Fortschreibung Einzelhandelskonzept für die Stadt Neustadt i. H. 2020

Fortschreibung des Einzelhandels- konzeptes für die Stadt

Auftraggeber: Stadt Neustadt in Holstein

Projektleitung: Dipl.‐Geogr. Katharina Staiger Dipl.‐Ing. Florian Komossa

Hamburg, am 06.03.2020

Gesellschaft für Markt‐ und Absatzforschung mbH

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Fortschreibung Einzelhandelskonzept für die Stadt Neustadt i. H. 2020

Urheberrecht

Das vorliegende Dokument unterliegt dem Urheberrecht gemäß § 2 Abs. 2 sowie § 31 Abs. 2 des Gesetzes zum Schutze der Urheberrechte. Eine Vervielfältigung, Weitergabe oder (auch auszugs‐ weise) Veröffentlichung ist nur nach vorheriger schriftlicher Genehmigung der GMA und der Auf‐ traggeberin unter Angabe der Quelle zulässig.

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Vorbemerkung

Im Mai 2019 beauftragte die Stadt Neustadt in Holstein die GMA, Gesellschaft für Markt‐ und Absatzforschung mbH, Hamburg, das Einzelhandelskonzept für die Stadt Neustadt i. H. fortzu‐ schreiben. Das Einzelhandelskonzept soll weiterhin die Basis für die planungsrechtliche Steue‐ rung des großflächigen Einzelhandels bilden und vorliegende Anfragen zur Erweiterung und Ent‐ wicklungsmöglichkeiten bewerten. Ziel des Konzeptes ist es, die Leitlinien und Strategien für die zukünftige Entwicklung des Einzelhandels in Neustadt i. H. aufzuzeigen.

Der GMA standen für die Erstellung der Untersuchung Daten und Informationen des Statistischen Bundesamtes, des Landesamtes für Statistik Nord, der Stadt Neustadt i.H., MB‐Research sowie GMA‐interne Unterlagen zur Verfügung.

Die Untersuchung dient der Vorbereitung für kommunalpolitische und bauleitplanerische Ent‐ scheidungen der Stadt Neustadt in Holstein. Alle Informationen im vorliegenden Dokument sind sorgfältig recherchiert, der Bericht wurde nach bestem Wissen und Gewissen erstellt. Für die Richtigkeit, Vollständigkeit und Aktualität von sekundärstatistischen Daten, u.a. Landesamt für Statistik, MB Research, kann die GMA keine Gewähr übernehmen. G M A Gesellschaft für Markt‐ und Absatzforschung mbH

Hamburg, den 06.03.2020 KST/KOF

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Inhaltsverzeichnis Seite

I. Grundlagen 6

1. Aufgabenstellung und Methodik 6 2. Einzelhandelskonzept als ganzheitliches strategisches Entwicklungsinstrument 6 3. Einzelhandelskonzept zur rechtssicheren räumlichen Steuerung des Einzelhandels 7 4. Einzelhandelskonzept als Instrument um auf veränderte Konsum‐ und Flächenbedarfe zu reagieren 8 4.1 Entwicklungen der letzten Jahre 8 4.2 Konsequenzen für die (Innen‐)Stadtentwicklung 11 5. Ausblick für Neustadt i. H. 13 5.1 Generelle zukunftsfähige Entwicklungen 13 5.2 Angebotsstrukturen und Entwicklungen der Nahversorgung 14 6. Planungsrechtliche Instrumente zur Steuerung der Standortentwicklung im Einzelhandel 17 6.1.1 Gebiete mit Bebauungsplan 17

6.1.2 Gebiete ohne Bebauungsplan 18

6.1.3 Besonderes Städtebaurecht 19

6.2 Landesentwicklungsplan Schleswig‐Holstein 19 6.3 Vorgaben der Regionalplanung 23 7. Zentrale Versorgungsbereiche 23 7.1 Begriff „Zentraler Versorgungsbereich“ 23 7.2 Abgrenzung und Bedeutung Zentraler Versorgungsbereiche 25

II. Situationsanalyse des Einzelhandelsstandortes Neustadt i. H. 27

1. Makrostandort Neustadt i. H. 27 2. Aktueller Einzelhandelsbestand in Neustadt i. H. 30 3. Aktueller Einzelhandelsbestand im Nahbereich 33 4. Nahversorgungssituation 33 5. Wesentliche Änderungen seit 2013 36

III. Nachfragesituation 37

1. Marktgebiet des Einzelhandelsstandortes Neustadt i. H. 37 2. Kaufkraftpotenzial für den Einzelhandel in Neustadt i. H. 39 3. Bevölkerungs‐ und Kaufkraftprognose 40 4. Kaufkraftströme 40

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IV. Einzelhandelskonzept für Neustadt i. H. 42

1. Ziele des Einzelhandelskonzeptes 42 2. Überprüfung des Sortimentskonzeptes 43 3. Überprüfung des Standortkonzeptes 46 3.1 Zentraler Versorgungsbereich Innenstadt 49 3.2 Standortlagen außerhalb des zentralen Versorgungsbereichs 54 3.2.1 Nahversorgungsstandort Waschgrabenallee / Rosengarten 54

3.2.2 Nahversorgungsstandort Oldenburger Straße 55

3.2.3 Nahversorgungsstandort Sandberger Weg 56

3.2.4 Nahversorgungsstandort Wiesenstraße 57

3.3 Standortlagen des großflächigen, nicht zentrenrelevanten Einzelhandels 58 3.3.1 Standortlage Eutiner Straße / Sierkdorfer Straße (Gewerbegebiet) 59

3.3.2 Standortlage Rettiner Weg 61

4. Grundsätze der Einzelhandelsentwicklung 62 4.1 Steuerungsempfehlungen des Einzelhandels innerhalb des zentralen Versorgungsbereichs Innenstadt 63 4.2 Steuerungsempfehlungen des Einzelhandels außerhalb des zentralen Versorgungsbereichs 63 4.2.1 Nahversorgungsstandorte 63

4.2.2 Standortlagen des großflächigen, nicht zentrenrelevanten Einzelhandels 63

4.2.3 sonstige siedlungsräumlich integrierte Lagen (z. B. Wohngebiete) 64

4.2.4 sonstige siedlungsräumlich nicht integrierte Lagen (v. a. Gewerbe‐ und Industriegebiete) 64

5. Empfehlungen zur Umsetzung des Einzelhandelskonzeptes 65

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I. Grundlagen

1. Aufgabenstellung und Methodik

Das Einzelhandelskonzept dient als sachlich fundierte Grundlage zur Bewertung der branchen‐ und standortbezogenen Entwicklungsmöglichkeiten für den Einzelhandel der Stadt Neustadt i. H. Es bildet als umsetzungsorientiertes Steuerungsinstrument die Basis für weitere Planungen, wo‐ bei primär der großflächige Einzelhandel (ab 800 m² Verkaufsfläche) planungsrechtlich und raum‐ ordnerisch zu begleiten ist. Die Zulässigkeit von Einzelhandelsbetrieben mit einer Verkaufsfläche bis zu 800 m² ist in der BauNVO geregelt. Das Konzept basiert auf folgenden Vor‐Ort‐Arbeiten bzw. Befragungen:

 Erhebung aller Einzelhandelsbetriebe im Nahbereich des Unterzentrums mit Teilfunk‐ tionen eines Mittelzentrums Neustadt i. H.

 persönliche Befragung ausgewählter Betriebe

 Nutzungskartierung in der Innenstadt.

Die vorliegende Untersuchung stützt sich auf eine umfassende Datenbasis, wobei es sich über‐ wiegend um primärstatistisches Datenmaterial handelt. Darüber hinaus standen der GMA sekun‐ därstatistische Daten zur Verfügung. Die Vor‐Ort‐Aufnahme der Verkaufsflächen1 aller Einzel‐ handelsbetriebe erfolgte im August 2019. Darüber hinaus erfolgte eine Aufnahme der Nutzun‐ gen in der Innenstadt, wobei neben den genutzten Einheiten (z. B. Einzelhandel, Gastronomie, Dienstleistung) auch leerstehende Einheiten erfasst wurden. Die Auswertung erfolgte auf Basis einer kartografischen Darstellung. Die Ergebnisse der Kartierungen bilden eine wichtige Grund‐ lage zur sachgerechten Abgrenzung zentraler Versorgungsbereiche.

2. Einzelhandelskonzept als ganzheitliches strategisches Entwicklungsinstrument

Für das Unterzentrum mit Teilfunktion eines Mittelzentrums Neustadt i. H. sind der Erhalt (Min‐ destziel) und ggf. der Ausbau der mittelzentralen Versorgungsfunktion (Maximalziel) wesentliche Ziele der Einzelhandelsentwicklung. Dabei sind die dynamische Entwicklung der Stadt in der Ver‐ gangenheit und die weiterhin anzunehmende positive Entwicklung in der Zukunft berücksichtigt. Deshalb sind im Einzelhandelskonzept die Möglichkeiten zur Erreichung dieser Ziele des Einzel‐ handels herauszuarbeiten, sortiments‐ bzw. standortbezogen abzuwägen und in ein strategi‐ sches Gesamtkonzept einzuarbeiten. Dabei steht insbesondere eine zukunftsgerichtete und stra‐ tegische Weiterentwicklung des Standortes Neustadt i. H. im Fokus.

1 Verkaufsfläche wird wie folgt definiert: „Verkaufsfläche ist die Fläche, auf der die Verkäufe abgewickelt werden und die vom Kunden zu diesem Zwecke betreten werden darf, einschließlich der Flächen für Wa‐ renpräsentation (auch Käse‐, Fleisch‐ und Wursttheken), Kassenvorraum mit „Pack‐ und Entsorgungs‐ zone“ und Windfang. Ebenso zählen zur Verkaufsfläche Pfandräume (ohne Fläche hinter den Abgabege‐ räten), Treppen, Rolltreppen und Aufzüge im Verkaufsraum sowie Freiverkaufsflächen. Nicht dazu gehö‐ ren reine Lagerfläche und Flächen zur Vorbereitung / Portionierung der Waren sowie Sozialräume, WC‐ Anlagen etc. (vgl. hierzu auch BVerwG 4C 10.04 und 4C 14.04 vom 24.11.2005).

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Das Einzelhandelskonzept ist die informelle Entwicklungs‐ und Planungsgrundlage. Erst durch einen Beschluss des Stadtrates bzw. der Stadtverordnetenversammlung wird es zu einem Ent‐ wicklungskonzept gemäß § 1 Abs. 6 Nr. 11 BauGB und ist im Rahmen der Bauleitplanung als Ab‐ wägungsgrundlage zu berücksichtigen. Bei der Fortschreibung des Konzepts werden dahin die Ergebnisse der Vorgängeruntersuchung berücksichtigt, eingeordnet und erneut geprüft.

3. Einzelhandelskonzept zur rechtssicheren räumlichen Steuerung des Einzelhandels

Im Baugesetzbuch ist als Grundsatz der Einzelhandelssteuerung der Schutz und die Stärkung zentraler Versorgungsbereiche verankert, die Rechtsprechung der Mittelgerichte hat die Anfor‐ derungen an die Begründung, Abgrenzung und die Inhalte dieser Gebietskategorie präzisiert2; durch die räumliche Konzentration wichtiger Einzelhandelsbetriebe auf zentrale Versorgungsbe‐ reiche sollen diese gestärkt werden. Ein weiterer Aspekt der Begründung planerischer Steuerung ist die Sicherung und Weiterentwicklung der verbrauchernahen Versorgung. Auch in der Baunutzungsverordnung wird die verbrauchernahe Versorgung als „Schutzgut“ genannt (vgl. § 11 Abs. 3 BauNVO). Bürger denken beim Einkauf oft an den Lebensmitteleinkauf. In Neustadt i. H. mit den von der Kernstadt abgesetzten Ortsteilen Pelzerhaken und Rettin kommt der Grund‐ und Nahversorgung eine wichtige Rolle zu. Ferner stellt die Sicherung des jeweiligen Baugebiets‐ charakters3 bei anhaltender Flächenknappheit eine Zielsetzung der Einzelhandelssteuerung dar.

Das aktuelle Urteil des Europäischen Gerichtshofs vom 30. Januar 2018 unterstreicht die Anfor‐ derungen an kommunale Planungskonzepte (die städtebaulich zu begründen sind) oder an die Steuerung auf regionaler Ebene. 4 In einer gesonderten Mitteilung der Europäischen Kommission5 wird verdeutlicht, wie wichtig ein zeitnaher und zügiger Marktzugang in Form von „Verkaufsstel‐ len“ für Einzelhändler ist.6 In der Folge sind insbesondere wirtschaftliche Bedarfsprüfungen, die letztlich zu einer wirtschaftlichen Bewertung einer Einzelhandelsaktivität führen, untersagt.

2 Vgl. Urteile BVerwG (27.03.2013), Az. BVerwG 4 CN 7.11 und OVG NRW (28.01.2014), Az 10 A 152/13. 3 Durch den generellen bzw. gezielten Ausschluss von Einzelhandel in Gewerbegebieten können diese für das produzierende und verarbeitende Gewerbe gesichert werden. Auch der Regionalplan 3.0 des südli‐ chen Oberrheins nimmt eine Abgrenzung der regionalplanerischen Innenstadt – Vorranggebiet vor. Dieser ist ebenfalls zu berücksichtigen. 4 Vgl. Urteil vom 30. Januar 2018, wonach der Europäische Gerichtshof (C‐31/16) entschieden hat, dass Beschränkungen von Einzelhandelsnutzungen in Bauleitplänen am Maßstab der Europäischen Dienstleis‐ tungsrichtlinie (RL 2006/123/EG) zu messen sind. Damit sind sie auf Verstöße gegen das Diskriminierungs‐ verbot sowie auf ihre europarechtliche Erforderlichkeit und Verhältnismäßigkeit hin zu prüfen. Niederlas‐ sungsfreiheit bedeutet aus GMA‐Sicht hier, dass für ansiedlungswillige Unternehmen auch Standorte er‐ möglicht werden; einer Kontingentierung von Standorten oder Verkaufsflächen – etwa bedingt durch eine wie auch immer wahrgenommenen Marktsättigung – hat die Europäische Kommission eine klare Absage erteilt. Welche Auswirkungen dies für die kommunale Bauleitplanung hat, ist noch offen. 5 Vgl.: Ein den Anforderungen des 21. Jahrhunderts gewachsener europäischer Einzelhandel; Mitteilung der Kommission an das europäische Parlament, den Rat, den europäischen Wirtschafts‐ und Sozialausschuss und den Ausschuss der Regionen; Brüssel 19.04.2018; Drucksache 127/18, Dokument COM(2018)/219 final. 6 Die Kommission setzt sich mit der vielerorts beklagten Dauer und Komplexität der Niederlassungsverfah‐ ren in den Ländern der Union auseinander. Die Beschränkungen von Einzelhandelsnutzungen in Bauleit‐ plänen haben sich am Maßstab der europäischen Dienstleistungsrichtlinie zu messen.

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Dagegen werden Niederlassungsvorschriften für die weitere Einzelhandelsentwicklung, die städtebauliche und raumordnerische Ziele verfolgt, geschützt und befördert.

4. Einzelhandelskonzept als Instrument um auf veränderte Konsum‐ und Flächenbe‐ darfe zu reagieren

Diskussionen zur Einzelhandelsentwicklung waren in Deutschland noch bis vor wenigen Jahren durch den Gegensatz von „Grüne Wiese“ und innerstädtischen Geschäftslagen geprägt. Seit An‐ fang dieses Jahrzehnts bestimmt die fortgeschrittene Digitalisierung die Diskussion um die Zu‐ kunft des stationären Einzelhandels.

4.1 Entwicklungen der letzten Jahre

Über den gesamten Handel hinweg war die Einzelhandelsentwicklung in Deutschland bis 2011 noch durch ein beachtliches Verkaufsflächenwachstum gekennzeichnet. In den letzten Jahren hat sich das Flächenwachstum bundesweit jedoch deutlich abgeschwächt bzw. ist gänzlich zum Still‐ stand gekommen.7

Der Aufschwung in Deutschland wird zumindest bis zum Ende der Dekade nach Prognosen aller Wirtschaftsinstitute anhalten. Davon profitiert auch das Konsumklima, was auch perspektivisch zu einem weiteren Anstieg der Umsätze im Einzelhandel geführt hat und führen wird. 8

Abbildung 1: Umsatzentwicklung im deutschen Einzelhandel 2011 – 2019 (Prognose)

Quelle: Statistisches Bundesamt; HDE, zit in: handelsdaten aktuell 2019, S. 64

7 Zwischen 2012 und 2019 betrug der Anstieg nur noch rd. 2 % (Vgl. Kapitel III. 3.). 8 Umsatzwachstum Einzelhandel in Deutschland von 2017 bzw. 2018: + 2,0 %; Angaben HDE, Prognose für 2018.

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Das gute konjunkturelle Umfeld in Deutschland insgesamt war – anders als in den Jahren Anfang der letzten Dekade – zuletzt kein Garant mehr für Flächenwachstum im Einzelhandel; ein guter Teil des Umsatzwachstums entfiel auf den Onlinehandel. Viele Handelsunternehmen unterschei‐ den kaum noch zwischen stationär und online und ermöglichen dem „hybriden“ Kunden, für den „online“ und „offline“ zwei attraktive Absatzkanäle darstellen, den Zugang zur Ware. Abbildung 2: Konsumtrends im Zusammenhang mit der Ausbildung des „hybriden“ Ver‐ brauchers

GMA‐Darstellung 2019

Diese Entwicklungen bleiben nicht ohne Auswirkungen auf die Ausbildung unterschiedlicher Be‐ triebstypen im Einzelhandel. Diese sind schematisch in der folgenden Abbildung dargestellt. Abbildung 3: Entwicklung der Betriebstypen im Einzelhandel nach Lebenszyklusphase

GMA‐Darstellung 2019

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Als zentraler Veränderungsfaktor der weiteren Einzelhandelsentwicklung ist die Digitalisierung herauszustellen: Die Folgen sind im Nonfoodsegment (v. a. in zentrenprägenden Sortimenten) offensichtlich – Textil‐ und Schuhanbieter, Elektronik‐ und Buchhändler zählen zu den innen‐ stadtorientierten Sortimenten, welche die höchsten Umsatzanteile abgegeben haben.

Abbildung 4: Umsatzentwicklung im Lebensmitteleinzelhandel Food / Nonfood 2008 – 2018

GMA‐Darstellung 2019, in Anlehnung an Habona‐Report 2018

Im Lebensmittelbereich zeigt sich, dass die (kosten‐)intensiven Bemühungen der (On‐ line‐) Händler zum Aufbau ihrer Marktanteile bislang nur geringen Erfolg haben: In Städten trifft die onlineaffine Kundschaft i. d. R. auf ein sehr engmaschiges Netz an Nahversorgern.9 Im ländli‐ chen Raum bzw. einwohnerschwächeren Räumen hingegen, wo der Onlinelebensmittelhandel einen tatsächlichen Mehrwert i. S. von Versorgungssicherheit darstellen könnte, wurde bislang noch kein nachhaltig rentables Geschäftsmodell entwickelt. Kostendruck und Umweltschutz las‐ sen eine ökonomisch nachhaltige Lösung der „Logistik der letzten Meile“10 kaum möglich erschei‐ nen.11 Für Neustadt i. H. wird der Onlinehandel mit Lebensmitteln auf absehbare Zeit für den täglichen Einkauf keine nennenswerte Rolle spielen.

Die Polarisierung zwischen dem sog. „Run‐Shopping“ (versorgungsorientierter Routineeinkauf) und dem „Fun‐Shopping“ (freizeitorientierter Spaßeinkauf) setzt sich fort und wird durch die Möglichkeiten der Digitalisierung angetrieben. In der Folge verliert die sog. „unprofilierte Mitte“

9 Zum Teil auch mit erweiterten Öffnungszeiten, Kioske und Eckläden gestalten die Grenze zur Gastronomie fließend und sind teilweise weit in die Abendstunden geöffnet. 10 Damit wird umgangssprachlich die „Endzustellung“ von Logistikkosten zum Endverbraucher bezeichnet – in dünn besiedelten Räumen fehlt oft der Logistikunternehmer. 11 Vgl. u. a. Supermarkt statt online, Pressemitteilungen z. B. in der Stuttgarter Zeitung, Hamburger Abend‐ blatt et al.; 24.05.2018; online‐Lebensmittelhandel: die Verkürzung der letzten Meile; hi‐heute.de; 07.08.2018, S. 4 – 9.

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weiter an Bedeutung. Gewinner sind neben den digitalen Marktplätzen und Plattformen v. a. at‐ traktive und multifunktionale Innenstädte, die das Grundbedürfnis nach gemeinschaftlichem „Er‐ lebnis“ und nach Sensation bzw. Aufenthaltsqualität bedienen.

Verbrauchernahe und gut erreichbare Nahversorgungslagen profitieren von der Entwicklung, da sie neben dem Faktor Zeitersparnis und kurze Wege zunehmend auch die emotionale Ebene an‐ sprechen. Abbildung 5: Anforderungen an Grund‐ und Nahversorgungsstandorte

GMA‐Darstellung 2019

4.2 Konsequenzen für die (Innen‐)Stadtentwicklung

Konsens besteht darin, dass der digitale Handel als ergänzender Vertriebskanal seinen festen Platz in der Konsumentenwelt gefunden hat. Insbesondere die sog. zentrenrelevanten Sorti‐ mente werden vergleichsweise stark vom Onlinehandel bedient (z. B. Fashion und Accessoires). Trotz wachsender Marktanteile wird mittelfristig der stationäre Einzelhandel der wichtigste Ein‐ kaufskanal bleiben (vgl. Abbildung 7).

In welchem Umfang der Flächenbedarf im stationären Einzelhandel v. a. aufgrund logistischer Entwicklungen (City‐Logistik, same‐hour‐delivery etc.) sinken wird und in welchem Umfang ein steigender Flächenbedarf für Lager und Logistik in den Gewerbegebieten einhergeht, ist noch nicht abschließend geklärt. Damit eröffnen sich an gut im Markt positionierten Standorten, auch für den stationären Handel weiterhin Chancen, da Entwickler und Handelsunternehmen vorran‐ gig dort Standorte nachfragen werden.

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Abbildung 6: Entwicklungsszenarien des Onlinehandels bis 2025

GMA‐Darstellung 2019

Im Ergebnis lässt die aktuelle Entwicklung eine Dreiteilung erwarten (vgl. Abbildung 8):

(1) Zentrale Innenstadtlagen und ausreichend große Einkaufszentren in Metropolen und Großstädten können nach wie vor eine anhaltend hohe Flächennachfrage erzeugen. Dort ist auch die Grundlage für einen guten Branchenmix mit attraktiven Marken und ausgeprägten Synergien vorhanden (z. B. Gastronomie, Kultur).

(2) Durch den digitalen Wandel sind die Herausforderungen für Mittelstädte am größten. So bestehen mit Blick auf den Einzelhandel die größten Entwicklungschancen in Zentren, wel‐ che es schaffen, ein umfassendes, freizeit‐ und erlebnisorientiertes Angebot vorzuhalten.

(3) Die Handelsbedeutung von Kleinstädten wird bis auf wenige Ausnahmen (z. B. Kultur‐, Kur‐ oder Tourismusorte) deutlich zurückgehen und sich auf die Nahversorgung (Lebensmittel‐ märkte, Drogeriemärkte u. a. m.) beschränken.

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Abbildung 7: Gewinner und Verlierer des digitalen Wandels

GMA‐Darstellung 2019

Für Neustadt i. H. kommt es darauf an, sich in einen starken Wettbewerb zu behaupten und sich gegenüber anderen regionalen Standorten mit einem „Alleinstellungsmerkmal“ wie z. B. dem Tourismus (Ostseebad, Vergnügungspark Hansa‐Park in ) und dem Gesundheitswesen (zahlreiche Fachkliniken) zu profilieren.

5. Ausblick für Neustadt i. H.

5.1 Generelle zukunftsfähige Entwicklungen

Für Neustadt i. H. sind zukünftig folgende Aspekte wesentlich:

 Welche Rolle soll Neustadt i. H. in der Region und für sein Marktgebiet spielen?

 Neben den Entwicklungen im Einzelhandel selbst verändert sich bundesweit und in Neustadt i. H. das Verbraucherverhalten: Zahlreiche Image‐ und Besucherbefragungen der GMA in Innenstädten und an Nahversorgungsstandorten unterschiedlicher Stand‐ ortkategorie verdeutlichen, dass der digitale Wandel auch als Chance sowohl für die Innenstädte als auch für qualifizierte Nahversorgungsstandorte begriffen werden muss.

 Zeitreihenbefragungen zeigen auf, dass das Thema „Einkaufen“ nicht mehr der domi‐ nierende Besuchsgrund der Innenstädte ist; Einkauf wird immer stärker mit anderen Aktivitäten verknüpft (Arztbesuch, Kultur‐ oder Bildungsangebote, andere Freizeitak‐ tivitäten). Veränderten Konsumentenbedürfnissen kann jedoch nicht dauerhaft ein gleichbleibendes (Einzelhandels‐)Angebot präsentiert werden; neue Konsumbedürf‐ nisse erfordern neue Angebote.

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Der räumliche Aspekt der Veränderungen im Einzelhandel lässt sich für Neustadt i. H. anhand der notwendigen Schlussfolgerungen für die Klein‐ und Mittelstädte und ihrer Innenstadtentwicklung aufzeigen:

 Weiterentwicklung der Innenstadt als gesamtstädtisch bedeutsamer Kommunikati‐ ons‐ und Wirtschaftsraum,

 Förderung der funktionalen Dichte durch Entwicklung und Einbindung weiterer Nut‐ zungen (Gastronomie, Dienstleistungen, Handwerk usw.) und Vernetzung der Ange‐ bote,

 konsequentes Bespielen der Alleinstellungsmerkmale der Stadt in Verbindung mit Events und anderen Aktivitäten,

 dem Thema Wohnen in der Innenstadt kommt eine wachsende Bedeutung bei der In‐ nenstadtentwicklung zu; vertikale Mischung (Einzelhandel, Dienstleistung, Gastrono‐ mie und Wohnen im Obergeschoss) ist weiter zu fördern,

 Sicherstellung einer funktionierenden Nahversorgung und sonstigen öffentlichen Da‐ seinsvorsorgen (Schulen, Kinderbetreuung etc.) zur Sicherung der Attraktivität als Wohnstandort,

 konsequente Aufwertung des öffentlichen Raumes für alle Nutzergruppen sowie Schaffung einer Atmosphäre, die zum Verweilen einlädt,

 Unter diesen Prämissen soll die weitere Einzelhandelsentwicklung der Stadt Neustadt i. H. strategisch fortgeführt werden.

5.2 Angebotsstrukturen und Entwicklungen der Nahversorgung

Die Nahversorgung wird heute durch sehr unterschiedliche Anbieter‐ und Betriebsformen abgedeckt, wobei insbesondere die Lebensmittelmärkte strukturprägend sind. Es werden fol‐ gende Betriebstypen vom EHI Köln unterschieden12: Kleines Lebensmittelgeschäft Ein kleines Lebensmittelgeschäft ist ein Einzelhandelsgeschäft mit weniger als 400 m² Verkaufsfläche, das ein begrenztes Lebensmittel‐ und Nonfood I‐Sortiment13 anbietet.

Lebensmitteldiscounter Ein Lebensmitteldiscounter ist ein Einzelhandelsgeschäft mit einer üblichen Verkaufs‐ fläche unter 1.000 m², das ausschließlich in Selbstbedienung ein begrenztes, auf um‐ schlagstarke Artikel konzentriertes Lebensmittelangebot und Nonfood I‐Sortiment so‐ wie ein regelmäßig wechselndes Aktionsangebot mit Schwerpunkt Nonfood II14 führt.

12 vgl. EHI Handelsdaten aktuell 2018, Seite 381. 13 Drogeriewaren, Wasch‐, Putz‐ und Reinigungsmittel sowie Tiernahrung. 14 Ge‐ und Verbrauchsgüter des kurz‐, mittel‐ und langfristigen Bedarfs wie Textilien, Schuhe, Gartenbedarf, Unterhaltungselektronik, Elektrogroßgeräte, Bücher und Presseartikel usw.

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Supermarkt Ein Supermarkt ist ein Einzelhandelsgeschäft mit einer Verkaufsfläche zwischen 400 m² und 2.500 m², das ein Lebensmittelvollsortiment und Nonfood I‐Artikel führt und einen geringen Verkaufsflächen‐Anteil an Nonfood II aufweist.

Convenience Store Ein Convenience Store ist ein Einzelhandelsgeschäft mit einer Verkaufsfläche unter 400 m², das ein begrenztes Sortiment aus den Warenbereichen Tabakwaren, Süßwaren, Getränke, Presseartikel sowie frische Snacks und Fertiggerichte anbietet. Ein Conve‐ nience Store zeichnet sich durch seine bequeme Erreichbarkeit und übliche Sonntags‐ öffnung aus. Zu den Convenience Stores gehören Kioske und Tankstellenshops.

Ethnischer Lebensmittelmarkt Als ethnische Lebensmittelmärkte werden Lebensmittelmärkte bezeichnet, die i. d. R. von Inhabern mit Migrationshintergrund geführt werden und überwiegend ausländi‐ sche Lebensmittelspezialangebote führen, wie z. B. Asiamarkt.

Großer Supermarkt Ein großer Supermarkt ist ein Einzelhandelsgeschäft mit einer Verkaufsfläche zwischen 2.500 m² und 5.000 m², das ein Lebensmittelvollsortiment sowie Nonfood I‐ und Non‐ food II‐Artikel führt.

SB‐Warenhaus Ein SB‐Warenhaus ist ein Einzelhandelsgeschäft mit einer Verkaufsfläche von mindes‐ tens 5.000 m², das ein Lebensmittelvollsortiment und Nonfood I‐Artikel sowie ein um‐ fangreiches Nonfood II‐Angebot führt.

Besondere Bedeutung für die Entwicklung des Lebensmitteleinzelhandels kommt discountieren‐ den Angebotsformen zu. Es handelt es sich um Vertriebskonzepte, die auf eine konsequente Niedrigpreispolitik setzen wie z. B. Lebensmitteldiscounter. Diese verfügen über einen Marktan‐ teil im Lebensmittelsektor von ca. 45 %15, wobei mittlerweile über 16.000 Lebensmitteldiscoun‐ ter in Deutschland vorhanden sind. Supermärkte und SB‐Warenhäuser konnten ebenfalls in den letzten Jahren noch expandieren, kleinere Lebensmittelgeschäfte hingegen verzeichneten einen hohen Bedeutungsverlust. So verringerte sich die Anzahl der kleineren Lebensmittelgeschäfte von über 11.200 (2010) auf etwa 8.600 Geschäfte (2018)16. Als Standorte für großflächige Lebens‐ mitteldiscounter oder Supermärkte wurden in den letzten Jahren aufgrund raumordnerischer Vorgaben zunehmend Standorte in städtebaulich integrierten Lagen nachgefragt.

In einem Lebensmitteldiscounter werden im feststehenden Sortiment (ohne wöchentliche Akti‐ onswaren) zwischen 1.200 Artikel (Aldi Nord) und 4.000 Artikel (Netto Markendiscount) angebo‐ ten. Ein Supermarkt führt auf einer Verkaufsfläche von rd. 1.200 m² bereits über 15.000 Artikel und auf einer Verkaufsfläche von rd. 1.800 m² über 30.000 Artikel. Der Angebots‐ und Umsatz‐

15 Quelle: EHI Köln (Euro Handels Institut), Handelsdaten aktuell, 2019. 16 Quelle: EHI Köln (Euro Handels Institut), Handelsdaten aktuell, 2019.

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schwerpunkt entfällt sowohl bei Discountern als auch bei Supermärkten auf den kurzfristigen Be‐ darf, wenngleich mit unterschiedlichen Anteilen. Bei Discountern liegt dieser Anteil bei etwa 85 %, bei kleineren Supermärkten bei rd. 95 % und bei großen Supermärkten bei etwa 75 %.

Tabelle 1: Verkaufsflächengrößen unterschiedlicher Betriebstypen

Mindest‐Einwohnerzahl Verkaufsfläche mögliche / typische Angebotselemente im Einzugsgebiet in m² (ca.‐Werte) Supermarkt in sehr ländlich geprägten Räumen 4.000 1.200 Großer Supermarkt (z. B. famila, E‐Center) 15.000 2.500 Supermarkt (z. B. Edeka, Rewe) 7.000 1.800 Lebensmitteldiscounter Netto Markendiscount 4.000 800 – 1.200 Lebensmitteldiscounter Penny 3.000 800 Lebensmitteldiscounter Aldi‐Nord 8.000 1.200 – 1.400 Lebensmitteldiscounter Lidl 8.000 1.300 – 1.500 Getränkemarkt 5.000 – 10.000 300 – 500 Drogeriefachmarkt Rossmann ab 10.000 600 – 800 Drogeriefachmarkt dm ab 20.000 800

GMA‐Standortforschung 2019

Die Entwicklung im Lebensmitteleinzelhandel wird durch demographische Faktoren beeinflusst, wie die älter werdende Gesellschaft, heterogene Lebens‐ / Familienbilder und zunehmende Un‐ terschiede zwischen ländlichen und urbanen Regionen. 17 Auch der technologische Wandel wirkt sich im Lebensmitteleinzelhandel aus. So führt der Einsatz neuer Technologien zu ständigen Op‐ timierungsprozessen, v. a. in der Warenlogistik und in der Warenbewirtschaftung. Hinsichtlich der Verkaufsflächengrößen, Sortimente etc. sind folgende Veränderungen zu erwarten:

 Die umsatzstärksten Betreiber im Lebensmittelhandel, aber auch im Drogeriehandel, werden weiterhin ihr Standortnetz konsequent optimieren und modernisieren. Das beinhaltet v. a. den Neubau (green building) und die Erweiterung der Verkaufsfläche. In Abhängigkeit vom Betriebstyp und vom jeweiligen Betreiber werden unterschiedli‐ che Größen als zukunftsfähig angesehen.

 Grundsätzlich ziehen sich die Themen Bio, regionale Produkte, internationale Pro‐ dukte, zunehmend auch fair gehandelte Produkte, durch die gesamte Branche. War es lange eine Nische für die „Kleinen“, bieten jetzt alle Betreiber diese Sortimente an. Gleichzeitig bildete sich der Betriebstyp des „Biosupermarktes“ heraus.

 Auch kleinere Verpackungsgrößen und bequemeres Einkaufen durch breitere Gänge sowie niedrigere Regalhöhen für die Kunden werden zu größeren Einheiten beitragen.

17 Vielfach gehören ländliche Regionen zu den sog. Entleerungsgebieten, während städtische Regionen von Zuwanderungsgewinnen profitieren.

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 Strukturveränderungen werden sich durch den Onlinehandel ergeben. Allerdings kon‐ zentrierte sich der Erfolg im Lebensmittelhandel bislang auf Spezialanbieter für logis‐ tikaffine und wenig preissensible Produkte (z. B. Wein, Spirituosen). Über den gesam‐ ten Lebensmittelhandel machte dies nicht einmal einen Umsatzanteil von 1 % aus. Ak‐ tuell haben sich jedoch alle Händler dem Thema angenommen, wobei neben dem klas‐ sischen Onlinehandel mit Bring‐ bzw. Lieferservice (z. B. edeka24, rewe.de) dem Kon‐ zept des Drive‐In‐Modells tendenziell größere Erfolgschancen in Deutschland einge‐ räumt werden (z. B. Edeka, Rewe, Real). Es bleibt jedoch abzuwarten, in welchem Um‐ fang und Dauer sich die Marktanteile, v. a. vor dem Hintergrund des vergleichsweise sehr engen und leistungsfähigen stationären Grundversorgungsnetzes in Deutschland, verschieben werden.

6. Planungsrechtliche Instrumente zur Steuerung der Standortentwicklung im Einzel‐ handel

Städte und Gemeinden haben mit dem BauGB (Baugesetzbuch) und der BauNVO (Baunutzungs‐ verordnung) ein planungsrechtliches Instrumentarium zur Hand, mit dem die Standortentwick‐ lung im Einzelhandel gesteuert wird.

6.1.1 Gebiete mit Bebauungsplan

Nach § 30 BauGB ist ein Vorhaben im Geltungsbereich eines qualifizierten Bebauungsplans zuläs‐ sig, wenn es diesen Festsetzungen nicht widerspricht und die Erschließung gesichert ist. Werden in Bebauungsplänen die in der BauNVO bezeichneten Baugebietstypen festgelegt, sind Einzelhan‐ delsbetriebe nach Maßgabe der §§ 2 bis 9 BauNVO wie folgt vorgesehen: Tabelle 2: Zulässigkeit von Einzelhandelsbetrieben differenziert nach Baugebietstypen

Bau‐ Großflächiger Bezeichnung Zulässigkeit Einzelhandel gebiet Einzelhandel WA, WS Allgemeines Wohngebiet, Läden, die der Versorgung des nein Kleinsiedlungsgebiet Gebietes dienen WR Reines Wohngebiet Nur ausnahmsweise: Läden zur nein Deckung des täglichen Grundbedarfs für die Bewohner des Gebiets WB Besonderes Wohngebiet Läden, soweit mit Wohnnutzung nein vereinbar MD Dorfgebiet Allgemein zulässig* nein MI Mischgebiet Allgemein zulässig* nein MU Urbanes Gebiet Allgemein zulässig* nein GE Gewerbegebiet Allgemein zulässig* nein GI Industriegebiet MK Kerngebiet Allgemein zulässig ja SO Sondergebiet Allgemein zulässig ja * sofern nicht sondergebietspflichtig gem. § 11 Abs. 3 BauNVO; GMA‐Darstellung 2019

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Für großflächige Einzelhandelsbetriebe enthält § 11 Abs. 3 BauNVO eine Sonderregelung. Ein‐ kaufszentren und großflächige Einzelhandelsbetriebe mit bestimmten städtebaulichen und raumordnerischen Auswirkungen sind außer in Kerngebieten nur in den festgesetzten sonstigen Sondergebieten zulässig.

In Gebieten mit einfachen Bebauungsplänen gem. § 30 Abs. 3 BauGB richtet sich die Zulässigkeit nach § 34 oder § 35 BauGB.

Zudem können nach § 1 Abs. 5, 6 BauNVO in Bebauungsplänen Nutzungsarten ausgeschlossen oder nur ausnahmsweise zugelassen werden:

„(5) Im Bebauungsplan kann festgesetzt werden, dass bestimmte Arten von Nutzun‐ gen, die nach den §§ 2 bis 9 sowie 13 und 13a allgemein zulässig sind, nicht zu‐ lässig sind oder nur ausnahmsweise zugelassen werden können, sofern die all‐ gemeine Zweckbestimmung des Baugebiets gewahrt bleibt.

(6) Im Bebauungsplan kann festgesetzt werden, dass alle oder einzelne Ausnah‐ men, die in den Baugebieten nach den §§ 2 bis 9 vorgesehen sind,

1. nicht Bestandteil des Bebauungsplans werden oder

2. in dem Baugebiet allgemein zulässig sind, sofern die allgemeine Zweckbestim‐ mung des Baugebiets gewahrt bleibt.“

6.1.2 Gebiete ohne Bebauungsplan

Nach § 34 Abs. 1 BauGB ist ein Vorhaben zulässig, wenn es sich nach Art und Maß der baulichen Nutzung, der Bauweise und der zu überbauenden Grundstücksfläche in die Eigenart der näheren Umgebung einfügt und gleichzeitig die Erschließung gesichert ist. Nach § 34 Abs. 2 BauGB ist hin‐ sichtlich der Art der baulichen Nutzung die BauNVO anzuwenden, wenn die Eigenart der näheren Umgebung einem der Baugebiete der BauNVO, z. B. Gewerbegebiet, Mischgebiet, entspricht. Nach § 34 Abs. 3 BauGB dürfen vom Vorhaben keine schädlichen Auswirkungen auf zentrale Ver‐ sorgungsbereiche in der Ansiedlungsgemeinde oder in einer Nachbarkommune ausgehen. Im Einzelfall (z. B. Erweiterung) kann vom Erfordernis des Einfügens abgewichen werden.

In Gemengelagen, z. B. Mischgebieten, ist eine Steuerung ohne Aufstellung eines Bebauungspla‐ nes möglich. Dies soll der Sicherung zentraler Versorgungsbereiche und insbesondere dem Schutz der Angebotsstrukturen in Innenstädten dienen.

Mit der Novellierung des BauGB 2007 schuf der Gesetzgeber die Möglichkeit, über § 9 Abs. 2 a BauGB im unbeplanten Innenbereich einen Bebauungsplan aufzustellen, in dem zur Erhaltung oder Entwicklung zentraler Versorgungsbereiche nur bestimmte Arten der nach § 34 Abs. 1 und 2 zulässigen baulichen Nutzungen festgelegt oder ausgeschlossen werden können.

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6.1.3 Besonderes Städtebaurecht

Das Besondere Städtebaurecht mit den §§ 136 ff. BauGB bietet zudem Kommunen die Möglich‐ keit, im Rahmen von Stadterneuerungs‐ oder Entwicklungsmaßnahmen die besonderen Vor‐ schriften zur Steuerung anzuwenden. So kann durch die Festlegung von Sanierungsgebieten über die jeweilige Sanierungszielsetzung sehr dezidiert die künftige Entwicklung gerade auch im Ein‐ zelhandelsbereich geplant und gesteuert werden. Die Regelungen nach §§ 144 ff. BauGB stellen verschiedene Sachverhalte wie beispielsweise den Verkauf von Liegenschaften oder auch deren Anmietung grundsätzlich unter Genehmigungsvorbehalt.

Neben diesen Rechtstatbeständen sind insbesondere die möglichen Förderungen für baulich‐in‐ vestive Maßnahmen und die Umgestaltung im öffentlichen Bereich attraktiv.

Durch die Programme der städtebaulichen Erneuerung sind Fördermöglichkeiten geschaffen worden, die gerade auch an private Grundstückseigentümer zur Modernisierung oder Instand‐ setzung der Gebäudesubstanz weitergegeben werden können.

6.2 Landesentwicklungsplan Schleswig‐Holstein

Für die Beurteilung von Einzelhandelsgroßprojekten sind – neben den einschlägigen Vorschriften des BauGB und der BauNVO – die Ziele der Raumordnung und Landesplanung, festgelegt im Lan‐ desentwicklungsplan Schleswig‐Holstein, heranzuziehen. Der Landesentwicklungsplan (LEP) ist bis 2025 gültig und wird aktuell fortgeschrieben, die Fortschreibung soll voraussichtlich bis 2021 fertiggestellt werden. Änderungen gegenüber dem LEP 2010 sind vor der endgültigen Fertigstel‐ lung der Fortschreibung bei Abwägungs‐ und Ermessensentscheidungen zu berücksichtigen, um "in Aufstellung befindliche Ziele" zu sichern.

Im LEP werden das zentralörtliche System festgelegt und die zentralen Orte und Stadtrandkerne dargestellt. Die verbindliche Festlegung der zentralen Orte und Stadtrandkerne sowie deren Nah‐ und Mittelbereiche erfolgt in der Verordnung zum Zentralörtlichen System18. Bei der zentralört‐ lichen Einstufung handelt es sich um ein Ziel der Raumordnung19, wobei es um die Konzentration der Siedlungstätigkeit auf ein System leistungsfähiger Orte mit Versorgungsfunktion für Verflech‐ tungsbereiche geht. Hierbei wird zwischen den Zentralen Orten (Oberzentren, Mittelzentren, Mittelzentren im Verdichtungsraum, Unterzentren, Unterzentren mit Teilfunktionen von Mittel‐

18 Landesverordnung zur Festlegung der Zentralen Orte und Stadtrandkerne einschließlich ihrer Nah‐ und Mittelbereiche sowie ihre Zuordnung zu den verschiedenen Stufen (Verordnung zum Zentralörtlichen Sys‐ tem) vom 05.September 2019 19 Ziele der Raumordnung sind verbindliche Vorgaben in Form von räumlich und sachlich bestimmten oder bestimmbaren, vom Träger der Regionalplanung abschließend abgewogenen textlichen oder zeichneri‐ schen Festlegungen in Raumordnungsplänen zur Entwicklung, Ordnung und Sicherung des Raumes (§ 3 Nr. 2 ROG). Die Ziele der Raumordnung sind von den öffentlichen Stellen bei ihren raumbedeutsamen Planungen und Maßnahmen zu beachten (§ 4 Abs. 2 ROG). Zudem besteht eine Anpassungspflicht der Bauleitplanung an die Ziele der Raumordnung (§ 1 Abs. 4 BauGB).

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zentren, ländliche Zentralorte), den Stadtrandkernen I. und II Ordnung sowie I. Ordnung mit Teil‐ funktionen eines Mittelzentrums unterschieden. Diesen werden unterschiedliche Einrichtungen und Angebote zugewiesen.

Neustadt i. H. ist gemäß LEP 2010 als Unterzentrum mit Teilfunktion eines Mittelzentrums aus‐ gewiesen, diese Ausweisung wird in der Landesverordnung zur Festlegung der Zentralen Orte von 2019 bestätigt. In dieser Funktion soll Neustadt i. H. für die Bevölkerung des Verflechtungsraums mindestens teilweise Versorgungsfunktionen für die Deckung des Bedarfs mit Gütern und Dienst‐ leistungen des gehobenen Bedarfs ausüben und entsprechend weiterentwickeln. Für den Nah‐ bereich ist die Versorgung mit Gütern und Dienstleistungen des qualifizierten Grundbedarfs20 si‐ cherzustellen. Der Nahbereich von Neustadt i. H. ist im Rahmen der Landesverordnung zur Fest‐ legung der Zentralen Orte definiert worden, zu diesem gehören und Sierksdorf sowie einige Ortsteile von . Dem Mittelbereich von Neustadt i. H. sind Altenkrempe, , Dahme, Grömitz, (Ostsee), sowie Schashagen und Sierks‐ dorf zugeordnet.

Das Unterzentrum mit Teilfunktion eines Mittelzentrums übernimmt die Versorgungsfunktion für einen Nahbereich mit ca. 19.900 Einwohnern. Dieser setzt sich aus Neustadt i. H., den Gemeinden Schashagen und Sierksdorf sowie Teilen von Altenkrempe zusammen. Der Mittelbereich umfasst ca. 29.800 Einwohner.

Folgende Ziele der Raumordnung beziehen sich auf die Steuerung großflächigen Einzelhandels:

 Zentralitätsgebot Großflächige Einzelhandelseinrichtungen und Dienstleistungszentren sind wegen ihrer besonderen Bedeutung für die Zentralität nur in den Zentralen Orten (2.2) vorzuse‐ hen (Zentralitätsgebot). Das gilt auch für mehrere kleinere Ladeneinheiten im räum‐ lich‐funktionalen Verbund, deren Gesamtgröße die Großflächigkeit erreicht und die örtliche Versorgungsfunktion überschreitet sowie die Erweiterung vorhandener Be‐ triebe in die Großflächigkeit hinein. (LEP 2010, Satz 2.8 Abs. 3)

 Beeinträchtigungsverbot Bei der Ansiedlung großflächiger Einzelhandelseinrichtungen ist die wesentliche Beein‐ trächtigung der Funktionsfähigkeit bestehender oder geplanter Versorgungszentren, insbesondere an integrierten Versorgungsstandorten, innerhalb der Standortge‐ meinde zu vermeiden. Darüber hinaus darf die Versorgungsfunktion beziehungsweise die Funktionsfähigkeit bestehender oder geplanter Versorgungszentren benachbarter Zentraler Orte nicht wesentlich beeinträchtigt werden (Beeinträchtigungsverbot). (LEP 2010, Satz 2.8 Abs. 4)

20 Einzelhandelsangebote des kurzfristigen / täglichen Bedarfs (größer / besser ausgestattet als in ländlichen Zentralorten) sowie Geldinstitute, Handwerks‐ und Dienstleistungsbetriebe, Kommunalverwaltungen und Fachärzte

20

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 Kongruenzgebot Art und Umfang solcher Einrichtungen müssen dem Grad der zentralörtlichen Bedeu‐ tung der Standortgemeinde entsprechen; die Gesamtstruktur des Einzelhandels muss der Bevölkerungszahl und der sortimentspezifischen Kaufkraft im Nah‐ beziehungs‐ weise Verflechtungsbereich angemessen sein (Kongruenzgebot). Dementsprechend vorbehalten sind Unterzentren mit Teilfunktionen eines Mittel‐ zentrums

. mit mehr als 30.000 Einwohnerinnen und Einwohnern im Mittelbereich über die Einkaufseinrichtungen zur Deckung des qualifizierten Grundbedarfs hinaus in be‐ gründeten Einzelfällen Einzelhandelseinrichtungen, Einkaufszentren und sonstige Einzelhandelsagglomerationen zur Deckung des aperiodischen, gehobenen, länger‐ fristigen Bedarfs mit bis zu 8.000 Quadratmetern Verkaufsfläche je Einzelvorhaben,

. mit bis zu 30.000 Einwohnerinnen und Einwohnern im Mittelbereich über die Ein‐ kaufseinrichtungen zur Deckung des qualifizierten Grundbedarfs hinaus in begrün‐ deten Einzelfällen Einzelhandelseinrichtungen, Einkaufszentren und sonstige Ein‐ zelhandelsagglomerationen zur Deckung des aperiodischen, gehobenen, längerfris‐ tigen Bedarfs mit bis zu 6.500 Quadratmetern Verkaufsfläche je Einzelvorhaben. (LEP 2010, Satz 2.8 Abs. 5)

 Siedlungsstrukturelles und städtebauliches Integrationsgebot Großflächige Einzelhandelseinrichtungen mit nahversorgungsrelevanten Sortimenten sind nur im baulich zusammenhängenden Siedlungsgebiet der Standortgemeinde zu‐ lässig (siedlungsstrukturelles Integrationsgebot). Großflächige Einzelhandelseinrichtungen mit zentrenrelevanten Kernsortimenten sind nur an städtebaulich integrierten Standorten im räumlichen und funktionalen Zusam‐ menhang mit den zentralen Versorgungsbereichen der Standortgemeinde zulässig (städtebauliches Integrationsgebot). Derartige Einzelhandelseinrichtungen sind ausnahmsweise außerhalb der zentralen Versorgungsbereiche im baulich zusammenhängenden Siedlungsgebiet der Standort‐ gemeinde zulässig, soweit eine städtebaulich integrierte Lage nachweislich nicht mög‐ lich ist, die vorhandene Einzelhandelsstruktur weitere sortimentsspezifische Verkaufs‐ flächenentwicklungen zulässt, die zentralörtliche Bedeutung gestärkt wird und die An‐ siedlung zu keiner wesentlichen Verschlechterung der gewachsenen Funktion der zentralen Versorgungsbereiche der Standortgemeinde oder benachbarter Zentraler Orte führt. Zentrale Versorgungsbereiche sind regelmäßig die Innenstädte oder die Ortskerne sowie in Unter‐, Mittel‐ und Oberzentren die sonstigen Stadtteil‐ und Ver‐ sorgungszentren. (LEP 2010, Satz 2.8 Abs. 6)

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Karte 1: Lage im Raum und zentralörtliche Struktur

Legende

Oberzentrum

Mittelzentrum

Unterzentrum mit Teilfunktion MZ

Unterzentrum

ländlicher Zentralort

Stadtrandkern I. Ordnung

Stadtrandkern II. Ordnung

Quelle: Kartengrundlage GfK GeoMarketing; GMA‐Bearbeitung 2019

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Zum Zeitpunkt der Konzepterstellung befand sich die Fortschreibung des LEP in der Neuaufstel‐ lung21. Es zeichnet sich insbesondere beim Kongruenzgebot eine Neuregelung ab, wobei voraus‐ sichtlich auf die nicht wesentliche Überschreitung des Verflechtungsbereiches der Standortge‐ meinde abgestellt wird, statt auf die Einwohnerzahl im Mittelbereich. Auch die beiden Integrati‐ onsgebote sollen zusammengefasst werden und die Ansiedlung von großflächigen Betrieben mit nahversorgungsrelevanten Sortimenten soll nur noch in Ausnahmefällen abseits zentraler Ver‐ sorgungsbereiche zulässig sein.

6.3 Vorgaben der Regionalplanung

Das im Jahr 2014 neu gefasste Landesplanungsgesetz (LaplaG) sieht vor, dass zukünftig statt bis‐ her fünf Planungsräumen der Regionalplanung nur noch drei Planungsräume und somit drei Re‐ gionalpläne existieren werden22. Der neue „Planungsraum III“ umfasst die Kreise Dithmarschen, Herzogtum Lauenburg, , Segeberg, Steinburg, Stormarn sowie die kreisfreie Stadt Lübeck. Bis zur Neuaufstellung der Regionalpläne bleiben die bisherigen Regionalpläne gültig. Erste Entwürfe sind laut Ministerium für Inneres, ländliche Räume und Integration – Landespla‐ nung für 2020 zu erwarten.

Der Regionalplan für den Planungsraum II „Schleswig‐Holstein Ost 2004“ sieht u. a. Ziele und Grundsätze zur Entwicklung der Siedlungs‐ und Versorgungsstruktur vor. In Neustadt i. H. werden der zusammenhängende Kernstadtbereich und der Stadtteil Pelzerhaken als baulich zusammen‐ hängendes Siedlungsgebiet festgelegt.

7. Zentrale Versorgungsbereiche

7.1 Begriff „Zentraler Versorgungsbereich“

Mit dem § 11 Abs. 3 BauNVO ist der Begriff des „zentralen Versorgungsbereiches“ bereits lange Bestandteil der planungsrechtlichen Grundlagen. Mit der Novellierung des Baugesetzbuches im Jahr 2004 und der Einführung des zusätzlichen Absatzes 3 in § 34 BauGB erfuhr der Begriff des zentralen Versorgungsbereiches im Baugesetz einen wesentlichen Bedeutungszuwachs.

Dies verdeutlichen die vier Schutznormen, die (auch) zentrale Versorgungsbereiche erfassen23:

21 Beteiligung der Öffentlichkeit vom 18.12.2018 – 31.05.2019, anschließend Auswertung und Abwägung der Stellungnahmen. 22 Seit 2013 befinden sich die neuen Regionalpläne in Teilaufstellung, da infolge eines Gerichtsurteils aus dem Jahr 2012 Regelungen zum Thema Windenergie notwendig geworden sind. 23 Quelle: Ulrich Kuschnerus, Der standortgerechte Einzelhandel, Bonn, 2007, S. 77 f.

23

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 § 11 Abs. 3 BauNVO weist großflächige Einzelhandelsbetriebe und sonstige vergleich‐ bare großflächige Handelsbetriebe, die sich u. a. „auf die Entwicklung Zentraler Ver‐ sorgungsbereiche in der Stadt oder in anderen Städten nicht nur unwesentlich auswir‐ ken können“, ausdrücklich nur Kerngebieten und speziell für diese Nutzung festgesetz‐ ten Sondergebieten zu.

 § 2 Abs. 2 Satz 2 BauGB in der seit dem 20. Juli 2004 geltenden Fassung erweitert das interkommunale Abstimmungsgebot dahin, dass sich Städte sowohl gegenüber Pla‐ nungen anderer Städte als auch gegenüber der Zulassung einzelner Einzelhandelsnut‐ zungen auf „Auswirkungen auf ihre zentralen Versorgungsbereiche“ berufen können.

 § 34 Abs. 3 BauGB knüpft die Zulässigkeit von Vorhaben im nicht beplanten Innenbe‐ reich, die sonst nach § 34 Abs. 1 oder 2 BauGB zuzulassen wären, zusätzlich daran, dass von ihnen „keine schädlichen Auswirkungen auf zentrale Versorgungsbereiche in der Stadt oder in anderen Städten“ zu erwarten sein dürfen.

 § 9 Abs. 2a BauGB ermöglicht es den Städten nunmehr, für die im Zusammenhang be‐ bauten Ortsteile i. S. v. § 34 BauGB „zur Erhaltung oder Entwicklung Zentraler Versor‐ gungsbereiche“ mit einem einfachen Bebauungsplan die Zulässigkeit bestimmter Ar‐ ten der nach § 34 Abs. 1 und 2 BauGB zulässigen baulichen Nutzung zu steuern.

Nach § 1 Abs. 6 BauGB sind bei der Aufstellung der Bauleitpläne insbesondere „die Erhaltung und Entwicklung Zentraler Versorgungsbereiche“ zu berücksichtigen. Durch diese unterschiedlichen Schutznormen sind zentrale Versorgungsbereiche unter verschiedenen Aspekten geschützt. Der Begriff des zentralen Versorgungsbereiches wurde als unbestimmter Rechtsbegriff eingeführt, sodass keine allgemein gültige Definition vorliegt. Das OVG Münster führt in einem Urteil (Be‐ schluss vom 11.12.2006, 7 A 964/05) hierzu aus: „Zentrale Versorgungsbereiche“ sind räumlich abgrenzbare Bereiche einer Stadt, de‐ nen aufgrund vorhandener Einzelhandelsnutzungen ‐ häufig ergänzt durch diverse Dienstleistungen und gastronomische Angebote ‐ eine bestimmte Versorgungsfunk‐ tion für die Stadt zukommt. Ein „Versorgungsbereich“ setzt mithin vorhandene Nut‐ zungen voraus, die für die Versorgung der Einwohner der Stadt ‐ ggf. auch nur eines Teiles des Stadtgebietes ‐ insbesondere mit Waren aller Art von Bedeutung sind. […].

Entscheidend ist, dass der zentrale Versorgungsbereich eine städtebaulich integrierte Einzelhan‐ delslage darstellt und nach Lage, Art und Zweckbestimmung eine zentrale Funktion für die Ver‐ sorgung der Bevölkerung in einem bestimmten Einzugsbereich übernimmt24. In diesem Bereich ist Einzelhandel vorhanden, welcher aufgrund der Qualität und des Gewichts einen über die ei‐ genen Grenzen und damit über den unmittelbaren Nahbereich hinausgehenden Einzugsbereich hat25.

24 Vgl. u. a. BVerwG Urteil 4 C 7.07 vom 11.10.2007 bzw. Urteil 4 C 2.08 vom 17.12.2009. 25 Vgl. u. a. OVG Sachsen, Bautzen, Urteil vom 13.05.2014; AZ 1 A 432 / 10, juris RN 30 ff.

24

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Für einen zentralen Versorgungsbereich ist die Konzentration verschiedener Versorgungseinrich‐ tungen maßgeblich, wobei der Einzelhandel durch Komplementärnutzungen (bspw. Dienstleis‐ ter, Ärzte, Gastronomie / Hotellerie, öffentliche Einrichtungen) ergänzt wird.

7.2 Abgrenzung und Bedeutung Zentraler Versorgungsbereiche

Bei der Festlegung eines zentralen Versorgungsbereiches handelt es sich um eine Abwägung un‐ terschiedlicher Kriterien, wenngleich die städtebauliche Integration und die Versorgungsfunktion als „Muss‐Kriterien“ gelten. Die Abgrenzung26 erfolgt anhand der faktischen Prägung, wobei fol‐ gende Anforderungen mindestens erfüllt sein müssen:

 Städtebaulich integrierte Lage: Diese ist durch die Einbettung in eine bzw. Zuordnung zu einer zusammenhängenden Wohnbebauung charakterisiert, d. h. es muss ein bau‐ licher Zusammenhang mit einem Wohnumfeld in mindestens zwei Himmelsrichtungen vorliegen. Fußläufige Austauschbeziehungen zwischen Wohnumfeld und Einzelhandel sind Voraussetzung. Städtebauliche, natürliche oder topografische Barrieren zwischen Geschäftslage und Wohnbereichen (z. B. Autobahn, Flüsse, Geländesprünge) mindern die Integrationsfähigkeit einer Lage, schließen sie jedoch per se nicht aus. Entschei‐ dend ist die fußläufige Anbindung, welche über ergänzende Hilfsmittel (z. B. Ampelan‐ lagen, Querungshilfen) sichergestellt werden kann. Grundlage ist die Bewertung der konkreten Situation vor Ort.

 Zusammenhängende Versorgungslage: Die vorhandenen oder geplanten Einzelhan‐ delsbetriebe müssen in einem räumlichen und funktionalen Kontext stehen und vom Kunden als zusammenhängende Versorgungslage wahrgenommen werden. Dies wird v. a. durch kurze Entfernungen zwischen den Geschäften und wenigen Lücken, d. h. reine Wohnhäuser, wahrgenommen.

 Magnetbetriebe: Eine hohe Kundenfrequenz wird maßgeblich von „Magnetbetrie‐ ben“ gewährleistet, wozu großflächige Supermärkte, Lebensmitteldiscounter, Droge‐ riemärkte, Kauf‐ und Warenhäuser zählen. Auch informelle Planungen können eine Rolle spielen, sofern diese von einer Kommune als Arbeitsgrundlage für ihre Planungen verwen‐ det werden27 und sich die Planungsabsichten bereits konkretisiert haben.28

 In Abgrenzung zu Solitärstandorten des Einzelhandels zeichnen sich zentrale Versor‐ gungsbereiche durch Einzelhandel und ergänzende Nutzungen (z. B. Dienstleister, Gastronomie, Kultur, Freizeit, öffentliche Einrichtungen) aus.

26 BVerwG, Urteil vom 11.11. 2007; BVerwG, Urteil vom 17.12.2009. 27 vgl. OVG Lüneburg, Beschluss vom 30.11.2005, 1ME172/05. 28 d. h., die Umsetzung muss in einem absehbaren zeitlichen Rahmen erfolgen, vgl. VG München, Urteil vom 07.11.2005, M8K05.1763.

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 Versorgungsfunktion über den unmittelbaren Nahbereich hinaus: Die Betriebe in ei‐ nem zentralen Versorgungsbereich können sowohl einen überörtlichen als auch einen auf einen bestimmten örtlich begrenzten Bereich als Versorgungsbereich abdecken. Ein übergemeindliches Einzugsgebiet ist dafür nicht Voraussetzung. Auch Betriebe in Lagen, welche auf die Nahversorgung eines örtlich begrenzten Einzugsgebietes zuge‐ schnitten sind, können einen zentralen Versorgungsbereich ausmachen. Der Zweck des Versorgungsbereichs besteht in diesem Fall in der Sicherung der wohnortnahen Versorgung. Ein Zentraler Versorgungsbereich muss jedoch einen über seine eigenen Grenzen hinausreichenden räumlichen Einzugsbereich haben und damit über den un‐ mittelbaren Nahbereich hinauswirken.

Der Idealzustand eines zentralen Versorgungsbereichs ist durch eine durchgängige, kompakte Geschäftslage gekennzeichnet. Die Längenausdehnung spielt i. S. der fußläufigen Erreichbarkeit eine entscheidende Rolle. Ein wichtiger Faktor ist die Anbindung an den öffentlichen Personen‐ nahverkehr und eine ausreichende Pkw‐Erreichbarkeit.

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II. Situationsanalyse des Einzelhandelsstandortes Neustadt i. H.

1. Makrostandort Neustadt i. H.

Die Stadt Neustadt in Holstein ist eine Ostsee‐Hafenstadt an der Lübecker Bucht im Süden des Kreises Ostholstein. Die Stadt gliedert sich in die dichter besiedelte Kernstadt und die beiden klei‐ neren Stadtteile Pelzerhaken und Rettin. Zum Nahbereich des Grundzentrums mit mittelzentraler Teilfunktion gehören die Gemeinden Schashagen und Sierksdorf, sowie der überwiegende Teil von Altenkrempe. Eine große wirtschaftliche Bedeutung nimmt der Tourismus ein, im weiteren Umfeld von Neustadt i. H. finden sich weitere Tourismusschwerpunkte wie Grömitz, und .

In den letzten 5 Jahren nahm die Einwohnerzahl in Neustadt i. H. leicht um ca. 0,6 % zu, der Kreis Ostholstein insgesamt konnte ebenfalls leicht (ca. + 1,1 %) zulegen. Im Nahbereich war von 2014 bis 2019 nur in Schashagen ein geringer Einwohnerrückgang zu verzeichnen, den größten Ein‐ wohnerzuwachs im Mittelbereich konnten Grömitz und Kellenhusen verbuchen.

Tabelle 3: Einwohnerentwicklung von Neustadt i. H. im Vergleich

Daten Einwohner (30.09.) Veränderung 14 / 19 2014 2019 abs. in % Neustadt i. H. 14.997 15.084 87 0,6 Altenkrempe 1.106 1.115 9 0,8 Schashagen 2.142 2.140 ‐2 ‐0,1 Sierksdorf 1.603 1.628 25 1,6 Summe Nahbereich 19.848 19.967 119 0,6 Beschendorf 536 520 ‐16 ‐3,0 Dahme 649 616 ‐33 ‐5,1 Grömitz 7.034 7.275 241 3,4 Kellenhusen 1.012 1.147 135 13,3 Manhagen 370 376 6 1,6 Zwischensumme 9.601 9.934 333 3,5 Summe Mittelbereich 29.449 29.901 817 2,8 Schönwalde 2.536 2.604 68 2,7 Süsel 5.216 5.058 ‐158 ‐3,0 4.959 4.944 ‐15 ‐0,3 Scharbeutz 10.789 11.335 546 5,1 16.852 16.993 141 0,8 Kreis Ostholstein 198.825 201.081 2.256 1,1 Quelle: Statistisches Amt für Hamburg und Schleswig‐Holstein

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Die Einwohnerzunahme in Neustadt i. H. resultierte aus einem Wanderungsgewinn. Zwischen 2016 und 2018 zogen 3.126 Personen nach Neustadt i. H., während 2.716 Personen fortzogen (Saldo: + 410 Personen). Die natürliche Bevölkerungsbilanz fällt hingegen durchweg negativ aus, seit 2017 übersteigt der Verlust durch die natürliche Bevölkerungsbilanz auch den Zugewinn durch die Wanderungen.

Tabelle 4: Natürliche Bevölkerungsbilanz und Zu‐ bzw. Fortzüge

2016 2017 2018 Geburten 96 124 99 Sterbefälle 207 237 229 Natürliche Bevölkerungsbilanz ‐111 ‐113 ‐130 Zuzüge 1.210 978 938 Fortzüge 941 887 888 Wanderungssaldo +269 +91 +50 GMA‐Zusammenstellung 2019, Quelle: Statistisches Amt für Hamburg und Schleswig‐Holstein

Die Einwohnerzuwächse29 konzentrieren sich primär auf den Stadtteil Neustadt. Dem Einwoh‐ nermelderegister zufolge war von 2013 bis 2018 in den v. a. durch Campingplätz geprägten Stadt‐ teilen Rettin und Pelzerhaken ein leichter Einwohnerrückgang zu verzeichnen.

Tabelle 5: Einwohnerentwicklung von Neustadt i. H. nach Stadtteilen

Daten Einwohner (31.12.) Veränderung 13 / 18 2013 2018 abs. in % Neustadt 13.680 13.882 202 1,5 Pelzerhaken 1.456 1.460 4 0,3 Rettin 315 316 1 0,3 Neustadt i. H. gesamt 15.451 15.658 207 1,3 GMA‐Zusammenstellung 2019, Quelle: Stadtverwaltung Neustadt i. H.

In 2019 waren in Neustadt i. H. insgesamt 8.513 sozialversicherungspflichtig Beschäftigte ohne Freiberufler und Beamte, am Arbeitsort registriert. In Relation zur Einwohnerzahl liegt in Neu‐ stadt i. H. ein Besatz von 564 Beschäftigten / 1.000 Einwohner vor. Dieser Wert liegt deutlich über dem des Kreises Ostholstein sowie des Landes und hebt die wirtschaftliche Bedeutung des Ar‐ beitsplatzstandortes Neustadt i. H. mit der höchsten Arbeitsplatzdichte im Kreis deutlich hervor.

Den 5.702 Einpendlern nach Neustadt i. H. standen 2.675 Auspendler gegenüber, woraus sich ein positiver Pendlersaldo von + 3.027 Personen ableitet. Für den Einzelhandel in Neustadt i. H. ergeben sich daraus aufgrund arbeits‐ und berufsbedingter Einkaufsverflechtungen zusätzliche Potenziale, da der Arbeitsweg häufig mit Einkäufen kombiniert wird.

29 Angaben der Stadtverwaltung.

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Fortschreibung Einzelhandelskonzept für die Stadt Neustadt i. H. 2020

Tabelle 6: Beschäftigtenbesatz und Ein‐ / Auspendlersaldo im Vergleich

Beschäf‐ EW Besch. / Einpendler Auspendler Saldo tigte 1.000 EW 5.303 20.112 264 4.168 5.951 ‐1.783 Eutin 8.116 16.993 478 5.693 3.253 2.440 5.491 12.682 433 1.765 1.295 470 2.697 10.881 248 1.555 2.499 ‐944 Neustadt i. H. 8.513 15.084 564 5.702 2.675 3.027 Oldenburg i. H. 3.860 9.815 393 2.518 2.306 212 2.758 15.170 182 1.959 5.207 ‐3.248 Scharbeutz 2.979 11.335 263 2.169 3.270 ‐1.101 3.756 16.984 221 2.997 5.758 ‐2.761 Timmendorfer Strand 4.437 8.767 506 3.289 1.787 1.502 Kreis Ostholstein 62.095 201.081 309 16.308 27.625 ‐11.317 Schleswig‐Holstein 1.000.213 2.903.691 344 137.787 237.892 ‐100.105 Quelle: Bundesagentur für Arbeit, Stand: 30.06.2019, GMA‐Darstellung 2020

Der Tourismus spielt an der Ostseeküste eine wichtige Rolle. Im Jahr 2018 wurden in Neustadt i. H. über alle Betriebsformen hinweg 46.239 Gästeankünfte und 268.879 Übernachtungen regis‐ triert30, was gegenüber 2014 (25.625 Gästeankünfte, 160.800 Übernachtungen) einen Anstieg um 38 % bei den Übernachtungen und um ca. 43 % bei den Gästeankünften bedeutet. Die Auf‐ enthaltsdauer liegt damit bei 5,8 Tagen, was über dem Wert für den Kreis Ostholstein (4,8 Tage) und dem Landesdurchschnitt (4,1 Tage) liegt31.

Tabelle 7: Übernachtungen nach Betriebsformen

Daten Übernachtungen Veränderung 14 / 18 2014 2018 abs. in % Campingplatz 50.424 53.287 2.863 5,7 Ferienhaus 18.887 31.464 12.577 66,6 Ferienwohnung 76.759 121.616 44.857 58,4 Hotel 12.149 29.023 16.874 138,9 Kurklinik ‐31.454 ‐ 0,0 Liegeplatz 735 1.290 555 75,5 Privatvermieter 699 745 46 6,6 Reiterhof 1.147 ‐ ‐ 1.147 ‐100,0 Summe 160.800 268.879 60.297 37,5 GMA‐Zusammenstellung 2019, Quelle: Stadtverwaltung Neustadt i. H.

30 Quelle: Stadtverwaltung Neustadt i. H. 31 Quelle: Statistisches Amt für Hamburg und Schleswig‐Holstein, Stand 31.12.2018

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Fortschreibung Einzelhandelskonzept für die Stadt Neustadt i. H. 2020

Mit ca. 45 % der Übernachtungen in 2018 entfällt der Schwerpunkt auf Ferienwohnungen, wäh‐ rend die größte Wachstumsdynamik im Hotelsegment zu finden war. Auch die Campingplätze nehmen mit fast 20 % der Übernachtungen eine große Bedeutung ein. Mit über 10 Tagen Auf‐ enthalt trägt auch der Kurbetrieb zu einer längeren Aufenthaltsdauer bei. Zu berücksichtigen sind außerdem die Bootsliegeplätze. In 2018 wurden hier 225 Ankünfte und 1.290 Übernachtungen registriert.

Für die Berechnung des Kaufkraftvolumens der Übernachtungs‐ und Tagesgäste wird die Ausar‐ beitung des dwif für den Sparkassen‐ und Giroverband für Schleswig‐Holstein und den Touris‐ musverband Schleswig‐Holstein aus 2018 herangezogen.32 Hiernach waren über alle touristi‐ schen Segmente hinweg im Jahr 2017 in Schleswig‐Holstein 232,44 Mio. Aufenthaltstage zu ver‐ zeichnen, die touristischen Ausgaben sind mit ca. 9.48 Mrd. € angegeben. Davon entfallen ca. 5,06 Mrd. € auf Übernachtungsgäste und ca. 4,42 Mrd. € auf Tagesgäste. Bei Tagesgästen wird ein höherer Anteil der Ausgaben im Einzelhandel getätigt (ca. 41,2 %), bei Übernachtungsgästen (ca. 19,2 %) fällt dieser Anteil geringer aus. Somit haben Übernachtungsgäste im Jahr 2017 in Schleswig‐Holstein pro Kopf ca. 11,20 € ausgegeben, bei Tagesgästen waren es ca. 12,50 €.

Für Neustadt i. H. bedeutet dies, dass die 268.879 Übernachtungsgäste eine einzelhandelsrele‐ vante Kaufkraft von ca. 3,0 Mio. € p. a. repräsentieren, während die ca. 1,2 Mio. Tagesgäste für ca. 15,0 Mio. € Umsatz p. a. im Einzelhandel stehen.

Eine ÖPNV‐Anbindung ist durch sieben Buslinien gewährleistet, die zahlreiche Haltestellen in Neustadt i. H. anfahren und u. a. eine Anbindung an Schönwalde, Bujendorf, Scharbeutz, Grömitz, Oldenburg i. H., und Eutin ermöglichen. Schashagen ist über ein Linientaxi erreich‐ bar. An die Regionalbahn (RB 85, Puttgarden‐Lübeck) ist Neustadt i. H. über einen Abzweig an die Vogelfluglinie angebunden.

2. Aktueller Einzelhandelsbestand in Neustadt i. H.

Zum Zeitpunkt der Erhebungen gab es in der Stadt Neustadt i. H. insgesamt:

 147 Betriebe des Ladeneinzelhandels und Lebensmittelhandwerks

 ca. 51.790 m² Verkaufsfläche

 ca. 133,3 Mio. € Bruttoumsatzleistung p. a.

32 Sparkassen‐Tourismusbarometer Schleswig‐Holstein | Sonderveröffentlichung Wirtschaftsfaktor Touris‐ mus 2018, dwif‐Consulting GmbH

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Fortschreibung Einzelhandelskonzept für die Stadt Neustadt i. H. 2020

Tabelle 8: Einzelhandelsbestand der Stadt Neustadt i. H.

Warengruppen Anzahl der Verkaufsfläche Einzelhandels‐ Umsatz in Mio. € in m² betriebe Nahrungs‐ und Genussmittel 47 15.300 63,5 Gesundheit / Körperpflege 9 1.720 11,8 Blumen, Pflanzen, zool. Bedarf, Zeit‐ 5 1.520 4,7 schriften, Bücher, PBS, Spielwaren Bekleidung, Schuhe, Sport 29 7.280 16,4 Elektrowaren, Medien, Foto 4 3.370 8,9 Hausrat, Einrichtung, Möbel 23 5.770 9,0 Bau‐, Heimwerker‐, Gartenbedarf 8 14.120 13,3 Optik, Hörgeräte / Uhren, Schmuck 11 460 2,1 Sonstige Sortimente 11 2.250 3,7 Nichtlebensmittel insg. 100 36.490 69,8 Einzelhandel insg. 147 51.790 133,3 Aus Datenschutzgründen ist eine Ausweisung bei drei und weniger Betrieben nicht möglich GMA‐Erhebungen 2019 (ca.‐Werte, gerundet, ggf. Rundungsdifferenzen)

Räumlich konzentrieren sich die Einzelhandelsbetriebe entlang der Siedlungsachsen, die auf die Innenstadt zulaufen. Innerhalb der Innenstadt sind die meisten Betriebe entlang der Brückstraße und der Kremper Straße vorhanden, auch am Markt und an der Hochtorstraße sind mehrere Ge‐ schäfte ansässig. Größter Magnetbetrieb ist das Kaufhaus Eska, darüber hinaus sind weitere Fach‐ geschäfte und –märkte vorhanden. Im Gewerbegebiet entlang der Sierksdorfer und der Eutiner Straße findet sich der Verkaufsflächenschwerpunkt, neben zwei Baumärkten sind u. a. ein großer Supermarkt, ein Sonderpostenmarkt sowie weitere Fachmärkte ansässig. Am Rettiner Weg ist auf den Verbundstandort von Famila und Aldi hinzuweisen. Weitere Nahversorgungsbetriebe sind an der Oldenburger Straße und am Sandberger Weg zu finden. Im Stadtteil Pelzerhaken ist eine kleine Nahversorgungslage mit Frischemarkt hinzuweisen.

Nach Lagen und Sortimenten differenziert zeigt sich, dass die Innenstadt v. a. bei Gesundheit / Körperpflege sowie den klassischen Innenstadtsortimenten Bücher, Schreibwaren, Spielwaren, im Bekleidungs‐ sowie Schuhbereich und bei Optik, Hörgeräte / Uhren, Schmuck die Spitzenposi‐ tion einnimmt und die größte Angebotstiefe / ‐breite darstellen kann. Nahrungs‐ und Genussmit‐ tel spielen in der Innenstadt nur eine untergeordnete Rolle, dies gilt auch für Blumen, Pflanzen und den zoologischen Bedarf. Bei Elektrowaren, Medien, Foto ist der Angebotsschwerpunkt mit Expert in der Sierksdorfer Straße zu finden, Elektrohaushaltsgeräte sind auch im Knop Ambiente‐ und Technikzentrum erhältlich.

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Fortschreibung Einzelhandelskonzept für die Stadt Neustadt i. H. 2020

Abbildung 8: Einzelhandelsbestand in Neustadt i. H. nach Lagen

GMA‐Darstellung 2019

Die Verkaufsflächenausstattung liegt mit ca. 3.424 m² pro 1.000 Einwohner auf einem überdurch‐ schnittlichen Niveau, was die mittelzentrale Teilfunktion von Neustadt i. H. in den meisten Sorti‐ menten belegt. Insbesondere Nahrungs‐ und Genussmittel, Elektrowaren sowie der Baumarkt‐ bereich sind stark ausgeprägt.

Abbildung 9: Verkaufsflächenausstattung in Neustadt i. H. nach Hauptwarengruppen

GMA‐Darstellung 2019

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Fortschreibung Einzelhandelskonzept für die Stadt Neustadt i. H. 2020

3. Aktueller Einzelhandelsbestand im Nahbereich

In dem südwestlich gelegenen Ostseebad Sierksdorf, das v. a. für seinen Freizeitpark HANSA‐ PARK (ca. 1,4 Mio. Besucher33 p. a.) bekannt ist, finden sich im Gewerbegebiet Neustädter Bucht direkt an der Stadtgrenze einige Einzelhandelsbetriebe, darunter ein Spezialanbieter für Berufs‐ bekleidung und ein Küchenstudio. Darüber hinaus sind insbesondere Ferienwohnungen struktur‐ prägend, eine Promenade mit Geschäftsbesatz schließt erst im südlich anschließenden Haffkrug (Scharbeutz) an.

In der östlich an Neustadt i. H. angrenzenden Gemeinde Schashagen ist auf dem Campingplatz Elfenschlucht ein kleiner SB‐Markt ansässig, dessen Eingang sich vor der Schranke des Camping‐ platzes befindet. Der SB‐Shop des Campingplatz Walkyrien befindet sich direkt auf dem Gelände des Campingplatzes.

In der Gemeinde Altenkrempe ist im großflächigen Einzelhandel v. a. die Gärtnerei Hamer her‐ vorzuheben, die Gutsgärtnerei Sierhagen hatte zum Erhebungszeitpunkt bereits saisonbedingt geschlossen. Der ehemalige Edeka‐Markt im Ortsteil Kassau wird nicht mehr als Einzelhandelsge‐ schäft betrieben.

4. Nahversorgungssituation

Die Lebensmittelmärkte sind als Hauptträger der Nahversorgung zu klassifizieren. Weitere Be‐ triebe des täglichen Bedarfs kommen ergänzend hinzu. Die Betriebstypen unterscheiden sich in einer Vielzahl von Kriterien, dies betrifft nicht nur die Größe, sondern auch die Sortimentszusam‐ mensetzung sowie den Bedeutungsgrad für die wohnortnahe Versorgung (Nahversorgung). Für ein hinsichtlich der Größe des Ortes angemessenes Angebot im kurzfristigen Bedarf sind eine Reihe verschiedener Faktoren, wie z. B. die Größe der Betriebe, Sortimentszusammensetzung, räumliche Verteilung der Betriebe im Gemeindegebiet, Verhältnis der Betriebstypen zueinander, entscheidend.

In Neustadt i. H. wird die Nahversorgungsstruktur und ‐qualität insbesondere durch je fünf Su‐ permärkte und fünf Lebensmitteldiscounter geprägt. Ein weiterer Frischemarkt (< 200 m² VK) si‐ chert die fußläufige Versorgung in Pelzerhaken. Wichtig ist mit Blick auf die quartiersnahe Ver‐ sorgung deren räumliche Verteilung innerhalb des Stadtgebietes. Zur Bewertung der räumlichen Versorgungssituation wurde um die Standorte der Lebensmittelmärkte jeweils eine fußläufige Laufdistanz von 1.000 m gesetzt34, welche etwa zehn Gehminuten entspricht. Es soll aufgezeigt werden, wie viele Einwohner in kurzer Distanz zu einem Lebensmittelmarkt wohnen und damit theoretisch als „versorgt“ gelten.

33 Quelle: www.hansapark.de/zahlen‐daten‐fakten, Abruf 02.12.2019 34 Die 10 min‐fußläufige Entfernungen wird mit Hilfe einer Geomarketing‐Software auf Basis der vorhande‐ nen Straßenzüge berechnet. Dabei werden städtebauliche Gegebenheiten mit einbezogen (z. B. Autobah‐ nen, Fluss, Bahntrassen als Zäsur). Größtenteils nicht berücksichtigt, werden jedoch Abkürzungen oder „Schleichwege“ (z. B. über Parkflächen, Grünanlagen).

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Fortschreibung Einzelhandelskonzept für die Stadt Neustadt i. H. 2020

Tabelle 9: Anzahl der Einwohner im fußläufigen Einzugsgebiet

Einwohner im fußläufigen Anbieter Straße Einzugsgebiet (ca.‐Werte) Aldi Rettiner Weg 77 1.800 Aldi Sierksdorfer Str. 19 130 famila Rettiner Weg 77 1.800 Lidl Eutiner Str. 71 200 Lidl Oldenburger Str. 34 2.140 nahkauf Am Markt 10 2.810 nahkauf Wiesenstr. 2 1.040 Netto Oldenburger Str. 28 2.280 Rewe Rosengarten 6 3.920 Rewe Sandberger Weg 88 2.470 Rewe Sierksdorfer Str. 8 130 GMA‐Darstellung 2019

In der Kernstadt, die östlich des Neustädter Binnengewässers um den historischen Stadtkern ent‐ standen ist, kann eine überwiegend flächendeckende Nahversorgung gewährleistet werden. In der Innenstadt konnte der ehemalige Drogeriemarkt am Markt durch Nahkauf nachbelegt wer‐ den, der in der historischen Altstadt zu einer fußläufigen Nahversorgung beiträgt. Unmittelbar östlich der Innenstadt ist ein Rewe‐Markt ansässig, der sowohl hinsichtlich des Marktauftritts als auch der Parkplatzsituation Handlungsbedarf aufweist. Entlang der Oldenburger Straße (L 309) sichern Netto (vormals Norma) und Lidl die wohnortnahe Versorgung im Norden des Stadtgebie‐ tes. An der Rettiner Straße sind famila und Aldi ansässig, die im Osten Neustadts eine Versorgung der dortigen Wohngebiete gewährleisten und auch zur Versorgung des Nahbereichs beitragen. Im Süden Neustadts ist ein weiterer Rewe‐Markt (vormals Sky) in Wohngebietslage zu finden, der zur wohnortbezogenen Nahversorgung im Süden der Stadt dient.

Der Stadtteil Pelzerhaken verfügt an der Wiesenstraße über eine kleine Nahversorgungslage, in‐ nerhalb derer ein kleinflächiger Nahkauf‐Markt zu finden ist.

Die Siedlungsbereiche westlich des Neustädter Binnengewässers sind deutlich dünner besiedelt als der östlich liegende Kernbereich, große Teile des westlichen Stadtgebietes sind hier für die Ameos‐Kliniken, die Einrichtungen der Marine35 und gewerbliche Nutzungen reserviert. Im un‐ mittelbaren Umfeld der Märkte an der Sierksdorfer und Eutiner Straße (Aldi, Rewe und Lidl) sind keine zusammenhängenden Wohngebiete vorhanden.

Die Nahversorgungsbetriebe im Westen von Neustadt i. H. finden sich allesamt in Gewerbege‐ bietslage, die Wohngebiete nördlich sowie südlich der Eutiner Straße (östlich des Bahnübergangs) mit ca. 1.400 Einwohnern sind derzeit fußläufig nicht versorgt. Die Lebensmittelmärkte in der Innenstadt und im Gewerbegebiet Eutiner Straße / Sierksdorfer Straße sind jedoch aus den Wohngebieten im Westen Neustadts verkehrlich und mit dem ÖPNV gut erreichbar.

35 vor allem das Einsatzausbildungszentrum Schadensabwehr Marine (EAZS M)

34 Fortschreibung Einzelhandelskonzept für die Stadt Neustadt i. H. 2020

Karte 2: Fußläufige Einzugsgebiete der wesentlichen Lebensmittelanbieter

Legende

10 min fußläufiges Einzugsgebiet

2.140 EW

2.280 EW

2.810 EW 3.920 EW 1.800 EW

200 EW

130 EW

2.470 EW 1.040 EW

Quelle: Kartengrundlage GfK GeoMarketing; GMA‐Bearbeitung 2019

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Fortschreibung Einzelhandelskonzept für die Stadt Neustadt i. H. 2020

5. Wesentliche Änderungen seit 2013

Im Vergleich zu 2013 ist festzustellen, dass die Zahl der Einzelhandelsbetriebe insgesamt rückläu‐ fig ist, die Verkaufsfläche aber konstant geblieben ist. Waren 2013 noch 173 Einzelhandelsbe‐ triebe in Neustadt i. H. anzutreffen, so waren es 2019 noch 147 (‐ 15 %). Die Verkaufsfläche36 betrug im Jahr 2013 rd. 51.930 m², aktuell wurden rd. 51.790 m² erhoben.

Als größte Änderungen sind die Schließung von Penny in der Eutiner Straße, die Nachbelegung des 2013 leer stehenden Ihr‐Platz‐Drogeriemarktes am Markt durch Nahkauf und der Neubau der Lidl‐Filiale an der Eutiner Straße zu nennen. Die ehemalige Norma‐Filiale an der Oldenburger Straße wird inzwischen durch Netto Markendiscount betrieben. Rückläufig war insbesondere die Anzahl kleinerer Fachgeschäfte für Blumen und zoologischen Bedarf.

Im Bekleidungs‐, Schuh und Sportbereich waren einige Verschiebungen v. a. unter den kleinflä‐ chigen Geschäften (< 100 m² VK) festzustellen, mit einem Rückgang der Verkaufsflächen um ca. 2 % und einem Zuwachs der Betriebe um ca. 4 % ist dies jedoch der marktüblichen Fluktuation zuzuordnen. Angesichts der Entwicklung der Marktanteile des online‐Handels ist hier eine stabile Entwicklung festzustellen.

Insgesamt verlief die Einzelhandelsentwicklung in den letzten sechs Jahren in Neustadt i. H. stabil.

36 ohne Betriebe im Gewerbegebiet Neustädter Bucht, Gemeinde Sierksdorf

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Fortschreibung Einzelhandelskonzept für die Stadt Neustadt i. H. 2020

III. Nachfragesituation

1. Marktgebiet des Einzelhandelsstandortes Neustadt i. H.

Die Abgrenzung des Marktgebietes des Einzelhandelsstandortes Neustadt i. H. stellt eine wesent‐ liche Grundlage zur Ermittlung des Bevölkerungs‐ und Kaufkraftpotenzials dar. Als Marktgebiet wird der Raum bezeichnet, in dem sich die Verbraucher zum Einkauf überwiegend auf den Ein‐ zelhandelsstandort orientieren. Bei der Abgrenzung wurden folgende Kriterien herangezogen:

 Angebotssituation in Neustadt i. H. und im Umland

 siedlungs‐ und zentralörtliche Strukturen in Neustadt i. H. und im Umland

 verkehrliche und topografische Gegebenheiten in Neustadt i. H. bzw. im Umland und die damit zusammenhängenden Zeit‐Distanz‐Werte

 Ergebnisse des Einzelhandelskonzeptes Neustadt i. H. 2013

 Ergebnisse der Befragung einzelner Einzelhändler in Neustadt i. H. in 2019 bzw. 2020.

Die Abgrenzung des bisherigen Marktgebietes kann durch die aktuelle Untersuchung bestätigt werden. Das Marktgebiet erstreckt sich im Wesentlichen im Osten bis Dahme, im Westen bis Schönwalde am Bungsberg und im Süden bis Süsel. Der Einzelhandel in Neustadt i. H. strahlt teil‐ weise über den Mittelbereich hinaus in den Kreis Ostholstein aus, dies betrifft insbesondere die großformatigen Fachmärkte wie expert, toom und famila sowie die Betriebe in der Innenstadt. Im Elektronikbereich sind vergleichbare Angebote etwa erst in Lübeck, Bad Segeberg, Oldenburg i. H. oder vorhanden. Aufgrund der touristischen Bedeutung der Stadt Neustadt fallen die Streumusätze mit Touristen und Durchfahrenden höher aus, dies gilt saisonbedingt insbesondere für die Sommermonate. Insgesamt sind rd. 53.840 Einwohner im Marktgebiet des Einzelhandels von Neustadt i. H. wohnhaft.

37 Fortschreibung Einzelhandelskonzept für die Stadt Neustadt i. H. 2020

Karte 3: Marktgebiet des Einzelhandels in Neustadt i. H.

Marktgebiet Neustadt i. H.

Zone I: 15.084

Zone II: 4.883

Zone III: 22.540

Zone IV: 11.335

Insg.: 53.842 Einwohner

Quelle: Kartengrundlage GfK GeoMarketing; GMA‐Bearbeitung 2020

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Fortschreibung Einzelhandelskonzept für die Stadt Neustadt i. H. 2020

2. Kaufkraftpotenzial für den Einzelhandel in Neustadt i. H.

Das Kaufkraftpotenzial wird für den stationären Einzelhandel im engeren Sinne (ohne Autohan‐ del) berechnet. Die jährliche Pro‐Kopf‐Ausgabe lag in Deutschland bei ca. 6.035 €37.

Neben den Pro‐Kopf‐Ausgaben ist zur Berechnung der Kaufkraft das lokale Kaufkraftniveau zu berücksichtigen. In Neustadt i. H. lag im Jahr 2017 mit 93,2 ein leicht unterdurchschnittliches Kaufkraftniveau38 vor, ebenso in Dahme (97,8), Grömitz (96,4), Kellenhusen (95,8), Schönwalde (93,7), Lensahn (90,0) und Manhagen (90,3). In Altenkrempe (101,8), Schashagen (99,0), Be‐ schendorf (98,2) und Süsel (99,7) lag das Kaufkraftniveau etwa im Bundesdurchschnitt. Eine deut‐ lich überdurchschnittliche Kaufkraft ist in Sierksdorf (110,1) und Scharbeutz (108,1) festzustellen.

Entsprechend des Kaufkraftniveaus wird der durchschnittliche Ausgabesatz (6.035 € p. a.) für den Einzelhandel gewichtet, d. h. in Neustadt i. H. liegt der Ausgabesatz bei ca. 5.625 € p.a. pro Ein‐ wohner und damit etwa 410 € unter dem durchschnittlichen Ausgabesatz. Dies wirkt sich be‐ schränkend auf die Einzelhandelsentwicklung aus. Auf die Hauptsortimente verteilt sich das Kauf‐ kraftpotenzial wie folgt:

Tabelle 10: Kaufkraft in Mio. € im Marktgebiet

Übrige Gemein‐ Gemein‐ Gemein‐ den im den im Warengruppe Neustadt den im Gesamt Nahbe‐ Mittelbe‐ Marktge‐ reich reich biet Nahrungs‐ und Genussmittel 31,1 11,0 21,0 53,3 116,4 Gesundheit, Körperpflege 6,3 2,2 4,3 10,9 23,7 Blumen, zool. Bedarf, Zeitschriften 2,8 1,0 1,9 4,8 10,5 Bücher, Schreib‐ / Spielwaren 3,5 1,2 2,3 5,9 12,9 Bekleidung, Schuhe, Sport 10,3 3,6 7,0 17,7 38,6 Elektrowaren, Medien, Foto 7,9 2,8 5,3 13,5 29,5 Hausrat, Einrichtung, Möbel 8,7 3,1 5,8 14,8 32,4 Bau‐, Heimwerker‐, Gartenbedarf 7,3 2,6 4,9 12,6 27,4 Optik / Uhren, Schmuck 2,2 0,8 1,5 3,7 8,2 Sonstige Sortimente 4,9 1,7 3,3 8,4 18,3 Gesamt 85,0 30,0 57,3 145,6 317,9 GMA‐Berechnungen 2019

Im Marktgebiet des Einzelhandels von Neustadt i. H. ist eine Kaufkraft von 317,9 Mio. € vorhan‐ den.

37 Bei Apotheken wird nur der Anteil der nicht verschreibungspflichtigen Medikamente berücksichtigt. 38 Verwendung regionaler Kaufkraftkennziffern von Michael Bauer Research GmbH, Nürnberg 2018: Werte über 100 deuten auf einen im Vergleich zum Bundesdurchschnitt höheres Kaufkraftniveau, Werte unter 100 auf ein unter dem Bundesdurchschnitt liegendes Niveau hin.

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Fortschreibung Einzelhandelskonzept für die Stadt Neustadt i. H. 2020

3. Bevölkerungs‐ und Kaufkraftprognose

Die Entwicklung des Kaufkraftvolumens bis zum Prognosehorizont 2030 ist neben konjunkturel‐ len Einflüssen auch von künftigen Entwicklungen des Verbraucherverhaltens, z. B. Online‐Einkäu‐ fen sowie den soziodemografischen Faktoren abhängig.

Die aktuelle Kleinräumige Bevölkerungs‐ und Haushaltsprognose für den Kreis Ostholstein bis zum Jahr 2030 vom November 2018 kommt zu dem Schluss, dass innerhalb des Kreisgebiets ein weiterer Bevölkerungsanstieg nur in den Gemeinden Stockelsdorf und Sierksdorf zu erwarten ist. In Neustadt i. H. wird die Bevölkerungszahl annähernd konstant bleiben, wobei aufgrund kleine‐ rer Haushaltsgrößen eine Zunahme der Haushaltszahlen (+ 180 Haushalte bis 2030) zu erwarten ist. Hieraus ergibt sich der Bedarf nach zusätzlichen Wohneinheiten im Stadtgebiet. Im Norden des Kreises (Amt Oldenburg Land, , Kellenhusen) sind dagegen Bevölkerungsrückgänge um ca. 3 – 5 % zu erwarten.

Für die Kaufkraftprognose bedeutet dies, dass die Kaufkraft in Neustadt i. H. im Wesentlichen konstant bleiben wird, während einige Gemeinden v. a. im nördlichen Marktgebiet eher eine rückläufige Kaufkraftentwicklung erwarten lassen. Die positive Bevölkerungsprognose für Sierks‐ dorf spricht für eine eher positive Kaufkraftentwicklung im südlichen Marktgebiet.

Somit lassen sich aus der Kaufkraftprognose in der Summe weder Chancen noch Bedrohungen für die Einzelhandelsentwicklung in Neustadt i. H. ableiten.

4. Kaufkraftströme

Bei der Berechnung der Kaufkraftströme wird ermittelt, wie viel der Kaufkraft der Wohnbevölke‐ rung durch den Einzelhandel vor Ort gebunden wird (Kaufkraftbindung), wie viel Kaufkraft an an‐ dere Einkaufsstandorte39 außerhalb des Stadtgebietes fließt (Kaufkraftabfluss) und wie hoch der Umsatz des Einzelhandels in Neustadt i. H. mit auswärtigen Kunden ist (Kaufkraftzufluss).

Zur Ermittlung der Kaufkraftbewegungen konnte auch auf die Ergebnisse der Einzelhandelsbefra‐ gungen zurückgegriffen werden.

Durch Gegenüberstellung der Umsatzleistung durch die Wohnbevölkerung mit dem Kaufkraftpo‐ tenzial in Neustadt i. H. lässt sich die Kaufkraftbindung bezogen auf die Wohnbevölkerung ermit‐ teln.

39 inkl. Online‐ und Versandhandel

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Fortschreibung Einzelhandelskonzept für die Stadt Neustadt i. H. 2020

Für den Einzelhandel der der Stadt Neustadt i. H. stellt sich die Bilanz wie folgt dar:

ca. 133 ‐ 134 Mio. € Umsatz

‐ ca. 71 ‐ 72 Mio. € Kaufkraftzufluss (Umsatz mit auswärtigen Kunden)

‐ ca. 18 Mio. € Kaufkraftzufluss (Umsatz mit Touristen)

= ca. 61 ‐ 62 Mio. € Umsatz der Wohnbevölkerung von Neustadt i. H.

Der Einzelhandel in Neustadt i. H. bindet gegenwärtig ca. 73 % der Kaufkraft, d. h. etwa ein Viertel der örtlichen Kaufkraft fließt an andere Einkaufsorte außerhalb der Stadt ab. Bei den Kaufkraft‐ bewegungen bestehen sortimentsspezifisch jedoch große Unterschiede. Die höchste Kaufkraft‐ bindung wird im kurzfristigen Bedarf erreicht (ca. 88 %). Im mittelfristigen Bedarf fällt die Kauf‐ kraftbindung mit ca. 71 % etwas niedriger aus, im langfristigen Bedarf wird mit ca. 54 % noch der Großteil der Kaufkraft vor Ort gebunden.

Mit ca. 18 Mio. € p. a. macht die touristische Kaufkraft rd. 13 – 14 % des Einzelhandelsumsatzes aus, hiervon profitiert mit ca. 15 – 16 Mio. € insbesondere der kurzfristige Bedarf. Auf den mittel‐ und langfristigen Bedarf entfallen je ca. 2 – 3 Mio. €, die mit Touristen generiert werden.

Aus dem Umland fließen dem Einzelhandel ca. 53 – 54 Mio. € zu, was die mittelzentrale Teilfunk‐ tion von Neustadt i. H. unterstreicht. Mit ca. 29 – 30 Mio. € entfällt der Großteil hiervon auf den kurzfristigen Bedarf. Im mittelfristigen Bedarf beträgt der Kaufkraftzufluss aus dem Umland ca. 6 – 7 Mio. €, weitere ca. 17 – 18 Mio. € entfallen auf den langfristigen Bedarf.

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Fortschreibung Einzelhandelskonzept für die Stadt Neustadt i. H. 2020

IV. Einzelhandelskonzept für Neustadt i. H.

1. Ziele des Einzelhandelskonzeptes

Zur Sicherung und gezielten Weiterentwicklung des lokalen Einzelhandels ist die Verabschiedung eines Einzelhandelskonzeptes zu empfehlen, welches künftig als Grundlage zur Beurteilung von Erweiterungs‐ und Ansiedlungsvorhaben im Zuge der vorbereitenden und verbindlichen Bauleit‐ planung herangezogen werden sollte40. Dieses berücksichtigt auch die übergeordneten Ziele der Landesplanung (LEP Schleswig‐Holstein) und insbesondere die Versorgungsaufgabe als Unter‐ zentrum mit Teilfunktion eines Mittelzentrums.

Die wesentlichen Ziele für die Einzelhandelsentwicklung in Neustadt i. H. werden wie folgt gese‐ hen:

 Sicherung der Versorgungsfunktion als Unterzentrum mit Teilfunktion eines Mittel‐ zentrums und touristische Destination

. Stärkung der Innenstadt gegenüber dezentralen Standorten, d.h. keine Ansiedlun‐ gen bzw. Erweiterungen großflächiger Betriebe mit zentrenrelevantem Kernsorti‐ ment außerhalb der Innenstadt

. Sicherung der Versorgungsfunktion im kurzfristigen Bedarf für die Gemeinden des Nahbereichs

. Ausbau der mittelzentralen Teilfunktion durch Sicherung der Versorgungsfunktion für die Gemeinden des Mittelbereichs im mittel‐ und langfristigen Bedarf

 Sicherung der wohnortnahen Versorgung mit Angeboten des kurzfristigen Bedarfs

. Sicherung und Stärkung der Nahversorgungsstandorte und ggf. Ausbau des nahver‐ sorgungsrelevanten Einzelhandels

Zur Steuerung des Einzelhandels auf kommunaler Ebene werden zwei einander bedingende und aufeinander aufbauende städtebauliche Konzepte benötigt:

 Sortimentskonzept: Die Sortimentsliste definiert ortsspezifisch die nahversorgungs‐ und zentrenrelevanten bzw. nicht zentrenrelevanten Sortimente und dient damit als Grundlage für die bauplanungsrechtliche Beurteilung großflächiger Ansiedlungs‐ und Erweiterungsvorhaben des Einzelhandels.

 Standortkonzept: Im Rahmen des Standortkonzeptes erfolgt die Festlegung und Be‐ gründung zentraler Versorgungsbereiche i. S. von § 1 Abs. 6 BauGB, § 2 Abs. 2 BauGB, § 9 Abs. 2 a BauGB, § 34 Abs. 3 BauGB und § 11 Abs. 3 BauNVO. Auf dieser Basis wer‐ den im Rahmen des Einzelhandelskonzeptes standort‐ und branchenspezifische Grundsätze zur Einzelhandelsentwicklung formuliert.

40 Durch den Beschluss der Stadtverordnetenversammlung wird diese informelle Planungsgrundlage zu ei‐ nem Entwicklungskonzept gemäß § 1 Abs. 6 Nr. 11 BauGB und ist damit im Rahmen der Bauleitplanung als Abwägungsgrundlage zu berücksichtigen.

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Fortschreibung Einzelhandelskonzept für die Stadt Neustadt i. H. 2020

Mit dem Sortiments‐ und Standortkonzept sollen die Rahmenbedingungen für eine zukunftsori‐ entierte und geordnete Einzelhandelsentwicklung geschaffen werden. An dieser Stelle ist darauf hinzuweisen, dass ein Einzelhandelskonzept nur die Rahmenbedingungen für eine adäquate Ent‐ wicklung bereitstellt. Es entbindet jedoch nicht von Modernisierungs‐ und Aufwertungsmaßnah‐ men in zentralen Versorgungsbereichen.

2. Überprüfung des Sortimentskonzeptes

Das Sortimentskonzept bildet die branchenbezogene Grundlage für die zukünftige Einzelhan‐ delsentwicklung bzw. zur bauplanungsrechtlichen Beurteilung zukünftiger Ansiedlungs‐ / Erwei‐ terungsvorhaben. Dabei ist zu definieren, welche Einzelhandelssortimente hinsichtlich des Ange‐ botscharakters, der Attraktivität der Sortimente sowie der Betriebsstruktur heute im Wesentli‐ chen dem zentralen Versorgungsbereich zugeordnet werden können bzw. zukünftig zugeordnet werden sollen und welche Sortimente auch außerhalb des zentralen Versorgungsbereichs ange‐ siedelt werden können bzw. sollen. Hierzu wird die durch die GMA erstellte Liste aus dem Jahr 2013 (vgl. Einzelhandelskonzept für die Stadt Neustadt i. H. und Nahbereich, 2013) aktualisiert und an die derzeitigen Entwicklungen in Neustadt i. H. angepasst.

Im Allgemeinen sind zentrenrelevante Sortimente Warengruppen, bei denen von einem beson‐ deren „Gefährdungspotenzial“ für die gewachsenen Zentren auszugehen ist, wenn diese außer‐ halb der Zentren angeboten werden. Auf das Vorhandensein dieser Sortimente und deren Anzie‐ hungskraft gründet sich das aus städtebaulicher Sicht wünschenswerte „Einkaufserlebnis“ bzw. eine zusätzliche Belebung der integrierten Lagen (z. B. durch Verbundkäufe). Zu zentrenrelevan‐ ten Sortimenten gehören nahversorgungsrelevante Sortimente, da eine möglichst wohnortnahe Versorgung im kurzfristigen Bedarf erreicht werden sollt. Das Angebot an nicht zentrenrelevan‐ ten Sortimenten stellt an städtebaulich nicht integrierten Standorten keine wesentliche Gefähr‐ dung für zentrale Lagen dar. Sie sind an solchen Standorten unter Umständen aus planerischer Sicht auf Grund ihres großen Platzbedarfs und der Verkehrsfrequenz sogar erwünscht.

Zur Bewertung der Sortimente werden folgende Kriterien zugrunde gelegt: Tabelle 11: Kriterien zur Bewertung der Zentrenrelevanz von Sortimenten

Kriterium Prüfmaßstäbe Warenbeschaffenheit / Transport Sperrigkeit, Abtransport Flächenbedarf Warenbeschaffenheit, Verkaufsflächenbedarf Bedeutung für Attraktivität und Branchenmix in Alltagstauglichkeit, Zielgruppenansprache, Leit‐ der Stadt sortiment Magnetfunktion Bekanntheit, Anziehungseffekte auf Kunden Synergien mit anderen Sortimenten Kopplungseffekte zwischen Sortimenten Städtebauliche Ziele, Verteilung der Einzelhan‐ Anteil der Verkaufsfläche in der Innenstadt delsbetriebe in der Stadt GMA‐Zusammenstellung 2019

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Fortschreibung Einzelhandelskonzept für die Stadt Neustadt i. H. 2020

Die nachfolgende Übersicht stellt die Einstufung der Sortimente dar. Diese orientiert sich an der räumlichen Verteilung des Einzelhandels in Neustadt i. H., den rechtlichen Vorgaben und berück‐ sichtigt die städtebauliche Zielsetzungen. So können z. B. Warengruppen, die derzeit nicht im zentralen Versorgungsbereich angeboten werden bzw. dort nicht ihren Verkaufsflächenschwer‐ punkt aufweisen, als zentrenrelevant eingestuft werden. Voraussetzung dafür ist, dass Ansied‐ lungen im zentralen Versorgungsbereich möglich erscheinen und dort zu einer maßgeblichen Steigerung der Attraktivität des Einzelhandelsstandortes beitragen.

Großflächige Betriebe mit nicht zentrenrelevanten Kernsortimenten sind häufig in dezentralen Lagen angesiedelt. Diese Sortimente sind i. d. R. nicht kritisch im Hinblick auf die Ziele der Einzel‐ handelsentwicklung in zentralen Versorgungsbereichen zu sehen. Die Liste der nicht zentrenre‐ levanten Sortimente erfüllt darstellenden Charakter und ist im Gegensatz zu den zentrenrelevan‐ ten Sortimenten nicht abschließend und um weitere Sortimente ergänzbar.

Mit Blick auf die sog. zentrenrelevanten Randsortimente bei großflächigen Betrieben mit nicht zentrenrelevantem Kernsortiment sind die Vorgaben des LEP (LEP Entwurf 2018, 3.10.6.3) zu be‐ rücksichtigen:

„(3) Bei der Darstellung und Festsetzung von Sondergebieten für großflächige Einzel‐ handelseinrichtungen im Sinne von § 11 Absatz 3 BauNVO mit nicht zentrenrelevanten Sortimenten außerhalb zentraler Versorgungsbereiche ist die Verkaufsfläche für zen‐ trenrelevante Randsortimente in der Regel auf 10 Prozent der Gesamtverkaufsfläche, maximal aber 800 Quadratmeter Verkaufsfläche, zu begrenzen.“

Zu beachten ist ferner, dass bei Erweiterungen in vorhandenen großflächigen Einzelhandelsbe‐ trieben jeweils das gesamte Vorhaben, also nicht nur die Erweiterungsfläche, bewertet werden müssen. Dies bezieht damit auch die Betrachtung der Randsortimente mit ein.

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Tabelle 12: Sortimentsliste des Einzelhandels von Neustadt i. H.

Zentrenrelevante Sortimente Nicht zentrenrelevante Sortimente ‐ Sanitätswaren ‐ Lebende Tiere, Zooartikel, Tierpflegemit‐ ‐ Bücher, Spiel‐, Bastelartikel tel, Tiernahrung ‐ Bekleidung (Herren, Damen, Kinder / Säuglinge), ‐ Gartenbedarf, Pflanzen, Pflegeartikel, Wäsche Düngemittel, Gartengeräte, Rasenmäher ‐ Bettwäsche (Bettbezüge, Laken), Bettwaren (De‐ ‐ Baustoffe, Bauelemente cken, Kopfkissen, Tagesdecken) ‐ Installationsmaterial, Beschläge ‐ Sportbekleidung und Schuhe ‐ Unterhaltungselektronik, Computer / Zu‐ ‐ Schuhe, Lederwaren behör ‐ Elektrokleingeräte ‐ Elektrogroßgeräte ‐ Wolle, Kurzwaren, Handarbeiten, Stoffe ‐ Eisenwaren und Werkzeuge ‐ Haushaltswaren, Glas / Porzellan / Keramik, Korb‐ ‐ Farben, Lacke, Tapeten waren, Wohnaccessoires ‐ Gardinen / Zubehör ‐ Antiquitäten ‐ baumarktrelevante Haushaltswaren (u.a. ‐ Kunstgegenstände, Bilder / Rahmen Aufbewahrungsboxen, Wäscheständer, ‐ Haus‐ / Tischwäsche Leitern) ‐ Uhren, Schmuck, Optik, Akustik ‐ Sanitär / Fliesen ‐ Fahrräder / Zubehör ‐ Rollläden, Rollos, Markisen ‐ Angelbedarf ‐ Sportgroßgeräte ‐ Musikalien, Musikinstrumente ‐ Kinderwagen, Autokindersitze ‐ Telekommunikation, Foto ‐ Möbel, Küchen, Büromöbel, Badmöbel, ‐ ausstattung, Gartenmöbel davon nahversorgungsrelevante Sortimente ‐ Matratzen, Matratzenschoner ‐ Nahrungs‐/ Genussmittel ‐ Teppiche, Bodenbeläge ‐ Drogerie‐/ Parfümeriewaren, pharmazeutische ‐ Lampen, Leuchten, Beleuchtungskörper Artikel ‐ Campingartikel ‐ Zeitschriften, Zeitungen ‐ Auto‐ / Motorradzubehör ‐ Schnittblumen ‐ Reitsportartikel ‐ Schreibwaren ‐ Jagdbedarf GMA‐Empfehlungen 2019

Im Vergleich zu der Sortimentseinstufung 2013 werden lebende Tiere und Zooartikel nicht mehr als zentrenrelevant eingestuft. Tierpflegemittel und Tiernahrung wurden schon 2013 zu den nicht zentrenrelevanten Sortimenten gezählt.

Das Instrumentarium der Sortimentsdifferenzierung erwies sich im Gegensatz zu in früheren Jah‐ ren praktizierten Flächenfestsetzungen ohne entsprechende Sortimentshinweise als rechtssi‐ cher. So können mit dem Instrumentarium der Baunutzungsverordnung die zentrenrelevanten Sortimente in den Gewerbegebieten ausgeschlossen werden.

Die kommunale Bauleitplanung kann hier zwei Wege wählen:

 Die positive Festsetzung, d. h. es werden bestimmte Sortimente zugelassen, alle ande‐ ren werden ausgeschlossen.

 Die negative Festsetzung, d. h. es werden bestimmte Sortimente ausgeschlossen, alle anderen werden zugelassen.

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Mit diesen Festsetzungen bestehen für Kommunen Differenzierungsmöglichkeiten, mit denen zentrenrelevante Sortimente auch unterhalb der Grenze der Großflächigkeit ausgeschlossen wer‐ den können, um damit zentrale Versorgungsbereiche zu stärken und weiterzuentwickeln.

Von dem Ausschluss des zentrenrelevanten Einzelhandels können bestimmte Betriebstypen, wie Werksverkauf, Nachbarschaftsläden, Tankstellenshops, Kioske usw. ausgenommen und aus‐ nahmsweise zugelassen werden, soweit sie zentrenverträglich sind. Gleichzeitig ist generell da‐ rauf hinzuweisen, dass alle bestehenden Betriebe Bestandsschutz genießen.

3. Überprüfung des Standortkonzeptes

Das Standortkonzept soll als räumliche Grundlage für die Einzelhandelsentwicklung dienen. Hier liegt ein wesentliches Augenmerk auf der Bewertung von Ansiedlungsbegehren großflächiger Einzelhandelsbetriebe, sowohl bei Ansiedlungen innerhalb der Standortkommune als auch bei Planungen in den Nachbarkommunen. Im Rahmen des Standortkonzeptes erfolgt eine Einord‐ nung der bestehenden Einkaufslagen in Neustadt i. H. in eine Zentren‐ und Standortstruktur. Dazu werden die bestehenden Handelslagen überprüft und der zentrale Versorgungsbereich festgelegt.

In der historischen Altstadt wird der zentrale Versorgungsbereich Innenstadt bestätigt und fest‐ gelegt. Die Standortlagen Eutiner Straße / Sierksdorfer Straße und Rettiner Weg erfüllen nicht die Kriterien eines zentralen Versorgungsbereichs. Die Standortbereiche in der Oldenburger Straße (Netto, Lidl), am Sandberger Weg (Rewe), der Wiesenstraße (Nahkauf) und der Waschgraben‐ allee / Rosengarten (Rewe) stellen überwiegend solitäre Einzelhandelsstandorte dar, die eine Nahversorgungsfunktion für die umliegenden Wohngebiete übernehmen.

Tabelle 13: Einzelhandelsbestand nach Lagen

Betriebe Verkaufsfläche Lage absolut in % absolut in % Zentraler Versorgungsbereich Innenstadt 73 50 11.750 23 Nahversorgungsstandorte 11 7 4.690 9 Streu‐ und Nebenlagen 26 18 3.190 6 Standortlagen des großflächigen Einzelhan‐ 37 25 32.160 62 dels, Gewerbegebiete Gesamt 147 100 51.790 100 GMA‐Berechnungen 2020

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Karte 4: Zentren- und Standortstruktur in Neustadt i. H.

Legende

Zentraler Versorgungsbereich

Nahversorgungsstandort

Ergänzungsstandorte für großflächigen, nicht zentrenrelevanten Einzelhandel

Oldenburger Straße Innenstadt

Waschgrabenallee / Rosengarten Rettiner Weg

Sandberger Weg

Eutiner Straße / Wiesenstraße Sierksdorfer Straße Quelle: Kartengrundlage GfK GeoMarketing; GMA-Bearbeitung 2019

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Aufgrund der Vielzahl an unterschiedlichen Einzelhandels‐, Dienstleistungs‐ und öffentlichen Nutzungen handelt es sich bei der Innenstadt um den einzigen zentralen Versorgungsbe‐ reich.

An der Oldenburger Straße, der Wiesenstraße, der Waschgrabenallee / Rosengarten und am Sandberger Weg sind Nahversorgungsstandorte entstanden, die zur Versorgung der örtli‐ chen Wohnbevölkerung beitragen.

Am Rettiner Weg und an der Eutiner Straße / Sierksdorfer Straße sind Standorte des groß‐ flächigen, nicht zentrenrelevanten Einzelhandels verortet. Diesen kommt bei der Versor‐ gung der Einwohner des Mittelbereichs mit Einzelhandelsangeboten des mittel‐ und langfris‐ tigen Bedarfs eine erhöhte Bedeutung zu.

Kleinere Läden bzw. Einzelhandelsbetriebe (< 800 m² VK) bedürfen nicht der planungsrechtlichen Steuerung, deren Zulässigkeit ist nach den entsprechenden Gebietstypen der BauNVO geregelt.

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3.1 Zentraler Versorgungsbereich Innenstadt

Foto 1: Eska Kaufhaus, Kremper Straße Foto 2: Kremper Straße mit Stadttor

Aufnahmen: GMA 2019 Räumliche Situation

 Entsprechend der faktischen Prägung umfasst der zentrale Versorgungsbereich den Bereich der historischen Altstadt um den Marktplatz mit der Kremper Straße, der Brü‐ ckstraße, Teilen der Reiferstraße, Hochtorstraße, Kirchenstraße und Klosterstraße.

 Die bestehende räumliche Abgrenzung des Zentralen Versorgungsbereichs des Einzel‐ handelskonzeptes aus 2013 entspricht weiterhin der faktischen Prägung und kann da‐ her bestätigt werden.

 Im Norden reicht der zentrale Versorgungsbereich bis zum Kremper Tor, nördlich des‐ sen ist kaum noch Einzelhandel vorhanden. Innerhalb der historischen Altstadt wirkt sich die Wohnnutzung am Hakengraben begrenzend aus.

 Im Osten wird das Zentrum durch die Wohnbebauung an der Waschgrabenallee und der Grabenstraße sowie die Grünfläche begrenzt. Der durchgehende Geschäftsbesatz reicht entlang der Hochtorstraße bis zur Kreuzung, hier sind jedoch bereits überwie‐ gend Dienstleistungsangebote vorhanden.

 Südlich der Achse Brückstraße / Hochtorstraße ist nur noch vereinzelt Einzelhandel an‐ zutreffen, so dass die Wohngebiete im Bereich Fischerstraße, Schmiedestraße und in der südlichen Waschgrabenstraße sowie an der Waschgrabenallee das Zentrum in süd‐ licher Richtung begrenzen. Durch diese wird auch die Potenzialfläche an der Wasch‐ grabenallee von den übrigen Einzelhandelsnutzungen in der Innenstadt separiert.

 Im Westen reicht das Zentrum entlang der Brückstraße bis zur Brücke, im Bereich der Burgstraße wirken sich die Wohnnutzung in der Burgstraße und der Parkplatz / Spiel‐ platz am Klosterhof begrenzend aus.

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Versorgungsfunktion

 Die Betriebe der Innenstadt übernehmen insbesondere im mittelfristigen Bedarf eine Versorgungsfunktion für die Gesamtstadt, den Mittelbereich und die Tages‐ und Über‐ nachtungsgäste. Im Bereich Am Markt / Brückstraße sind auch nahversorgungsrele‐ vante Betriebe (u. a. nahkauf, Rossmann, Lebensmittelhandwerk) vorhanden, außer‐ dem findet hier der Wochenmarkt statt. Die Einzelhandelsfunktion wird ergänzt durch Betriebe aus der Gastronomie, Dienstleistungen sowie öffentliche Einrichtungen und Handwerksbetriebe. Gegenüber 2013 konnten die Leerstände (2013: 12 Leerstände) verringert und die Nahversorgungsfunktion gestärkt werden.

 ca. 11.770 m² Verkaufsfläche in 73 Einzelhandelsbetrieben

 strukturprägende Betriebe: Eska Kaufhaus, Rossmann, Haack Heimtex, Takko, Arm‐ bruster Schuhe

 öffentliche Einrichtungen: Bürgerbüro, Rathaus, Agentur für Arbeit

 Komplementärnutzungen: 71 ergänzende Nutzungen, Schwerpunkt bei Dienstleistun‐ gen und Gastronomie

 Leerstände: 7 Ladenlokale (Leerstandsquote ca. 5 %)

 Im Lebensmittelbereich ist auf den nahkauf Supermarkt hinzuweisen, der die ehema‐ lige Ihr‐Platz‐Fläche nachbelegt hat. Der Bio‐Bereich wird durch Dit & Dat Naturkost abgedeckt, außerdem sind ein Reformhaus sowie eine Filiale von Arko vorhanden. Räumlich konzentriert sich das Lebensmittelangebot auf den Bereich um den Markt, hier sind zahlreiche Anbieter des Lebensmittelhandwerks (Fleischerei, Bäckereien) an‐ sässig. Ein großflächiger Supermarkt ist in der Innenstadt nicht vorhanden, auch sind hierfür derzeit keine Potenzialflächen innerhalb der historischen Altstadt erkennbar. Eine entsprechende Ergänzung sollte auf die innenstadtnahe Potenzialfläche im Be‐ reich Waschgrabenallee / Rosengarten konzentriert werden.

 Drogeriewaren werden hauptsächlich bei Rossmann angeboten, mit Schuback ist eine Parfümerie ansässig. Das Angebot wird durch weitere kleinere Kosmetikanbieter er‐ gänzt. Das Angebot ist für die Stadtgröße angemessen.

 Ein Sanitätshaus ist in der Brückstraße vorhanden, außerdem sind vier Apotheken in der Innenstadt ansässig. Unmittelbarer Handlungsbedarf besteht nicht.

 Blumen werden in einem nicht‐filialisierten Fachgeschäft in der Kremper Straße ange‐ boten, hier sind Ergänzungen in Form von weiteren Fachgeschäften möglich.

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 Zoologischer Bedarf ist in der Innenstadt nicht vorhanden, dieser wird überwiegend bei Das Futterhaus im Gewerbegebiet Eutiner Straße angeboten. Ein Ausbau dieses Sortiments in der Innenstadt ist daher nicht erforderlich.

 Bücher, Schreib‐ und Spielwaren werden in der Innenstadt in größerem Umfang im Kaufhaus Eska angeboten, Bücher werden auch in zwei Fachbuchhandlungen geführt. Das Angebot ist vor dem Hintergrund der hohen Marktanteile im online‐Handel als angemessen zu bewerten und scheint nur bedingt ausbaufähig.

 Die Sortimente Bekleidung, Schuhe, Sport werden neben dem Kaufhaus Eska auch in Fachgeschäften (u. a. Gina Laura, twentyseven, Schuh Glöckner) und in Fachmärkten (u. a. Takko, Armbruster Schuhe, Ernsting’s family) angeboten. Im Sportbereich ist Bedi Sport in der Brückstraße ansässig, der Sportmarkt in der Kremper Straße hat zum Jah‐ resende 2019 altersbedingt den Betrieb aufgegeben. Auch Kindermoden und Spezial‐ anbieter (z. B. für Brautkleider) sind in unterschiedlichen Preislagen vorhanden. Ein Ausbau des Angebotes mit höher profilierten (Marken‐) Anbietern im Bekleidungsbe‐ reich ist auch vor dem Hintergrund der touristischen Bedeutung wünschenswert, dürfte aufgrund der steigenden Marktanteile des online‐Handels und des regionalen Wettbewerbs (u. a. Kaufhaus Stolz in Scharbeutz) jedoch schwierig werden. Räumlich bietet sich für Neuansiedlungen im Bereich Bekleidung, Schuhe, Sport insbesondere die Hauptlage entlang der Kremper Straße an, dies gilt auch für einen (Wieder‐) Ausbau im Sportbereich.

 Bei Elektrowaren, Medien, Foto sind in der Innenstadt zwei Handyshops vorhanden, der Angebotsschwerpunkt für dieses langfristige Sortiment liegt u. a. mit Expert im Ge‐ werbegebiet Eutiner Straße. Aufgrund der ausgeprägten Marktanteile im online‐Han‐ del (ca. 30 %) und des bestehenden Schwerpunkts an der Eutiner Straße ist eine wei‐ tere Ergänzung in diesem Sortiment in der Innenstadt nicht zu erwarten.

 Die Sortimente Hausrat, Einrichtung, Möbel sind in der Innenstadt von Neustadt i. H. mit ca. 2.000 m² Verkaufsfläche ausgeprägt vertreten, die flächengrößten Anbieter sind Haack (Gardinen), Schlüter Haushaltswaren und auras Designstudio. Ergänzend sind kleinere Fachgeschäfte für Geschenkartikel und Töpferwaren zu nennen, die sich u. a. an Touristen richten, sowie weitere Fachgeschäfte für Tischkultur, Wolle, Stoffe und Raumausstattung. Heimtextilien sind auch im Kaufhaus Eska zu finden.

 Bei Optik, Akustik / Uhren, Schmuck sind drei inhabergeführte Optiker und ein Hör‐ geräteakustiker vorhanden, vier Fachgeschäfte sowie das Kaufhaus Eska führen Schmuck. Mit der Marke Apollo Optik wird 2020 ein filialisierter Optiker hinzukommen.

 Bei den sonstigen Angeboten ist neben dem Sonderpostenanbieter Euroshop auf spe‐ zielle maritime Angebote (Schiffsausrüstung, Angelbedarf) hinzuweisen. Fahrräder

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sind in Neustadt bislang nicht vorhanden, hier sind gerade vor dem Hintergrund der E‐ Mobilität (e‐Bikes, E‐Lastenräder etc.) zusätzliche Entwicklungsperspektiven erkenn‐ bar.

 Das Spektrum an Komplementärnutzungen umfasst u. a. das Rathaus, die Kirche, Gastronomie, konsumnahe Dienstleistungsbetriebe (z.B. Friseure, Reinigungsbetriebe, Reisebüro, Kreditinstitute), weitere Dienstleister (z. B. Notar / Anwalt, Steuerberater, Versicherung), ärztliche und medizinische Praxen. Im Gastronomiebereich sind Cafés, Bars, Eiscafés, Restaurants, Imbissbetriebe und ein Hotel vorhanden.

Entwicklungspotenziale und Ziele  Sicherung und Stärkung der Innenstadt als mittelzentraler Versorgungsstandort  Förderung der funktionalen Dichte durch Entwicklung und Einbindung weiterer Nut‐ zungen (z. B. Ärzte, Gastronomie, Dienstleistungen, Handwerk usw.)  Weiterentwicklung des touristischen Potenzials  Erhöhung und Sicherung der Aufenthaltsqualität für alle Nutzergruppen

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Karte 5: Abgrenzung Zentraler Versorgungsbereich

Legende

Abgrenzung Zentraler Versorgungsbereich

Nutzungen

Einzelhandel Dienstleistung Gastronomie/Hotellerie Freizeit / Kultur Öffentliche Einrichtungen Bildungseinrichtungen Mehrfachnutzungen

L Leerstand

Kartengrundlage: Stadt Neustadt in Holstein; Kartenhintergrund: © OpenStreetMap‐Mitwirkendet; GMA‐Bearbeitung 2019

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3.2 Standortlagen außerhalb des zentralen Versorgungsbereichs 3.2.1 Nahversorgungsstandort Waschgrabenallee / Rosengarten

Aufnahme: GMA 2019 Im Kreuzungsbereich Waschgrabenallee / Rosengarten befindet sich ein Rewe Supermarkt, welcher in Ergänzung zur kleinteilig parzellierten, historischen Altstadt die Versorgung mit nah‐ versorgungsrelevanten Sortimenten übernimmt. Durch das Auslaufen des Einzelhandelsbesat‐ zes entlang der Hochtorstraße kann dieser Bereich nicht mehr zur Innenstadt gerechnet wer‐ den, ergänzt diese jedoch funktional. Östlich und nördlich des bestehenden Rewe‐Marktes sind Bildungseinrichtungen (Jacob Linau Schule, Schule am Rosengarten) sowie die Freiwillige Feu‐ erwehr zu finden, an der Waschgrabenallee liegen die Stadtbücherei, die Post und das Amt für gesellschaftliche Angelegenheiten.

Kriterium Bewertung

Einzelhandel Rewe, Bäckereifiliale

Verkaufsfläche rd. 1.080 m²

ergänzende Nutzungen Postbank, Spielhalle, Stadtbücherei, Amt für gesellschaftliche Angelegenheiten, Schuh‐ / Schlüsseldienst, Arztpraxis

Wohngebietsbezug Lage unmittelbar südlich der historischen Altstadt mit Wohnge‐ bietsbezug zu allen Seiten

B‐Plan Aufstellungsbeschluss Bebauungsplan Nr. 92 zur städtebauli‐ chen Neuordnung im Bereich des Postgebäudes (Sanierungsge‐ biet „Altstadt“)

verkehrliche Anbindung gute Anbindung mit dem Pkw über Waschgrabenallee, Bushal‐ testelle Postamt im unmittelbaren Standortumfeld. Rewe‐Park‐ platz unterdimensioniert

Marktauftritt Marktauftritt und Verkaufsflächengröße nicht mehr zeitgemäß

Handlungsbedarf akuter Handlungsbedarf zur Sicherung der innerstädtischen Nahversorgungsfunktion

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Im Bereich des bestehenden Rewe‐Marktes ist akuter Modernisierungs‐ / Erweiterungsbedarf erkennbar, der Markt ist für die Versorgungsaufgabe in der Neustädter Kernstadt unterdimensi‐ oniert. Für Supermärkte werden derzeit i. d. R. ca. 1.500 – 1.800 m² VK angestrebt. Daher wird eine Erweiterung und Verlagerung des Marktes auf das Postgelände empfohlen. Für das Postge‐ bäude, das im Sanierungsgebiet „Altstadt“ liegt, formuliert die Vorbereitende Untersuchung gem. § 141 BauGB aus 2014 die „Städtebauliche Neuordnung […] nebst Grundstücksneuordnung und ‐freilegung“.41 Somit ist das Postareal als Potenzialstandort gut geeignet, um die hier bereits vorhandene Nahversorgungsfunktion zu sichern und auszubauen.

3.2.2 Nahversorgungsstandort Oldenburger Straße

Aufnahme: GMA 2019 Der Standort an der Oldenburger Straße nördlich des Friedhofs war ursprünglich als Gewerbe‐ gebiet ausgewiesen, das Umfeld ist jedoch überwiegend durch Wohnnutzung, Autowerkstät‐ ten /‐ Handel und Lebensmitteleinzelhandel geprägt. Nördlich schließt Einfamilienhausbebau‐ ung an (Windmühlenberg), Mehrfamilienhäuser sind östlich (Westpreußenring) und westlich (Am Marienhof) vorhanden. Ca. 500 m westlich des Marienhofs liegt die historische Altstadt.

Kriterium Bewertung

Einzelhandel Netto Markendiscount, Lidl, Bäckereifiliale, Tankstelle

Verkaufsfläche rd. 2.200 m², davon Netto rd. 1.100 m², Lidl rd. 1.000 m²

ergänzende Nutzungen Friseur, Rechtsanwalt, Autohäuser, Kfz‐Werkstatt, Textilreini‐ gung

Wohngebietsbezug Siedlungsräumlich integrierte Lage zentral zwischen den Wohngebieten im Norden der Stadt

B‐Plan Bebauungsplan aufgehoben

41 Quelle: VU 2014, S. 83

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Kriterium Bewertung

verkehrliche Anbindung gute Anbindung mit dem Pkw, ÖPNV‐Anbindung über Bushal‐ testelle Ostring ca. 600 m östlich und Kirchhofsallee ca. 500 m südlich. Fußwege straßenbegleitend vorhanden, Radweg vor Lebensmittelmärkten

Marktauftritt Beide Filialen sind modern mit zeitgemäßem Marktauftritt. Größe der Einheit von Lidl entspricht nicht mehr dem aktuellen Standard (üblicherweise angestrebte Verkaufsfläche seitens des Betreiber Lidl: 1.400 m²)

Handlungsbedarf Betreiber Lidl strebt derzeit eine Verkaufsflächenerweiterung an. Erweiterung bestehender Betriebe als Standortsicherungs‐ maßnahme und Sicherung der Entwicklung der Nahversorgung durch die Aufstellung eines Bebauungsplans ist zu empfehlen.

Die am Standort vorhandenen Lebensmitteldiscounter tragen maßgeblich zur wohnortnahen Nahversorgung im Norden von Neustadt i. H. bei. Eine Erweiterung der Lidl‐Filiale ist durch Hin‐ zunahme des östlich angrenzenden Grundstücks möglich. Die zentrenverträgliche Standortsiche‐ rung für nahversorgungsrelevante Sortimente sollte durch Aufstellung eines Bebauungsplanes gesichert werden.

3.2.3 Nahversorgungsstandort Sandberger Weg

Aufnahme: GMA 2019 Am Sandberger Weg ist der Rewe Supermarkt ansässig. Das unmittelbare Standortumfeld ist v. a. durch Wohnnutzung in Form von Einfamilien‐, Reihen‐ und Mehrfamilienhäusern geprägt. Die Ostseeküste liegt ca. 500 m südwestlich, daher sind auch zahlreiche Ferienwohnungen und ein größerer Campingplatz vorhanden. Ca. 400 m westlich liegen das Küstengymnasium sowie ein Kindergarten. Östlich des Campingplatzes befinden sich die Schön Klinik Neustadt, ein Pflegeheim und eine Seniorenresidenz.

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Kriterium Bewertung Einzelhandel Rewe, Bäckereifiliale Verkaufsfläche rd. 1.150 m² ergänzende Nutzungen ‐ Wohngebietsbezug Siedlungsräumlich integrierte Lage innerhalb der Wohngebiete im Süden der Stadt B‐Plan Kein Bebauungsplan verkehrliche Anbindung gute Anbindung mit dem Pkw, ÖPNV‐Anbindung über Bushal‐ testelle Butzhorn rd. 250 m nördlich und Klinkum rd. 400 m öst‐ lich. Fußwege straßenbegleitend vorhanden, Radweg vor Le‐ bensmittelmarkt Marktauftritt Nach Umbau im Februar 2019 vom Format Sky auf Rewe noch moderner Marktauftritt, allerdings auf deutlich unterdurch‐ schnittlicher Verkaufsflächengröße Handlungsbedarf Sicherung der Entwicklung der Nahversorgung durch die Auf‐ stellung eines Bebauungsplans

Der Supermarkt trägt maßgeblich zur wohnortnahen Nahversorgung im Süden von Neustadt i. H. bei und ist auch für Touristen (insb. Campingplatzbesucher) gut erreichbar. Langfristig ist davon auszugehen, dass Bedarf nach einer Erweiterung besteht, Potenzialflächen sind jedoch nicht er‐ kennbar. Die zentrenverträgliche Standortsicherung für nahversorgungsrelevante Sortimente sollte durch Aufstellung eines Bebauungsplanes gesichert werden.

3.2.4 Nahversorgungsstandort Wiesenstraße

Aufnahme: GMA 2019 In dem durch Ferienhäuser und den Ostseestrand geprägten Stadtteil Pelzerhaken wird die Nahversorgung durch eine kleine Ladenpassage an der Wiesenstraße gewährleistet. Im un‐ mittelbaren Umfeld finden sich Ein‐ und Mehrfamilienhäuser, westlich des Standortes sind auch Wohnhochhäuser anzutreffen. Südöstlich liegt das weitläufige Kurzentrum Pelzerha‐ ken. Im weiteren Standortumfeld befinden sich einheitlich geplante (Ferien‐) Wohnsied‐ lungen, die meist aus jeweils mehreren, typgleichen Einfamilienhäusern bestehen.

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Kriterium Bewertung

Einzelhandel Nahkauf, Bäckerei, Bekleidung Verkaufsfläche rd. 270 m², davon nahkauf rd. 190 m² ergänzende Nutzungen Friseur Wohngebietsbezug Siedlungsräumlich integrierte Lage in zentraler Wohngebiets‐ lage im Stadtteil Pelzerhaken B‐Plan Bebauungsplan Nr. 4 (2. Änderung): Festsetzung Allgemeines Wohngebiet (WA) verkehrliche Anbindung Durch Lage an Erschließungsstraße (keine Durchgangsstraße) gute Anbindung mit dem Pkw für Anwohner und Urlauber, ÖPNV‐Anbindung über Bushaltestelle Pelzerhaken Schaarweg unmittelbar vor dem Standort. Fußwege beidseitig vorhanden Marktauftritt Nahkauf auf wesentlich zu kleiner Verkaufsfläche. Umfangrei‐ ches, auf Feriengäste zugeschnittenes Angebot Handlungsbedarf Verkaufsflächenerweiterung zur Standortsicherung empfeh‐ lenswert

Die Ladenpassage an der Wiesenstraße stellt den einzigen Nahversorgungsstandort im dünn be‐ siedelten Stadtteil Pelzerhaken (rd. 1.460 EW) dar, diese Versorgungsfunktion sollte langfristig gesichert werden. Hierbei ist die saisonal schwankende Nachfrage durch Feriengäste zu berück‐ sichtigen. Aufgrund des begrenzten Einwohnerpotenzials dürfte großflächiger Einzelhandel (> 800 m² VK) kaum zu realisieren sein.

3.3 Standortlagen des großflächigen, nicht zentrenrelevanten Einzelhandels

Unter städtebaulichen Gesichtspunkten (Bündelung von Angeboten und Verkehrsströmen) ist – ergänzend zur Innenstadt – die Konzentration von nicht zentrenrelevanten Betrieben (großflächig und nicht großflächig) aus gutachterlicher Sicht zu empfehlen. Zusätzlich zu den zentralen Ver‐ sorgungsbereichen werden daher Standortlagen für großflächigen, nicht zentrenrelevanten Ein‐ zelhandel ausgewiesen, die im Sinne einer „Arbeitsteilung“ die Zentren im Idealfall funktional er‐ gänzen sollen. Die Ansiedlung von Betrieben mit nahversorgungs‐ und zentrenrelevanten Sorti‐ menten ist zum Schutz der zentralen Versorgungsbereiche an diesen Standorten planungsrecht‐ lich auszuschließen, bestehende Betriebe genießen Bestandsschutz.

Als Standortlagen des großflächigen, nicht zentrenrelevanten Einzelhandels wurden im Einzel‐ handelskonzept für die Stadt Neustadt i. H. aus 2013 die beiden Standortlagen Sierksdorfer / Eutiner Straße (Gewerbegebiet) und Rettiner Weg ausgewiesen. Sie weisen einen Besatz mit z. T. großflächigen Einzelhandelsbetrieben mit nicht zentrenrelevantem Kernsortiment auf (z. B. Baumärkte, Elektrofachmarkt), auf der anderen Seite sind hier oft Einzelhandelsbetriebe mit nah‐ versorgungs‐ und zentrenrelevanten Sortimenten (z. B. Lebensmittel) zu finden. Mit Ausnahme

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von Anbietern im Vorkassen‐ und Mallbereich sind hier kaum ergänzende Nutzungen ansässig. Aufgrund der nicht integrierten Lage und meist stark gewerblichen Prägung des Umfeldes sowie der i. d. R. fehlenden Komplementärnutzungen sind diese Standorte nicht als zentrale Versor‐ gungsbereiche zu definieren. Da sie sich aufgrund ihrer autokundenorientierten Lage grundsätz‐ lich für Betriebe mit nicht zentrenrelevantem Kernsortiment eignen, sollten diese Standortlagen zukünftig als vorrangige Standorte für die Ansiedlung von (großflächigem) Einzelhandel mit nicht zentrenrelevanten Kernsortimenten dienen und so – im Hinblick auf die gesamtstädtische Zen‐ tren‐ und Standortstruktur – weiterhin eine ergänzende Funktion zur Innenstadt einnehmen.

3.3.1 Standortlage Eutiner Straße / Sierksdorfer Straße (Gewerbegebiet)

Aufnahme: GMA 2019 Die Gewerbegebiete an der Eutiner / Sierksdorfer Straße liegen am westlichen Stadteingang zwischen der BAB 1 (Anschlussstelle Neustadt i. H.‐Mitte), der Bahnstrecke Richtung Lübeck und den landwirtschaftlich genutzten Flächen an der L 309. Östlich befinden sich der Yachtha‐ fen, der Marinestützpunkt und einzelne Wohngebiete.

Kriterium Bewertung

Einzelhandel Aldi, Autoteile Friedrich, Bäcker Stauch, Bäcker von Allwör‐ den, BackStop, Birkenstock Schuhe, Bollmann Fliesen, Dä‐ nisches Bettenlager, Das Futterhaus, Elvstrom Sails Marki‐ sen, Expert, Global move Fahrräder, HEM Tankstelle (2x), Jawoll Sonderposten, K+K Schuhcenter, Kaufmann Delika‐ tessen, KiK , Knop Ambiente & Technikcenter, Lidl, Ostsee Küchen, Raumstation, Rewe, Star Tankstelle, team Baucenter, toom Baumarkt, Trigema Sportbekleidung

Verkaufsfläche rd. 26.900 m², davon toom Baumarkt rd. 8.700 m², Rewe rd. 3.100 m², Jawoll rd. 3.000 m², team Baucenter rd. 2.900 m², Expert rd. 1.560 m², Knop Ambiente & Technikcenter rd. 1.500 m², Dänisches Bettenlager rd. 1.350 m², Lidl rd. 1.330 m², Aldi rd. 880 m², Kik rd. 650 m²

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Kriterium Bewertung ergänzende Nutzungen Autowaschanlage, Gewerbebetriebe, Pflege‐ / Altenheim, Recyclinghof, Systemgastronomie, Tankstellen, Reifen‐ dienst

Wohngebietsbezug Wohnnutzung mit Mischgebietscharakter schließt östlich des Gewerbegebietes an, hier beiderseits der Eutiner Straße Ein‐ und Mehrfamilienhausbebauung

B‐Plan Bebauungsplan Nr. 37 (GE, MI), Bebauungsplan Nr. 70 (SO Bau‐ Wohn‐ und Gartenmarkt bis 8.000 m² VK, zulässige Sortimente festgesetzt; SO Elektromarkt bis 2.000 m² VK, max. 10 % Randsortiment), Bebauungsplan Nr. 54 (GE, MI). In Aufstellung befinden sich die Bebauungspläne Nr. 80, 75, und 89 verkehrliche Anbindung gute Anbindung mit dem Pkw über L 309 (Eutiner Straße), Anschlussstelle Neustadt i. H.‐Mitte (BAB 1) rd. 500 m westlich. ÖPNV‐Anbindung über Bushaltestellen Zucker‐ damm, Sierksdorfer Straße und Neukoppel innerhalb des Gewerbegebietes

Marktauftritt Aldi und Lidl modern, Lidl ist mit neuster Filialgeneration vertreten. Größe der Einheit von Aldi liegt unter dem aktu‐ ellen Standard (üblicherweise angestrebte Verkaufsfläche seitens des Betreiber Aldi: ca. 1.300 m²). Rewe (Standort‐ verbund mit K+K Schuh‐Center) mit überdurchschnittlich großer Verkaufsfläche aber nicht mehr ganz zeitgemäßem Marktauftritt, eine kleinere Ladeneinheit steht leer. Team Baucenter auf für Baustoffhandel eher beengter Fläche in zweiter Reihe, toom Baumarkt mit zweckmäßigem, aber zeitgemäßem Marktauftritt.

Handlungsbedarf Aufstellung von Bebauungsplänen zur Absicherung der städtebaulichen Ziele

Bei team Baucenter gestaltet sich die Anlieferung über die stark frequentierte Eutiner Straße schwierig, da insbesondere große Lastwagen schlecht oder kaum links abbiegen können. Insge‐ samt wäre eine größere, zusammenhängende Fläche für Baumarkt und Baustoffhandel sinnvoll, derartige Potenzialflächen sind jedoch nicht vorhanden. Es sollte daher ggf. überprüft werden, ob eine Verlagerung des Baustoffhandels im Bereich der Eutiner Straße möglich ist. Eine Moder‐ nisierung von Rewe ist im Bestand möglich, auch für diesen Standort sollte ein Bebauungsplan aufgestellt werden.

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3.3.2 Standortlage Rettiner Weg

Aufnahme: GMA 2019 Am östlichen Rand der Neustädter Kernstadt liegt der Standort von Famila und Aldi. Östlich schließen landwirtschaftlich genutzte Flächen an, Einfamilienhausgebiete befinden sich nörd‐ lich, südlich und westlich. Das Neubaugebiet Lübscher Mühlenberg (1. und 2. Bauabschnitt) liegt unmittelbar nördlich des Standortes.

Kriterium Bewertung

Einzelhandel Aldi, famila, famila Getränkemarkt, Tankstelle, Konzessionäre

Verkaufsfläche rd. 5.100 m², davon Aldi rd. 840 m², famila rd. 3.900 m²

ergänzende Nutzungen Tankstelle, Autohaus

Wohngebietsbezug Siedlungsräumlich integrierte Lage in ehemaliger Randlage, die durch Siedlungsentwicklung in drei Himmelsrichtungen von Wohngebieten umgeben ist

B‐Plan Bebauungsplan Nr. 85: Festsetzung Sonstiges Sondergebiet für großflächigen Einzelhandel (SO), Drogeriemärkte sind ausge‐ schlossen. Baufenster A: Einzelhandelsbetriebe mit max. 5.300 m² VK und nahversorgungs‐ und zentrenrelevanten Sortimen‐ ten. Nicht‐zentrenrelevante Sortimente mit max. 15 % der VK. Baufenster B: Lebensmittel‐Einzelhandelsbetriebe mit max. 1.200 m² VK. Nicht‐zentrenrelevante Sortimente mit max. 15 % der VK. Baufenster C: Einzelhandelsbetriebe mit max. 1.000 m² VK und den Sortimenten Campingartikel, Gartenbedarf und Gartenmöbel, Reitsportartikel, Tierpflegemittel und Tiernah‐ rung, Sportgroßgeräte mit Bezug zu Strand und Wasser. Nah‐ versorgungs‐ und zentrenrelevante Sortimente mit max. 10 % der VK. Baufenster D: Tankstelle mit Waschplatz, max. 50 m² VK im Tankstellenshop (1. Änderung in Erarbeitung)

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Kriterium Bewertung

verkehrliche Anbindung gute Anbindung mit dem Pkw, ÖPNV‐Anbindung über Bushal‐ testelle Danziger Straße rd. 500 m westlich

Marktauftritt Marktauftritt beider Filialen nicht mehr zeitgemäß

Handlungsbedarf Bereits begonnene Standortsicherungsmaßnahmen abschlie‐ ßen

Für den bestehenden Supermarkt und den Lebensmitteldiscounter wird zur Standortsicherung eine Modernisierung / Verkaufsflächenerweiterung am Standort empfohlen. Die bereits vorge‐ sehene Modernisierung bzw. Neubau der bestehenden Märkte wird durch den in 2017 aufge‐ stellten Bebauungsplan 85 geregelt. Die 1. Änderung wird voraussichtlich die Größe der Einheit von Aldi auf 1.300 m² VK erhöhen, wodurch der Betreiber sein aktuelles Filialkonzept umsetzen kann. Weitere Potenzialflächen sollten zur Ansiedlung großflächiger Fachmärkte mit nicht‐zen‐ trenrelevanten Kernsortimenten genutzt werden.

4. Grundsätze der Einzelhandelsentwicklung

Zur effektiven Steuerung der Einzelhandelsentwicklung sind standortbezogene Regelungen zum Ausschluss bzw. zur Zulässigkeit von Einzelhandelsvorhaben erforderlich.42 Grundsätzlich kom‐ men verschiedene Stufen zur Begrenzung und zum Ausschluss des Einzelhandels in Betracht:

 Ausschluss zentrenrelevanter Sortimente

 zusätzlicher Ausschluss großflächigen Einzelhandels i. S. von § 11 Abs. 3 Baunutzungs‐ verordnung

 Ausschluss des gesamten Einzelhandels.

Die Regeln folgen dem zentralen Grundsatz, dass Ansiedlungen bzw. Erweiterungen nicht zu ei‐ ner Beeinträchtigung der Funktions‐ und Entwicklungsfähigkeit zentraler Versorgungsbereiche führen dürfen und sich die Dimensionierung eines Vorhabens am zugeordneten Versorgungsge‐ biet orientieren soll. Außerdem sind bei Ansiedlungen bzw. Erweiterungen die landesplaneri‐ schen Vorgaben zu beachten.

Im Folgenden werden auf Grundlage des Sortimentskonzeptes sowie der o. g. Zentren‐ und Standortstruktur in Neustadt i. H. branchen‐ und standortbezogene Grundsätze zur Einzelhan‐ delsentwicklung definiert.

42 Die Umsetzung der Empfehlung ist vor dem Hintergrund der jeweils örtlichen und bauplanungsrechtlichen Gegebenheiten zu prüfen.

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4.1 Steuerungsempfehlungen des Einzelhandels innerhalb des zentralen Versorgungs‐ bereichs Innenstadt

Für den zentralen Versorgungsbereich Innenstadt sollte keine Beschränkung hinsichtlich mögli‐ cher Einzelhandelsansiedlungen gelten. Das heißt, dass sowohl großflächige43 Betriebe als auch nicht großflächige Betriebe mit nahversorgungsrelevanten und zentrenrelevanten Sortimenten zulässig und städtebaulich erwünscht sind. Auch die Ansiedlung großflächiger Betriebe mit nicht zentrenrelevanten Sortimenten ist hier grundsätzlich zulässig. Ihre Ansiedlung ist aus städtebau‐ licher Sicht jedoch nicht zu empfehlen und sie sollte nicht Teil der Ansiedlungspolitik sein. Etwaige Flächenpotenziale sollten Betrieben mit zentrenrelevanten Sortimenten vorbehalten werden, die für die Innenstadt eine frequenzerzeugende Wirkung haben

4.2 Steuerungsempfehlungen des Einzelhandels außerhalb des zentralen Versorgungs‐ bereichs

4.2.1 Nahversorgungsstandorte

Nahversorgungsstandorte weisen häufig bereits deutliche Zentrumsansätze auf und überneh‐ men Nahversorgungsfunktionen für die angrenzenden Wohnquartiere, wenngleich die Gesamt‐ ausstattung nicht zur Ausweisung eines zentralen Versorgungsbereichs ausreicht. Großflächige Betriebe mit nahversorgungsrelevantem Kernsortiment können zulässig sein, sofern sie keine Auswirkungen im Sinne des § 11 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 und 3 BauNVO hervorrufen.44 Nahversor‐ gungsstandorte kommen insbesondere für Maßnahmen der Bestandssicherung in Betracht. Die Standorte sollen vorwiegend der Deckung des qualifizierten Grundbedarfs der Einwohner des zu‐ geordneten Nahbereichs dienen. Großflächige Ansiedlungsvorhaben im zentrenrelevanten Sorti‐ mentsbereich sind deshalb auszuschließen, vorhandene Betriebe genießen Bestandsschutz.

Die Ansiedlung von kleinflächigem nahversorgungs‐ und zentrenrelevantem Einzelhandel soll möglich sein, da hier i. d. R. keine Beeinträchtigungen zentraler Versorgungsbereiche vorliegen. Dabei ist zu differenzieren zwischen kleinteiligen Angeboten wie Bäckereien, Blumenläden, Apo‐ theken usw. und Drogeriemärkten unterhalb der Grenze zur Großflächigkeit. Bei Planung von Ag‐ glomerationen aus Lebensmittelmarkt und (mehreren) Fachmärkten muss im Zweifelsfall der Nachweis der Verträglichkeit durch ein Einzelfallgutachten erbracht werden.45

4.2.2 Standortlagen des großflächigen, nicht zentrenrelevanten Einzelhandels

Um den zentralen Versorgungsbereich in seinen bestehenden Strukturen nicht zu beeinträchti‐ gen sowie in dessen Entwicklung nicht zu behindern, sollte an Standortlagen des großflächigen, nicht zentrenrelevanten Einzelhandels zukünftig keine Ansiedlung von Betrieben mit nahversor‐ gungs‐ und zentrenrelevanten Kernsortimenten mehr erfolgen. An diesen Standorten sollte zu‐ künftig die Ansiedlung von Betrieben mit nicht zentrenrelevanten Kernsortimenten konzentriert werden, um so eine Bündelung von Einzelhandelsangeboten zu erreichen. Bestehende Betriebe

43 großflächiger Einzelhandel ab 800 m² Verkaufsfläche 44 vgl. zur bauplanungsrechtlichen Prüffolge: OVG NRW, Urteil vom 02.12.2013 – 2 A 1510/12 45 vgl. LEP 2010, Kapitel 2.8 Nr. 3

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genießen Bestandsschutz. Zur Sicherung des Standortes und der wirtschaftlichen Tragfähigkeit ist den bestehenden Betrieben eine gewisse Erweiterungsmöglichkeit einzuräumen. Mögliche Er‐ weiterungsvorhaben sind im Einzelfall zwingend im Hinblick auf deren städtebauliche und raum‐ ordnerische Verträglichkeit zu untersuchen.

4.2.3 sonstige siedlungsräumlich integrierte Lagen (z. B. Wohngebiete)

Siedlungsräumlich integrierte Lagen (z.B. Wohngebiete) sind gemäß Standortkonzept zunächst nicht als Einzelhandelsstandorte vorgesehen. Dennoch ist hier die Ansiedlung von kleinflächigen Anbietern mit zentren‐ oder nicht zentrenrelevanten Sortimenten grundsätzlich möglich, groß‐ flächige Betriebe sollten unabhängig von den geführten Sortimenten in sonstigen integrierten Lagen nicht angesiedelt werden. Auch kleinflächige Betriebe mit zentrenrelevantem Kernsorti‐ ment sollten nicht in sonstigen integrierten Standorten neu angesiedelt werden, da diese zu einer Belebung der Innenstadt beitragen und deshalb funktional betrachtet hierhin gehören.

4.2.4 sonstige siedlungsräumlich nicht integrierte Lagen (v. a. Gewerbe‐ und Industriege‐ biete)

Um den zentralen Versorgungsbereich in seiner Struktur nicht zu beeinträchtigen sowie in der Entwicklung nicht zu behindern, sollte in den Gewerbegebieten die Ansiedlung von Betrieben mit nahversorgungs‐ und zentrenrelevanten Kernsortimenten (groß‐ und nicht großflächig) ausge‐ schlossen werden. Abbildung 10: Übersicht Steuerungsempfehlungen

GMA‐Darstellung 2020

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Aufgrund sortiments‐ und betriebstypenspezifischer Besonderheiten ist, wie bereits im Konzept aus 2013, eine ergänzende Regelung hinsichtlich der zentrenrelevanten Randsortimente bei großflächigen Betrieben mit nicht zentrenrelevanten Kernsortimenten zu empfehlen. Dies be‐ zieht sich z. B. auf Möbel‐, Bau‐ und Gartenmärkte, deren zentrenrelevante Randsortimente auf maximal 10 % der realisierten Gesamtverkaufsfläche eines Vorhabens bzw. eines Betriebes und auf höchstens 800 m² begrenzt werden sollte. Diese Begrenzung entspricht den Vorgaben des LEP (Entwurf 2018, Kap. 3.10.6.3).

Bestehende Betriebe genießen grundsätzlich Bestandsschutz. Falls Erweiterungen angestrebt werden, müssen diese den rechtlichen Vorgaben entsprechen. Die Vorhaben müssen überprüft werden.

5. Empfehlungen zur Umsetzung des Einzelhandelskonzeptes

Das Einzelhandelskonzept wurde in Abstimmung mit der Stadt Neustadt i. H. erarbeitet. Um eine Verbindlichkeit dieser informellen Planung herzustellen, sollte das Konzept durch die Stadtver‐ ordnetenversammlung als Teil eines städtebaulichen Entwicklungskonzeptes nach § 1 Abs. 6 Nr. 11 BauGB beschlossen werden. Damit ist das Einzelhandelskonzept bei der Aufstellung von Be‐ bauungsplänen zu berücksichtigen.

Zudem sollte geprüft werden, soweit noch nicht erfolgt, wie die Standortempfehlungen mög‐ lichst zeitnah in gültiges Baurecht umgesetzt werden können. Neue Festsetzungsmöglichkeiten v. a. im unbeplanten Innenbereich eröffnet der § 9 Abs. 2 a BauGB. Hiermit kann verhindert wer‐ den, dass an städtebaulich nicht gewünschten Standorten eine Entwicklung entsteht, die den Zie‐ len und Grundsätzen des Einzelhandelskonzeptes entgegensteht. Für die Begründung kann das Einzelhandelskonzept verwendet werden, wenn es durch die Stadtverordnetenversammlung be‐ schlossen worden ist.

Die Untersuchung sollte aktiv genutzt werden, um sowohl Investoren als auch Handelsunterneh‐ men gezielt anzusprechen. Das Einzelhandelskonzept verdeutlicht zum einen die Ausstattungs‐ defizite und Entwicklungspotenziale im Einzelhandel von Neustadt i. H. und vermittelt zum ande‐ ren – durch den Beschluss – Investitionssicherheit bezüglich möglicher Ansiedlungen / Verlage‐ rungen in den zentralen Versorgungsbereich. Dies gilt umso mehr, da ohne einen Ausschluss von zentrenrelevantem Einzelhandel außerhalb der Innenstadt eine Entwicklung innerhalb dieses Be‐ reichs aus Investoren‐ bzw. Händlersicht mit höherem Risiko infolge sonst möglicher Wettbe‐ werbsansiedlungen in Gewerbegebietslage verbunden wäre.

Das vorliegende Einzelhandelskonzept ist als aktuelle Grundlagenuntersuchung der Einzelhan‐ delsentwicklung in Neustadt i. H. zu verstehen, welche insbesondere vor dem Hintergrund der Dynamik in der Einzelhandelsentwicklung in Abständen einer Überprüfung und ggf. Anpassung bedarf.

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Verzeichnisse Seite

Abbildungsverzeichnis Abbildung 1: Umsatzentwicklung im deutschen Einzelhandel 2011 – 2019 (Prognose) 8 Abbildung 2: Konsumtrends im Zusammenhang mit der Ausbildung des „hybriden“ Verbrauchers 9 Abbildung 3: Entwicklung der Betriebstypen im Einzelhandel nach Lebenszyklusphase 9 Abbildung 4: Umsatzentwicklung im Lebensmitteleinzelhandel Food / Nonfood 2008 – 2018 10 Abbildung 5: Anforderungen an Grund‐ und Nahversorgungsstandorte 11 Abbildung 6: Entwicklungsszenarien des Onlinehandels bis 2025 12 Abbildung 7: Gewinner und Verlierer des digitalen Wandels 13 Abbildung 8: Einzelhandelsbestand in Neustadt i. H. nach Lagen 32 Abbildung 9: Verkaufsflächenausstattung in Neustadt i. H. nach Hauptwarengruppen 32 Abbildung 10: Übersicht Steuerungsempfehlungen 64

Kartenverzeichnis Karte 1: Lage im Raum und zentralörtliche Struktur 22 Karte 2: Fußläufige Einzugsgebiete der wesentlichen Lebensmittelanbieter 35 Karte 3: Marktgebiet des Einzelhandels in Neustadt i. H. 38 Karte 4: Zentren‐ und Standortstruktur in Neustadt i. H. 47 Karte 5: Zentraler Versorgungsbereich Innenstadt 53

Tabellenverzeichnis Tabelle 1: Verkaufsflächengrößen unterschiedlicher Betriebstypen 16 Tabelle 2: Zulässigkeit von Einzelhandelsbetrieben differenziert nach Baugebietstypen 17 Tabelle 3: Einwohnerentwicklung von Neustadt i. H. im Vergleich 27

Tabelle 4: Natürliche Bevölkerungsbilanz und Zu‐ bzw. Fortzüge 28 Tabelle 5: Einwohnerentwicklung von Neustadt i. H. nach Stadtteilen 28 Tabelle 6: Beschäftigtenbesatz und Ein‐ / Auspendlersaldo im Vergleich 29 Tabelle 7: Übernachtungen nach Betriebsformen 29

Tabelle 8: Einzelhandelsbestand der Stadt Neustadt i. H. 31

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Tabelle 9: Anzahl der Einwohner im fußläufigen Einzugsgebiet 34 Tabelle 10: Kaufkraft in Mio. € im Marktgebiet 39 Tabelle 11: Kriterien zur Bewertung der Zentrenrelevanz von Sortimenten 43 Tabelle 12: Sortimentsliste des Einzelhandels von Neustadt i. H. 45 Tabelle 13: Einzelhandelsbestand nach Lagen 46

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