Verzicht auf unnötige Stützmauern. und dem Gemeindezentrum. Ziel ist es, den Insgesamt wäre auch das Halten der Qualität Kernortcharakter zu erhalten und die über die Dorferneuerung hinaus anzuraten. Mischnutzung von Wohnen, Gewerbe und öffentlichen Einrichtungen zu stärken.

105 4. Grüngestaltung und -entwicklung

Der ausgeprägte Gemeinschaftssinn der Seeger Bürgerinnen und Bürger drückt sich in dem „Dorfanger“ aus, der in dieser Größe als Besonderheit zu bezeichnen ist und eine soziale und ökologische Funktion besitzt. Als Naherholungsgebiet im Ortskern und ohne Bebauung dient er als grüne Mitte. Von hier können Obstbaumplantagen, der ländliche Charakter, die Kneippanlage, der Barfußpfad, der Kinderspielplatz, die Minigolfanlage oder der Bienen-Erlebnispfad genossen und bestaunt werden. Besonderes Verständnis für natürliche Zusammenhänge zeigt die Bevöl- Besonders hervorzuheben ist das Konzept, kerung des „Honigdorfs“ in der Auswahl der nach dem die Gemeinde mit fachlicher vielgestaltigen Bepflanzung, die den Bienen Unterstützung der Kreisfachberatung zur ausreichend Nahrung bietet. Begrünung des Neubaugebietes den Kauf Gepflegte Obstbäume zeugen von einer tief von Pflanzen finanziell fördert. Dies wirkt sich verwurzelten Obstkultur, die entlang des positiv sichtbar auf die grüngestalterischen Bienenlehrpfades beispielhaft zum Ausdruck Qualitäten im Wohnumfeld aus und sollte zur kommt. Den dörflichen Charakter unterstrei- Nachahmung anregen. chen nachahmenswerte Beispiele, bei denen Als vorbildlich kann der Grünbereich um die auf versiegelte Hofflächen verzichtet wurde. Schule genannt werden, der gut eingegrünt ist und mit dem integrierten Schulgarten den Kindern ausreichend Freiraum zur Naturer- fahrung bietet. Außerdem ist an dieser Stelle auch der Dorfweiher im Dorfanger-Biotop zu loben oder der Baumcheck der Blumen­ freunde für die Neupflanzung der durch den Sturm „Niklas“ beschädigten Linde. Hier wird wieder deutlich, dass sich das Dorf Seeg um seine Natur und seine Landschaft bemüht. Dieses Gespür für die Natur zeigt sich auch beim terrassiert angelegten Friedhof: In seiner harmonischen Gestaltung ist er vor- bildlich und vermittelt eine dem Ort ange- messene Würde. Einen Beitrag zur Erhöhung der Artenvielfalt könnte hier eine vermehrte Pflanzung von Stauden auf den Grabflächen leisten.

5. Dorf in der Landschaft

„… die Tage, die ich in Seeg zubrachte, wohl die glücklichsten meines Lebens gewesen sind. Niemals war ich ein besserer Mensch, 106 auch nirgends zufriedener, ja seelenvergnüg- ter…“, schrieb einst der ehemalige Kaplan von Seeg, der zugleich Schriftsteller war. Man kann ihm nur Recht geben – Seeg ist ein Dorf mit einer traumhaften Panoramalandschaft der Allgäuer Berge. Es liegt im südlichen Allgäu und ist ein Ort, an dem sozusagen

Milch und Honig fließen. SEEG Überdies hinaus beschreibt sich Seeg selbst als „ein Dorf zum Schwärmen – für eine intak- te Natur, für eine gesunde Zukunft“. Hier kann man in der Natur Radfahren, Walken, Skifah- ren oder spazieren gehen und so die Land- schaft in und um das Dorf erkunden. Die Beschilderung der Wege und der Sehenswür- ein einzigartiges Projekt verwirklicht worden, digkeiten sind vorbildlich beschildert. Eine das Seeg so besonders macht. Mit einer Überlegung an dieser Stelle wäre, einen Erlebnisimkerei und dem Bienenhaus für bis Kapellen- und Grotten-Rundgang mit alten zu sieben Bienenvölker kämpft Seeg für die Bildstöcken sowie Flurkreuzen auszuweisen. Natur. Außerdem wurde ein Bienen-Erlebnis- Zudem könnten Naturdenkmäler mit dem pfad eingerichtet mit zwölf Stationen. Vom Landschaftsschutzgebiet noch mehr zu den Heimatmuseum aus führ ein Rundweg zum Jahreszeiten bzw. Blühzeiten beworben und Dorfanger. Auch hier steht der Kinderspiel- ausgeschildert werden. platz unter dem Motto „Biene“. Von hier aus Insbesondere hervorgehoben ist die Einbin- kann man am Weiher vorbeischländern und dung aller Handwerker und Dienstleister das Wildbienenhotel entdecken. sowie der Landwirte in der Wahrnehmung Man merkt, bei diesem Projekt wurde an „Dorf in der Landschaft“. Alle tragen zu der einem Strang gezogen. Mehr von diesen Gestaltung bei und man spürt die Verbun- spürbaren, gemeinsamen Ambitionen denheit mit ihrem Ort. wünscht man sich im Dorf. Beispielsweise Seeg wird auch als das „Honigdorf“ im Allgäu könnte die Gewässerentwicklung oder die bezeichnet. Es ist eine Besonderheit im Dorf Lohbach-Renaturierung in einem gemein­ – der Honig hat in Seeg schon eine 100-jähri- samen Konzept vorangebracht werden. „Wir ge Tradition. Hier werden Einblicke über die alle sind Seeg“ heißt der Dorfgeist – des­ Biene, ihre Erzeugnisse und ihre Lebens­ wegen dürfte dies keine Herausforderung für räume, sowie über Gefahren und den Beruf die Gemeinschaft sein, die die Skulptur des Imkers gegeben. Mit Hilfe von Imkern, „Gemeinsam unsere Zukunft gestalten – Landwirten, Gewerben und Tourismus ist hier Agenda 21“ im Dorfanger gestaltet hat.

107 STEPPACH

108 SILBER 1. Entwicklungskonzepte und Steppach wirtschaftliche Initiativen Gemeinde Pommersfelden Topografisch liegt Steppach an den Aus­ Landkreis Bamberg, Oberfranken läufern des Steigerwalds in der Flussaue der „Reichen Ebrach“ – mit 937 Einwohnern ist Steppach der größte der insgesamt zehn Ortsteile der Gemeinde Pommersfelden. Mit einem Anteil von 22 Prozent bei Kindern und Jugendlichen unter 18 Jahren liegt das Dorf somit deutlich über dem landesweiten Durchschnittswert. Früher war der Ortskern landwirtschaftlich geprägt, was man deutlich an der Gebäude- struktur erkennen kann. Steppach ist ein sogenanntes Haufendorf, da es durch seine ost-west-verlaufende Hauptstraße geteilt wird. Liebevoll renovierte Häuser und Innen- Landrat: Johann Kalb höfe, sowie historische Hofstrukturen mit stolzen Wohnhäusern und Nebengebäuden Bürgermeister: Hans Beck prägen das Ortsbild und in allen Genera­ Kreisfachberatung für Gartenkultur tionen ist das ländliche Leben spürbar. und Landespflege: Uwe Hoff, Alexandra Klemisch Steppach kann so einiges für sich „ver­ Claudia Kühnel buchen“: Die Anzahl der Handwerks,- Ge­ Einwohnerzahl: 937 Gemarkungsfläche: 118 ha werbe- und Dienstleistungsbetriebe ist mit 30 vergleichsweise hoch, wodurch vor Ort Dorferneuerung: ja viele Arbeitsplätze vorhanden sind. Hier ist Betriebe in der Landwirtschaft Vollerwerbsbetriebe: 4 die medizinische Versorgung durch eine im Nebenerwerbsbetriebe: 9 Ort vorhandene Praxis gewährleistet. Doch Betriebe in Industrie und Gewerbe: 30 auch in Sachen Vernetzung kann Steppach punkten. Die Gemeinde Pommersfelden ist verkehrstechnisch sehr gut verbunden. Mit der unmittelbaren Lage an der A3 und dem Anschluss an die B505 sowie an die A73 lassen sich die kulturellen und wirtschaft­ lichen Zentren des Umlandes problemlos erreichen. Durch die Anbindung an die

Der belegte Ortsname „Stetebach“ verlieh dem Dort seinen Namen – er bezeichnet den stetig fließenden Bach im Ort, den es noch heute gibt. Seit der Barockzeit legen die Steppacher Wert auf die Nachhaltigkeit. Es ist ein Dorf mit besonderem Charme, der wohl durch die unvergleichliche Land- schaft geprägt ist, aber auch von den Bürgern selbst mit einer standortgerechten Landbewirtschaftung, einer landschaftsökologischen Balance zwischen Schützen und Nützen und einer behutsamen Bau- leitplanung über Generation hinweg erhalten blieb. 109 Wirtschaftszentren Bamberg, Erlangen, Nürn- diesem Umfang nur möglich, wenn das ganze berg und Würzburg ist Steppach ein idealer Dorf zusammenhilft. Selbst die Kindergarten- Ausgangspunkt für vielfältige Aktivitäten in kinder haben hier ihren eigenen Part bei ganz Franken. Die Großbetriebe Schaeffler diesem Fest. und Siemens sind sogar mit eigenen Werks- In diesem Dorf im Kindergarten zu spielen ist bussen erreichbar und machen damit ein eigenes Erlebnis, da ihnen Möglichkeiten Steppach als Wohnstandort noch attraktiver. geboten werden, die es sonst kaum wo gibt: So erklärt sich die Verdoppelung der Dieser Kindergarten verfügt neben einem Bevölkerung seit den 1960-er Jahren. Matschplatz auch über eine Beerenobst­ Durch die im Jahr 1986 begonnene Dorf­ hecke, von der genascht werden kann und erneuerung mit Kosten von 3,8 Mio. Euro einen Gemüsegarten zur Selbstversorgung. wurde der Ortskern von Steppach enorm Ein anderer besonders der Jugend zuge- aufgewertet: Die Neugestaltung der Molke- wandter Verein ist die Freiwillige Feuerwehr, reigasse, der Fröschgasse und des Dorfplat- die es mit ausgefallenen Übungen schafft, zes mit allen Baum- und Randbepflanzungen die Jugendlichen zu begeistern. Die Land- ergeben ein harmonisches Dorfbild. Mit der frauen hegen und pflegen gemeinsam die Fortschreibung der Flächennutzungs­ Traditionen der alten Backkünste, wobei der planung mit integriertem Landschaftsplan Erlös des Verkauften bei den Vereinen bleibt. im Jahr 2013 hat die Gemeinde Pommersfel- Neben dem sehr aktiven Gartenbauverein den ihre Dörfer „fit für die Zukunft“ gemacht. mit seiner sehr ausgeprägten Jugendgruppe Auch in Sachen Energie ist man „up to date“: bieten natürlich zahlreiche Sportvereine Bereits 2012 erfolgte der Breitbandausbau generationenübergreifend jegliche Freizeit- und 43 PV-Anlagen zeugen von Innovation gestaltung. Die Kommune leistet für diese im Bereich der erneuerbaren Energien. Wei- vielseitigen Aktivitäten immer wieder groß- ter wird Energie in einer Biogasanlage mit zügige finanzielle Unterstützung. Leider ver- 80 % Gülleeinsatz erzeugt. Am Anstieg des kommt das historische Bauwerk des Feuer- Steigerwaldes stehen Windräder und eine wehrhaus im Zentrum des Dorfes mehr und Kurzumtriebsplantage dient der energe­ mehr: Es müsste liebevoll saniert werden und tischen Holznutzung. Steppach ist ein grünes böte einen geeigneten Ort, beispielsweise und sozial lebendiges Dorf, das nicht ein Feuerwehr-Museum einzurichten. stehenbleibt, sondern sich stetig weiterent- Bei all dem lebendigen Tun sind die Senioren wickelt. in der Gemeinde aber nicht vergessen – im Gegenteil: die Kirche und die VHS Bamberger Land/Außenstelle Steppach kümmern sich um ihre betagten Mitbürger.

2. Soziale und kulturelle Aktivitäten

Die Bürgerschaft ist das Fundament für das soziale und kulturelle Handeln in der ökume- nisch geprägten Gemeinde mit einer Vielzahl von engagierten Vereinen und Verbänden. In diesen generationenübergreifenden Verei- nen nimmt die Jugend einen besonderen Stellenwert ein. Am deutlichsten zeigt sich dies am Kirchweihfest, der „Kerwa“: Es wurde ein eigener Burschenverein gegründet, der es über Jahre geschafft hat, diese Tradition lebendig zu halten und das gesamte Dorf mit einzubeziehen. Dieses Fest ist aber auch in 110 3. Baugestaltung und -entwicklung

Zwei Straßen durchziehen den Altort: Der südliche Straßenzug, der die alte Siedlungs- struktur des Haufendorfs nach wie vor erken- nen lässt mit dem Merkzeichen der barocken Kirche, sowie die nördlich gelegene Haupt- verbindungsstraße, die mit einem Bachlauf vom südlichen Bereich getrennt ist. Die ursprünglichen Hausformen sind hierbei gut erkennbar. Im Laufe der Zeit haben sich nach Norden hin in mehreren Abschnitten Siedlungsgebiete entwickelt. Einige Landwirte sind wegen der in die nächste Generation. Ziel der Gemeinde Enge des Altortes ausgesiedelt, um in der kann es nicht nur sein auf Wachstum zu

Fläche wirtschaftlicher arbeiten zu können – gehen und die magische Zahl von 1000 Ein- STEPPACH am östlichen Ortsrand hat sich ein neues wohnern zu erreichen. Vielmehr geht es Gewerbegebiet angesiedelt. darum, einen sorgsamen Umgang mit den Der Dorferneuerungsprozess hat dem Dorf vorhandenen Potenzialen zu führen. sichtlich gut getan: Es wurden zahlreiche Das positive soziale Engagement der Steppa- öffentliche Maßnahmen umgesetzt, wie die cher, ja gerade diese Wucht, diese Energie Entsiegelungsmaßnahmen mit attraktiven des Dorfes kann diese Ziele erreichen. Es gilt Straßenraumgestaltungen zeigen. Es wurden sensibel den Prozess der Innenentwicklung fließende Übergänge vom öffentlichen mit innovativen Nutzungskonzepten und Straßenraum zum privaten Innenhof einer attraktiven Baugestaltung umzusetzen. geschaffen und die Pflanzmaßnahmen Dazu ist jedoch als wichtigster Punkt die stellen eine direkte Verwurzelung der Bevöl- soziale Bereitschaft zur Veränderung zu nen- kerung mit dem Ort dar. Im Privatbereich sind nen. Nach dem Motto der Steppacher: „… in hervorragende Sanierungen entstanden, an die Zukunft im Miteinander der Generatio- denen sich weitere Instandsetzungsmaß­ nen“ kann diese Aufgabe auf jeden Fall gelin- nahmen schulen lassen. Die zu nennenden gen. Vorbilder sind die Kirche mit ihrem gesamten näheren Umfeld, welches von höchster ge- stalterischer Qualität ist – sowohl im Freiraum als, auch in der Baugestalt. Die Empfehlung für die Zukunft lautet: 4. Grüngestaltung und -entwicklung „Innenentwicklung vor Außenentwicklung“. Es muss das Augenmerk auf die großen, Der „junge Ort“ Steppach präsentiert sich als ortsbildprägenden Scheunen im Ortskern „grüner Ort“. Mit dazu beigetragen hat die gelegt werden. Viele davon stehen leer oder Dorferneuerung, bei der eine Reihe von sind ungenutzt. Hier können Konzepte zur Pflanzmaßnahmen verwirklicht wurden. Eine Umnutzung entwickelt werden, dazu braucht starke Motivation hat auch die Beteiligung es Bereitschaft zu Beratung. Eine Umnutzung am Wettbewerb gebracht: Zur Vorbereitung oder Reaktivierung dieser Bausubstanz bietet auf den Wettbewerb wurden 25 Projekte die Möglichkeit einer Nachverdichtung und verwirklicht und viele Pflanzungen durchge- hat den Effekt, dass der Ortskern weiter führt. Die Maßnahmen werden sich in der belebt wird und lebendig bleibt. Zukunft sehr positiv für den Ort auswirken. Das Thema der Innenentwicklung bedingt Um die Bereiche entsprechend zu pflegen, auch die alten Siedlungsgebiete zu beobach- wurde ein Pflegeplan erstellt, in dem Garten- ten, hinsichtlich Altersstruktur und Übergabe bauverein und Anlieger gemeinsam Hand 111 anlegen. Paten für Bäume sorgen für Akzep- er Leben aus. Ansprechend sind auch die tanz und die Pflege. Beispielhaft ist die Urnengräber. Bei zukünftigen Pflanzungen Gestaltung von Freiflächen mit Insektennähr- sollte auch im Innenbereich des Friedhofs auf pflanzen. Durch eine entsprechende exten­ die Verwendung von Laubgehölzen geachtet sive Pflege können sich die Pflanzen dort werden. Ökologisch sehr wertvoll ist der vor- langfristig erhalten. gelagerte Bereich mit den freigelegten Kellern. Positiv anzuerkennen sind die Vernetzungs- Die bürgerlichen Initiativen in der Grünent- strukturen, die den Tierarten als Wanderach- wicklung werden in Steppach gelebt: Mit der sen dienen. Als Beispiel sind die Allee zur Erstellung eines Jahrespflegeplanes der Dorf- Mühle, der Froschweiher mit seinem Weiden­ bewohner für die öffentlichen Grünflächen tipi, die Pflanzungen am Pendlerparkplatz wird deren Instandhaltung geplant und oder auch die Bepflanzung am Verkehrskreisel bewusst durchgeführt. und die Bäume entlang der dortigen Straßen zu erwähnen. Um die Generationen zusam- men zu führen, ist ein „Generationenpark“ geplant. Bei der Umsetzung des Projektes sollte das dort vorhandene Kleingewässer 5. Dorf in der Landschaft naturnah ausgebaut werden. Gleiches gilt für den Stöckleinsbach im Inneren des Ortes. Er Oberhalb des reichen Ebrachgrundes, am ist stark eingeengt durch die Befestigungen. ersten Aufschwung des Steigerwaldes, liegt Der Grünstreifen könnte jedoch naturnäher in eine Mulde geschmiegt Steppach, das seit gestaltet werden. Erwähnenswert ist auch der Barockzeit dem gegenüberliegenden die Gestaltung des Lindenbrunnens mit der Schloss Pommersfelden seine Landschaft dort neu gepflanzten Linde, die als Ersatz für „leiht“. Als unvergleichlich hat der Bauherr die in der Nähe aus Altersgründen gefällte Lothar Franz von Schönborn die landschaft­ Linde zu sehen ist. liche Lage des Schlosses, einem Glanzstück Hervorzuheben ist auch die Heranführung barocker Architektur in Europa, bezeichnet. der Kinder an die Natur bereits im Kindergar- In der japanischen Gartenkunst gibt es den ten. Dort können die Kinder in einem Begriff der „Geliehenen Landschaft“. Erst das ca. 6000 m² großen Gelände Natur erfahren. Zusammenspiel mit der umgebenden Land- Es wird hier bewusst auf zu viel Geräte ver- schaft schafft das Gesamtkunstwerk. Dies gilt zichtet und mit einfach gestalteten Räumen besonders für die nördlich des Schlosses ge- eine hohe Aufenthaltsqualität erzielt. Mit legene Steppacher Landschaft. Das Dop- Unterstützung des Gartenbauvereins wur- pelthema des Barocks – Konzentration und den Kräuterbeete angelegt. Ausdehnung – findet hier mit dem einheit­ Als ein besonderer „Ort des Lebens“ zeigt sich lichen Volumen des Schlosses, das die Land- auch der Friedhof: Eingebettet in Grün strahlt schaft beherrscht und gleichzeitig über das

112 davorliegende Parterre in diese ausstrahlt, gefunden haben. Straßenbegleitende Baum- seinen Ausdruck. Heute befindet sich an reihen, Streuobst, eine typisch fränkische Stelle des niedrigen Repräsentationsgartens Nussbaumreihe auf einem Ranken, der park- ein Park mit großkronigen Gehölzen. artige Friedhof mit seinen ehrwürdigen Groß- Am Erscheinungsbild des Waldes können die bäumen und die anschließenden 15 reno- historischen Herrschaftsgebiete mit ihren vierten Felsenkeller in der Lehmgrube, der unterschiedlichen wirtschaftlichen Anforde- Froschweiher, die Flurhecken und die Ver- rungen heute noch gut abgelesen werden: bundachse des Stöckleinbaches binden das Buchenwälder stehen für die Ebracher Zister- Dorf gut in die Landschaft ein. zienser, die kurzschäftiges Holz benötigten, Es gibt etliche bezeichnete Wanderwege für kiefernreiche Wälder mit Langholzertrag für die ortsnahe Freizeitnutzung. Eine Variante die Bamberger Herrschaft. Die sanften Hänge der überörtlichen „Fürstbischöflichen Rad- des Mittelgebirgsanstieges werden acker- wegroute“ führt durch Steppach. Am westli- baulich genutzt, die regelmäßig über- chen Ortsrand liegt das familiäre Sportgelän- schwemmte weitläufige Ebrachaue ist stand- de, das von den Vereinen gepflegt wird und ortgemäßes, oft extensives Grünland. Die als Besonderheit einen als Tischtennishalle STEPPACH naturnahe Teichwirtschaft am Stöckleins- ausgebauten ehemaligen Stall aufweist. bach kündet als kulturlandschaftliches Sechs Imker erzeugen Honig und sorgen Element bereits vom südlich beginnenden durch ihre Bienen für Blütenbefruchtung, Karpfenland des Aischgrundes. eine auch für das Gemeinwohl wichtige Auf- Stolz sind die Steppacher auf ihre schwarzen gabe. Eine Besonderheit sind die Ochsenhör- und weißen Störche. Ein seit Jahren wieder- ner – weiße Rüben mit lokaler Samennach- kommendes Storchenpaar mitten im Ort ist zucht. Kochen mit autochthonen regionalen sichtbares Zeichen für das breite Nahrungs- Produkten ist ein Trend aus der jungen skan- angebot in der Flur und das gute Miteinander dinavischen Küche, der zum Beispiel bei den von Mensch und Kreatur. Der Ebrachgrund Kochevents der Kräuterpädagogin geübt mit seinen teils großflächig biotopkartierten werden kann. Ein interessanter pädagogi- Bereichen ist eine „Naschlandschaft“ für scher Ansatz ist der Schulbauernhof mit Störche, Wiesenweihen, Bekassinen und Gro- Landschulheim und Umweltstation: Hier wird ße Brachvögel. Zur Artenvielfalt in der Flur zur Wissensvermittlung die Zusammenarbeit tragen auch die seltenen Arten wie Ringel- mit örtlichen Landwirten angestrebt. natter, Knoblauchkröte, Fledermäuse und der Für die Zukunft ist den Steppachern zu wün- Biber bei. schen, dass sie das Erbe ihrer Kulturland- Die Aufgeschlossenheit der Steppacher für schaft bewahren und weiterentwickeln. In ihr Dorf und ihre Landschaft zeigt sich am in- den Ackerlagen ist an geeigneten Stellen tensiven ehrenamtlichen Arbeitseinsatz. Die sicher noch Platz für einige Eichen und Ziele des neu überarbeiteten Landschaftspla- Walnussbäume. nes von 2013 wurden aufgegriffen und von den Steppacher Bürgern vielfach umgesetzt. Die extensive Bewirtschaftung des Ebrach- grundes wird schon lange gutgeheißen und ist in die landwirtschaftlichen Betriebsab­ läufe integriert. Die Neubaugebiete sind umfangreicher als der Altort. Viele Bewohner pendeln ins nahe Bamberg. Die bauliche Entwicklung Stepp- achs konnte organisch in die Landschaft integriert werden. Dies gilt auch für die vier Aussiedlerhöfe der Vollerwerbsbetriebe, die angemessene Plätze im Außenbereich 113 WIESENFELDEN

114 BRONZE 1. Entwicklungskonzepte und Wiesenfelden wirtschaftliche Initiativen Gemeinde Wiesenfelden Wiesenfelden hat, wenn man von heute aus Landkreis Straubing-Bogen, Niederbayern in die Zukunft blickt, eine gute Ausgangs­ lage: Die Bevölkerungsentwicklung weist in Folge von Zuzügen eine leichte, aber stetige Zunahme auf, die Infrastruktur ist mit Kita, Schule und Seniorenzentrum auf alle Alters- gruppen ausgerichtet und die Stromein­ sparung und die Stromerzeugung aus rege- nerativen Quellen haben einen hohen Stellenwert. Auch eine interkommunale Zusammenarbeit wurde angestoßen. Wiesenfelden ist ein qualitätsvoller Wohnort, dem es leider an Arbeitsplätzen fehlt. Auch in der Ortsentwicklung wurde vieles erreicht, dafür steht der neue Dorfplatz und die kom- Landrat: Josef Laumer munalen Einrichtungen entlang des Weihers mit dem erwähnenswerten barrierefreien Bürgermeister: Anton Drexler Rundweg. Bemerkenswert ist die Einbezie- Kreisfachberatung für Gartenkultur hung des Naturraums in den Ort, die Nut- und Landespflege: Harald Götz, Hans Niedernhuber zung der landschaftlichen und natürlichen Potenziale. Dabei war ganzheitliches Denken Einwohnerzahl: 874 Gemarkungsfläche: 7800 ha und hochwertige Planung unter Einbezie- hung von Architektenwettbewerben sowohl Dorferneuerung / Städtebauförderung: ja in städtebaulicher Hinsicht, als auch bei der Betriebe in der Landwirtschaft Vollerwerbsbetriebe: 121 Konzeption der einzelnen Gebäude ein Nebenerwerbsbetriebe: - zentraler Aspekt. Betriebe in Industrie und Gewerbe: 303 Allerdings sind noch sehr große und wertvol- le Potenziale im Ort vorhanden, die noch nicht voll ausgeschöpft und genutzt werden. Hier ist vor allem das Schloss, einschließlich Ökonomie und Umgriff zu nennen. Das Um- weltzentrum Schloss Wiesenfelden hat seit langem eine überregionale Ausstrahlung. Um den Weiterbetrieb und seine Bedeutung

„Steh ich da droben auf der stillen Grotte Höhn, wie lieblich ist die Aussicht auf die vielen Seen. Sankt Rupert hoch am Berg, sein Kirchlein schlicht – Hier ruht der Wandrer aus, schaut weit umher.“ Die zweite Strophe des „Wiesenfeldener Heimatliedes“ hat die Besonderheit des Dorfes auf den Punkt gebracht: Von der Hochebene aus sind Ausblicke auf die „Seenlandschaft“ Wiesenfeldens möglich – mit all den Weihern, Mooren und Naturschutz­ gebieten. 115 auch für die Zukunft zu sichern, ist eine Sanierung der Gebäude und die Instandhal- tung des Umfeldes sowie die Einbeziehung des Areals in den Ort eine zentrale Aufgabe. Dies kann nur gelingen, wenn alle Akteure wie Eigentümer, Gemeinde, Landkreis und staatliche Stellen gemeinsam daran arbeiten und auch alle zur Verfügung stehenden Fördermöglichkeiten ausgeschöpft werden. Wiesenfelden wird diese Aufgabe in Zukunft sicherlich lösen, so wurde bereits ein erster Schritt in die richtige Richtung mit dem Beginn der Sanierung des denkmalgeschütz- ten Gerichtshalterhauses als Bestandteil des Ensembles gemacht. zudem gibt es jährlich ein Kinderstück an der Es bleibt zu wünschen, dass diese große Auf- Seebühne. Weitere Überlegungen hinsicht- gabe gelingt, da dies nicht nur für Wiesen­ lich eines Open-Air Konzerts oder eines Som- felden eine große Aufwertung bedeuten merkinos an der Seebühne sind noch im würde, sondern auch ein Gewinn für die Reifen. Region wäre. Und nicht zuletzt ist Wiesenfelden auch ein offenes, der Zukunft zugewandtes Dorf. Das hohe bürgerschaftliche Engagement und das rege, 55 Vereine umfassende Vereinsleben tragen das Dorf. Die Angebote mit Krippe, 2. Soziale und kulturelle Aktivitäten Kindergarten, Hort, Schule, betreutem Woh- nen und Pflegeheim sind umfänglich für alle „Barfuß durch den Schnee und es tut mir gar Generationen. Die gute Nahversorgung und nicht weh“ – Dieses Lied, gesungen von den die Anbindung an den ÖPNV und das Breit- Kindern des Kneipp-Kindergartens in Wie- bandnetz sowie der Discobus vernetzen das senfelden, umschreibt wunderbar den Dorf mit den anderen Gemeinden und schaf- Grundgedanken: „Die Natur braucht uns fen zusammen mit weiteren Angeboten, wie nicht, aber wir brauchen die Natur“, der im einem Jugendraum, ein lebenswertes Um- ganzen Ort spürbar und sichtbar ist. Dabei feld. hat Wiesenfelden noch viel mehr Seiten. Das Motto „In Wiesenfelden rührt sich was“ Wiesenfelden ist ein natürliches Dorf, dies ist überall zu erkennen und so befindet sich manifestiert sich zum einen durch die im der Ort auf einem sehr guten und nachhal­ Schloss ansässige Umweltbildungseinrich- tigen Weg hin zu einem Dorf, in dem es sich tung, die überregional bekannt ist, aber auch gut arbeiten, leben und feiern lässt. allen Dorfbewohnern mit verschiedenen Angeboten offensteht. Zum anderen findet sich hier ein wunderbar gepflegter Schulgar- ten an der Inklusionsschule, der schon über 25 Jahre alt ist. Ein Kräutergarten und ein 3. Baugestaltung und -entwicklung Blindentastpfad erweitern das Angebot auch für Menschen mit Handicap. Wiesenfelden kennzeichnen drei bauliche Wiesenfelden ist auch ein musisches Dorf: Es Schwerpunkte: das Schloss mit Ökonomie, gibt ein breites Angebot für Musik- und Thea- der Bereich der Schule mit Kindergarten und terbegeisterte. Die alle zwei Jahre stattfin- dem Seniorenheim und das neue Rathaus denden Festspiele werden von den Wiesen- mit Bürgersaal und Seebühne. Das Schloss feldern selbst gestaltet und aufgeführt und wird genutzt und enthält ein überregional 116 bekanntes Umweltzentrum, sowie ein natur- privaten zum öffentlichen Bereich könnten kundliches Museum mit Ausstellungen wie dorfgemäßer und selbstverständlicher ge- „Lebensraum Weiher“, „Kleiner Bruder Biber“, staltet sein. Zudem könnten bauliche Leer- „Unser Dorf in alten Zeiten“ oder die Medien- stände im Sinne einer geplanten Innenent- station „Wenn Fische reden könnten“. wicklung untersucht und einer neuen Architektonisch erwähnenswert ist der Nutzung zugeführt werden. Grundriss des Schlosses, der nicht wie ange- Die Dorfmitte ist hervorragend gelungen: nommen ein Viereck, sondern ein Fünfeck Der im Jahr 2014 neugestaltete und ein­ darstellt. Außerdem wird das Schloss von geweihte „Georgsplatz“ spricht für sich – ein einem Wildnisgelände umrahmt, bei dem Vorbild daran könnte man sich für den Öko- auch für die ganz Kleinen viel geboten ist. nomiebereich des Schlosses nehmen, der Der Gutshof könnte sich ein Beispiel daran unbedingt für die Zukunft gesichert und nehmen – noch wird er seiner städtebau­ weiterentwickelt werden muss, damit Wie- lichen Bedeutung nicht ganz gerecht. Doch senfelden seine ganze Schönheit entfalten den Wiesenfeldern wird sicherlich eine kann. Lösung dafür einfallen. Es wird den Dorfbewohnern gelingen, ihr Die Verbindung des extensiv genutzten Wiesenfelden weiterzuentwickeln. Wie viel Weihers mit guter neuer Architektur stellt Potenzial in den Bürgern liegt, sieht man am einen besonderen Wert dar, der auch durch restaurierten Felsenkeller, der unterhalb der den neu erbauten Holzverbindungssteg ver- Mariengrotte liegt. Früher gehörte der Keller stärkt wird. Das Rathaus mit Bürgersaal und zum Schloss und diente als Bierlager. Es lag gestalteten Freibereichen, der erweiterte den Wiesenfeldern viel daran, diesen Keller Friedhof mit neuer Stützmauer und eine Bus- zu erhalten und etwas draus zu machen. haltestelle mit Maibaum stellen die neue Nachdem die Gemeinde 2005 den Keller ge- Ortsmitte dar. kauft hatte, wurde das Projekt „Felsenkeller“ WIESENFELDEN Im nördlichen Weiherbereich bilden die schließlich im Jahr 2012 in das Förder­ Grund- und Mittelschule, das Seniorenheim, programm aufgenommen. Heute ist der das Pfarrhaus und der Kindergarten gut Keller ein Wanderstützpunkt des Goldsteig- gestaltete, neue Bauqualität. Die Ober­ wanderweges und lädt mit Sitzgelegen­ flächengestaltung der doch großen barriere- heiten und Infotafeln zum Verweilen ein. Die freien Freiflächen ist angemessen mit Granit- Schutträumung des Felsenkellers und die oder Betonpflaster, Rasensteinen oder Kies Einrichtung des Wanderstützpunktes am gegliedert. Kellerzugang zeugt von der Wertschätzung Hofbereiche sind in Wiesenfelden überwie- althergebrachter Wiesenfelder Dorfstruktur, gend versiegelt, doch die Übergänge vom die mit der Aufwertung des Felsenkellers für die Zukunft gesichert ist.

117 4. Grüngestaltung und -entwicklung Grünausstattung des Schulgartens reicht von vielfältiger Wandbegrünung mit Kletterro- Die Grünstruktur von Wiesenfelden ist sen, Weinreben und Spalierobst über Obst- äußerst vielseitig: Historisch durch den baumanzucht, Gemüsegarten und Hochbeet Schlossgarten, inspiriert von der Natur durch mit Stauden und Küchenkräutern bis hin zum das Umweltzentrum, aber auch zeitgemäß begrünten Dach der Grund- und Mittelschule. und beschaulich mit Uferwegen und dem Diese Grünausstattung beruht zum größten Steg über den Beckenweiher oder modern Teil auf freiwilligem, ehrenamtlichem Einsatz durch die Seebühne. der Lehrerschaft mit Unterstützung durch Das Umweltzentrum hat sich das „Bewahren den Obst- und Gartenbauverein. Für dieses der Schöpfung“ auf die Fahne geschrieben. Engagement und den Sinn für die Natur kann Hier im Schlossgarten werden aktuell „Im man den Wiesenfeldern nur gratulieren und Jahr der Wildkräuter“ zwischen beachtlichen, deswegen erhalten sie den Sonderpreis des stattlichen Baumstrukturen vielfältige „Infor- Bayerischen Landesverbandes für Gartenbau mationen über Pflanzen, deren Wert noch und Landespflege e. V. für „die nachhaltig nicht erkannt wurde“ über Wild- bzw. verankerte Schulgartenarbeit“. Unkräuter geboten. Hohe Kommunikation im Freiraum ist in der Vorbildlich wird der Schulgarten in Wie­ „Neuen Mitte“ um das neue Rathaus mit senfelden unterhalten. Die Aktivitäten, die Bürgersaal, Dorfplatz und Seebühne zu er- von dem Schulgarten ausgehen, gipfeln dar- warten. Unmittelbar neben dem Dorfplatz in, dass jeder Schulabsolvent einen selbst grenzt der „Garten für das Ewige Leben“ an. veredelten Obstbaum erhält und damit jähr- Dieser Kirchhof ist von mächtigen Grabmalen lich Obstbaumanpflanzungen um Wiesen­ und wenig schattenspendenden Baumstruk- felden befördert werden. Die hochwertige turen geprägt. Lebensbäume mit „Kasten- schnitt“ dominieren neben einer heimischen Linde am Kirchenzugang. Grün- und Wege- strukturen des Friedhofes einschließlich des Belegungskonzeptes sollten überdacht werden – insbesondere wird von der „Kopf- Kopf“ Belegung abgeraten: Hier bedarf es eines neuen Belegungskonzeptes. Die Dorferneuerung wurde bereits vor Jahren abgeschlossen, sodass sich das dörfliche Erscheinungsbild nicht künstlich aufpoliert, sondern mit einfachen Rasenrandstreifen, wie beispielsweise an der Fasshalle, dorf­ typisch darstellt. So beherrscht eine vor rund

118 20 Jahren gepflanzte Linde den Straßenraum Ein weiteres Naturschutzgebiet im Dorf ist in der Utzenzeller Straße, als wäre dieser das „Brandmoos“. Wollgräser, wie das Alpen- Standort schon immer für die Linde vorgese- Haargras, blühen hier in ihrem Lebensraum. hen gewesen. Das versumpfte Hochtal ist seiner Entste- hung nach ein Quell- und Niedermoor, in dem sich neben dem Wollgras auch Sumpf- läusekraut, Fettkraut, Moosveilchen oder Sonnentau angesiedelt haben. Südlich von 5. Dorf in der Landschaft Wiesenfelden findet man das Natura- 2000-Gebiet „Hauerin“, das durch einen Im Vorderen Bayerischen Wald, idyllisch buchenreichen Wald besticht. Der Hainsim- gelegen auf einer Hochebene befindet sich sen-Buchenwald zeugt von den sauren Wiesenfelden. Ringsumher zieren Weiher, Böden um das Dorf. Moore, Wälder oder Blumenwiesen die Land- Doch nicht nur rings um das Dorf, sondern schaft um das Dorf. Besonders die Weiher direkt im Dorf ist die Natur zu erkunden: sind kennzeichnend für Wiesenfelden, die Direkt am Ortseingang begrüßen einen den Eindruck einer Seenlandschaft hervor­ Hecken, Feldgehölze, Obst- sowie Solitärbäu- rufen. Der Dorfweiher muss an dieser Stelle me. Der Ortseingang und das „Dorf in der genannt werden: Der Naturbeobachtungs- Landschaft“ werden durch einen sehr schö- steg teilt den Weiher in zwei Zonen auf: Im nen Übergang mit Blumenzwiebel-Pflanzun- vorderen Teil zum Dorf hin kann sich die Ge- gen unterstützt. Über den E8 Wanderweg, meinde beim Eisstockschießen oder Schlitt- Jakobsweg und Goldsteig ist es möglich, die schuhfahren austoben, im hinteren Teil befin- Streuobstwiesen, die Weiher und die det sich das Schutzgebiet. Dieses wird von Blumenwiesen in der Landschaft ums Dorf zu den Bürgern geachtet und akzeptiert – auf erleben. Eine Besonderheit in Wiesenfelden WIESENFELDEN die Natur wird hier Wert gelegt. Der Rundweg stellt aber der Schlosspark mit seinem Park um den Beckenweiher zeugt von einer her- dar, der auch für Kinder ein echter Aben­ vorragenden Vernetzung der Wanderwege – teuerspielplatz ist. der Weg ist sogar barrierefrei. Die Beschilde- Die Wiesen werden im Dorf durch Rinderhal- rungen wurden sogar als Vorzeigemodell tung genutzt. Auf den Feldern ist Mais und vom Naturpark Bayerischer Wald übernom- Getreide zu finden, doch viele Landwirte men und weitergeführt. Dass die Wiesenfeld- besitzen auch eigenen Wald. Das forstwirt- ner ein Gespür für ihre Landschaft haben, ist schaftliche Ziel in Wiesenfelden ist der Umbau auch daran zu erkennen, dass gemeinde- in stabile Mischwälder. Heute sind viele übergreifend in Zusammenarbeit mit dem Fichten und Kiefern zu finden, weniger Freistaat Bayern der Falkenfelsener Bach Tannen, Buchen, Ahorne oder Birken. Ein Ver- renaturiert wurde. besserungsvorschlag für die Außengestal- tung zu Punkt 5 „Dorf in der Landschaft“ wäre, einen dorfeigenen Wettbewerb zu gestalten, bei dem jährlich eigene Blaufichten als Weihnachtsbäume gestellt werden. Zum Schluss ist den Wiesenfeldnern viel Glück für die Zukunft zu wünschen, damit sie ihre Naturschutzgebiete und ihre Landschaft so erhalten, wie sie jetzt sind. Der amtliche Schutzzweck bringt es auf den Punkt: „Die Schönheit, Vielgestaltigkeit und Eigenart der Landschaft zu schützen und wiederher­ zustellen und den besonderen Erlebniswert des Gebietes zu bewahren“. 119 120 Bewertungskommission für den Landesentscheid 2015

Vorsitz, Leitung und Organisation der Jury MR Günter Knüppel, Leiter der Landesbewertungskommission Bayerisches Staatsministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten, Referat L 3 Dipl. Ing. (FH) Stephan Schmöger, Bayerisches Staatsministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten, Referat L 3 Dipl. Ing. (FH), Babette Menz, Bayerische Landesanstalt für Weinbau und Gartenbau, Abteilung Landespflege

Entwicklungskonzepte und wirtschaftliche Initiativen Bürgermeister Karl Fleschhut, Bayerischer Gemeindetag Bürgermeister Sebastian Satzl, Bayerischer Gemeindetag Architekt, Dipl.-Ing. Jakob Oberpriller, Bayerische Architektenkammer

Soziale und kulturelle Aktivitäten Christoph Benoist, Bayerischer Jugendring Landesbäuerin Anneliese Göller, Bayerischer Bauernverband Wolfram Vaitl, Präsident des Bayerischen Landesverbandes für Gartenbau und Landespflege e. V.

Baugestaltung und -entwicklung Architekt, Dipl.-Ing. Peter Kuchenreuther, Bayerische Architektenkammer Architektin, Dipl.-Ing. Brigitte Sesselmann, Bayerische Architektenkammer Architekt, Dipl.-Ing. Thomas Lauer, Bayerischer Landesverein für Heimatpflege e. V.

Grüngestaltung und -entwicklung Martin Gruber, Geschäftsführer des Bayerischen Landesverbandes für Gartenbau und Landespflege e. V. Dipl.-Ing. (FH), Franz Kraus, Bayerischer Landkreistag Landschaftsarchitekt, Dipl.-Ing. Klaus Neisser, Bayerische Architektenkammer

Dorf in der Landschaft Fred Fuchs, Verband Garten-, Landschafts- und Sportplatzbau Bayern e. V. Landschaftsarchitekt, Dipl.-Ing. Bernd Karl, Bayerische Architektenkammer Dipl.-Ing. Guido Romor, Amt für Ländliche Entwicklung Oberbayern 121 Bewertungsbogen zum Dorfwettbewerb 2013 bis 2016

„Unser Dorf hat Zukunft – Unser Dorf soll schöner werden“

Die Untergliederung der Bewertungsbereiche ist als Hilfe für die Mitglieder der Jury gedacht. Die Leistungen der Dörfer werden vor dem Hintergrund ihrer jeweiligen Ausgangslage und den individuellen Möglichkeiten der Einfluss- nahme bewertet. Besonderer Wert wird dabei auf Maßnahmen und Aktivitäten der letzten Jahre gelegt.

Höchstpunktzahl insgesamt: 100 Punkte Einzelbewertung: 1. Entwicklungskonzepte und wirtschaftliche Initiativen 15 Punkte • Ausgangslage des Dorfes • Bevölkerungsentwicklung der letzten Jahre • Bevölkerungsstruktur (Senioren, Familien, Jugendliche, Singles, Einheimische, Neubürger) • wesentliche Funktionen des Dorfes (Wohnort, Fremdenverkehr, Landwirtschaft, Handwerk etc.) • Arbeitsplätze am Ort und in der Region • Erwerbspotenziale am Ort • Schule und Kindergarten • dörfliche Infrastruktur, öffentliche Gebäude, Plätze, Einrichtungen, Trinkwasserversorgung, Abwasserentsorgung, Energieversorgung, etc. • überörtliche Zusammenarbeit • Welche Anstrengungen wurden unternommen um die Ausgangslage zu verbessern? • Wie nutzt die Gemeinde ihre Möglichkeiten der Dorfentwicklung, z. B. mit der Bauleitplanung, der Dorferneuerung, einer Gestaltungssatzungen etc.? • Wurden bei der Erarbeitung und Umsetzung von Zukunftskonzepten Bürger und Gruppen mit einbezogen? • Wurde ein Dorfleitbild entwickelt? • •

2. Soziale und kulturelle Aktivitäten 20 Punkte • aktive Mitwirkung der Bürger und Gruppen bei der Dorfentwicklung z. B. mit Ideen, Konzepten, Aktionen etc. • bürgerschaftliches Engagement bei Pflege und Gestaltung des Dorfes • Kirchliches Leben • Vereine, Verbände, Jugend- und Seniorengruppen und deren Aktivitäten • Integration von Einzelpersonen (z. B. Neubürger) und Gruppen im Dorf • Kulturelle Veranstaltungen • Angebote zur Weiterbildung • Pflege der Dorftradition • Möglichkeiten der Freizeitgestaltung im Dorf • •

122 3. Baugestaltung und -entwicklung 25 Punkte • öffentliche Straßen und Plätze, bedarfsgerechte Gestaltung • ortsbildprägende Gebäude, Zustand, Nutzung und Entwicklung • öffentliche Gebäude und Anlagen, Zustand, Nutzung und Entwicklung • private Gebäude und Hofräume, Zustand, Nutzung und Entwicklung • Umgang mit historischer, denkmalgeschützter Bausubstanz • Nutzungskonzepte und Gestaltung des Ortskerns • Neubauten im Ortskern, Einbindung, Verwendung von Materialien und Farben • Gewerbebetriebe im Ortskern und in Gewerbegebieten, Einbindung • Gestaltung der Neubaugebiete und deren Anbindung an den Ortskern • Werbeflächen im Ort, Umfang, Gestaltung und Verträglichkeit • Effizienter Umgang mit vorhandenen Flächen in der Planung und Umsetzung • Verwendung umweltfreundlicher Baumaterialien und -techniken •

4. Grüngestaltung und -entwicklung 25 Punkte • Grüngestaltung an Straßen und auf Plätzen, dem Friedhof, dem Schulum- feld, dem Kindergarten und an öffentlichen Gebäuden • Umweltfreundliche Pflege der öffentlichen Freiflächen • Dorfgerechte Pflanzenauswahl im öffentlichen und privaten Bereich • Gestaltung der privaten Vorgärten und Hofräume • Haus- und Hofbäume • Zustand und Pflege der Gemüse- und Obstgärten • Fassadenbegrünung und Blumenschmuck • Einfriedungen, Zaun- und Hoftorgestaltung • Freiraummöblierung im öffentlichen und privaten Bereich (Beschilderungen, Sitzbänke, Abfallkörbe, privates Gartenzubehör) • Naturnahe Lebensräume für Pflanzen und Tiere im Ort und am Ortsrand • Dorfbach und Dorfweiher, Zustand, Pflege und Entwicklung • Bereiche mit natürlicher Gras- und Krautflora • Ortsrandgestaltung und Übergang zur freien Landschaft •

5. Dorf in der Landschaft 15 Punkte • Einbindung des Dorfes in die Landschaft • Gestaltung und Einbindung von Gebäuden im Außenbereich • Umgang mit dem vorhandenen Landschaftspotenzial • Umgang mit den natürlichen Ressourcen Boden, Wasser und Luft • traditionelle und moderne Landnutzungsformen (Land- und Forstwirtschaft, Sonderkulturen, nachwachsende Rohstoffe, Solar- und Windenergie) • Erhalt, Pflege und Entwicklung charakteristischer Landschaftsbestandteile (Berge und Täler, Wälder, Wiesen und Moore, Geotope und Gewässer) • Naturnahe Gestaltung von Freizeit- und Erholungsanlagen im Außenbereich • Pflege und Erhaltung von Kulturstätten (Bodendenkmäler, Ruinen und Burgen, Kapellen und Flurdenkmale) • Naturschutzgebiete und Biotope in der Flur • Vernetzung der Biotope • Schutzmaßnahmen für seltene Tier- und Pflanzenarten • Landschaftspflegerische Maßnahmen im Außenbereich •

Gesamtpunktzahl: 123 Bayerische Siegerdörfer am Dorfwettbewerb auf Bundesebene von 1977 bis 2013 Regierungs­ Jahr Ort Gemeinde/Markt/Stadt Ergebnis bezirk 1977 Custenlohr Stadt Uffenheim MFr. Silber Fürnried Birgland OPf. Silber Hergensweiler Hergensweiler Schw. Silber Oberleiterbach Markt Zapfendorf OFr. Gold Thannhausen Pfofeld MFr. Gold Vornbach Neuhaus a. Inn NB Gold 1979 Kleukheim Markt Ebensfeld OFr. Gold Mannsgereuth Redwitz a. d. Rodach OFr. Silber; SP Neukirchen Große Kreisstadt Schwandorf OPf. Bronze Oberostendorf Oberostendorf Schw. Gold Reinhardshofen Gutenstetten MFr. Gold Weildorf Markt Teisendorf OB Gold 1981 Beckstetten Jengen Schw. Gold Erpfting Große Kreisstadt Landsberg a. Lech OB Silber Frankendorf Markt Buttenheim OFr. Gold Geilsheim Stadt Wassertrüdingen MFr. Silber Michelsneukirchen Michelsneukirchen OPf. Silber Neubeuern Markt Neubeuern OB Gold Wildenranna Markt Wegscheid NB Silber 1983 Bernried Bernried OB Silber Ehrl Stadt Scheßlitz OFr. Gold Kalsing Stadt Roding OPf. Gold Kürn Bernhardswald OPf. Bronze Oberwiesenbach Wiesenbach Schw. Bronze; SP Puch Pörnbach OB Silber Sammenheim Dittenheim MFr. Gold 1985 Fribertshofen Stadt Berching OPf. Bronze Großweingarten Stadt Spalt MFr. Gold Gutenberg Oberostendorf Schw. Gold; SP Lengsham Markt Triftern NB Silber Neudorf Markt Ebensfeld OFr. Gold; SP Thaining Thaining OB Silber Thanning Egling OB Silber 1987 Hohenried Brunnen OB Gold Ickelheim Stadt Bad Windsheim MFr. Gold Lengenfeld Stadt Waldershof OPf. Silber Michelsneukirchen Michelsneukirchen OPf. Silber Ostheim Westheim MFr. Bronze Roth Markt Zapfendorf OFr. Gold Unfinden Stadt Königsberg i. Bayern UFr. Silber 1989 Bronnen Markt Waal Schw. Silber Buch am Erlbach Buch am Erlbach NB Bronze Fünfbronn Stadt Spalt MFr. Gold Höhenmoos Rohrdorf OB Gold Moggenbrunn Meeder OFr. Gold 1989 Pettendorf Pettendorf OPf. Bronze Rehberg Grainet NB Silber Schlattein Markt Floß OPf Bronze 124 Regierungs- Jahr Ort Gemeinde/Markt/Stadt Ergebnis bezirk 1991 Großziegenfeld Stadt Weismain OFr. Silber Hergensweiler Hergensweiler Schw. Gold Neufahrn Egling OB Gold Pausdorf Stadt Scheßlitz OFr. Silber Rettenbach Rettenbach OPf. Gold Sarching Barbing OPf. Bronze Unterseilberg Grainet NB Silber 1993 Friedersried Markt Stamsried OPf. Gold Großmisselberg Eppenschlag NB Gold Horsdorf Stadt Staffelstein OFr. Silber Rabelsdorf Pfarrweisach UFr. Gold Rieshofen Walting OB Bronze Unternesselbach Stadt Neustadt a. d. Aisch MFr. Bronze Vagen Feldkirchen-Westerham OB Silber Weickenreuth Markt Stammbach OFr. Gold 1995 Denkzell Konzell NB Gold Frankenwinheim Frankenwinheim UFr. Silber Horsdorf Stadt Staffelstein OFr. Gold Irsee Markt Irsee Schw. Gold Kalbensteinberg Markt Absberg MFr. Silber Sattelpeilnstein Traitsching OPf. Silber 1998 Burgebrach Markt Burgebrach OFr. Silber Burkheim Altenkunstadt OFr. Gold Flischbach Schönthal OPf. Gold Göbelsbach Stadt Pfaffenhofen a. d. Ilm OB Silber Görisried Görisried Schw. Silber Windsfeld Dittenheim MFr. Gold 2001 Ammerndorf Markt Ammerndorf MFr. Silber Kirchgattendorf Gattendorf OFr. Gold Nußdorf a. Inn Nußdorf a. Inn OB Gold Schleerieth Markt Werneck UFr. Silber Trebgast OPf. Silber Wachstein Theilenhofen MFr. Gold 2004 Großziegenfeld Stadt Weismain OFr. Gold Kirchanschöring Kirchanschöring OB Gold Loiching Loiching NB Gold Lupburg Markt Lupburg OPf Bronze Ramspau Markt Regenstauf OPf Bronze Schützing Schaufling NB Silber 2007 Bernried Bernried OB Gold Markt Nordheim Markt Nordheim MFr. Bronze Schönau Stadt Viechtach NB Gold Schönbrunn Stadt Wunsiedel OFr. Silber 2010 Haidenkofen Gemeinde Sünching OPf. Gold Niederaudorf Gemeinde Oberaudorf OB Gold Steinbach an der Haide Stadt Ludwigstadt OFr. Silber Sulzfeld am Main Sulzfeld am Main UFr. Silber 2013 Mürsbach Markt Rattelsdorf OFr. Gold Sommerach Gemeinde Sommerach UFr. Gold Böbing Gemeinde Böbing OB Silber 125 Medaillenspiegel der bayerischen Landkreise an Preisträgern bei den Bundesentscheiden 1961 bis 2013 Regierungs- Gold Silber Bronze Gesamt Landkreis bezirk Weißenburg-Gunzenhausen MFr. 11 1 1 13 Lichtenfels OFr. 8 3 0 11 Ostallgäu Schw. 5 3 0 8 Bamberg OFr. 5 2 0 7 Cham OPf. 4 4 0 8 Neustadt a. d. Aisch-Bad Windsheim MFr. 3 2 2 7 Rosenheim OB 4 2 0 6 Regensburg OPf. 1 0 4 5 Schwandorf OPf. 1 2 1 4 Dingolfing-Landau NB 3 0 0 3 Roth MFr. 3 0 0 3 Main-Spessart UFr. 2 1 0 3 Weilheim-Schongau OB 2 1 0 3 Traunstein OB 2 0 1 3 Freyung-Grafenau NB 1 2 0 3 Landsberg am Lech OB 1 2 0 3 Passau NB 1 2 0 3 Schweinfurt UFr. 0 2 1 3 Hof OFr. 2 0 0 2 Ansbach MFr. 1 1 0 2 Bad Tölz-Wolfratshausen OB 1 1 0 2 Haßberge UFr. 1 1 0 2 Kronach OFr. 1 1 0 2 Kulmbach OFr. 1 1 0 2 Lindau (Bodensee) Schw. 1 1 0 2 Kitzingen UFr. 1 1 0 2 Amberg-Sulzbach OPf. 0 2 0 2 Pfaffenhofen a. d. Ilm OB 0 2 0 2 Eichstätt OB 0 1 1 2 Günzburg Schw. 0 0 2 2 Neumarkt i. d. OPf. OPf. 0 0 2 2 Neustadt a. d. Waldnaab OPf. 0 0 2 2 Berchtesgadener Land OB 1 0 0 1 Coburg OFr. 1 0 0 1 Fürstenfeldbruck OB 1 0 0 1 Neuburg-Schrobenhausen OB 1 0 0 1 Regen NB 1 0 0 1 Straubing-Bogen NB 1 0 0 1 Deggendorf NB 0 1 0 1 Fürth MFr. 0 1 0 1 Tirschenreuth OPf. 0 1 0 1 Wunsiedel im Fichtelgebirge OFr. 0 1 0 1 Altötting OB 0 0 1 1 Landshut NB 0 0 1 1 Rhön-Grabfeld UFr. 0 0 1 1 Quellen: Abschlussberichte des Bundesministeriums für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten 126 Teilnehmerentwicklung am Dorfwettbewerb in Bayern von 1961 bis 2016

Jahr Anzahl Orte Jahr Anzahl Orte 1961 799 1986 - 1987 1.787 1962 - 1963 834 1988 - 1989 1.586 1964 - 1965 746 1990 - 1991 1.493 1966 - 1967 786 1992 - 1993 1.303 1968 - 1969 1.088 1994 - 1995 1.007 1970 - 1971 1.105 1996 - 1998 977 1972 - 1973 1.183 1999 - 2001 1.025 1974 - 1975 1.303 2002 - 2004 973 1976 - 1977 1.117 2005 - 2007 635 1978 - 1979 1.163 2008 - 2010 513 1980 - 1981 1.397 2010 - 2013 345 1982 - 1983 1.920 2013 - 2016 327 1984 - 1985 1.492

Anzahl der Siegerdörfer am Dorfwettbewerb in Bayern von 1961 bis 2015

Jahr Gold Silber Bronze Jahr Gold Silber Bronze 1961 8 Auszeichnungen 1987 7 10 7 1963 15 Auszeichnungen 1989 8 8 6 1965 14 Auszeichnungen 1991 8 7 8 1967 14 Auszeichnungen 1993 8 7 6 1969 6 4 2 1995 6 6 5 1971 7 8 3 1998 6 10 7 1973 6 8 3 2001 6 12 6 1975 6 7 9 2004 6 10 6 1977 6 8 6 2007 4 8 9 1979 6 9 7 2009 4 8 8 15 Auszeichnungen, 1981 7 12 4 2012 davon 3 Landessieger 1983 7 10 7 2015 4 8 6 1985 7 8 8

127 128 Herausgeber: Bayerisches Staatsministerium für Ernährung, Landwirschaft und Forsten Ludwigstraße 2, 80539 München www.stmelf.bayern.de [email protected]

Redaktion und Bearbeitung: Bayerische Landesanstalt für Weinbau und Gartenbau Veitshöchheim, Abteilung Landespflege

Bildmaterial: Bayerische Landesanstalt für Weinbau und Gartenbau Veitshöchheim, Abteilung Landespflege sowie Mitglieder der Bewertungskommissionen des Landes- und Bezirksentscheides Luftbilder und Karten: Geodaten © Bayerische Vermessungsverwaltung 2015

Druck: Schleunungdruck GmbH, 97828 Marktheidenfeld Gedruckt auf Papier aus nachhaltiger, zertifizierter Waldbewirtschaftung

November 2015 www.dorfwettbewerb.bayern.de