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Bern Aktuell Danke für Ihr Abonnement B oder Ihren Unterstützungsbeitrag Beilage: Rechnung für Jahrgang 23 Ausgabe 178 Jahresabonnement 2012 März/April 2012

Bild: zvg Würdigung grosser Schweizer Persönlichkeiten Alfred Escher (1819–1882)

Von Dr. Christoph Blocher, 8704 dientesten Staatsmann der neueren Zeit», aber auch als «herrschgewaltige Natur», mit «autori­ Es war ein in Zürich so noch nie da gewesener tärem Charakter», Escher sei «stark im Wollen Leichenzug, der sich am 9. Dezember 1882 vom und Verneinen, im Anziehen und Abstossen» Landgut Belvoir in der Enge Richtung Fraumüns­ gewesen. Auch nicht frei von «Schroffheit und ter, ins Zentrum der Stadt Zürich, in Bewegung rücksichtslosem Vorgehen gegen seine Gegner», setzte: Bundesräte, wohl hundert amtierende «oft verletzend», was ihm «viele Feinde» einge­ und ehemalige National- und Ständeräte, Kan­ tragen habe. Demgegenüber würdigte man seine tons- und Stadtbehörden, unzählige Vertreter der «ungewöhnliche Arbeitskraft und Arbeitslust», Wirtschaft, der Studierenden, Industrielle, Ange­ seine «unbeugsame Willenskraft». Escher sei stellte, Knechte, Gärtner und Mägde folgten dem von einem «feurigen Patriotismus» beseelt ge­ Sarg, in dem Alfred Escher ruhte. wesen, er habe sein «Wirken rückhaltlos in den Nur gerade 63 Jahre alt war Alfred Escher ge­ Dienst des Vaterlandes» gestellt. worden. Er starb – ausgebrannt, verbraucht und Escher war zweifellos eine imponierende Er­ vereinsamt. scheinung gewesen. Seine Zeitgenossen Doch im Moment seines Ablebens spürte die schilderten ihn als «hochgewachsen», mit «kräf­ gesamte Schweiz fast schockartig den unermess­ tigem Vollbart, scharf blickenden Augen, breiter Portrait um 1865 lichen Verlust dieser von Gegnern und Partei­ Stirn». Sie priesen seine «vornehme Haltung». freunden so unerbittlich bekämpften Persönlich­ Er sei «stolz und bewusst» gewesen, kurz: «ein dieser Mann glücklich gewesen? Nein, wie man keit Alfred Eschers. ganzer Mann». das gewöhnlich versteht, Ja, wie er es verstand. Ein machtvoller Chor intonierte vor der riesigen Der damalige Stadtpräsident von Zürich sagte Er hat im Verkanntsein gesprochen: ‚Das Beste Trauergemeinde das Lied «O mein Heimatland, über Alfred Escher: «In allen Stellungen hat der am Leben ist ja doch die Arbeit, Mühe und o mein Vaterland, wie so innig, feurig lieb’ ich Dahingegangene Grosses geleistet. (…) Aber Anstrengung.›» Man erinnert sich unweigerlich dich!» niemals war es ihm um seine Stellung, son­ an den 90. Psalm, Vers 10 (gemäss Luther- Im Kirchenschiff sass auch der Dichter dieser dern immer nur um die Sache zu tun.» Die­ Übersetzung), der über das Leben sagt: «Wenn Strophen, Gottfried Keller, im gleichen Jahr – se unbedingte Hingabe an die Sache durchzog es köstlich gewesen ist, so ist’s Mühe und Arbeit nämlich 1819 – geboren wie der verstorbene tatsächlich Eschers gesamtes eindrückliches gewesen; denn es fahret schnell dahin, als flögen Alfred Escher. Lebenswerk. Sein ehemaliger Turnlehrer, der wir davon.» nachmalige bedeutende Theologieprofessor «Ein Arbeiter ist Escher geblieben», so fährt der Würdigungen am Grab Alexander Schweizer sprach von der Kanzel: Theologe fort – «und fand darin seine Befrie­ Wir stützen uns für einmal sogar auf die Nach­ «Grosse Männer, die nur auf eigene Arbeit sich digung, er, der gleich andern in Behagen und rufe – wohlwissend, dass der Nachruf eines verlassen, sind nicht leicht fähig, andere neben Nichtstun hätte vegetieren können, ein Arbeiter Menschen in der Regel besser ist als sein Ruf. sich aufkommen zu lassen oder gar zu gleicher bis zum Übermass, so dass seine Augen fast er­ Oder wie es der Volksmund sagt: «Aus der Höhe heranzubilden; treten sie ab, so fehlt es an blindeten, seine Konstitution erschüttert wurde. Traueransprache zu schliessen, sterben nur die entsprechendem Ersatz. Eschers Grösse bestand Und doch hat er das sie vollends erschütternde besten Menschen.» (Noch schöner fand ich einst nicht ohne diese Schranken und leuchtete nicht, Leid würdig getragen.» diese Wahrheit in der Aussage eines Toggenbur­ ohne diesen Schatten zu werfen. Ihr fraget: ‹Ist Alfred Escher war in seinen letzten Jahren nicht gers, der mir über einen dauernd die Unwahrheit nur angefeindet, sondern geradezu verfemt. erzählenden Mitbürger sagte: «Är lügt we e Kaum jemand erinnerte mehr daran, dass ohne Abdankig!») seine Persönlichkeit der Wirtschafts-, Finanz- Doch es scheint, dass die Verdienste Eschers und Verkehrsplatz Zürich nicht denkbar gewor­ so gross waren, dass man zu seiner Würdigung den wäre. nicht in das altbekannte Lied der Lobhudeleien Und dem Wirtschaftsmotor Zürich – und hier vor einzustimmen brauchte. Bei bedeutenden Men­ allem Escher – verdankt die gesamte Schweiz schen haben eben auch ihre Schattenseiten Platz. zu ganz wesentlichen Teilen den heutigen Wohl­ Lob gab es zwar auch; aber das Fundierte und die stand. Schattenseiten wurden darob nicht verschwie­ gen. Der Politiker Escher So schilderten die Zeitgenossen in Nachrufen Aquarell Escher war nicht nur wirtschaftlich von grosser den Verstorbenen als «einsichtigsten und ver­ um 1849 Bedeutung für die Schweiz. Nein, auch seine po­ BernAktuell Ausgabe Nr. 178

hagte Escher anfänglich nicht in allen Teilen; letztes Mittel zur Verteidigung der staatlichen denn er hätte sich weniger Föderalismus ge­ Souveränität in Frage. wünscht. Er wollte sich keinesfalls ohne Not in frem­ Im Rahmen dieser Verfassung sollte Escher aber de Angelegenheiten einmischen und kritisierte, dem jungen Bundesstaat und dessen gesamter wenn sich die Schweiz als Schiedsrichter auf­ Volkswirtschaft jene Impulse geben, die das spielte. Vielmehr trat Escher für eine Diplomatie Land von einem der ärmsten Länder zu blü­ des guten Beispiels ein; denn ein Kleinstaat habe hendem Wohlstand brachten. keine andere Macht, als diejenige des Beispiels. 1848 traf Escher auf ein chaotisches Asylwesen: So sagte er wörtlich: «Die Schweiz ist dazu Radierung um 1865 Bild: zvg Unser Land war ein misstrauisch beobachteter berufen, durch die Macht des Beispieles der Hort von revolutionären Umtrieben. heiligen Sache der Völkerfreiheit Vorschub zu litische Machtstellung war immens. Doch beides Manche Schweizer Politiker wollten die Revolu­ leisten. Ja, meine Herren, unser Alpenland soll – das Wirtschaftliche und das Politische – lässt tion sogar bewaffnet nach aussen tragen. der Hochaltar der Freiheit in Europa sein. Diesen sich bei Escher nicht trennen. Beides hängt eng Escher richtete sich entschieden gegen solche re­ Hochaltar rein und unbefleckt zu erhalten, ihn zusammen. volutionären Gedanken im klugen Wissen, dass zu erhalten in seiner vollen Würde und in seiner Escher wurde in die politisch stürmischen Zeiten Revolutionen mehr zerstören als aufbauen. ganzen Erhabenheit, das ist die schöne Aufgabe, der 1. Hälfte des 19. Jahrhunderts geboren. Nach Nicht zuletzt dank Eschers Einfluss wurde die welche die Vorsehung unserem Volke in der den Unruhen und Unstetigkeiten, die das Land Schweiz vom einstigen Unruheherd zum in­ Reihe der Kämpfer für die Demokratie zu lösen seit dem Einmarsch der Franzosen 1798 erlebte, ternational geachteten, respektierten Staatswe­ übertragen hat.» näherte sich die Eidgenossenschaft durch innere sen. Alfred Escher teilte die Meinung seines Alfred Escher bezeichnete die Neutralität als Kämpfe dem Bundesstaat. Escher gehörte zu Freundes, des Winterthurer Bundespräsidenten «Talisman» und plädierte für eine «aufrichtige den Radikalen. Besonders im Kanton Zürich, Jonas Furrer, der 1852 an Escher schrieb: «Un­ Neutralität». Sie haben recht gehört, er sprach der mit seiner liberalen Kantonsverfassung der möglich kann man das Asyl soweit ausdehnen, von «aufrichtiger Neutralität», nicht von «ak­ Bundesverfassung von 1848 voran ging, gehörte dass man Hunderte oder Tausende auf die Dauer tiver Neutralität» – denn diese ist das Gegenteil er zu den Wortführern der Liberal-Radikalen. ernähre, worunter eine Masse, die entweder von aufrichtig! Diese «aufrichtige Neutralität» Er war geprägt von einem seiner geistigen Leh­ nichts zu fürchten haben oder etwa einen kurzen setze voraus, dass man nicht gleichzeitig neutral rer, Friedrich Ludwig Keller. Die Anzahl und Verhaft.» und Partei sein könne. die Dauer seiner politischen Ämter ist beinahe Ich überlasse es Ihnen, meine Damen und Zwar sei die immerwährende Neutralität durch schwindelerregend: Herren, gewisse Parallelen zu heute zu ziehen! internationale Verträge abgesichert. – 1844 bis zu seinem Tod 1882 sass Alfred Die vollständige Neutralität müsse aber in den Escher während 38 Jahren ununterbrochen im eigenen Stärken liegen, nicht nur in den militä­ Zürcher Kantonsrat, sechsmal war er dessen Wir stellen Ihnen in dieser und in rischen, sondern auch in den wirtschaftlichen. Präsident. den nächsten zwei Ausgaben von Escher meinte dazu 1861 vor dem Zürcher Par­ – Während sieben Jahren war er gleichzeitig BernAktuell drei Schweizer Per- lament: «Man übersieht sehr oft, dass die Un­ Regierungsrat, vier Jahre davon Regierungs­ sönlichkeiten vor. Alfred Escher, abhängigkeit eines Landes nicht bloss auf einer präsident. Gottfried Keller und Rudolf Koller. Wehr-, sondern ebenso sehr auch auf seiner – Ausserdem amtete er im Erziehungsrat und im Nährkraft beruht, und ebenso häufig ist man Die verdiente Würdigung erfolgt Kirchenrat. geneigt, ausser Acht zu lassen, dass es zu einer – Escher gehörte dem Nationalrat seit Gründung durch alt Bundesrat Christoph wirksamen Verteidigung unseres Landes nicht des Bundesstaates 1848 bis zum Tod an, also Blocher. bloss einer schlagfertigen Armee, sondern auch volle 34 Jahre. Viermal wurde er zum Natio­ eines wohlgeordneten Finanzzustandes (…) be­ nalratspräsidenten gewählt. Dies verdankte er darf.» Oh, wenn die heutigen Schuldenpolitiker seiner einzigartigen Stellung mit einer «Haus­ Bewahrer einer «aufrichtigen» ihre Ohren für solche Worte öffnen würden! macht» von 60 bis 70 Anhängern bei damals Neutralität Doch schauen wir auf Alfred Eschers wirtschaft­ 111 Nationalräten. Was aber die Unabhängigkeit und Freiheit des liche Verdienste. Vieles wäre heute anders ohne – Dass die Vereinigte Bundesversammlung in jungen Bundesstaates betraf, äusserte sich Al­ Escher! Mit Sicherheit sehr vieles. Angefangen Bern ihre Session bei Eschers Hinschied extra fred Escher als Nationalratspräsident 1849 ganz hat das Ganze mit der Eisenbahn. unterbrach, bedeutete eine einzigartige Refe­ entschieden gegen drohende Übergriffe durch renz. ausländische Mächte: «Die Schweiz hat vor dem Escher und die Eisenbahnen – Escher war der Kopf der liberalen Parteigrup­ Auslande nicht gezittert, als die Fürsten ihre Als Politiker erkannte Alfred Escher Mitte des pe und zugleich der mächtigste Wirtschaftspo­ Throne noch ganz sicher glaubten und als die 19. Jahrhunderts den gewaltigen Rückstand der litiker nicht nur im Kanton Zürich, sondern in Schweiz in ihrem Innern zerrissen, ja sogar im Schweiz im internationalen Eisenbahnnetz. Un­ der gesamten Schweiz. Kriege begriffen war. Sie wird noch weniger vor serem Land drohte die Gefahr, den verkehrsmäs­ – Bereits zu Beginn seiner parlamentarischen dem Auslande erbeben, nachdem die Fürsten sigen Anschluss an die Nachbarstaaten und die Tätigkeit verliess er das Bekenntnis zum radi­ ihre Throne wanken gesehen haben und da die übrige Welt zu verlieren. kalen Zentralismus und vertrat die Grundsätze Schweiz nunmehr einig dasteht. (…) Unser Wil­ Ohne Anschluss an die Schienenwege drohte des Wirtschaftsliberalismus und der parlamen­ le geht dahin, dass die Schweiz sich nicht ohne die Isolation. Im Vergleich zum Eisenbahnfie­ tarischen Demokratie. dringende Not in auswärtige Händel einmischen, ber im übrigen Europa wurde hierzulande erst Bei aller wirtschaftlichen Weltoffenheit war er dass sie aber, wenn ihr vom Auslande in irgend 1847 die erste kurze Eisenbahnlinie zwischen überzeugter schweizerischer Patriot: Unerbitt­ welcher Weise zu nahe getreten werden sollte, Zürich und Baden eröffnet – die so genannte lich und wohl unnötig hart blieb er aber ge­ dies mit aller Entschiedenheit und unter Anwen­ «Spanischbrötli-Bahn». genüber den konservativeren Mitbürgern und dung aller der Schweiz zu Gebote stehenden Die Bundesverfassung von 1848 verlor zum vor allem gegenüber dem politischen Katho­ Kräfte zurückweisen sollte.» Bau und Betrieb von Eisenbahnen kein einziges lizismus, wo er rasch Vaterlandsverräter am Alfred Escher war ein überaus umsichtiger, Wort. Werk sah. Sein Gegenspieler im Nationalrat, der realitätsbezogener Aussenpolitiker. Er wandte Als gelernter Jurist musste sich Escher ganz neu Luzerner Philipp Anton von Segesser, soll den sich – entgegen den Radikalen in seiner Partei in die technischen und wirtschaftlichen Belange Namen Escher nicht ein einziges Mal ausgespro­ – gegen die Einmischung in jeweilige Freiheits­ der Eisenbahnfrage einarbeiten. Er entschied chen haben – und umgekehrt auch nicht. kämpfe im Ausland, weil dies gegen die Neutra­ sich in der Frage, ob Privatbahn oder Staatsbahn, Die neue Bundesverfassung – ein geniales Werk lität verstiess. zugunsten der privaten Lösung. vor allem des Berners Ulrich Ochsenbein – be­ Für Escher kam das Militär ausschliesslich als Ein riesiger Glücksfall!

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Denn in der Staatskasse war kein Geld und konnten gewonnen werden, und die ETH entwi­ unbeschränkt herrschenden Liberalen die Bewe­ geeignete inländische Geldinstitute gab es noch ckelte sich zu einer Ausbildungsstätte, die noch gung der Demokraten entgegenstellte. kaum. Bereits führte das neue Eisenbahngesetz heute im weltweiten Vergleich zur Spitze gehört. Kleinbürger, Bauern und Arbeiter fühlten sich von 1852 zu einem enorm raschen Ausbau des übergangen und forderten mehr direktdemo­ Schienennetzes in der ganzen Schweiz inklusive Gotthard als Krönung des kratische Mitsprache. Mit demokratischen Ver­ Anschluss an den internationalen Verkehr. Lebenswerks fassungsrevisionen – 1869 im Kanton Zürich, Im gleichen Jahr gründete Escher die Nordost­ Alfred Escher krönte sein Lebenswerk 1872 1874 auf Bundesebene – gelang es, die Unzu­ bahn und wurde als Direktionspräsident zum mit der Übernahme der operativen Leitung der friedenheit mit weiteren Ausgestaltungen der zentralen Machtfaktor der ostschweizerischen Gotthardbahn-Gesellschaft. Politisch war er be­ Volksrechte in geordnete Bahnen zu lenken, was Eisenbahnpolitik. Zürich war bald wichtiger Ver­ reits schwer angeschlagen. Diese Nord-Süd-Ver­ sich für die Zukunft der Schweiz als durchaus kehrsknotenpunkt mit Linien nach Basel, Olten, bindung, das ungeheuerliche Projekt der Unter­ segensreich erwies. Eschers Liberalismus verlor Luzern, Waldshut, Romanshorn und Lintthal. tunnelung der Alpen, stellte alle seine bisherigen aber seine Vormachtstellung, und auch die An­ Alfred Escher war Regierender, Gesetzgeber Leistungen in den Schatten. Prunkstück des gi­ hänger einer Staatsbahn setzten sich gegenüber und Unternehmer in einer Person. Eine ein­ gantischen Vorhabens bildete der Durchstich des den Privatbahnen allmählich durch. zigartige Machtfülle, die er aber zum Wohl Gotthardmassivs, der Bau des längsten Tunnels Es zeigte sich, dass die Schweiz eine allzu au­ des gesamten schweizerischen Eisenbahnnetzes der damaligen Welt. genscheinliche Machtballung nicht duldete und einsetzte. Seine Ideen waren nicht eigentlich Doch die Umsetzung von Alfred Eschers Vi­ allzu grosse Gestalten nun einen Kopf kürzer originell oder genial. Aber sie waren brauchbar sion war begleitet von sozialen Missständen, machte – wenn auch zum Glück nicht auf der und realitätsbezogen, und Eschers Stärke war Streiks, Unfalltoten, Finanzierungskrisen, Skan­ Richtstatt, sondern an der Urne. sein unbändiger Durchsetzungswille. dalen, Medienschlagzeilen usw. Die massiven Alfred Eschers Anhang schmolz dahin und er

Bild: zvg Kostenüberschreitungen forderten das Opfer des musste unzählige ungerechtfertigte Anfein­ prominentesten Verantwortlichen – nämlich von dungen über sich ergehen lassen. Zwar wurde Alfred Escher selber. er bis an sein Lebensende immer wieder glanz­ Er musste im Dienst der Sache sein Amt als voll in den Kantonsrat wie in den Nationalrat Präsident der Gotthardbahn-Gesellschaft nieder­ gewählt. Doch auch bei den 25-Jahr-Feierlich­ legen, um die Nachfinanzierung nicht wegen keiten der ETH fiel der Name Eschers kein seiner Person zu gefährden. einziges Mal. 1877 trat er aus dem Verwaltungsrat der Kredit­ anstalt aus, 1878 – 4 Jahre vor der Eröffnung – Anmerkung zum Privatleben trat er vom Vorsitz des Gotthardprojekts zurück. Eschers Familienleben war kein grosses Glück Zum spektakulären Ereignis des Durchstichs am beschieden. Seine Ehe war kurz. Seine Frau 29. Februar 1880 und zum nachträglichen gros­ starb mit 26 Jahren an Tuberkulose und hinter­ sen Festbankett war Escher nicht einmal eingela­ liess Escher als einziges Kind eine Tochter mit Fotografie den, obwohl die ganze Schweiz wusste, dass sie Namen Lydia. Lydia heiratete später den Sohn um 1878 den Gotthardtunnel Escher zu verdanken hatte. von Bundesrat Emil Welti. Es war ihm nicht mehr vergönnt, sein Projekt mit Nach ihrem kurzen, dramatischen und unglück­ Escher, der Wirtschaftspionier den zahlreichen Brücken und Tunnels jemals zu lichen Leben wurde Lydia Eschers Vermögen 1856 wollte Escher die Nordostbahn allmählich befahren. der Eidgenossenschaft als Stiftung hinterlas­ von ausländischen Geldgebern lösen und grün­ sen, die den Namen «Gottfried-Keller-Stiftung» dete deshalb eine eigene Bank: die Schweize­ Opfer von Pressekampagnen und noch heute trägt. Leider betrieb mit rische Kreditanstalt. Anfeindungen dieser hervorragenden Stiftung zum Ankauf von Damit nicht genug, er stieg auch ins Versiche­ Nach Jahren des Aufschwungs zeigten sich in Schweizer Kunst im Laufe der Jahrzehnte eine rungsgeschäft ein und gründete 1857 die Ren­ den 1860er Jahren Anzeichen von konjunktu­ so klägliche Misswirtschaft, dass sie weitgehend tenanstalt (heute Swiss Life). rellen Krisen, von Arbeitslosigkeit, überhitztem am Boden ist. Es herrschte wirtschaftliche Aufbruchsstim­ Eisenbahnfieber mit Konkursen, Teuerung und Erst nach seinem Tod erinnerte sich die Öffent­ mung und die Aktien der Kreditanstalt wurden Choleraepidemien. lichkeit an Eschers überragende Verdienste. massiv überzeichnet. Das stürmische Wachstum hatte verschiedene 1889 wurde ein von Richard Kissling geschaf­ Das Bankgeschäft war für Escher wie für die Bahngesellschaften in finanzielle Schieflage fenes Denkmal Alfred Eschers auf dem Bahn­ meisten übrigen Verwaltungsräte neu. Escher gebracht, verschlechterte die Rentabilität und hofplatz in Zürich enthüllt. Es war kein Gerin­ tat es nicht, weil er es konnte, sondern weil er verunsicherte die Geldgeber. gerer als Gottfried Keller, der zur Denkmalweihe es musste. Jetzt wurde der vordem so stürmisch gefeierte in der Neuen Zürcher Zeitung schrieb: «Bedürfte Eschers Wirken hatte für die Stadt Zürich und ihr Wirtschaftspionier und politische Wegbereiter der Stein einer weitern Inschrift als derjenigen Stadtbild enorme Folgen. 1850 war Genf noch zum Bösewicht. Mit geballter Macht wurden seines Namens, so liesse sich eingraben: Dem fast doppelt so bevölkert und Bern und Basel Alfred Escher und sein Anhang verspottet. Als Manne, der mit Geistestreue und eigenster Ar­ ebenfalls wesentlich grösser. «Princeps» oder «König Alfred» beschimpft, beit sich selbst Pflichten auf Pflichten schuf Nach Vorbild der Stadt Paris wurde jetzt ein neu­ wurde er für viele Probleme direkt verantwort­ und, sie erfüllend, wirkend und führend, seine er Bahnhof mit Bahnhofstrasse und Paradeplatz lich gemacht. Die Unzufriedenheit in der Be­ Tage verbrachte, die Nächte opferte und das angelegt, wo 1876 das Hauptgebäude der Kre­ völkerung wuchs. Leidenschaftliche, oft auch Augenlicht.» ditanstalt bezogen wurde. Zwischen 1850 und verzerrende und bösartige Schmähschriften, Bild: zvg 1900 wuchs die Bevölkerung der Stadt Zürich Zeitungspolemiken auf tiefstem Niveau, Ehr­ von 17’000 auf 150’000 Einwohner. verletzungsprozesse erschütterten das Vertrauen Alfred Escher erkannte angesichts rasanter tech­ in das «System Escher». nologischer Fortschritte auch den Mangel an Nun rächte sich Eschers oft allzu persönliches gut ausgebildeten Naturwissenschaftlern, Tech­ Regiment. Manche unbezahlte Rechnung, man­ nikern und Ingenieuren. che Schroffheit und erlittene Demütigung wurde Er regte die Gründung eines Eidgenössischen ihm jetzt zurückgegeben. Wie in solchen Fällen Polytechnikums, der heutigen ETH, an, die 1854 üblich, wendeten sich auch seine Parteifreunde – nach stürmischen Debatten im eidgenössischen so vor allem auch Bundesrat Emil Welti – in sehr Parlament mit Sitz in Zürich beschlossen wurde. unschöner Art und Weise von ihm ab. Fotografie Die besten Professoren des In- und Auslandes Dazu kam, dass sich den bis dahin praktisch um 1867

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Ein einfach Land

Es war ein einfach Land, frei, erfolgreich, aber unbeschwert, Der Politfilz träumt: «Ach, wenn das alles nur so bliebe, Masslosigkeit wurde mit «direkter Demokratie» verwehrt. das wär doch wirklich meines Glückes Schmiede!» Ob Jung ob Alt, ob Mann ob Frau, jeder wusste ganz genau, wir gehören zusammen, sonst kommt’s zum Ober- Gau. Doch nun leider kommt‘s zur Wahl, im Oberaargau, wie auch im Emmental. Gute Menschen mit Herz und Verstand, Man muss das Stimmvolk noch ein letztes Mal befragen, bereit gar zu sterben fürs geliebte Vaterland! dann wird die direkte Demokratie zu Grabe getragen. Die Zeit verging und Wohlstand stellt sich ein, Wachstum und mehr Bildung! Echte Arbeit, muss das sein? Politi meint, dem Volk sei nun rasch und dringlich zu verklicken, es müsse in Zukunft einfach anders ticken! Überdrüssig ob der guten Zeit, Statt über neue Steuern, Abgaben und Bürokratie zu hadern, Wohlstand lag stets zu Füssen ja dem Volk bereit, soll man die grosse Last mit Stolz und Würde tragen. bedien dich üppig, sei nicht prüde, Nicht auf Recht und direkte Demokratie nur pochen, so der Gesellschaft neust Gelübde. sondern fortan mehr dem Staat und mir gehorchen!

Vom Volk gewählte, Auserwählte! Auch ihr wollt nicht warten, Ich weiss, ich selber bin ein dummes Kälbchen nur lasst lieber andre, dies gewohnt sind, für euch darben. und mir graust vor dieser radikalen Kur. Nehmt Recht und Geld für Euch, das nicht gehört, Der Metzger hat das grosse Messer schon zur Hand zum eignen Reichtum wird es dann vermehrt. und das raubt mir beinah den Verstand! Drum bleibt mir, als kleines Kalb, nur eine Quintessenz: Die Politik beschliesst enorme, grosse Sachen, am 11. März ein grosses Nein zur Regionalkonferenz! mit eignem Geld würd man es ganz bestimmt nicht machen. Man gönnt sich was, und Wohlstand für sich selber, Aufruf an alle Stimmbürger im Oberaargau und Emmental zum Metzger bringt man nur die dummen Kälber. sowie in der ganzen Schweiz: «Lasst euch mit der Regional- konferenz von der Politik nicht das Fell über die Ohren zie- Ob links ob rechts, ob Freund ob Feind, sei unbesorgt, hen»! die Andern oben, laben sich alle aus demselben Trog. Manfred Schürch, 3367 Thörigen

Regionalkonferenz www.nein-regionalkonferenz.ch Oberaargau

Abstimmung vom 11. März 2012 NEIN • zu falschen Versprechungen und Abbau von Volksrechten • zu einer Zwangskörperschaft (vierte Staatsebene!) statt bewährter und freiwilliger Zusammenarbeit • zu unnötiger, teurer und zentralistischer Staats-Bürokratie • zu massivem Abbau der Gemeindeautonomie und Identitätsverlust kleinerer Gemeinden

NEIN zur unnötigen und schädlichen Regionalkonferenz, überparteiliches Komitee: Gässli 6, 3367 Thörigen Freudiger Patrick, Langenthal; Flückiger Hannes, Auswil; Schürch Manfred, Thörigen; Horisberger Willi, Auswil; Trösch Fredi, Graben; Rickli Käthi, Gondiswil; Jäggi Andreas, Rohrbach; Grädel Käthi, Ursenbach; Schär Hansruedi, Bleienbach; Rentsch Renate, Oschwand; Flückiger Franz, L’thal; Stalder Peter, Thörigen; Meister Aida, Bettenhausen; Sonderegger Bernhard, H’buchsee; Stalder Celine, Thörigen; Schönmann Martin, Niederbipp; Vauthey Michel, H’buchsee; Müller Heinrich, Wiedlisbach; Gasser Stefanie, Bettenhausen; Ryser Lukas, Wynau; Friedli Roland, Bettenhausen; Trösch Peter, Aarwangen; Uebersax Joachim, Thörigen; Rytz Simon, H’buchsee; Kissling Heinz, L’thal; Freiburghaus Ernst, Gondiswil; Brönnimann Roger, Eriswil; Meyer Rolf, Roggwil; Möll Theo, H’buchsee; Möll Gregor, Inkwil; Spycher Markus, Bleienbach; Semling Urs, Madiswil; Zürcher Paul, H’buchsee; Reinmann Klaus, Bleienbach; Sommer Katharina, Walterswil; Loosli Paul, Dürrenbühl, Wyssachen, Burri Niklaus, Niederbipp

Seite 4 März/April 2012 BernAktuell Ausgabe Nr. 178 Stadtnomaden & Co.: oder die unendliche Geschichte einer Privilegierung von links-alternativen Einzelinteressen Verschliesst der Berner Gemeinderat einfach die Augen vor der unhaltbaren Situation oder liegt sogar eine aktive Unterstützung vor? Die Stadt misst mit verschiedenen Ellen und gewährt linksautonomen Wohnformen Privilegien, von denen jeder recht- schaffene, steuerzahlende und gesetzestreue Bürger nur träumen kann.

gläubigen Bürger mit baulichen Auflagen aber Beziehen die Stadtnomaden weitere Leistungen drangsaliert werden, die für andere nicht zu oder Vergünstigungen? gelten scheinen. Es sei auch auf die Kunststoff- 7. Aufgrund welcher Rechtsgrundlagen wären Fenster im Weissenbühlquartier (Eisenbahner­ allfällige Leistungen der Stadt an die Stadt- siedlung) verwiesen, die möglicherweise nun nomaden erfolgt? doch ersetzt werden müssen, weil sie der Denk­ 8. Ist dafür gesorgt, dass bspw. die Hygiene- malpflege missfallen und ohne Bewilligung an­ oder Umweltschutzvorschriften eingehalten Von FDP-Stadtrat gebracht wurden. werden? Alexander Feuz Dasselbe gilt im Bereich der Steuern: Jeder 9. Wie hoch belaufen sich die von der Stadt für Fürsprecher Stadtbewohner muss sich regelkonform anmel­ das Verfahren «Neubrück»* (*vorgesehener 3011 Bern den und wird somit auch steuerpflichtig. Ob dies «provisorischer» Standort für die Stadtno­ bei den Stadnomaden & Co. zutrifft, wage ich maden, ein Einspracheverfahren mit über 90 Zur Sachlage zu bezweifeln. Entsprechende Bedenken sind Einsprechern, darunter diverse Gemeinden) Jeweils alle paar Monate beanspruchen die angebracht; zusammen mit meinem Stadtrats­ aufgelaufenen Anwaltskosten in dem beim Stadtnomaden & Co. ein anderes Gelände der kollegen Ueli Jaisli (SVP) habe ich eine entspre­ Regierungsstatthalter hängigen Verfahren? Stadt Bern, des Kantons oder der Burgerge­ chende Interpellation eingereicht. Ziel ist, dass 10. Weshalb werden Ausnahmebewilligungen meinde für sich. Tatsache ist, dass die ihnen diese Steuern eingefordert werden! als rechtliches Instrument benutzt? Will die grosszügigerweise von den Behörden gewährte Stadt damit den Volkswillen umgehen, da bei 3monatige Frist für das des Viererfeldes Ende Weiteres Vorgehen im Viererfeld einer Abstimmung über alternative Wohn- Januar 2012 abgelaufen war. Der Standplatz im In meiner Funktion als Stadtrat der FDP habe formen ein Nein droht? Viererfeld wurde gleichwohl im Einverständnis ich hier eine weitere Interpellation verfasst, um der Stadt weiter beansprucht. endlich Klarheit zu bekommen, weshalb die Be­ Wir sind gespannt auf die Antworten und wie der Die Stadtbehörden geben schliesslich an, dass hörden diese und ähnliche linksautonome Grup­ Gemeinderat seine Politik der Ungleichbehand­ wegen der grossen Kälte die zum Transport pierungen so grosszügig und in bevorzugender lung und Privilegierung von linksautonomen benötigten Traktoren der Stadtnomaden nicht Weise behandeln. Interessen begründen wird. anspringen, infolgedessen könnten diese nicht Die beantragte Dringlichkeit wurde leider vom zügeln. Angesichts der Tatsache, dass es Winter Büro des Stadtrates abgelehnt. BernAktuell wird Sie über diese leidigen Ge­ ist und somit per se kalt, werden diese auch in Ich stelle unter anderem folgende Fragen: schichten auf dem Laufenden halten. den nächsten Jahren unbehelligt und mit faden­ 1. Sind die Personalien der Stadtnomaden be- scheinigen Ausreden weiterhin länger hausen kannt? Wenn nein, warum nicht? können, wie es ihnen passt. Wäre die Stadt mit 2. Handelt es sich um Schweizer und/oder Aus- all ihren Bürgern so tolerant und verständnisvoll, länder? Können Sie Angaben über die Her- könnte dies ja unter Umständen akzeptiert wer­ kunft machen? Sind sie ordentlich gemeldet Spenden in WIR den, Anarchie anstatt Rechtsstaat. und zahlen sie Steuern/Hundesteuern? Wenn Sie können Spenden Es ist aber so, dass in einem Rechtsstaat Bürger nein, warum nicht? an BernAktuell nicht nur Rechte, sondern eben auch Pflichten 3. Sind die Nachbarn am neu vorgesehenen Ort auch in WIR tätigen. haben. In einer ähnlichen Sache (Pfründwald/ vorgängig korrekt informiert worden? Wenn Jordanweiher) antwortete die Stadt auf Anfra­ nein, warum nicht? Spenden in WIR bitte BA an ge meines Stadtratskollegen, Ueli Jaisli (SVP), 4. Wer trägt die Kosten für die Bereitstellung BernAktuell, Postfach 6803, dahingehend, dass die Bauten der Gruppe im der beanspruchten Grundstücke? Wird für die 3001 Bern Pfründwald, welche notabene schon seit mehr städtischen Grundstücke der Stadt angemes- BernAktuell dankt herzlich für Ihre als 8! Jahren dort stehen, mit dem Einverständnis sene Miete/Pacht bezahlt? Wenn ja, entspricht Unterstützung. der Grundeigentümer dort seien. Für die Stadt diese dem Marktpreis? Wer hat den Preis fest- bestehe somit kein dringender Handlungsbedarf. gelegt? Aufgrund welcher Prämissen? Wenn nun aber Herr Meier oder Frau Müller in 5. Gemäss den mir gemachten Angaben sei es ihrem Vorgarten, auf ihrem Grund und Boden, offenbar zu kalt, damit die Traktoren der www.bernaktuell.ch im Vorgarten – mit Zustimmung des Nachbarn Stadtnomaden ihren Dienst fürs schon lange einen Autoabstellplatz bauen wollen – können fällig gewordene Zügeln aufnehmen können. sie dies nicht einfach so tun, sondern müssen Wer übernimmt die Kosten des Transports mit IMPRESSUM ein ordnungsgemässes Bewilligungsverfahren anderen Traktoren / Transportmitteln? Wem Herausgeberin durchlaufen. Die Stadt wird dieses kaum be­ gehören diese? Sind diese verkehrstüchtig? Vereinigung BernAktiv, Postfach 8631, 3001 Bern willigen (Erhalt der Vorgärten) und bei Bauen Sind sie eingelöst? Telefon 031 398 42 04, Telefax 031 981 39 82 Postcheck 30-22011-6 ohne Bewilligung einen Baustopp verfügen oder 6. Wer zahlt das Wasser, das den Hydranten E-Mail: [email protected] – www.bernaktuell.ch nach dem ohne Bewilligung erfolgten Abriss der offenbar von den Stadtnomaden entnommen Verantwortliche Redaktion Vorgartenmauer die Wiederherstellung dersel­ wurde? Hatten sie dafür eine Bewilligung? a/Nationalrat und Grossrat Thomas Fuchs, a/Nationalrat Bern­ hard Hess, Grossrat Erich J. Hess, Stadtrat Patrick Freudiger, ben verfügen. Wenn nein, was ist die Folge? Notar Thomas Weil, Stadtrat Lukas Lanzrein Dies führt zum Schluss, dass einige Stadtbe­ Wer zahlt die Splitterstreuung, die wegen der 6–10 Ausgaben pro Jahr – Auflage 5’000 bis 25’000 Expl. wohner, die wohl nicht einmal als solche gemel­ offenbar unsachgemäss erfolgten Wasserent- Layout: Peter Hofstetter, Bösingen det sind, Narrenfreiheit geniessen, die rechts­ nahme nötig wurde? Druck: Büchler Grafino, Bern März/April 2012 Seite 5 BernAktuell Ausgabe Nr. 178 In der Euro- und Dollarkrise gilt es, bei den Arbeitskosten Augenmass zu wahren Die Ablehnung der eidgenössischen Volksinitiative für sechs Wochen Ferien und der Abbruch der Unterschriftensammlung für einen Mindestlohn in der Schweiz würden konkrete Massnahmen zum Erhalt unserer Wettbewerbsfähigkeit in der Zeit der dop- pelten Euro- und Dollarkrise darstellen.

unser Land als Inselchen im Herzen des über­ Um es klar auszudrücken: Heute mehr noch schuldeten Abendlandes erscheinen, mit den als gestern gründet die erfolgreiche Lenkung www.centrepatronal.ch Vorteilen, welche aus dieser privilegierten Posi­ nicht in staatlichen Massnahmen, welche unsere tion erwachsen (finanzielle Bewegungsfreiheit). Wettbewerbsfähigkeit schwächt, sondern in der Vor allen Dingen in einer Zeit, in der sich Verfolgung einer verantwortungsvollen Finanz- ein Land wie Frankreich auf dem ökonomisch und Steuerpolitik als auch der Aufrechterhaltung selbstmörderischen Weg der 35-Stundenwoche eines Arbeitsrechts, das auf einer gesunden Sozi­ befindet, konnte unser Land ein flexibles­ Ar alpartnerschaft basiert, im Gegenzug zu zermal­ Von P.-G. Bieri, beitsrecht unterhalten, welches die Anpassung menden Steuern und zum SMIC (Mindestlohn) Centre Patronal an die zeitlichen Bedürfnisse der verschiedenen «à la française». Branchen ermöglichte, wie unser positiver Sal­ In diesem Sinn würden die Ablehnung der eidge­ do in der Handelsbilanz seit zehn Jahren zeigt, nössischen Volksinitiative für sechs Wochen Fe­ Die Krise der öffentlichen Finanzen der Mehr­ während sich die negative Handelsbilanz Fran­ rien und der Abbruch der Unterschriftensamm­ zahl der EU-Länder (EU) und der vereinigten kreichs unaufhaltsam tiefer in den Boden frisst. lung für einen Mindestlohn in der Schweiz Staaten von Amerika (USA) schwächt zwei der Die schweizerische Linke ignoriert bewusst di­ ebenfalls konkrete Massnahmen zum Erhalt wichtigsten Wirtschaftseinheiten der Welt zu ese objektiven Feststellungen und die Aufwer­ unserer Wettbewerbsfähigkeit darstellen… und einem Zeitpunkt, in dem eine explosionsartige tung des Schweizer Frankens gegenüber dem unserer Arbeitsplätze in einer Zeit der doppelten Ausweitung der Euro-Zone nicht mehr absurd Euro und dem Dollar und hält in eidgenös­ Euro- und Dollarkrise. erscheint und die gewichtigste ökonomische, sischen Volksinitiativen an staatlichen Massnah­ Es ist offensichtlich, dass solche Massnahmen politische und militärische Weltmacht knapp an men fest, welche den Preis der Arbeit verteuern effektiver sind als die Aufforderungen an die der Zahlungsunfähigkeit vorbeigeschrammt ist würden, wie die Einführung von sechs Wochen Unternehmen, die Arbeitszeiten nicht zu verlän­ und ihrerseits eine Rückstufung in der Verläss­ Ferien im Jahr, und sammelt gleichzeitig Un­ gern. Diese müssen sich sonst schon gegen ge­ lichkeit als Schuldnerin riskiert. Wegen dieser terschriften für noch unseligere Initiativen wie wichtige Konkurrenten behaupten, welche von enormen Unsicherheiten tauchen die Kurse des jene, welche einen Mindestlohn von Fr. 4’000 der Abwertung ihrer Währung profitieren. Euro und des US-Dollars, während sich der pro Monat verlangt. Schweizer Franken als sicherer Hafen behauptet. Dies hat schwerwiegende Konsequenzen für die Wettbewerbsfähigkeit unseres Landes, welches nicht weniger als einen von zwei Franken im Schweizerischer Ausland einnimmt. Versicherungs-Ratgeber Versicherungsverband Auch wenn es immer noch zum guten Ton gehört, www.svv.ch die Krise der öffentlichen Finanzen zahlreicher Staaten der Finanzkrise 2008 zuzuschreiben, Vorzeitige Pensionierung – wie bleibe illustriert durch den widerhallenden Konkurs der Geschäftsbank Lehman Brothers, ist es unerläss­ ich unfallversichert? lich, gewisse Wahrheiten zu reflektieren, welche unangenehm und störend sind, anstatt dem Ruf V.O.: Kurz nach meiner Frühpensionierung alten Arbeitgebers abschliessen können, welche nach mehr Staat erneut zu folgen. stürzte ich und brach mir das Bein. Wer bezahlt die Heilungskosten von Unfällen für weitere 180 In Wirklichkeit geht die beunruhigende Staats­ die Heilungskosten? Wie wäre ich gegen die Ri- Tage abdeckt. Nachher sind Sie bei Unfällen für verschuldung eines Landes wie Frankreich, um siken eines schwereren Unfalls versichert? Was die Heilungskosten über Ihre Krankenkasse ver­ nicht einfach von den «PIIGS» (Portugal, Ita­ ist, wenn ich einen Teilzeitjob annehme? sichert – stellen Sie aber sicher, dass ein während lien, Irland, Griechenland, Spanien) zu spre­ Ihrer Anstellungszeit mit der Krankenkasse ver­ chen, nicht auf die Finanzkrise von 2008 und Der Staat fördert die private Vorsorge. Das Ge­ einbarter Ausschluss der Unfalldeckung wieder die Exzesse des angelsächsischen Kapitalismus setz sieht bei allen Anstellungen eine obligato­ aufgehoben wird. zurück. Sie resultiert vielmehr in der Tatsache, rische Berufsunfallversicherung vor. Bei mehr dass die zweitgrösste Wirtschaftsmacht der EU als acht Stunden Arbeitszeit pro Woche kommt Unterschiedliche Leistungen seit 1974, also seit bald 40 Jahren, keine ausge­ eine Versicherung für Nichtberufs- oder Frei­ Bitte beachten Sie, dass die Leistungen der glichenen Budgets mehr kannte! zeitunfälle hinzu. Wenn Sie künftig weniger als Nichtberufsunfallversicherung des ehemaligen Die Situation in den USA ist nicht viel anders acht Stunden pro Woche arbeiten, besteht für Sie Arbeitgebers umfangreicher waren als der künf­ als jene in Frankreich. Der einzige Unterschied beim neuen Arbeitgeber keine Versicherungs­ tige Unfallversicherungsschutz bei Ihrer Kran­ besteht im «Bonus» der politisch-militärischen pflicht gegen Nichtberufsunfälle. kenkasse, der sich auf die Vergütung der Hei­ Macht Amerikas, welcher es ermöglicht, Anlei­ lungskosten beschränkt. Sie waren bei Ihrem hen in astronomischer Höhe zu tätigen. Nur wenn sich der Unfall innert 30 Tagen nach Arbeitgeber unter anderem auch für Taggelder, Umgekehrt und trotz vieler Versuche der der Pensionerung ereignet, zahlt die Unfall­ Invaliden- und Hinterlassenenrenten sowie Hilf­ schweizerischen Linken, gleichzeitig die Staats­ versicherung des ehemaligen Arbeitgebers die losenentschädigungen versichert – falls sich für ausgaben und die Steuern zu erhöhen, ist es der Heilungskosten; allenfalls besteht zudem die Sie hier gravierende Lücken im Versicherungs­ Eidgenossenschaft und der Mehrzahl der Kan­ Möglichkeit, dass Sie eine so genannte Abre­ schutz ergeben, sollten Sie das mit Ihrem Versi­ tone nicht nur gelungen, ihre Verschuldung zu deversicherung mit der Unfallversicherung des cherungsberater besprechen. stoppen, sondern sie in den vergangenen sechs Jahren auch deutlich zu reduzieren. Dies lässt

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Buchvorstellung Wettbewerb Wir verlosen das auf dieser Seite vorge- François Loeb (Hrsg.) stellte Buch «Parlamentsgeschichten» Postkarte an BernAktuell, Postfach 8631, Parlamentsgeschichten 3001 Bern oder Mail an Histoires du Parlement, Storie dal Parlamento, Istorgias [email protected] dal Parlamaint Gewinner aus Nr. 176 Bild: zvg terfreund, gibt sein Können zum Besten, der Gewinnerin des Buches «Berner Amthäu­ Schriftsteller Jacques Neirynck glänzt mit einem ser»: Willy Christ, 4562 Biberist französischen Wortfeuerwerk, Martin Bundi be­ richtet in Romantsch von einem Delegations­ Herzliche Gratulation besuch im Kreml, Suzette Sandoz von einem Lausmädchenstreich und Paul Günter trägt Rats­ blüten bei, um nur einige Autorinnen und Auto­ ren zu nennen. Der Herausgeber François Loeb – er bezeichnet Jean Calvin sich selbst als 4.-Bildungsweg-Schriftsteller – hat die Geschichten in einem Aufruf eingefor­ Mit Interesse lese ich jeweils Ihr Blatt. Bezüg­ dert und zusammengestellt. lich des ausführlichen Berichtes über Calvin fehlt mir noch ein wesentlicher Punkt. Ratsvoten Calvin als Reformator hat sich Unerhörtes gelei­ «Wir müssen unbedingt die Diskussion auf er­ stet. Einiges ist in ihrem Bericht auch angetönt. höhtem Niveau vertieft führen.» Was aber schockiert, ist die Tatsache, dass er in Nationalrat Paul Rechsteiner in der Fraktions- Genf Michel Servet lebendigen Leibes auf dem 208 Seiten, broschiert sitzung Scheiterhaufen verbrennen liess. Die Stelle ist ISBN 978-3-7272-1144-7, Stämpfli Verlag heute noch in Genf gekennzeichnet. Und das «Ich bitte Sie eindringlich, den Sachverstand wegen einer Kleinigkeit bezüglich der Ansicht Gut sechzig vornehmlich ehemalige Parlaments­ hier nicht einfach unter den Teppich zu kehren.» über den Heiligen Geist. Und was noch schwerer mitglieder, unter ihnen manche Koryphäen, er­ Nationalrat Hans Widrig beim Mehrwertsteu- wiegt: Servet war ein Mitkommiliton von Cal­ innern sich in ihrer jeweiligen Muttersprache ergesetz vin. Also eigentlich ein Freund. an die Zeit unter der Bundeshauskuppel. Silva Interessant ist, dass solche Sachen kein refor­ Semadenis Beitrag handelt von musikalischer «Dieses Geld wird uns noch kosten.» mierter Pfarrer auf der Kanzel kundtut. Man lobt Agrarpolitik, Werner Martignoni, Hexame­ Nationalrat Ueli Siegrist zur Armee XXI Calvin nur als Reformator. Unerhörte Tatsachen werden wohlweislich ausgeblendet.

Otto Gerber, 8820 Wädenswil (Protestant) Auch die Klima-Wissenschaft ist der Wahrheit verpflichtet Eine kleine Gruppe in den USA traf sich 1986 mit Die Wissenschaft ist der Wahrheit verpflichtet. dem Zweck, wie kann man das Wort «Klimaka­ Ist die ganze Klimawandel-Forschung auf dem Jede Wirtschaft beruht auf tastrophe» am besten kommerzialisieren. In den oben stehenden Satz aufgebaut, so sind eigent­ dem Kreditsystem, das nachfolgenden Sitzungen sollen Sätze gefallen lich sämtliche Diskussionen darüber, ob CO2 an sein, die tiefstes Misstrauen säen. «Um Aufmerk­ einem möglichen Klimawandel schuld ist, ob es heisst, auf der irrtümlichen samkeit zu erregen, brauchen wir dramatische ein Mensch gemachtes (anthropogenes) Treib­ Annahme, der andere Statements und keine Zweifel am Gesagten. Je­ haus um die Erde herum gibt und ob somit eine der von uns Forschern muss entscheiden, wie Klimakatastrophe droht, irrelevant. Die Theorie werde gepumptes Geld weit er eher ehrlich oder eher effektiv sein will.» darüber kann man abschliessen. zurückzahlen. Angeblich wurde der Verbreitung dieser Aussa­ ge nie widersprochen. Solche Worte von einem Max Matt, 9450 Altstätten Kurt Tucholsky Forscher sind nicht die eines Wissenschaftlers.

Inserat

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13,6 % mehr Lohn für den Veranstaltungshinweise SP-Stadtpräsidenten Bild: zvg Der Bund der Steuerzahler nimmt Der Bund der Steuerzahler fordert Öffentlicher Vortrag von mit grossem Befremden zur Kennt­ den Berner Gemeinderat unmiss­ nis, dass sich der rot-grün domi­ verständlich auf, die Erhöhung der Beni Gafner nierte Berner Gemeinderat allen eigenen Löhne zurückzunehmen zum Thema: Ernstes die eigenen Löhne um und wie der Regierungsrat frei­ mehr als 9% erhöhen wird und willig auf eine Lohnerhöhung zu Armee immer noch am als Gipfel der Unverschämtheit den verzichten. Lohn des Stadtpräsidenten um sage Der Gemeinderatsentscheid ist Abgrund? und schreibe 13,7 % erhöhen soll. nicht nur eine klare Missachtung Die strategischen Herausforderungen Diese massiven Lohnerhöhungen des Volkswillens, sondern auch ein erfolgen in einer Zeit, in welcher Schlag ins Gesicht all derjenigen einer heutigen Armee viele Angestellte in diesem Land Verantwortungsträger, welche heu­ um ihren Arbeitsplatz bangen und te weniger als 200’000 Franken Wann: Samstag, 17. März 2012, um 11.00 Uhr von Lohnerhöhungen nur träumen verdienen. Eine Geringschätzung im Anschluss zur Hauptversammlung. können. Der SP-Stadtpräsident gegenüber vielen Gewerblern und Danach Apéro, offeriert vom Parteiunabhängigen sowie seine mehrheitlich linken Unternehmern, die von morgens Komitee PIKOM und Mittagessen für Angemeldete Gemeinderatskollegen würden mit früh bis abends spät arbeiten. Für um ca. 12.45 Uhr der neuen Regelung unisono mehr all diejenigen wären die Arbeitsbe­ Wo: Restaurant Bären Ostermundigen Apérosponsor als 20’000 Franken im Monat ver­ dingungen der Stadt sowie die sehr Bernstrasse 25, 3072 Ostermundigen dienen. hohe Arbeitsplatzsicherheit und www.baeren-ostermundigen.ch Parteiunabhängiges Informationskomitee Der Bund der Steuerzahler erin­ die Rentenabsicherung geradezu nert daran, dass die Volksinitiati­ traumhaft. ve «200’000 Franken sind genug» am 8. Februar 2004 von sage und Grossrat Thomas Fuchs, Einladung Bild: zvg schreibe 57,14% der Stimmbe­ alt Nationalrat rechtigten angenommen wurde, Präsident Bund der Steuerzahler Referat von Wolfgang Schibler obschon im Stadtrat alle Parteien Kanton Bern Gemeindeammann, Bettwil dagegen waren. zum Thema Bärner Möckli ¯ ¯ ¯ Bettwil und Bundesasylcenter IQ berechnet: Erstmals wurde der Künftig müssen Metzger wohl noch Ein Feuer entfachen ist nicht schwer – Essensdurst nicht vom Wissens­ Hundesteuer für Hotdogs bezahlen. durst überholt. ¯ ¯ ¯ das Feuer löschen jedoch sehr ¯ ¯ ¯ Er: Sie hat an der Hochzeit Ja ge­ im Anschluss von PIKOM offerierter Apéro riche Ein fetter Brocken: «Wenn ich 11 sagt und mir dann ein Leben lang Datum: Samstag, 21. April 2012, 13.30 Uhr Kilo abnehme, dann ist das so, wie widersprochen! wenn einem Panzer das Nummern­ ¯ ¯ ¯ Ort: Hotel Aarauerhof, Bahnhofstrasse 68, 5000 Aarau schild abfällt. Das erste, was man heute im Beruf (unmittelbar neben dem SBB-Bahnhof) ¯ ¯ ¯ lernt: Ein Navi beim Friedhof: Sie haben Wer hat das gemacht? Ihr Ziel erreicht! Das wird aber teuer. Veranstalter: www.pikom.ch Parteiunabhängiges Informationskomitee

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Wettbewerb (siehe Seite 7)  Jahresbeitrag Fr. 48.– (inkl. Zeitung)  Verlosung: Das Buch «Parlamentsgeschichten»

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