Professor Dr. Dr. h.c. Joachim Jens Hesse*

Kommunalstrukturen in Niedersachsen: eine teilregionale Untersuchung für den Raum Nordostniedersachsen

Im Auftrag des Landkreises Lüneburg

* unter Mitarbeit von Stephan Vogel, Thomas Fehrmann, Antonia Ritter und Astrid Hellmanns

21. Oktober 2011

Internationales Institut für Staats- und Europawissenschaften

Anschrift Kommunikation Internet Behrenstraße 34 Telefon +49 (0) 30.2061.399-0 Email [email protected] D-10117 Berlin Telefax +49 (0) 30.2061.399-9 Homepage www.internationales-institut.de

Kommunalstrukturen in Nordostniedersachsen

Vorwort

Die vorliegende Untersuchung zur Entwicklung der Kommunalstrukturen in Nordostniedersachsen beschließt eine Reihe teilregionaler Analysen, die im Jahr 2011 an den Gutachter vergeben wurden. Sie baut wie zwei bereits erschienene Ergänzungsstudien auf der Mitte 2010 vorgelegten Untersu- chung „Kommunalstrukturen in Niedersachsen“ auf, die die Landesregierung im Rahmen ihrer Bemü- hungen um eine Fortsetzung der Regierungs- und Verwaltungsreform an das Internationale Institut für Staats- und Europawissenschaften (ISE) in Berlin vergab. Auftraggeber der jetzt vorgelegten Untersu- chung ist der Landkreis Lüneburg, dessen Landrat darum bat, nach der Erörterung von Handlungsop- tionen für den Raum -Gifhorn-Helmstedt und Südniedersachsen (Göttingen–Northeim– Osterode am Harz) nun auch die sich dem Raum Nordostniedersachsen bietenden Entwicklungsmög- lichkeiten einer näheren Untersuchung zuzuführen. Schon in den Vorgesprächen wurde dabei deutlich, dass zwischen einer gewissen „Nordentwicklung“, also einem weitergehenden Anschluss an die von der Metropolregion Hamburg ausgehende Entwicklungsdynamik und einer „Südorientierung“ hin auf die Landkreise und Lüchow-Dannenberg unterschieden werden müsste.

Mit Blick auf die gewählte Untersuchungsmethodik wurde auch in der vorliegenden Arbeit insofern am bewährten ISE-Verfahren festgehalten, als es nach einer Auswertung aller dem Gutachter zugäng- lichen Primär- und Sekundärmaterialien zunächst zu einer mehr als 20 einzelne Indikatoren umfassen- den kleinräumigen Datenanalyse kam, bevor in zahlreichen Vorort-Gesprächen mit den politisch- administrativ Handelnden ein Blick auf die Aufgabenwahrnehmung folgte. Dabei überzeugte einmal mehr die Offenheit, mit der man dem Gutachter und seinen Mitarbeitern begegnete und die in Teilen umfassenden Fragenkomplexe beantwortete. Im Ergebnis gelang es, ein für die Ausgangssituation in Nordostniedersachsen realitätsnahes Bild zu zeichnen und Stabilisierungs- wie Handlungsbedarf zu identifizieren; der Ausweis unterschiedlicher Handlungsoptionen schloss sich an.

Lediglich im Kreis Uelzen ergab sich eine Besonderheit dadurch, dass sich der Landrat jeglichen Ge- sprächen verweigerte und stattdessen schriftliche Fragen anforderte, die schließlich beantwortet wur- den. Damit begab sich der Kreis einer intensiveren Diskussion seiner künftigen Stellung und Funktion, wurde ein sehr fruchtbarer Diskussionszusammenhang ohne Not beeinträchtigt und fanden sich schließlich sogar Pressespekulationen, die weit von dem entfernt waren, womit sich der Gutachter beschäftigte. Trotz dieser in den deutschen Flächenländern bislang einmaligen Informationsverweige- rung hat sich der Autor bemüht, der Ausgangssituation des Kreises Uelzen wie der der anderen Akteu- re im Raum gerecht zu werden.

Mit dem jetzt vorliegenden Gutachten ergibt sich Ende des Jahres 2011 eine insofern interessante Si- tuation, als von Göttingen bis an die Stadtgrenzen Hamburgs ein Handlungsmodell erkennbar wird, das möglicherweise für die Kommunalstrukturreform des Landes von Bedeutung ist. Im Zentrum steht die Suche nach zukunftsfähigen Kommunaleinheiten, die nicht nur die in den Städten, Kreisen und Gemeinden erbrachten Leistungen stabilisieren und ausbauen sollten, sondern auch die kommunale Selbstverwaltung als ein in jeder Hinsicht (aber nicht um jeden Preis) schützenswertes Gut bestärken. Dabei geht es nicht um den Ausweis einer neuen gebietskörperschaftlichen Ebene, wie die gelegent-

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lich geforderte „verfasste Region“, sondern um die Fortentwicklung bewährter, wenn in Teilen auch zu kleinteiliger Formen der Leistungserbringung. Hinzu tritt ein erweitertes Verständnis von Stadt- Umland-Beziehungen, die inzwischen eine Organisationsform nahelegen, die nicht durch eine gebiets- körperschaftliche Demarkation, sondern durch engere Verflechtungsprozesse gekennzeichnet sein sollte.

Die Bereitschaft der Beteiligten, sich entsprechenden Reformen zu öffnen, ist derzeit im Land noch ungleich verteilt, doch mehren sich die Anzeichen dafür, dass nicht nur Gemeindefusionen, sondern auch Kreisfusionen einer näheren Erörterung unterliegen, zumal die demographische und haushalteri- sche Ausgangssituation dies nicht nur nahelegt, sondern in Teilen durchaus auch erzwingt. Im Ergeb- nis stehen in den Räumen Göttingen-Northeim-Osterode am Harz, Wolfsburg-Gifhorn-Helmstedt und jetzt auch Lüneburg-Uelzen-Lüchow-Dannenberg Handlungsoptionen, die eine leistungsstarke und zukunftsfähige Selbstverwaltung erlauben, ohne bürgerschaftliche Beteiligungsmöglichkeiten über Gebühr einzuschränken. Sollten die politisch-administrativ Handelnden die darin deutlich werdenden Entwicklungschancen erkennen und nutzen, böte sich ggf. die Gelegenheit zu einem landesweiten Reformansatz, der Niedersachsen nach der verwaltungshistorisch bedeutsamen Neuordnung seiner staatlichen Ebene einen komplementären Ansatz auch im kommunalen Bereich erlaubt.

Der Autor dankt den vielen Vertretern aus Politik, Verwaltung, Verbänden und Medien, die ihm und seinen Mitarbeitern für intensive Gespräche zur Verfügung standen. Wir können nur hoffen, dass die Ergebnisse als eine faire Zusammenfassung der uns übermittelten Informationen gewürdigt werden und man sich den daraus abgeleiteten Handlungsempfehlungen zumindest argumentativ öffnet. Dar- über hinaus gilt einmal mehr der Dank jenen Mitarbeitern, die im Rahmen der Projektarbeiten und bei der Erstellung dieses Abschlussberichts mitgewirkt haben: Stephan Vogel, Thomas Fehrmann, Anto- nia Ritter und Astrid Hellmanns.

Berlin, im Oktober 2011 Joachim Jens Hesse

3 Kommunalstrukturen in Nordostniedersachsen

Inhalt

Vorwort ...... 2

Abkürzungsverzeichnis...... 6

1. Fragestellung, Untersuchungsansatz, Methodik...... 10

2. Der Kontext: Regierungs- und Verwaltungsreformen in Deutschland und Niedersachsen ...... 16

3. Die Ausgangssituation: der Raum Nordostniedersachsen im Rahmen der Landes- und Kommunalentwicklung ...... 45 3.1 Der Regionale Kooperationsraum...... 45 3.2 Strukturprofile der Gebietskörperschaften ...... 51 3.2.1 Strukturprofil des Landkreises Lüneburg...... 52 3.2.2 Strukturprofil der Hansestadt Lüneburg ...... 57 3.2.3 Strukturprofil des Landkreises Lüchow-Dannenberg ...... 62 3.2.4 Strukturprofil des Landkreises Uelzen...... 68 3.2.5 Strukturprofil des Landkreises Harburg...... 74 3.2.6 Strukturprofil des Landkreises Celle...... 80

4. Kleinräumige Datenanalyse: die kommunale Selbstverwaltung im Raum Nordostniedersachsen/Region Lüneburg im Landesvergleich...... 87 4.1 Bevölkerungsbesatz und Raumkapazität...... 90 4.2 Sozioökonomische Verflechtungen in der Teilregion ...... 104 4.3 Regionale Entwicklungsfähigkeit...... 124 4.4 Ökonomische und fiskalische Ausgleichsfähigkeit des Raums, Gewährleistung gleichwertiger Lebensverhältnisse ...... 150 4.5 Ortsnähe, Teilhabe/Ehrenamt und Identität ...... 163 4.6 Zwischenergebnis: Stabilisierungs- und Handlungsbedarf ...... 181

5. Zukunftsorientierte Funktionsanalysen in ausgewählten Aufgabenfeldern ...... 185 5.1 Kategorien und Maßstäbe von Aufgabenanalysen sowie Reformoptionen ...... 186 5.2 Kommunaler Aufgabenbestand und Auswahl der untersuchten Aufgabenfelder ...... 188 5.3 Analyse ausgewählter Schlüsselaufgaben ...... 193 5.3.1 Allgemeine Organisationsentwicklung ...... 194 5.3.2 Arbeit und Soziales...... 203 5.3.3 Schulentwicklung...... 206 5.5.4 Jugendhilfe...... 208 5.3.5 Wirtschaftsentwicklung (inkl. Tourismus)...... 210 5.3.6 Infrastrukturentwicklung...... 213 5.3.7 Verkehrsentwicklung...... 216 5.3.8 Umweltentwicklung...... 216 5.3.9 Kulturentwicklung ...... 218 5.3.10 Gesundheitsschutz und -aufsicht...... 219 4 Kommunalstrukturen in Nordostniedersachsen

5.3.11 Veterinärwesen und Lebensmittelüberwachung ...... 226

6. Handlungsoptionen: der Fall Norostniedersachsen ...... 236 6.1 Modelle der Stadt-Umland-Organisation: Bewertungskriterien und ihre Eignung für die (Teil-)Region Nordostniedersachsen...... 236 6.2 Optimierung des Status quo ...... 243 6.3 Nachhaltige Ausweitung der interkommunalen Zusammenarbeit...... 244 6.4 Fusionsansätze...... 258 6.4.1 Entwicklungsvariante: Lüneburg–Harburg...... 274 6.4.2 Ausgleichsvariante: Lüneburg–Uelzen–Lüchow-Dannenberg ...... 275 6.4.3 Kreisfreiheit der Stadt Lüneburg...... 279 6.4.4 Neuzuschnittsvariante „Ost“...... 280 6.4.5 Neuzuschnittsvariante „West“ ...... 281 6.5 Zusammenfassung...... 282

7. Anhang ...... 283 7.1 Aufgabenbestand und Aufgabendifferenzierung: ein empirisch-analytischer Rahmen...... 283 7.1.1 ISE-Systematik staatlicher und kommunaler Aufgabenbereiche...... 283 7.1.2 Kategorien der Aufgabenanalyse...... 294 7.1.2.1 Funktionale Ausdifferenzierung...... 294 7.1.2.2 Räumliche und strategische Aufgabenelemente ...... 298 7.2 Modelle der Stadt-Umland-Organisation in der Bundesrepublik: eine Synopse ...... 299 7.3 Ablaufplanung für Gemeindefusionen...... 304 7.4 Übersichten zum Stand der interkommunalen Zusammenarbeit (IKZ) im Raum Nord- ostniedersachsen ...... 306 7.5 Literatur- und Materialverzeichnis...... 323 7.6 Neuere Publikationen des ISE zur Regierungs- und Verwaltungsorganisation...... 328

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Abkürzungsverzeichnis a.a.O. an angegebenem Ort Abb. Abbildung Abs. Absatz Abt. Abteilung abzgl. abzüglich AG Aktiengesellschaft ALLviN Arbeitsgemeinschaft der Landschaften und Landschaftsverbände in Niederachsen AMD Arbeitsmedizinischer Dienst ANKA Arbeitsgemeinschaft der niedersächsischen Kommunalarchive ARGE (Kommunale) Arbeitsgemeinschaft Art. Artikel Aufl. Auflage BAföG Berufsausbildungsförderungsgesetz Bay Bayern Bbg Brandenburg BDI Bundesverband der Deutschen Industrie BGB Bürgerliches Gesetzbuch BIP Bruttoinlandsprodukt BMVBS Bundesministerium für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung BNatSchG Bundesnaturschutzgesetz BW Baden-Württemberg bzgl. bezüglich bzw. beziehungsweise CDU Christlich Demokratische Union d.h. das heißt ders. derselbe DGO Deutsche Gemeindeordnung DVBl Deutsches Verwaltungsblatt e.V. eingetragener Verein ebd. ebenda EDV Elektronische Datenverarbeitung etc. et cetera EU Europäische Union EUR Euro Ew. Einwohner f. folgende FB Fachbereich FDP Freie Demokratische Partei ff. fortfolgende GB Geschäftsbereich GG Grundgesetz ggf. gegebenenfalls ggw. gegenwärtig GIS Geoinformationssysteme GIZ Gründungs- und Innovationszentrum

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GmbH Gesellschaft mit beschränkter Haftung GPO Geschäftsprozessoptimierung He Hessen Hg. Herausgeber HVV Hamburger Verkehrsverbund i.B. im Bereich i.d.F.v. in der Fassung vom i.H.v. in Höhe von i.T. in Teilen i.V.m. in Verbindung mit i.w.S. im weiteren Sinne IHK Industrie- und Handelskammer IKZ Interkommunale Zusammenarbeit ILEK Integriertes Ländliches Entwicklungskonzept IMAK Interministerieller Arbeitskreis inkl. inklusive IP Internet-Protokoll ISE Institut für Staats- und Europawissenschaften IT Informationstechnik IuK Informations- und Kommunikationstechnologie JD Jahresdurchschnitt K Kreise Kap. Kapitel Kfz Kraftfahrzeug KGSt Kommunale Gemeinschaftsstelle für Verwaltungsmanagement KLR Kosten-Leistungs-Rechnung km Kilometer KMU Kleine und mittlere Unternehmen Kr. Kreis kreisfr. St. kreisfreie Stadt L Land; als stat. Bezugsgröße hier: Gesamtheit der Gebietskörperschaften Niedersachsens Landkr. Landkreis LAVES Landesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit LEADER Liaison entre actions de développement de l'économie rurale LFGB Lebensmittel-, Bedarfsgegenstände- und Futtermittelgesetzbuch LK Landkreis LSA Sachsen-Anhalt LSKN Landesbetrieb für Statistik und Kommunikationstechnologie (Niedersachsen) LT-Drs. Landtags-Drucksache LV Landesverfassung LVerfG Landesverfassungsgericht M Mittelzentrum Mio. Million, Millionen ML Ministerium für Ernährung, Landwirtschaft, Verbraucherschutz und Landesentwicklung MS Ministerium für Soziales, Frauen, Familie, Gesundheit und Integration MV Mecklenburg-Vorpommern NBank Investitions- und Förderbank Niedersachsen

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Nds Niedersachsen Nds. GVBl Niedersächsisches Verordnungs- und Gesetzblatt NEWIN Netzwerk der Wirtschaftsförderer in Niedersachsen NGO Niedersächsische Gemeindeordnung NGöGD Niedersächsisches Gesetz über den öffentlichen Gesundheitsdienst NIW Niedersächsisches Institut für Wirtschaftsforschung NLGA Niedersächsisches Landesgesundheitsamt NON Modellregion Nordostniedersachsen NordÖR Zeitschrift für Öffentliches Recht in Norddeutschland NPD Nationaldemokratische Partei Deutschlands NPM New Public Management Nr. Nummer NRW Nordrhein-Westfalen NSM Neues Steuerungsmodell NUTS Nomenclature des unités territoriales statistiques (Systematik der Gebietseinheiten für die Statistik) NVwZ Neue Zeitschrift für Verwaltungsrecht O Oberzentrum o.ä. oder ähnliches od. oder ÖPNV Örtlicher Personennahverkehr ÖPP Öffentlich-Private Partnerschaft p.a. per annum rd. rund Rdn. Randnummer RES Regionale Entwicklungsstrategie RlP Rheinland-Pfalz RV Regierungsvertretung S Städte S. Seite Saar Saarland Sachs Sachsen SächsGemO Sächsische Gemeindeordnung SächsLKrO Sächsische Landkreisordnung SächsOVG Sächsisches Oberverwaltungsgericht SächsVBl Sächsische Verwaltungsblätter SächsVerf Sächsische Verfassung SAG Süderelbe AG SAP Systeme, Anwendungen und Produkte in der Datenverarbeitung (Firmenname) SG Samtgemeinde SGB Sozialgesetzbuch SH Schleswig-Holstein sog. sogenannte/r SPD Sozialdemokratische Partei Deutschlands Tab. Tabelle Thü Thüringen TK Telekommunikation

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TRGS Technische Regeln für Gefahrstoffe u.a. unter anderem u.a.m. und andere mehr U18 unter 18-Jährige Ü75 über 75-Jährige UWG Unabhängige Wählergemeinschaft VerfGH Verfassungsgerichtshof Vf. Verfahren vgl. vergleiche VRWG Gesetz zur Weiterentwicklung der Verwaltungsstrukturreform VW Volkswagen WLG Wirtschaftsförderungs-GmbH für Hansestadt und Landkreis Lüneburg z.B. zum Beispiel ZEB Zentrum für Erwachsenenbildung ZSE Zeitschrift für Staats- und Europawissenschaften zzgl. zuzüglich

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1 Fragestellung, Untersuchungsansatz, Methodik

Eine Untersuchung zur Entwicklung der niedersächsischen Kommunalstrukturen Untersuchung in breiterem Kontext steht zunächst in einem breiteren Kontext, der über Regierungs- und Verwaltungs- reformen auf Bundes- und Länderebene bis hin zu Vorstellungen reicht, Nieder- sachsen unterhalb der Landesebene in Regionen zu unterteilen, um über eine ent- sprechende Größerräumigkeit für Zukunftsaufgaben, eine zeitgemäße Leistungs- erbringung oder auch nur die Umstellung von Förderverfahren (etwa im Rahmen der Europäischen Union) besser gewappnet zu sein. So kommt es, etwa seitens der Opposition im Landtag, zu Erörterungen, acht bis zwölf „Regionen“ an die Stelle der in Niedersachsen sehr ausdifferenzierten Kreisstruktur zu setzen, ein Vor- schlag, der allerdings nicht nur in Niedersachsen meist Oppositionsvorstellung bleibt; so forderte u.a. der ehemalige nordrhein-westfälische Ministerpräsident Rüttgers vor Landtagswahlen eine Regionalisierung seines Landes, die nach der Regierungsübernahme ein dann nicht weiter verfolgtes Desiderat blieb. Auch sollte man sich in solchen Diskussionen stärker als bislang bewusst werden, dass mit der Forderung nach „verfassten Regionen“ eine neue Gebietskörperschaft gemeint ist, die das ohnehin „übermöblierte“ Verwaltungssystem der Bundesrepublik zusätz- lich komplizieren und wohl auch in seiner Leistungsfähigkeit beeinträchtigen dürf- te.

Gleichwohl ist deutlich, dass sich eine zu stark ausdifferenzierte Kommunalstruk- Anpassung von Kommunalstruk- tur in Teilen überlebt hat; nicht nur demographische und haushalterische Verwer- turen aufgrund fungen, sondern auch Veränderungen von Informations- und Kommunikationspro- veränderter Rah- menbedingungen zessen stellen die Routinen dezentraler Politik infrage und setzen das kommunale Verwaltungshandeln beträchtlichen Umorientierungen aus. Während sich einiges davon als durchaus „modische“ Steuerungsdiskussion erwies und in der Einfüh- rung eines New Public Management (NPM) ihren neoliberalem Denken geschulde- ten Höhepunkt fand, sind heute zahlreiche Ansätze erkennbar, die angesprochene Komplexität des deutschen Verwaltungssystems – auch und gerade auf kommuna- ler Ebene – zu überdenken. In Niedersachsen tritt hinzu (vgl. hierzu unter Kap. 2), dass das Land seine diesbezüglichen „Hausarbeiten“ weitgehend gemacht hat, während die kommunale Ebene mit Blick auf unabweisbare Veränderungen eher Abwehr- und Forderungsverhalten dokumentiert. Diese Position durchzuhalten, erweist sich angesichts der unbestreitbar defizitären Ausgangssituation heute als schwierig, zumal das Land über eine Reihe von Förderungspolitiken Anreize bot (und bietet), auch die kommunale Ebene einer substanziellen Überprüfung zu un- terziehen und dabei eine stabile Leistungserbringung mit kostengünstigeren Ver- waltungsverfahren und einer Beibehaltung der bürgerschaftlichen Beteiligung zu verbinden. So findet sich derzeit eine intensive Suche nach veränderten Organisa- tionsstrukturen und zukunftsfähigen Verfahren, die unterhalb der Ebene strukturel-

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ler Veränderungen zunächst über eine erweiterte interkommunale Zusammenarbeit (IKZ) angestrebt werden. Dabei dokumentieren die Reform- und Modernisierungs- ansätze in zahlreichen Flächenländern der Bundesrepublik, dass und inwieweit die Energien der Beteiligten reichen, wobei zwischen den Bemühungen der west- und der ostdeutschen Länder zu unterscheiden ist. Während es in den neuen Ländern eher um einen Rückbau nach 1989 zwar gut gemeinter, aber überdimensionierter Selbstverwaltungseinrichtungen ging (und geht), stehen im Westen des Landes eher Versuche zu einer Rationalitätssteigerung „im Bestand“ im Vordergrund.

Hinzu tritt das Bemühen der Gebietskörperschaften, nicht nur horizontal, sondern Bundesstaatliche Bezüge auch vertikal das öffentliche Handeln zu verbessern. So beginnt man trotz der Ar- beit zweier Kommissionen zur Föderalismusreform derzeit erneut, die Routinen der föderalstaatlichen Willensbildung und Entscheidung zu thematisieren (nicht nur, aber vor allem im Bildungsbereich), sucht der bislang eher inaktive Bund seiner Ministerialorganisation eine zeitgemäße Gestalt zu geben und blickt man im Ver- gleich auf das Regierungs- und Verwaltungshandeln unitarischer Staatensysteme, um hieraus zeit- und ressourcenschonende Ansätze für das eigene Verwaltungs- handeln auf Bundes- wie Länderebene zu gewinnen. Im Ergebnis werden Kommu- nikation, Kooperation und Koordination (in dieser Reihenfolge) zu zentralen Stichworten der Diskussion, wobei freilich eher Absichtserklärungen oder Ankün- digungspolitiken denn überzeugende Modernisierungsansätze erkennbar werden. Auch dies hat die Fragestellung der hier verfolgten Untersuchung geprägt.

Der Untersuchungsansatz und die eingesetzte Methodik erklären sich aus dieser Untersuchungs- ansatz und Zustandsbeschreibung. So würdigt der Gutachter im Folgenden zunächst die bun- Methodik desstaatlichen und niedersächsischen Reformbemühungen im Zeitablauf, bevor er sich den Problemen der Teilregion Nordostniedersachsen zuwendet. Hier geht es dann zunächst um die Aufarbeitung aller zugänglichen Primär- und Sekundärma- terialien, die Auswertung der sehr intensiven und ungewöhnlich ertragreichen Interviewphasen schließt sich an; sie ist von dem Versuch getragen, zukunftsfähige Handlungsoptionen zu identifizieren und ggf. Vorstellungen zu deren Verwirkli- chung zu generieren. Da wo übereinstimmende Problemanalysen erkennbar waren, erleichterte dies die Diskussion, im Fall von Differenzen erwiesen sich diese meist als der heterogenen Ausgangssituation und spezifischen Verfahrensausprägungen geschuldet. Schnell wurde auch deutlich, dass einzelne Kreise ab ovo auf Verände- rung drängten und sich in Teilen bereits für eine Fusion aussprachen, während sich andere Gebietskörperschaften auf eine Optimierung des Status quo und den Ausbau interkommunaler Zusammenarbeit konzentrierten.

Nach Auswertung der während der zweiteiligen Interviewphase gewonnenen Er- Vergleich mit anderen Flächen- kenntnisse und einer akribischen kleinräumigen Datenanalyse wurde zudem ein ländern Vergleich mit der Ausgangssituation in anderen Flächenländern der Bundesrepu-

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blik in die Untersuchung einbezogen. Dieser Vergleichsaspekt erwies sich als be- sonders sinnvoll, da sich in anderen Ländern zum einen durchaus vergleichbare Probleme stellen und zum anderen der Gutachter in den vergangenen Jahren in fast jedem Flächenland ähnliche Untersuchungen durchführen, im Ergebnis daher auf einem beträchtlichen Empiriebestand aufbauen konnte. Die Zusammenführung der Analyseebenen mündete schließlich in den vorliegenden Bericht, der wiederum Empfehlungen ausweist, die über eine verbesserte Kooperation und eine ggf. schrittweise Größerräumigkeit die Handlungs- und Zukunftsfähigkeit der (Teil-) Region sicherstellen sollte.

Analytisch nimmt die Untersuchung das auf, was sich im Rahmen der Staats- und Verbindung staats- und ver- Verwaltungswissenschaften an Erkenntnissen für die hier verfolgte Fragestellung waltungstheoreti- findet. Dabei konnte der Gutachter von den bereits angesprochenen Arbeiten profi- scher Erkenntnis mit empirischen tieren, die er nicht nur für die anderen Flächenländer, sondern auch für den Bund Zugängen und im Rahmen der Europäischen Union durchführte.1 Die entsprechenden empi-

1 Hesse, J.J.: Regierungs- und Verwaltungsreform in Hessen (I), Wiesbaden/Berlin, 1997; ders.: Regierungs- und Verwaltungsreform in Brandenburg, Potsdam/Berlin, 1999a; ders.: Regierungs- und Verwaltungsreform in Nordrhein-Westfalen, Düsseldorf/Berlin, 1999b; ders.: Regierungs- und Verwaltungsreform in Mecklenburg-Vorpommern, Schwerin/Berlin, 2000a; ders.: Regie- rungs- und Verwaltungsreform in Rheinland-Pfalz, Mainz/Berlin, 2000b; ders.: Regierungs- und Verwaltungsreform in Schleswig-Holstein, Kiel/Berlin, 2000c; ders.: Regierungs- und Verwal- tungsreform in Sachsen-Anhalt, Magdeburg/Berlin, 2001; ders.: Regierungs- und Verwaltungs- reform in Baden-Württemberg, Stuttgart/Berlin, 2002a; ders.: Regierungs- und Verwaltungsre- form in Bayern, München/Berlin, 2002b; ders.: Regierungs- und Verwaltungsreform in Hessen (II), Wiesbaden/Berlin, 2002c; ders.: Regierungs- und Verwaltungsreform in Nordrhein- Westfalen. Eine Zwischenbilanz und Bewertung von Regierungs- wie Oppositionsvorschlägen, Berlin, 2003; ders.: Niedersachsen: Staatliche Repräsentanz in den Regionen. Funktion, Aufga- ben und Organisation von „Regierungsbüros“. Gutachten im Auftrag des Gesprächskreises We- ser-Ems, Berlin, 2004a; ders.: Überprüfung der kommunalen Verwaltungsstrukturen im Saar- land. Untersuchung im Auftrag des Saarländischen Ministeriums für Inneres und Sport, Ber- lin/Saarbrücken, 2004b; ders.: Förderung der interkommunalen Zusammenarbeit in Niedersach- sen. Zwischenbericht zur Untersuchung im Auftrag des Niedersächsischen Ministeriums für In- neres und Sport, Berlin, 2005a; ders.: Modelle der Stadt-Umland-Organisation in der Bundesre- publik Deutschland, Untersuchung im Auftrag des Saarländischen Ministeriums für Inneres, Fa- milie, Frauen und Sport, Berlin, 2005b; ders.: Reorganisation der Hauptstadtverwaltung. Funkti- onal- und Verwaltungsstrukturreform in Berlin, Berlin, 2005c; ders.: Raumordnung und Landes- entwicklung. Reformoptionen für ein tradiertes Politikfeld, Baden-Baden, 2006a; ders.: Regie- rungs- und Verwaltungsreform im internationalen Vergleich: der Fall Australien. Untersuchung im Auftrag des Bundesministeriums des Innern, Berlin, 2006b; ders.: Regierungs- und Verwal- tungsreform im internationalen Vergleich: der Fall Neuseeland. Untersuchung im Auftrag des Bundesministeriums des Innern, Berlin, 2006c; ders.: Aufgabenkritik, Funktional- und Struktur- reform in den Flächenländern. Das Beispiel Saarland, Berlin, 2007a; ders.: Strukturberichterstat- tung für die deutschen Gebietskörperschaften: Methodische Vorstudien. Untersuchung im Auf- trag des Niedersächsischen Ministeriums für Inneres, Sport und Integration, Berlin, 2008a; ders.: Verwaltung erfolgreich modernisieren. Das Beispiel einer Kreisgebietsreform, Baden-Baden, 2008/2009; ders.: Kreisgebietsreform in Mecklenburg-Vorpommern: Zur Einkreisung bislang kreisfreier Städte. Untersuchung im Auftrag des Innenministeriums Mecklenburg-Vorpommern. Berlin, 2009; ders.: Arbeits- und Sozialverwaltung im Bundesstaat. Notwendiger Wettbewerb im SGB II, Baden-Baden, 2009/2010; ders.: Gutachterliche Stellungnahme zur Kommunal- und Verwaltungsreform in Rheinland-Pfalz. Untersuchung im Auftrag des Ministeriums des Innern und für Sport des Landes Rheinland-Pfalz, Berlin, 2010; ders.: Kommunalstrukturen in Nieder- sachsen. Eine teilregionale Untersuchung für den Raum Wolfsburg-Gifhorn-Helmstedt, Berlin, 2011a; ders.: Kommunalstrukturen in Niedersachsen. Eine teilregionale Untersuchung für den

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risch-analytischen Ausarbeitungen finden sich in zahlreichen gesonderten Veröf- fentlichungen,2 die dem interessierten Leser zugänglich sind. Sie sollten deutlich machen, dass sich darin fast durchgehend ein Selbstverständnis dokumentiert, das aus der Konfrontation der Staats- und Verwaltungstheorie mit der Empirie, der Praxis auf unterschiedlichen gebietskörperschaftlichen Ebenen also, Erkenntnisse zu gewinnen sucht, die in Handlungsoptionen münden. Der Autor, ohnehin kein Freund der überkommenen Unterscheidung von grundlagen- und anwendungsori- entierter Forschung, sucht damit auch die zeitgenössischen Staats- und Verwal- tungswissenschaften fortzuentwickeln, ein Ansatz, der sich über die multiplikativ wirkende „Zeitschrift für Staats- und Europawissenschaften“ (ZSE) sowie zwei wissenschaftliche Schriftenreihen3 durchzusetzen scheint.

Raum Südniedersachsen (Göttingen, Northeim, Osterode am Harz), Berlin, 2011b; ders.: Hand- lungs- und zukunftsfähige Kommunalstrukturen. Der Fall Niedersachsen, Baden-Baden, 2011c; Hesse, J.J./Götz, A.: Systematische Aufgabenkritik in der nordrhein-westfälischen Landesver- waltung. Auswertung der Aufgabenerhebung und Ansatzpunkte für die Neuordnung der Kompe- tenz- und Organisationsstrukturen, Berlin, 2004; dies.: Struktur- und Kommunalisierungsbench- mark. Systematischer Ländervergleich zur Aufbauorganisation und staatlich-kommunalen Zu- ständigkeitsverteilung, Berlin, 2005; dies.: Kooperation statt Fusion? Interkommunale Zusam- menarbeit in den Flächenländern, Baden-Baden, 2006; dies.: Für eine zukunftsfähige Arbeits- und Sozialverwaltung. Aufgabenträgerschaft nach dem SGB II („Hartz IV“), 2005-2007, Baden-Baden, 2007; dies.: Evaluation der Arbeit und Wirkungsweise der Niedersächsischen Regierungsvertre- tungen (2005-2008). Untersuchung im Auftrag des Niedersächsischen Ministeriums für Inneres, Sport und Integration, Berlin, 2008a; dies.: Gesetz zur Weiterentwicklung der Verwaltungsstruk- turreform (VRWG) in Baden-Württemberg. Gutachterliche Stellungnahme. Berlin, 2008b; dies.: Voraussetzungen der Selbstverwaltung. Zum Verhältnis von Ehrenamt und Gebietsgröße, Baden- Baden, 2008/2009; dies.: Der finanzielle Ertrag einer Verwaltungsreform. Methodische Grundla- gen zur Ermittlung von Kooperations- und Fusionsrenditen, Baden-Baden, 2009a; Hesse, J.J./Götz, A./Schubert, S.: Reform der Hoheitsverwaltung. Das Beispiel der Finanzverwaltung in Baden-Württemberg, Baden-Baden, 2007. 2 Über die in Fn. 1 benannten Gutachten hinaus sei verwiesen auf Hesse, J.J.: Wider den Hochmut und die Gleichgültigkeit: die Professionalisierung Europas als Zukunftsaufgabe, in: Zeitschrift für Staats- und Europawissenschaften (ZSE) 3/4, 2005d, 620-649; ders.: Regierungs- und Ver- waltungsreform als gesamtstaatliche Aufgabe, in: Henneke, H.G. (Hg.), Kommunale Verwal- tungsstrukturen der Zukunft, Stuttgart u. a., 2006d, 141-188; ders.: Was soll und kann Verwal- tungsreform? Der Fall Niedersachsen, in: Niedersächsische Verwaltungsblätter, 14/6, 2007b, 145–160; ders.: Der Bund in der Verantwortung: Plädoyer für eine nachhaltige Modernisierung von Regierung und Verwaltung, in: Zeitschrift für Staats- und Europawissenschaften (ZSE) 5/1, 2007d, 99-111; ders.: Kleinster gemeinsamer Nenner? Die Föderalismusreform II vor der Ent- scheidung, in: Zeitschrift für Staats- und Europawissenschaften (ZSE) 6/2, 2008c, 193-203; ders.: Determinanten einer Reform der Verwaltungsorganisation, in: Ipsen, J. (Hg.), Verwal- tungsorganisation in Flächenstaaten, Osnabrück, 2008d, 13-50; Hesse, J.J./Grotz, F.: Europa professionalisieren. Kompetenzordnung und institutionelle Reform im Rahmen der Europäischen Union, Berlin, 2005; dies.: „Flexibilisierung“ europäischer Politik als Weg aus der Krise? Ver- stärkte Zusammenarbeit, Offene Koordinierung und Grenzüberschreitende Regionalkooperation im Vergleich, in: Jahrbuch des öffentlichen Rechts (Neue Folge) 54, 2006, 607-628; Hesse, J.J./Götz, A.: Staatsreform in Deutschland – das Beispiel der Länder, in: Zeitschrift für Staats- und Europawissenschaften (ZSE) 4/2003 und folgende.; dies.: Mut zur Reform: „Hartz IV“ als Testfall für eine zukunftsfähige Arbeits- und Sozialordnung, in: Zeitschrift für Staats- und Euro- pawissenschaften (ZSE) 7/1, 2009b, 83-120. 3 „Abhandlungen zur Staats- und Europawissenschaft“ (Duncker & Humblot-Verlag, Berlin) und „Staatsreform in Deutschland und Europa“ (Nomos-Verlag, Baden-Baden).

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Schließlich sei erwähnt, dass im Ergebnis der mit Vertretern der Landesregierung und des kommunalen Bereichs im Vorfeld der Untersuchung geführten Gespräche die nachfolgenden Ausführungen auch aufgabenanalytisch insofern ausgerichtet Aufgabenanalyti- sche Ebene sind, als von eher aggregierter, lediglich zusammenfassender Argumentation abge- sehen wird. Dies folgt nicht nur der inzwischen hoffentlich selbstverständlichen Logik, nach der jedweder Reformansatz – nicht nur auf kommunaler Ebene – sich um eine Aufgabenkritik bemühen sollte, bevor Funktional- und Strukturreformen erörtert werden, sondern vor allem auch der Ausgangssituation in Niedersachsen, Ausstehende Funktionalreform die zwar die benannten Strukturreformen auf Landesebene, bislang aber noch keine im Land dem komplementäre Funktionalreform vorweisen kann. Dies der Landesregierung anzulasten (wie seitens der kommunalen Spitzenverbände gelegentlich praktiziert), erscheint fragwürdig, da man sich im Rahmen des Innenministeriums seit länge- rem darum bemüht, eben diese funktionalreformerischen Erwägungen „auf den Weg zu bringen“, allerdings richtigerweise nicht über landesspezifische Vorgaben, sondern in Zusammenarbeit mit den Gemeinden und Gemeindeverbänden. Dieser Prozess hat sich nach Kenntnis des Autors bislang als ausgesprochen „zäh“ und schwierig erwiesen, wobei man für die erkennbar zögerliche Haltung der Spitzen- verbände im Verfahren zwar Verständnis aufbringen kann, in der Sache aber doch Vorbehalte benennen sollte. Natürlich ist es Aufgabe von Spitzenverbänden, den „jeweiligen Bestand“ zu hüten, doch ist die Situation im kommunalen Bereich in Teilen derart defizitär, dass man dem erkennbaren Gestaltungsauftrag kaum ent- sprechen kann, wenn man sich hierauf gerichteten Diskussionen entzieht oder sie im Ergebnis gar „blockiert“. Die demographischen Ausgangsdaten sind bekannt und mittelfristig nicht umkehrbar, die jeweilige haushalterische Situation auch; die Verschuldung einzelner Gebietskörperschaften und die ubiquitär erkennbaren Kas- senkredite sprechen eine deutliche Sprache.

Der Gutachter hat diesen in Teilen diskussionswürdigen Stand der Aufgabendiskus- Exemplarische Aufgabenanalysen sion im Land zum Anlass genommen, seinerseits tätig zu werden und vor allem im des Gutachters Rahmen des Kapitels 5 Ausführungen zu ausgewählten Aufgabenfeldern in die Untersuchung einzubeziehen. Die dabei vorgestellten Erörterungen basieren zum einen auf einer Auswertung der vorliegenden Literatur, zum anderen auf Erkennt- nissen, die im Rahmen der zahlreichen Interviews gewonnen wurden. Die Analysen sind allerdings nur exemplarisch zu verstehen, ihre Vollständigkeit verbietet sich im Rahmen einer auf eine Bearbeitungszeit von nur vier Monaten angelegten Un- tersuchung. Für weitergehende Analysen sei auf eine frühere Arbeit, die unseres Wissens erste landesweite Aufgabenkritik in der Bundesrepublik, verwiesen, ihren Erkenntnissen dürfte in Teilbereichen Modellcharakter zukommen.4 Gleiches gilt

4 Hesse, a.a.O., 2007a.

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im Übrigen für die erst anlaufende Diskussion um ein den Namen verdienendes benchmarking, für das das ISE bereits vor einigen Jahren methodische Vorstudien vorlegte und diese in inzwischen drei Mitgliedstaaten der Europäischen Union testen und weiterentwickeln konnte.5

Im Übrigen wird in den folgenden Ausführungen auch verfahrensbezogen insofern Prozessorientie- rung differenziert, als der Prozess der Politikformulierung von dem des Vollzugs und einer sich anschließenden (und vorab bedachten) Wirkungsanalyse unterschieden wird. Dass diese Phasen nicht immer sauber voneinander zu trennen sind, ist jedem bewusst, der politisch-administratives Handeln auf den unterschiedlichen gebiets- körperschaftlichen Ebenen verfolgt; gleichwohl bietet sich diese Ausdifferenzie- rung ebenso an wie die Unterscheidung zwischen Aufgaben-, Ressourcen- und Entscheidungsstrukturen. Mit Blick auf die finanzielle Ausgangssituation und die sich damit wiederum verbindenden Handlungsmöglichkeiten wurden zudem die Haushalte der in diese Untersuchung einbezogenen Akteure einer grundlegenden Überprüfung unterzogen, auch finden sich Ausführungen zu sog. Kooperations- und Fusionsrenditen, die auf Arbeiten in anderen Ländern beruhen.6

5 Ders., a.a.O., 2008a; der Test bezog sich auf das regionale und lokale Handeln im Vereinigten Königreich, den Niederlanden und Deutschland. 6 Hesse/Götz, a.a.O., 2009a.

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2 Der Kontext: Regierungs- und Verwaltungsreformen in Deutschland und Niedersachsen

Der bereits angesprochene Kontext der Bemühungen um erweiterte Entwicklungs- Einordnung des Untersuchungs- potentiale in Nordostniedersachsen ist vor allem deshalb wichtig, weil damit zum raums in einen einen eine gewisse Relativierung der eigenen Bemühungen („über den Tellerrand breiteren Kontext hinaus“), zum zweiten die Möglichkeit eines grenzüberschreitenden Lernens (hori- zontal wie vertikal) und zum dritten die Beachtung komplementärer Entwicklungs- politiken auf anderen gebietskörperschaftlichen Ebenen verbunden ist (was den Vernetzungsaspekt von Veränderungen auf den unterschiedlichen Ebenen des öf- fentlichen Handelns anspricht).

Vergleicht man die verwaltungspolitischen Aktivitäten der deutschen Gebietskör- Verwaltungspoli- tische Aktivitäten perschaften, so lassen sich unter dem Zwang knapper werdender Ressourcen seit im Zeitablauf den 1990er Jahren intensive Reformbemühungen zunächst der Kommunen und dann der meisten Flächenländer feststellen. Der Bund legte dagegen lange Zeit eine deutliche Zurückhaltung an den Tag, die erst allmählich der Erkenntnis wich, dass nicht nur der Politikformulierung im Rahmen des Föderalismus, sondern auch dem Vollzug und der operativen Interaktion der Gebietskörperschaften ein gestei- gertes Interesse zukommen sollten. Zwar galt die stetige Überprüfung und Weiter- entwicklung von Regierung und Verwaltung auch in früheren Jahren als „Haus- aufgabe der Politik“, doch mündete dies eher selten in eine den Namen verdienen- de Institutionenpflege; sie stellt unverändert ein Stiefkind der deutschen Staats- und Verwaltungspraxis dar.7 Das verdeutlichen im Gegensatz zur inflationären Prokla- mation von Reformen auch der eher seltene Gebrauch des Begriffs „Verwaltungs- politik“ und eine noch seltenere Verstetigung der entsprechenden Bemühungen, die zweifelsfrei Teil der politischen Führung sein sollten. Im Ergebnis wurden bundes- seitig institutionelle Anpassungsprozesse meist in Schüben vollzogen und folgten eher zufälligen (oder überfälligen) Anlässen, materiellen Verwerfungen oder er- kennbaren Vollzugsproblemen.

Organisationsentwicklung in Staat und Verwaltung ist deshalb zwar Teil der politi- schen Agenda, wird von den handelnden Akteuren aber eher als temporäres Pro- jekt gesehen, dessen mangelnde Popularität im Bedarfsfall eine zügige Erledigung erfordert, kaum jedoch eine kontinuierliche Befassung mit ursächlicheren Fragen nach sich zieht. Bürokratieabbau oder „Entbürokratisierung“ als am häufigsten gebrauchte Topoi einer zeitgemäßen Reform-Rhetorik zielen dabei zwar auf Ent- lastung, sollen aber kein Störpotential für das Regierungsgeschäft entfalten und nicht zu einer das Staatshandeln permanent begleitenden Pflicht werden. Die von

7 Hesse, a.a.O., 2006d; ders., a.a.O., 2007d.

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Thomas Ellwein und dem Autor eingeführte Chiffre vom „überforderten Staat“8 suchte die Verfahren und Ergebnisse einer derart „ungepflegten“ Institutionenent- wicklung zu charakterisieren. Dem lag die Einschätzung zugrunde, dass die Politik in den vergangenen Jahrzehnten die Verwaltung im Rahmen tradierter Strukturen und bewährter Routinen häufig weitgehend sich selbst überließ.

Zwar veränderte sich diese Grundhaltung seit Beginn der 1990er Jahre, doch wur- Umdenken und Umbrüche de auch erkennbar, dass dies eben zunächst nur von den Kommunen ausging, im weiteren Verlauf die Länderverwaltungen erfasste und seit einigen Jahren nun auch auf Bundesebene zu etwas ernsthafteren Bemühungen um einen Bürokratieabbau führte.9 Dabei haben sich die finanziellen Restriktionen des Staates fast durchgän- gig als maßgeblich erwiesen und erzeugt die für den deutschen Verwaltungsfödera- lismus charakteristische Finanz- und Aufgabenverteilung zwangsläufig Ungleich- zeitigkeiten. Hinzu treten veränderte Rahmenbedingungen (von der Europäisierung und „Globalisierung“ über wachsende territoriale und soziale Disparitäten bis hin zu den Konsequenzen der demographischen Entwicklung), die nicht nur eine effi- zienzorientierte, sondern auch eine qualitative Weiterentwicklung von Regierung und Verwaltung nahe legen. So erklärt sich, dass in Verbindung mit alle gebiets- körperschaftliche Ebenen angehenden Projekten (Trägerschaftsfrage nach dem SGB II, Föderalismusreformen I und II) die Bereitschaft wächst, auch vertikale Bezüge der Verwaltungspolitik zu thematisieren und sie in die Handlungspro- gramme der gebietskörperschaftlichen Ebenen zu integrieren.10 Im Ergebnis rächt sich gleichwohl, dass der Bund bislang von einer den Namen verdienenden Aufga- benkritik und einer nachhaltigeren Funktionalreform weitgehend abgesehen hat. Hinzu tritt, dass die horizontale Interaktion, also das fehlende oder unzureichend koordinierte Zusammenwirken von Bundesressorts, als ein Dauerproblem ver- bleibt. Der Gutachter hat als Mitglied diverser Kommissionen und Sachverständi- gengremien mehrfach auf entsprechende Versäumnisse und sich demgegenüber anbietende Handlungsoptionen verwiesen, ohne das dem nennenswerte politische Aktivitäten folgten. So vergab man das Potential einer Verfahrens- und Wirkungs- analyse als Chance, nicht mehr zeitgemäßes Verwaltungshandeln auf der Bundes- ebene zu überprüfen, kam es zu jener Vernachlässigung struktureller Vorausset-

8 Ellwein, T./Hesse, J.J.: Der überforderte Staat, Frankfurt a.M., 1997. 9 Vgl. unter neueren Verlautbarungen hierzu den Kabinettsbeschluss vom 27.01.2010: Eckpunkte zum Bürokratieabbau und zur besseren Rechtsetzung in der 17. Legislaturperiode, http://www.bundesregierung.de/Content/DE/__Anlagen/2010/2010-01-27-kabinettbeschluss-bue rokratieabbau,property=publicationFile.pdf sowie den jüngsten Jahresbericht der Bundesregie- rung zu diesem Themenbereich: Die Bundesregierung: Bericht der Bundesregierung 2010 zur Anwendung des Standardkosten-Modells und zum Stand des Bürokratieabbaus, Berlin, 2010, http://www.bundesregierung.de/Content/DE/__Anlagen/2010/2010-12-15-jahresbericht-buerokra tieabbau,property=publicationFile.pdf. 10 Hesse, a.a.O., 2007d.

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zungen, die sich bis heute als beträchtliches Defizit erweist, und fehlt bislang jed- weder Vergleich (nach innen wie nach außen, national wie international, horizontal wie vertikal) als methodischer Ansatz und letztlich auch politischer Erfolgsindika- tor. Berücksichtigt man darüber hinaus, dass die Aufarbeitung der Verschuldungs- problematik von weiteren Engpässen begleitet sein wird, eröffnet sich hier ein we- nig erfreulicher Ausblick.

Kann somit das verwaltungspolitische Handeln der Bundesebene nur als deutlich Reformaktive Flächenländer verbesserungsbedürftig gewürdigt werden, findet sich auf der Ebene der Flächen- länder eine inzwischen an Dynamik gewinnende und sich in Teilen nahezu modell- haft entwickelnde Reformbewegung. Sie nimmt sowohl Impulse von unten (etwa in Form der Weiterentwicklung des Haushaltswesens) als auch von oben (zunächst als Folge von bundesgesetzlichen Zuständigkeitslockerungen mit Blick auf eine erwei- terte Reduzierung von Bürokratiekosten) auf. Im Mittelpunkt der Modernisierungs- ansätze stehen dabei vor allem eine systematische Aufgabenüberprüfung (vulgo: Aufgabenkritik), eine dem nachfolgende Funktionalreform sowie eine sich damit wiederum verbindende Anpassung oder gar Neuordnung der staatlichen Verwal- tungsorganisation. Diese Ausrichtung erklärt sich aus der Position der Länder im Staatsaufbau, wonach sie wesentliche Teile des Vollzugs zu verantworten haben und daneben über sektoral beschränkte Gesetzgebungskompetenzen verfügen. In Anbetracht der sich verändernden, vor allem demographischen und haushalteri- schen Rahmenbedingungen befördert dies eine kapazitätsbezogene Diskussion, die das Erfordernis gegebener Zuständigkeiten, ihre sinnvolle Zuordnung sowie die damit verbundenen Einzugsbereiche und Ressourcen in den Blick nimmt. Anders als der Bund, dessen Aktivitäten sich bekanntlich auf Auswärtige Angelegenheiten sowie Sicherheits-, Ordnungs- und Verteilungspolitiken beziehen (Makroebene), und die Kommunen, die sich im örtlichen Kontext auf operative Vollzugsfragen konzentrieren (Mikroebene), richten sich die Reformbemühungen der Länder mit der vertikalen und horizontalen Ausgestaltung von Behördenstrukturen gleichsam auf die Mesoebene des Staatshandelns.

Die benannten Reformmaßnahmen zielen meist auf eine Vereinfachung des Orga- Schwerpunkte der Modernisierung nisationsbesatzes der unmittelbaren Landesverwaltung durch Auflösung, Zusam- menlegung und Ausgliederung (bzw. Verselbstständigung) von Einrichtungen. Obwohl dies zahlreiche Kommentatoren übersehen, ging und geht es dabei neben den über Skaleneffekte und einen Aufgabenverzicht zu verwirklichenden Einspa- rungen immer auch um eine inhaltlich funktionale Neuausrichtung von Regierung und Verwaltung. In vertikaler Hinsicht betrifft das insbesondere die Intensität der Dienst-, Rechts- und Fachaufsicht, die Erfordernisse verwaltungsgerichtlicher Vor- bzw. Widerspruchsverfahren sowie die bei Verzicht auf Zwischeninstanzen zu- nehmenden Gestaltungsmöglichkeiten der verbleibenden Verwaltungsebenen. Eine

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Straffung des Behördenaufbaus führt hier regelmäßig zu einer „Hochzonung“ von Aufsichtsfunktionen und einer Erweiterung der Aufsichtsspannen, womit Kontroll- kapazitäten begrenzt und Ermessensspielräume im Sinne dezentraler Durchfüh- rungsverantwortung aufgebaut werden. Gleichzeitig erhofft man sich vom Verzicht auf Widerspruchsinstanzen eine Verfahrensbeschleunigung und administrative Entlastung, mithin eine Entbürokratisierung des Verwaltungshandelns, während die Verringerung von Entscheidungsebenen das gegebene Organisationsinteresse be- grenzt, mittels Vorgaben und Weisungen den jeweils nachgeordneten Vollzug zu konditionieren und auf diesem Wege die eigene Existenz zu begründen oder zu sichern. In horizontaler Perspektive geht es demgegenüber vor allem um eine ver- besserte fachliche Abstimmung und Bündelungsfähigkeit, die die Bearbeitung komplexer Problemstellungen erleichtern soll. Hinzu tritt die dann meist erkennbar normativ geprägte Absicht, durch die Zusammenführung unterschiedlicher Ent- scheidungsbelange eine Abwägung strittiger Fragen zu befördern. Schließlich soll eine zurückgenommene Ausdifferenzierung die Zahl separater Fachstränge und das durch Spezialisierung beförderte Wachstum von Verwaltung beschränken. Insofern tragen alle der genannten Konzentrationsmaßnahmen dazu bei, Grundprinzipien einer „Neuen Steuerung“ im Verwaltungsalltag organisatorisch zu verankern und auf diese Weise den Vollzug funktional zu modernisieren. Der bislang geäußerte Vorwurf, Verwaltungsstrukturreformen seien zu einseitig ausgerichtet und würden sich als nicht nachhaltig erweisen, geht somit fehl.

Hinzu tritt die in den vergangenen Jahren professionalisierte und von den verant- Unverzichtbare Aufgabenkritik wortlichen Akteuren ernster genommene Kritik der gegebenen Aufgaben, wobei Niedersachsen, das Saarland, Schleswig-Holstein, Mecklenburg-Vorpommern und − sehr eingeschränkt − auch Nordrhein-Westfalen zu nennen sind. Die bereits an- gesprochene Grundierung von Funktional- wie Strukturreformen durch eine voran- gehende Bestandsaufnahme und Überprüfung öffentlicher Zuständigkeiten zählt inzwischen fast zum Credo aller erkennbaren Verwaltungsreformen, wenngleich deren Ertrag (in Form von Aufgabenverzicht, Aufgabenverlagerung oder Privati- sierung) von politischen Vorgaben und ihrer Durchsetzbarkeit abhängig bleibt. Hierin dürfte denn auch ein wesentlicher Grund dafür liegen, dass das Junktim zwischen Aufgaben- und Organisationskritik bislang nur in Teilen verwirklicht wurde und sich Reformer häufig dem Vorwurf ausgesetzt sehen, aus einem Neuzu- schnitt von Behörden unter Schöpfung technischer Synergien keine substanzielle- ren Entlastungen erreicht zu haben. Zwar ist zu konzedieren, dass ein Teil der staatlichen Modernisierungspolitiken der vergangenen Jahre nicht oder nur in Tei- len auf einer systematischen Aufgabenüberprüfung basierten, mithin weitergehende Rationalitätsreserven aufgrund von Verzichtsmöglichkeiten ggf. ungenutzt blieben, doch stellt dies die funktionalen Vorteile einer Konzentration von Verwaltungsein-

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heiten nicht in Frage. Hinzu kommt, dass gerade der Verzicht auf Verwaltungsebe- nen und separate Einrichtungen Aufgabenwachstum begrenzt und damit einen Bei- trag zu präventiver Aufgabenkritik leistet. Diesbezüglich kann der Mehrheit der Bundesländer inzwischen ein entsprechendes Engagement bescheinigt werden.

Angesichts dieser Ausgangssituation erscheint es angemessen, unter Ausweis bis- Grundlegende Modelle der Län- lang vollzogener Maßnahmen und unter Zuhilfenahme von Beschlusslagen der derorganisation Regierungen, Landtage und Parteien erkennbare Tendenzen zu einer institutionel- len Konvergenz zu erfassen, um sie in einem zweiten Schritt zu konsistenten Re- formmodellen zu verdichten. Hierzu schreibt das Internationale Institut für Staats- und Europawissenschaften (ISE) in Berlin seit Ende der 1990er Jahre einen Län- dervergleich als Basis einer umfassenden, für die hier verfolgten Fragestellungen bereits verwirklichten Strukturberichterstattung fort, die eine Identifikation von vorherrschenden Modernisierungspolitiken und daraus abzuleitenden Idealtypen erlaubt. Als im Schrifttum und in der Staatspraxis akzeptierte Systematisierung haben sich dabei drei Modelle erwiesen: konsequente Zweistufigkeit, konzentrierte Dreistufigkeit und Regionalisierung. Die nachfolgende Übersicht fasst die jeweils wichtigsten Charakteristika zusammen und ordnet dem die gegenwärtigen verwal- tungspolitischen Orientierungen der Flächenländer zu, soweit sie aus Regierungs- verlautbarungen und konkreten Maßnahmen erkennbar werden.

Abbildung 2-A: Modernisierungspolitiken auf Landesebene: drei Reformmodelle11

Status Konsequente Konzentrierte Regionalisie- quo/Verwaltungs- Zweistufigkeit12 Dreistufigkeit13 rung ebenen Konzentration der Regierungsorganisation auf Landesregierung sechs bis acht Häuser (Staatskanzleien/- (Kern: Staatskanzlei/-ministerium, Innenministerium, Finanzministeri- ministerien, Fach- um, Wirtschaftsministerium, Sozial-/Arbeitsministerium, Kultus- ministerien) /Wissenschaftsministerium; Landwirtschafts-/Umweltministerium; Ergänzung: Justizministerium)

11 Zur Definition der angegebenen Organisations- und Behördentypen vgl. Hesse/Götz, a.a.O., 2003. 12 Einbezogen wurden auch jene Länder, die mit dem Verzicht auf Mittelinstanzen einen grundsätz- lich zweistufigen Verwaltungsaufbau realisiert haben, allerdings in Gestalt von Sonderbehörden derzeit noch in Teilbereichen drei Instanzen vorsehen. 13 Hier einschließlich der Fälle Sachsen-Anhalt und Thüringen, die anstelle mehrerer Regierungs- präsidien eine obere Bündelungsbehörde eingerichtet haben (Landesverwaltungsämter) sowie der Konstellation in Rheinland-Pfalz, wo mit der Aufsichts- und Dienstleistungsdirektion (als obere Bündelungsbehörde) und den beiden Struktur- und Genehmigungsdirektionen (als regionale fachspezifische Mittelinstanzen) eine funktionale Differenzierung auf der Ebene der Mittel- bzw. Zwischeninstanzen vorgenommen wurde.

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Status Konsequente Konzentrierte Regionalisie- quo/Verwaltungs- Zweistufigkeit12 Dreistufigkeit13 rung ebenen

Obere Verwaltung Beschränkung auf Rückführung (Landesoberbehörden, Assistenzeinheiten (Nur als Ausnahme Vorhalten von reinen zentrale Landesämter/- (keine eigenen In- Facheinrichtungen) betriebe) stanzen) Mittlere Verwal- Integration v. Integration v. Auf- tung Aufgaben und gaben und Perso- (Regierungspräsidien, (---) Personal der obe- nal, Umwandlung fachliche Mittel- ren und unteren in Regionalverbän- instanzen) Verwaltung de Untere Verwaltung Konzentration und Auflösung durch Integration i. d. Mittel- (untere Behörden und weitestgehende instanzen und Kommunalisierung nachgeordnete Einrich- Kommunalisierung tungen) Kapazitätssteige- Kommunale Kreis- rung zwecks Auf- Aufgabenübernahme je nach Kapazität stufe gabenübernahme (IKZ als Erweiterung sowie ggf. Gebietsre- (Landkreise, kreisfreie (IKZ oder Gebietsre- formen) Städte bzw. Stadtkreise) formen) Kreisangehörige Kommunen Kapazitätssteigerung zwecks Aufgabenübernahme (Städte, Gem., Ämter, (IKZ, Gebietsreformen, Bildung von Einheitsgemeinden) Verb.-/Samtgem., Verwaltungsgem.) Bay, BW, He, Bbg, MV, Nds, Länderbeispiele NRW, RlP, Sachs, keines Saar, SH LSA, Thü

Anmerkung: IKZ: interkommunale Zusammenarbeit. Quelle: Eigene Darstellung auf der Basis der ISE-Strukturberichtstattung;

Lässt man das Modell der Regionalisierung außer Acht, das − wie angesprochen − Konsequente Zwei- und kon- meist aus der jeweiligen Opposition heraus favorisiert, bei einer späteren etwaigen zentrierte Dreistu- Regierungsbeteiligung aber kaum verwirklicht wird, zielen die bislang vollzogenen figkeit und heute erkennbaren Reformvorhaben entweder auf eine konsequente Zwei- oder eine konzentrierte Dreistufigkeit. Deutlich wird dabei, dass die benannten Konzep- te die Kommunen der Kreisstufe kompetenziell, funktional und strukturell einbe- ziehen. Mit Blick auf die Zuständigkeiten richtet sich das zunächst auf die Auswei- tung des übertragenen Wirkungskreises (einschließlich von Konstellationen der Organleihe), die vor allem aus einer Verlagerung von Aufgaben (vormals) unterer Sonderbehörden resultiert. Hinzu treten funktional der Rückzug des Staates aus dem ortsnahen Vollzug und die verbesserte Koordinations- und Bündelungsfähig- keit in der Verantwortung von Städten und Kreisen. Darüber hinaus verbinden sich mit diesen Reformansätzen aufbauorganisatorische Konsequenzen, sofern eine Funktionalreform von der Vergrößerung oder Harmonisierung der gegebenen Ka- pazitäten und territorialen Größenordnungen der kommunalen Aufgabenträger

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abhängig ist. Hierfür werden neben einer intensivierten interkommunalen Zusam- menarbeit (IKZ) auch zunehmend Gebietsreformen diskutiert, da Kooperationen häufig monothematisch ausgerichtet sind, meist auf dem Prinzip der Freiwilligkeit beruhen und deshalb längerer Umsetzungsfristen bedürfen. Für den kreisangehöri- gen Raum ergeben sich daraus keine zwingenden Veränderungen im Kompetenz- und Organisationsbestand, allerdings schließen sich den Veränderungen im Ver- hältnis zwischen Landesebene und kommunaler Kreisstufe regelmäßig Diskussio- nen um eine erweiterte Vollzugszuständigkeit der Gemeinden an, was dann auch strukturelle Anpassungsleistungen erforderlich machen kann (etwa durch den Übergang von Ämtern, Verwaltungsgemeinschaften und Verbands- bzw. Samtge- meinden zu Einheitsgemeinden). Eine umfassende Reorganisation der staatlichen Verwaltung führt so notwendigerweise zu Veränderungen im nachgeordneten Be- reich, die dort wiederum weitere Modernisierungsimpulse auslösen, etwa im Hin- blick auf ein verbessertes Projektmanagement im Zuge komplexer Genehmigungs- verfahren.

Die geschilderten Reformansätze erzeugen erwartungsgemäß politische Kontrover- Politische Kontro- versen, Ansätze sen, da sie gewachsene Organisationsstrukturen, Traditionsbestände und Standort- zum Systemwech- interessen in Frage stellen. Das gilt bereits für die Auflösung von Behörden und sel verstärkt dann, wenn sich damit ein Systemwechsel verbindet. Insbesondere der Übergang zur Zweistufigkeit und ihr konsequenter Ausbau werfen eine Reihe orga- nisatorischer Fragen auf, die die staatliche Repräsentanz und Koordinationsfähig- keit des Landes in der Fläche, die Begrenzung alter und neuer Sonderverwaltungen sowie die unterschiedliche Kapazität und Aufnahmefähigkeit der kommunalen Kreisstufe betreffen. Gegenwärtig sucht man den angesprochenen Problemen über eine Neuordnung bzw. Verringerung von Geschäftsbereichen, eine Verbesserung der interministeriellen Koordination (bis hin zu Verfahren der erweiterten Feder- führung und ressortübergreifenden Weisungsrechten) oder über eine räumlich dis- lozierte Ministerialverwaltung zu begegnen, etwa in Gestalt der niedersächsischen Regierungsvertretungen (oder der dezentralen Standorte der Gemeinsamen Lan- desplanung in Brandenburg). Hinzu tritt die Konzentration verbleibender Sonder- behörden auf der oberen und mittleren Ebene (Bildung staatlicher Gewerbeauf- sichtsämter in Niedersachsen oder das Landesamt für Umwelt- und Arbeitsschutz im Saarland als Beispiele), die bereits angesprochene Förderung interkommunaler Kooperation, die gesetzliche Festlegung von Pflichtverbänden und Vor-Ort- Aufgaben sowie – dann als gleichsam ultima ratio – die Durchführung von Ge- bietsreformen.

Die nachfolgende Übersicht stellt den staatlichen und kommunalen Bereich betref- Optimierte Zwei- stufigkeit fende Maßnahmen der sich an der Zweistufigkeit orientierenden Bundesländer gegenüber:

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Abbildung 2-B: Aktuelle Reformmaßnahmen im Rahmen der Zweistufigkeit

Länder Staatliche Verwaltung Kommunale Kreisstufe

− Gegenwärtig keine grundlegen- − Förderung interkommunaler de Strukturreform nach erfolg- Zusammenarbeit als Grund- Brandenburg ter Konzentration von Sonder- satz behörden und Bildung formaler − Derzeit keine Gebietsreform Verwaltungsregionen − Erfolgte parlamentarische Be- − Jüngst durchgeführter Zu- schlüsse für eine grundlegende sammenschluss von zwölf Verwaltungsreform: Konzentra- Landkreisen zu sechs Land- Mecklenburg- tion von Sonderbehörden und kreisen und Einkreisung vier umfangreiche Kommunalisie- bislang kreisfreier Städte Vorpommern rung unterer Sonderbehörden bereits umgesetzt, Inkrafttreten der Kommunalisierung von Aufgaben i.T. erst im Jahr 2012 − Gegenwärtig keine Strukturre- − Förderung interkommunaler form nach erfolgter Verringe- Zusammenarbeit als Grund- rung der Zahl der Ministerien satz Saarland und nachgeordneter Behörden − Erörterung etwaiger Gebiets- und Einrichtungen sowie Kon- reformen zentration von Sonderbehörden − Überprüfung der Aufgaben und − Förderung freiwilliger Zu- des Bestandes der als regionale sammenschlüsse und inter- Außenstellen der Ministerial- kommunaler Zusammenarbeit Niedersachsen verwaltung eingerichteten Re- als ggw. präferierte Ansätze gierungsvertretungen − Keine Gebietsreform in der − Prüfung der Kommunalisierung laufenden Legislaturperiode von Aufgaben − Gegenwärtig keine grundlegen- − Vereinbarung zur Erwirt- de Strukturreform nach erfolg- schaftung von Effizienzrendi- ter Verringerung der Zahl der ten (durch Fusionen, IKZ, Ministerien und Konzentration Ablaufänderungen, etc.) Schleswig- von Sonderbehörden − Förderung freiwilliger Ge- Holstein bietsveränderungen − Keine Gebietsreform „von oben“ in der laufenden Legis- laturperiode

Quelle: Eigene Darstellung auf der Basis der ISE-Strukturberichtstattung.

Wendet man sich vor diesem Hintergrund den meist strittig diskutierten Fragen von Komplementäre Gebietsreformen Gebietsreformen zu, die neben dem Ziel einer erhöhten Effektivität und Wirtschaft- lichkeit sowohl im Rahmen der Zwei- als auch der Dreistufigkeit einer erweiterten Delegation von Aufgaben dienen, sind gegenwärtig vier Ansätze zu erkennen, die in ihrer unterschiedlichen Intensität und Reichweite vor allem von der politisch- administrativen Durchsetzbarkeit abhängen: Optimierung des Status quo, selektive

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Gebietsreform, mittlere Gebietsreform und Bildung von Großkreisen; die nachfol- gende Übersicht ordnet dem einzelne Länder zu:

Abbildung 2-C: Strukturentwicklung auf der kommunalen Kreisstufe

Optionen Maßnahmen Länder

− Förderung von interkommunaler Zusammen- Optimierung arbeit, punktuelle Anpassungen BW, Bay, Bbg, He, des status quo − Begrenzte kapazitätsabhängige NRW, Saar, RlP Funktionalreform − Förderung von interkommunaler Zusammen- Selektive arbeit, strukturelle Kooperation SH, Nds, Thü Gebietsreform − Unterstützung freiwilliger Fusionen − Gesetzliche verfügte Zusammenschlüsse bis Mittlere zu Größenordnungen von 300.000 Einw. LSA, Sachs Gebietsreform − Ggf. Vorausschaltung einer Freiwilligkeits- phase − Bildung von Kreiseinheiten mit regionalen Bildung von Größenordnungen (gemessen an Fläche MV und/oder Bevölkerung) Großkreisen − Umfassende Funktionalreform

Quelle: Eigene Darstellung auf der Basis der ISE-Strukturberichtstattung.

Stärker als in den 1960er/1970er Jahren oder nach der Wende in den neuen Län- Wandel der Auf- gabenstruktur dern geht es dabei primär um die Bewältigung der finanziellen Krisensituation zahlreicher Gebietskörperschaften. Hinzu treten komplexere Aufgabenstellungen, die sich mit einem qualitativen und quantitativen Wachstum öffentlicher Zustän- digkeiten verbinden (SGB II und das Veterinärwesen als Beispiele). Dem nachfol- gende Strukturanpassungen werden inzwischen kaum noch im Grundsatz bestritten und partiell auch in jenen Ländern erwogen, in denen die Haushaltslage gemessen am laufenden Defizit weniger dramatisch ausgeprägt ist als in anderen. Da jedoch Raumkapazität, Leistungs- und Entwicklungsfähigkeit sowie die landespolitischen Stabilitätsanforderungen spezifische Lösungen für die einzelnen Länder nahe legen, scheidet die Festlegung allgemein gültiger Mindestgrößen für Bevölkerungszahl und Flächenumfang aus. Damit freilich bestätigt sich die Schwierigkeit, entspre- chende Vorgaben abstrakt bzw. „von außen“ formulieren zu wollen; ungeachtet des zunehmenden Reformdrucks bietet sich stattdessen eine realistische, konsens- oder zumindest mehrheitsfähige Modernisierungsstrategie an, um ein kostspieliges Scheitern und damit eine Verzögerung notwendiger Maßnahmen zu vermeiden.

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Unter den in diesem Kontext erfolgreichsten Flächenländern ist vor allem auf Ba- Baden-Württem- berg und Nieder- den-Württemberg und Niedersachsen zu verweisen. Während Baden-Württemberg sachsen führend das Modell der konzentrierten Dreistufigkeit verfolgte und das mit der konsequen- ten Eingliederung nahezu aller Sonderbehörden (in die Regierungspräsidien oder die Kreisstufe) verband,14 gelang Niedersachsen die in der Verwaltungsgeschichte der Nachkriegszeit wohl eindrucksvollste Reformleistung dadurch, dass man eine ganze gebietskörperschaftliche Ebene, die Bezirksregierungen/Regierungspräsidi- en, abschaffte.15 Niedersachsen ist vor allem deshalb von hohem Interesse, als hier die einmalige Konstellation eines Systemwechsels (von der Drei- zur Zweistufig- keit) von einer besonderen seitens der Landesregierung gewählten Modernisie- rungsstrategie begleitet war. So vollzog man hier, ausgehend von politischen Fest- legungen zu Beginn einer Legislaturperiode, in vergleichsweise kurzer Zeit eine umfassende Reform „aus einem Guss“, womit man sich erkennbar von der Län- dermehrheit absetzte, die entweder ein Vorgehen in kleinen Schritten oder pragma- tische Ansätze mit dem Fokus auf bestimmte, meist sektoral ausgerichtete Politiken präferierte. Die Abb. 2-D auf der folgenden Seite verdeutlicht eine entsprechende Zuordnung.

Der unbestreitbare Vorteil des niedersächsischen Vorgehens bestand vor allem in Das niedersächsi- sche Vorgehen der umfassenden Wirkung, einem gewissen „Überraschungseffekt“, der langwieri- ge Diskussionen und damit verbundene Widerstände zu überwinden half, sowie den mit diesem Prozess begründeten Zeitvorteilen. Als Risiken erwiesen sich dage- gen die zum Teil erhebliche Gegenwehr und mögliche Systemmängel der neuen Organisation, die in vorübergehenden Umsetzungsproblemen oder Übergangskon-

14 Vgl. Hesse, a.a.O., 2007b, 149. 15 Dieser Erfolg sollte inzwischen aufgrund seiner auch empirisch eindeutigen Folgeeffekte unstrit- tig sein. Gleichwohl finden sich noch immer Äußerungen, die meist aus dem Kreis ehemaliger Angehöriger eben dieser Regierungspräsidien vorgetragen werden (vgl. u.a. Janssen, A.: Die Auflösung der staatlichen Organisationsstruktur durch die politischen Parteien. Eine verfassungs- rechtliche Stellungnahme zur Abschaffung der Bezirksregierungen in Niedersachsen, in: Die Verwaltung, 1/2010, 1-34) oder empirisch unzureichend informierten verwaltungswissenschaftli- chen Analysen entstammen (Bogumil, J./Kottmann, S.: Verwaltungsstrukturreform – die Ab- schaffung der Bezirksregierungen in Niedersachsen, Ibbenbühren, 2006). Eher skurril mutet ein Beitrag (Poeschel, J.: Guter Rat nicht nur für Niedersachsen und seine Verwaltungsreform?, in: Niedersächsische Verwaltungsblätter, 2/2011, 33-46 ) an, der zwar vorgibt, in Kenntnis der ein- schlägigen Verfassungs-, Staats- und Verwaltungsliteratur zu argumentieren, dies in seinen Aus- führungen aber nicht einlöst. Ohne erkennbare Würdigung der Praxis von Regierungs- und Ver- waltungsreformen in den Flächenländern wird der Erfolg des niedersächsischen Reformprozesses in Abrede gestellt; auf empirische Nachweise verzichtet dieser Autor gänzlich, empirisch- analytisch ist er entsprechend uninformiert. Es verwundert, dass die Herausgeber der Nieder- sächsischen Verwaltungsblätter einen solchen Beitrag, erkennbar ungeprüft, veröffentlichen. Weitere Nachweise finden sich im Literaturverzeichnis.

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struktionen begründet liegen könnten – etwa mit Blick auf die noch nicht vollstän- dig hergestellte Zweistufigkeit.16

Abbildung 2-D: Umsetzung von Verwaltungsreformen im Vergleich

Politik der kleinen Pragmatische Reform

Schritte Modernisierung aus einem Guss

− Bayern (bis 2005) − Bayern − Nordrhein- − Brandenburg (ab 2005/2006) Westfalen (1998/1999) − Hessen − Nordrhein- Westfalen − Baden- − Sachsen (bis (ab 2000/2001) Württemberg 2005/2006) − Rheinland-Pfalz − Mecklenburg- Länder − Schleswig-Holstein Vorpommern (bis 2005/2006) − Saarland (ab 2005) − Niedersachsen − Thüringen − Sachsen (ab 2006) − Sachsen-Anhalt − Schleswig-Holstein (ab 2005/2006) − Keine Beeinträch- − Ausweis von Re- − Dokumentation tigung der politi- formfähigkeit in besonderer schen Agenda Schwerpunktberei- Reformfähigkeit − Geringes Blockade- chen − Umfassende Wir- Vorteile risiko − Begrenzte Wider- kung − Möglichkeit zu stände − „Überraschungs- fortlaufender An- − Kontinuität effekt“ passung − Kompakter Zeitho- rizont − Langwieriger − Logische Brüche − Zum Teil erhebli- Prozess − Suboptimale Er- che interne und ex- − Begrenzte und gebnisse terne Widerstände Nachteile verzögerte Effekte − Ggf. zu langer und − Systemeinschrän- − Kein Reputations- nicht problemadä- kungen aufgrund gewinn durch einen quater Lösungspro- prozessualer Män- Reformerfolg zess gel und etwaiger Übergangslösungen

Quelle: Eigene Darstellung auf der Basis der ISE-Strukturberichtstattung.

16 Gleichwohl gelang es, logische Brüche oder punktuelles Scheitern (wie im Fall Nordrhein- Westfalens bei der beabsichtigten Auflösung der Landschaftsverbände im Jahr 1998/99) zu ver- meiden. Insofern bildet Niedersachsen das derzeit wohl interessanteste Beispiel einer den Namen verdienenden Regierungs- und Verwaltungsreform, das gleichsam grundsätzliche Fragen zur Ka- pazität und Reichweite von Modernisierungsansätzen zulässt. Hinzu kommt, dass entgegen zahl- reichen Annahmen die Streichung einer ganzen Verwaltungsebene schnell zu spürbaren Haus- haltsentlastungen führte und die allenthalben erwarteten nachteiligen Konsequenzen für die Handlungsfähigkeit von Regierung und Verwaltung weitgehend ausblieben. Allerdings fällt auch auf, dass sich das Land seit etwa 2008 mit sich aus der Reformlogik ergebenden Folgeschritten schwer tut; die mit dieser Untersuchung verfolgten Fragestellungen stehen in diesem Kontext.

26 Kommunalstrukturen in Nordostniedersachsen

Verwaltungsreformen auf kommunaler Ebene

Erweist sich bereits bei diesem Blick auf die verwaltungspolitischen Bemühungen Die Kommunen als Vorreiter der von Bund und Ländern, dass trotz (oder vielleicht gerade aufgrund) möglicher Verwaltungsmo- Wechselwirkungen und Schnittstellen von einer in Ansätzen erkennbaren Symme- dernisierung trie zwischen den gebietskörperschaftlichen Ebenen kaum ausgegangen werden kann, so setzt sich das mit Blick auf die kommunale Ebene fort. Dabei ist bedeut- sam, dass – wie angesprochen – Verwaltungsmodernisierung bis in die zweite Hälf- te der 1990er Jahre ein fast ausschließlich kommunales Projekt war. Anknüp- fungspunkte für die Länder ergaben sich am ehesten im Rahmen der (auch aus dem Neuen Steuerungs-Modell [NSM] heraus begründbaren) Aufgabenkritik und Funk- tionalreform, wie sie nach den Gebietsanpassungen der 1960er und 1970er Jahre allenthalben gefordert, jedoch nicht ernsthaft in Angriff genommen wurden. Des- halb blieben entsprechende Impulse auch begrenzt und bemühten sich Städte, Ge- meinden und Kreise zunächst um eine funktionale Professionalisierung ihrer Bin- nenstruktur und Abläufe, um auf diesem Weg ihre Haushalte zu entlasten. Sucht man diese Politiken zu bilanzieren, so kann den Akteuren und Einrichtungen vor Ort als Folge der NSM-Bewegung eine beträchtliche auch instrumentelle Fortent- wicklung attestiert werden. Die stetige Überprüfung gegebener Handlungsformen gilt hier inzwischen als häufig selbstverständlicher Bestandteil politisch- administrativer Routinen. Daneben ermöglichten vor allem umfassende Privatisie- rungs- und Wettbewerbsansätze eine Rückführung des Ausgaben- und Personalvo- lumens. Gleichwohl vermochten es die wenigsten Kommunen, das Gesamtkonzept einer Neuen Steuerung auch tatsächlich flächendeckend zu vollziehen. Neben einer mangelnden Führungsunterstützung und der nach außen nur in Teilen sichtbaren Wirkungen ist dafür die häufig geringe Beachtung politischer Erfordernisse (etwa mit Blick auf die Wählerakzeptanz) verantwortlich zu machen. Im Ergebnis kam es oft zu Insellösungen und vermochte man es (jenseits regionaler „champions“ und einzelner „Sachstars“) nicht, Politik und Verwaltung gesamthaft „mitzunehmen“.

Umso mehr stellt sich heute die Frage, wie weiterhin notwendige Reformen auf der Bestehender Re- formbedarf kommunalen Ebene durch eine verbesserte Rahmensetzung und Unterstützung seitens der Länder befördert werden könnten. Bislang haben etwa Experimentier- klauseln oder eine Flexibilisierung von Standards Anpassungsleistungen zwar er- leichtert, diese allerdings kaum motiviert oder gar materiell mitgestaltet. Übergrei- fende Diskussionszusammenhänge und Lernprozesse vollzogen sich nahezu aus- schließlich über Vergleichsringe und erste Versuche zu einem benchmarking, die, meist von Dritten ausgelöst, von den Kommunen selbst zu tragen waren. Ursachen für diesen Koordinationsverzicht und fehlenden Austausch sind zunächst in der verfassungsrechtlich gegebenen Trennung zwischen dezentraler Selbstverwaltung und staatlicher Aufsicht zu suchen. Sie verbietet Eingriffe in die kommunale Orga-

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nisationshoheit. Hinzu kommt die „rechtsstaateigentümliche Managementferne“ der Länder (Banner), die sich mit Blick auf ihre Einrichtungen und das Verhältnis zu den nachgeordneten Gebietskörperschaften in erster Linie als rahmensetzende und kontrollierende Instanzen verstehen.

Dies führt – wie in mehreren Untersuchungen vom Gutachter diagnostiziert – vor Organisations- und verwaltungs- allem dazu, dass sich staatliche Kommunalpolitik in der Regel auf aufsichtsbezo- politische Defizite gene Ressortfunktionen der jeweiligen Innenministerien zurückzieht, während übergreifende Fragen allenfalls entwicklungsbezogen, kaum aber mit Blick auf organisations- und verwaltungspolitische Gesichtspunkte bearbeitet werden. Eben- so wie die auf Abgrenzung und vertikale Verteilungsfragen bedachten Politiken der kommunalen Spitzenverbände verhindert dies eine gemeinsame Modernisierungs- agenda der Gebietskörperschaften. Schließlich fehlte der Verwaltungspolitik lange Zeit ein gemeinsames Thema, das für Staat und Kommunen gleichermaßen rele- vant gewesen wäre, zumindest aber seitens der Länder regulative Maßnahmen und inhaltliche Entscheidungen erforderlich gemacht hätte. Einen entsprechenden An- satz könnte die Modernisierung des öffentlichen Haushalts- und Rechnungswesens Modernisierung des Haushalts- bieten, für das inzwischen die notwendigen gesetzlichen Regelungen in allen Flä- und Rechnungs- chenländern entweder bereits geschaffen wurden oder sich in Vorbereitung befin- wesens den. Hinzu tritt, dass sich auf der Landesebene eine erhöhte Bereitschaft nachwei- sen lässt, klassisch-bürokratisches Handeln durch zeitgemäßere Arbeitsformen und Haushaltsverfahren zu ergänzen – und dass damit jene Bemühungen erkennbar werden, die für eine stärkere auch vertikale Verzahnung von Modernisierungspoli- tiken erforderlich sind. Dabei gilt unverändert, dass systematischere Ansätze einer Aufgabenüberprüfung und Organisationskritik den Schwerpunkt staatlicher Aktivi- täten bilden (sollten), um der funktionalen Modernisierung einen Rahmen zu ge- ben. Dies wäre umso wichtiger, als nachfolgende Funktionalreformen auch die Diskussion um gegebene Gebietsstrukturen befördern. Neben finanziellen Sach- zwängen und dem Erfordernis, komplexe Problemstellungen in größeren Zusam- menhängen zu bewältigen, findet hier die erkennbare Renaissance von Territorial- reformen ihre Begründung, die sich eben nicht mehr nur auf die neuen Bundeslän- der und vom demographischen Wandel besonders betroffene Regionen bezieht.

Im Übrigen erweist sich, dass in der Diskussion um kommunale Verwaltungsstruk- Ziele, Leitbilder, Absichtserklärun- turen insofern (im Rahmen breiterer Ziele) ein Konsens erkennbar wird, als man gen der Schaffung nachhaltig tragfähiger und effizienter Verwaltungsstrukturen sowie dem Erhalt und der Stärkung der ehrenamtlich ausgeübten kommunalen Selbst- verwaltung meist im Rahmen von „Zielen“, „Leitbildern“ oder anderen Absichts- erklärungen nachzufolgen sucht. Häufig verbindet sich das dann auch mit konkre- ten (aber kaum verallgemeinerungsfähigen) Zielgrößen, die sich meist auf die Flä- chenausdehnung und die Einwohnerzahl von Kreisen richten. So wird etwa im Fall

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Mecklenburg-Vorpommerns ausgeführt, dass es nach einer Entscheidung des dorti- gen Landesverfassungsgerichts17 zwar nicht möglich ist, eine konkrete Größe zu entwickeln, bei der aus verfassungsrechtlichen Gründen die Flächengrenze von Landkreisen liegt. Allerdings sind mit Blick auf das Kriterium der Überschaubar- keit von Kreisen durch ehrenamtliche Mandatsträger und die Erreichbarkeit der Kreisverwaltung durch die Landesverfassung Grenzen gesetzt. Auch in vergrößer- ten Landkreisen muss ehrenamtliche Tätigkeit möglich und zumutbar sein. Eine Vergrößerung der Fläche darf mithin nicht negativ auf die Bereitschaft der Bürger wirken, sich ehrenamtlich zu engagieren. Unter Berücksichtigung dieser Voraus- setzungen sowie mit Blick auf die Überschaubarkeit und die Kenntnis regionaler Belange wurde in diesem Fall die Zielgröße der Landkreisfläche als „4000 km² in der Regel nicht überschreitend“ gekennzeichnet. Mit Blick auf die Einwohnerzahl geht man dagegen meist zu Recht davon aus, dass in den Landkreisen die Verwal- tungskosten je Einwohner mit zunehmender Einwohnerzahl sinken. In der Konse- quenz und vor allem unter Berücksichtigung der Tatsache, dass es sich bei Meck- lenburg-Vorpommern um das am dünnsten besiedelte Flächenland der Bundesre- publik handelt, suchte man die abstrakte untere Zielgröße für die Einwohnerzahl der Kreise deshalb dort auf der Basis der für das Jahr 2020 prognostizierten Bevöl- kerungsdaten auf 175.000 Einwohner fertzulegen. Zusätzlich benannte Kriterien, wie die Bemessung der Leistungsfähigkeit der Kreisverwaltungen, sichern diese Zielvorstellungen.18

Erneut sei daran erinnert, dass es sich bei diesen Fragen immer auch empfiehlt, Ländervergleich einen Ländervergleich in die Analyse einzubeziehen. Die nachfolgende Aufstel- lung bildet die deutschen Landkreise länderspezifisch nach Bevölkerungszahl und Fläche ab:

Tabelle 2-E: Die deutschen Landkreise im Vergleich: Bevölkerung der Landkreise (zum 31.12.2009)

Durchschnittli- Bevölkerungsreichs- Bevölkerungsärms- Bundesland che Bevölkerung ter Landkreis ter Landkreis

1. Nordrhein- 632.535 139.666 339.164 Westfalen (Kr. Recklinghaus.) (Kr. Olpe) 372.390 208.661 2. Sachsen 288.973 (Erzgebirgskr.) (Kr. Nordsachsen)

17 Vgl. LVerfG MV 9-17/06; zu einer nachfolgenden Entscheidung des Landesverfassungsgerichts vgl. am Ende dieses Kapitels. 18 Vgl. hierzu auch u.a. Hesse, a.a.O., 2009.

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Durchschnittli- Bevölkerungsreichs- Bevölkerungsärms- Bundesland che Bevölkerung ter Landkreis ter Landkreis

3. Baden- 536.281 109.028 250.062 Württemberg (Rhein-Neckar-Kr.) (Hohenlohekr.) 407.022 97.502 4. Hessen 221.698 (Main-Kinzig-Kr.) (Odenwaldkr.) 5. Schleswig- 302.430 133.370 201.685 Holstein (Kr. Pinneberg) (Kr. Steinburg) 1.130.262 49.699 6. Niedersachsen 182.238 (Region Hannover) (Kr. Lüchow-Dann.) 333.469 91.161 7. Saarland 170.431 (Stadtverb. Saarbr.) (Kr. St. Wendel) 8. Sachsen- 234.690 90.471 164.152 Anhalt (Kr. Harz) (Altmarkkr. Salz.) 204.594 83.086 9. Brandenburg 151.597 (Kr. Potsd. Mittelm.) (Kr. Prignitz) 319.573 68.286 10. Bayern 125.630 (Kr. München) (Kr. Lichtenf.) 11. Rheinland- 211.079 61.789 124.635 Pfalz (Kr. Mayen-Kobl.) (Kr. Vulkaneifel) 138.857 60.560 12. Thüringen 99.648 (Kr. Gotha) (Kr. Sonneberg) 13. Mecklenburg- 123.528 65.210 94.416 Vorpommern (Kr. Ludwigslust) (Kr. Müritz)

Quelle: Eigene Berechnung nach Statistische Ämter des Bundes und der Länder: Regionaldatenbank. Anmerkung: Die Werte zum 31.12.2009 stellen die aktuellsten verfügbaren Aggregatdaten dar. Inte- ressierten Lesern seien darüber hinaus die den Statistischen Datenbanken der Länder entnehmbaren Angaben zum 31.12.2010 empfohlen. Verwiesen sei zudem auf die sich mit der zum 04.09.2011 vollzogenen Reform in Mecklenburg-Vorpommern verbindenden, hier nicht abgebildeten Änderun- gen.

Tabelle 2-F: Die deutschen Landkreise im Vergleich: Fläche der Landkreise in km² (zum 31.12.2009)

Durchschnittli- Bundesland Größter Landkreis Kleinster Landkreis che Fläche

3.058 1.217 1. Brandenburg 2.054 (Kr. Uckermark) (Kr. Oberspr.-Laus.) 2. Mecklenburg- 2.517 977 1.888 Vorpommern (Kr. Ludwigslust) (Kr. Rügen) 3. Sachsen- 2.423 1.413 1.806 Anhalt (Kr. Stendal) (Burgenlandkr.) 2.391 949 4. Sachsen 1.757 (Kr. Bautzen) (Kr. Zwickau) 5. Schleswig- 2.186 664 1.394 Holstein (Kr. Rends.-Eckenf.) (Kr. Pinneberg)

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Durchschnittli- Bundesland Größter Landkreis Kleinster Landkreis che Fläche

2.882 535 6. Niedersachsen 1.224 (Kr. Emsland) (Kr. Peine) 7. Baden- 1.851 519 986 Württemberg (Ortenaukr.) (Kr. Tübingen) 8. Nordrhein- 1.959 407 957 Westfalen (Hochsauerlandkr.) (Kr. Mettmann) 1.849 222 9. Hessen 971 (Kr. Wald.-Frank.) (Main-Taunus-Kr.) 1.972 308 10. Bayern 964 (Kr. Ansbach) (Kr. Fürth) 1.305 433 11. Thüringen 903 (Wartburgkr.) (Kr. Sonneberg) 12. Rheinland- 1.626 305 783 Pfalz (Eifelkreis Bitb-Pr.) (Rhein-Pfalz-Kr.) 555 249 13. Saarland 428 (Kr. Merz.-Wadern) (Kr. Neunkirchen)

Quelle: Eigene Berechnung nach Statistische Ämter des Bundes und der Länder: Regionaldatenbank. Anmerkung: Die Werte zum 31.12.2009 stellen die aktuellsten verfügbaren Aggregatdaten dar. Inte- ressierten Lesern seien darüber hinaus die den Statistischen Datenbanken der Länder entnehmbaren Angaben zum 31.12.2010 empfohlen. Verwiesen sei zudem auf die sich mit der zum 04.09.2011 vollzogenen Reform in Mecklenburg-Vorpommern verbindenden, hier nicht abgebildeten Änderun- gen.

In Anerkenntnis der funktional-empirischen Verbindungen zwischen Kreisgebiets- Erweiterte Kom- munalisierung reform und Funktionalreform sprechen sich die politischen Akteure im Übrigen meist für eine erweiterte Kommunalisierung bislang vom Land wahrgenommener Aufgaben aus. Voraussetzung hierfür sollte es sein, dass die Kreisverwaltungen nach den Grundsätzen einer zweckmäßigen, wirtschaftlichen, orts- und bürgerna- hen Verwaltung die am meisten geeigneten Verwaltungsträger für die Wahrneh- mung der jeweiligen Aufgaben sind. Durch den Abbau von Doppelzuständigkeiten und die Bündelung von Aufgaben sollten hier Synergie- und Skaleneffekte erzeugt werden. Dabei sei bei der Neuordnung von Landkreisen zu berücksichtigen, dass die Wirtschaftlichkeit der Aufgabenwahrnehmung und die fachliche Kompetenz weiter gewährleistet sind. Zur Sicherung transparenter Strukturen sollten Lan- desaufgaben zudem auf alle Landkreise übertragen werden.

Mit Blick auf die meist kritischen Stadt-Umland-Beziehungen verweisen entspre- Problematische Stadt-Umland- chende Ansätze vor allem auf die intensiven Verflechtungsbeziehungen zwischen Beziehungen den kreisfreien Städten und den Nachbar-Landkreisen sowie den im Umland lie- genden Gemeinden. Dabei findet sich dann freilich nicht selten eine Situation, nach der diese Verflechtungsräume durch zahlreiche Verwaltungsgrenzen durchschnit- ten sind, sodass Verwaltungsräume oft nicht mit den Verflechtungsräumen überein-

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stimmen. Die vielschichtigen gegenseitigen Abhängigkeiten und Konkurrenzen beeinträchtigen dabei die Kooperation, zumal einzelne Ordnungs- und Vertei- lungsprobleme die Zuständigkeit von Verwaltungsträgern übersteigen. Dies abzu- bauen, sei das Ziel veränderter Stadt-Umland-Beziehungen, ein besonderes Anlie- gen des Gutachters im Rahmen dieser teilregionalen Untersuchung.

In der Konsequenz wird es für erforderlich gehalten, das Verhältnis zwischen kreis- freien Städten und ihrem Umland sowohl auf der Ebene Stadt-Landkreis als auch auf der Ebene Stadt-Umlandgemeinde bei Bedarf strukturell neu zu regeln. Unter den Maßnahmen wird dann meist unterschieden zwischen: • einer Verstärkung der interkommunalen Zusammenarbeit (IKZ), • einer Anpassung der finanziellen Ausgleichsregelungen sowie • Eingemeindungsprozessen.

Die interkommunale Zusammenarbeit wird dabei als ein im Vergleich zu Einge- Interkommunale Zusammenarbeit meindungen das Recht auf kommunale Selbstverwaltung schonenderes Mittel in Betracht gezogen, während Eingemeindungen dann zulässig sind, wenn sie sich aus Gründen des öffentlichen Wohls als geeignet bzw. erforderlich erweisen. Aller- dings wird ein Eingriff in den Gebietsstand einer Gemeinde meist eben nur als ultima ratio bezeichnet. Ob schließlich durch eine Änderung und Anpassung der bestehenden finanziellen Ausgleichsregelungen zur Entspannung der bestehenden Probleme beigetragen werden kann, ist im Einzelfall zu überprüfen.

Dass an solche Überlegungen beträchtliche verfassungsrechtliche Anforderungen19 Verfassungsrecht- liche Anforderun- zu stellen sind, ist den Beteiligten wohl bewusst, die neue Rechtsprechung wird in gen konkretere Überlegungen meist umfassend einbezogen. Dies gilt vor allem für jenen erweiterten Einschätzungs- und Bewertungsspielraum, der dem Gesetzgeber durch den Verfassungsgerichtshof des Freistaates Bayern20 bei der Bestimmung des öffentlichen Wohls zugesprochen wurde. Entscheidend ist dabei, dass das öffentli- che Wohl nicht rein kommunal bezogen ist und sein kann. Der Gesetzgeber hat vielmehr die Interessen der betroffenen Gebietskörperschaften ebenso wie die des Landes, überörtliche Gründe wie örtliche Belange, Interessen der Bürgerinnen und Bürger wie die der Wirtschaft in seine Überlegungen einzubeziehen. Auch wird mit Recht darauf verwiesen, dass eine Kreisstrukturreform die kommunale Selbstver- waltung mit dem ihr nach der Verfassung zukommenden Gewicht in besonderer Weise in den jeweiligen Abwägungsprozess einzubeziehen hat. Dabei müssen ihre beiden wesentlichen Merkmale in den Blick genommen werden: Weder darf die Wirtschaftlichkeit der Verwaltung noch die bürgerschaftlich-demokratische Ent-

19 Vgl. dazu Hesse, a.a.O., 2011c, 373ff. 20 BayVerfGH BayVBl 1981, 143.

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scheidungsfindung einseitig in den Vordergrund gestellt werden, ohne dass die jeweils andere Komponente hinreichend berücksichtigt ist. Dies schließt allerdings nicht aus, dass der Gesetzgeber sich etwa zu Lasten bürgerschaftlicher Mitwirkung für eine wirtschaftlich sinnvolle Lösung entscheidet. Schließlich wird ausgeführt, dass dem Status einer Gemeinde als „kreisfreie Stadt“ als solchem keine unmittel- bare verfassungsrechtliche Bedeutung zukommt. Der Verlust der Kreisfreiheit lässt den gemeindlichen Charakter und das Gebiet der eingekreisten Städte unberührt. Anders als die Landkreise werden eingekreiste Städte hier nicht aufgelöst, sondern bleiben selbständige Gemeinden mit dem Recht auf kommunale Selbstverwaltung.

Etwaige konkretere Formen sind mithin sorgfältig zu begründen, wobei die meist Begründungs- zwänge als „tragende Elemente“ bezeichnete Schaffung nachhaltig tragfähiger und effizien- ter Verwaltungsstrukturen sowie der Erhalt und die Stärkung der ehrenamtlich ausgeübten kommunalen Selbstverwaltung durchaus funktional zu erweitern sind; hier geht es um die Ergänzung der Kriterien Flächenausdehnung und Einwohner- zahl, wobei vor allem materielle, d.h. aufgabenbezogene Gründe eine Rolle spielen sollten. Im Übrigen ist auf Skalen- oder Skalierungseffekte zu verweisen, die auf positive Kostenwirkungen bei vergrößerten Handlungseinheiten zielen. In diesem Kontext spielen auch Remanenzkosten eine Rolle, also Kosten, die durch die Un- terauslastung einer auf eine bestimmte Nutzerzahl ausgelegten Infrastruktur durch Bevölkerungsrückgang entstehen. Dieser Befund deckt sich mit Erkenntnissen des Gutachters aus zahlreichen weiteren in den Flächenländern der Bundesrepublik durchgeführten Arbeiten der vergangenen Jahre. Einmal mehr erweist es sich in diesem Kontext als hilfreich, gerade den Vergleich in die Überlegungen mit einzu- beziehen. Danach haben die in Tab. 2-E aufgeführten Durchschnittswerte etwa für die Länder Baden-Württemberg, Hessen, Niedersachsen, das Saarland und Schles- wig-Holstein beträchtliche Einwohnerzahlen ausgewiesen, wobei für keines dieser Länder Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass die dortigen Landkreise in Folge zu hoher Einwohnerzahlen nicht mehr effektiv arbeiten könnten. Obwohl eine ausrei- chende Zahl von empirischen Belegen fehlt, ist es mithin durchaus plausibel, anzu- nehmen, dass größere Kreisverwaltungen effizienter zu verwalten vermögen als kleinere und einwohnerstärkere in der Regel geringere Verwaltungskosten je Ein- wohner verursachen als einwohnerschwächere.

Entscheidend könnte zudem eine wichtige analytische Erweiterung bei der Beurtei- Differenzierung des Selbstverwal- lung der Wesensmerkmale kommunaler Selbstverwaltung sein. Hier weist die vom tungsverständnis- Gutachter in einem anderen Kontext vorgestellte Differenzierung zwischen norma- ses tiv-institutioneller, materieller und funktionaler Selbstverwaltungsdimension21 dar-

21 Hesse/Götz, a.a.O., 2008/2009.

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auf hin, dass die in einem bestimmten Rahmen erweiterten Kreisstrukturen eben nicht nur als eine Belastung der Ehrenamtlichkeit und bürgerschaftlichen Teilhabe zu begreifen sind, sondern ebenso als Beitrag zur materiellen Absicherung funda- mentaler Selbstverwaltungsrechte, die diese Vertretungskörperschaften auszuüben haben. Aufgrund von Befragungen in einer Reihe von Flächenländern kann als gesichert gelten, dass unbeschadet der normativen Anforderungen an eine bürger- schaftlich-demokratische Teilhabe die materiellen Grundlagen einer entsprechen- den Entscheidungsfindung in den Vertretungskörperschaften zunehmend erodieren und im Rahmen der Landkreise nicht immer mehr gegeben sind, mithin das Schutzgut kommunaler Selbstverwaltung bei einem Nichttätigwerden des Gesetz- gebers bedroht ist. Aus dieser Sicht stößt das Vorhaben einer Kreisgebietsreform nicht nur auf normativ begründete Schranken, sondern könnte durchaus auch der Sicherung vitaler Selbstverwaltung im Sinne ihres verfassungsrechtlich gebotenen Gehalts dienen. Hinzu treten jene Handlungsmöglichkeiten, die den Kreisen im Rahmen von Funktionalreformen zuwachsen, auch wenn es sich dabei nicht um Kompetenzverlagerungen in den eigenen Wirkungskreis handelt. Gebietsreformen stellen mithin nicht nur eine notwendige, die Selbstverwaltung in gewissem Um- fang beeinträchtigende Maßnahme dar, sondern dürften auch stabilisierend wirken bzw. die Selbstverwaltungsfähigkeit in materieller wie funktionaler Sicht über- haupt erst wieder herstellen. Deutlich größere Gebietseinheiten könnten sich also als sinnvoll erweisen und sind gerade bei größeren Bevölkerungsverlusten und haushalterischen Verwerfungen durchaus vertretbar, zumal regionale Arbeitstei- lungen bereits heute feststellbar sind.

Darüber hinaus findet sich in der Diskussion eine interessante Variante insofern, Bildung von Stadtkreisen als gelegentlich auch Stadtkreisbildungen empfohlen werden, die freilich eher in dicht besiedelten und prosperierenden ländlichen Räumen greifen dürften und zu- dem vorliegenden „Leitbildern“ widersprächen, nach denen die Schaffung leis- tungsfähiger und langfristig tragfähiger Kommunalstrukturen im ganzen Land vor- zusehen seien.22 Allerdings gibt es gute Gründe, diese Diskussion ggf. wieder auf- zunehmen, etwa mit Blick auf die vom Gutachter bereits für den Raum Wolfsburg– Gifhorn–Helmstedt vorgestellte Reformperspektive, die auch für etwaige Lösungen in Südniedersachsen und Nordostniedersachsen von Bedeutung sein könnte; dies gilt insbesondere dann, wenn sich damit etwa ein Entwicklungsmodell entwickeln ließe, das nicht nur eine zeitgemäße Lösung von Stadt-Umland-Problemen, son- dern auch den in Niedersachsen erkennbaren „Flickenteppich“ von entsprechenden Strukturmerkmalen auflösen könnte.

22 Siehe hierzu Hesse, a.a.O., 2004b.

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Angesichts dieses Standes der Diskussion bietet es sich an, auch jene Maßstäbe zur Einkreisungen Beurteilung von Einkreisungen vorzustellen, die in der Fachöffentlichkeit wie in der Rechtsprechung erkennbar sind. Hier ist zunächst der Beschluss des Verfas- sungsgerichtshofs des Freistaates Sachsen aus dem Jahr 2008 vom Bedeutung, der sich mit einem Antrag der kreisfreien Stadt Plauen auf kommunale Normenkontrol- le gegen Bestimmungen des Gesetzes zur Neugliederung des Gebiets der Landkrei- se des Freistaates Sachsen vom 29.01.2008 befasste, in dem ihre Kreisfreiheit auf- gehoben und sie mit den Gemeinden des bisherigen Kreisgebiets zu einem neu zu bildenden Kreis vereint wurde. Dieser Antrag wurde seitens des Verfassungsge- richtshofs verworfen, wobei einige der diskutierten Maßstäbe auch für andere Flä- chenländer von Bedeutung sind.

So hieß es zu den Zielen der Neugliederung: „Die Struktur der Neugliederung auf Ziele einer Neu- gliederung der Ebene der Landkreise und kreisfreien Städte strebt das Ziel einer Stärkung der kommunalen Selbstverwaltung und eine bürgerfreundliche Verwaltung an, indem der Aufgabenbestand durch Kommunalisierung deutlich erweitert und zugleich die Leistungsfähigkeit der kreiskommunalen Ebene erhöht und die grundlegende Vor- aussetzung geschaffen wird, im Sinne der kreislichen Ausgleichs- und Ergänzungs- funktion vor Ort besser auf die sich ändernden Rahmenbedingungen reagieren zu können. Es geht zudem um eine nachhaltige Verbesserung der Effizienz des öffent- lichen Verwaltungshandelns wie um eine Steigerung der Wirtschaftlichkeit der Landkreise.“23 Diese und die kreisfreien Städte sollen in die Lage versetzt werden, ohne Qualitätsverlust bei den übertragenen Aufgaben größere finanzielle Hand- lungsfreiräume erwirtschaften zu können. Die Kosten öffentlicher Dienstleistungen sollen vermindert und Synergieeffekte genutzt werden. Die Hoffnung geht dahin, dass die Landkreise und kreisfreien Städte sich verstärkt als Impulsgeber für eine ausgewogene soziale, wirtschaftliche und kulturelle Entwicklung erweisen. Sie sollen insbesondere vermehrt dazu beitragen, • eine umfassende und ausgewogene Entwicklung aller Landesteile zu gewähr- leisten, • strukturelle Unterschiede zwischen den Landkreisen sowie zwischen den Landkreisen und kreisfreien Städten besser ausgleichen zu können, • flexibler auf Schwankungen und externe Einflüsse reagieren zu können, • eine hohe Stabilität im länderübergreifenden Wettbewerb, insbesondere auch mit Blick auf die neu beigetretenen Mitgliedstaaten der Europäischen Union, zu erreichen, • die Standortverteilung weitgehend in eigener Verantwortung zu planen und umzusetzen,

23 Urteil des Verfassungsgerichtshofes des Freistaates Sachsen vom 25. September 2008, Vf. 54- VIII-08, 4.

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• Verwaltungskosten einzusparen sowie • die Einheit von Ökonomie, Ökologie und Sozialem innerhalb des Landkreises zu sichern.

Auf dieser Zielebene kommt es dann zum Ausweis spezifischer Leitlinien, die sich Leitlinien der Reform durch die Übertragung erweiterter Aufgaben auf die Schaffung einer weitgehend ausgewogenen und längerfristigen Gesamtstruktur richten, wobei als Zielgrößen für die kreiskommunale Verwaltungsebene in diesem Fall mehr als 200.000 Ein- wohner und eine Flächengröße von in der Regel 3.000 km2 vorgegeben wurden.

Bei der Beurteilung des vorgelegten Antrags auf kommunale Normenkontrolle Prüfmaßstäbe wies auch die Sächsische Staatsregierung zunächst darauf hin, dass Gebietsände- rungen nur aus Gründen des Gemeinwohls und nach einer Anhörung erfolgen dürften. Die erstrebte Zukunftssicherung der Verwaltungsstrukturen stelle ein legi- times Ziel gesetzgeberischen Handelns dar, zudem käme dem Gesetzgeber mit Blick auf die zu erreichenden Einsparpotentiale eine Einschätzungsprärogative zu, zumal die Gesetzesbegründung ausdrücklich den Prognosezeitraum thematisiere. Ein weiteres Warten auf konkretere Daten sei nicht zumutbar, da ansonsten wert- volle Zeit verloren gehen könne. Schließlich stehe dem Gesetzgeber ein Spielraum bei der Beurteilung der Frage zu, ob verschiedene Modelle gleichermaßen zur Ver- folgung der gesetzgeberischen Ziele geeignet seien; auch sei das auf eine kommu- nale Gebietsreform gerichtete Verfahren ergebnisoffen zu führen, woraus jedoch nicht folge, dass der Gesetzgeber alle theoretisch denkbaren Entscheidungsalterna- tiven behandeln müsse. Angesichts dieser Ausgangssituation kam der Sächsische Verfassungsgerichtshof zu folgenden über den Fall beträchtlich hinausgehenden Einschätzungen:

„Der Verlust der Kreisfreiheit lässt den gemeindlichen Charakter und das Gebiet der kreisfreien Stadt unberührt, da die Organisationsform ausschließlich ge- meindlich geprägt ist. Die unmittelbaren Wirkungen der angegebenen Regelungen beschränken sich deshalb darauf, dass die kreisfreie Stadt künftig nicht mehr für die Erfüllung der den kreisfreien Städten übertragenen Pflichtaufgaben nach Wei- sung sowie der überörtlichen Aufgaben der Selbstverwaltung zuständig ist.

Der Verlust der Kreisfreiheit greift allerdings in die Selbstverwaltungsgarantie des Art. 82 Abs. 2 SächsVerf ein (…). Die Gewährleistung der kommunalen Selbst- verwaltung sichert den Trägern kommunaler Selbstverwaltung innerhalb ihrer Zu- ständigkeit einen alle ihre Angelegenheiten umfassenden Aufgabenbereich sowie die Befugnis zur eigenverantwortlichen Führung der Geschäfte. Sie garantiert zu- dem die Existenz der Gemeinde- und Kreisebene als Institutionen. Dieser Schutz erstreckt sich aber nicht auf die spezifische Organisationsform der kreisfreien Stadt. Deren Bestandteil wird in der Sächsischen Verfassung weder ausdrücklich gefordert noch institutionell vorausgesetzt. Vielmehr ist die kreisfreie Stadt verfas-

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sungsrechtlich Gemeinde (…) und lediglich (…) einfach-rechtlich als untere Ver- waltungsbehörde im Sinne bundes- und landesrechtlicher Vorschriften ausgestaltet (…).

Dessen ungeachtet berührt die Einkreisung die Antragstellerin in einer Intensität, Gefährdete Selbstverwal- die mit Blick auf die Selbstverwaltungsgarantie einer besonderen Rechtfertigung tungsgarantie bedarf (…). Mittelbar gehen mit der Einkreisung erhebliche Auswirkungen im Bereich der Finanzen, der Personalwirtschaft und der demokratischen Legitimation der Aufgabenerfüllung einher. In finanzieller Hinsicht hat der Statusverlust insbe- sondere auf die Einnahmen aus dem Finanzausgleich gewichtigen Einfluss. Der Antragstellerin bisher zustehende Geldmittel (…) entfallen oder vermindern sich. Selbst wenn insoweit höhere Zuweisungen an den neu zu bildenden Vogtlandkeis erfolgen sollten, könnte doch die Antragstellerin nicht mehr über deren Verwen- dung entscheiden. Des Weiteren führt die Einkreisung dazu, dass die Antragstelle- rin wegen des geringeren Personalbedarfs arbeits- und dienstrechtliche Maßnah- men ergreifen muss. Auch beeinflusst der Verlust der Kreisfreiheit die Rechtsstel- lung verschiedener Gemeindeorgane (vgl. § 51 Abs. 4, § 55 Abs. 1 SächsGemO). Die Antragstellerin ist darüber hinaus in ihrem Gebiet künftig nicht mehr einzige Trägerin der kommunalen Selbstverwaltung, sondern hat diese mit dem neu zu bildenden Vogtlandkreis zu teilen. Dies wirkt auf die Intensität der kommunalen Selbstverwaltung zumindest insoweit ein, als ihre Bürger und sonstigen Wahlbe- rechtigten nicht mehr ausschließlich die Organe der kommunalen Selbstverwaltung bestimmen. Nunmehr kommt diese Befugnis hinsichtlich der dem Landkreis zuge- wiesenen Selbstverwaltungsangelegenheiten den Bürgern und sonstigen Wahlbe- rechtigten des neu zu bildenden Vogtlandkreises zu. Zumindest tendenziell wird hierdurch auch die von der Antragstellerin auf ihre Einwohner ausgehende identi- tätsstiftende Wirkung reduziert. Schließlich können sich aus der Einkreisung – bislang auszuschließende – Zuständigkeitskonflikte zwischen der Antragstellerin und dem künftigen Vogtlandkreis ergeben, die strukturell geeignet sind, die kom- munale Selbstverwaltung zu schwächen. Unmittelbar führt die Einkreisung zu einer Aufgabenverlagerung von der Antrag- stellerin auf den künftigen Vogtlandkreis, also einer Kompetenzverschiebung zwi- schen zwei Selbstverwaltungsträgern. Diese erfasst nicht nur jene Aufgaben, die der Kreisfreien Stadt als untere Verwaltungsbehörde (vgl. § 3 Abs. 3 SächsGemO), also von der staatlichen Ebene, zugewiesen sind. Vielmehr geht die Antragstellerin infolge ihrer Einkreisung auch solcher – bis dahin gemeindlicher – Selbstverwal- tungsangelegenheiten verlustig, die innerhalb eines Kreisgebietes gemäß § 2 Abs. 1 SächsLKrO vom Landkreis wahrgenommen werden. Jedenfalls Letzteres stellt einen Eingriff in die kommunale Selbstverwaltungsgarantie dar.

37 Kommunalstrukturen in Nordostniedersachsen

Welche Anforderungen angesichts der dargelegten Auswirkungen an die Verfas- sungsmäßigkeit der Einkreisung im Einzelnen zu stellen sind (vgl. BVerfG NVwZ 1982, 95; VerfGH NRW, Urteil vom 7. November 1975 – 64/74 – juris Rn. 34 ff.), bedarf keiner Entscheidung. Die angegriffenen Regelungen sind nämlich selbst dann mit der Sächsischen Verfassung vereinbar, wenn sie an den prozeduralen und materiellen Erfordernissen einer Gebietsreform – und damit an den denkmöglich strengsten Maßstäben – gemessen werden: Hiernach hat der Einkreisung eine Anhörung der betroffenen Kreisfreien Stadt Anhörung der Betroffenen vorauszugehen. Bei einer Gebietsänderung ermöglicht die Anhörung den betroffe- nen Gemeinden, ihre Sicht in einer für sie wesentlichen Frage zur Geltung zu brin- gen. Darüber hinaus trägt die Anhörung dazu bei, dass der Gesetzgeber eine umfas- sende und zuverlässige Kenntnis von allen abwägungserheblichen Belangen recht- licher und tatsächlicher Art erlangt (SächsVerfGH JbSächsOVG 2, 61 [71 f.]; JbSächsOVG 2, 110 [120]; JbSächsOVG 7, 31 [40]; JbSächsOVG 7, 51 [59]; SächsVBl. 1999, 236 [238]). Materiell gehört zum Inhalt des verfassungsrechtlich gewährleisteten Kernbereichs des Selbstverwaltungsrechts auch, dass Verlagerun- gen von Aufgaben mit relevantem örtlichen Bezug nur aus Gründen des Wohls der Allgemeinheit zulässig sind (Sächs-VerfGH JbSächsOVG 7, 51 [60]; vgl. BVerf- GE 79, 127 [153]; 107, 1 [21]). Der Gesetzgeber hat zunächst den unbestimmten Begriff des Gemeinwohls inner- halb der ihm durch die Sächsische Verfassung gezogenen Grenzen zu konkretisie- ren. Dabei bedarf es umso gewichtigerer gesetzgeberischer Ziele, je intensiver auf den kommunalen Aufgabenbestand eingewirkt wird. Bindet der Gesetzgeber die Einkreisung in ein umfassendes Neugliederungsvorha- ben ein, müssen darüber hinaus die Grundsätze und Leitlinien der Gebietsreform für sich den verfassungsrechtlichen Wertungen entsprechen und dem allgemeinen Wohl dienen. Dazu gehört insbesondere, dass die angelegten Kriterien zu keiner offensichtlich fehlsamen Bewertung anderer Formen kommunaler Aufgabenerledi- gung führen. Die Verfassung gebietet des Weiteren, dass das Ergebnis der Abwägung den Gebo- ten der Systemgerechtigkeit und der kommunalen Gleichbehandlung genügt (SächsVerfGH JbSächsOVG 7, 31 [41]; 7, 51 [61]) und dass Abweichungen von den aufgestellten Grundsätzen und Leitlinien gerechtfertigt sind (vgl. BVerfGE 50, 50 [53]). Ob darüber hinaus bei einer Einkreisung die Gründe des Gemeinwohls ihre Basis in der institutionellen Garantie der Selbstverwaltung haben müssen (vgl. hierzu: SächsVerfGH JbSächsOVG 7, 17 [23 f.]; SächsVBl. 1997, 79 [80]), kann dahin- stehen. Wie nachstehend näher dargelegt wird, werden die angegriffenen Regelun- gen nämlich selbst solchen Anforderungen gerecht.

38 Kommunalstrukturen in Nordostniedersachsen

Allein dem demokratisch legitimierten Gesetzgeber kommt es zu, die relevanten Belange im Einzelnen zu gewichten und zu bewerten sowie die Vor- und Nachteile von Handlungsalternativen in die Abwägung einzustellen (SächsVerfGH JbSäch- sOVG 3, 107 [117]; st. Rspr.). Diesen dem Landtag gesetzten verfassungsrechtlichen Vorgaben korrespondiert die Kontrollkompetenz des Verfassungsgerichtshofs, der die Entscheidungsspielräume des Gesetzgebers zu respektieren hat. Auf der ersten Stufe prüft der Verfassungsgerichtshof nur, ob – im Lichte der Prüfung des Ver- fassungsgerichts- kommunalen Selbstverwaltungsgarantie – verfassungsrechtlich legitime Reform- hofs ziele verwirklicht werden sollen (SächsVerfGH JbSächsOVG 3, 107 [116]; JbSächsOVG 7, 17 [24]). Die vom Sächsischen Landtag als Ordnungsrahmen auf- gestellten Grundsätze und Leitlinien hat der Verfassungsgerichtshof daran zu mes- sen, ob sich aufdrängende Gemeinwohlaspekte übersehen wurden, ob die den Grundsätzen zugrunde liegenden Erkenntnisse offensichtlich unzutreffend sind sowie ob die Grundsätze offensichtlich ungeeignet sind, um das Reformziel zu verwirklichen (SächsVerfGH JbSächsOVG 7, 17 [24]). Die einzelne Neugliede- rungsmaßnahme hat der Verfassungsgerichtshof darauf zu kontrollieren, ob der Sächsische Landtag den für seine Regelung erheblichen Sachverhalt vollständig ermittelt und berücksichtigt sowie die Gemeinwohlgründe und die Vor- und Nach- teile der Alternativen in die Abwägung eingestellt hat (SächsVerfGH JbSächsOVG 7, 17 [24]; BVerfGE 50, 50 [51]). Im Übrigen beschränkt sich die Kontrolle darauf, ob die Ziele, Wertungen und Prognosen des Gesetzgebers offensichtlich und eindeutig widerlegbar sind oder den Prinzipien der verfassungsrechtlichen Ordnung widersprechen (vgl. Sächs- VerfGH SächsVBl. 1997, 79 [80]), ob der Gesetzgeber das von ihm geschaffene Konzept in einer dem verfassungsrechtlichen Gebot der Systemgerechtigkeit genü- genden Weise umgesetzt hat (vgl. SächsVerfGH JbSächsOVG 3, 107 [119]) und ob das Abwägungsergebnis zu den verfolgten Zielen deutlich außer Verhältnis steht oder von willkürlichen Gesichtspunkten oder Differenzierungen beeinflusst ist (vgl. BVerfGE 86, 90 [109]). Hierbei hat sich der Verfassungsgerichtshof an der Gesetzesbegründung zu orientieren, aus der die für den Abwägungsprozess undsein Ergebnis relevanten Gesichtspunkte erkennbar sein müssen.“24 Legt man diese Maßstäbe zugrunde, wird man jedwedes Verfahren daran zu mes- sen haben, ob es sachadäquat, problemangemessen, ergebnisoffen und verfahrens- kompatibel durchgeführt wurde.

24 Urteil des Verfassungsgerichtshofes des Freistaates Sachsen vom 25. September 2008, Vf. 19- VIII-08 (HS) und 20-VIII-08 (e. A), 15-19.

39 Kommunalstrukturen in Nordostniedersachsen

Wie bereits für die Kreise ausgewiesen, empfiehlt sich im Übrigen auch für den Landesvergleich der Gemeinde- gemeindlichen Bereich ein erweiterter Vergleich. Wie unterschiedlich dabei schon größen die Gemeindegrößen im Ländervergleich ausfallen, machen die Übersichten auf den folgenden Seiten deutlich (Tab. 2-G und 2-H). Im Übrigen ist für den Gesamtkontext der hier verfolgten Fragestellungen natürlich Prägendes Urteil des Landesverfas- auch das mit Spannung erwartete Urteil des Landesverfassungsgerichts Mecklen- sungsgerichts burg-Vorpommern25 anzusprechen, das im August dieses Jahres erging und sich auf Mecklenburg- Vorpommern das Gesetz zur Schaffung zukunftsfähiger Strukturen für die Landkreise und kreis- freien Städte des Landes Mecklenburg-Vorpommern (Kreisstrukturgesetz) vom 12. Juli 2010 (GVOBl. M-V 2010, S. 366) richtete. Die Beschwerdeführer umfassten zum einen die Hansestädte Wismar und Greifswald, zwei der sechs kreisfreien Städte des Landes Mecklenburg-Vorpommern, die sich mit ihrer Verfassungsbe- schwerde gegen die mit dem Kreisstrukturgesetz beschlossene Reform wandten, nach der sie ihre Kreisfreiheit verlieren sollten. Zum zweiten entschied das Lan- desverfassungsgericht über Verfassungsbeschwerden der Landkreise Ludwigslust, Müritz, Ostvorpommern, Rügen und Uecker-Randow gegen das ihre Auflösung bewirkende Gesetz. Das angefochtene Kreisstrukturgesetz enthielt zunächst das Gesetz zur Neuordnung der Landkreise und kreisfreien Städte des Landes Meck- lenburg-Vorpommern, nach dem mit Ablauf des 3. September 2011 die bisherigen zwölf Landkreise aufgelöst werden sollten. Aus ihnen wurden mit Wirkung vom 4. September 2011 inzwischen sechs neue Kreise gebildet, in die von den kreisfreien Städten die Hansestädte Greifswald, Stralsund und Wismar sowie die Stadt Neu- brandenburg unter Aufhebung ihrer Kreisfreiheit mit dem neu geschaffenen Status als Große Kreisangehörige Stadt eingegliedert wurden, während die Hansestadt Rostock und die Landeshauptstadt Schwerin kreisfrei blieben. Diese Verfassungsbeschwerden wurden zurückgewiesen. Dabei lassen sich die Abweisung der kommunalen Ausführungen des Gerichts exemplarisch anhand des Urteils zur Einkreisung der Verfassungsbe- Stadt Wismar wie folgt zusammenfassen:26 Die kommunale Verfassungsbeschwer- schwerden de ist mit ihrem Hauptantrag unbegründet. Die vom Gesetzgeber ins Werk gesetzte umfassende Reform der Kreisstruktur unter Einbeziehung bisher kreisfreier Städte hält einer verfassungsgerichtlichen Prüfung stand. Die Beschwerdeführerin wird insbesondere nicht in ihrem Recht auf Selbstverwaltung aus Art. 72 Abs. 1 Satz 1 LV verletzt. Der Landtag ist befugt, in Ausübung seiner gesetzgebenden Gewalt, die sich auch auf die Organisation, Zuständigkeiten und Verfahren der öffentlichen Verwaltung erstreckt, die Strukturen nicht nur auf Gemeinde-, sondern auch

25 Landesverfassungsgerichts Mecklenburg-Vorpommern: Urteil 21/10 vom 18. August 2011; dass.: Urteil 23/10 vom 18. August 2011. 26 a.a.O., 23/10.

40 Kommunalstrukturen in Nordostniedersachsen

Tabelle 2-G: Gemeindegrößen im Ländervergleich (zum Stand 31.12.2008) ------100 100 0,1 0,1 2,4 100 100 Bev. 36,8 36,8 54,7 65,8 84,6 12,5 12,5 528 528 ------4 3 ) Westfalen 47 14 11 51 Nordrhein- 396 396 141 141 125 125 Zahl rechts - - 100 100 0,2 0,2 2,2 7,0 100 100 Bev. 10,2 10,2 14,5 25,9 44,8 71,5 80,7 90,4 93,5 167 167 - - 6 1 1 33 87 73 12 203 203 268 104 123 112 Zahl Niedersachsen Niedersachsen 1.024 1.024 - - - 100 100 0,4 0,4 6,3 100 100 Bev. 18,4 18,4 28,0 33,9 43,3 53,2 64,5 71,6 88,0 72 - - - 4 4 1 43 39 40 25 15 849 849 272 272 287 118 Vorpommern Zahl Mecklenburg- - - - 100 100 0,0 0,0 0,3 1,6 6,5 100 100 Bev. 23,4 23,4 47,8 69,3 77,1 84,6 89,2 völkerungsanteil, kumuliert in Prozent ( kumuliert in Prozent völkerungsanteil, 288 288 Hessen Hessen - - - 1 7 3 1 1 10 29 75 47 426 426 144 144 108 Zahl - - - - 100 100 0,2 0,2 4,0 8,5 8,5 100 100 Bev. 57,9 57,9 84,7 90,0 11,6 11,6 18,5 34,3 86 - - - - 2 2 11 79 31 43 52 44 24 420 420 Brandenburg 132 132 Zahl - - 100 100 0,0 0,0 0,9 7,9 100 100 Bev. 27,8 27,8 45,9 62,8 62,8 73,9 78,3 83,2 85,3 15,1 15,1 177 177 Bayern - - 2 9 5 1 2 47 134 134 598 367 409 330 152 Zahl 2.056 2.056 - Absolute Anzahl der Gemeinden (links) und Be Gemeinden der Anzahl Absolute 100 100 0,0 0,0 0,1 0,4 2,0 5,7 100 100 Bev. 14,4 14,4 31,8 50,3 72,7 81,1 86,9 94,5 301 301 Baden- - 7 5 3 1 30 46 78 13 Württemberg Württemberg 106 106 162 239 271 148 Zahl 1.109 1.109

Gemeinden mit Gemeinden mit … … bis unter Einwohner 100 unter - 200 100 - 500 200 - 1.000 500 - 2.000 1.000 - 3.000 2.000 - 5.000 3.000 - 10.000 5.000 10.000 - 20.000 20.000 - 50.000 - 100.000 50.000 100.000 - 200.000 200.000 - 500.000 500.000 und mehr insgesamt Bevölkerungsdichte*

41 Kommunalstrukturen in Nordostniedersachsen

Tabelle 2-H: Gemeindegrößen im Ländervergleich (zum 31.12.2008) (Forts.) - 0,1 0,1 0,7 5,0 100 100 100 12,2 12,2 20,1 27,5 39,6 49,6 57,1 79,2 82,1 91,1 Bev. 142 142 - ) 1 2 1 Thüringen Thüringen 20 80 66 77 35 12 17 287 287 959 959 229 229 132 Zahl rechts - - 0,1 0,1 0,6 4,1 100 100 100 11,7 11,7 20,4 26,3 32,3 43,7 60,5 75,7 84,1 Bev. 180 180 - - 3 2 48 91 70 45 45 33 15 291 291 294 294 182 Zahl 1.119 1.119 Schleswig-Holsein Schleswig-Holsein - - 0,0 0,0 0,6 5,3 100 100 100 13,4 13,4 22,5 27,5 31,8 43,9 53,5 76,9 80,6 Bev. 118 118 - - 1 2 6 49 27 38 17 18 91 277 277 154 332 332 Zahl Sachsen-Anhalt Sachsen-Anhalt 1.012 1.012 völkerungsanteil, kumuliert in Prozent ( kumuliert in Prozent völkerungsanteil, - - - 0,2 0,2 4,0 0,0 0,0 100 100 100 10,0 10,0 21,1 35,9 50,2 64,5 69,7 75,5 Bev. 229 229 - - - Sachsen Sachsen 1 9 3 1 2 91 42 21 107 107 101 118 496 Zahl ------9,1 9,1 100 100 100 51,0 51,0 82,9 Bev. 404 404 ------1 Saarland 12 29 10 52 Zahl - - 0,2 0,2 1,1 6,7 100 100 100 16,9 16,9 29,3 36,8 45,1 58,5 67,4 78,3 85,7 Bev. Absolute Anzahl der Gemeinden (links) und Be Gemeinden der Anzahl Absolute 204 204 - - 4 4 88 77 25 13 136 136 237 662 575 360 125 Zahl Rheinland-Pfalz Rheinland-Pfalz 2.306 2.306

Gemeinden mit Gemeinden mit … … bis unter Einwohner Bevölkerungsdichte* unter 100 100 unter - 200 100 - 500 200 - 1.000 500 - 2.000 1.000 - 3.000 2.000 - 5.000 3.000 - 10.000 5.000 10.000 - 20.000 20.000 - 50.000 - 100.000 50.000 100.000 - 200.000 200.000 - 500.000 500.000 und mehr insgesamt

Anmerkung: * In Einwohner je km². Die Intervalle, in denen die Medianwerte der Verteilungen lie- gen, sind hellgrau schattiert. Quelle: Eigene Berechnungen nach Statistisches Bundesamt: Statisti- sches Jahrbuch 2010 für die Bundesrepublik Deutschland, Wiesbaden, 2010, 40f.

42 Kommunalstrukturen in Nordostniedersachsen

auf Kreisebene – unter Einbeziehung der kreisfreien Städte – grundlegend neu zu regeln. Zwar wird für die Auflösung und Neubildung von Kreisen eine gesetzliche Regelung nicht ausdrücklich von der Verfassung, sondern nur einfachgesetzlich gefordert. Jedoch ergibt sich die Notwendigkeit eines Gesetzes daraus, dass es sich um eine grundlegende Entscheidung über die Ausgestaltung rechtlich selbstständi- ger und von der Verfassung mit eigener Rechtsstellung ausgestatteter Verwaltungs- träger handelt, die dem Parlament vorbehalten bleiben muss. Gleiches gilt für die Aufhebung der Kreisfreiheit einer bisher kreisfreien Stadt und deren Statusum- wandlung in eine Große Kreisangehörige Stadt, zumal dieser Status in Mecklen- burg-Vorpommern in Zusammenhang mit der Kreisstrukturreform erstmals ge- schaffen wurde.

Dies trägt dem Umstand Rechnung, dass die kommunale Selbstverwaltung in Art. 28 Abs. 2 GG den Ländern als Strukturprinzip ihres Verwaltungsaufbaus vorgege- ben und von ihnen zu gewährleisten ist. Als institutionelle Garantie bedarf sie der Ausgestaltung durch den Gesetzgeber, der ihrem Gewicht Rechnung tragen muss, wenn er von seiner Gestaltungskompetenz Gebrauch macht.

Auch wenn die Kreise keine Zweckschöpfungen des Gesetzgebers mit im Ver- Lediglich objekti- ver Schutz der gleich zu den Gemeinden „schwächelnder Selbstverwaltungsgarantie“ sind, son- Kreisebene insge- dern die Selbstverwaltung der Gemeinden und Kreise als kommunale Selbstver- samt waltung eine Einheit bilden, gilt auch für sie, dass Gebietsänderungen den verfas- sungsrechtlich geschützten Kernbereich im Grundsatz nicht beeinträchtigen. Art. 72 Abs. 1 Satz 2 LV enthält zu ihren Gunsten lediglich eine objektive Garantie der Kreisebene als Institution, den einzelnen Landkreis als solchen oder dessen konkre- ten Gebietsbestand sichert die Vorschrift nicht.

Darüber hinaus führte das Gericht aus, dass ein Landkreis gegenüber seiner Auflö- Bestätigung etab- lierter gerichtli- sung und/oder der Neuordnung von Kreisgebieten nicht ohne Schutz ist. So gehört cher Prüfungs- zum verfassungsrechtlich gewährleisteten Kernbereich der kreiskommunalen maßstäbe Selbstverwaltung auch, dass Veränderungen des Gebietszuschnitts nur aus Grün- den des Wohls der Allgemeinheit und nach Anhörung der die Veränderung betref- fenden Gebietskörperschaften zulässig sind; beides wird für die beanstandeten Neugliederungsmaßnahmen bejaht. Gleicherweise ist auch im Fall einer Einkrei- sung die Anwendung dieser verfassungsrechtlichen Maßstäbe für Gebietsänderun- gen geboten, weil kreisfreie Städte neben ihren Aufgaben als Gemeinden in ihrem Gebiet alle Aufgaben erfüllen, die den Landkreisen obliegen.

Darüber hinaus wird die angegriffene Kreisstrukturreform unter Berücksichtigung Einhaltung ver- fahrensbezogener der nur eingeschränkten Kontrolldichte den an ein solches Reformvorhaben zu und inhaltlicher stellenden prozeduralen und materiellen Anforderungen gerecht. So hat der Ge- Anforderungen setzgeber bei seiner grundlegenden Strukturreform der Kreisebene auch den Status

43 Kommunalstrukturen in Nordostniedersachsen

der kreisfreien Städte auf den Prüfstand gestellt und ist zu der Lösung gelangt, die vier der bisher sechs kreisfreien Städte in Form der Einkreisung in die Gesamtlö- sung einzubeziehen, ohne deren kommunales Selbstverwaltungsrecht in verfas- sungswidriger Weise zu beeinträchtigen.

Da sich zudem kein Verstoß gegen den Grundsatz der Systemgerechtigkeit findet, Wahrung der Systemgerechtig- kommt das Gericht in Anerkennung der Einschätzungsprärogative des Gesetzge- keit, des kreis- bers zu seiner Zurückweisung der Klage. Weder wurden schon nach dem dem Ge- lichen Gehalts und der Über- setzgebungsverfahren zugrunde gelegten Leitbild und den Leitlinien kommunale schaubarkeit Gebietskörperschaften geschaffen, die – vor allem in Hinblick auf den Richtwert für die künftigen Flächenausdehnungen – den strukturellen Anforderungen an Kreise generell nicht mehr gerecht würden, noch sieht das Landesverfassungsge- richt bei den schließlich gewählten Gebietszuschnitten die Überschaubarkeit unter dem Aspekt der Bürgernähe und Identifikation in einer Weise in Frage gestellt, die dazu führte, den neugebildeten Landkreisen die Eigenschaft von Kreisen abzuspre- chen.

Dieses Urteil ist insofern von Bedeutung, als damit Ansätzen zu einer Größerräu- Kontextspezifische rechtliche Absi- migkeit von Kreisstrukturen und zur Einkreisung vormals kreisfreier Städte eine cherung größer- weitere belastbare Basis geboten wird. Natürlich ist zu beachten, dass in den deut- räumiger Kom- munalstrukturen schen Flächenländern die jeweils spezifischen Ausgangsbedingungen zu berück- sichtigen sind (dies gilt hier in besonderer Weise für die demographischen Proble- me Mecklenburg-Vorpommerns), doch wird die bislang meist routinehafte Abwehr einer Vergrößerung kreiskommunaler Einheiten künftig erschwert. Dies gilt auch für die hier zur Diskussion stehenden Reformen der niedersächsischen Kommunal- struktur.

44 Kommunalstrukturen in Nordostniedersachsen

3 Die Ausgangssituation: der Raum Nordostniedersachsen im Rahmen der Landes- und Kommunalverwaltung

Im Folgenden wird der Raum Nordostniedersachsen zunächst einer strukturanalyti- schen Betrachtung unterzogen, um anschließend die Kennzeichnung als eigenstän- diger Regionaler Kooperationsraum insbesondere mit Blick auf die bereits umge- setzten Formen der regionalen Zusammenarbeit zu verdeutlichen. In einem zweiten Schritt gilt die Aufmerksamkeit kurz gefassten Strukturprofilen der relevanten Ge- bietskörperschaften; dabei stehen die jeweiligen territorialen, politischen und ad- ministrativen Rahmenbedingungen sowie die haushalterische und personelle Aus- gangssituation im Vordergrund.

3.1 Der Regionale Kooperationsraum

Im Rahmen der gesamthaften Untersuchung räumlicher Kooperationsstrukturen Kooperations- 1 räume in Nieder- identifizierte das Grundgutachten den länderübergreifenden Raum (Nord-)Nieder- sachsen sachsen/Hamburg bzw. die Metropolregion Hamburg als einen von fünf großfor- matigen Regionalen Kooperationsräumen (Makroebene) und konkretisierte die Analyse in einem zweiten Schritt durch den Ausweis der gegebenen komplexen Binnenstrukturen (Mesoebene). Diese Ausdifferenzierung verweist auf kleinteilige- re Kooperationsräume, die in einigen Fällen auch mit umliegenden Makroregionen in Verbindung stehen.

Neben den kleinräumigeren Strukturen der „Modellregion Nordostniedersachsen“ (bestehend aus den Landkreisen Lüneburg, Lüchow-Dannenberg und Uelzen) und den in der Süderelbe AG zusammengefassten Gebietskörperschaften (Landkreise Lüneburg, Harburg und Stade) stellen die Landkreise Heidekreis (Erweiterter Wirt- schaftsraum Hannover), Cuxhaven (Regionalforum Bremerhaven) und Rotenburg (keinem Kooperationsraum zugeordnet) Elemente der benannten Teilregion dar.

Basierend auf einer gesamthaften Betrachtung bestehender Formen der Zusam- menarbeit wird im Folgenden untersucht, ob das Gebiet um die Modellregion Nordostniedersachsen (unter Einschluss der Landkreise Celle und Harburg) einen geeigneten Betrachtungsraum für den Zuschnitt zukunftsorientierter Kommunal- strukturen und die Wahrnehmung des kreislichen Aufgabenspektrums darstellt.

Modellregion Nordostniedersachsen In Reaktion auf ein Angebot des Landes, modellhaft eine „Entwicklungspartner- „Modellregion Nordostnieder- schaft Region – Land“ für Nordostniedersachsen aufzubauen, fanden sich im Feb- sachsen“

1 Hesse, a.a.O., 2011c. 45

Kommunalstrukturen in Nordostniedersachsen

ruar 2005 die Landkreise Lüchow-Dannenberg, Uelzen, Lüneburg und die Stadt Lüneburg in einer freiwilligen Kooperation als „Modellregion Nordostniedersach- sen“ (NON) zusammen.

Abbildung 3.1-A: Regionale Kooperationsräume Niedersachsens (Mesoebene)

Quelle: Eigene Darstellung, Stand: Juli 2011.

Dem lag das Bemühen zugrunde, strukturschwache ländliche Räume gezielt über eine ressortabgestimmte Regionalpolitik zu unterstützen; die Landesregierung ver- folgte dies über einen im Jahr 2003 eingerichteten interministeriellen Arbeitskreis „Landesentwicklung und ländliche Räume“ (IMAK).2 Auf der Grundlage einer Ex- pertise des NIW wurden drei strukturschwache ländliche Regionen „mit besonde-

2 Kabinettsbeschluss vom 15.07.2003 zur Einrichtung eines interministeriellen Arbeitskreises „Landesentwicklung und ländliche Räume“. 46

Kommunalstrukturen in Nordostniedersachsen

rem Handlungsbedarf“ identifiziert, mit denen das Land vorrangig in einen partner- schaftlichen Dialog treten wollte.3

Der Kooperationsraum NON umfasst rund 320.000 Einwohner und stellt damit un- Innerregionale Unterschiede bei ter den vergleichbaren niedersächsischen Kooperationen einwohnermäßig einen Bevölkerungs- eher kleinen Zusammenschluss dar, auf einer allerdings relativ großen Fläche von und Beschäftig- tenentwicklung 4.000 km². Die drei Landkreise bilden mit dem Oberzentrum Lüneburg und dem Mittelzentrum Uelzen eine gemeinsame Arbeitsmarktregion mit jeweils eigenen kleineren Arbeitsmärkten. Die Region ist durch vergleichsweise große innerregio- nale Unterschiede in der Bevölkerungs- und Beschäftigtenentwicklung geprägt. Während der Landkreis Lüneburg ein starkes Bevölkerungswachstum und ein sta- biles Beschäftigungswachstum verzeichnet, entwickelten sich die beiden Landkrei- se Uelzen und Lüchow-Dannenberg deutlich schwächer. Kennzeichnend ist, dass durch die Ausrichtung auf überwiegend traditionelle Branchen der Anteil von Wis- senschaftlern und Ingenieuren im verarbeitenden Gewerbe so gering ist wie in kei- nem anderen Teilraum Niedersachsens. Neben der gravierenden Finanzschwäche der Kommunen ist der Raum zudem durch erhebliche demographische Struktur- probleme geprägt.

Die Kooperation erfolgte als freiwilliger Zusammenschluss ohne feste Rechtsform. NON als freiwilli- ger Zusammen- Unter dem Vorsitz des Leiters der Regierungsvertretung Lüneburg wurde eine Pro- schluss jektgruppe mit Vertretern der drei Landkreise, der Stadt Lüneburg und weiteren re- gionalen Akteuren (Kammern, Verbände, Hochschulen) sowie Vertretern der struk- turpolitisch relevanten Ressorts eingerichtet. In einer Lenkungsgruppe, die auch weitere Arbeitsgruppen einsetzte, waren zu Beginn in der Regel die Landräte und der Lüneburger Oberbürgermeister, später überwiegend Vertreter der Ressorts auf Referentenebene vertreten. Die Rückkoppelung in den IMAK erfolgte über den Projektgruppenleiter und die Ressortvertreter. Die Regierungsvertretung war zu- gleich begleitende Geschäftsstelle, zumal auf kommunaler Ebene keine vergleich- bare Einrichtung geschaffen wurde.

Im Rahmen der NON wurden keine gemeinsamen übergeordneten Ziele vereinbart. Handlungs- und Interessenfelder Aufgabengrundlage war eine Verständigung auf die folgenden acht prioritär zu be- handelnden Handlungs- bzw. Interessenfelder:

• Entwicklungspotenziale der geplanten A 39, • Realisierung des dritten Gleises der Bahnlinie von Maschen bis Uelzen, • Entwicklung des Aus- und Fortbildungsstandortes Lüneburg, • Sanierung der kommunalen Finanzen, einschließlich des Finanzausgleichs,

3 Neben NON wurde eine weitere Modellregion „Südniedersachsen“ etabliert. Für den Küsten- raum, dem als drittem Raum besonderer Handlungsbedarf zugeordnet wurde, erarbeitete man aufgrund einer Initiative des Landtags ein eigenständiges Handlungskonzept. 47

Kommunalstrukturen in Nordostniedersachsen

• Nutzung des Niedersächsischen Biosphärenreservats Elbtalaue und des Umfel- des als Faktor der Regionalentwicklung, • mittelstandsorientierte Wirtschaftsförderung, • Untersuchung und Bewertung der demographischen Entwicklung sowie • Koordination bestehender Strategien und Projekte.

Abbildung 3.1-B: Die untersuchte Teilregion (Nordostniedersachsen zzgl. Celle und Harburg)

Quelle: Eigene Darstellung, 2011.

Gut drei Jahre nach ihrer Gründung war die Modellregion NON zwar nicht formal Kooperations- Moratorium aufgelöst, aber faktisch in den Zustand eines Moratoriums eingetreten. Als noch aktives Projektergebnis besteht der Bildungsverbund Nordost-Niedersachsen4. An- gelaufene Projekte mit Zwischenergebnissen fanden sich im Rahmen von Leitbil- dern für die Weiterentwicklung des Biosphärenreservats Elbtalaue und der gutach- terlich fundierten Diskussion um die Konsequenzen des demographischen Wandels im Bildungsbereich sowie mit Blick auf die systematische Förderung und Nutzung des Ehrenamtes im regionalen Verbund. Letztlich klärte der Diskussionsprozess Positionen und Interessenlagen der Akteure, wobei auch Defizite der eigenen Inte- ressenartikulation erkennbar wurden. Der Landkreis Lüneburg sah sich wie auch die Stadt Lüneburg in einer Scharnierfunktion von NON zur Süderelbe-AG und wurde damit zum Kernraum der Metropolregion. Die vorrangige Orientierung ihrer

4 Vgl. http://www.bildungsverbund-non.de 48

Kommunalstrukturen in Nordostniedersachsen

Partnerschaft zum Süderelberaum wurde mehr oder weniger offengelegt. Eine ex- plizierte Position des NON-Raums zur Metropolregion wurde nicht formuliert.

Das zumindest vorläufige Ruhen der Kooperation, die im Grunde als eine Zwei- Lüneburg in der Scharnierrolle Ebenen-Zusammenarbeit angelegt war (horizontal auf kommunal-regionaler Ebene und vertikal zwischen der regionalen und der Landesebene) dürfte, soweit extern nachvollziehbar, mehrere Gründe haben. Benannt werden eine zu schwache An- reizpolitik und ein zu geringes Engagement der Ressorts auf Landesebene sowie sich wechselseitig blockierende Konkurrenzlagen zwischen den kommunalen Ak- teuren; Vorbehalte einer Gebietsreform gegenüber traten hinzu. Außerdem fehlten eine klare Zielvereinbarung zwischen den regionalen Akteuren und dem Land so- wie ein ressourcengesichertes Regionalmanagement. Landkreis und Stadt Lüne- burg legten ihre Doppelorientierung zu Nordostniedersachsen und zur Süderelbe AG dar und dokumentierten damit die benannte „Scharnierrolle“ in der Metropol- region zwischen dem Kernraum und der nordöstlichen Randlage. Eine praktizierte Doppelorientierung Lüneburgs kann dabei durchaus Potentiale entfalten und struk- turelle Impulse aus dem Kernraum der Metropolregion gewinnen (vgl. hierzu die bislang hohen Wanderungsgewinne aus Hamburg).

Süderelbe AG

Die Süderelbe AG – als Pendant zur „Wachstumsinitiative Norderelbe“ – ist aus „Wachstumsiniti- ative Süderelbe“ der „Wachstumsinitiative Süderelbe“ hervorgegangen. Diese wurde als län- als Leitprojekt der derübergreifendes Leitprojekt der Metropolregion initiiert und zugleich vom nie- Metropolregion dersächsischen Wirtschaftsminister anerkannt und gefördert. Träger der im De- zember 2004 gegründeten AG sind das Land Hamburg (Bezirk Harburg), die Landkreise Harburg, Lüneburg und Stade, fünf Städte und Gemeinden dieser Landkreise, sieben Sparkassen und Volksbanken sowie ca. 70 Unternehmen und Handelskammern.5

Das Regionsgebiet umfasst auf 4.000 km², rd. 30.000 Unternehmen und ca. Günstige Stand- ortbedingungen 800.000 Einwohner, von denen 600.000 auf die drei niedersächsischen Landkreise entfallen. Die ausgesprochen günstigen Standortbedingungen im südlichen engeren Verflechtungsraum der Metropole spiegeln sich u.a. im Zugang zu überregionalen Verkehrs- und Logistikstrukturen wider. Für den clusterorientierten Ansatz der Wachstumsinitiative bieten die besonderen Branchenpotentiale im Luftfahrzeug- bau, im Ernährungsgewerbe und im Logistiksektor ausgezeichnete Ansatzpunkte. Der hohe landes- und regionalpolitische Stellenwert der Kooperation kommt u.a. in

5 Vgl. http://www.suederelbe.info. 49

Kommunalstrukturen in Nordostniedersachsen

der Bereitstellung von Fördermitteln für die Startphase und in ungewöhnlichen Hil- fen für eine Ressourcen- und Akteursmobilisierung zum Ausdruck.

Die AG hat sich als Beratungs- und Netzwerkunternehmen in einem Private- Etablierung in ppp-Modell Public-Partnership (ppp)-Modell etabliert. Die Aktionäre werden von einem 15- köpfigen Aufsichtsrat vertreten, der eine gesellschaftsrechtliche Gremienfunktion wahrnimmt und durchweg aus Personen mit einer starken Vernetzung in der Regi- on besteht. Daneben findet sich ein Beirat mit strategischer Beratungskompetenz für Vorstand und Aufsichtsrat.

Die Grundfinanzierung über Aktien gewährleistet den laufenden Betrieb. Darüber Finanzierung hinaus erwirtschaftet die AG auch Deckungsbeiträge durch die von ihr angebote- nen Dienstleistungen und Projekte. Die AG verfügt über hoch qualifiziertes Perso- nal (Cluster- und Projektmanager, insgesamt über etwa 20 Mitarbeiter). Seit Herbst 2006 findet sich neben der Muttergesellschaft auch die SAG Projektgesellschaft AG & Co. KG, die in vollem Umfang operative Projektarbeiten übernimmt - mit Sitz in Lüneburg und einem weiteren Büro in Stade.

Die langfristig angelegte Strategie einer ganzheitlichen wirtschaftlichen Entwick- Aufgabenfelder der AG lung der Länder- und Kreisgrenzen übergreifenden Region baut auf einem effizien- ten und handlungsfähigen Netzwerk von Wirtschaft, Wissenschaft, Politik und Verwaltung auf. In der Zusammenführung von privatem und öffentlichem Enga- gement sollen die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit der südlichen Metropolregion erhöht und die vorhandenen Wachstumspotenziale genutzt werden.

Zu den Aufgabenfeldern zählen: • die Stärkung der vorhandenen Entwicklungspotenziale in den fünf Kompetenz- feldern (Logistik, Ernährungswirtschaft, Maritime Systeme, Chemie, Maschi- nen- und Fahrzeugbau) durch ganzheitliches Ansiedlungs- und Flächenma- nagement, Innovationsförderung und die Initiierung wie Begleitung gemein- samer Entwicklungsprojekte, • die Akquisition ansiedlungswilliger Unternehmen und die Beratung von Inves- toren bei der Standortsuche sowie • die Vernetzung von Wirtschaft, Wissenschaft, Politik und öffentlichen Einrich- tungen.

Einen besonderen Schwerpunkt bildete in den Jahren 2007/2008 die Initiierung von Projekten zur aktiven Standortentwicklung mit Schwerpunkten in den Hansestädten Stade und Lüneburg.

Die Aufbauphase konnte mit unerwartet positiven Ergebnissen abgeschlossen wer- Positive Ergebnis- se der Aufbau- den. Zu nennen sind ein vergleichsweise starkes Wachstum, eine professionelle phase Aufstellung der AG und ein anhaltend hohes Engagement der Träger. Die Koope- ration leistet bereits heute einen nicht zu unterschätzenden Beitrag zur Professiona-

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Kommunalstrukturen in Nordostniedersachsen

lisierung und Vernetzung der regionalen Wirtschaftsförderung und Regionalent- wicklung und verzeichnet zahlreiche Ansiedlungserfolge.

Zusammenfassung

Auf der Mesoebene verfügt die Region mithin über zwei Kooperationsräume, die Zwei heterogene nicht nur durch äußerst heterogene Ausgangsbedingungen und Zielsetzungen ge- Kooperations- räume kennzeichnet sind, sondern sich auch mit Blick auf ihre Genese und die erzielten Erträge deutlich unterscheiden. Während die „Modellregion“ im top-down- Verfahren initiiert wurde, weder über formale Zielvorgaben noch einen definierten institutionellen Rahmen verfügt und in der Folge nur begrenzt Ergebnisse zeitigen konnte, erweist sich die sektoral definierte Kooperation im Rahmen des bottom-up- Prozesses der Süderelbe AG als durchaus erfolgreich. Dem Landkreis und der Han- sestadt Lüneburg fallen in beiden Fällen Schlüsselpositionen zu, da die vorhande- nen Verflechtungen eine erfolgreiche Kooperation in beiden Teilregionen wün- schenswert erscheinen lassen.

3.2 Strukturprofile der Gebietskörperschaften

Zu weiteren Konkretisierung der Ausgangssituation im Raum werden die Profile der Landkreise Lüneburg, Lüchow-Dannenberg, Uelzen, Harburg und Celle sowie der Stadt Lüneburg anhand vergleichbarer Kategorien knapp skizziert. Da die Auf- gabenteilung und -wahrnehmung unter Kap. 5 einer genaueren Betrachtung unter- zogen wird, konzentriert sich die Darstellung auf die naturräumlichen Rahmenbe- dingungen, die Bevölkerungsstruktur und -entwicklung, die Verwaltungsgliede- rung, die administrativen Organisationsstrukturen sowie die haushalterischen und personellen Ressourcen der benannten Gebietskörperschaften. Asymmetrien bei der Auswahl der Bewertungskriterien sind das Resultat spezifischer Besonderhei- ten der untersuchten Kommunen – fünf durchaus heterogener Landkreise und einer „Großen selbständigen Stadt“. Der exponierten Stellung der Hansestadt Lüneburg wird über den punktuellen Einbezug der gemeindlichen Ebene und der damit ver- bundenen Aufgaben- und Haushaltsstrukturen Rechnung getragen. Allerdings ist eine vergleichende Betrachtung der Verwaltungsorganisation und der demographi- schen Rahmenbedingungen der Hansestadt Lüneburg aufgrund dieser Ausgangssi- tuation nur eingeschränkt möglich; eine ausführliche komparative Bewertung der nachfolgend skizzierten Indikatoren findet sich in Kap. 4.

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Kommunalstrukturen in Nordostniedersachsen

3.2.1 Strukturprofil des Landkreises Lüneburg

Der Landkreis grenzt im Nordosten an das Land Mecklenburg-Vorpommern, im Norden an das Land Schleswig-Holstein, im Westen an den Landkreis Harburg und im Süden an die Landkreise Heidekreis, Uelzen und Lüchow-Dannenberg; die nachfolgend gesondert dargestellte Hansestadt Lüneburg verlor im Rahmen der Gebietsreform des Jahres 1974 ihre Kreisfreiheit und wurde als Große selbständige Stadt in den Landkreis eingegliedert. Der Großteil des Kreisgebiets erstreckt sich links der Elbe und wird in nördlicher Richtung durch sie begrenzt; lediglich das Amt Neuhaus und ein Teil des Gebiets der Stadt Bleckede liegen rechtselbisch. Der Fluss sowie der durch das Kreisgebiet verlaufende Elbe-Seitenkanal sind ebenso wie die Bundesautobahn 39 (Lüneburg-Hamburg) und die Bahnstrecke Hannover- Hamburg von großer infrastruktureller Bedeutung.

Die derzeit ca. 177.000 Einwohner des Landkreises besiedeln ein Gebiet von etwas Deutliches Bevöl- kerungswachs- mehr als 1.300 km²; die Bevölkerungsdichte liegt mit 134 Ew./km² leicht über dem tum Bundesdurchschnitt. Die demographische Struktur entwickelt sich aufgrund anhal-

Tabelle 3.2.1-A: Kreisgebiet, Bevölkerungsstruktur und -entwicklung

Kreisgebiet (km²) 1.323,47 Bevölkerungsdichte (Einwohner / km²) 134,0 Einwohnerzahl 1939 79.111 1961 117.359 1987 130.715 2000 166.661 2005 175.441 2010 177.279 2030 180.888 Bevölkerungswachstum (1987-2010) + 35,6 % Bevölkerungswachstum (2010-2030) + 2,0 % Altersstruktur 2010 0 – 15 Jahre 14,8 % 15 – 65 Jahre 66,6 % > 65 Jahre 18,6 %

Anmerkungen: Einwohnerzahlen für 1939, 1961 und 1987 beruhen auf Volkszählungen, für 2000, 2005 und 2010 auf der Bevölkerungsfortschreibung des LSKN, für 2030 auf der Bevölkerungsvor- ausberechnung des LSKN. Quelle: Landesbetrieb für Statistik und Kommunikationstechnologie Nie- dersachsen: Online-Datenbank, Tabellen K1010013, K1000014, Z2020251, K1000121, 2011.

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Kommunalstrukturen in Nordostniedersachsen

tender Wanderungsbewegungen deutlich gegen den allgemeinen Trend: Seit 1987 wuchs die Einwohnerzahl um mehr als 35 %; bis 2030 wird ein weiteres Wachstum von 2 % auf dann knapp 181.000 vorausberechnet. Zwei Drittel der Bevölkerung befindet sich im erwerbsfähigen Alter zwischen 15 und 65 Jahren; nur knapp 19 % sind älter als 65 Jahre.

Das Kreisgebiet gliedert sich in elf Verwaltungseinheiten, darunter vier Einheits- Kleinteilige Gemeindestruktur gemeinden und sieben Samtgemeinden. Letztere umfassen wiederum 39 Mit- gliedsgemeinden. Abgesehen von der Hansestadt Lüneburg findet sich mit Aden- dorf nur eine Gemeinde mit mehr als 10.000 Einwohnern.

Tabelle 3.2.1-B: Verwaltungseinheiten und Gemeindegrößenklassen

Zahl der Verwaltungseinheiten Einheitsgemeinden 4 Samtgemeinden 7 In Samtgemeinden zusammengeschlossene Gemeinden 39 Gemeindegrößenklassen < 1.000 Einwohner 9 1.000 – 1.999 Einwohner 16 2.000 – 2.999 Einwohner 6 3.000 – 4.999 Einwohner 7 5.000 – 9.999 Einwohner 3 10.000 – 19.999 Einwohner 1 20.000 – 49.999 Einwohner – > 50.000 Einwohner 1

Quelle: Landesbetrieb für Statistik und Kommunikationstechnologie Niedersachsen: Online- Datenbank, Tabelle K1000014, 2011.

Der Kreistag konstituiert sich aus 58 Mitgliedern und dem gewählten Landrat. Da- bei stellt die SPD seit der Wahl im September 2011 die stärkste Fraktion. Noch bis Juni 2010 bildete sie mit der CDU eine Gruppe; nach Aufkündigung dieser Verein- barung einigten sich SPD und Grüne auf eine Zusammenarbeit. Neben den benann- ten Parteien sind auch die FDP, die Linke, die Rentnerpartei und zwei Wählergrup- pen im Kreistag vertreten. Als Landrat amtiert Manfred Nahrstedt (SPD).

Die Kreisverwaltung umfasst im Jahr 2011 etwa 500 Planstellen und wird vom Landrat, dem Ersten Kreisrat und einer hauptamtlichen Kreisrätin geleitet; sie glie- dert sich in drei Fachbereiche und eine Reihe von beigeordneten Stellen. Im „Ser-

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Kommunalstrukturen in Nordostniedersachsen

Tabelle 3.2.2-C: Zusammensetzung des kommunalen Vertretungsorgans (2011-16)

Wahl- Partei/Wählergruppe Stimmenanteil Sitze beteiligung CDU 29,6 % 17 SPD 34,9 % 20 Grüne 22,9 % 13 FDP 3,0 % 2 54,3 % Linke 3,7 % 2 Wählergruppen 3,5 % 3 Sonstige 1,9 % 1

Quellen: Landesbetrieb für Statistik und Kommunikationstechnologie Niedersachsen: Kommunal- wahlen 2011, 2011.

Abbildung 3.2.1-D: Kreisverwaltung Lüneburg - Organisationsstruktur

Quelle: Landkreis Lüneburg, Stand: 01.07.2011. vicebereich“ gruppieren sich die Dienste der Binnenverwaltung, die Kreiskasse und das Rechnungsprüfungsamt. Der Fachbereich Ordnung und Umwelt umfasst das Ordnungsamt und die Kfz.-Zulassungsstelle, die Straßenverkehrs- und Führer- scheinstelle, die Bereiche Veterinärwesen, Lebensmittel- und Gewerbeüberwa- chung sowie das Umweltamt. Der Fachbereich Soziales schließlich deckt die Stel- len für Sozialhilfe und Wohngeld, Jugendhilfe und Sport, Senioren und Behinderte,

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Kommunalstrukturen in Nordostniedersachsen

Gesundheit, Jugend und Familie sowie Schule und Kultur ab. Das Bauamt und die Klimaschutzleitstelle sind keinem Fachbereich zugeordnet und unterstehen direkt der Verwaltungsleitung.

Tabelle 3.2.1-E: Stellenplan (Übersicht)

Zahl der Stellen im Haushaltsplan 502 Davon Beamte 143 Quelle: Landkreis Lüneburg: Haushaltsplan 2011.

Die haushalterische Ausgangssituation des Landkreises verweist auf deutlichen Stabilisierungs- bedürftiger Stabilisierungsbedarf. Im Jahr 2011 ist eine Nettoneuverschuldung von mehr als Haushalt 6 Mio. Euro vorgesehen; der Schuldenstand wird bis Ende 2011 voraussichtlich knapp 90 Mio. Euro erreichen. Die mittelfristige Entwicklung der Zins- und Fehl- betragsquoten dokumentiert eine im Landesvergleich unterdurchschnittliche finan- zielle Entwicklungsfähigkeit.

Tabelle 3.2.1-F: Übersicht - Haushaltsdaten (Kreisebene, in Euro)

Ergebnishaushalt Erträge 188.516.000 Aufwendungen 199.000.100 Finanzhaushalt Saldo aus laufender Verwaltungstätigkeit -7.592.500 Saldo aus Investitionstätigkeit -9.906.000 Finanzierungsmittel-Überschuss/Fehlbetrag -17.498.500 Saldo aus Finanzierungstätigkeit 6.356.000 Schlüsselzuweisungen 32.500.000 Kreisumlage 69.100.000

Anmerkung: gem. Haushaltsansätzen für 2011; Quelle: Landkreis Lüneburg: Haushaltsplan 2011.

Der Ergebnishaushalt für 2011 sieht ein negatives (ordentliches) Ergebnis von mehr als 10 Mio. Euro vor; dies entspricht einem Fehlbetrag von etwa 5 % der ge- planten Aufwendungen. Personalaufwendungen, Versorgungs- und Transferleis- tungen summieren sich auf knapp 48 % der Ausgaben. Der Finanzmittelfehlbetrag des Finanzhaushalts beläuft sich als Summe der Saldi aus laufender Verwaltungstä- tigkeit (–7,6 Mio. Euro) und Investitionstätigkeit (–9,9 Mio. Euro) auf knapp 17,5 Mio. Euro.

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Kommunalstrukturen in Nordostniedersachsen

Tabelle 3.2.1-G: Ergebnishaushalt (Kreisebene, in Euro)

Erträge Steuern und Abgaben 4.615.000 Zuwendungen / allg. Umlagen 114.818.600 Auflösungserträge 3.985.000 Sonst. Transfererträge 2.521.100 Öffentlich-rechtliche Entgelte 16.498.800 Privatrechtliche Entgelte 194.200 Kostenerstattungen/-umlagen 40.695.200 Zinsen/sonst. Finanzerträge 2.446.000 Aktivierte Eigenleistungen – Bestandsveränderungen – Sonstige ordentliche Erträge 2.742.100 Summe 188.516.000 Aufwendungen Aktives Personal 26.195.000 Versorgung – Sach-/Dienstleistungen 23.020.200 Abschreibungen 5.789.500 Zinsen/ähnliche Aufwendungen 4.860.200 Transferaufwendungen 68.951.700 Sonstige ord. Aufwendungen 70.183.500 Summe 199.000.100 Ordentliches Ergebnis -10.484.100 Außerordentliche Erträge – Außerordentliche Aufwendungen – Außerordentliches Ergebnis – Ergebnis -10.484.100

Anmerkungen: gem. Haushaltsansätzen für 2011; Quelle: Landkreis Lüneburg: Haushaltsplan 2011.

Tabelle 3.2.1-H: Finanzhaushalt (Kreisebene, in Euro)

Einzahlungen aus laufender Verwaltungstätigkeit Steuern/ähnliche Abgaben 4.615.000 Zuwendungen/allg. Umlagen 114.818.600 Sonst. Transfereinzahlungen 2.521.100 Öffentlich-rechtliche Entgelte 12.014.800 Privatrechtliche Entgelte 194.200 Kostenerstattungen/-umlagen 40.695.200 Zinsen/ähnl. Einzahlungen 2.446.000 Einz. aus Veräußerung geringwertigen Vermögens – Sonstige haushaltswirksame Einzahlungen 2.744.100 Summe 180.049.000 Auszahlungen aus laufender Verwaltungstätigkeit Auszahlungen f. aktives Personal 25.134.000 Auszahlungen f. Versorgung 18.536.200

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Kommunalstrukturen in Nordostniedersachsen

Auszahlungen f. Sach- & Dienstl.; gering. Verm. 4.860.200 Zinsen/ähnlich Auszahlungen 68.951.700 Transferauszahlungen 70.159.400 Sonstige haushaltswirksame Auszahlungen – Summe 187.641.500 Saldo aus laufender Verwaltungstätigkeit -7.592.500 Einzahlungen aus Investitionstätigkeit Zuwendungen aus Investitionstätigkeit 4.234.600 Beiträge/ähnl. Entgelte f. Investitionstätigkeit – Veräußerung von Sachvermögen 2.000 Finanzvermögensanlagen – Sonstige Investitionstätigkeit 1.605.000 Summe 15.747.600 Auszahlungen aus Investitionstätigkeit Erwerb von Grundstücken/Gebäuden 200 Baumaßnahmen 6.726.000 Erwerb von beweglichem Sachvermögen 1.536.200 Erwerb von Finanzvermögensanlagen 61.400 Aktivierbare Zuwendungen 7.423.800 Sonstige Investitionstätigkeit - Summe 15.747.600 Saldo aus Investitionstätigkeit -9.906.000 Finanzmittel-Überschuss/-fehlbetrag -17.498.500 Einzahlungen aus Finanzierungstätigkeit (Kredite f. Inv. o.ä.) 9.906.000 Auszahlungen aus Finanzierungstätigkeit (Tilgung v. Inv. o.ä.) 3.550.000 Saldo aus Finanzierungstätigkeit 6.356.000 Finanzmittelbestand -11.142.500 Jahresendbestand an Zahlungsmitteln –

Anmerkungen: gem. Haushaltsansätzen für 2011; Quelle: Landkreis Lüneburg: Haushaltsplan 2011.

3.2.2 Strukturprofil der Hansestadt Lüneburg

Die Hansestadt Lüneburg liegt als Oberzentrum und Kreissitz des gleichnamigen Kommunalrecht- licher Landkreises etwa 50 km südöstlich von Hamburg am Rande der Lüneburger Heide. Sonderstatus Über den Elbe-Seitenkanal ist Lüneburg auch heute noch an die Schifffahrtsinfra- struktur angebunden; der Stadtfluss Ilmenau mündet ebenfalls in die Elbe. Die Stadt genießt als Folge der benannten Gebietsreform der 1970er Jahre den beson- deren kommunalrechtlichen Status einer Großen selbständigen Stadt, der ihr eine gesetzlich festgelegte Reihe von Aufgaben des Landkreises überträgt. Dieser zu- sätzlichen Belastung wird durch entsprechende finanzielle Sonderregelungen Rechnung getragen.

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Kommunalstrukturen in Nordostniedersachsen

Das Stadtgebiet von mehr als 70 km² gliedert sich in 17 Stadtteile und wird von Wachsende Ein- wohnerzahl 73.000 Einwohnern besiedelt; die Bevölkerungsentwicklung ist seit Jahrzehnten positiv. Wie auch der Landkreis insgesamt kann die Stadt bis zum Jahr 2030 gegen den allgemeinen Trend mit einem deutlichen Bevölkerungswachstum rechnen.

Als Hauptverwaltungsbeamter steht der Oberbürgermeister Ulrich Mädge (SPD) der Stadtverwaltung vor. Der unter Einschluss des Oberbürgermeisters 43-köpfige Rat der Hansestadt Lüneburg stellt das kommunale Vertretungsorgan dar, in dessen Rahmen die SPD mit 14 Sitzen knapp die stärkste Fraktion stellt. Sie bildete bis- lang mit der nunmehr drittstärksten Fraktion, der CDU, eine mehrheitstragende Koalition. Des Weiteren sind die Grünen, die FDP, die Linke, die Piraten und die Rentnerpartei im Rat vertreten.

Jenseits des Oberbürgermeisters zählen die Stadtkämmerin, der Stadtrat für Nach- Verwaltungs- fachbereiche haltigkeit, Sicherheit und Recht, der Stadtrat für Kultur, Familie und Bildung sowie die Stadtbaurätin zum Verwaltungsvorstand. Ihnen unterstehen sieben Fachberei-

Tabelle 3.2.2-A: Stadtgebiet, Bevölkerungsstruktur und -entwicklung

Kreisgebiet (km²) 70,34 Bevölkerungsdichte (Einwohner / km²) 1.037,6 Einwohnerzahl 1939 43.381 1961 63.596 1987 59.543 2000 67.398 2005 71.842 2010 72.983 2030 75.741 Bevölkerungswachstum (1987-2010) + 22,6 % Bevölkerungswachstum (2010-2030) + 3,8 % Altersstruktur 2010 0 – 15 Jahre 13,4 % 15 – 65 Jahre 68,8 % > 65 Jahre 17,8 %

Anmerkungen: Einwohnerzahlen für 1939, 1961 und 1987 beruhen auf Volkszählungen, für 2000, 2005 und 2010 auf der Bevölkerungsfortschreibung des LSKN, für 2030 auf der Bevölkerungsvor- ausberechnung des LSKN. Quelle: Landesbetrieb für Statistik und Kommunikationstechnologie Nie- dersachsen: Online-Datenbank, Tabellen K1010013, K1000014, Z2020251, K1000121, 2011.

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Kommunalstrukturen in Nordostniedersachsen

Tabelle 3.2.2-B: Zusammensetzung des kommunalen Vertretungsorgans (2011-16)

Wahl- Partei/Wählergruppe Stimmenanteil Sitze beteiligung CDU 22,7 % 10 SPD 32,4 % 14 Grüne 29,3 % 12 FDP 3,3 % 1 48,0 Linke 4,9 % 2 Wählergruppen – – Sonstige 6,2 % 3

Quellen: Landesbetrieb für Statistik und Kommunikationstechnologie Niedersachsen: Kommunal- wahlen 2011, 2011. che und der Eigenbetrieb Gebäudewirtschaft sowie eine Reihe von gesondert ge- gliederten Stellen. Fachbereich 1 umfasst die Innere Verwaltung, Fachbereich 2 das Finanzwesen. Im Rahmen des Fachbereichs 3 (Umwelt, Nachhaltigkeit, Verkehr, Sicherheit, Europa und Recht) finden sich die Ordnungs- und Umweltämter, das Rechtsamt und der Bürgerservice. Fachbereich 4 (Kultur) umfasst die Verwaltung der Musikschule, der Ratsbücherei, des Stadtarchivs und der übrigen städtischen Kulturverwaltung. Das Aufgabenfeld Familie und Bildung wird im Fachbereich 5 erfasst, der sich aus den regional gegliederten Stellen sowie den Dienststellen für

Abbildung 3.2.2-C: Stadtverwaltung Lüneburg - Organisationsstruktur

Quelle: Hansestadt Lüneburg, Stand: 01.04.2011.

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Kommunalstrukturen in Nordostniedersachsen

Tabelle 3.2.2-D: Stellenplan

Zahl der Stellen im Haushaltsplan 825 Davon Beamte 141 Quelle: Hansestadt Lüneburg: Haushaltsplan 2011.

Bildung, Kinder/Familie, Senioren/demographischer Wandel und Jugendhilfe kon- stituiert. Fachbereich 6 (Stadtentwicklung) umfasst die Stadtplanung, die Bauauf- sicht und die Denkmalpflege. Fachbereich 7 schließlich deckt die Straßen- und Grünplanung sowie das Vermessungswesen ab. Für 2011 sind 825 Planstellen vor- gesehen, darunter 141 im Beamtenverhältnis.

Obwohl der städtische Haushalt in den Jahren 2007 und 2008 noch bescheidene Krisenbedingtes Haushaltsdefizit Überschüsse verzeichnen konnte, stellten sich in den vergangenen Jahren krisenbe- dingt deutliche Finanzierungslücken ein. Auch im laufenden Jahr sieht der Haus- haltplan ein Defizit von knapp 10 Mio. Euro vor; der mittelfristige Finanzrahmen bis 2014 weist ebenfalls eine nicht unbedeutende Neuverschuldung auf.

Tabelle 3.2.2-E: Übersicht - Haushaltsdaten (in Euro)

Ergebnishaushalt Erträge 186.480.200 Aufwendungen 196.249.800 Finanzhaushalt Saldo aus laufender Verwaltungstätigkeit -9.943.600 Saldo aus Investitionstätigkeit -10.575.100 Finanzierungsmittel-Überschuss/Fehlbetrag -20.518.700 Saldo aus Finanzierungstätigkeit 5.113.600 Zahlungsmittelbestand -123.551.518

Anmerkung: gem. Haushaltsansätzen für 2011; Quelle: Hansestadt Lüneburg: Haushaltsplan 2011.

Der Ergebnishaushalt für 2011 lässt ein negatives (ordentliches) Ergebnis von an- nähernd 10 Mio. Euro erwarten; dies entspricht einem Fehlbetrag von weniger als 5 % der geplanten Aufwendungen. Personalaufwendungen, Versorgungs- und Trans- ferleistungen summieren sich auf mehr als 71 % der Ausgaben. Der Finanzmittel- fehlbetrag des Finanzhaushalts beläuft sich als Summe der Saldi aus laufender Verwaltungstätigkeit (–9,9 Mio. Euro) und Investitionstätigkeit (–10,6 Mio. Euro) auf mehr als 20,5 Mio. Euro.

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Kommunalstrukturen in Nordostniedersachsen

Tabelle 3.2.1-F: Ergebnishaushalt (in Euro)

Erträge Steuern und Abgaben 63.239.600 Zuwendungen / allg. Umlagen 26.840.400 Auflösungserträge 10.841.000 Sonst. Transfererträge 2.393.200 Öffentlich-rechtliche Entgelte 21.404.200 Privatrechtliche Entgelte 2.076.900 Kostenerstattungen/-umlagen 50.792.800 Zinsen/sonst. Finanzerträge 952.400 Aktivierte Eigenleistungen 564.500 Bestandsveränderungen - Sonstige ordentliche Erträge 7.375.200 Summe 186.480.200 Aufwendungen Aktives Personal 46.129.300 Versorgung 51.600 Sach-/Dienstleistungen 6.524.400 Abschreibungen 9.069.000 Zinsen/ähnliche Aufwendungen 8.620.100 Transferaufwendungen 93.240.400 Sonstige ord. Aufwendungen 32.615.000 Summe 196.249.800 Ordentliches Ergebnis -9.769.600 Außerordentliche Erträge 20.000 Außerordentliche Aufwendungen 500 Außerordentliches Ergebnis 19.500 Ergebnis -9.750.100

Anmerkungen: gem. Haushaltsansätzen für 2011; Quelle: Hansestadt Lüneburg: Haushaltsplan 2011.

Tabelle 3.2.1-G: Finanzhaushalt (in Euro)

Einzahlungen aus laufender Verwaltungstätigkeit Steuern/ähnliche Abgaben 63.239.600 Zuwendungen/allg. Umlagen 26.840.400 Sonst. Transfereinzahlungen 2.393.200 Öffentlich-rechtliche Entgelte 21.404.200 Privatrechtliche Entgelte 2.076.900 Kostenerstattungen/-umlagen 50.792.800 Zinsen/ähnl. Einzahlungen 952.400 Einz. aus Veräußerung geringwertigen Vermögens – Sonstige haushaltswirksame Einzahlungen 5.564.900 Summe 173.264.400 Auszahlungen aus laufender Verwaltungstätigkeit Auszahlungen f. aktives Personal 43.141.200 Auszahlungen f. Versorgung 51.600

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Kommunalstrukturen in Nordostniedersachsen

Auszahlungen f. Sach- & Dienstl.; gering. Verm. 6.524.400 Zinsen/ähnlich Auszahlungen 8.620.100 Transferauszahlungen 93.240.400 Sonstige haushaltswirksame Auszahlungen 31.630.300 Summe 183.208.000 Saldo aus laufender Verwaltungstätigkeit -9.943.600 Einzahlungen aus Investitionstätigkeit Zuwendungen aus Investitionstätigkeit 10.666.600 Beiträge/ähnl. Entgelte f. Investitionstätigkeit 477.500 Veräußerung von Sachvermögen 1.305.000 Finanzvermögensanlagen 5.200 Sonstige Investitionstätigkeit - Summe 12.454.300 Auszahlungen aus Investitionstätigkeit Erwerb von Grundstücken/Gebäuden 100.000 Baumaßnahmen 14.768.900 Erwerb von beweglichem Sachvermögen 1.137.500 Erwerb von Finanzvermögensanlagen 400.000 Aktivierbare Zuwendungen 6.623.000 Sonstige Investitionstätigkeit - Summe 23.029.400 Saldo aus Investitionstätigkeit -10.575.100 Finanzmittel-Überschuss/-fehlbetrag -20.518.700 Einzahlungen aus Finanzierungstätigkeit (Kredite f. Inv. o.ä.) 10.575.100 Auszahlungen aus Finanzierungstätigkeit (Tilgung v. Inv. o.ä.) 5.461.500 Saldo aus Finanzierungstätigkeit 5.113.600 Finanzmittelbestand -15.405.100 Jahresendbestand an Zahlungsmitteln -123.551.519

Anmerkungen: gem. Haushaltsansätzen für 2011; Quelle: Hansestadt Lüneburg: Haushaltsplan 2011.

3.2.3 Strukturprofil des Landkreises Lüchow-Dannenberg

Lüchow-Dannenberg liegt als östlichster niedersächsischer Landkreis an der Gren- Unterdurch- schnittlich ze zu Mecklenburg-Vorpommern, Brandenburg und Sachsen-Anhalt. Im Westen entwickelte schließen sich die Landkreise Uelzen und Lüneburg an, die Elbe bildet die nördli- Infrastruktur che Demarkierung des Kreisgebiets. Die häufig verwendete Landschaftsbezeich- nung „(Hannoversches) Wendland“ leitet sich von den hier im Mittelalter siedeln- den slawischen Wenden ab; eine vollständige Flächenkongruenz liegt jedoch nicht vor. Die infrastrukturelle Anbindung des Landkreises ist nur unterdurchschnittlich ausgeprägt; es besteht kein Anschluss an Bundesautobahnen oder den überregiona- len Schienenerkehr. In den vergangenen Jahrzehnten stand Lüchow-Dannenberg nicht zuletzt aufgrund der Auseinandersetzung um den Umgang mit nukleartechni- schen Abfällen im Zentrum der Diskussion; neben einem 1995 in Betrieb gestellten

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Kommunalstrukturen in Nordostniedersachsen

Zwischenlager richtet sich die Aufmerksamkeit vor allem auf die laufende Erkun- dung des Salzstocks Gorleben als möglichem zentralen Endlager.

Aufgrund seiner überwiegend agrarisch geprägten Wirtschaftsstruktur, der äußerst Sinkende Bevöl- kerungszahlen niedrigen Bevölkerungsdichte (Lüchow-Dannenberg ist der am dünnsten besiedelte Kreis der alten Bundesländer) und einer im Bundesvergleich beispiellos geringen Bevölkerungszahl gilt der Landkreis gemeinhin als strukturschwach. Die von 1949 bis 1989 isolierte Lage im „Zonenrandgebiet“ kann für viele der benannten Fakto- ren als ursächlich gelten; die Nachwendezeit brachte kaum tiefgreifende Verände- rungen mit sich. Zurzeit leben etwa 50.000 Menschen im Kreisgebiet; bis 2030 wird ein Bevölkerungsrückgang um weitere 20 % prognostiziert. Die Altersstruktur erweist sich ebenfalls als herausfordernd; mehr als ein Viertel der Bewohner ist äl- ter als 65 Jahre. Der Anteil der unter 15-Jährigen liegt bei weniger als 13 %.

Das Kreisgebiet gliedert sich infolge einer im Jahr 2010 durchgeführten gesonder- Gesonderte Ge- bietsreform 2010 ten Gebietsreform in drei Samtgemeinden, die wiederum 27 Einzelgemeinden um-

Tabelle 3.2.3-A: Kreisgebiet, Bevölkerungsstruktur und -entwicklung

Kreisgebiet (km²) 1.220,55 Bevölkerungsdichte (Einwohner / km²) 40,3 Einwohnerzahl 1939 41.399 1961 53.243 1987 47.657 2000 52.100 2005 51.352 2010 49.213 2030 39.807 Bevölkerungswachstum (1987-2010) + 3,3 % Bevölkerungswachstum (2010-2030) – 19,1 % Altersstruktur 2010 0 – 15 Jahre 12,9 % 15 – 65 Jahre 61,0 % > 65 Jahre 26,1 %

Anmerkungen: Einwohnerzahlen für 1939, 1961 und 1987 beruhen auf Volkszählungen, für 2000, 2005 und 2010 auf der Bevölkerungsfortschreibung des LSKN, für 2030 auf der Bevölkerungsvor- ausberechnung des LSKN. Quelle: Landesbetrieb für Statistik und Kommunikationstechnologie Nie- dersachsen: Online-Datenbank, Tabellen K1010013, K1000014, Z2020251, K1000121, 2011.

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Kommunalstrukturen in Nordostniedersachsen

fassen. Von dem zunächst angestrebten Ziel einer Auflösung und Umwandlung des Kreises in eine „kreisfreie Samtgemeinde“ wurde trotz eines positiven Votums der Stimmbevölkerung aufgrund rechtlicher Bedenken Abstand genommen. Etwa die Hälfte der Kommunen zählt weniger als 1.000 Einwohner; keine Gemeinde er- reicht den Schwellenwert von 10.000 Einwohnern.

Die politische Diskussion im Landkreis wird nicht zuletzt durch die Debatte um das Endlager Gorleben und die in diesem Zusammenhang etablierte bürgerliche wie alternative Protestkultur geprägt. Zwar gewann die CDU mit 30,9 % der abge-

Tabelle 3.2.3-B: Verwaltungseinheiten und Gemeindegrößenklassen

Zahl der Verwaltungseinheiten Einheitsgemeinden – Samtgemeinden 3 In Samtgemeinden zusammengeschlossene Gemeinden 27 Gemeindegrößenklassen < 1.000 Einwohner 13 1.000 – 1.999 Einwohner 9 2.000 – 2.999 Einwohner 2 3.000 – 4.999 Einwohner 1 5.000 – 9.999 Einwohner 2 10.000 – 19.999 Einwohner – 20.000 – 49.999 Einwohner – > 50.000 Einwohner –

Quelle: Landesbetrieb für Statistik und Kommunikationstechnologie Niedersachsen: Online- Datenbank, Tabelle K1000014, 2011.

Tabelle 3.2.3-C: Zusammensetzung des kommunalen Vertretungsorgans (2011-16)

Wahl- Partei/Wählergruppe Stimmenanteil Sitze beteiligung CDU 30,9 % 12 SPD 19,8 % 8 Grüne 19,7 % 7 FDP 2,8 % 1 59,4 % Linke – Wählergruppen 27,2 % 10 Sonstige – –

Quelle: Landesbetrieb für Statistik und Kommunikationstechnologie Niedersachsen: Kommunalwah- len 2011, Ergebnis der Kreistagswahlen, 2011.

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Kommunalstrukturen in Nordostniedersachsen

gebenen Stimmen erneut die Kreistagswahl, doch vereinte ihre gemeinsam mit den Freien Wählern und den Abgeordneten der „Bürgerliste“ gebildete 18-köpfige Fraktion bereits vor dem Urnengang keine Mehrheit auf sich. Ihr gegenüber steht die „Gruppe X“, die sich aus den atomkritischen Fraktionen von SPD, Grünen, FDP, UWG und GLW konstituiert. Der parteilose Landrat Jürgen Schulz gehört dem Kreistag als stimmberechtigtes Mitglied an.

Abbildung 3.2.3-D: Kreisverwaltung Lüchow-Dannenberg - Organisationsstruktur

Quelle: Landkreis Lüchow-Dannenberg, Stand: 03.05.2010.

Die Kreisverwaltung gliedert sich in drei Dezernate sowie eine Reihe direkt dem Verwaltungs- Landrat beigeordneter Stellen. Dezernat 1 umfasst die Fachbereiche für Soziales dezernate und Jugend (Kinder- und Jugendhilfe, Kindertagesbetreuung, Soziales, wirtschaft- liche Hilfen) sowie für Finanzen, Schule und Kultur (Kreiskasse, Kommunalauf- sicht, Schulen, Kulturförderung). Die Tätigkeit des Dezernats 2 richtet sich auf Ordnungs- und Organisationsfragen; der Fachbereich Organisation und Personal umfasst die Dienste der Binnenverwaltung, der Fachbereich Ordnung und Verbrau- cherschutz, u.a. das Ordnungsamt, die Straßenverkehrsbehörde und das Veterinär- wesen. Dezernat 3 schließlich gliedert sich in zwei Fachbereiche für Bauen und Umwelt bzw. Planung, die im Wesentlichen die Bereiche Regionalentwicklung, Bauaufsicht, Naturschutz, Abfall- und Wasserwirtschaft sowie die Verwaltung der Kreisstraßen abdecken. Die Kreisverwaltung baut bei der Erledigung ihrer Aufga- ben als Folge haushalterischer Einschränkungen auf eine ungewöhnlich dünne Per- sonaldecke von etwa 280 Planstellen.

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Kommunalstrukturen in Nordostniedersachsen

Tabelle 3.2.3-E: Stellenplan (Übersicht)

Zahl der Stellen im Haushaltsplan 280,45 Davon Beamte 66 Quelle: Landkreis Lüchow-Dannenberg: Haushaltsplan 2011.

Der Haushalt für das Jahr 2011 weist einen Fehlbetrag von knapp 9 Mio. Euro auf; Große haushalterische der Gesamtfehlbetrag summiert sich bis zum Jahresende auf etwa 130 Mio. Euro. Probleme Aufgrund der strukturellen Herausforderungen des Landkreises ist trotz der bishe- rigen Reform- und Stabilisierungsbemühungen auch für die Folgejahre kaum mit ausgeglichenen Budgets zu rechnen. Auch im Landesvergleich der Soll- Fehlbetrags- und Zinsquoten fällt Lüchow-Dannenberg weit zurück; kaum ein an- derer Landkreis sieht sich mit ähnlichen haushalterischen Problemstellungen kon- frontiert.

Tabelle 3.2.3-F: Übersicht – Haushaltsdaten (Kreisebene, in Euro)

Ergebnishaushalt Erträge 80.474.400 Aufwendungen 89.465.500 Finanzhaushalt Saldo aus laufender Verwaltungstätigkeit -7.599.100 Saldo aus Investitionstätigkeit -2.035.100 Finanzierungsmittel-Überschuss/Fehlbetrag -9.634.200 Saldo aus Finanzierungstätigkeit -1.155.000 Schlüsselzuweisungen 16.903.000 Kreisumlage 18.982.000

Anmerkung: gem. Haushaltsansätze für 2011; Quelle: Landkreis Lüchow-Dannenberg: Haushaltsplan 2011.

Der Ergebnishaushalt für 2011 sieht ein negatives (ordentliches) Ergebnis von knapp 9 Mio. Euro vor; dies entspricht einem Fehlbetrag von mehr als 10 % der geplanten Aufwendungen. Personalaufwendungen, Versorgungs- und Transferleis- tungen summieren sich auf mehr als 74 % der Ausgaben. Der Finanzmittelfehlbe- trag des Finanzhaushalts beläuft sich als Summe der Saldi aus laufender Verwal- tungstätigkeit (–7,6 Mio. Euro) und Investitionstätigkeit (–2,0 Mio. Euro) auf mehr als 9,6 Mio. Euro.

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Kommunalstrukturen in Nordostniedersachsen

Tabelle 3.2.3-G: Ergebnishaushalt (Kreisebene, in Euro)

Erträge Steuern und Abgaben 220.000 Zuwendungen / allg. Umlagen 43.032.200 Auflösungserträge 1.130.600 Sonst. Transfererträge 2.163.800 Öffentlich-rechtliche Entgelte 14.209.400 Privatrechtliche Entgelte 213.500 Kostenerstattungen/-umlagen 16.319.600 Zinsen/sonst. Finanzerträge 552.200 Aktivierte Eigenleistungen – Bestandsveränderungen 661.000 Sonstige ordentliche Erträge 100 Erträge aus int. Leistungsbez. 1.972.000 Summe 80.474.400 Aufwendungen Aktives Personal 17.262.500 Versorgung 211.600 Sach-/Dienstleistungen 8.930.900 Abschreibungen 2.456.000 Zinsen/ähnliche Aufwendungen 3.987.100 Transferaufwendungen 49.108.700 Sonstige ord. Aufwendungen 5.536.700 Aufwendungen aus int. Leistungsbez. 1.972.000 Summe 89.465.500 Ordentliches Ergebnis -8.991.100 Außerordentliche Erträge – Außerordentliche Aufwendungen – Außerordentliches Ergebnis – Ergebnis -8.991.100

Anmerkungen: gem. Haushaltsansätzen für 2011; Quelle: Landkreis Lüchow-Dannenberg: Haus- haltsplan 2011.

Tabelle 3.2.3-H: Finanzhaushalt (Kreisebene, in Euro)

Einzahlungen aus laufender Verwaltungstätigkeit Steuern/ähnliche Abgaben 220.000 Zuwendungen/allg. Umlagen 43.032.200 Sonst. Transfereinzahlungen 2.163.800 Öffentlich-rechtliche Entgelte 14.209.400 Privatrechtliche Entgelte 213.500 Kostenerstattungen/-umlagen 16.319.600 Zinsen/ähnl. Einzahlungen 540.200 Einz. aus Veräußerung geringwertigen Vermögens - Sonstige haushaltswirksame Einzahlungen 12.100 Summe 76.710.800

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Kommunalstrukturen in Nordostniedersachsen

Auszahlungen aus laufender Verwaltungstätigkeit Auszahlungen f. aktives Personal 16.846.100 Auszahlungen f. Versorgung 211.600 Auszahlungen f. Sach- & Dienstl.; gering. Verm. 14.151.400 Zinsen/ähnlich Auszahlungen 3.987.100 Transferauszahlungen 49.108.700 Sonstige haushaltswirksame Auszahlungen 5.000 Summe 84.309.900 Saldo aus laufender Verwaltungstätigkeit -7.599.100 Einzahlungen aus Investitionstätigkeit Zuwendungen aus Investitionstätigkeit 1.605.400 Beiträge/ähnl. Entgelte f. Investitionstätigkeit – Veräußerung von Sachvermögen – Finanzvermögensanlagen – Sonstige Investitionstätigkeit – Summe 1.605.400 Auszahlungen aus Investitionstätigkeit Erwerb von Grundstücken/Gebäuden 5.000 Baumaßnahmen 500.000 Erwerb von beweglichem Sachvermögen 974.700 Erwerb von Finanzvermögensanlagen 40.000 Aktivierbare Zuwendungen 1.240.800 Sonstige Investitionstätigkeit 880.000 Summe 3.640.500 Saldo aus Investitionstätigkeit -2.035.100 Finanzmittel-Überschuss/-fehlbetrag -9.634.200 Einzahlungen aus Finanzierungstätigkeit (Kredite f. Inv. o.ä.) 2.035.100 Auszahlungen aus Finanzierungstätigkeit (Tilgung v. Inv. o.ä.) 880.100 Saldo aus Finanzierungstätigkeit 1.155.000 Finanzmittelbestand -8.479.200 Jahresendbestand an Zahlungsmitteln –

Anmerkungen: gem. Haushaltsansätzen für 2011; Quelle: Landkreis Lüchow-Dannenberg: Haus- haltsplan 2011.

3.2.4 Strukturprofil des Landkreises Uelzen

Der Landkreis Uelzen wird im Süden vom Landkreis Gifhorn und, im Uhrzeiger- sinn, den niedersächsischen Landkreisen Celle, Heidekreis, Lüneburg und Lüchow- Dannenberg sowie in östlicher Richtung durch das Land Sachsen-Anhalt begrenzt. Der Elbe-Seitenkanal kreuzt das durch die Lüneburger Heidelandschaft geprägte Kreisgebiet und verbindet den Kreissitz Uelzen mit dem überregionalen Schiff- fahrtsnetzwerk. Zwar ist derzeit noch kein Autobahnanschluss gegeben, doch ver- läuft die geplante Verbindung der bestehenden nördlichen und südlichen Teilstücke der A 39 durch den Landkreis und würde eine schnelle Verbindung nach Wolfs-

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Kommunalstrukturen in Nordostniedersachsen

burg bzw. Hamburg sicherstellen; der Bau der ca. 100 km langen Trasse kann je- doch frühestens 2014 beginnen. Über den Bahnhof Uelzen an der Bahnstrecke Hannover-Hamburg ist der Kreis an das Fernverkehrs-Schienennetz angebunden.

Tabelle 3.2.4-A: Kreisgebiet, Bevölkerungsstruktur und -entwicklung

Kreisgebiet (km²) 1.454,12 Bevölkerungsdichte (Einwohner / km²) 64,7 Einwohnerzahl 1939 62.697 1961 96.004 1987 91.777 2000 97.285 2005 96.940 2010 94.020 2030 81.783 Bevölkerungswachstum (1987-2010) + 2,5 % Bevölkerungswachstum (2010-2030) – 13,02 % Altersstruktur 2010 0 – 15 Jahre 13,5 % 15 – 65 Jahre 62,4 % > 65 Jahre 24,1 %

Anmerkungen: Einwohnerzahlen für 1939, 1961 und 1987 beruhen auf Volkszählungen, für 2000, 2005 und 2010 auf der Bevölkerungsfortschreibung des LSKN, für 2030 auf der Bevölkerungsvor- ausberechnung des LSKN. Quelle: Landesbetrieb für Statistik und Kommunikationstechnologie Nie- dersachsen: Online-Datenbank, Tabellen K1010013, K1000014, Z2020251, K1000121, 2011.

Schwache Besied- Wie auch der Kreis Lüchow-Dannenberg ist Uelzen sehr dünn besiedelt und weist lung und neben dem Mittelzentrum Uelzen, das als Selbständige Gemeinde einige kreisliche schrumpfende Be- völkerungszahl Aufgaben übernimmt, keine urbanen Strukturen auf. Die Bevölkerung von 94.000 Einwohnern besiedelt ein Gebiet von mehr als 1.450 km² und unterliegt seit der Jahrtausendwende einem stetigen Schrumpfungsprozess. Knapp ein Viertel der Einwohner ist älter als 65 Jahre. Bis zum Jahr 2030 wird zudem ein weiterer Be- völkerungsrückgang um mehr als 13 % prognostiziert. Relativ kleinteilige Neben den beiden Einheitsgemeinden Stadt Uelzen und Bienenbüttel gliedert sich Gemeindestruktur der Kreis in sechs Samtgemeinden, die 27 Mitgliedsgemeinden umfassen. Elf die- ser Kommunen zählen weniger als 1.000 Einwohner; neben der Stadt Uelzen weist keine Gemeinde mehr als 10.000 Einwohner auf.

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Kommunalstrukturen in Nordostniedersachsen

Tabelle 3.2.4-B: Verwaltungseinheiten und Gemeindegrößenklassen

Zahl der Verwaltungseinheiten Einheitsgemeinden 2 Samtgemeinden 6 In Samtgemeinden zusammengeschlossene Gemeinden 27 Gemeindegrößenklassen < 1.000 Einwohner 11 1.000 – 1.999 Einwohner 7 2.000 – 2.999 Einwohner 5 3.000 – 4.999 Einwohner 2 5.000 – 9.999 Einwohner 3 10.000 – 19.999 Einwohner – 20.000 – 49.999 Einwohner 1 > 50.000 Einwohner –

Quelle: Landesbetrieb für Statistik und Kommunikationstechnologie Niedersachsen: Online- Datenbank, Tabelle K1000014, 2011.

Der Kreistag umfasst 42 Abgeordnete und den ebenfalls stimmberechtigten partei- losen Landrat, Dr. Heiko Blume. Mit 17 Sitzen zog die CDU im Jahr 2011 erneut als stärkste Partei in das Vertretungsorgan ein; neben der SPD, den Grünen und der FDP sind auch die Rentnergruppe und eine unabhängige Wählergruppe vertreten. CDU und FDP bildeten in der vergangenen Legislaturperiode eine Gruppe und standen einer mandatsgleichen Opposition gegenüber. Der Stimme des Landrats kam mithin ggf. entscheidendes Gewicht zu.

Die Kreisverwaltung kann im Jahr 2011 auf knapp 340 Planstellen zurückgreifen und gliedert sich im Wesentlichen in drei Dezernate. Dezernat I umfasst die Bin-

Tabelle 3.2.4-C: Zusammensetzung des kommunalen Vertretungsorgans (2011-16)

Wahl- Partei/Wählergruppe Stimmenanteil Sitze beteiligung CDU 39,7 % 17 SPD 30,8 % 13 Grüne 15,4 % 6 FDP 3,0 % 1 56,4 % Linke – – Wählergruppen 9,4 % 4 Sonstige 1,7 % 1

Quelle: Landesbetrieb für Statistik und Kommunikationstechnologie Niedersachsen: Kommunalwah- len 2011, Ergebnis der Kreistagswahlen, 2011.

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Kommunalstrukturen in Nordostniedersachsen

nenverwaltung und das Ordnungsamt, Dezernat II das Straßenverkehrsamt, das Ve- terinär- und Lebensmittelüberwachungsamt, das Schul- und Kulturamt sowie das Sozial- und das Jugendamt. Dezernat III schließlich besteht aus den Ämtern für Liegenschaften und Gebäudewirtschaft, Bauordnung und Kreisplanung, Kreisstra- ßen und Abfallwirtschaft sowie dem Umweltamt.

Abbildung 3.2.4-D: Kreisverwaltung Uelzen - Organisationsstruktur

Quelle: Landkreis Uelzen, Stand: 01.04.2011.

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Kommunalstrukturen in Nordostniedersachsen

Tabelle 3.2.4-E: Stellenplan (Übersicht)

Zahl der Stellen im Haushaltsplan 338,78 Davon Beamte 80,3 Quelle: Landkreis Uelzen: Haushaltsplan 2011.

Das Budget für das Jahr 2011 sieht einen Fehlbetrag von etwa 5,5 Mio. Euro vor; Deutliche Neuver- schuldung 2010 der Gesamtfehlbetrag soll bis Ende 2011 auf knapp 90 Mio. Euro anwachsen. Wäh- rend zwischen 2007 und 2009 eine Rückführung des Schuldenstands um etwa 8,1 Mio. Euro erreicht werden konnte, führten krisenbedingte Einbrüche im kom- munalen Finanzausgleich 2010 erneut zu einer deutlichen Neuverschuldung von knapp 10 Mio. Euro. Der laufende Haushalt stellt demgegenüber zwar eine Verbes- serung dar, doch kam es bislang nicht zu einer Fortführung der benannten Konsoli- dierungsstrategie. Hohe Zins- und Sollfehlbetragsquoten ergänzen das damit skiz- zierte Bild einer ambivalenten haushalterischen Ausgangssituation.

Tabelle 3.2.4-F: Übersicht – Haushaltsdaten (Kreisebene, in Euro)

Ergebnishaushalt Erträge 122.072.700 Aufwendungen 127.650.200 Finanzhaushalt Saldo aus laufender Verwaltungstätigkeit -1.681.700 Saldo aus Investitionstätigkeit -5.822.400 Finanzierungsmittel-Überschuss/Fehlbetrag -7.504.100 Saldo aus Finanzierungstätigkeit 3.831.400 Schlüsselzuweisungen 25.526.600 Kreisumlage 34.976.900

Anmerkung: gem. Haushaltsansätzen für 2011; Quelle: Landkreis Uelzen: Haushaltsplan 2011.

Das Haushaltsergebnis für 2011 entspricht einem Fehlbetrag von mehr als 4 % der geplanten Aufwendungen. Personalaufwendungen, Versorgungs- und Transferleis- tungen summieren sich auf mehr als 72 % der Ausgaben. Der Finanzmittelfehlbe- trag des Finanzhaushalts beläuft sich als Summe der Saldi aus laufender Verwal- tungstätigkeit (–1,7 Mio. Euro) und Investitionstätigkeit (–5,8 Mio. Euro) auf mehr als 7,5 Mio. Euro.

Schließlich sieht der am 26.08.2011 geschlossene „Zukunftsvertrag“ mit dem Land Niedersachsen (nach bereits drei Bedarfszuweisungen i.H.v. insgesamt 9,5 Mio. Euro) die staatliche Übernahme von kreislichen Verbindlichkeiten (Liquiditätskre- dite) i.H.v. 60 Mio. Euro vor; dies soll einen Rückbau bis zum Jahr 2018 ermögli-

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Kommunalstrukturen in Nordostniedersachsen

chen.

Tabelle 3.2.4-G: Ergebnishaushalt (Kreisebene, in Euro)

Erträge Steuern und Abgaben 904.000 Zuwendungen / allg. Umlagen 69.337.000 Auflösungserträge 2.932.500 Sonst. Transfererträge 3.124.200 Öffentlich-rechtliche Entgelte 9.472.700 Privatrechtliche Entgelte 524.700 Kostenerstattungen/-umlagen 29.730.600 Zinsen/sonst. Finanzerträge 2.024.900 Aktivierte Eigenleistungen – Bestandsveränderungen – Sonstige ordentliche Erträge 4.022.100 Summe 122.072.700 Aufwendungen Aktives Personal 19.028.000 Versorgung 230.000 Sach-/Dienstleistungen 6.940.000 Abschreibungen 6.728.300 Zinsen/ähnliche Aufwendungen 3.335.800 Transferaufwendungen 73.144.200 Sonstige ord. Aufwendungen 18.243.900 Summe 127.650.200 Ordentliches Ergebnis -5.577.500 Außerordentliche Erträge – Außerordentliche Aufwendungen – Außerordentliches Ergebnis – Ergebnis -5.577.500

Anmerkungen: gem. Haushaltsansätzen für 2011; Quelle: Landkreis Uelzen: Haushaltsplan 2011.

Tabelle 3.2.4-H: Finanzhaushalt (Kreisebene, in Euro)

Einzahlungen aus laufender Verwaltungstätigkeit Steuern/ähnliche Abgaben 904.000 Zuwendungen/allg. Umlagen 69.337.000 Sonst. Transfereinzahlungen 3.124.200 Öffentlich-rechtliche Entgelte 9.472.700 Privatrechtliche Entgelte 524.700 Kostenerstattungen/-umlagen 29.730.600 Zinsen/ähnl. Einzahlungen 2.024.900 Einz. aus Veräußerung geringwertigen Vermögens – Sonstige haushaltswirksame Einzahlungen 3.272.100 Summe 118.390.200

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Kommunalstrukturen in Nordostniedersachsen

Auszahlungen aus laufender Verwaltungstätigkeit Auszahlungen f. aktives Personal 18.178.000 Auszahlungen f. Versorgung 230.000 Auszahlungen f. Sach- & Dienstl.; gering. Verm. 6.940.000 Zinsen/ähnlich Auszahlungen 3.335.800 Transferauszahlungen 73.144.200 Sonstige haushaltswirksame Auszahlungen 18.243.900 Summe 120.071.900 Saldo aus laufender Verwaltungstätigkeit -1.681.700 Einzahlungen aus Investitionstätigkeit Zuwendungen aus Investitionstätigkeit 1.838.500 Beiträge/ähnl. Entgelte f. Investitionstätigkeit - Veräußerung von Sachvermögen 1.600 Finanzvermögensanlagen 103.300 Sonstige Investitionstätigkeit - Summe 1.943.400 Auszahlungen aus Investitionstätigkeit Erwerb von Grundstücken/Gebäuden 4.300 Baumaßnahmen 3.181.500 Erwerb von beweglichem Sachvermögen 1.468.500 Erwerb von Finanzvermögensanlagen 58.000 Aktivierbare Zuwendungen 3.053.500 Sonstige Investitionstätigkeit – Summe 7.765.800 Saldo aus Investitionstätigkeit -5.822.400 Finanzmittel-Überschuss/-fehlbetrag -7.504.100 Einzahlungen aus Finanzierungstätigkeit (Kredite f. Inv. o.ä.) 5.822.400 Auszahlungen aus Finanzierungstätigkeit (Tilgung v. Inv. o.ä.) 1.991.000 Saldo aus Finanzierungstätigkeit 3.831.400 Finanzmittelbestand -3.672.700 Jahresendbestand an Zahlungsmitteln -3.672.700

Anmerkungen: gem. Haushaltsansätzen für 2011; Quelle: Landkreis Uelzen: Haushaltsplan 2011.

3.2.5 Strukturprofil des Landkreises Harburg

Der Landkreis Harburg ist nach der bis April 1937 eigenständigen Stadt Harburg benannt, die durch das „Groß-Hamburg-Gesetz“ in die Freie und Hansestadt Ham- burg eingegliedert wurde. Gleichwohl blieb Harburg noch bis zur kriegsbedingten Verlegung in die Stadt Winsen/Luhe (1944) Sitz der Kreisverwaltung. Das Gebiet des Landkreises grenzt im Norden an die Bezirke Harburg und Bergedorf der Frei- en und Hansestadt Hamburg sowie an Schleswig-Holstein, im Osten an den Land- kreis Lüneburg, im Süden an den Heidekreis sowie im Westen an die Landkreise Rotenburg (Wümme) und Stade. Während der südliche Teil durch die Lüneburger Heide geprägt ist, unterliegt die nördliche Hälfte des Kreises bereits den natur-

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Kommunalstrukturen in Nordostniedersachsen

räumlichen Einflüssen der Elbmarschen. Im Nordwesten findet sich zudem die Hü- gellandschaft der Harburger Berge. Der Kreis ist über die Bundesautobahnen 1 (Hamburg-Bremen), 7 (Hamburg-Hannover), 39 (Hamburg-Lüneburg) und 261 (Tangente A1-A7) an das Fernstraßennetz angebunden; Anschlüsse an die wichti- gen Bahnstrecken Hamburg-Hannover und Hamburg-Bremen treten hinzu.

Der urbane Einfluss der angrenzenden Metropole schlägt sich nicht zuletzt in der Klares Bevölke- rungswachstum Bevölkerungsdichte nieder, die mit knapp 200 Ew./km² deutlich über dem Bundes- auch in der Vor- durchschnitt liegt. Das Kreisgebiet von weniger als 1.250 km² wurde im Jahr 2010 ausschau von etwa 247.000 Einwohnern bewohnt; dies entspricht einem Wachstum von na- hezu 31 % gegenüber dem Jahr 1987. Auch in der Vorausschau kann der Landkreis mit einer außergewöhnlichen demographischen Entwicklung rechnen: Für die kommenden zwanzig Jahre wurde ein weiteres Wachstum von knapp 2 % voraus- berechnet. Etwa 21 % der Bevölkerung sind älter als 65 Jahre; der Anteil der unter 15-Jährigen liegt bei knapp 15 %.

Tabelle 3.2.5-A: Kreisgebiet, Bevölkerungsstruktur und -entwicklung

Kreisgebiet (km²) 1.244,89 Bevölkerungsdichte (Einwohner / km²) 198,3 Einwohnerzahl 1939 62.602 1961 112.237 1987 188.710 2000 232.799 2005 241.827 2010 246.868 2030 251.327 Bevölkerungswachstum (1987-2010) + 30,7 % Bevölkerungswachstum (2010-2030) + 1,8 % Altersstruktur 2010 0 – 15 Jahre 14,8 % 15 – 65 Jahre 64,3 % > 65 Jahre 20,9 %

Anmerkungen: Einwohnerzahlen für 1939, 1961 und 1987 beruhen auf Volkszählungen, für 2000, 2005 und 2010 auf der Bevölkerungsfortschreibung des LSKN, für 2030 auf der Bevölkerungsvor- ausberechnung des LSKN. Quelle: Landesbetrieb für Statistik und Kommunikationstechnologie Nie- dersachsen: Online-Datenbank, Tabellen K1010013, K1000014, Z2020251, K1000121, 2011.

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Kommunalstrukturen in Nordostniedersachsen

Die Kommunalstruktur des Landkreises ist in doppelter Hinsicht bemerkenswert: Ungewöhnliche Kommunalstruk- Einerseits liegt die ungewöhnliche Konstellation vor, dass der Kreissitz in der nach tur Einwohnern nur drittgrößten Gemeinde verortet ist, andererseits zählen die beiden Städte des Kreises (Winsen und Buchholz in der Nordheide) deutlich weniger Ein- wohner als die größte kreisangehörige Gemeinde, die Einheitsgemeinde Seevetal. Letztere entstand aus dem Zusammenschluss von 19 ehemals eigenständigen Ge- meinden, ohne in diesem Zusammenhang auf das Institut der Samtgemeinde zu- rückzugreifen. Im bundesweiten Vergleich stellt Seevetal mithin die einwohner- stärkste Gemeinde ohne Stadtrecht dar. Das Kreisgebiet gliedert sich im Übrigen in drei weitere Einheits- und sechs Samtgemeinden; letztere umfassen wiederum 36 Einzelgemeinden. Während 23 der insgesamt 42 Gemeinden weniger als 2.000 Einwohner umfassen, zählen sieben Kommunen mehr als 10.000 Einwohner.

Tabelle 3.2.5-B: Verwaltungseinheiten und Gemeindegrößenklassen

Zahl der Verwaltungseinheiten Einheitsgemeinden 6 Samtgemeinden 6 In Samtgemeinden zusammengeschlossene Gemeinden 36 Gemeindegrößenklassen < 1.000 Einwohner 6 1.000 – 1.999 Einwohner 17 2.000 – 2.999 Einwohner 5 3.000 – 4.999 Einwohner 5 5.000 – 9.999 Einwohner 2 10.000 – 19.999 Einwohner 3 20.000 – 49.999 Einwohner 4 > 50.000 Einwohner –

Quelle: Landesbetrieb für Statistik und Kommunikationstechnologie Niedersachsen: Online- Datenbank, Tabelle K1000014, 2011.

Der 63-köpfige Kreistag setzt sich aus 62 Abgeordneten und dem gewählten Land- rat, Joachim Bordt (FDP), zusammen. Die CDU stellt mit 24 Mandaten auch nach der Wahl 2011 die stärkste Fraktion; neben ihr sind die SPD, die Grünen, die FDP, die Linke und die Piraten sowie Wählergemeinschaften im Kreistag vertreten. CDU und FDP bilden im Rahmen der Wahlperiode 2006-2011 eine gemeinsame Mehrheitsgruppe.

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Kommunalstrukturen in Nordostniedersachsen

Tabelle 3.2.5-C: Zusammensetzung des kommunalen Vertretungsorgans (2011-16)

Wahl- Partei/Wählergruppe Stimmenanteil Sitze beteiligung CDU 38,0 % 24 SPD 30,1 % 19 Grüne 16,6 % 10 FDP 4,2 % 3 54,2 % Linke 1,9 % 1 Wählergruppen 7,5 % 4 Sonstige 1,6 % 1

Quelle: Landesbetrieb für Statistik und Kommunikationstechnologie Niedersachsen: Kommunalwah- len 2011, Ergebnis der Kreistagswahlen, 2011.

Abbildung 3.2.5-D: Kreisverwaltung Harburg - Organisationsstruktur

Quelle: Landkreis Harburg, 2011.

Die Kreisverwaltung umfasst vier Dezernate, eine Reihe gesondert gruppierter Stellen sowie die Verwaltung der Krankenhäuser und Heime. Ein weiterer Fachbe- reich (Strategische Steuerung) befasst sich unter der Leitung des Ersten Kreisrats mit Fragen des Controlling und der Personalentwicklung, der Wirtschaftsförderung und des Klimaschutzes. Das Dezernat 1 (Service) umfasst die Aufgaben der Bin- nenverwaltung, Dezernat 2 (Ordnung) den Bürgerservice, die Schul-, ÖPNV- und Sportverwaltung, die Volkshochschule, den Veterinärdienst und die Ämter für Ordnung und Zivilschutz. Dezernat 3 (Soziales) gliedert sich in Stellen zur Verwal- tung sozialer Leistungen, das Amt für Jugend und Familie und das Gesundheits-

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Kommunalstrukturen in Nordostniedersachsen

amt. Das Dezernat 4 (Bauen/Umwelt) schließlich bündelt die Ämter für Bauen, Na- turschutz, Boden-, Luft- und Wasserwirtschaft, Abfallwirtschaft, Abwasserbeseiti- gung sowie die Verwaltung der Kreisstraßen. Für das Jahr 2011 ist ein Personal- bestand von 761 Planstellen vorgesehen.

Tabelle 3.2.5-E: Stellenplan (Übersicht)

Zahl der Stellen im Haushaltsplan 761 Davon Beamte 145

Anmerkung: gem. Haushaltsansätzen für 2011; Quelle: Landkreis Harburg: Haushaltsplan 2011.

Die haushalterische Situation des Landkreises erweist sich als vergleichsweise Trotz Neuver- schuldung mittel- spannungsfrei. In den Jahren 2007 bis 2009 konnten Überschüsse zur Reduzierung fristig spannungs- des Schuldenstands herangezogen werden; die durchschnittlichen Zins- und Soll- freier Haushalt fehlbetragsquoten entwickeln sich im Landesvergleich außergewöhnlich positiv. Gleichwohl war im Jahr 2010 eine substantielle Neuverschuldung vorgesehen, Gleiches gilt für das laufende Jahr. Die Verschuldung des Zentralhaushalts soll bis Ende 2011 auf knapp 80 Mio. Euro anwachsen. Mittelfristig ist jedoch eine erneute Rückführung der Fehlbeträge geplant.

Tabelle 3.2.5-F: Übersicht – Haushaltsdaten (Kreisebene, in Euro)

Ergebnishaushalt Erträge 236.645.300 Aufwendungen 239.220.900 Finanzhaushalt Saldo aus laufender Verwaltungstätigkeit -193.600 Saldo aus Investitionstätigkeit -7.662.500 Saldo aus Finanzierungstätigkeit 1.186.500 Schlüsselzuweisungen 32.800.000 Kreisumlage 89.400.000

Anmerkung: gem. Haushaltsansätzen für 2011; Quelle: Landkreis Harburg: Haushaltsplan 2011.

Der Ergebnishaushalt für 2011 sieht ein negatives (ordentliches) Ergebnis von knapp 2,6 Mio. Euro vor; dies entspricht einem Fehlbetrag von nur etwa 1 % der geplanten Aufwendungen. Personalaufwendungen, Versorgungs- und Transferleis- tungen summieren sich auf nur knapp 57 % der Ausgaben. Der Finanzmittelfehlbe- trag des Finanzhaushalts beläuft sich als Summe der Saldi aus laufender Verwal- tungstätigkeit (–0,2 Mio. Euro) und Investitionstätigkeit (–7,6 Mio. Euro) auf etwa 7,8 Mio. Euro.

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Kommunalstrukturen in Nordostniedersachsen

Tabelle 3.2.5-G: Ergebnishaushalt (Kreisebene, in Euro)

Erträge Steuern und Abgaben 6.150.000 Zuwendungen / allg. Umlagen 143.083.000 Auflösungserträge 2.924.000 Sonst. Transfererträge 7.383.600 Öffentlich-rechtliche Entgelte 11.187.100 Privatrechtliche Entgelte 396.900 Kostenerstattungen/-umlagen 54.769.900 Zinsen/sonst. Finanzerträge 6.386.500 Aktivierte Eigenleistungen – Bestandsveränderungen – Sonstige ordentliche Erträge 4.364.300 Summe 236.645.300 Aufwendungen Aktives Personal 34.105.700 Versorgung 1.198.600 Sach-/Dienstleistungen 10.236.300 Abschreibungen 4.288.600 Zinsen/ähnliche Aufwendungen 4.083.000 Transferaufwendungen 100.964.000 Sonstige ord. Aufwendungen 84.344.700 Summe 239.220.900 Ordentliches Ergebnis -2.575.600 Außerordentliche Erträge 80.100 Außerordentliche Aufwendungen 500.000 Außerordentliches Ergebnis -419.900 Ergebnis -2.995.500

Anmerkungen: gem. Haushaltsansätzen für 2011; Quelle: Landkreis Harburg: Haushaltsplan 2011.

Tabelle 3.2.5-H: Finanzhaushalt (Kreisebene, in Euro)

Einzahlungen aus laufender Verwaltungstätigkeit Steuern/ähnliche Abgaben 6.150.000 Zuwendungen/allg. Umlagen 143.083.000 Sonst. Transfereinzahlungen 7.383.600 Öffentlich-rechtliche Entgelte 11.187.100 Privatrechtliche Entgelte 396.900 Kostenerstattungen/-umlagen 54.769.900 Zinsen/ähnl. Einzahlungen 6.386.500 Einz. aus Veräußerung geringwertigen Vermögens – Sonstige haushaltswirksame Einzahlungen 4.365.000 Summe 233.722.000 Auszahlungen aus laufender Verwaltungstätigkeit Auszahlungen f. aktives Personal 32.603.700 Auszahlungen f. Versorgung 1.174.100 Auszahlungen f. Sach- & Dienstl.; gering. Verm. 10.236.300

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Kommunalstrukturen in Nordostniedersachsen

Zinsen/ähnlich Auszahlungen 4.083.000 Transferauszahlungen 100.964.000 Sonstige haushaltswirksame Auszahlungen 84.854.500 Summe 233.915.600 Saldo aus laufender Verwaltungstätigkeit -193.600 Einzahlungen aus Investitionstätigkeit Zuwendungen aus Investitionstätigkeit 7.625.100 Beiträge/ähnl. Entgelte f. Investitionstätigkeit – Veräußerung von Sachvermögen 190.600 Finanzvermögensanlagen 436.300 Sonstige Investitionstätigkeit 5.111.000 Summe 13.363.000 Auszahlungen aus Investitionstätigkeit Erwerb von Grundstücken/Gebäuden 206.000 Baumaßnahmen 1.120.900 Erwerb von beweglichem Sachvermögen 2.376.400 Erwerb von Finanzvermögensanlagen 908.700 Aktivierbare Zuwendungen 14.396.500 Sonstige Investitionstätigkeit 2.017.000 Summe 21.025.500 Saldo aus Investitionstätigkeit -7.662.500 Finanzmittel-Überschuss/-fehlbetrag -7.856.100 Einzahlungen aus Finanzierungstätigkeit (Kredite f. Inv. o.ä.) 6.014.500 Auszahlungen aus Finanzierungstätigkeit (Tilgung v. Inv. o.ä.) 4.828.000 Saldo aus Finanzierungstätigkeit 1.186.500 Finanzmittelbestand -6.669.600 Jahresendbestand an Zahlungsmitteln -6.776.650

Anmerkungen: gem. Haushaltsansätzen für 2011; Quelle: Landkreis Harburg: Haushaltsplan 2011.

3.2.6 Strukturprofil des Landkreises Celle

Der Landkreis Celle, hier eher nachrichtlich angefügt, erstreckt sich über die südli- che Lüneburger Heide und grenzt im Norden und Westen an den Heidekreis, im Nordosten an den Landkreis Uelzen, im Osten an den Landkreis Gifhorn und im Süden an die Region Hannover. Die namensgebende, in der südlichen Kreishälfte am Fluss Aller gelegene Große selbständige Stadt Celle spielt als Oberzentrum ei- ne wichtige, strukturierende Rolle. Die Stadt liegt an der Fernverkehrsstrecke Hamburg-Hannover und ist in das Hannoveraner S-Bahn-Netz eingebunden; der Landkreis verfügt jedoch über keine direkte Anbindung an das Autobahnsystem.

Die Bevölkerung von knapp 180.000 Einwohnern besiedelt ein Gebiet von mehr Rückläufige Be- völkerungszahl als 1.500 km², die daraus resultierende Bevölkerungsdichte liegt etwas unter dem Bundesdurchschnitt. Die Einwohnerzahl ist seit Mitte des vergangenen Jahrzehnts

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Kommunalstrukturen in Nordostniedersachsen

rückläufig; für die kommenden zwanzig Jahre wird ein weiterer Rückgang i.H.v. 12,9 % prognostiziert. Etwa 22 % der Einwohner sind älter als 65 Jahre.

Tabelle 3.2.6-A: Kreisgebiet, Bevölkerungsstruktur und -entwicklung

Kreisgebiet (km²) 1.545,14 Bevölkerungsdichte (Einwohner / km²) 115,5 Einwohnerzahl 1939 91.875 1961 151.178 1987 165.433 2000 181.792 2005 182.444 2010 178.528 2030 155.512 Bevölkerungswachstum (1987-2010) + 7,9 % Bevölkerungswachstum (2010-2030) – 12,9 % Altersstruktur 2010 0 – 15 Jahre 14,5 % 15 – 65 Jahre 63,6 % > 65 Jahre 21,9 %

Anmerkungen: Einwohnerzahlen für 1939, 1961 und 1987 beruhen auf Volkszählungen, für 2000, 2005 und 2010 auf der Bevölkerungsfortschreibung des LSKN, für 2030 auf der Bevölkerungsvor- ausberechnung des LSKN. Quelle: Landesbetrieb für Statistik und Kommunikationstechnologie Nie- dersachsen: Online-Datenbank, Tabellen K1010013, K1000014, Z2020251, K1000121, 2011.

Das Kreisgebiet gliedert sich in acht Einheits- und vier Samtgemeinden, die wie- Acht Einheits-, vier Samtgemein- derum 16 Mitgliedsgemeinden umfassen. Das gemeindefreie Gebiet Lohheide tritt den hinzu. Lediglich die Große selbständige Stadt Celle, die eine Reihe von Aufgaben der Kreisebene eigenverantwortlich ausführt, kann mehr als 20.000 Einwohner aufweisen, drei weitere Gemeinden (Winsen (Aller), Hambühren und die Stadt Bergen) zählen mehr als 10.000 Einwohner. Die übrigen Gemeinden verteilen sich gleichmäßig auf die verbleibenden Größenklassen.

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Kommunalstrukturen in Nordostniedersachsen

Tabelle 3.2.6-B: Verwaltungseinheiten und Gemeindegrößenklassen

Zahl der Verwaltungseinheiten Einheitsgemeinden 8 Samtgemeinden 4 In Samtgemeinden zusammengeschlossene Gemeinden 16 Gemeindegrößenklassen < 1.000 Einwohner 3 (*) 1.000 – 1.999 Einwohner 4 2.000 – 2.999 Einwohner 3 3.000 – 4.999 Einwohner 4 5.000 – 9.999 Einwohner 6 10.000 – 19.999 Einwohner 3 20.000 – 49.999 Einwohner – > 50.000 Einwohner 1

Anmerkung: (*) Das gemeindefreie Gebiet Lohheide fällt mit 716 Einwohnern ebenfalls in diese Ka- tegorie, wird aber an dieser Stelle nicht aufgeführt. Quelle: Landesbetrieb für Statistik und Kommuni- kationstechnologie Niedersachsen: Online-Datenbank, Tabelle K1000014, 2011.

Der Kreistag konstituiert sich aus 58 Abgeordneten und dem gewählten Landrat Klaus Wiswe (CDU), der seit 1999 amtiert. Mit 24 Sitzen stellt die CDU auch nach der Wahl 2011 die stärkste Fraktion, neben ihr sind die SPD, die Grünen, die FDP und Abgeordnete von Wählergruppen vertreten. Die CDU bildete in der vorange- henden Wahlperiode mit der FDP eine mehrheitstragende Gruppe.

Tabelle 3.2.6-C: Zusammensetzung des kommunalen Vertretungsorgans (2011-16)

Wahl- Partei/Wählergruppe Stimmenanteil Sitze beteiligung CDU 41,1 % 24 SPD 30,6 % 18 Grüne 12,1 % 7 FDP 4,5 % 3 50,9 % Linke 2,3 % 1 Wählergruppen 9,4 % 5 Sonstige – –

Quelle: Landesbetrieb für Statistik und Kommunikationstechnologie Niedersachsen: Kommunalwah- len 2011, Ergebnis der Kreistagswahlen, 2011.

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Kommunalstrukturen in Nordostniedersachsen

Die Kreisverwaltung ist in drei Dezernate gegliedert. Dezernat I unter der Leitung des Ersten Kreisrats umfasst die Ämter für Bildung, Sport und Zentrale Dienste, Soziales, Jugend und Gesundheit. Dezernat II verwaltet Teile des Landratsbüros (Kommunalaufsicht, Wahlen, Vergabestelle) sowie die Ämter für Informationsver- arbeitung, Steuerung und Personal, Ordnung, Veterinärangelegenheiten und Ver- braucherschutz sowie das Rechnungsprüfungsamt. Dezernat III schließlich umfasst das Straßenverkehrsamt, das Amt für Wirtschaftsförderung, Bauen und Kreisent- wicklung sowie das Amt für Umwelt und den ländlichen Raum. Für das Jahr 2011 sieht die Planung 663 Stellen in der Kreisverwaltung vor.

Abbildung 3.2.6-D: Kreisverwaltung Celle - Organisationsstruktur

Quelle: Landkreis Celle, Stand: 01.05.2010.

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Kommunalstrukturen in Nordostniedersachsen

Tabelle 3.2.6-E: Stellenplan (Übersicht)

Zahl der Stellen im Haushaltsplan 663 Davon Beamte 153

Quelle: Landkreis Celle: Haushaltsplan 2011.

Zum Jahresende 2011 wird der Schuldenstand des Landkreises voraussichtlich Deutliche Neuver- schuldung auch in 125 Mio. Euro betragen; die Neuverschuldung im laufenden Jahr beläuft sich – ab- kommenden Jah- züglich verbleibender Ermächtigungen aus den Jahren 2009 und 2010 – auf etwa ren 15 Mio. Euro. Diese Entwicklung steht Haushaltsüberschüssen in den Jahren 2008 und 2009 gegenüber und deckt sich mit einigen der bereits untersuchten Kreis- haushalte: Eine vielversprechende Konsolidierungsstrategie, die zudem auf ermuti- genden Zins- und Sollfehbetragsquoten basiert, wurde durch die krisenbedingten Einbrüche zwischenzeitlich konterkariert. Auch für die kommenden Jahre ist eine deutliche Nettoneuverschuldung eingeplant.

Tabelle 3.2.6-F: Übersicht – Haushaltsdaten (Kreisebene, in Euro)

Ergebnishaushalt Erträge 215.885.400 Aufwendungen 230.266.800 Finanzhaushalt Saldo aus laufender Verwaltungstätigkeit -5.685.200 Saldo aus Investitionstätigkeit -19.590.400 Finanzierungsmittel-Überschuss/Fehlbetrag -25.275.600 Saldo aus Finanzierungstätigkeit 14.995.500 Schlüsselzuweisungen 39.200.000 Kreisumlage 69.894.200

Anmerkungen: gem. Haushaltsansätzen für 2011; Quelle: Landkreis Celle: Haushaltsplan 2011.

Der Ergebnishaushalt für 2011 sieht ein negatives (ordentliches) Ergebnis von mehr als 14 Mio. Euro vor; dies entspricht einem Fehlbetrag von mehr als 6 % der geplanten Aufwendungen. Personalaufwendungen, Versorgungs- und Transferleis- tungen summieren sich auf etwa 55 % der Ausgaben. Der Finanzmittelfehlbetrag des Finanzhaushalts beläuft sich als Summe der Saldi aus laufender Verwaltungstä- tigkeit (–5,7 Mio. Euro) und Investitionstätigkeit (–19,6 Mio. Euro) auf mehr als 25 Mio. Euro.

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Kommunalstrukturen in Nordostniedersachsen

Tabelle 3.2.6-G: Ergebnishaushalt (Kreisebene, in Euro)

Erträge Steuern und Abgaben 1.834.800 Zuwendungen / allg. Umlagen 122.545.200 Auflösungserträge 8.854.100 Sonst. Transfererträge 6.926.200 Öffentlich-rechtliche Entgelte 10.155.700 Privatrechtliche Entgelte 415.200 Kostenerstattungen/-umlagen 58.648.800 Zinsen/sonst. Finanzerträge 3.178.700 Aktivierte Eigenleistungen – Bestandsveränderungen – Sonstige ordentliche Erträge 3.326.700 Summe 215.885.400 Aufwendungen Aktives Personal 33.569.900 Versorgung – Sach-/Dienstleistungen 21.598.700 Abschreibungen 17.399.900 Zinsen/ähnliche Aufwendungen 4.694.800 Transferaufwendungen 93.147.700 Sonstige ord. Aufwendungen 59.855.800 Summe 230.266.800 Ordentliches Ergebnis -14.381.400 Außerordentliche Erträge 15.000 Außerordentliche Aufwendungen - Außerordentliches Ergebnis 15.000 Ergebnis -14.366.400

Anmerkungen: gem. Haushaltsansätzen für 2011; Quelle: Landkreis Celle: Haushaltsplan 2011.

Tabelle 3.2.6-H: Finanzhaushalt (Kreisebene, in Euro)

Einzahlungen aus laufender Verwaltungstätigkeit Steuern/ähnliche Abgaben 1.834.800 Zuwendungen/allg. Umlagen 122.765.900 Sonst. Transfereinzahlungen 6.296.600 Öffentlich-rechtliche Entgelte 10.155.700 Privatrechtliche Entgelte 412.200 Kostenerstattungen/-umlagen 58.653.300 Zinsen/ähnl. Einzahlungen 3.164.200 Einz. aus Veräußerung geringwertigen Vermögens – Sonstige haushaltswirksame Einzahlungen 2.614.500 Summe 205.897.200 Auszahlungen aus laufender Verwaltungstätigkeit Auszahlungen f. aktives Personal 32.051.600 Auszahlungen f. Versorgung –

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Kommunalstrukturen in Nordostniedersachsen

Auszahlungen f. Sach- & Dienstl.; gering. Verm. 21.598.700 Zinsen/ähnlich Auszahlungen 4.694.800 Transferauszahlungen 93.368.400 Sonstige haushaltswirksame Auszahlungen 59.868.900 Summe 211.582.400 Saldo aus laufender Verwaltungstätigkeit -5.685.200 Einzahlungen aus Investitionstätigkeit Zuwendungen aus Investitionstätigkeit 2.505.800 Beiträge/ähnl. Entgelte f. Investitionstätigkeit – Veräußerung von Sachvermögen 50.000 Finanzvermögensanlagen – Sonstige Investitionstätigkeit 97.000 Summe 2.652.800 Auszahlungen aus Investitionstätigkeit Erwerb von Grundstücken/Gebäuden 606.200 Baumaßnahmen 11.362.700 Erwerb von beweglichem Sachvermögen 5.332.100 Erwerb von Finanzvermögensanlagen – Aktivierbare Zuwendungen 4.942.200 Sonstige Investitionstätigkeit – Summe 22.243.200 Saldo aus Investitionstätigkeit -19.590.400 Finanzmittel-Überschuss/-fehlbetrag -25.275.600 Einzahlungen aus Finanzierungstätigkeit (Kredite f. Inv. o.ä.) 19.590.400 Auszahlungen aus Finanzierungstätigkeit (Tilgung v. Inv. o.ä.) 4.594.900 Saldo aus Finanzierungstätigkeit 14.995.500 Finanzmittelbestand -10.280.100 Jahresendbestand an Zahlungsmitteln –

Anmerkungen: gem. Haushaltsansätzen für 2011; Quelle: Landkreis Celle: Haushaltsplan 2011.

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Kommunalstrukturen in Nordostniedersachsen

4 Kleinräumige Datenanalyse: die kommunale Selbstverwaltung im Raum Nordostniedersachsen/Region Lüneburg im Lan- desvergleich

Im nachfolgenden Kapitel werden Maßstäbe, Kriterien und Indikatoren zur Beur- teilung der Kommunalstrukturen im Raum Nordostniedersachsen vorgestellt. Durch ihre Anwendung soll eingeschätzt werden, ob in diesem Raum (oder Teilen von ihm) Stabilisierungsbedarf besteht, der Veränderungen, ggf. auch einen verän- derten Zuschnitt von Kommunalverwaltungen anzeigt. Hierzu wird die im Grund- gutachten angelegte Indikatorenanalyse aktualisiert und in Teilen verfeinert.1 Als Kriterien werden der Bevölkerungsbesatz und die Raumkapazität (4.1), sozioöko- nomische Verflechtungen (4.2), die ökonomische, demographische und haushalte- rische Entwicklungsfähigkeit (4.3), die sozioökonomische wie fiskalische Aus- gleichsfähigkeit (4.4) sowie schließlich die örtliche, demokratische und politische Integrationsfähigkeit (4.5) der Kommunen gewählt. In dem sich anschließenden Kap. 4.6 kommt es zu einer Zusammenführung der einzelnen Teilbetrachtungen im Rahmen eines Zwischenfazits.

Mit Hilfe der gewählten Indikatoren werden die Landkreise Lüneburg, Lüchow- Nutzen und Gren- zen der indikato- Dannenberg, Uelzen, Celle und Harburg einer umfassenden Beurteilung und Be- rengestützten wertung unterzogen, die auf einem Vergleich mit anderen kommunalen Gebiets- Vorgehensweise körperschaften Niedersachsens basiert. Deshalb werden für jeden Indikator die Werte sämtlicher kreisfreien Städte, Landkreise sowie der Region Hannover in Ta- bellenform dargestellt, wobei der Vergleich die Herausbildung von drei Gruppen erlaubt: Kommunen mit hohem, mittlerem und geringem/nicht gegebenem Stabili- sierungs- und/oder Handlungsbedarf. Daran wiederum schließt sich eine textliche Auswertung des Befundes an, der die Ergebnisse der fünf Gebietskörperschaften diskutiert und ihren Stabilisierungsbedarf erörtert. Diese indikatorengestützte, pri- mär quantitative Vorgehensweise reduziert zum einen die Komplexität und erlaubt zum anderen eine sehr viel breitere Beurteilung der Ausgangssituation, als dies über den simplen Ausweis von Einwohner- und Flächenwerten der Fall wäre. Al- lerdings soll selbst mit dem hier eingesetzten umfassenden Indikatorenbündel we- der eine gleichsam exakte Reihenfolge der Gebietskörperschaften nach ihrer gege- benen und erwartbaren Stabilität vorgestellt noch gar eine gleichsam abschließende Beurteilung des Handlungsbedarfs vorgelegt werden. Es geht vielmehr darum, auf der Basis einer mehrstufigen Beurteilung der jeweiligen Gebietskörperschaft bes-

1 Die Indikatorenanalyse des Grundgutachtens basierte auf einer vom Gutachter 2009 vorgelegten Untersuchung zur Situation in Schleswig-Holstein, mit der erkennbar auch methodisches „Neu- land“ betreten wurde, vgl. Hesse, a.a.O., 2008/2009, ergänzt durch Hesse/Götz, a.a.O., 2009a. Die nachfolgende Analyse erweitert diesen Ansatz beträchtlich. 87 Kommunalstrukturen in Nordostniedersachsen

ser gerecht zu werden als dies im Rahmen eher generalisierender Diskussionen der Fall ist.

Die über quantitative Analysen gewonnenen Erkenntnisse werden in den nachfol- Quantitative und qualitative Indika- genden Kapiteln dann eingehend qualitativ und aufgabenspezifisch überprüft, um torenanalyse aus der Verbindung quantitativer wie qualitativer Beurteilungsmaßstäbe Hand- lungsempfehlungen abzuleiten. Durch die Intensivinterviews im Raum und die Aufarbeitung themenspezifischer Primär- und Sekundärquellen wurden die in einer quantitativen Analyse nur begrenzt sichtbaren spezifischen Bedingungen der be- trachteten Gebietskörperschaften erfasst.

Die folgende Abbildung summiert die der quantitativen Analyse zugrunde gelegten Indikatoren:

Abbildung 4-A: Bewertungskriterien und Indikatoren der quantitativen Analyse

1. Bevölkerungsbesatz und Raumkapazität Einwohnerzahl Flächengröße der Landkreise (in km²) 2. Sozioökonomische Verflechtungen Arbeitsplatzei- Abdeckung von Abdeckung von Güte der Kor- genversorgung: Arbeitsmarktregi- Naturräumen: respondenz mit Anteil derjenigen onen: Anteil der Zahl zumindest grenzüberschrei- Personen, die in Beschäftigten des teilweise abge- tenden Bezügen einer Kommune örtlichen Arbeits- deckter naturräum- anhand einer wohnhaft und so- marktes, die Ein- licher Regionen qualitativen Ein- zialversiche- wohner einer und Zahl weiterer schätzung rungspflichtig be- Kommune sind (in Kommunen in schäftigt sind, an Prozent) denselben Natur- allen sozialversi- räumen cherungspflichtig Beschäftigten, die in der Kommune wohnen (in Pro- zent) 3. Entwicklungsfähigkeit 3.1. Sozioökonomische Entwicklungsfähigkeit Bruttoinlandsprodukt je Arbeitslosenquote (bezo- Veränderung der Zahl Einwohner (in Euro) gen auf alle zivilen Er- der Beschäftigten im werbspersonen; in Pro- Jahr 2030 gegenüber zent) 2010 (gem. NIW Be- schäftigtenprognose; in Prozent)

88 Kommunalstrukturen in Nordostniedersachsen

3.2. Demographische Entwicklungsfähigkeit Veränderung der Ein- Veränderung des Bevöl- Veränderung des Be- wohnerzahl im Jahr 2030 kerungsanteils der unter völkerungsanteils der gegenüber dem Jahr 18-Jährigen von 2009 bis über 75-Jährigen von 2009 (gem. NIW- 2030 (ebd., in Prozent) 2009 bis 2030 (ebd., in Bevölkerungsprognose; Prozent) in Prozent) 3.3. Haushalterische Entwicklungsfähigkeit Deckungsquote im Jahresdurchschnitt Zinsquote im Jahresdurchschnitt 2006-2008 (Verhältnis der allgemeinen 2006-2008 (Anteil der Zinsausgaben Deckungsmittel netto zu den Zuschuss- an den allgemeinen Deckungsmitteln bedarfen der Einzelpläne 0-8 des Ver- brutto; in Prozent) waltungshaushalts; in Prozent) 4. Sozioökonomische und fiskalische Ausgleichsfähigkeit Zentralörtliches Versor- SGB II-Quote: Anteil der Kommunale Steuerein- gungsniveau: Quote der hilfebedürftigen Personen nahmen pro Einwohner Einwohner einer Kom- nach dem SGB II (er- im Jahresdurchschnitt mune, die in einem Zent- werbsfähige und nicht er- 2007-2009 (in Euro) ralen Ort wohnen, wozu werbsfähige Hilfebedürf- hier die Ober- und Mit- tige) an der Bevölkerung telzentren des Landes bis unter 65 Jahren (in gerechnet werden, an de- Prozent) ren gesamter Einwoh- nerschaft (in Prozent) 5. Teilhabe, Ortsnähe und Identität 5.1. Teilhabe 5.2. Ortsnähe 5.3. Gegebene Identitäten im Zeitablauf Zahl der Bewer- Durchschnittliche Flächengröße der Mittelwert der ber um ein Man- Wahlbeteiligung Landkreise (in Flächenanteile dat in den Vertre- bei den Kommu- km²) und damit einer Kommune: tungskörperschaf- nalwahlen in den verbundene Dis- (1) im Territori- ten der Kreisstufe Jahren 2006 und tanzen um des 16. Jahr- je Einwohner und 2011 (in Prozent) hunderts, (2) im Mandat bei der Regierungs- letzten Kommu- oder Verwal- nalwahl im Jahr tungsbezirk der 2011 Jahre 1946-1978, (3) heute (in Pro- zent)

89 Kommunalstrukturen in Nordostniedersachsen

4.1 Bevölkerungsbesatz und Raumkapazität

Bevölkerungsbesatz

Der Bevölkerungsbesatz einer Kommune, bekanntlich ein sogenannter Primärindi- Primärindikator kator, ist für die Beurteilung der Ausgangssituation und der Entwicklungsfähigkeit einer Gebietskörperschaft schon insofern von hoher Bedeutung, als ihm für die Ef- fektivität der Aufgabenwahrnehmung, mithin die Gewährleistung einer entschei- dungs- und leistungsfähigen Verwaltung, eine zentrale, keinesfalls aber determi- nierende Bedeutung zukommt. Für die Beurteilung der jeweiligen Kommunalstruk- tur ist in diesem Kontext zwischen den folgenden Teildimensionen zu unterschei- den:

• der Bildung ausreichender aufgabenadäquater Größenordnungen, • den Auswirkungen auf den materiellen und funktionalen Gehalt der Selbstver- waltung, gemessen an der autonomen Gestaltungsfähigkeit der Akteure, • den Konsequenzen für die Arbeitsweise, die Qualität und die mitarbeiterbezo- gene Motivation der Verwaltungsorganisation, • der Steuerungs- und Kontrollfähigkeit, insbesondere seitens der gewählten Ver- tretungskörperschaften, sowie • der Gleichgewichtigkeit und der Einheit der Verwaltung unter Berücksichti- gung der Bündelungs- und Aufnahmefähigkeit für gegebene wie künftige Auf- gaben.

Mit Blick auf die jeweilige Größenordnung wird eine möglichst hohe Identität zwi- Größe und Gestal- tungsfähigkeit schen dem gebietskörperschaftlichem Einzugsbereich und den territorialen Erfor- kommunaler dernissen einzelner Zuständigkeiten angestrebt, sodass komplementäre Kooperati- Verwaltungen onsverhältnisse nicht oder nur in Teilen notwendig werden. Für den Erhalt der Selbstverwaltung ist ferner eine hohe autonome Gestaltungsfähigkeit der Kommu- nen anzustreben, die wesentlich von ihrer Finanzlage geprägt wird (also etwa die Möglichkeit, regelmäßig einen ausgeglichenen Haushalt vorzulegen, dauerhaft zu investieren und eine nur geringe Verschuldung zuzulassen). Diese autonome Ge- staltungsfähigkeit kann durch die mit Gebietsvergrößerungen einhergehenden funk- tionalen Bündelungs- und finanziell wirksamen Synergieeffekte verbessert werden. Demnach sinken mit wachsender Einwohnerzahl die pro Kopf zu tragenden Kosten für die Kommunalverwaltung, etwa im Personalbereich.2 Ab einer bestimmten Ge- bietskulisse werden diese positiven Effekte jedoch durch einen zunehmenden ent-

2 Am Beispiel Mecklenburg-Vorpommerns: Schröder, D.: Großkreise und Funktionalreform in dünn besiedelten Regionen: Vergleichende Betrachtungen zur Diskussion in Mecklenburg- Vorpommern, in: Hennecke, H. J. (Hg.), Staats- und Verwaltungsmodernisierung in Mecklen- burg-Vorpommern, Rostock, 2004, 47, Landesregierung Mecklenburg-Vorpommern: Gesetz zur Schaffung zukunftsfähiger Strukturen der Landkreise und kreisfreien Städte des Landes Meck- lenburg-Vorpommern (Kreisstrukturgesetz), in: Gesetz- und Verordnungsblatt für Mecklenburg- Vorpommern vom 28.07.2010, 366. 90 Kommunalstrukturen in Nordostniedersachsen

wicklungs- und verteilungspolitischen Dissens (aufgrund verstärkter interner Wi- dersprüche und Interessengegensätze) überlagert.

Die Qualität der Verwaltungsorganisation erhöht sich in größeren Einheiten vor al- Qualität der Verwaltungs- lem aufgrund des steigenden Spezialisierungsgrads und damit des fachlichen wie organisation technischen Wissens der Mitarbeiter, das für die Erfüllung bestimmter Aufgaben zwingend erforderlich ist (etwa im Umweltschutz oder bei Ausländer- und Asylan- gelegenheiten). Auch besteht in größeren Verwaltungen eher die Möglichkeit, Per- sonalausfälle durch Vertretungen auszugleichen. Zudem steigt die Mitarbeitermo- tivation, da eine erweiterte Personalentwicklung entsprechende individuelle Vor- gehensweisen ermöglicht. In sehr großen Verwaltungen werden solche Vorteile dann allerdings wieder durch erhöhte Spezialisierung und Binnendifferenzierung sowie verstärkte Anonymität eingeschränkt. Kleinere Verwaltungen lassen dagegen Defizite in der Qualität der Verwaltungsorganisation und bei der Mitarbeitermoti- vation erwarten.

In Ergänzung der beiden angesprochenen Teildimensionen der autonomen Gestal- Wirtschaftlichkeit tungsfähigkeit und der Qualität ihrer Arbeitsweise ist auf den Maßstab der Wirt- schaftlichkeit von Kommunalverwaltungen zu verweisen. Dies bezieht sich vor al- lem auf die Zielerreichung unter möglichst zweckmäßiger Nutzung der gegebenen Mittel bzw. das Erzielen größerer Erträge mit möglichst geringen Mitteln. Durch Gebietsreformen können hier Erträge aufgrund von Größen- bzw. Skalen-, Ver- bund- und Spezialisierungsvorteilen erzielt werden, fallen gleichzeitig aber auch Materielle und 3 immaterielle materielle wie immaterielle Kosten an. Hinsichtlich der direkt und mittelbar fi- Kosten nanzwirksamen Mehrausgaben ist zwischen einmaligen (u.a. Umzüge, Infrastruk- turumbau und -anpassungen) und dauerhaften Aufwendungen zu unterscheiden. Letztere lassen sich in interne, die Verwaltung und ihre Mitarbeiter betreffende Lasten (u.a. Fahrtkosten, Steuerungsverluste) und externe Kosten auf Seiten der Bürger, Unternehmen und Anspruchsgruppen (u.a. Fahrtzeiten/-kosten, Transpa- renzverluste) unterscheiden. Immaterielle Kosten resultieren aus Verlusten der de- mokratischen, örtlichen und politischen Integrationsfähigkeit sowie politisch- administrativen Widerständen, die reformverzögernd wirken und Fehlallokationen begünstigen können. Eine Reihe empirischer Untersuchungen hat aufgezeigt, dass die Vergrößerung von Kreisstrukturen durchaus erhebliche Kosteneinsparungen mit sich bringen kann.4

Die Steuerungsfähigkeit einer Kommunalverwaltung hängt schließlich wesentlich Legitimation der Aufgabenwahr- von der Legitimation ihrer Aufgabenwahrnehmung ab. Hier drohen Steuerungsver- nehmung

3 Ebd., 202; Hesse/Götz, a.a.O., 2009a. 4 Hesse/Götz, a.a.O, 2009a; Seitz, H.: Fiskalische und ökonomische Effekte der Verwaltungsre- form in Schleswig-Holstein, 2008a; Seitz, H.: Fiskalische und ökonomische Effekte der Verwal- tungsreform in Sachsen, 2007; vgl. darüber hinaus das schon angesprochene Grundgutachten. 91 Kommunalstrukturen in Nordostniedersachsen

luste etwa infolge eher indirekter Legitimationsformen im Rahmen der IKZ sowie aufgrund erweiterter Legitimationsspannen in großen gebietskörperschaftlichen Einheiten. Die Kontrollfähigkeit nimmt einerseits bei der Auftrags- und Mitverwal- tung und bei der Bildung übergemeindlicher oder -kreislicher Einheiten ab, ande- rerseits sind Kontrollverluste in großen Kommunen durch eine erweiterte Leitungs- spanne zu erwarten.

Darüber hinaus sollte bei der Beurteilung des Status quo (und möglicher Reform- Gleichgewichtig- keit der Kommu- optionen) für den Gebietszuschnitt einzelner Gebietskörperschaften auch geprüft nalstrukturen werden, inwieweit dem Ziel der Gleichgewichtigkeit der Kommunalstrukturen ei- nes Landes genügt und auf die Verringerung von Größen- und Leistungsunter- schieden hingewirkt wird.

Sucht man diese Überlegungen indikatorengestützt zu erfassen, wird vor allem mit Untergrenzen des Bevölkerungs- Blick auf die Teildimension der Gleichgewichtigkeit der Verwaltung auf unter- standes schiedliche Einwohnerzahlen abgestellt, wobei die gegebene Streuung der Vertei- lung (Standardabweichung, Spannweite und Häufigkeit der Differenzen) für die Bewertung ausschlaggebend ist. Hinsichtlich der vier erstgenannten Dimensionen erfolgt dagegen eine Bewertung einzelner Gebietskörperschaften. Hierzu bilden die im Grundgutachten dargestellten Ergebnisse der Arbeiten der Weber-Kommission einen wesentlichen Ausgangspunkt.5 Sie formulierten mit Blick auf die Einwohner- zahl Untergrenzen von 130.000 Einwohnern für kreisfreie Städte und 150.000 Einwohnern für Landkreise. Angesichts der veränderten Rahmenbedingungen (ins- besondere im demographischen, haushalterischen und auf neue IuK-Techniken be- zogenen Bereich6) erscheint ein Unterschreiten dieser Empfehlungen nicht nur un- angemessen, sondern eher eine auch begrenzte Ausweitung der empfohlenen Min- desteinwohnerzahlen angezeigt. Für Kommunen, deren Einwohnerzahl unterhalb der genannten Empfehlungen der Weber-Kommission liegt, wird folglich ein hoher Stabilisierungsbedarf angenommen. Im Ergebnis und unter Berücksichtigung jün- gerer Kreisgebietsreformen bzw. -reformbestrebungen in den Flächenländern7 geht der Gutachter von einem mittleren Handlungsbedarf für kreisfreie Städte mit 130.000 bis 150.000 Einwohnern und für Landkreise mit 150.000 bis 175.000 Ein- wohnern aus. Erneut sei darauf hingewiesen, dass solche Grenzwerte nur sehr be- grenzt (objektiv) definierbar sind, sich aufgrund der eingeführten Beurteilungskri-

5 Vgl. Hesse, a.a.O., 2011c, 60ff. 6 Vgl. ebd., 73ff. 7 Das Leitbild der jüngsten Kreisgebietsreformen sieht etwa für Sachsen-Anhalt eine Mindestein- wohnerzahl von 150.000 im Jahr 2015 vor, während die Einwohnerdichte nicht unterhalb von 70 Einwohnern pro km² liegen soll; zudem ist eine Abweichung um 5% bis 142.500 Einwohnern möglich. In Mecklenburg-Vorpommern wurde in einem Gesetzentwurf der Landesregierung als untere Schwelle eine Einwohnerzahl von 175.000 für das Jahr 2020 benannt. In Sachsen wieder- um wurde die Zahl von 200.000 Einwohnern im Jahr 2020 im Leitbild als Regelmindestgröße festgelegt, sie kann ausnahmsweise auf 170.000 Einwohner abgesenkt werden. 92 Kommunalstrukturen in Nordostniedersachsen

terien aber anbieten und durch Überlegungen in anderen Flächenländern auch im Vergleich plausibel erscheinen. Kommunen, die diese Größenordnungen über- schreiten, weisen nach dieser Logik keinen oder nur einen geringen Handlungsbe- darf auf.

Um die aufgrund des demographischen Wandels zu erwartenden Veränderungen in der Leistungsfähigkeit niedersächsischer Kommunen abzubilden, werden in der nachfolgenden Tab. 4.1-A jenen Landkreisen und kreisfreien Städten gesonderte Vermerke zugewiesen, die gemäß einer für den Zeitraum 2009 bis 2030 erstellten Bevölkerungsprognose des Niedersächsischen Instituts für Wirtschaftsforschung im Jahr 2030 voraussichtlich einen veränderten Handlungsbedarf aufweisen werden8.

Tabelle 4.1-A: Bevölkerungsstand niedersächsischer Landkreise und kreisfreier Städte am 30.12.20109

Kommune: Bevölkerungs- Abweichung zum Durchschnitt in Städte und Kreise stand Prozent Gruppe (S/K) Land (L)

Mittelwert (S) 125.788 -29,4 Mittelwert (K) 181.894 +5,7 Mittelwert (L) 172.137 Kreisfreie Städte 248.867 97,8 +44,6 Osnabrück 164.119 30,5 -4,7 Oldenburg 162.173 28,9 -5,8 Mittelwert (S) 125.788 -26,9 Wolfsburg 121.451 -3,4 -29,4 102.394 -18,6 -40,5 Wilhelmshaven 81.324 -35,3 -52,8 Delmenhorst 74.361 -40,9 -56,8 Emden 51.616 -59,0 -70,0 Landkreise Region Hannover 1.132.130 +522,4 +557,7 Osnabrück 356.123 +95,8 +106,9

8 Vgl. NBank: Wohnungsmarktbeobachtung 2010/11: Integrierte Entwicklung von Wohnstandor- ten und Regionen – Perspektive 2030, Hannover, 2011. 9 Zum Zeitpunkt der Veröffentlichung des Gutachtens lagen seitens des LSKN bereits neuere Be- völkerungsdaten vor (Stichtag: 31.03.2011). Diese konnten aufgrund der kurzen Frist nicht mehr in die Berechnungen integriert werden. Stichproben ergaben zudem nur geringfügige Verände- rungen, die zu keinerlei Anpassungsbedarf bei den bevölkerungsbasierten Indikatoren führten. 93 Kommunalstrukturen in Nordostniedersachsen

Kommune: Bevölkerungs- Abweichung zum Durchschnitt in Städte und Kreise stand Prozent Gruppe (S/K) Land (L) Emsland 313.056 +72,1 +81,9 Hildesheim 282.856 +55,5 +64,3 Göttingen 258.255 +42,0 +50,0 Harburg 246.868 +35,7 +43,4 Diepholz 213.558 +17,4 +24,1 Cuxhaven 200.464 +10,2 +16,5 Stade 197.132 +8,4 +14,5 Aurich 188.947 +3,9 +9,8 Mittelwert (K) 181.894 +5,7 Celle 178.528 -1,9 +3,7 Lüneburg 177.279 -2,5 +3,0 Gifhorn 172.643 -5,1 +0,3 Leer 164.705 -9,5 -4,3 Rotenburg (Wümme) 163.860 -9,9 -4,8 Schaumburg 160.636 -11,7 -6,7 Cloppenburg 158.194 -13,0 -8,1 Hameln-Pyrmont 154.085 -15,3 -10,5 Goslar 143.014 -21,4 -16,9 Heidekreis 139.630 -23,2 -18,9 Northeim 139.060 -23,5 -19,2 Vechta 135.374 -25,6 -21,4 Grafschaft Bentheim 135.047 -25,8 -21,5 Verden 133.368 -26,7 -22,5 Peine 131.481 -27,7 -23,6 Oldenburg 127.282 -30,0 -26,1 Nienburg (Weser) 122.206 -32,8 -29,0 Wolfenbüttel 122.040 -32,9 -29,1 Ammerland 118.004 -35,1 -31,4 Osterholz 111.876 -38,5 -35,0 Friesland 99.598 -45,2 -42,1 Uelzen 94.020 -48,3 -45,4 Helmstedt 92.836 -49,0 -46,1 Wesermarsch 90.772 -50,1 -47,3 Osterode am Harz 77.328 -57,5 -55,1

94 Kommunalstrukturen in Nordostniedersachsen

Kommune: Bevölkerungs- Abweichung zum Durchschnitt in Städte und Kreise stand Prozent Gruppe (S/K) Land (L) Holzminden 73.240 -59,7 -57,5 Wittmund 57.280 -68,5 -66,7 Lüchow-Dannenberg 49.213 -72,9 -71,4 Niedersachsen gesamt 7.918.293

Legende: (L) = Land; (K) = Kreise; (S) = Stadt; (+/++) Diese Kommunen werden im Jahr 2030 der benannten Bevölkerungsvorausberechnung zufolge aufgrund eines Bevölkerungsanstiegs nur noch mittleren (+) bzw. geringen Handlungsbedarf (++) aufweisen; (-/--) Diese Kommunen werden im Jahr 2030 infolge ihres Bevölkerungsrückgangs bereits mittleren (-) bzw. hohen (--) Handlungsbedarf aufweisen; x EW = besonderer Handlungsbedarf im Hinblick auf eine Veränderung des gebietsstruk- turellen Zuschnitts; x EW = bedingter/mittlerer Handlungsbedarf; x EW = geringer Handlungsbedarf; die Standardabweichung der Verteilung beträgt 157.619 Einwohner, ohne die Region Hannover 67.039 Einwohner. Quelle: Landesbetrieb für Statistik und Kommunikationstechnologie Niedersach- sen: Online-Datenbank (Bevölkerungsfortschreibung), Stand: 30.12.2010; eigene Berechnungen.

In dem hier untersuchten Raum zeigen sich in Teilen beträchtliche Defizite im Be- Beträchtliche Defizite im Unter- völkerungsbesatz. Am stärksten betroffen ist der Landkreis Lüchow-Dannenberg, suchungsraum der als einwohnerschwächster Landkreis Niedersachsens weniger als ein Drittel der empfohlenen Mindestbevölkerungszahl aufweist. Der bis zum Jahr 2030 erwartete Bevölkerungsrückgang auf ca. 39.000 Einwohner dokumentiert, dass das schon bei der letzten allgemeinen Gebietsreform bestehende deutliche Stabilisierungserfor- dernis sich weiter verschärfen wird. Auch der Landkreis Uelzen unterschreitet mit 94.000 Einwohnern die als notwendig erachtete Einwohnerzahl erheblich; die prognostizierte Abnahme des Bevölkerungsbestandes auf ca. 78.000 Personen im Jahr 2030 wird den bestehenden Konsolidierungsbedarf noch vergrößern. Allein schon um dieser ausgeprägten und sich verschärfenden Einwohnerschwäche abzu- helfen, erscheint eine Fusion beider Kreise unabweisbar. Demgegenüber leitet sich aus dem gegenwärtigen Bevölkerungsbestand der Kreise Celle und Lüneburg kein Handlungsbedarf ab. Die bis in das Jahr 2030 projizierende NIW-Bevölkerungs- prognose geht jedoch von einem Bevölkerungsrückgang im Landkreis Celle von 179.000 auf 156.000 Einwohner aus, woraus sich ein langfristiger Stabilisierungs- bedarf ergibt, dem ggf. durch eine Gebietserweiterung schon in diesem Jahrzehnt präventiv begegnet werden könnte. Der Landkreis Lüneburg kann hingegen von einer auch im Jahr 2030 ausreichenden (und gegenüber 2010 unveränderten) Be- völkerungszahl von 177.000 Einwohnern ausgehen. Der Landkreis Harburg ver- fügt als fünftbevölkerungsstärkster Kreis Niedersachsens (247.000 Einwohner) über eine zweifelsfrei hinreichende Bevölkerungsgröße, positive demographische Entwicklungsszenarien treten hinzu.

95 Kommunalstrukturen in Nordostniedersachsen

Tabelle 4.1-B: Gemeindegrößenklassen der Verwaltungseinheiten der Landkreise Lüneburg, Lüchow-Dannenberg, Uelzen, Celle und Harburg Einwohnerzahl der Verwaltungseinheit 0 1.000 2.000 3.000 5.000 10.000 Mehr Gesamt ------als 999 1.999 2.999 4.999 9.999 19.999 20.000 Einheits- LG - - - 1 1 1 1 4 gemeinden DAN ------0 (EG) UE - - - - 1 - 1 2 CE - - - 1 3 3 1 8 WL - - - - - 2 4 6 Samt- LG - - - - 2 5 - 7 gemeinden DAN - - - 1 - - 2 3 (SG) UE - - - - 4 2 - 6 CE - - - - 1 3 - 4 WL - - - - - 5 1 6 Anzahl der Anzahl Mitglieds- LG 9 16 6 6 2 - - 39 gemeinden DAN 13 9 2 1 2 - - 27 (MG) UE 11 7 5 2 2 - - 27 der SG CE 3+1* 4 3 3 3 - - 16+1* WL 7 16 5 2 5 1 - 36 EG+MG ges. 43+1* 52 21 16 19 7 7 165+1* Legende: LG=Lüneburg, DAN=Lüchow-Dannenberg, UE=Uelzen, CE=Celle, WL=Harburg, *=gem.fr. Gebiet (es wurden nur die in der Quelle mit einer Bevölkerungszahl unterlegten gemeinde- freien Gebiete aufgenommen); Bevölkerung der Größenklasse beruht auf Zahlen für Einheits- und Mitgliedsgemeinden. Quellen: Landesbetrieb für Statistik und Kommunikationstechnologie, Bevölke- rungsfortschreibung, Stand 31.12.2010; eigene Berechnungen.

Die Betrachtung von Status, Anzahl und Größe der Gemeinden Nordostniedersach- Heterogene Ver- waltungs- und sens in Tab. 4.1-B fördert eine beträchtliche Varianz zwischen den Landkreisen zu Gemeindegrößen- Tage: Während die Kreise Lüneburg und Celle je ein Oberzentrum mit etwa 70.000 struktur Einwohnern beheimaten und der Kreis Harburg sich durch vier mittelgroße Städte von mehr als 20.000 Einwohnern (darunter drei Mittelzentren) auszeichnet, verfügt der Kreis Uelzen mit dem gleichnamigen Kreissitz nur über ein Mittelzentrum; die einwohnerstärkste Gemeinde Lüchow-Dannenbergs weist sogar nur knapp 10.000 Einwohner auf (und fungiert gleichwohl als Mittelzentrum). Die Landkreise Lüne- burg und Harburg vereinen die größte Anzahl von Gemeinden auf sich, die meisten davon zählen ein- bis zweitausend Einwohner. Der Kreis Celle umfasst deutlich mehr mittelgroße Städte im Bereich von fünf- bis zwanzigtausend Einwohnern als die anderen Kreise, zudem weist er die höchste Anzahl an Einheitsgemeinden auf. Der Kreis mit den kleinteiligsten Gemeindestrukturen ist Lüchow-Dannenberg. Er verfügt über die größte Anzahl von Kleinstgemeinden mit weniger als 1.000 Ein- wohnern, darunter Damnatz als kleinste Gemeinde im Untersuchungsgebiet (330 Einwohner). Keine der drei den Kreis bildenden Samtgemeinden überschreitet die Grenze von 10.000 Einwohnern.

96 Kommunalstrukturen in Nordostniedersachsen

Raumkapazität

Mit Blick auf die Raumkapazität soll der Frage nachgegangen werden, inwieweit die gegebenen „Betriebsgrößen“ auf eine zukunftsfähige Verwaltungstätigkeit hinweisen, bevor in Kap 4.2 eine weitere raumordnerische Kategorie, die Kon- gruenz des kommunalen Verwaltungsraums mit den Wirtschafts- und Lebensräu- men des Landes, in die Untersuchung einbezogen wird.

Unter der dem betriebswirtschaftlichen Sprachgebrauch zuzuordnenden Chiffre Methodische Schwierigkeiten „optimale Betriebsgröße“ wird der Versuch unternommen, für Verwaltungseinhei- bei der Definition ten optimale Flächengrößen zu beschreiben, die eine möglichst effiziente und wirt- „optimaler Be- triebsgrößen“ schaftliche Aufgabenerledigung erlauben. Allerdings verbinden sich damit eine Reihe methodischer Schwierigkeiten. So lässt sich eine einheitliche optimale Be- triebsgröße für Gemeinden und Gemeindeverbände schon deshalb nicht präzis (und schon gar nicht präskriptiv) bestimmen, weil kommunal wahrgenommene Aufgaben unterschiedliche räumliche Bezüge aufweisen. Eine pauschale Definition einer „optimalen Betriebsgröße“ scheidet aber auch deshalb aus, weil Siedlungs- dichte, Verkehrs- und Wirtschaftsstruktur je spezifische Flächenbedarfe – selbst bei derselben Aufgabe – erfordern.10 Zudem finden sich für die Bereitstellung zahlrei- cher öffentlicher Güter mehrere „optimale“ Betriebsgrößen.11 So sinken etwa die Kosten eines Schwimmbades bis zur Vollauslastung, nehmen dann aber bei einer Unterauslastung eines zweiten Schwimmbades wieder zu und sinken wiederum bis zu dessen Vollauslastung. Trotz solcher Einschränkungen gilt als gesichert, dass vergrößerte Einrichtungen aufgrund positiver Skalenerträge tendenziell effizienter arbeiten als kleinere, auch wenn es in wenigen Aufgabenbereichen durch negative Skalenerträge zu Effizienzeinbußen kommen kann.12 Zudem ist eine bestimmte Mindestgröße einer Verwaltungseinheit schon deshalb erforderlich, um Spezialis- ten für die Aufgabenwahrnehmung bereitzustellen (etwa Fachpersonal in Veteri- när-, Bau- und Umweltämtern).

In der kommunalwissenschaftlichen Literatur zum Thema „optimale Betriebsgrö- Kommunalwis- senschaftliche Be- ße“ fällt darüber hinaus auf, dass diese nicht nur die Wirtschaftlichkeit und Leis- stimmung „opti- tungsfähigkeit einer Kommune berücksichtigt, sondern im Rahmen einer begriffli- maler Betriebs- größen“ chen Ausweitung auch die in Kap. 4.5 zu erörternden Kriterien der Ortsnähe, Teil- habe und Identität einbezieht. Da diese Kriterien einen nicht-monetären Nutzen aufweisen, ist eine rein quantitative Abwägung kaum möglich und überrascht es

10 Rothe, B.: Kreisgebietsreform und ihre verfassungsrechtlichen Grenzen, Baden-Baden, 2004, 146; Ipsen, J. zitiert in: Brüß, M.: Aussprache zu den Vorträgen von Bosch und Ipsen, in: Meyer, H./Wallerath, W. (Hg.): Gemeinden und Kreise in der Region, Stuttgart u.a., 2004, 26-32 (28). 11 Oebbecke, J.: Überlegungen zur Größe von Verwaltungseinheiten - Eine Skizze, in: Henneke, H.-G. (Hg.), Optimale Aufgabenerfüllung im Kreisgebiet?, Stuttgart 1999, 47-60 (48). 12 Ebd., 48f. 97 Kommunalstrukturen in Nordostniedersachsen

mithin nicht, dass entsprechende Aussagen derart breit definierter „Betriebsgrö- ßen“ eine beträchtliche Spannbreite erkennen lassen. Rothe etwa gibt 2.000 bis 2.500 km² als Richtwert einer zu empfehlenden Landkreisfläche an.13 Der Deutsche Landkreistag bezeichnet bereits Kreisgrößen von über 2.000 km² als problematisch, da die Belastungen für die Bürger erheblich anstiegen.14 Nach Meyer wiederum sollten die Landkreise in Mecklenburg-Vorpommern eine Fläche von 2.000 bis 2.500 km² nicht wesentlich überschreiten.15 Für dünn besiedelte Räume (etwa in den neuen Bundesländern) empfahlen Pappermann und Stollmann, die Fläche ei- nes Landkreises auf höchstens 2.500 km² zu begrenzen.16 Soweit keine Besonder- heiten im Einzelfall vorlägen (etwa eine historisch zu berücksichtigende Ausgangs- situation oder eine extrem niedrige Bevölkerungsdichte), sieht Rothe Landkreise mit einer Fläche von über 3.000 km² als nicht mehr integrativ verwaltbar an.17

Unabhängig von der Frage nach der „optimalen Betriebsgröße“ ist auf sich aus der Verfassungsrecht- liche Grenzen für verfassungsrechtlichen Ausgangssituation ableitbare Grenzen der Kreisgröße zu Kreisgrößen verweisen. Zwar gelten Kreisflächen von mehr als 3.000 km² nicht als grundsätz- lich unzulässig, erhöhen aber den Begründungsbedarf für den Neugliederungsge- setzgeber erheblich.18 Nach Ewer gäben bei der Bewertung kreislicher Flächengrö- ßen von 3.000 bis 5.000 km² im Rahmen einer gerichtlichen Überprüfung Einzel- fallspezifika wie die Infrastruktur, die Lage des Kreissitzes und die Anbindung ländlicher Räume den Ausschlag, während darüber hinausgehende Flächenausdeh- nungen regelmäßig verfassungswidrig wären.19 Hinsichtlich entsprechender Vorbe- halte der Landesverfassungsgerichte sei auf ein früheres Urteil in Mecklenburg- Vorpommern20 verwiesen, das sich auf die verfassungsrechtliche Zulässigkeit von Kreisgrößen bis zu 6.997 km² (Westmecklenburg) und 5.809 km² (Mecklenburgi- sche Seenplatte) bezog.

Die Leitbilder jüngerer Kreisgebietsreformen (oder Reformversuche) stecken ähn- Höchstgrenzen für Kreisflächen in liche Maxima für Kreisgrößen ab. So sah das Leitbild des Gesetzgebers in Sach- jüngeren Leit- sen-Anhalt eine Höchstgrenze von 2.500 km² und in Sachsen von 3.000 km² vor, bildern

13 Rothe, a.a.O., 2004, 150. 14 Deutscher Landkreistag: Der Kreis in der Reform, Lkr. 1974, 330ff. 15 Meyer, in: Darsow/Gentner/Glaser/ders.: Schweriner Kommentierung der Kommunalverfassung des Landes Mecklenburg-Vorpommern, 3. Aufl., Schwerin, 2005, § 96, Rn. 4. 16 Pappermann, E./Stollmann, F.: Kreisgebietsreform in den neuen Bundesländern: Kriterien für den Zuschnitt des Kreisgebietes und die Bestimmung des Kreissitzes, NVwZ 1993, 240ff. 17 Rothe, a.a.O., 2004, 148. 18 Ewer, W.: Gutachten zu den verfassungsrechtlichen Rahmenbedingungen einer Verwaltungs- struktur-, Funktional- und Kreisgebietsreform, in: Landesregierung Schleswig-Holstein (Hg.), Gutachten zur Verwaltungsstruktur- und Funktionalreform in Schleswig-Holstein, Kiel, 2008, 130–318 (196f.). 19 Ewer, a.a.O., 2008, 201f. 20 Urteil vom 26.07.2007, 9/06; NordÖR 2007, 253ff.; DVBl 2007, 1102; LKV 2007, 457; zur der- zeitigen Situation vgl. die Ausführungen am Ende von Kap. 2. 98 Kommunalstrukturen in Nordostniedersachsen

während in Mecklenburg-Vorpommern, das im Vergleich zu Niedersachsen frei- lich deutlich dünner besiedelt und durch einen nahezu dramatischen Bevölkerungs- rückgang geprägt ist, neue Kreisgrößen bis maximal 4.000 km² geplant waren.21

Aus diesen Überlegungen folgt, dass für eine „optimale Betriebsgröße“ einer Gutachterliche Position Kreisverwaltung von einer Unter- und Obergrenze ausgegangen werden sollte. Der Gutachter sieht mit Blick auf den Stand der Literatur, auf die Leitbilder jüngster Kreisgebietsreformen und eigene Erfahrungen22 in fast allen Flächenländern eine Obergrenze von 2.500 bis 3.000 km² vor (mit der angesprochenen Ausnahme Mecklenburg-Vorpommerns), während er mit Blick auf Untergrenzen bei Land- kreisen mit weniger als 1.000 km² Fläche einen hohen Neugliederungs- und Reor- ganisationsbedarf sieht; für Landkreise mit 1.000 bis 1.500 km² Flächengröße wird im Folgenden von einem mittleren Handlungsbedarf gesprochen. Mit dieser „Kor- ridorbildung“ sucht der Gutachter das gewählte Indikatorenbündel fruchtbar zu machen, allerdings ergänzt um den Hinweis, dass im Rahmen einer detaillierten Einzelanalyse die konkrete Situation einer Gebietskörperschaft besondere Berück- sichtigung erfahren sollte, ja muss. Für die kreisfreien Städte stellt sich die hier verfolgte Frage aufgrund ihres geringen Flächenumfangs nicht.

Tabelle 4.1-C: Flächengröße niedersächsischer Landkreise

Abweichung vom Landkreis Flächengröße in km² Durchschnitt in Prozent

Emsland 2.882 +135,5 Region Hannover 2.291 +87,2 Osnabrück 2.122 +73,4 Cuxhaven 2.073 +69,4 Rotenburg (Wümme) 2.070 +69,1 Diepholz 1.988 +62,4 Heidekreis 1.874 +53,1 Gifhorn 1.563 +27,7 Celle 1.545 +26,2 Uelzen 1.454 +18,8 Cloppenburg 1.418 +15,8 Nienburg (Weser) 1.399 +14,3 Lüneburg 1.323 +8,1 Aurich 1.287 +5,1

21 Landesregierung Mecklenburg-Vorpommern, a.a.O., 2010, 72. 22 Vgl. u.a. Hesse/Götz, a.a.O., 2008/2009. 99 Kommunalstrukturen in Nordostniedersachsen

Abweichung vom Landkreis Flächengröße in km² Durchschnitt in Prozent

Northeim 1.267 +3,5 Stade 1.266 +3,4 Harburg 1.245 +1,7 Mittelwert (Landkreise) 1.224 Lüchow-Dannenberg 1.220 -0,3 Hildesheim 1.206 -1,5 Göttingen 1.118 -8,7 Leer 1.086 -11,3 Oldenburg 1.063 -13,2 Grafschaft Bentheim 981 -19,9 Goslar 965 -21,2 Wesermarsch 822 -32,8 Vechta 813 -33,6 Hameln-Pyrmont 796 -35,0 Verden 788 -35,6 Ammerland 728 -40,5 Wolfenbüttel 722 -41,0 Holzminden 693 -43,4 Schaumburg 676 -44,8 Helmstedt 674 -44,9 Wittmund 657 -46,3 Osterholz 651 -46,8 Osterode am Harz 636 -48,0 Friesland 608 -50,3 Peine 535 -56,3

Legende: x km² = besonderer Handlungsbedarf im Hinblick auf eine Veränderung des gebietsstruktu- rellen Zuschnitts; x km² = bedingter/mittlerer Handlungsbedarf; x km² = kein Handlungsbedarf. Quel- le: Landesbetrieb für Statistik und Kommunikationstechnologie Niedersachsen: Online-Datenbank (Flächenerhebung), Stand: 01.01.2009; eigene Berechnungen.

Tab. 4.1-C zeigt, dass mit Ausnahme Celles (1.545 km²) alle Landkreise des Unter- Gebietsgrößen im Untersuchungs- suchungsraums im Korridor von 1.000 bis 1.500 km² liegen, dem der Gutachter raum mittleren Handlungsbedarf zuweist. Demnach sind die Kreisflächen zwar nicht so kleinräumig geschnitten, dass eine Fusion allein aus diesem Grund notwendig er- scheint, doch würden andererseits durch den Zusammenschluss von zwei Kreisen (und ggf. weiteren territorialen Arrondierungen) keine jene benannten „optimalen Betriebsgrößen“ oder gar verfassungsrechtliche Grenzen überschreitende Gebiets-

100 Kommunalstrukturen in Nordostniedersachsen

körperschaften gebildet. Problematisch in verwaltungswissenschaftlicher, wenn auch nicht unbedingt in verfassungsrechtlicher Hinsicht erscheint lediglich die Lü- chow-Dannenberg, Uelzen und Lüneburg vereinende Fusionsvariante, die einen 3.997 km² umfassenden Kreis schüfe.

Tabelle 4.1-D: Flächengröße der Gemeinden Flächengröße der Verwaltungseinheit in ha 500 3.000 5.000 10.000 20.000 Gesamt - - - - - 2.999 4.999 9.999 19.999 50.000 Einheits- LG 1 - 1 1 1 4 gemeinden DAN - - - - - 0 UE - - 1 1 - 2 CE - - 3 5 - 8 WL - 1 3 2 - 6 Samt- LG - - 2 5 - 7 gemeinden DAN - - - - 3 3 (SG) Anzahl der Anzahl UE - - - 2 4 6 CE - - 1 3 - 4 WL - 1 1 3 1 6 Gem.fr. C - - 1 - - 1 Gebiet Legende: LG=Lüneburg, DAN=Lüchow-Dannenberg, UE=Uelzen, CE=Celle, WL=Harburg, *=gem.fr. Gebiet. Quelle: Landesbetrieb für Statistik und Kommunikationstechnologie, Datenbank (Flächenerhebung), Stand 01.01.2009; eigene Berechnungen.

Tab. 4.1-D lässt eine deutliche Heterogenität zwischen den Landkreisen bezogen Heterogene Ge- meindegrößen im auf die Flächengröße ihrer kreisangehörigen Gemeinde erkennen, zeigt aber zu- Untersuchungsge- gleich, dass die einzelnen Landkreise intern über weitgehende homogene Gebiets- biet strukturen verfügen. Die einzige Ausnahme bildet der Landkreis Lüneburg, dessen Einheitsgemeinden Flächengrößen zwischen 16 km² (Adendorf) und 240 km² (Amt Neuhaus) umfassen und damit zugleich die kleinste und größte Einheitsgemeinde des Untersuchungsraums darstellen. Die kleinste Samtgemeinde Jesteburg mit 23 km² findet sich im Kreis Harburg, der sich sonst ebenso wie Celle durch eine aus- gewogene Größenverteilung und nur wenige großflächige Gemeinden auszeichnet. Der Kreis Uelzen besitzt dagegen ausschließlich Samtgemeinden mit mehr als 100 km² Flächengröße, zwei Drittel von ihnen decken sogar Gebiete zwischen 200 und 250 km² ab. Die größten Gemeinden befinden sich in Lüchow-Dannenberg: drei Samtgemeinden teilen den 1.222 km² großen Landkreis relativ gleichmäßig auf. Die Lohheide, die nur sechs Prozent der Kreisfläche Celles einnimmt, stellt das einzige gemeindefreie Gebiet des Untersuchungsraums dar.

101 Kommunalstrukturen in Nordostniedersachsen

Zusammenfassung

Betrachtet man Bevölkerungsbesatz und Raumkapazität gemeinsam, findet sich mit Blick auf das gesamte Bundesland zunächst die erwartbar enge Verbindung zwi- schen Einwohnerzahl und Flächengröße (vgl. Tab. 4.1-D). So ergibt sich aus bei- den Indikatoren ein ähnlicher Stabilisierungsbedarf für die betroffenen Gebietskör- perschaften und eröffnet sich zudem ein möglicher Bedarfsausgleich zwischen den Kreisen und kreisfreien Städten.

Tabelle 4.1-E: Bevölkerungsbesatz und Raumkapazität der kreislichen Gebietskör- perschaften

Kommune: Bevölkerungsbesatz Raumkapazität Städte und Kreise

Kreisfreie Städte Braunschweig Hoch Salzgitter Gering Wolfsburg Gering Delmenhorst Gering Emden Gering Oldenburg Hoch Osnabrück Hoch Wilhelmshaven Gering Landkreise Gifhorn Mittel Hoch Göttingen Hoch Mittel Goslar Gering Gering Helmstedt Gering Gering Northeim Gering Mittel Osterode am Harz Gering Gering Peine Gering Gering Wolfenbüttel Gering Gering Region Hannover Hoch Hoch Diepholz Hoch Hoch Hameln-Pyrmont Mittel Gering Hildesheim Hoch Mittel Holzminden Gering Gering Nienburg (Weser) Gering Mittel Schaumburg Mittel Gering

102 Kommunalstrukturen in Nordostniedersachsen

Kommune: Bevölkerungsbesatz Raumkapazität Städte und Kreise

Celle Hoch Hoch Cuxhaven Hoch Hoch Harburg Hoch Mittel Lüchow-Dannenberg Gering Mittel Lüneburg Hoch Mittel Osterholz Gering Gering Rotenburg (Wümme) Mittel Hoch Heidekreis Gering Hoch Stade Hoch Mittel Uelzen Gering Mittel Verden Gering Gering Ammerland Gering Gering Aurich Hoch Mittel Cloppenburg Mittel Mittel Emsland Hoch Hoch Friesland Gering Gering Grafschaft Bentheim Gering Gering Leer Mittel Mittel Oldenburg Gering Mittel Osnabrück Hoch Hoch Vechta Gering Gering Wesermarsch Gering Gering Wittmund Gering Gering

Legende: Gering = geringe Eignung der Gebietskulisse; Mittel = mittlere Eignung der Gebietskulis- se; Hoch = besondere Eignung der Gebietskulisse.

Nordostnieder- Mit Blick auf den Bevölkerungsbesatz und die Raumkapazität wird eine Zweitei- sachsen/Region lung im Untersuchungsraum deutlich. Auf der einen Seite verfügen die Landkreise Lüneburg Celle, Harburg und Lüneburg über eine ausreichende Einwohnerzahl und einen hinreichenden Gebietsumfang. Mit Blick auf diese beiden Primärindikatoren be- steht für die drei Kreise kein unmittelbarer Handlungsbedarf, wobei für den Land- kreis Celle aufgrund des Bevölkerungsrückgangs allerdings ein Einwohnerzuwachs durch gebietsstrukturelle Änderungen zu empfehlen sein dürfte. Auch der lediglich „mittlere“ Gebietsumfang der Kreise Celle, Harburg und Lüneburg könnte durch eine Gebietserweiterung verbessert werden, erfordert aus sich selbst heraus aber keine Fusion; eine aufgabenspezifische Größerräumigkeit kann auch durch ver-

103 Kommunalstrukturen in Nordostniedersachsen

stärkte interkommunale Kooperation erreicht werden. Auf der anderen Seite ist den Landkreisen Lüchow-Dannenberg und Uelzen eine ausgeprägte und sich verschär- fende Einwohnerschwäche zuzusprechen, die auf deutlichen Stabilisierungsbedarf verweist. Im Fall Lüchow-Dannenbergs (49.000 Einwohner) scheint eine Fusion mit benachbarten Kreisen bereits aus diesem Grund nahezu unausweichlich. Dass über einen Kreiszusammenschluss auch die begrenzte Raumkapazität beider Kreise gesteigert werden könnte, tritt hinzu.

4.2 Sozioökonomische Verflechtungen in der Teilregion

Über die bislang zur Raumkapazität gemachten Ausführungen hinaus ist auf ein Indikatoren ver- waltungsgeo- wesentliches raumordnerisches Ziel zu verweisen, das die Schaffung kongruenter graphischer Verwaltungs-, Wirtschafts- und Lebensräume zum Gegenstand hat. Damit sollen Kongruenz Kommunen einem möglichst großen Teil ihrer Bevölkerung einen umfassenden Arbeits- und Versorgungsraum bereitstellen, ohne dass spill-over-Effekte zu Über- schneidungen und vertikalen wie horizontalen Verflechtungen führen, die wieder- um weitere Ausgleichserfordernisse und Ineffizienzen bedingen.23 Verwaltungs- geographische Kongruenz findet sich bei: • einer hohen Arbeitsplatzeigenversorgung (Anteil derjenigen Personen, die in einer Kommune wohnhaft und sozialversicherungspflichtig beschäftigt sind, an allen sozialversicherungspflichtig Beschäftigten, die in der Kommune wohnen) – dieser Indikator deckt den Bereich der Pendlerströme ab und do- kumentiert die jeweilige ökonomische Integrationsfähigkeit einer Gebietskör- perschaft; • einer großen Abdeckung von Arbeitsmarktregionen (Anteil der Beschäftigten im örtlichen Arbeitsmarkt, die Einwohner einer Kommune sind) – dieser Indi- kator ergänzt die vorgenannte Messgröße um einen konkreten arbeitsmarktbe- zogenen Raumzusammenhang; • einer hohen Abdeckung von Naturräumen (Zahl zumindest teilweise abgedeck- ter naturräumlicher Regionen und Zahl weiterer Kommunen in der/denselben naturräumlichen Region(en)) – auf diese Weise werden die vorgenannten so- zioökonomischen Indikatoren um eine unveränderliche Bestimmungsgröße er- gänzt; • einer guten Korrespondenz mit grenzüberschreitenden Bezügen – dieser Indi- kator sucht Aussagen über die Anschluss- und Handlungsfähigkeit der Gebiets- struktur im Hinblick auf grenzüberschreitende Einflüsse zu erfassen.

Über die beiden erstgenanten, für die Kreisebene erhobenen arbeitsmarktbezoge- nen Indikatoren hinaus werden zur Beantwortung der Frage, welche Kreiszuschnit- te gegebenen Pendlerverflechtungen am ehesten entsprechen, die Ergebnisse einer Pendleranalyse vorgestellt.

23 Hesse, a.a.O., 2008/2009, 209f. 104 Kommunalstrukturen in Nordostniedersachsen

Arbeitsplatzeigenversorgung

Hinsichtlich der verwaltungsgeographisch bedingten Fähigkeit einer Kommune, ih- Beziehung zwi- schen Eigenver- re Einwohner mit ausreichenden sozialversicherungspflichtigen Erwerbsmöglich- sorgungsquote keiten zu versorgen, betrachtet der Gutachter aufgrund der strukturell unterschied- und Stabilisie- rungsbedarf lichen Potentiale Landkreise und kreisfreie Städte getrennt voneinander. Dabei werden Gebietskörperschaften dann als hoch integrativ klassifiziert (und ihnen mithin geringer Stabilisierungsbedarf zugewiesen), wenn ihre Eigenversorgungs- quote, also der Anteil derjenigen Personen, die in einer Kommune zugleich wohn- haft und sozialpflichtig beschäftigt sind, eine halbe Standardabweichung oberhalb des Kreis- bzw. Städtemittelwertes liegt. Von einer mittleren verwaltungsgeogra- phischen Eignung wird dann gesprochen, wenn die Kommune nicht mehr als eine halbe Standardabweichung vom gruppenspezifischen Mittelwert abweicht. Hoher Handlungsbedarf findet sich demzufolge bei Kreisen und kreisfreien Städten, die mehr als eine halbe Standardabweichung unterhalb des jeweiligen Mittelwertes lie- gen und in denen den Einwohnern mithin nur unzureichend sozialversicherungs- pflichtige Beschäftigungsmöglichkeiten zur Verfügung stehen. Die in Teilen mitt- leren, überwiegend aber geringen Eignungsgrade der benannten Gebietskörper- schaften werden im Übrigen relativiert, da eine auf Niedersachsen beschränkte Veränderung der Gebietskulisse in diesen Regionen nur sehr begrenzt zu einer hö- heren Eigenversorgungsquote führen würde.

Tabelle 4.2-A: Eigenversorgungsquote gemessen an der Zahl der im eigenen Wohnsitzkreis sozialversicherungspflichtig Beschäftigten

Abweichung zum Durch- Kommune: Eigenversorgungs- schnitt in Prozent Städte und Kreise quote in Prozent Gruppe (S/K) Land (L) Mittelwert (S) 66,8 Mittelwert (K) 59,2 Mittelwert (L) 60,7 Kreisfreie Städte Wolfsburg 83,8 +17,1 +23,1 Emden 77,6 +10,9 +16,9 Wilhelmshaven 71,9 +5,2 +11,2 Braunschweig 68,1 +1,4 +7,4 Mittelwert (S) 66,8 +6,1 Oldenburg 65,9 -0,8 +5,2 Salzgitter 65,8 -0,9 +5,1 Osnabrück 64,0 -2,8 +3,3 Delmenhorst* 36,9 -29,9 -23,8

105 Kommunalstrukturen in Nordostniedersachsen

Abweichung zum Durch- Kommune: Eigenversorgungs- schnitt in Prozent Städte und Kreise quote in Prozent Gruppe (S/K) Land (L) Landkreise Region Hannover 86,9 +27,7 +26,2 Emsland 79,7 +20,5 +19,0 Vechta 79,3 +20,1 +18,6 Göttingen 78,1 +18,9 +17,4 Grafschaft Bentheim 74,3 +15,1 +13,6 Osterode am Harz 71,3 +12,1 +10,6 Hameln-Pyrmont 70,7 +11,5 +10,0 Goslar 70,6 +11,4 +9,9 Heidekreis 70,1 +10,9 +9,4 Hildesheim 68,9 +9,7 +8,2 Celle 68,9 +9,7 +8,2 Cloppenburg 68,1 +8,9 +7,4 Uelzen 67,7 +8,5 +7,0 Lüchow-Dannenberg 67,5 +8,3 +6,8 Northeim 63,8 +4,6 +3,1 Aurich 63,7 +4,5 +3,0 Wesermarsch 63,6 +4,4 +2,9 Rotenburg (Wümme) 63,1 +3,9 +2,4 Lüneburg 62,0 +2,8 +1,3 Nienburg (Weser) 60,2 +1,0 -0,5 Leer 59,6 +0,4 -1,1 Holzminden 59,4 +0,2 -1,3 Mittelwert (K) 59,2 -1,5 Stade* 57,7 -1,5 -3,0 Wittmund 55,3 -3,9 -5,4 Osnabrück 55,1 -4,1 -5,6 Schaumburg 53,5 -5,7 -7,2 Friesland 53,1 -6,1 -7,6 Diepholz* 51,7 -7,5 -9,0 Verden* 51,7 -7,6 -9,1 Cuxhaven 51,2 -8,0 -9,5 Ammerland 51,2 -8,0 -9,5 Peine 41,3 -17,9 -19,4 Oldenburg* 37,7 -21,5 -23,0

106 Kommunalstrukturen in Nordostniedersachsen

Abweichung zum Durch- Kommune: Eigenversorgungs- schnitt in Prozent Städte und Kreise quote in Prozent Gruppe (S/K) Land (L) Gifhorn 37,5 -21,7 -23,2 Helmstedt 35,5 -23,7 -25,2 Harburg* 35,1 -24,1 -25,6 Osterholz* 34,5 -24,7 -26,2 Wolfenbüttel 31,5 -27,7 -29,2

Legende: (L) = Land; (K) = Kreise; (S) = Stadt; * eingeschränkte Aussagekraft aufgrund des hohen Auspendleranteils nach Hamburg bzw. Bremen und Bremerhaven; die Mittelwerte sind mit der Zahl sozialversicherungspflichtig Beschäftigter gewichtet; Gering = geringe verwaltungsgeographische Kongruenz, besonderer Handlungsbedarf im Hinblick auf eine Veränderung des gebietsstrukturellen Zuschnitts; Mittel = mittlere verwaltungsgeographische Kongruenz, bedingter/mittlerer Handlungs- bedarf; Hoch = hohe verwaltungsgeographische Kongruenz, geringer Handlungsbedarf. Quelle: Bun- desagentur für Arbeit: Sozialversicherungspflichtig Beschäftigte am Wohn- und Arbeitsort, Stand 30.06.2010; eigene Berechnungen.

Mit Ausnahme Harburgs bieten die untersuchten Landkreise Nordostniedersach- sens ihren Einwohnern ein relativ hohes Maß an Beschäftigungsmöglichkeiten, so- dass jeweils nur etwa ein Drittel der Beschäftigten zur Arbeit über die Kreisgren- zen hinaus pendeln muss. Im auch zur Metropolregion Hamburg ausgerichteten Landkreis Lüneburg finden immerhin 62% der Beschäftigten eine Anstellung in- nerhalb des Kreisgebietes. Der Landkreis Harburg hingegen ist durch umfangrei- che Auspendlungen nach Hamburg geprägt, infolge derer seine Eigenversorgungs- quote nur bei etwa 35% liegt. Dieser Wert ist aufgrund des Einbezugs eines nicht für eine Neugliederung zur Verfügung stehenden Territoriums allerdings nur be- grenzt aussagekräftig, Stabilisierungsbedarf lässt sich aus dieser Kennziffer für den Kreis Harburg mithin nicht ableiten.

Abdeckung von Arbeitsmarktregionen

Arbeitsmarktregionen suchen die betrachteten Gebietskörperschaften in größere Einteilungen von Arbeitsmarkt- Zusammenhänge einzuordnen, wobei erneut gegebene Pendlerbeziehungen im Mit- regionen telpunkt stehen, ergänzt um raumstrukturelle Kategorien. Für diese Untersuchung stehen im Wesentlichen zwei Bereichseinteilungen zur Verfügung, die beide kreis- scharf und bundesweit Arbeitsmarktregionen definieren: • Zum einen die 270 Arbeitsmarktregionen der Gemeinschaftsaufgabe „Verbes- serung der regionalen Wirtschaftsstruktur“,24 die in stärkerem Umfang auch

24 Binder, J./Schwengler, B.: Neuer Gebietszuschnitt der Arbeitsmarktregionen im Raum Berlin und Brandenburg. Kritische Überprüfung der bisher gültigen Arbeitsmarktregionen und Vor- schläge für einen Neuzuschnitt, Nürnberg, 2006. 107 Kommunalstrukturen in Nordostniedersachsen

politische und verwaltungsgeographische Einflussgrößen berücksichtigt (etwa die Kompatibilität mit NUTS-Regionen),25 • zum anderen die Einteilung von Eckey/Kosfeld/Türck in 150 Funktionsräume,26 die auf einem anspruchsvollen Verfahren, der Faktorenanalyse, basiert und hierüber multiple und indirekte Verflechtungen abbildet.

Der Gutachter entscheidet sich bei seiner nachfolgenden Betrachtung für die letzt- Zuordnung durch den Gutachter genannte Untersuchung, da sie funktional ausgerichtet und nicht durch politische Erwägungen verzerrt ist,27 insofern einer höheren sachlichen Rationalität gerecht werden sollte. Wie die folgende Übersicht dokumentiert, erstrecken sich sechs der siebzehn regionalen Arbeitsmärkte Niedersachsens auch auf andere Bundesländer. Die davon betroffenen Kreise und kreisfreien Städte weisen mit Blick auf die Ab- deckung ihres regionalen Arbeitsmarkts im Ergebnis bessere Quoten aus, da nur der niedersächsische Teil der Arbeitsmarktregionen in die Berechnung einbezogen wird. Dieses methodische wie inhaltliche Problem erschwert den Vergleich der Abdeckung der regionalen Arbeitsmärkte durch die niedersächsischen Kommunen erheblich, relativiert sich aber vor dem (schon im voranstehenden Abschnitt ange- sprochenen) Hintergrund, dass der niedersächsische Gesetzgeber nur über seinen Gebietsstand verfügen kann.

Für Niedersachsen ist von folgenden Arbeitsmarktregionen auszugehen:28 Arbeitsmarktre- gionen Nieder- • Braunschweig: Braunschweig (S), Peine, Salzgitter (S), Wolfenbüttel sachsens • Bremen: Delmenhorst (S), Diepholz, Osterholz, Rotenburg (Wümme), Verden, Wesermarsch; außerhalb Niedersachsens: Bremen • Bremerhaven: Cuxhaven; außerhalb Niedersachsens: Bremerhaven • Emden: Aurich, Emden (S), Leer • Emsland: Emsland, Grafschaft Bentheim • Goslar: Goslar • Göttingen: Göttingen, Northeim; außerhalb Niedersachsens: Eichsfeld (Thü- ringen) • Hamburg: Harburg, Stade; außerhalb Niedersachsens: Hamburg; Herzogtum Lauenburg, Pinneberg, Segeberg, Stormarn (alle Schleswig-Holstein) • Hannover: Celle, Hameln-Pyrmont, Hildesheim, Nienburg (Weser), Region Hannover, Schaumburg, Heidekreis

25 Im Rahmen der Gemeinschaftsaufgaben entscheiden Bundes- und Ländervertreter über die Ver- teilung von Investitionszuschüssen im Rahmen der regionalen Strukturpolitik. Die entsprechen- den Arbeitsmarktregionen wurden gebildet, um strukturschwache Regionen zu identifizieren und die Höhe für ihre Förderung festzulegen sowie entsprechende Fördermittel bereitzustellen. Die zugrunde liegende Analyse basiert auf einer Pendlermatrix, deren Ergebnisse anhand von Schwellenwerten und unter der Berücksichtigung von Nebenbedingungen (Entfernungen als Bei- spiel) zur benannten Regionsgliederung führen; vgl. Eckey, H.F./Schwengler, B./Türck, M.: Ver- gleich von deutschen Arbeitsmarktregionen, Nürnberg, 2007, 9ff. Vgl. hierzu zudem die laufende Diskussion um eine Fusion von Arbeitsmarktagenturen und die Neuabgrenzung von Arbeits- marktbezirken. 26 Eckey, H.-F./Kosfeld, R./Türck, M.: Abgrenzung deutscher Arbeitsmarktregionen, Kassel, 2006. 27 Vgl. hierzu Eckey, H.-F./Stock, W.: Verbesserung der regionalen Wirtschaftsstruktur. Gesetz über die Gemeinschaftsaufgabe vom 6. Oktober 1969, in: Eberstein, H. H./Karl, H. (Hg.), Hand- buch der regionalen Wirtschaftsförderung, 3. Aufl., Köln, 2001, Abschnitt V, 1-72 (17). 28 „(S)“ kennzeichnet kreisfreie Städte. 108 Kommunalstrukturen in Nordostniedersachsen

• Lüneburg: Lüchow-Dannenberg, Lüneburg, Uelzen • Oldenburg: Ammerland, Cloppenburg, Oldenburg, Oldenburg (S) • Osnabrück: Osnabrück, Osnabrück (S) • Osterode: Osterode am Harz • Paderborn: Holzminden; außerhalb Niedersachsens: Höxter, Paderborn (beide Nordrhein-Westfalen) • Vechta: Vechta • Wilhelmshaven: Friesland, Wittmund, Wilhelmshaven (S) • Wolfsburg: Gifhorn, Helmstedt, Wolfsburg (S); außerhalb Niedersachsens: Altmarkkreis (Sachsen-Anhalt)

Bundesweit umfassen die Arbeitsmarktregionen durchschnittlich zwischen zwei Arbeitsmarktbe- zogene Eignung und vier Kreiskommunen, eine vollständige Abdeckung ist also eher selten gege- einer Gebiets- ben. Insofern kann bereits eine hälftige Integration eines Kreises oder einer Stadt kulisse als relativ hoch gelten, weshalb hierfür (als Schwellenwert nach unten) eine hohe verwaltungsgeographische Eignung (und folglich geringer Stabilisierungsbedarf) der betreffenden Einheit angenommen wird. Eine mittlere Eignung ergibt sich in der nachfolgenden Tab. 4.2-B für jene Kommunen, die zwischen einem Viertel und der Hälfte der entsprechenden Bevölkerung ihres örtlichen Arbeitsmarktes abde- cken, und schließlich eine geringe Eignung, sofern sie unterhalb der 25%-Quote verbleiben.

Tabelle 4.2-B: Übereinstimmung mit Arbeitsmarktregionen gemessen am Einwoh- neranteil

Anteil der Einwohner der Kommune: Kommune an den Ein- Abweichung vom Durch- Städte und Kreise wohnern der regionalen schnitt in Prozentpunkten Arbeitsmarktregion Cuxhaven* 100,0% +63,0 Goslar 100,0% +63,0 Vechta 100,0% +63,0 Osterode am Harz 100,0% +63,0 Holzminden* 100,0% +63,0 Emsland 69,9% +32,9 Osnabrück 68,5% +31,5 Göttingen* 65,0% +28,0 Harburg* 55,6% +18,6 Lüneburg 55,3% +18,4 Region Hannover 52,2% +15,2 Aurich 46,6% +9,7 Gifhorn* 44,6% +7,7 Stade* 44,4% +7,4 Friesland 41,8% +4,9 Braunschweig (S) 41,1% +4,2

109 Kommunalstrukturen in Nordostniedersachsen

Anteil der Einwohner der Kommune: Kommune an den Ein- Abweichung vom Durch- Städte und Kreise wohnern der regionalen schnitt in Prozentpunkten Arbeitsmarktregion Leer 40,6% +3,7 Mittelwert 37,0% Northeim 35,0% -2,0 Wilhelmshaven (S) 34,1% -2,8 Osnabrück (S) 31,5% -5,4 Wolfsburg (S)* 31,4% -5,6 Grafschaft Bentheim 30,1% -6,8 Uelzen 29,3% -7,6 Oldenburg 28,7% -8,3 Cloppenburg 28,0% -9,0 Diepholz* 27,1% -9,8 Helmstedt* 24,0% -13,0 Wittmund 24,0% -12,9 Oldenburg (S) 22,5% -14,5 Peine 21,7% -15,2 Ammerland 20,9% -16,1 Rotenburg (Wümme)* 20,8% -16,2 Wolfenbüttel 20,2% -16,8 Salzgitter (S) 16,9% -20,0 Verden 16,9% -20,0 Lüchow-Dannenberg 15,4% -21,6 Osterholz* 14,2% -22,8 Hildesheim 13,0% -23,9 Emden (S) 12,7% -24,2 Wesermarsch* 11,5% -25,4 Delmenhorst (S)* 9,4% -27,5 Celle 8,2% -28,7 Schaumburg 7,4% -29,6 Hameln-Pyrmont 7,1% -29,9 Heidekreis 6,4% -30,5 Nienburg (Weser) 5,6% -31,3

Legende: (L) = Land, (S) = Stadt; * eingeschränkte Aussagekraft, da die Arbeitsmarktregion auch Teile anderer Bundesländer umfasst; Gering = besonderer Handlungsbedarf im Hinblick auf eine Veränderung des gebietsstrukturellen Zuschnitts; geringe verwaltungsgeographische Kongruenz; Mittel = bedingter/mittlerer Handlungsbedarf; Hoch = kein od. geringer Handlungsbedarf. Quellen: Eckey, H.-F., Kosfeld, R., Türck, M., a.a.O., 2006, 11; Landesbetrieb für Statistik und Kommunikati- onstechnologie Niedersachsen: Online-Datenbank (Bevölkerungsfortschreibung), Stand: 30.12.2010; eigene Berechnungen.

110 Kommunalstrukturen in Nordostniedersachsen

Die Aufstellung in Tab. 4.2-B dokumentiert die disparate Kongruenz der unter- Arbeitsmarkt- regionen im suchten Landkreise und ihrer korrespondierenden Arbeitsmarktregionen. Lediglich Untersuchungs- die Kreise Harburg und Lüneburg können über die Hälfte der Einwohner der Ar- raum beitsmarktregion Hamburg bzw. Lüneburg abdecken. Für die Landkreise Uelzen und insbesondere Lüchow-Dannenberg, die gemeinsam mit dem gleichnamigen Landkreis die Arbeitsmarktregion Lüneburg bilden, wird hingegen mittlerer bzw. hoher Handlungsbedarf deutlich, dem durch eine (Teil-)Fusion in diesem Gebiets- zuschnitt entsprochen werden könnte. Da der Kreis Celle dem Arbeitsmarktraum Hannover zuzuordnen ist, würde eine auf Nordostniedersachsen gerichtete Fusion die sehr niedrige arbeitsmarktbezogene Eignung der Gebietskulisse Celles nicht verbessern; vielmehr bietet sich aus dieser aggregierten Perspektive der Arbeits- marktverflechtungen eine Orientierung zum Heidekreis oder zur Region Hannover an.

Die kreisscharfe Analyse der Arbeitsmarktverflechtungen im Untersuchungsraum Arbeitsmarkt- verflechtungen zeigt zudem, dass wenige Beziehungen zwischen den oben genannten Arbeitsmarkt- regionen bestehen. Der Kreis Celle erweist sich als von den anderen Kreisen voll- kommen unabhängig, da sich seine Ein- und Auspendlungen ausschließlich auf die Region Hannover konzentrieren. Davon abgegrenzt unterhalten Lüchow- Dannenberg, Lüneburg und Uelzen eine Art Dreiecksbeziehung, die auf einem – mit etwa fünf Prozent allerdings nur schwachen – Arbeitskräfteaustausch fußt. Die stärkste Bewegung innerhalb dieses Raumes stellen die zehn Prozent der Auspend- lungen Uelzens in den Landkreis Lüneburg dar. Externe Arbeitsmarktverflechtun- gen unterhalten die genannten Kreise vorwiegend mit anderen Bundesländern: Ei- ne spürbare Einpendlung aus Sachsen-Anhalt richtet sich auf Lüchow-Dannenberg (11%) und Uelzen (5%); die Auspendlung aus Lüneburg und Uelzen zielt vor- nehmlich auf Hamburg (17 bzw. 5%). Dass Lüneburg unter den dreien über die stärksten Außenbeziehungen verfügt, macht zudem die enge, beiderseitige Ver- flechtung mit dem Landkreis Harburg deutlich. Ein Zusammenschluss der Kreise Lüchow-Dannenberg, Uelzen und Lüneburg könnte somit die interne Verflechtung der Kreise erleichtern, ohne bestehende, darüber hinausgehende Beziehungen zu erschweren.

In Ergänzung der damit vollzogenen makroskopischen Untersuchung wurden die Landkreise Uelzen und Lüchow-Dannenberg einer auch gemeindescharfen Aus- wertung zugeführt, da in beiden Fällen jenseits des bereits erkennbaren Stabilisie- rungsbedarfs eine Reihe von Handlungsoptionen im Raum stehen, die sich neben einer Neugliederung des Kreisgebiets auch auf etwaige Teilungsvarianten richten. Entsprechend detaillierte Daten zur Verflechtung der regionalen Arbeitsmärkte beider Landkreise sind mit Blick auf die weitere Diskussion mithin unverzichtbar und werden im Anhang gesamthaft wiedergegeben.

111 Kommunalstrukturen in Nordostniedersachsen

Die Pendlerverflechtungen der Gemeinden im Landkreis Uelzen spiegeln die be- Pendlerverflech- tungen im Land- reits benannten engen Arbeitsmarktbeziehungen mit den Kreisen Lüneburg und kreis Uelzen Lüchow-Dannenberg wider. Der gesamte Norden des Kreisgebiets orientiert sich erwartbar deutlich an den dort angrenzenden Landkreisen. Die sozialversiche- rungspflichtig Beschäftigten in den nördlichen Samtgemeinden Bevensen und Altes Amt Ebstorf weisen mit Blick auf Lüneburg ausgeglichene Ein- und Auspendler- quoten i.H.v. etwa 15 bis 20 Prozent auf. Die Einwohner der grenznahen Stadt Bie- nenbüttel gehen ihrer Beschäftigung sogar zu annährend 40 Prozent im Kreis Lü- neburg nach; 17 Prozent der in Bienenbüttel Beschäftigten wohnen wiederum auf Lüneburger Gebiet. Auch unter den übrigen Gemeinden des Landkreises finden sich (wenngleich schwächer ausgeprägte) kreisübergreifende Pendlerverflech- tungen: Aus der Samtgemeinde Rosche im Osten des Landkreises pendeln jeweils etwa 5 Prozent der Einwohner nach Hamburg, Lüneburg und Lüchow-Dannenberg; 8 Prozent der Beschäftigten stammen aus dem nordöstlichen Nachbarkreis. Eine ähnlich dreifache Orientierung besteht im Rahmen der Samtgemeinde Suderburg: Trotz ihrer direkten Nachbarschaft zum Landkreis Celle pendeln die ortsansässigen Beschäftigten nicht nur nach Süden, sondern gleichermaßen nach Lüneburg und in den Heidekreis. Die Arbeitsmarktverflechtungen der südlich gelegenen Samtge- meinde Bodenteich konzentrieren sich mit etwa 10 Prozent auf den Landkreis Gif- horn, in Teilen auch auf Lüchow-Dannenberg. Die im Zentrum des Kreisgebiets gelegene Stadt Uelzen und die Samtgemeinde Wrestedt weisen kaum signifikante Pendlerverflechtungen mit den umliegenden Landkreisen auf. Die Stadt Uelzen schließlich tritt aufgrund der ausgeprägten Pendlerströme aus sämtlichen umlie- genden Gemeinden erneut als regionales Arbeitsmarktzentrum in den Vordergrund. Zusammenfassend ist festzuhalten, dass der Norden des Landkreises starke sozio- ökonomische Verflechtungen mit Lüneburg aufweist, während die Anbindung des südlichen Kreisgebiets an Celle kaum ins Gewicht fällt.

Mit Blick auf den Landkreis Lüchow-Dannenberg ergibt sich eine Zweiteilung des Pendlerverflech- tungen im Land- Kreisgebiets dahingehend, dass lediglich die beiden westlichen Samtgemeinden kreis Lüchow- Elbtalaue und Lüchow der Arbeitsmarktregion Lüneburg-Uelzen zugeschrieben Dannenberg werden können, doch sind auch hier allenfalls durchschnittliche Intensitäten er- kennbar: Elbtalaue verzeichnet etwa 26 Prozent Einpendlung aus Lüneburg, wobei dies sich im Wesentlichen auf die Stadt Göhrde beschränkt. Auf den Kreis und hier vor allem die Stadt Uelzen richten sich etwa fünf Prozent der in Elbtalaue ansässi- gen Pendler. Die östlich gelegene Samtgemeinde Gartow weist keinerlei nennens- werte Verflechtung mit den benannten Kreisen auf, sondern orientiert sich – jen- seits der hohen Eigenversorgungsquote – in erster Linie an Peine, Hamburg und Sachsen-Anhalt. Die Arbeitsmarktbeziehungen mit Uelzen fallen auch für Lüchow nur durchschnittlich aus, während etwa 20 Prozent der Auspendler im Landkreis

112 Kommunalstrukturen in Nordostniedersachsen

Lüneburg ihrer Arbeit nachgehen. Übergreifend stammen nur etwa 5 Prozent der Arbeitnehmer in Lüchow-Dannenberg aus dem Kreis Uelzen, deutlich stärkere Einpendlerströme sind hingegen mit Blick auf Sachsen-Anhalt zu verzeichnen; sie richten sich überwiegend auf die beiden Samtgemeinden Lüchow im Süden und Gartow im Osten. Zusammenfassend orientiert sich die Samtgemeinde Elbtalaue deutlich am Landkreis Lüneburg, während das Wendland und Schnackenburg we- der mit Lüneburg noch mit Uelzen Verflechtungen aufweisen. Für die Samtge- meinde Lüchow hingegen stellt Uelzen einen bedeutenden Arbeitsmarkt dar.

Administrative Abdeckung von Naturräumen

Für die Übereinstimmung der gegebenen Kreisgrenzen mit den dominanten Natur- Naturräumliche Indikatoren räumen Niedersachsens liegen dem Gutachter nur unzureichend detaillierte Daten vor, sodass hierzu keine wie in den voranstehenden Abschnitten differenzierten Quoten über Einwohner- und Flächenanteile vorgestellt werden können. Er be- gnügt sich deshalb mit der Erhebung von zwei Kennziffern, die sich jeweils auf die vorwiegend nach geomorphologischen Gesichtspunkten abgegrenzten naturräumli- che Regionen des Landes beziehen und vom Niedersächsischen Ministerium für Umwelt und Klimaschutz29 auf Grundlage der naturräumlichen Gliederung Deutschlands nach Meynen und Schmithüsen30 Einsatz finden: • die Zahl der naturräumlichen Regionen, die eine Kommune umfasst und • die Gesamtzahl weiterer Landkreise und kreisfreien Städte, die in denselben naturräumlichen Regionen liegen.

Da sich die naturräumlichen Regionen Niedersachsens auf mindestens zwei Ge- Verhältnis von na- turräumlicher bietskörperschaften erstrecken, besteht ein in Teilen erheblicher Kooperations- und Abdeckung und Koordinierungsbedarf. Mit steigender Zahl der Akteure in einer Region sinkt cete- kommunalem Handlungsbedarf ris paribus die Effektivität der Aufgabenwahrnehmung im Bereich des Umwelt- und Naturschutzes sowie des Tourismus. Zudem sollten Landkreise und kreisfreie Städte möglichst wenige naturräumliche Regionen abdecken, um ihre Ressourcen effizient einzusetzen und von Spezialisierungsvorteilen zu profitieren. Da die Ge- bietskörperschaften entweder eine, zwei oder drei naturräumliche Regionen in Tei- len abdecken, erfolgt die Zuweisung einer hohen, mittleren und geringen verwal- tungsgeographischen Eignung entsprechend dieser drei Stufen. Bei der Zahl weite- rer Kommunen in diesen naturräumlichen Regionen streuen die Ausprägungen des Indikators deutlich, sodass hier erneut auf die Abweichung vom kreis- bzw. stadt-

29 Vgl. Niedersächsisches Ministerium für Umwelt und Klimaschutz: Naturräumliche Regionen in Niedersachsen, http://www.umwelt.niedersachsen.de/live/live.php?navigation_id=2541&article_ id=8639&_psmand=10 (19.04.2011). 30 Meynen, E./Schmithüsen, J.: Handbuch der naturräumlichen Gliederung Deutschlands, Bad Go- desberg, 1953ff. 113 Kommunalstrukturen in Nordostniedersachsen

spezifischen Mittelwert zurückgegriffen wird. Innerhalb eines Intervalls einer hal- ben Standardabweichung vom arithmetischen Gruppenmittel wird mittlerer Neu- gliederungs- bzw. Reorganisationsbedarf attestiert, darüber hinaus bei deutlich überdurchschnittlicher Zahl weiterer Kommunen hoher oder bei deutlich unter- durchschnittlicher Zahl niedriger Handlungsbedarf. Bei der Dateninterpretation ist die teils erhebliche Größe der naturräumlichen Regionen zu beachten, die einen Zusammenschluss der Kreiseinheiten zur vollständigen Abdeckung der Region aufgrund anderer in diesem Kapitel eingesetzter Kriterien nicht in Betracht kom- men lässt (etwa Ems-Hunte-Geest und Dümmer-Geestniederung, Lüneburger Hei- de). Noch deutlicher tritt diese Einschränkung bei der Region Watten und Mar- schen zu Tage, die sich über den kompletten Küstenraum erstreckt und in Teilen, etwa über die Elbe, auch in das Binnenland schneidet.31

Die in Tab. 4.2-C ausgewiesenen zehn naturräumlichen Regionen Niedersachsens Naturräumliche Regionen Nieder- umfassen die folgenden Landkreise und kreisfreien Städte: sachsens • Watten und Marschen: die Landkreise Ammerland, Aurich, Cuxhaven, Fries- land, Harburg, Leer, Lüneburg, Oldenburg, Stade, Wesermarsch, Wittmund und die kreisfreien Städte Delmenhorst, Emden und Wilhelmshaven • Ostfriesisch-Oldenburgische Geest: die Landkreise Ammerland, Aurich, Clop- penburg, Emsland, Grafschaft Bentheim, Leer, Oldenburg, Wittmund und die kreisfreie Stadt Oldenburg • Stader Geest: die Landkreise Cuxhaven, Harburg, Osterholz, Rotenburg (Wümme), Heidekreis, Stade und Verden • Ems-Hunte-Geest und Dümmer-Geestniederung: die Landkreise Cloppenburg, Diepholz, Emsland, Grafschaft Bentheim, Nienburg (Weser), Oldenburg, Os- nabrück und Vechta • Lüneburger Heide und Wendland: die Landkreise Celle, Gifhorn, Harburg, Lü- chow-Dannenberg, Lüneburg, Rotenburg (Wümme), Heidekreis, Uelzen und die kreisfreie Stadt Wolfsburg • Weser-Aller-Flachland: die Landkreise Celle, Diepholz, Gifhorn, Helmstedt, Nienburg (Weser), Peine, Schaumburg, Verden, Heidekreis, die Region Han- nover und die kreisfreien Städte Braunschweig, Delmenhorst und Wolfsburg • Börden: die Landkreise Gifhorn, Hameln, Helmstedt, Goslar, Hildesheim, Pei- ne, Schaumburg, Wolfenbüttel, die Region Hannover und die kreisfreien Städte Braunschweig, Salzgitter und Wolfsburg • Osnabrücker Hügelland: der Landkreis Osnabrück und die kreisfreie Stadt Os- nabrück

31 Die in Niedersachsen bereits Anfang der 1980er-Jahre eingeführten Naturräumlichen Regionen Niedersachsens wurden im November 2010 aus Anlass des seit 1. März 2010 geltenden § 15 des Bundesnaturschutzgesetzes (BNatSchG) überarbeitet. Eine Neuerung gegenüber der bisherigen Darstellung der Naturräumlichen Regionen Niedersachsens ist die Erweiterung der Region 1 jen- seits der Ostfriesischen Inseln bis zur Grenze der 12-Seemeilen-Zone, wovon die obige Darstel- lung im Wesentlichen nicht betroffen ist. 114 Kommunalstrukturen in Nordostniedersachsen

• Weser-Leinebergland: die Landkreise Hameln-Pyrmont, Goslar, Göttingen, Hildesheim, Holzminden, Northeim, Osterode am Harz, Schaumburg, Wolfen- büttel, die Region Hannover und die kreisfreie Stadt Salzgitter • Harz: die Landkreise Osterode am Harz und Goslar

Tabelle 4.2-C: Administrative Abdeckung naturräumlicher Regionen

Zahl weiterer Kommunen Kommune: Zahl abgedeckter natur- in der/den selben natur- Städte und Kreise räumlicher Regionen* räumlichen Region(en)

Mittelwert (S) 2 17 Mittelwert (K) 2 19 Mittelwert (L) 2 19 Kreisfreie Städte Osnabrück 1 1 Oldenburg 1 8 Emden 1 14 Wilhelmshaven 1 14 Mittelwert (S) 2 17 Salzgitter 2 21 Braunschweig 2 22 Delmenhorst 2 25 Wolfsburg 3 30 Landkreise Vechta 1 8 Lüchow-Dannenberg 1 9 Uelzen 1 9 Holzminden 1 10 Göttingen 1 10 Northeim 1 10 Friesland 1 14 Wesermarsch 1 14 Osterholz 1 20 Osnabrück 2 9 Osterode am Harz 2 9 Rotenburg (Wümme) 2 15 Grafschaft Bentheim 2 16 Cloppenburg 2 16 Emsland 2 16

115 Kommunalstrukturen in Nordostniedersachsen

Zahl weiterer Kommunen Kommune: Zahl abgedeckter natur- in der/den selben natur- Städte und Kreise räumlicher Regionen* räumlichen Region(en)

Verden 2 17 Diepholz 2 19 Nienburg (Weser) 2 19 Mittelwert (K) 2 19 Celle 2 20 Cuxhaven 2 20 Hameln-Pyrmont 2 21 Hildesheim 2 21 Wolfenbüttel 2 21 Ammerland 2 22 Aurich 2 22 Helmstedt 2 22 Leer 2 22 Peine 2 22 Wittmund 2 22 Lüneburg 2 23 Stade 2 29 Goslar 3 20 Harburg 3 29 Heidekreis 3 29 Oldenburg 3 30 Gifhorn 3 31 Region Hannover 3 32 Schaumburg 3 32

Legende: * Die Zugehörigkeit einer Kommune zu einer naturräumlichen Region wird nur berücksich- tigt, wenn diese zumindest zwei Prozent des Gebiets der Kommune umfasst, um Verzerrrungen in der Dateninterpretation zu vermeiden; xx = besonderer Handlungsbedarf im Hinblick auf eine Verände- rung des gebietsstrukturellen Zuschnitts; xx = bedingter/mittlerer Handlungsbedarf; xx = kein od. ge- ringer Handlungsbedarf. Quelle: Eigene Darstellung nach Niedersächsischem Landesbetrieb für Was- serwirtschaft, Küsten- und Naturschutz.

Die Landkreise im Untersuchungsraum durchschneiden gegebene Naturräume in Naturräumliche Abdeckung des unterschiedlichem Maße, eine nach Effizienzgesichtpunkten optimale Kongruenz Untersuchungs- von Naturräumen und Kreisstrukturen liegt nur in Teilen vor. Prägend für alle raums Landkreise ist der zusammengefasste Naturraum aus Lüneburger Heide und Wend- land, der sich über den Gesamtraum der Landkreise Uelzen und Lüchow- Dannenberg sowie fast den ganzen Landkreis Lüneburg und weite Teile Harburgs

116 Kommunalstrukturen in Nordostniedersachsen

und Celles erstreckt. Der durch den Flusslauf der Elbe abgetrennte Teil des Land- kreises Lüneburg ist ebenso wie der nördliche Teil Harburgs geographisch dem Watt und Marschland zuzuordnen, die aufgrund ihrer langen Ausdehnung mehr- heitlich von Landkreisen außerhalb des Untersuchungsgebiets abgedeckt werden, weshalb eine bessere naturräumliche Kongruenz durch Fusionen im Untersu- chungsgebiet kaum zu erzielen ist. Der sich daraus ableitende Koordinationsauf- wand verstärkt sich für den Landkreis Harburg, der in einen dritten Naturraum – die Stader Geest – hineinreicht. Der Landkreis Celle wiederum erstreckt sich ins Weser-Aller-Flachland, von dem er allerdings nur einen geringen Teil abdeckt. Während viele der benannten naturräumlichen Durchschneidungen an den Rändern des Untersuchungsraums kaum aufzuheben sind, könnte mit Blick auf die Aufga- benwahrnehmung im Umwelt- und Naturschutz sowie im Tourismus der von allen untersuchten Landkreisen geteilte Bezug zum Naturraum Lüneburger Heide zur Erzielung weiterer Kooperationsgewinne (über die in Kap. 5 dargestellten IKZ- Projekte) genutzt werden. Alternativ würde eine Teilfusion in diesem Gebietszu- schnitt die Zahl der zuständigen Akteure verringern.

Korrespondenz mit grenzüberschreitenden Bezügen

Zuletzt gilt es, mit Blick auf die Raumkapazität und die damit verbundenen ent- wicklungspolitischen Potentiale die Anschlussfähigkeit der niedersächsischen Ge- bietskulisse an ihre Außenbezüge zu untersuchen. Der Grad der landesinternen Ausdifferenzierung wird dabei danach beurteilt, ob er die Wahrnehmung entspre- chender Entwicklungsmöglichkeiten beeinträchtigt.

Diese Außenbezüge betreffen im Wesentlichen die niedersächsischen Grenzräume Grenzüberschrei- tende Bezüge des zu Landes • den Stadtstaaten Hamburg und Bremen, • den Bundesländern Nordrhein-Westfalen, Hessen, Thüringen, Sachsen-Anhalt, Brandenburg, Mecklenburg-Vorpommern und Schleswig-Holstein sowie • den Niederlanden.

Die Nutzung dieser Bezüge und der sich damit verbindenden Entwicklungschancen Erfolgschancen länderüber- ist in erster Linie von den gegebenen und künftigen Verkehrswegen sowie der greifender Möglichkeit abhängig, die sich hierüber vollziehenden Handelsströme für Ansied- Kooperation lungen und Nachfrage im eigenen Land zu nutzen; hinzu treten entsprechende Ex- portorientierungen. Dabei steigen die Erfolgschancen der Kooperation auf regiona- ler wie kommunaler Ebene und der Ertrag etwaiger Projekte mit einer schlanken Entscheidungsstruktur und geringeren Transaktionskosten an, die wiederum für sich genommen von der Anzahl der beteiligten Akteure abhängen. Daraus leitet sich ggf. ein Bündelungs- oder territorialer Konzentrationsbedarf ab. Einschrän- kend sei allerdings erneut darauf verwiesen, dass die Beachtung der Außenbezüge 117 Kommunalstrukturen in Nordostniedersachsen

nur einen Teilaspekt im vorliegenden Indikatorenbündel darstellt und bei der Beur- teilung einer Gebietskulisse stets das gesamte Entwicklungsgefüge zu berücksich- tigen ist.

Da eine detaillierte und methodisch tragfähige quantitative Analyse zur Realisie- Qualitative Bewertung der rung grenzüberschreitender entwicklungspolitischer Potentiale hier ausscheiden Anschlussfähig- muss, stützt sich der Gutachter auf eine qualitative Bewertung der bestehenden keit an Außenbe- züge verwaltungs- wie entwicklungspolitischen Gemeinschaftsarbeit über die Landes- grenzen hinweg (vgl. Tab. 4.2-D). Eine geringe Korrespondenz zu grenzüber- schreitenden Bezügen (und mithin hoher Handlungsbedarf) wird Gebietskörper- schaften dann zugesprochen, wenn sie hohes entwicklungspolitisches Potential weitgehend ungenutzt lassen. Kommunen, die ihre entwicklungspolitischen Chan- cen bereits in Teilen nutzen, wird ein mittlerer Bündelungs- und Konzentrationsbe- darf zugewiesen. Eine fortgeschrittene bis weitreichende Verwirklichung entwick- lungspolitischer Möglichkeiten gilt dagegen als hohe Anschlussfähigkeit an Au- ßenbezüge. Bei Kreisen und kreisfreien Städten, die im Inneren des Landes liegen und keine relevanten Außenbezüge aufweisen, wird der Logik des Kriteriums fol- gend von keinem Handlungsbedarf gesprochen.

Tabelle 4.2-D: Korrespondenz mit grenzüberschreitenden Bezügen

Korrespondenz mit grenzüber- Kommune: Städte und Kreise schreitenden Bezügen*

Kreisfreie Städte Braunschweig Hoch Osnabrück Hoch Salzgitter Hoch Emden Mittel Oldenburg Mittel Wilhelmshaven Mittel Wolfsburg Mittel Delmenhorst Gering Landkreise Ammerland Hoch Celle Hoch Cloppenburg Hoch Emsland Hoch Hildesheim Hoch Osnabrück Hoch

118 Kommunalstrukturen in Nordostniedersachsen

Korrespondenz mit grenzüber- Kommune: Städte und Kreise schreitenden Bezügen*

Peine Hoch Rotenburg (Wümme) Hoch Region Hannover Hoch Heidekreis Hoch Vechta Hoch Aurich Mittel Cuxhaven Mittel Diepholz Mittel Friesland Mittel Gifhorn Mittel Göttingen Mittel Harburg Mittel Hameln-Pyrmont Mittel Leer Mittel Nienburg (Weser) Mittel Northeim Mittel Oldenburg Mittel Stade Mittel Wesermarsch Mittel Wittmund Mittel Wolfenbüttel Mittel Grafschaft Bentheim Gering Goslar Gering Helmstedt Gering Holzminden Gering Lüchow-Dannenberg Gering Lüneburg Gering Osterholz Gering Osterode am Harz Gering Schaumburg Gering Uelzen Gering Verden Gering Legende: * Innerhalb der Bewertungskategorien Gering - Mittel - Hoch erfolgt die Bildung der Rei- henfolge der Kommunen alphabetisch; Gering = besonderer Handlungsbedarf im Hinblick auf eine Veränderung des gebietsstrukturellen Zuschnitts; Mittel = bedingter/mittlerer Handlungsbedarf; Hoch = kein oder geringer Handlungsbedarf. Stand: September 2011; Quelle: eigene Darstellung.

119 Kommunalstrukturen in Nordostniedersachsen

Obwohl vier von fünf Landkreisen des Untersuchungsraums an andere Bundeslän- Entwicklungspo- tentiale gegenüber der angrenzen, verarbeiten sie grenzüberschreitende Bezüge nur unzureichend, angrenzenden bleiben entwicklungspolitischen Potentiale aus einer Anbindung an die vier an- Flächenländern grenzenden Flächenländer vorwiegend ungenutzt. Die Vielzahl an Bezugsräumen (Hamburg, Schleswig-Holstein, Mecklenburg-Vorpommern, Brandenburg und Sachsen-Anhalt) mit je unterschiedlichen Ansprechpartnern sowie disparaten ge- setzlichen Handlungsvoraussetzungen erschweren für die Kreise Nordostnieder- sachsens ein kohärentes Auftreten nach außen. Durch ein geschlossenes Vorgehen innerhalb des Raums und vor allem die Bestellung eines einzigen Verhandlungs- partners könnten zumindest die eigenen „Hausaufgaben“ erledigt, der Kooperati- onsaufwand und die Transaktionskosten gesenkt und im Ergebnis befriedigendere Ergebnisse erzielt werden.

Zusammenfassung

Betrachtet man die verwaltungsgeographische Kongruenz der Landkreise und Gebotene Maß- stabsvergröße- kreisfreien Städte über die einzelnen angeführten Dimensionen hinweg, so finden rung niedersächsi- sich in Niedersachsen deutliche Differenzen zwischen einigen Gebietskörperschaf- scher Kreise ten mit hoher Kongruenz von Verwaltungs-, Wirtschafts- und Lebensräumen und anderen, die eine zu geringe Betriebsgröße und/oder erhebliche Inkongruenzen aufweisen (vgl. Tab. 4.2-E). In den Bereichen Wirtschaft und Arbeit, Naturraum und Außenbeziehungen gingen dem Gutachter zahlreiche Hinweise zu, nach denen letztlich nur über Maßstabsvergrößerungen, sei es auf dem Wege der Kooperation oder durch Neugliederungen, Dysfunktionalitäten und Entwicklungsbarrieren (vor allem für das Handeln der kommunalen Kreisstufe) überwunden werden können. Für die kleinräumigen Landkreise (weniger als 1.000 km²) findet sich eine im Ver- gleich zu größeren Kreisen verminderte verwaltungsgeographische Kongruenz, während diesbezüglich zwischen mittelgroßen (1.000-1.500 km²) und großen (über 1.500 km²) Einheiten keine erheblichen systematischen Unterschiede festzustellen sind. Dies weist auf einen generell erhöhten Handlungsbedarf bei den kleinräumi- gen Landkreisen hin (vgl. dazu Kap. 4.1). Die folgende Darstellung fasst die in den vier Dimensionen vorgenommenen Analysen noch einmal zusammen, um so örtli- che und teilräumliche Reformbedarfe aus entwicklungspolitischer Sicht zu veran- schaulichen.

120 Kommunalstrukturen in Nordostniedersachsen

Tabelle 4.2-E: Verwaltungsgeographische Eignung der kreislichen Gebiets- strukturen

Kongruenz von Verwaltungs-, Wirtschafts- und Lebensraum Kommune: Städte und Kreise Arbeitsplatz- Arbeitsmarkt Naturraum Außenbezüge versorgung

Kreisfreie Städte Braun- Mittel Mittel Mittel Hoch schweig

Salzgitter Mittel Gering Mittel Hoch

Wolfsburg Hoch Mittel** Gering Mittel

Delmenhorst Gering Gering Mittel Gering

Emden Hoch Gering Hoch Mittel

Oldenburg Mittel Gering Hoch Mittel

Osnabrück Mittel Mittel Hoch Hoch

Wilhelms- Mittel Mittel Hoch Mittel haven Landkreise

Gifhorn Gering Mittel** Gering Mittel

Göttingen Hoch Hoch** Hoch Mittel

Goslar Hoch Hoch Gering Gering

Helmstedt Gering Gering Mittel Gering

Northeim Mittel Mittel** Hoch Mittel

Osterode Hoch Hoch Hoch Gering am Harz

Peine Gering Gering Mittel Hoch

Wolfen- Gering Gering Mittel Mittel büttel Region Hoch Hoch Gering Hoch Hannover

Diepholz Gering* Mittel** Mittel Mittel

Hameln- Hoch Gering Mittel Mittel Pyrmont

121 Kommunalstrukturen in Nordostniedersachsen

Kongruenz von Verwaltungs-, Wirtschafts- und Lebensraum Kommune: Städte und Kreise Arbeitsplatz- Arbeitsmarkt Naturraum Außenbezüge versorgung

Hildesheim Hoch Gering Mittel Hoch

Holzminden Mittel Hoch** Hoch Gering

Nienburg Mittel Gering Mittel Mittel (Weser)

Schaumburg Mittel Gering Gering Gering

Celle Hoch Gering Mittel Hoch

Cuxhaven Gering* Hoch** Mittel Mittel

Harburg Gering* Hoch** Gering Mittel

Lüchow- Hoch Gering Hoch Gering Dannenberg

Lüneburg Mittel Hoch Mittel Gering

Osterholz Gering* Gering Hoch Gering

Rotenburg Mittel Gering Mittel Hoch (Wümme)

Heidekreis Hoch Gering Gering Hoch

Stade Mittel* Mittel** Mittel Mittel

Uelzen Hoch Mittel Hoch Gering

Verden Gering* Gering Mittel Gering

Ammerland Gering Gering Mittel Hoch

Aurich Mittel Mittel Mittel Mittel

Cloppen- Hoch Mittel Mittel Hoch burg

Emsland Hoch Hoch Mittel Hoch

Friesland Mittel Mittel Hoch Mittel

Grafschaft Hoch Mittel Mittel Gering Bentheim

122 Kommunalstrukturen in Nordostniedersachsen

Kongruenz von Verwaltungs-, Wirtschafts- und Lebensraum Kommune: Städte und Kreise Arbeitsplatz- Arbeitsmarkt Naturraum Außenbezüge versorgung

Leer Mittel Mittel Mittel Mittel

Oldenburg Gering* Mittel Gering Mittel

Osnabrück Mittel Hoch Hoch Hoch

Vechta Hoch Hoch Hoch Hoch

Weser- Mittel Gering Hoch Mittel marsch

Wittmund Mittel Gering Mittel Mittel

Legende: * eingeschränkte Aussagekraft aufgrund hoher Auspendleranteile nach Hamburg bzw. Bremen diese Bewertung geht nicht in die Gesamtwertung des Landkreises ein; ** leicht einge- schränkte Aussagekraft, da die Arbeitsmarktregion auch Teile anderer Bundesländer umfasst (geht in die Gesamtwertung der Kommune ein); Gering = geringe Eignung der Gebietskulisse; Mittel = mitt- lere Eignung der Gebietskulisse; Hoch = besondere Eignung der Gebietskulisse.

Die Kongruenz von Verwaltungs-, Wirtschafts- und Naturräumen erreicht in allen Nordostnieder- sachsen/Region untersuchten Landkreisen ein insgesamt mittleres Niveau (Uelzen erzielt dabei die Lüneburg beste Bewertung), doch treten jeweils spezifische Stärken und Schwächen auf. Mit Blick zunächst auf die Landkreise Lüneburg, Lüchow-Dannenberg und Uelzen wird deutlich, dass ihre bestehenden Verwaltungsgrenzen einen gemeinsamen Wirtschafts- und Lebensraum trennen, der auf die Arbeitsmarktregion Lüneburg und die gemeinsame Lage im Naturraum Lüneburger Heide zurückgeht. Die Kreise Uelzen und Lüchow-Dannenberg statten zwar ihre Einwohnerschaft hinreichend mit Erwerbsmöglichkeiten im eigenen Kreisgebiet aus, doch führt ihre Kleinräu- migkeit dazu, dass sie den regionalen Arbeitsmarkt nur begrenzt abdecken; für Lü- neburg ergibt sich aufgrund stärkerer Auspendlungen gerade das umgekehrte Bild. Die für die Kreise Harburg und Celle erkannten Mängel in der Übereinstimmung mit Wirtschafts- und Naturräumen sind dagegen durch Fusionserwägungen im Un- tersuchungsraum nicht zu beheben. Sie richten sich für den Landkreis Celle vor al- lem auf die unzureichende Abdeckung des Arbeitsmarktraums Hannover, die al- lerdings durch eine hohe Arbeitsplatzeigenversorgung im Kreisgebiet kompensiert wird, während Harburg drei naturräumliche Regionen zerschneidet. Ein Desiderat in allen an andere Bundesländer grenzenden Landkreisen bleibt die unzureichende Berücksichtigung von Außenbezügen, gerade die strukturschwachen Kreise unter ihnen sollten länderübergreifende Entwicklungschancen nutzen.

123 Kommunalstrukturen in Nordostniedersachsen

4.3 Regionale Entwicklungsfähigkeit

Mit der Frage nach der Entwicklungsfähigkeit der Kreisstrukturen wendet sich der Gutachter nun einer eher zukunftsbezogenen Perspektive zu. Dabei konzentriert er sich zunächst auf die Ausstattung der Kommunen mit Standortfaktoren, stellt dann die demographische Entwicklung dar und umreißt abschließend die finanzielle Ausgangssituation.

Standortfaktoren

Die Ausstattung einer Kommune mit Standortfaktoren prägt ihre Attraktivität für Harte und weiche Standortfaktoren Private und entscheidet damit auch über deren etwaige Ansiedlung. Dabei steht die Standortwahl von Unternehmen meist im Zentrum, wenngleich die Wohnortwahl, insbesondere von jüngeren Menschen, Familien und steuerzahlenden Beschäftigten für die Kommunen zu einer zunehmend wichtigen, auch regionalen Wettbewerbs- prozessen ausgelieferten Kategorie geworden ist. Mit Blick auf die Standortwahl der Unternehmen wird bekanntlich zwischen harten und weichen Standortfaktoren unterschieden.32 Zu den harten Standortfaktoren zählen vor allem die Höhe der Steuern und Abgaben, die Infrastruktur, das Arbeitskräftepotential, die Verfügbar- keit weiterer Ressourcen und die Erreichbarkeit von Absatzmärkten. Weiche Fak- toren sind dagegen unternehmensbezogen das vorherrschende wirtschaftliche „Klima“, das Image des Standorts, Fühlungsvorteile und Kooperationspartner vor Ort, während personenbezogen eher auf das Wohn-, Bildungs-, Kultur- und Frei- zeitangebot, die Vorhaltung von Gesundheitseinrichtungen und die Umweltqualität abgestellt wird. Viele dieser Faktoren lassen sich von den kommunalen Gebiets- körperschaften erkennbar nur begrenzt beeinflussen.

Die gegenwärtige Güte der Standortfaktoren bildet den Ausgangspunkt für die Indikatoren der Ausstattung mit weitere Entwicklung einer jeden Kommune; sie wird zunächst über zwei Indikato- Standortfaktoren ren erfasst: • das Bruttoinlandsprodukt (BIP) je Einwohner (definiert als Wert der innerhalb eines Jahres im Inland hergestellten Waren und Dienstleistungen, soweit diese nicht als Vorleistungen für die Produktion anderer Waren und Dienstleistungen verwendet werden) – diese Messgröße ist bekanntlich ein Kernindikator zur Beurteilung der Wirtschaftskraft einer Gebietskörperschaft; der Bezug auf die Einwohnerzahl ermöglicht den Vergleich zwischen den von erheblichen Grö- ßendifferenzen gekennzeichneten Gebietskörperschaften, sowie • die Arbeitslosenquote (bezogen auf alle zivilen Erwerbspersonen) – dieser In- dikator erfasst die soziale Dimension der Standortfaktorenausstattung.

Um die künftige Entwicklung der Landkreise und kreisfreien Städte als Wirtschafts- und Wohnstandorte abzubilden, greift der Gutachter auf die Prognose des NIW zur

32 Etwa Empter, S./Vehrkamp, R. B. (Hg.): Wirtschaftsstandort Deutschland, Wiesbaden, 2006. 124 Kommunalstrukturen in Nordostniedersachsen

Beschäftigtenentwicklung in den Jahren 2010 bis 2030 zurück.33 Als Indikator gilt dabei die Zunahme oder Abnahme der Zahl der Beschäftigten (in Prozent).

Zunächst zum BIP je Einwohner: Im Land Niedersachsen betrug dieser Wert im Bruttoinlands- produkt je Ein- Jahr 2008 25.959 Euro und fiel damit hinter den Bundesdurchschnitt von 30.343 wohner Euro zurück.34 Je stärker eine Gebietskörperschaft diesen Mittelwerten gegenüber abfällt, umso nachdrücklicher stellt sich die Frage, ob sie durch einen Zusammen- schluss mit einer Kommune, die eine bessere Ausstattung mit Standortfaktoren aufweist, oder im Zuge verstärkter interkommunaler Zusammenarbeit ihr Entwick- lungspotential verbessern kann. Demgemäß wird Kreisen und kreisfreien Städten, deren BIP je Einwohner um mehr als eine Standardabweichung vom gruppenspezi- fischen Mittelwert abweicht, im Folgenden hoher Handlungsbedarf unterstellt, während Kommunen mit geringerer Abweichung mittlerer Handlungsbedarf attes- tiert wird (vgl. Tab. 4.3-A).

Tabelle 4.3-A: Bruttoinlandsprodukt je Einwohner im Jahr 2008

Abweichung zum Durch- Kommune: Bruttoinlandsprodukt schnitt in Prozent Städte und Kreise je Einwohner in Euro Gruppe (S/K) Land (L) Mittelwert (S) 40.677 +56,7 Mittelwert (K) 22.861 -11,9 Mittelwert (L) 25.959 Kreisfreie Städte Wolfsburg 77.281 +90,0 +197,7 Emden 41.520 +2,1 +59,9 Osnabrück 41.080 +1,0 +58,2 Mittelwert (S) 40.677 +56,7 Oldenburg 38.074 -6,4 +46,7 Braunschweig 35.730 -12,1 +37,6 Salzgitter 35.624 -12,4 +37,2 Wilhelmshaven 34.506 -15,1 +32,9 Delmenhorst 21.601 -46,9 -16,8 Landkreise Region Hannover 34.944 +52,9 +34,6 Vechta 31.680 +38,6 +22,0

33 NBank, a.a.O., 2011 34 Hierbei handelt es sich um die neuesten verfügbaren kreisscharfen Zahlen, vgl. Landesbetrieb für Statistik und Kommunikationstechnologie Niedersachsen: Online-Datenbank (Volkswirtschaftli- che Gesamtrechnung; Berechnungsjahr 2008). 125 Kommunalstrukturen in Nordostniedersachsen

Abweichung zum Durch- Kommune: Bruttoinlandsprodukt schnitt in Prozent Städte und Kreise je Einwohner in Euro Gruppe (S/K) Land (L) Osterode am Harz 30.134 +31,8 +16,1 Emsland 29.402 +28,6 +13,3 Wesermarsch 27.954 +22,3 +7,7 Stade 27.240 +19,2 +4,9 Hameln-Pyrmont 26.680 +16,7 +2,8 Göttingen 26.621 +16,4 +2,6 Heidekreis 26.299 +15,0 +1,3 Verden 25.135 +9,9 -3,2 Cloppenburg 24.658 +7,0 -5,0 Rotenburg (Wümme) 24.018 +5,1 -7,5 Grafschaft Bentheim 23.963 +4,8 -7,7 Diepholz 23.528 +2,9 -9,4 Celle 23.394 +2,3 -9,9 Uelzen 23.312 +2,0 -10,2 Holzminden 23.005 +0,6 -11,4 Goslar 22.975 +0,5 -11,5 Mittelwert (K) 22.861 -11,9 Osnabrück 22.813 -0,2 -12,1 Ammerland 22.649 -0,9 -12,8 Nienburg (Weser) 22.425 -1,9 -13,6 Hildesheim 22.322 -2,4 -14,0 Leer 22.158 -3,1 -14,6 Lüneburg 22.061 -3,5 -15,0 Northeim 20.985 -8,2 -19,2 Lüchow-Dannenberg 20.193 -11,7 -22,2 Friesland 19.573 -14,4 -24,6 Peine 19.526 -14,6 -24,8 Wittmund 19.302 -15,6 -25,6 Schaumburg 19.285 -15,6 -25,7 Oldenburg 19.036 -16,7 -26,7 Helmstedt 18.833 -17,6 -27,5 Aurich 18.537 -18,9 -28,6 Harburg 17.741 -22,4 -31,7 Cuxhaven 17.737 -22,4 -31,7 Osterholz 16.544 -27,6 -36,3

126 Kommunalstrukturen in Nordostniedersachsen

Abweichung zum Durch- Kommune: Bruttoinlandsprodukt schnitt in Prozent Städte und Kreise je Einwohner in Euro Gruppe (S/K) Land (L) Wolfenbüttel 16.210 -29,1 -37,6 Gifhorn 15.839 -30,7 -39,0

Legende: (L) = Land; (K) = Kreise; (S) = Stadt; x Euro = besonderer Handlungsbedarf im Hinblick auf eine Veränderung des gebietsstrukturellen Zuschnitts; x Euro = bedingter/mittlerer Handlungsbe- darf; x Euro = kein/geringer Handlungsbedarf; die Mittelwerte sind mit der Einwohnerzahl gewichtet. Quelle: Landesbetrieb für Statistik und Kommunikationstechnologie Niedersachsen: Online- Datenbank (Volkswirtschaftliche Gesamtrechnung), Berechnungsstand Frühjahr 2010 (Stand 2008), eigene Berechnungen.

Tab. 4.3-A dokumentiert eine relativ ausgeglichene Wirtschaftskraft des Raums Ausgeglichene wirtschaftliche Lüneburg, sieht man von Harburg als einzigem Landkreis mit einem geringen ein- Leistungskraft wohnerbezogenen Bruttoinlandsprodukt ab. Die geringe Wirtschaftskraft Harburgs ist seiner Lage als Umlandkreis der Hansestadt Hamburg geschuldet, im Gegenzug verbinden sich damit hohe Steuereinnahmen und ein eher geringerer demographi- scher Problembestand. Die Kreise Celle, Uelzen und Teile des Kreises Lüneburg sind dagegen als Wirtschaftsstandorte etabliert und verzeichnen überdurchschnitt- liche BIP-Werte. Die geringe Wirtschaftskraft Lüchow-Dannenbergs zeigt demge- genüber einen Stabilisierungsbedarf an, der auch auf Teile des Kreises Lüneburg zutreffen dürfte. Ergänzt wird diese Betrachtung der gegenwärtigen Güte der Standortfaktoren um Arbeitslosenquote den Blick auf die soziale Lage der Erwerbspersonen anhand der Arbeitslosenquote, die aufzeigt, inwieweit ein Standort geeignet ist, Einwohnern berufliche Betäti- gungsmöglichkeiten anzubieten (und inwieweit diese auch nachgefragt werden). Die Kommunen sind dabei wiederum in drei Gruppen unterteilt: Ist die Arbeitslo- sigkeit geringer ausgeprägt als in den anderen Landkreisen bzw. kreisfreien Städ- ten, findet sich kein oder ein nur geringer Handlungsbedarf. Bei einer Arbeitslo- senquote von höchstens einer Standardabweichung oberhalb des Kreis- bzw. Städ- tedurchschnitts liegt ein mittlerer Handlungsbedarf vor; er verweist auf verstärkte Anstrengungen um eine attraktive regionale Wirtschaftsförderung und eine Integra- tion von Arbeitslosen in das Erwerbsleben. Dies gilt umso nachdrücklicher, wenn die Arbeitslosenquote noch oberhalb des benannten Schwellenwertes liegt (vgl. Tab. 4.3-B). Tabelle 4.3-B: Arbeitslosenquote im Juni 2011

Abweichung zum Durch- Kommune: Arbeitslosenquote in schnitt in Prozentpunkten Städte und Kreise Prozent* Gruppe (S/K) Land (L) Mittelwert (S) 9,0 +2,2 Mittelwert (K) 6,3 -0,5 Mittelwert (L) 6,8

127 Kommunalstrukturen in Nordostniedersachsen

Abweichung zum Durch- Kommune: Arbeitslosenquote in schnitt in Prozentpunkten Städte und Kreise Prozent* Gruppe (S/K) Land (L) Kreisfreie Städte Wolfsburg 5,8 -3,2 -1,0 Braunschweig 8,0 -1,0 +1,2 Osnabrück 8,0 -1,0 +1,2 Oldenburg 8,4 -0,6 +1,6 Mittelwert (S) 9,0 +2,2 Salzgitter 9,1 +0,1 +2,3 Delmenhorst 10,0 +1,0 +3,2 Emden 10,0 +1,0 +3,2 Wilhelmshaven 12,7 +3,7 +5,9 Landkreise Emsland 3,3 -3,0 -3,5 Vechta 3,3 -3,0 -3,4 Osnabrück 3,9 -2,5 -2,9 Osterholz 4,3 -2,1 -2,5 Diepholz 4,4 -1,9 -2,4 Grafschaft Bentheim 4,4 -1,9 -2,4 Ammerland 4,5 -1,8 -2,3 Oldenburg 4,5 -1,9 -2,3 Rotenburg (Wümme) 4,6 -1,8 -2,2 Harburg 5,0 -1,3 -1,8 Cloppenburg 5,0 -1,4 -1,8 Verden 5,3 -1,1 -1,5 Gifhorn 5,6 -0,7 -1,1 Nienburg (Weser) 5,7 -0,6 -1,1 Wittmund 5,7 -0,7 -1,1 Friesland 5,8 -0,5 -1,0 Cuxhaven 5,9 -0,5 -0,9 Lüneburg 6,2 -0,1 -0,6 Stade 6,3 0,0 -0,5 Mittelwert (K) 6,3 -0,5 Peine 6,4 0,0 -0,4 Heidekreis 6,6 +0,3 -0,2 Göttingen 6,7 +0,4 -0,1 Wolfenbüttel 6,7 +0,4 -0,1

128 Kommunalstrukturen in Nordostniedersachsen

Abweichung zum Durch- Kommune: Arbeitslosenquote in schnitt in Prozentpunkten Städte und Kreise Prozent* Gruppe (S/K) Land (L) Leer 6,9 +0,6 +0,1 Aurich 7,0 +0,7 +0,2 Northeim 7,1 +0,8 +0,3 Wesermarsch 7,1 +0,8 +0,3 Uelzen 7,3 +1,0 +0,5 Holzminden 7,8 +1,4 +1,0 Schaumburg 7,8 +1,5 +1,0 Helmstedt 7,9 +1,5 +1,1 Hameln-Pyrmont 8,0 +1,7 +1,2 Hildesheim 8,0 +1,7 +1,2 Celle 8,1 +1,8 +1,3 Region Hannover 8,7 +2,4 +1,9 Goslar 9,3 +3,0 +2,5 Osterode am Harz 9,4 +3,1 +2,6 Lüchow-Dannenberg 10,0 +3,7 +3,2

Legende: (L) = Land; (K) = Kreise; (S) = Stadt; * bezogen auf alle zivilen Erwerbspersonen; x % = besonderer Handlungsbedarf im Hinblick auf eine Veränderung des gebietsstrukturellen Zu- schnitts; x % = bedingter/mittlerer Handlungsbedarf; x % = kein/geringer Handlungsbedarf; die Mit- telwerte sind mit der Zahl ziviler Erwerbspersonen gewichtet. Quelle: Bundesagentur für Arbeit: Ar- beitslose nach Kreisen, Juni 2011, eigene Berechnungen.

Im nordöstlichen Niedersachsen wird eine beträchtliche gruppeninterne Differenz Divergierende Arbeitslosenquo- zwischen den von Arbeitslosigkeit stärker betroffenen Kreisen im südöstlichen Teil ten und den beiden nördlichen Kreisen mit Anbindung an die Hansestadt Hamburg deutlich. Einen erheblichen Stabilisierungs- und Handlungsbedarf weisen die Kreise Lüchow-Dannenberg und Celle auf, die zu den fünf Kreisen mit der höchs- ten Arbeitslosenquote des Landes zählen. Im Falle Lüchow-Dannenbergs (10,0 %) darf die Beschäftigungsnot als strukturell verankert gelten, lag sie im Jahresdurch- schnitt 2010 noch um 1,1 Prozentpunkte höher und verbindet sie sich mit einer niedrigen Wirtschaftskraft. Demgegenüber ist dem Kreis Uelzen eine nur etwas er- höhte Arbeitslosenquote (7,3%) zuzuordnen. Im Untersuchungsraum verweisen le- diglich die Kreise Harburg und Lüneburg auf geringe beschäftigungsbezogene Probleme, insbesondere Harburg profitiert dabei stark von der Entwicklungsdyna- mik Hamburgs.

129 Kommunalstrukturen in Nordostniedersachsen

Die prognostizierte Beschäftigtenentwicklung für die Jahre 2010 bis 2030 (+2,0 %) Prognose der Be- 35 schäftigtenent- fällt für Niedersachsen recht positiv aus. Die regionalen Differenzen werden da- wicklung bei wie folgt berücksichtigt (vgl. Tab. 4.3-C): Für Kommunen mit einer über dem Landesdurchschnitt liegenden positiven Beschäftigtenentwicklung ist von einer hohen Entwicklungsfähigkeit ihrer Gebietskulisse (und damit geringem Stabilisie- rungsbedarf) auszugehen, da durch Vorteile in der Ausstattung mit Standortfakto- ren im interregionalen Wettbewerb weitere Erwerbstätigkeiten im Kreis- oder Stadtgebiet geschaffen werden (können). Eine unterhalb der geringfügig positiven Beschäftigtenentwicklung des Landes liegende Gebietskörperschaft mit gleichwohl steigender Beschäftigtenzahl verfügt über Optimierungsbedarf im Standortwettbe- werb, mithin über eine nur mittlere Eignung ihrer Gebietskulisse. Abnehmende Be- schäftigtenzahlen verweisen dagegen auf eine unzureichende Standortqualität, die zur Abwanderung von Teilen der Wirtschaft und weiterer Privater sowie Wohl- standsverlusten führt und auf eine mangelnde entwicklungspolitische Kapazität hindeutet.

Tabelle 4.3-C: Prognostizierte Beschäftigtenentwicklung zwischen 2010 und 2030

Zunahme/ Abnahme der Kommune: Beschäftigtenzahl Beschäftigtenzahl Beschäftigenten- Städte und Kreise 2010 2030 zahl 2030 ggü. 2010 in Prozent Vechta 79.670 86.599 8,7% Cloppenburg 77.819 83.262 7,0% Harburg 81.667 86.388 5,8% Emsland 160.223 169.373 5,7% Leer 68.443 72.367 5,7% Oldenburg 45.863 48.392 5,5% Lüneburg 77.554 81.577 5,2% Osnabrück 150.834 158.715 5,2% Grafschaft Bentheim 62.570 65.647 4,9% Rotenburg (Wümme) 76.180 79.809 4,8% Stade 82.170 86.123 4,8% Osnabrück (S) 118.539 124.084 4,7% Aurich 75.838 79.214 4,5% Oldenburg (S) 104.148 108.560 4,2% Ammerland 52.533 54.651 4,0%

35 NBank, a.a.O., 2011 130 Kommunalstrukturen in Nordostniedersachsen

Zunahme/ Abnahme der Kommune: Beschäftigtenzahl Beschäftigtenzahl Beschäftigenten- Städte und Kreise 2010 2030 zahl 2030 ggü. 2010 in Prozent Osterholz 36.701 38.078 3,8% Verden 58.274 60.496 3,8% Diepholz 90.950 93.792 3,1% Wolfsburg (S) 118.480 121.358 2,4% Göttingen 131.863 134.746 2,2% Uelzen 39.925 40.775 2,1% Heidekreis 68.995 70.373 2,0% Niedersachsen gesamt 3.736.667 3.812.489 2,0% Wolfenbüttel 35.710 36.342 1,8% Braunschweig (S) 156.344 159.002 1,7% Hameln-Pyrmont 70.022 71.150 1,6% Cuxhaven 69.624 70.724 1,6% Gifhorn 54.018 54.705 1,3% Peine 42.656 43.210 1,3% Wittmund 25.486 25.691 0,8% Schaumburg 60.318 60.614 0,5% Friesland 40.197 40.193 0,0% Region Hannover 623.835 622.305 -0,2% Wilhelmshaven (S) 45.034 44.920 -0,3% Lüchow-Dannenberg 19.477 19.390 -0,4% Emden (S) 37.963 37.796 -0,4% Nienburg (Weser) 51.430 51.124 -0,6% Helmstedt 29.693 29.476 -0,7% Celle 74.622 73.596 -1,4% Delmenhorst (S) 32.502 32.061 -1,4% Hildesheim 121.551 119.366 -1,8% Wesermarsch 39.032 38.276 -1,9% Northeim 57.764 56.621 -2,0% Goslar 63.061 61.081 -3,1% Osterode am Harz 35.737 34.505 -3,4% Salzgitter (S) 60.532 56.996 -5,8% Holzminden 30.822 28.968 -6,0%

Legende: (L) = Land, (S) = Stadt; x % = besonderer Handlungsbedarf im Hinblick auf eine Verände- rung des gebietsstrukturellen Zuschnitts; x % = bedingter/mittlerer Handlungsbedarf; x % = geringer oder kein Handlungsbedarf. Quelle: NBank, a.a.O., 2011; eigene Berechnungen.

131 Kommunalstrukturen in Nordostniedersachsen

Die Prognosen zur Entwicklung der Beschäftigung im Untersuchungsraum fallen Insgesamt positive Beschäftigungs- insgesamt positiv aus: In den nahe Hamburg gelegenen Landkreisen Harburg und prognosen Lüneburg ist mit einer Zunahme der Beschäftigtenzahlen um mehr als 5 % zwi- schen 2010 und 2030 zu rechnen. Dem Landkreis Uelzen wird ebenfalls eine Stei- gerung der Beschäftigtenzahlen prognostiziert, die mit 2,1 % im Landesdurch- schnitt liegt. Die zukünftigen Beschäftigungsverluste in den Kreisen Lüchow- Dannenberg und Celle deuten dagegen auf ein eher negatives wirtschaftliches Entwicklungsszenario hin.

Demographische Entwicklungsfähigkeit

Die demographische Entwicklungsfähigkeit bemisst sich anhand der Entwicklung Faktoren des kommunalen der Gesamtbevölkerung sowie bestimmter Altersgruppen, die für das kommunale Ausgabeverhal- Ausgabeverhalten und die von Kreisen, Städten und Gemeinden vorzuhaltenden tens Einrichtungen eine besondere Bedeutung haben. Zu letzteren zählen zum einen bildungs- bzw. schulrelevante junge Bevölkerungsgruppen und zum anderen die Gruppe der Älteren, und hier insbesondere der Hochbetagten, die einen erhöhten Bedarf an öffentlichen Versorgungs-, Gesundheits- und seniorengerechten Infra- strukturen mit sich bringen. Durch erweiterte Gebietszuschnitte könnten disparate demographische Entwicklungen innerhalb einer Kommune in Teilen aufgefangen werden, wobei im Zuge einer Gebietsänderung ein Ausgleich der demographischen Entwicklungsfähigkeit über Kommunalgrenzen hinweg dann erreicht wird, wenn sich eine von Bevölkerungsrückgang und Überalterung geprägte Kommune mit ei- ner diesbezüglich besser gestellten Gebietskörperschaft zusammenschließt.

Der Ausweis der demographischen Entwicklungsfähigkeit wird mit den folgenden Indikatoren der demographischen drei Indikatoren untersetzt: Entwicklungsfä- higkeit • Anstieg oder Rückgang des Bevölkerungsstandes im Jahr 2030 gegenüber dem Jahr 2009, • Anstieg oder Rückgang des Bevölkerungsanteils der unter 18-Jährigen von 2009 bis 2030 sowie • Anstieg oder Rückgang des Bevölkerungsanteils der über 75-Jährigen im Jahr 2030 gegenüber dem Jahr 2009.

Datengrundlage für die drei genannten Indikatoren ist die Bevölkerungsprognose des Niedersächsischen Instituts für Wirtschaftsforschung (NIW) mit dem Basisjahr 2009; sie stellt die aktuellste kreisscharfe Bevölkerungsprognose für Niedersachsen dar.36

36 NBank, a.a.O, 2011. 132 Kommunalstrukturen in Nordostniedersachsen

Mit Blick auf die Entwicklung der Gesamtbevölkerung ist ein Einwohnerzuwachs Zusammenhang von Bevölkerungs- oder zumindest eine konstante Bevölkerungszahl anzustreben, sodass der Gutachter entwickung und niedersächsischen Landkreisen und kreisfreien Städten, die dies erfüllen, eine hohe kommunalem Handlungsbedarf Eignung (mithin geringen Handlungsbedarf) ihrer Gebietskulisse zuspricht. Im Hintergrund steht, dass sich mit einer erhöhten Bevölkerungszahl potentielle Leis- tungssteigerungen ergeben, wie in Kap. 4.1 beschrieben wurde. Bei einer rückläu- figen Bevölkerungszahl treten dagegen häufig Ausgabenremanenzen auf, d.h. die Kosten zur Erfüllung zahlreicher kommunaler Aufgaben gehen nicht proportional zur sinkenden Nachfrage zurück, woraus den Kommunen Mehrausgaben pro Kopf entstehen, die ihre haushalterische Situation belasten. Bei einem Bevölkerungs- rückgang von mehr als zehn Prozent in 21 Jahren erkennt der Gutachter einen ho- hen Handlungsbedarf für eine etwaige Neugliederung oder Reorganisation der be- troffenen Kommune, während bei Bevölkerungsrückgängen bis zu zehn Prozent von einem mittleren Handlungsbedarf gesprochen wird. Die folgende Tab. 4.3-D dokumentiert die regionalisierte Bevölkerungsentwicklung im Land.

Tabelle 4.3-D: Bevölkerungsentwicklung niedersächsischer Landkreise und kreis- freier Städte von 2009 bis 2030

Kommune: Bevölkerungs- Bevölkerungs- Veränderung Städte und Kreise stand 2009 prognose 2030 (2030 ggü. 2009) Städte insgesamt 125.468 117.901 -6,0% Kreise insgesamt 182.239 169.151 -7,2% Land insgesamt 172.366 157.062 -8,9% Vechta 134.838 143.213 6,2% Oldenburg (S) 161.334 171.019 6,0% Cloppenburg 157.506 161.792 2,7% Harburg 245.624 251.461 2,4% Braunschweig (S) 247.400 250.958 1,4% Ammerland 117.517 117.699 0,2% Lüneburg 177.042 177.040 0,0% Emsland 313.098 312.656 -0,1% Grafschaft Bentheim 135.346 134.485 -0,6% Oldenburg 126.571 123.713 -2,3% Stade 196.952 191.108 -3,0% Region Hannover 1.130.262 1.084.826 -4,0% Leer 164.837 156.900 -4,8% Emden (S) 51.292 48.240 -6,0% Osnabrück (S) 163.514 152.767 -6,6%

133 Kommunalstrukturen in Nordostniedersachsen

Kommune: Bevölkerungs- Bevölkerungs- Veränderung Städte und Kreise stand 2009 prognose 2030 (2030 ggü. 2009) Wolfsburg (S) 121.109 111.727 -7,7% Rotenburg (Wümme) 164.064 150.908 -8,0% Aurich 188.973 173.503 -8,2% Osnabrück 357.056 325.544 -8,8% Verden 133.328 121.465 -8,9% Diepholz 213.634 192.663 -9,8% Wittmund 57.391 51.430 -10,4% Osterholz 112.029 99.977 -10,8% Gifhorn 173.223 153.073 -11,6% Göttingen 259.281 225.462 -13,0% Celle 179.247 155.778 -13,1% Peine 132.066 114.541 -13,3% Heidekreis 140.053 120.784 -13,8% Delmenhorst (S) 74.512 63.642 -14,6% Friesland 99.851 85.160 -14,7% Nienburg (Weser) 122.989 104.441 -15,1% Cuxhaven 201.188 170.815 -15,1% Schaumburg 161.746 134.525 -16,8% Hildesheim 284.551 235.166 -17,4% Wesermarsch 91.228 75.288 -17,5% Uelzen 94.428 77.893 -17,5% Hameln-Pyrmont 155.164 127.164 -18,0% Wilhelmshaven (S) 81.137 66.027 -18,6% Wolfenbüttel 122.806 96.877 -21,1% Lüchow-Dannenberg 49.699 39.193 -21,1% Salzgitter (S) 103.446 78.830 -23,8% Helmstedt 93.903 71.422 -23,9% Northeim 140.553 105.560 -24,9% Osterode am Harz 78.253 57.742 -26,2% Goslar 144.680 106.292 -26,5% Holzminden 74.094 54.088 -27,0%

Legende: (S) = Stadt; x % = besonderer Handlungsbedarf im Hinblick auf eine Veränderung des ge- bietsstrukturellen Zuschnitts; x % = bedingter/mittlerer Handlungsbedarf; x % = kein Handlungsbe- darf. Quellen: NBank, a.a.O., 2011; eigene Berechnungen.

134 Kommunalstrukturen in Nordostniedersachsen

Wie in Tab. 4.3-D deutlich wird, korrespondieren für die Landkreise im Untersu- Bevölkerungs- rückgang im Un- chungsgebiet große Bevölkerungsverluste mit bereits zuvor geringen Einwohner- tersuchungsraum zahlen. Besonders alarmierend ist der demographische Wandel für die Kreise Lü- chow-Dannenberg und Uelzen, die jeweils etwa ein Fünftel ihrer Einwohner (10.000 bzw. 16.000 Einwohner) bis 2031 verlieren und damit weit unter erforder- liche Größenkategorien fallen werden. Der bevölkerungsreiche Landkreis Harburg kann hingegen einen Zuwachs um 2,4 Prozent erwarten und rangiert damit unter den besonders zukunftsfähigen Kreisen des Landes. Ausgehend von einem Bevöl- kerungsstand von 178.000 Einwohnern wird der Kreis Lüneburg bis 2030 voraus- sichtlich dieses Niveau halten, während dem Kreis Celle ein Rückgang um 13 Pro- zent auf 155.000 Einwohner vorausgesagt wird. Dies korrespondiert mit einem Be- völkerungszuwachs der Hansestadt Lüneburg um 4,7 Prozent und einem Bevölke- rungsverlust der Stadt Celle um fast 10 Prozent.37 Dieses demographische Entwick- lungsszenario weist auf eine beträchtliche Eintrübung der Entwicklungsfähigkeit von dreien der fünf Landkreise, mithin einen erheblichen Stabilisierungsbedarf für diese Teile des Gesamtraums hin. Durch teilregionale Zusammenschlüsse könnte ein Ausgleich der divergierenden Bevölkerungsentwicklung und der sich damit verbindenden Konsequenzen für die kommunale Daseinsvorsorge erzielt werden.

Diese gesamthafte Betrachtung wird durch den Blick auf ausgewählte Bevölke- Demographische Entwicklung der rungsgruppen ergänzt. Zunächst steht dabei die Gruppe der unter 18-Jährigen im Minderjährigen Mittelpunkt. Ein hoher Bevölkerungsanteil junger Menschen ist für die Entwick- lungsdynamik von Räumen bekanntlich von wesentlicher Bedeutung. Angesichts des Rückgangs des Anteils der Minderjährigen in fast allen Landkreisen und kreis- freien Städten Niedersachsens gewinnt aber auch das bereits angeführte Argument zur Vermeidung von Remanenzkosten an Bedeutung, da gerade Bildungseinrich- tungen nicht stufenlos rückgebaut werden können, mithin in erheblichem Ausmaß von diesen relativen Kostensteigerungen betroffen sind. Hohen Handlungsbedarf sieht der Gutachter für Kommunen dann, wenn diese einen höheren Rückgang des Bevölkerungsanteils der Minderjährigen aufweisen als der Landesdurchschnitt. Ist die Anteilsreduktion geringer als im Landesmittelwert, ist von einem mittleren Handlungsbedarf auszugehen. Kein Handlungsbedarf wird dagegen diagnostiziert, wenn der Anteil der unter 18-Jährigen zumindest konstant bleibt. In Tab. 4.3-E wird der Rückgang der Minderjährigen sowohl absolut (rechte Spalte) als auch in Relation zur Gesamtbevölkerung (mittlere Spalte) ausgewiesen; der letzte Wert wird dabei als bewertungsrelevanter Indikator eingesetzt, weil er die Rolle junger Menschen für die Zukunftsfähigkeit von Räumen präziser berücksichtigt und dar- stellt, wie sich die skizzierten Remanenzkosten verteilen.

37 Landesbetrieb für Statistik und Kommunikationstechnologie Niedersachsen, Online-Datenbank: Tabelle Z1010011. 135 Kommunalstrukturen in Nordostniedersachsen

Tabelle 4.3-E: Entwicklung der Gruppe der unter 18-Jährigen in niedersächsi- schen Landkreisen und kreisfreien Städten von 2009 bis 2030

Entwicklung des Anteils der Entwicklung der Zahl der Kommune: U18 an der Bevölkerung von U18 von 2009 bis 2030 Städte und Kreise 2009 bis 2030 in Prozent in Prozent Braunschweig (S) +4,5% +6% Wolfsburg (S) +1,9% -6% Osnabrück (S) -5,8% -12% Oldenburg (S) -6,6% -1% Wilhelmshaven (S) -6,6% -24% Region Hannover -8,3% -12% Emden (S) -9,6% -15% Salzgitter (S) -12,1% -33% Delmenhorst (S) -14,5% -27% Harburg -17,0% -15% Göttingen -17,2% -28% Stade -17,6% -20% Mittelwert (L) -17,7% -25% Verden -17,7% -25% Vechta -18,1% -13% Celle -19,5% -30% Hameln-Pyrmont -19,5% -34% Cuxhaven -19,9% -32% Heidekreis -20,0% -31% Hildesheim -20,1% -34% Grafschaft Bentheim -20,5% -21% Holzminden -20,5% -42% Oldenburg -21,2% -23% Diepholz -21,3% -29% Lüneburg -22,0% -22% Cloppenburg -22,1% -20% Nienburg (Weser) -22,3% -34% Goslar -22,4% -43% Peine -22,7% -33% Osterode am Harz -22,8% -43% Gifhorn -23,0% -32% Osnabrück -23,2% -30% Leer -23,3% -27%

136 Kommunalstrukturen in Nordostniedersachsen

Entwicklung des Anteils der Entwicklung der Zahl der Kommune: U18 an der Bevölkerung von U18 von 2009 bis 2030 Städte und Kreise 2009 bis 2030 in Prozent in Prozent Wesermarsch -23,7% -37% Helmstedt -23,7% -42% Friesland -23,8% -35% Emsland -23,9% -24% Rotenburg (Wümme) -23,9% -30% Northeim -24,1% -43% Schaumburg -24,3% -37% Aurich -24,8% -31% Osterholz -24,9% -33% Wittmund -25,2% -33% Ammerland -26,1% -26% Uelzen -26,1% -39% Wolfenbüttel -27,7% -43% Lüchow-Dannenberg -32,8% -47%

Legende: (L) = Land; x % = besonderer Handlungsbedarf im Hinblick auf eine Veränderung des ge- bietsstrukturellen Zuschnitts; x % = bedingter/mittlerer Handlungsbedarf; x % = geringer Handlungs- bedarf. Quelle: NBank, a.a.O., 2011; eigene Berechnungen.

Zu den insgesamt 29 Landkreisen Niedersachsens, in denen der Anteil der Jugend- Teils erheblicher Rückgang des Be- lichen um ein Fünftel und mehr zwischen 2009 und 2030 zurückgehen wird, zählen völkerungsanteils vier der fünf Kreise des Untersuchungsraums. Celle, Lüneburg, Uelzen und Lü- Minderjähriger chow-Dannenberg haben mit erheblichen anteiligen Abnahmen von 19,5 bis 33 Prozent zu rechnen. Der Rückgang im Landkreis Harburg fällt mit 17 Prozent ebenfalls hoch aus, verbleibt aber unterhalb des Landesdurchschnitts. Mit Blick auf die Entwicklung der absoluten Zahl der Minderjährigen ist sogar von „dramati- schen“ Rückgängen um 39 bzw. 47 Prozent in Uelzen und Lüchow-Dannenberg auszugehen; selbst die Hansestadt Lüneburg und die Stadt Celle verlieren 18 bzw. 20 Prozent ihrer Kinder und Jugendlichen. Folglich stellt sich das Problem der Re- manenzkosten bei sinkender Auslastung kommunaler Dienstleistungen vor allem in Celle, Lüneburg, Uelzen und Lüchow-Dannenberg, wo der Handlungsbedarf zu- nehmend unabweisbar wird. Der prognostizierte Rückgang wird erhebliche Verän- derungen in der Ausstattung mit Kinderbetreuungs- und Schulangeboten zur Folge haben, die über eine kreisübergreifende Konzentration und Aufgabenteilung in Tei- len aufgefangen werden könnten.

Als letzter Indikator zur Beurteilung der demographischen Entwicklungsfähigkeit Demographische Entwicklung der wird der Bevölkerungsanteil der über 75-Jährigen herangezogen. Ein hoher An- Gruppe der stieg verbindet sich hier mit erheblichen investiven Kosten für öffentliche Versor- Hochbetagten

137 Kommunalstrukturen in Nordostniedersachsen

gungs-, Gesundheits- und seniorengerechte Infrastruktureinrichtungen. Aus diesem Grund wird Kommunen mit zumindest konstantem Bevölkerungsanteil dieser Gruppe eine hohe Eignung (mithin geringer Handlungsbedarf) ihrer Gebietskulisse zugesprochen, während Gebietskörperschaften mit landesunterdurchschnittlichen Zunahmen mittlerer Handlungsbedarf attestiert wird und Kreisen wie Städten mit landesüberdurchschnittlichen Zugängen über 75-Jähriger hoher Handlungsbedarf zuzusprechen ist. Tab. 4.3-F weist analog zur Betrachtung bei den Minderjährigen die Zunahme Hochbetagter sowohl absolut als auch als Anteil an der Bevölkerung aus, wobei der letztgenannte Wert wiederum als aussagekräftiger eingestuft wird, berücksichtigt er doch die generelle Bevölkerungsdynamik (Ausmaß der Überalte- rung) und die Fähigkeit, investive Kosten auf die übrige Bevölkerung zu verteilen.

Tabelle 4.3-F: Entwicklung der Gruppe der über 75-Jährigen in niedersächsischen Landkreisen und kreisfreien Städten von 2009 bis 2030

Zunahme des Anteils der Zunahme der Zahl der Kommune: Ü75 an der Bevölkerung von Ü75 von 2009 bis 2030 in Städte und Kreise 2009 bis 2030 in Prozent Prozent Braunschweig (S) 17,3 19 Osnabrück (S) 27,4 19 Wolfsburg (S) 27,9 18 Region Hannover 40,7 35 Oldenburg (S) 41,5 50 Cloppenburg 42,1 46 Emden (S) 43,5 35 Vechta 44,1 53 Grafschaft Bentheim 46,9 46 Hameln-Pyrmont 48,9 22 Goslar 49,7 10 Holzminden 50,7 10 Salzgitter (S) 50,9 15 Uelzen 54,0 27 Nienburg (Weser) 55,4 32 Osterode am Harz 55,9 15 Mittelwert (L) 56,9 43 Northeim 57,1 18 Helmstedt 57,8 20 Hildesheim 58,5 31 Lüneburg 59,0 59

138 Kommunalstrukturen in Nordostniedersachsen

Zunahme des Anteils der Zunahme der Zahl der Kommune: Ü75 an der Bevölkerung von Ü75 von 2009 bis 2030 in Städte und Kreise 2009 bis 2030 in Prozent Prozent Wilhelmshaven (S) 59,7 30 Osnabrück 61,2 47 Heidekreis 61,2 39 Schaumburg 62,3 35 Lüchow-Dannenberg 63,6 29 Peine 63,7 42 Emsland 64,2 64 Leer 64,9 57 Göttingen 65,6 44 Celle 65,7 44 Wesermarsch 66,0 37 Diepholz 73,0 56 Cuxhaven 73,1 47 Delmenhorst (S) 73,3 48 Rotenburg (Wümme) 73,9 60 Wolfenbüttel 76,2 39 Stade 77,3 72 Aurich 77,5 63 Harburg 78,8 83 Gifhorn 79,9 59 Wittmund 80,8 62 Oldenburg 89,3 85 Friesland 92,3 64 Ammerland 94,7 95 Verden 96,5 79 Osterholz 99,5 78

Legende: (S) = Stadt; x % = besonderer Handlungsbedarf im Hinblick auf eine Veränderung des ge- bietsstrukturellen Zuschnitts; x % = bedingter/mittlerer Handlungsbedarf; x % = geringer Handlungs- bedarf. Quelle: NBank, a.a.O., 2011; eigene Berechnungen.

Mit Blick auf die Zunahme des Bevölkerungsanteils Hochbetagter ergibt sich ein Starke regionale Differenzen zur Entwicklung der Gruppe der Minderjährigen in Teilen umgekehrtes Bild. Alle Landkreise sind von einer starken Überalterung ihrer Einwohnerschaft betroffen, wobei sich Harburg den mit Abstand größten Anpassungsbedarfen ausgesetzt sieht. Steigt die Zahl der Hochbetagten in Uelzen und Lüchow-Dannenberg um weniger als 30 Prozent, werden in Lüneburg und Celle 2030 voraussichtlich bereits 44 bzw. 59 Prozent mehr ältere Menschen leben und wird sich in Harburg die Zahl 139 Kommunalstrukturen in Nordostniedersachsen

hochbetagter Menschen nahe verdoppeln (83 Prozent). Setzt man diese Zahlen in Relation zur Entwicklung der Gesamtbevölkerung, fallen die kreisspezifischen Un- terschiede geringer aus: Uelzen und Lüneburg können hier mit einem anteiligen Zuwachs um 54 bzw. 59 Prozent auf die „besten“ Werte im Untersuchungsraum verweisen, während Lüchow-Dannenberg und Celle bereits Anstiege um 64 und 66 Prozent verzeichnen werden, Harburg schließlich mit einer Erhöhung um 79 Pro- zent einer sehr beschleunigten Überalterung ausgesetzt sein wird. Im gesamten Raum dokumentiert sich somit beträchtlicher Stabilisierungsbedarf angesichts er- wartbar steigender Infrastrukturkosten.

Finanzielle Ressourcen

Schließlich hängt die Entwicklungsfähigkeit der Kommunen bekanntlich in ganz wesentlichem Ausmaß von den ihnen zur Verfügung stehenden finanziellen Res- sourcen ab, insbesondere jenen, mit denen sie investiv wirken. Weist der Verwal- tungshaushalt regelmäßig ein Defizit auf, sind der kommunalen Gebietskörper- schaft jene Investitionen verwehrt, mit denen sie ihre Standortfaktoren und damit ihre Position im interkommunalen wie interregionalen Wettbewerb zu verbessern vermag. Die finanziellen Ressourcen werden hier über zwei komplexe Indikatoren erfasst, die vom NIW für seinen auf den Raum Wolfsburg–Gifhorn–Helmstedt be- zogenen Report erhoben wurden: • die Deckungsquote im Jahresdurchschnitt 2006-2008 (Verhältnis der allgemei- Indikatoren der nen Deckungsmittel netto zu den Zuschussbedarfen der Einzelpläne 0-8 des finanziellen Ent- wicklungs- Verwaltungshaushalts) – mit diesem Indikator erfasst der Gutachter die finan- fähigkeit ziellen Handlungsspielräume der Kommunen, und • die Zinsquote im Jahresdurchschnitt 2006-2008 (Anteil der Zinszahlungen an den allgemeinen Deckungsmitteln brutto) – mit diesem Indikator schätzt der Gutachter den Verschuldungsstand und die Notwendigkeit einer Haushaltskon- solidierung ein.

Die Kennziffern beziehen sich auf die Summe der Gemeinde- und Kreishaushalte, da nur so ein Vergleich der kreisfreien Städte und der Landkreise möglich ist. Auf der Kreisebene setzen sich die allgemeinen Deckungsmittel (netto) der Gebietskör- perschaften aus allgemeinen Zuweisungen und der Kreisumlage zusammen, von der wiederum Zinszahlungen abzuziehen sind, da sie den Kreisen und kreisfreien Städten nicht zur Deckung der Zuschussbedarfe für die Einzelpläne 0-8 des Ver- waltungshaushalts zur Verfügung stehen.38 Mit Blick auf die Gemeindeebene erge- ben sich die allgemeinen Deckungsmittel (netto) aus der Addition von Steuerein- nahmen39 und allgemeinen Zuweisungen, von denen die Kreisumlage und Zinszah-

38 Vgl. Niedersächsisches Institut für Wirtschaftsforschung: Regionalreport, Hannover, 2009, 36. 39 Bis auf die sehr ertragsschwache Jagdsteuer fallen alle kommunalen Steuern den Gemeinden zu. 140 Kommunalstrukturen in Nordostniedersachsen

lungen abzuziehen sind, da sie den Gemeinden nicht zur Deckung der Zuschussbe- darfe zur Verfügung stehen.

Mit Blick auf die Deckungsquote ist zunächst festzustellen, dass Kommunen Über- Verhältnis der Deckungsquote schüsse der allgemeinen Deckungsmittel erarbeiten müssen, um durch Zuführun- zum kommunalen gen vom Verwaltungs- zum Vermögenshaushalt Investitionen tätigen zu können. Je Handlungsbedarf stärker die Deckungsquote 100% überschreitet, umso besser können Kommunen zukünftige Investitionen finanzieren. Deckungsquoten unterhalb von 100% weisen Einnahmedefizite aus, die im Regelfall nur durch Kassenkredite ausgeglichen wer- den können. Aus diesen Überlegungen leitet der Gutachter seine Einteilung für Tab. 4.3-G ab: Erreichten Kommunen eine Deckungsquote unterhalb von 100%, spricht dies für einen hohen Handlungsbedarf. Liegt die Deckungsquote zwischen 100% und dem gruppenspezifischen Mittelwert, verbleibt ein erkennbares Optimie- rungspotential und wird von einem mittleren Handlungsbedarf gesprochen. Kreise und kreisfreie Städte mit überdurchschnittlichen Werten weisen demgegenüber keinen Handlungsbedarf aus finanzieller Sicht auf.

Tabelle 4.3-G: Allgemeine Deckungsquote (netto) auf der Kreis- und Gemeinde- ebene 2006-2008

Abweichung zum Durchschnitt in Kommune: Deckungsquote in Prozentpunkten Städte und Kreise Prozent Gruppe (S/K) Land (L) Mittelwert (S) 106,2 -3,8 Mittelwert (K) 111,3 +1,3 Mittelwert (L) 110,0 Kreisfreie Städte Braunschweig 120,6 +14,4 +10,6 Salzgitter 119,2 +13,0 +9,2 Emden 108,8 +2,6 -1,2 Mittelwert (S) 106,2 -3,8 Wolfsburg 104,3 -1,8 -5,7 Oldenburg 103,8 -2,4 -6,2 Delmenhorst 99,0 -7,2 -11,0 Wilhelmshaven 98,6 -7,6 -11,4 Osnabrück 95,1 -11,1 -14,9 Landkreise Vechta 138,3 +27,0 +28,3 Cloppenburg 138,2 +26,9 +28,2 Emsland 135,1 +23,8 +25,1

141 Kommunalstrukturen in Nordostniedersachsen

Abweichung zum Durchschnitt in Kommune: Deckungsquote in Prozentpunkten Städte und Kreise Prozent Gruppe (S/K) Land (L) Verden 132,2 +20,9 +22,2 Rotenburg (Wümme) 131,2 +19,9 +21,2 Diepholz 128,4 +17,1 +18,4 Oldenburg 128,4 +17,1 +18,4 Grafschaft Bentheim 128,1 +16,8 +18,1 Aurich 124,8 +13,5 +14,8 Osnabrück 122,3 +11,0 +12,3 Gifhorn 118,7 +7,4 +8,7 Harburg 118,7 +7,4 +8,7 Wittmund 118,0 +6,7 +8,0 Nienburg (Weser) 115,3 +4,0 +5,3 Ammerland 114,3 +3,0 +4,3 Leer 113,7 +2,3 +3,7 Celle 111,9 +0,5 +1,9 Holzminden 111,5 +0,2 +1,5 Mittelwert (K) 111,3 +1,3 Stade 111,2 -0,1 +1,2 Osterholz 110,8 -0,5 +0,8 Heidekreis 108,9 -2,5 -1,1 Peine 108,0 -3,3 -2,0 Wesermarsch 107,9 -3,5 -2,1 Hildesheim 106,1 -5,2 -3,9 Region Hannover 105,8 -5,5 -4,2 Friesland 104,6 -6,8 -5,4 Göttingen 104,5 -6,8 -5,5 Schaumburg 102,3 -9,0 -7,7 Lüneburg 101,6 -9,7 -8,4 Wolfenbüttel 101,5 -9,8 -8,5 Hameln-Pyrmont 98,4 -12,9 -11,6 Uelzen 96,2 -15,1 -13,8 Northeim 95,0 -16,3 -15,0 Goslar 94,3 -17,0 -15,7 Helmstedt 90,2 -21,1 -19,8 Osterode am Harz 88,2 -23,1 -21,8 Cuxhaven 84,6 -26,8 -25,4

142 Kommunalstrukturen in Nordostniedersachsen

Abweichung zum Durchschnitt in Kommune: Deckungsquote in Prozentpunkten Städte und Kreise Prozent Gruppe (S/K) Land (L) Lüchow-Dannenberg 80,9 -30,4 -29,1

Legende: (L) = Land; (K) = Kreise; (S) = Stadt; x % = besonderer Handlungsbedarf im Hinblick auf eine Veränderung des gebietsstrukturellen Zuschnitts; x % = bedingter/mittlerer Handlungsbedarf; x % = geringer oder kein Handlungsbedarf. Quelle: Niedersächsisches Institut für Wirtschaftsfor- schung: Sonderberechnung auf Grundlage der Gemeindefinanzrechnung des Landesbetriebs für Sta- tistik und Kommunikationstechnologie, Hannover, 2011b; eigene Berechnungen.

Im Ergebnis wird eine höchst disparitäre Finanzlage der Landkreise des Untersu- Disparitäten in der kreislichen chungsraums deutlich. Während den Kreisen Harburg und Celle weite Handlungs- Haushaltsdeckung spielräume mit Blick auf Investitionsmöglichkeiten in den Jahren 2006 bis 2008 of- fen standen, konnten Uelzen und Lüchow-Dannenberg in diesem Zeitraum den Zu- schussbedarf im Rahmen der Einzelpläne 0-8 nicht mit ihren allgemeinen De- ckungsmitteln (netto) bedienen. Wies der Landkreis Uelzen dabei einen begrenzten Fehlbetrag auf, litt Lüchow-Dannenberg an einem die Handlungsfähigkeit und langfristige Existenzfähigkeit des Kreises infragestellenden Deckungsdefizit von fast 20 Prozent – der höchste Wert aller Kreise des Landes. Der Landkreis Lüne- burg konnte mit einer Deckungsquote von 102 Prozent zwar die bestehenden Be- darfe bedienen, aber nur über den Weg der Verschuldung investiv tätig werden. Der Handlungsbedarf für die Kommunen Nordostniedersachsens ist mithin deut- lich asymmetrisch, im Falle Lüchow-Dannenbergs als ausgesprochen virulent zu kennzeichnen.

In einem Haushalt mit hoher Deckungsquote sollten Zinszahlungen vorwiegend ErheblicheZusammenhang Diffe- renzenzwischen im Zinsquo- ge- den Investitionskrediten gewidmet sein, sie umfassen jedoch auch Zahlungen für meindlichente und kommuna- (kurzfristige) Kassenkredite zur Überbrückung von Einnahmedefiziten bei geringe- Handlungsbedarflem Handlungs- bedarf rer Deckungsquote. Der Anteil aller Zinsausgaben an den allgemeinen Deckungs- mitteln brutto wird als Zinsquote bezeichnet und dient hier als zweiter Indikator zur Beurteilung der haushalterischen Entwicklungsfähigkeit der Kommunen. Die Ein- teilung der Gebietskörperschaften in Tab. 4.3-H wird dabei wie folgt vorgenom- men: Kommunen mit einer unterhalb des gruppenspezifischen Mittelwerts verblei- benden Zinsquote wird ein geringer Handlungsbedarf zugesprochen. Übersteigt die Zinsquote diesen Mittelwert höchstens um eine Standardabweichung, liegt eine spürbare Belastung der Gestaltungsspielräume durch Zinszahlungen vor und wird daher ein mittlerer Handlungsbedarf angenommen. Oberhalb dieser Grenze sind erhebliche Ressourcen durch die unabweisbare Bedienung von Zinszahlungen blo- ckiert und besteht für die Kommune hoher Handlungsbedarf, das Kreditvolumen zurückzufahren.

143 Kommunalstrukturen in Nordostniedersachsen

Tabelle 4.3-H: Allgemeine Zinsquote auf der Kreis- und Gemeindeebene 2006-2008

Abweichung zum Durchschnitt in Kommune: Zinsquote in Prozentpunkten Städte und Kreise Prozent Gruppe (S/K) Land (L) Mittelwert (S) 4,4 -1,9 Mittelwert (K) 6,7 +0,4 Mittelwert (L) 6,3 Kreisfreie Städte Wilhelmshaven 0,7 -3,7 -5,6 Osnabrück 3,1 -1,3 -3,2 Emden 3,6 -0,8 -2,7 Mittelwert (S) 4,4 -1,9 Oldenburg 4,7 +0,3 -1,6 Braunschweig 4,8 +0,4 -1,5 Wolfsburg 5,3 +0,9 -1,0 Salzgitter 6,3 +1,9 0,0 Delmenhorst 6,6 +2,2 0,3 Landkreise Oldenburg 2,4 -4,3 -3,9 Vechta 2,5 -4,2 -3,8 Peine 2,7 -4,0 -3,6 Holzminden 3,3 -3,3 -3,0 Harburg 3,6 -3,1 -2,7 Emsland 3,6 -3,0 -2,7 Schaumburg 4,3 -2,4 -2,0 Ammerland 4,3 -2,4 -2,0 Verden 4,4 -2,3 -1,9 Leer 4,6 -2,1 -1,7 Nienburg (Weser) 4,7 -1,9 -1,6 Diepholz 4,8 -1,9 -1,5 Grafschaft Bentheim 4,8 -1,8 -1,5 Gifhorn 5,1 -1,5 -1,2 Wittmund 5,2 -1,4 -1,1 Rotenburg (Wümme) 5,3 -1,4 -1,0 Stade 5,7 -1,0 -0,6 Osnabrück 5,7 -1,0 -0,6 Friesland 6,2 -0,5 -0,1

144 Kommunalstrukturen in Nordostniedersachsen

Abweichung zum Durchschnitt in Kommune: Zinsquote in Prozentpunkten Städte und Kreise Prozent Gruppe (S/K) Land (L) Cloppenburg 6,4 -0,3 +0,1 Region Hannover 6,7 0,0 +0,4 Mittelwert (K) 6,7 +0,4 Wolfenbüttel 6,8 +0,2 +0,5 Hameln-Pyrmont 6,9 +0,2 +0,6 Aurich 6,9 +0,3 +0,6 Goslar 7,6 +0,9 +1,3 Heidekreis 7,6 +0,9 +1,3 Celle 7,7 +1,0 +1,4 Wesermarsch 8,0 +1,3 +1,7 Göttingen 8,7 +2,0 +2,4 Northeim 9,1 +2,5 +2,8 Osterholz 9,2 +2,5 +2,9 Hildesheim 9,9 +3,2 +3,6 Helmstedt 10,0 +3,4 +3,7 Lüneburg 10,2 +3,6 +3,9 Uelzen 10,5 +3,9 +4,2 Osterode am Harz 12,5 +5,8 +6,2 Cuxhaven 12,6 +5,9 +6,3 Lüchow-Dannenberg 12,9 +6,2 +6,6

Legende: (L) = Land; (K) = Kreise; (S) = Stadt; x % = besonderer Handlungsbedarf im Hinblick auf eine Veränderung des gebietsstrukturellen Zuschnitts; x % = bedingter/mittlerer Handlungsbedarf; x % = geringer oder kein Handlungsbedarf. Quelle: Niedersächsisches Institut für Wirtschaftsfor- schung, a.a.O., 2011b; eigene Berechnungen.

Die Entwicklung und Aufstellung der Zinsquoten unterstreicht die bereits diagnos- Unterschiedlich hoher Konsolidie- tizierte Spannweite („Spreizung“) zwischen den Akteuren mit Blick auf die Not- rungsdruck in wendigkeit einer Konsolidierung der Kreis- und Gemeindehaushalte. Im Untersu- Nordostnieder- sachsen chungsraum befand sich der Landkreis Harburg in einer vergleichsweise positiven, von geringen Zinsausgaben geprägten Finanzsituation. Dem Landkreis Celle muss unter Verweis auf eine Zinsquote von 8% bereits Konsolidierungsbedarf attestiert werden. Die Landkreise Lüneburg und Uelzen mussten sogar über 10% ihrer all- gemeinen Deckungsmittel (brutto) zur Bedienung von Zinsen abstellen, sodass Ausgaben für materielle Politiken und ihre Umsetzung spürbar eingeschränkt wur- den. Die Zinsbelastung im Landkreis Lüchow-Dannenberg belief sich nach konti- nuierlichen Steigerungen in den Vorjahren auf 13% der Deckungsmittel – der er-

145 Kommunalstrukturen in Nordostniedersachsen

neut höchste Wert aller niedersächsischen Kreise. Im Ergebnis sind drei der fünf Landkreise aus haushalterischer Sicht deutlich stabilisierungsbedürftig. Die ge- plante und in Teilen bereits beschlossene Teilhabe am Entschuldungsfonds des Landes seitens der Landkreise Uelzen, Lüchow-Dannenberg und Lüneburg ist als Reaktion auf diesen massierten und aus eigener Kraft kaum zu bewältigenden Handlungsbedarf zu verstehen. Zugleich können hiermit notwendige finanzielle Ausgleichsprozesse in Nordostniedersachsen begrenzt und eine Überforderung fi- nanzstärkerer Kreise bei etwaigen Fusionen ggf. vermieden werden. Die sich mit der Teilentschuldung verbindende Verpflichtung einer mehrjährigen ausgegliche- nen Haushaltsführung könnte eine dauerhaftere Wiedererlangung der kommunalen Gestaltungsfähigkeit bewirken.

Die finanzielle Situation der Gemeinden stellt sich ähnlich heterogen dar40: Finden Heterogene Fi- nanzsituation der sich in den Kreisen Harburg, Celle und Lüchow-Dannenberg noch Gemeinden mit Gemeinden überdurchschnittlich positivem Finanzierungssaldo und auffallend niedriger Schuldendienstlast, sind die Gebietskörperschaften in Lüneburg und Uelzen ent- weder strukturell verschuldet oder gerade noch fähig, ihre Ausgaben mit den Ein- nahmen zu decken. Die größten Städte des Untersuchungsgebiets weisen ein Fi- nanzierungsdefizit auf, das weit über dem Durchschnitt der Gemeinden liegt; Aus- gabenüberschüssen von 23 Mio. Euro der Stadt Celle und 27 Mio. Euro der Hanse- stadt Lüneburg stehen allerdings keine gravierend hohen Schuldenbelastungen ge- genüber. Als am stärksten durch den Schuldendienst belastet erweisen sich die Samtgemeinden Bodenteich, Altes Amt Ebstorf und Rosche im Landkreis Uelzen mit Quoten von 22 bis 28 Prozent, die man sonst nur noch in der Samtgemeinde Eschede in Celle findet. Besonders niedrigen Belastungen ausgesetzt sind dagegen das Celler gemeindefreie Gebiet Lohheide, die Einheitsgemeinden Stelle und Seeve- tal sowie die Samtgemeinde Jesteburg in Harburg und die Samtgemeinde Gartow in Lüchow-Dannenberg. Gartow erwies sich im Jahr 2009 ebenfalls als ungewöhn- lich einnahmestark und erzielte ebenso wie Lachendorf im Kreis Celle und Buch- holz i.d. Nordheide im Kreis Harburg einen Einnahmeüberschuss von mehr als 2,5 Mio. Euro; Buchholz konnte das Haushaltsjahr sogar mit einem Plus von 3,9 Mio. Euro abschließen.

Zusammenfassung

Beurteilt man über die einzelnen Indikatoren hinweg zunächst die Entwicklungsfä- Weitreichende Differenzen in der higkeit aller niedersächsischen Landkreise und kreisfreien Städte, so werden wie Entwicklungsfä- bereits bei der Beurteilung ihrer Raumkapazität und Leistungsfähigkeit erhebliche higkeit

40 Landesbetriebs für Statistik und Kommunikationstechnologie, Online-Datenbank: Finanzstatisti- sche Kennzahlen Tabelle K940015A und Tabelle K9400158 146 Kommunalstrukturen in Nordostniedersachsen

Differenzen zwischen zahlreichen Gebietskörperschaften mit hoher Entwicklungs- fähigkeit und solchen mit gravierenden entwicklungspolitischen Defiziten erkenn- bar (vgl. Tab. 4.3-I). Letztere finden sich wiederum im Süden und Südosten des Landes sowie im Küstenraum territorial konzentriert.

Tabelle 4.3-I: Entwicklungspolitische Eignung der kreislichen Gebietsstrukturen

Standortfaktoren- Bevölkerungs- Finanzielle ausstattung entwicklung Ressourcen Kommune: Städte und Kreise BIP U18 U18 Ü75 quote Gesamt Gesamt tenentw. senquote senquote Arbeitslo- Zinsquote Deckungs- Beschäftig-

Kreisfreie Städte Braun- Mittel Hoch Mittel Hoch Hoch Mittel Hoch Mittel schweig

Salzgitter Mittel Mittel Gering Gering Mittel Mittel Hoch Gering

Wolfsburg Hoch Hoch Hoch Mittel Hoch Mittel Mittel Mittel

Delmen- Gering Mittel Gering Gering Mittel Gering Gering Gering horst

Emden Hoch Mittel Gering Mittel Mittel Mittel Hoch Hoch

Oldenburg Mittel Hoch Hoch Hoch Mittel Mittel Mittel Mittel

Osnabrück Hoch Hoch Hoch Mittel Mittel Mittel Gering Hoch

Wilhelms- Mittel Gering Gering Gering Mittel Gering Gering Hoch haven Landkreise

Gifhorn Gering Hoch Mittel Gering Gering Gering Hoch Hoch

Göttingen Hoch Mittel Hoch Gering Mittel Gering Mittel Mittel

Goslar Hoch Gering Gering Gering Gering Mittel Gering Mittel

Helmstedt Mittel Mittel Gering Gering Gering Gering Gering Gering

Northeim Mittel Mittel Gering Gering Gering Gering Gering Mittel

Osterode Hoch Gering Gering Gering Gering Mittel Gering Gering am Harz

Peine Mittel Hoch Mittel Gering Gering Gering Mittel Hoch

147 Kommunalstrukturen in Nordostniedersachsen

Standortfaktoren- Bevölkerungs- Finanzielle ausstattung entwicklung Ressourcen Kommune: Städte und Kreise BIP U18 U18 Ü75 quote Gesamt Gesamt tenentw. senquote senquote Arbeitslo- Zinsquote Deckungs- Beschäftig-

Wolfen- Gering Hoch Mittel Gering Gering Gering Gering Mittel büttel Region Hoch Mittel Gering Mittel Mittel Mittel Mittel Hoch Hannover

Diepholz Hoch Hoch Hoch Mittel Gering Gering Hoch Hoch

Hameln- Hoch Mittel Mittel Gering Gering Mittel Gering Mittel Pyrmont

Hildesheim Mittel Mittel Gering Gering Gering Gering Mittel Gering

Holzminden Hoch Mittel Gering Gering Gering Mittel Hoch Hoch

Nienburg Mittel Hoch Gering Gering Gering Mittel Hoch Hoch (Weser)

Schaumburg Mittel Mittel Mittel Gering Gering Gering Gering Hoch

Celle Hoch Gering Gering Gering Gering Gering Hoch Mittel

Cuxhaven Gering Hoch Mittel Gering Gering Gering Gering Gering

Harburg Gering Hoch Hoch Hoch Mittel Gering Hoch Hoch

Lüchow- Mittel Gering Gering Gering Gering Gering Gering Gering Dannenberg

Lüneburg Mittel Hoch Hoch Hoch Gering Gering Mittel Gering

Osterholz Gering Hoch Hoch Gering Gering Gering Hoch Mittel

Rotenburg Hoch Hoch Hoch Mittel Gering Gering Hoch Hoch (Wümme)

Heidekreis Hoch Mittel Hoch Gering Gering Gering Mittel Mittel

Stade Hoch Hoch Hoch Mittel Mittel Gering Hoch Hoch

Uelzen Hoch Mittel Hoch Gering Gering Mittel Gering Gering

Verden Hoch Hoch Hoch Mittel Gering Gering Hoch Hoch

Ammerland Mittel Hoch Hoch Hoch Gering Gering Hoch Hoch

148 Kommunalstrukturen in Nordostniedersachsen

Standortfaktoren- Bevölkerungs- Finanzielle ausstattung entwicklung Ressourcen Kommune: Städte und Kreise BIP U18 U18 Ü75 quote Gesamt Gesamt tenentw. senquote senquote Arbeitslo- Zinsquote Deckungs- Beschäftig-

Aurich Mittel Gering Hoch Mittel Gering Gering Hoch Mittel

Cloppen- Hoch Hoch Hoch Hoch Gering Mittel Hoch Hoch burg

Emsland Hoch Hoch Hoch Mittel Gering Gering Hoch Hoch

Friesland Mittel Mittel Mittel Gering Gering Gering Gering Hoch

Grafschaft Hoch Hoch Hoch Mittel Gering Mittel Hoch Hoch Bentheim

Leer Mittel Mittel Hoch Mittel Gering Gering Hoch Hoch

Oldenburg Mittel Hoch Hoch Mittel Gering Gering Hoch Hoch

Osnabrück Mittel Hoch Hoch Mittel Gering Gering Hoch Hoch

Vechta Hoch Hoch Hoch Hoch Gering Mittel Hoch Hoch

Weser- Hoch Mittel Gering Gering Gering Gering Mittel Mittel marsch

Wittmund Mittel Gering Mittel Gering Gering Gering Hoch Hoch

Legende: Gering = geringe Eignung der Gebietskulisse; Mittel = mittlere Eignung der Gebietskulis- se; Hoch = besondere Eignung der Gebietskulisse.

Der Blick auf die Entwicklungsfähigkeit des Untersuchungsraums fällt ausgespro- Nordostnieder- sachsen/Region chen ambivalent aus und spiegelt die landesweite Differenzierung wie in einem Lüneburg Brennglas. Der Landkreis Harburg verfügt dabei, von der Prosperität der Hanse- stadt Hamburg profitierend, über ein beträchtliches wirtschaftliches, demographi- sches und fiskalisches Entwicklungspotential, das sich in nahezu allen Indikatoren niederschlägt. Mit der Entfernung vom Kern der Metropolregion Hamburg ver- schlechtern sich die Entwicklungsperspektiven Nordostniedersachsens jedoch deut- lich. Der Landkreis Lüneburg kann zwar auf positive Beschäftigungs- und Bevöl- kerungsprognosen verweisen, doch erweist sich die eher negative hauhalterische Lage als mögliche Bürde für das künftige kommunale Handeln, der Rückgang jün- gerer Bevölkerungsgruppen und die Zunahme von Hochbetagten treten als weitere Probleme mit entsprechenden finanziellen Folgewirkungen hinzu. Auch die Kreise

149 Kommunalstrukturen in Nordostniedersachsen

Uelzen und Celle verzeichnen eine Reihe deutlicher Entwicklungsdefizite. So kann Uelzen zwar auf eine akzeptable wirtschaftliche Ausgangslage und eine Zunahme der Beschäftigtenzahlen in den kommenden beiden Jahrzehnten verweisen, doch treffen der prognostizierte Bevölkerungsverlust und der demographische Wandel den Kreis stark; durch die Teilhabe am Entschuldungsfonds des Landes sollen die bislang deutlich eingeschränkten finanziellen Ressourcen erweitert und damit ein zentraler „Entwicklungsengpass“ behoben werden. Der Kreis Celle hingegen weist zwar ebenfalls eine geringe demographische Entwicklungsfähigkeit auf und wird darüber hinaus seine derzeit noch stabile wirtschaftliche Leistungsfähigkeit in Tei- len einbüßen. Ihm eröffnen sich andererseits mit der positiven Haushaltslage und entsprechender Investitionstätigkeit verbundene Entwicklungsmöglichkeiten. Lü- chow-Dannenberg muss auf Basis der vorgelegten Indikatorenanalyse als entwick- lungsschwächster Landkreis Niedersachsens bezeichnet werden. Die bereits beste- henden wirtschaftlichen, demographischen und finanziellen Defizite werden sich weiter verschärfen; angesichts dieser umfassenden Abkoppelung von den in Teilen durchaus positiven Entwicklungstrends im Land muss die Überlebensfähigkeit des Kreises in Zweifel gezogen werden.

4.4 Ökonomische und fiskalische Ausgleichsfähigkeit des Raums, Gewähr- leistung gleichwertiger Lebensverhältnisse

Nach dieser Darstellung der Entwicklungsfähigkeit wendet sich der Gutachter im Vorteile sozio- ökonomischer und Folgenden der ökonomischen und fiskalischen Ausgleichsfähigkeit der Gebietskör- fiskalischer Aus- perschaften zu. Ziel ist es, mit Blick auf die Gesamtheit der kommunalen Akteure gleichsfähigkeit zu einer landesweit möglichst gleichmäßigen Verteilung spezifischer Einnahme- möglichkeiten, Versorgungsniveaus und spezifischer Lasten beizutragen. Damit sollen aus einer eher funktionalen Sichtweise das Erfordernis und der Umfang von Ausgleichssystemen verringert und in normativer Hinsicht dem Grundsatz gleich- wertiger Lebensverhältnisse entsprochen werden.41 Finden sich in einzelnen Berei- chen erhebliche Differenzen zwischen den Gebietskörperschaften, weist dies auf einen potentiellen Reorganisations- und/oder Neugliederungsbedarf hin. Bei ein- zelnen Kommunen lassen sich derartige Erfordernisse aufgrund des Vergleichs mit dem Landes- bzw. Kreisdurchschnitt und – sucht man konkrete gebietsstrukturelle Veränderungen zu identifizieren – den Abständen zu unmittelbaren Nachbarn do- kumentieren. Ersteres ergibt sich aus der Überlegung, dass bei einer Reorganisation oder Neugliederung lediglich die im Land oder in einem Landkreis gegebenen Po-

41 Der Grundsatz gleichwertiger Lebensverhältnisse wird von den Landesverfassungsgerichten in ihrer Rechtsprechung zu kommunalen Gebietsreformen aus dem Gleichheitsgrundsatz oder dem Sozialstaatsprinzip abgeleitet. Demnach ist die bestmögliche Daseinsvorsorge für alle Einwohner des Landes auf einem gleichwertigen Niveau sicherzustellen. 150 Kommunalstrukturen in Nordostniedersachsen

tentiale umzuschichten sind. Letzteres verweist auf die durch entsprechende Maß- nahmen tatsächlich gegebene Möglichkeit, Lasten, Versorgungsniveaus und Ein- nahmemöglichkeiten in einer Region auszugleichen, wenn größere Niveauunter- schiede zwischen Kommunen und einzelnen oder allen ihrer Nachbarn erkennbar werden. Ein daraus folgender Handlungsbedarf gilt dann für Kommunen mit unter- durchschnittlichen sozioökonomischen und fiskalischen Niveaus, erstreckt sich mit- telbar aber auch auf angrenzende besser ausgestattete Kommunaleinheiten.

Im Rahmen der nachfolgenden Analyse werden drei Indikatoren eingesetzt:

• Zentralörtliches Versorgungsniveau als Quote der Einwohner einer Kommune, Indikatoren zur die in einem Zentralen Ort wohnen, wozu hier die Ober- und Mittelzentren des Ausgleichsfähig- Landes gerechnet werden, an deren gesamter Einwohnerschaft – mit diesem keit Indikator misst der Gutachter die raumordnerische Ausgewogenheit der Ge- bietsstrukturen sowie den Grad der Erreichbarkeit und der Versorgung mit Leistungen und Einrichtungen; • SGB II-Quote als Anteil der hilfebedürftigen Personen nach dem SGB II (er- werbsfähige und nicht erwerbsfähige Hilfebedürftige) an der Bevölkerung bis unter 65 Jahren – dieser Indikator gibt Aufschluss über die Bedürftigkeit der Bevölkerung und sozialintegrative Strukturprobleme, die seitens der Kommu- nen Ausgaben für Kosten der Unterkunft und Heizung (§ 22 SGB II), Kinder- betreuung (§ 16a Nr. 1 SGB II) und flankierende Maßnahmen (Schuldnerbera- tung, Suchtberatung und psychosoziale Betreuung - § 16a Nr. 2-4 SGB II) so- wie i. w. S. für Jugendhilfe und die soziale Infrastruktur insgesamt erforderlich machen; • kommunale Steuereinnahmen pro Einwohner – diese Größe verweist zum ei- nen auf die Wirtschaftskraft einer Region und zum anderen auf die Finanzsi- tuation einer Kommune, wobei dies im Fall der Kreise nur einen indirekten In- dikator darstellt, da die betreffenden Steuern (anders als im Fall der kreisfreien Städte) von den kreisangehörigen Gemeinden vereinnahmt werden.

Referenzpunkt der Analyse ist stets die Abweichung vom gruppenspezifischen Mit- Umverteilungspo- tentiale telwert (Kreise bzw. Städte), da sich bei diesen Indikatoren systematische Unter- schiede zwischen kreisfreien Städten und Landkreisen finden. Kommunen mit gruppenüberdurchschnittlichen Niveaus weisen, wie erläutert, keinen Handlungs- bedarf mit Blick auf den gebietsstrukturellen Zuschnitt auf. Weichen Kommunen um höchstens eine Standardabweichung vom gruppenspezifischen Mittelwert ab, geht der Gutachter von einem mittleren Handlungsbedarf, bei größeren Differen- zen von einem hohen Handlungsbedarf aus.

Zentralörtliches Versorgungsniveau

Bezüglich des zentralörtlichen Versorgungsniveaus geht es um Planungs- und In- Zentralörtliche Versorgungsquote frastrukturbereiche, die den dort lebenden Menschen ein Minimum an Zugängen bieten, die verantwortliche Kommune mit einem Grundstock an zentrenabhängigen Potentialen und Einnahmen ausstatten und die Kosten von Einrichtungen auf eine

151 Kommunalstrukturen in Nordostniedersachsen

größere Personenzahl verteilen sollten. Die derart verstandene zentralörtliche Ver- sorgung wird mit einem Indikator, der Quote der Einwohner einer Kommune, die in einem Ober- und Mittelzentren des Landes wohnen, an deren gesamter Einwoh- nerschaft abgebildet. Erfasst wird somit, wie viele Bürger über einen vergleichs- weise einfachen Zugang zu zentralörtlichen Versorgungsleistungen verfügen, ohne damit die Qualität der Versorgung zu bewerten.42

Da aus diesem Indikator keine Rückschlüsse auf die Zugänglichkeit für die nicht in Fahrzeit zu Zentralen Orten Mittel- oder Oberzentren lebenden Kreisbewohner gezogen werden können, wer- den zudem die Fahrtzeiten zu den nächstgelegenen Mittel- und Oberzentren be- rücksichtigt, wie sie vom Niedersächsischen Ministerium für den ländlichen Raum, Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz errechnet wurden.43

In Tab. 4.4-A werden nachfolgend die zentralen Versorgungsniveaus nur für die Landkreise ausgewiesen, da alle kreisfreien Städte Niedersachsens zugleich Mittel- oder Oberzentren sind und damit eine Versorgungsquote von 100% erzielen. Sechs von ihnen fungieren als Oberzentren, Emden als Mittelzentrum, ebenso wie die Stadt Delmenhorst, die zudem oberzentrale Teilfunktionen wahrnimmt.

Tabelle 4.4-A: Zentralörtliches Versorgungsniveau in den Landkreisen Prozent Landkreis Landkreis Zentrale Orte Abweichung zum zum Abweichung zentrum lebenden zentrum Ober- oder Mittel- Ober- oder Anteil der in einem der in einem Anteil Kreisdurchschnitt in Kreisdurchschnitt Einwohner in Prozent Einwohner in

Hannover (O), Burgdorf (M), Langenhagen (M+), Wunstorf (M), Barsinghausen (M), Region Han- 81,3 +41,0 Burgwedel (M), Garbsen (M), Laatzen (M), nover Springe (M), Neustadt am Rübenberge (M), Lehrte (M) Goslar (M+), Bad Harzburg (M+), Claus- Goslar 68,2 +28,0 thal-Zellerfeld (M+), Seesen (M+) Göttingen (O), Duderstadt (M), Hann. Göttingen 64,7 +24,5 Münden (M) Westerstede (M), Bad Zwischenahn (M), Ammerland 59,6 +19,4 Rastede (M)

42 Qualitätsunterschiede werden aber zumindest über die Differenzierung zwischen Ober- und Mit- telzentren sowie Mittelzentren mit oberzentralen Teilfunktionen in Abb. 4.4-A angedeutet. 43 Niedersächsisches Ministerium für den ländlichen Raum, Ernährung, Landwirtschaft und Ver- braucherschutz: Erreichbarkeit der Mittel- und Oberzentren in Niedersachsen, Oktober 2006. 152 Kommunalstrukturen in Nordostniedersachsen

Prozent Landkreis Landkreis Zentrale Orte Abweichung zum zum Abweichung zentrum lebenden zentrum Ober- oder Mittel- Ober- oder Anteil der in einem der in einem Anteil Kreisdurchschnitt in Kreisdurchschnitt Einwohner in Prozent Einwohner in

Northeim (M), Uslar (M), Northeim 58,1 +17,9 Bad Gandersheim (M), Einbeck (M) Hameln- 50,9 +10,7 Hameln (M+), Bad Pyrmont (M) Pyrmont Hildesheim (O), Alfeld (Leine) (M), Hildesheim 49,9 +9,7 Sarstedt (M) Stadthagen (M), Bückeburg (M), Rinteln Schaumburg 49,9 +9,7 (M), Bad Nenndorf (M)

Wesermarsch 46,8 +6,6 Nordenham (M); Brake (Unterweser) (M)

Buchholz in der Nordheide (M), Winsen Harburg 46,6 +6,4 (Luhe) (M), Seevetal (M)

Heidekreis 44,4 +4,2 Soltau (M), Walsrode (M), Munster (M)

Wolfenbüttel 43,7 +3,5 Wolfenbüttel (M)

Stade 43,6 +3,4 Stade (M), Buxtehude (M)

Verden 42,7 +2,5 Verden (Aller) (M), Achim (M)

Vechta 42,5 +2,2 Vechta (M), Lohne (Oldenburg) (M)

Lüneburg 41,1 +0,9 Lüneburg (O)

Diepholz (M), Sulingen (M), Syke (M), Diepholz 40,7 +0,4 Stuhr (M) Mittelwert 40,2 (Landkreise)

Celle 39,3 -0,9 Celle (O)

Grafschaft 39,3 -0,9 Nordhorn (M+) Bentheim Meppen (M), Papenburg (M), Emsland 38,7 -1,5 Lingen (Ems) (M+)

Friesland 38,7 -1,5 Varel (M), Jever (M)

Peine 37,1 -3,1 Peine (M)

153 Kommunalstrukturen in Nordostniedersachsen

Prozent Landkreis Landkreis Zentrale Orte Abweichung zum zum Abweichung zentrum lebenden zentrum Ober- oder Mittel- Ober- oder Anteil der in einem der in einem Anteil Kreisdurchschnitt in Kreisdurchschnitt Einwohner in Prozent Einwohner in

Uelzen 36,4 -3,8 Uelzen (M)

Wittmund 36,3 -4,0 Wittmund (M)

Aurich 34,8 -5,5 Aurich (Ostfriesland) (M), Norden (M)

Quakenbrück (M), Bramsche (M), Melle Osnabrück 34,3 -5,9 (M), Georgsmarienhütte (M)

Cloppenburg 33,6 -6,6 Cloppenburg (M), Friesoythe (M)

Rotenburg Rotenburg (Wümme) (M), Bremervörde 33,0 -7,2 (Wümme) (M), Zeven (M)

Gifhorn 30,8 -9,4 Gifhorn (M), Wittingen (M)

Osterode am 30,3 -10,0 Osterode am Harz (M) Harz

Cuxhaven 29,6 -10,6 Cuxhaven (M), Hemmoor (M)

Holzminden 27,4 -12,8 Holzminden (M)

Osterholz 27,0 -13,2 Osterholz-Scharmbeck (M)

Nienburg 26,1 -14,2 Nienburg (Weser) (M) (Weser)

Helmstedt 25,8 -14,4 Helmstedt (M)

Leer 20,8 -19,4 Leer (Ostfriesland) (M)

Lüchow- 19,2 -21,0 Lüchow (Wendland) (M) Dannenberg

Oldenburg 15,1 -25,2 Wildeshausen (M)

Legende: O = Oberzentrum, M+ = Mittelzentrum mit oberzentralen Teilfunktionen bzw. Mittelzent- rum in einem mittelzentralen Verbund mit oberzentralen Teilfunktionen, M = Mittelzentrum; x % = besonderer Handlungsbedarf im Hinblick auf eine Veränderung des gebietsstrukturellen Zu- schnitts; x % = bedingter/mittlerer Handlungsbedarf; x % = kein Handlungsbedarf. Quellen: Nieder- sächsisches Ministerium für Ernährung, Landwirtschaft, Verbraucherschutz und Landesplanung (Hg.): Landes-Raumordnungsprogramm Niedersachsen in der Fassung der Bekanntmachung vom 08.05.2008 (Nds. GVBl. Nr. 10 vom 22.05.2008), 14f., Landesbetrieb für Statistik und Kommunikati- onstechnologie Niedersachsen: Online-Datenbank (Bevölkerungsfortschreibung), Stand: 31.09.2010, eigene Berechnungen.

154 Kommunalstrukturen in Nordostniedersachsen

Eine anzustrebende gleichmäßige Ausstattung der Landkreise mit Zentralen Orten Disparitäten der zentralörtlichen wird in Niedersachsen nur eingeschränkt erreicht. Im Untersuchungsraum selbst Versorgungsquote zeigt sich, dass mehr als doppelt so viele Bewohner der Landkreise Harburg, Lüne- burg und Celle in Ober- und Mittelzentren wohnen wie im Kreis Lüchow- Dannenberg (39-46% ggü. 19%). Gesamthaft liegt die Versorgungsquote im Un- tersuchungsgebiet vergleichsweise niedrig, ist in vier der fünf Kreise nur jeweils ein Ober- oder Mittelzentrum zu finden. Nur den Kreisen Harburg und Lüneburg muss somit kein Stabilisierungsbedarf zugewiesen werden; in Celle und Uelzen ist er bereits ersichtlich und in Lüchow-Dannenberg äußerst drängend.

SGB II-Quote

Die Betrachtung der in Tab. 4.4-B dargestellten SGB II-Quote dient als Indikator SGB II-Quote für die landesweit bestehende (Ungleich-)Verteilung und regionale Schwerpunkt- bildung von strukturbedingten Soziallasten, die maßgeblich von der Kreisstufe zu tragen sind.44 Die Kommunen sind im Bereich der sozialen Daseinsvorsorge wei- terhin mit einer umfassenden Problemstellung konfrontiert, die ein vernetztes Agie- ren über Zielgruppen und spezielle Leistungsanforderungen hinaus erfordert. Im Sinne einer langfristig wirksamen und deshalb auch präventiv tätigen Arbeit lässt dies keine schnelle Entlastung, sondern eher ein stabiles und ggf. sogar steigendes Ausgabenniveau erwarten.

Tabelle 4.4-B: SGB II-Quote im Mai 2011

Abweichung zum Durchschnitt in Kommune: SGB II-Quote in Prozentpunkten Städte und Kreise Prozent* Gruppe (S/K) Land (L) Mittelwert (S) 14,1 +4,2 Mittelwert (K) 9,1 -0,9 Mittelwert (L) 9,9 Kreisfreie Städte Wolfsburg 8,9 -5,2 -1,0 Braunschweig 12,3 -1,8 +2,4 Osnabrück 13,0 -1,1 +3,1 Oldenburg 13,4 -0,7 +3,5 Salzgitter 13,9 -0,2 +4,0 Mittelwert (S) 14,1 +4,2

44 Zur Interpretation entsprechender Quoten und der Bedeutung für die übrige kommunale Da- seinsvorsorge im Sozialbereich vgl. Hesse/Götz, a.a.O., 2007; Hesse, a.a.O., 2009/2010. 155 Kommunalstrukturen in Nordostniedersachsen

Abweichung zum Durchschnitt in Kommune: SGB II-Quote in Prozentpunkten Städte und Kreise Prozent* Gruppe (S/K) Land (L) Emden 14,3 +0,2 +4,4 Delmenhorst 18,6 +4,5 +8,7 Wilhelmshaven 18,7 +4,6 +8,8 Landkreise Vechta 5,2 -3,9 -4,7 Emsland 5,3 -3,8 -4,6 Grafschaft Bentheim 6,2 -2,9 -3,7 Osterholz 6,3 -2,8 -3,6 Osnabrück 6,3 -2,8 -3,6 Harburg 6,5 -2,6 -3,4 Oldenburg 6,5 -2,6 -3,4 Rotenburg (Wümme) 6,7 -2,4 -3,2 Cloppenburg 6,7 -2,4 -3,2 Ammerland 6,9 -2,2 -3,0 Diepholz 7,3 -1,8 -2,6 Gifhorn 7,9 -1,2 -2,0 Friesland 8,3 -0,8 -1,6 Leer 8,5 -0,6 -1,4 Verden 8,7 -0,4 -1,2 Mittelwert (K) 9,1 -0,9 Wolfenbüttel 9,2 +0,1 -0,7 Nienburg (Weser) 9,2 +0,1 -0,7 Cuxhaven 9,2 +0,1 -0,7 Heidekreis 9,2 +0,1 -0,7 Stade 9,3 +0,2 -0,6 Uelzen 9,5 +0,4 -0,4 Wittmund 9,5 +0,4 -0,4 Göttingen 9,6 +0,5 -0,3 Northeim 9,9 +0,8 0,0 Lüneburg 9,9 +0,8 0,0 Schaumburg 10,2 +1,1 +0,3 Aurich 10,2 +1,1 +0,3 Helmstedt 10,5 +1,4 +0,6 Peine 10,5 +1,4 +0,6 Hildesheim 10,5 +1,4 +0,6

156 Kommunalstrukturen in Nordostniedersachsen

Abweichung zum Durchschnitt in Kommune: SGB II-Quote in Prozentpunkten Städte und Kreise Prozent* Gruppe (S/K) Land (L) Holzminden 10,9 +1,8 +1,0 Wesermarsch 11,0 +1,9 +1,1 Celle 11,1 +2,0 +1,2 Hameln-Pyrmont 11,4 +2,3 +1,5 Lüchow-Dannenberg 11,9 +2,8 +2,0 Osterode am Harz 12,3 +3,2 +2,4 Goslar 13,0 +3,9 +3,1 Region Hannover 13,0 +3,9 +3,1

Legende: (L) = Land; (K) = Kreise; (S) = Stadt; * Anteil der hilfebedürftigen Personen nach dem SGB II (erwerbsfähige und nicht erwerbsfähige Hilfebedürftige) an der Bevölkerung bis unter 65 Jah- ren; x % = besonderer Handlungsbedarf im Hinblick auf eine Veränderung des gebietsstrukturellen Zuschnitts; x % = bedingter/mittlerer Handlungsbedarf; x % = kein/geringer Handlungsbedarf; die gruppenspezifischen Mittelwerte sind ungewichtet. Quelle: Bundesagentur für Arbeit: SGB II- Kennzahlen für interregionale Vergleiche mit interaktivem Analysetool, Stand:Mai 2011, eigene Be- rechnungen.

Die sozialen Probleme in der (Teil-)Region Nordostniedersachsen sind als in ho- Disparitäre Belastung im hem Maße asymmetrisch zu kennzeichnen. Während Harburg mit einer SGB II- Untersuchungs- Quote von 6,5 Prozent zu den Landkreisen mit dem geringsten Anteil zu unterstüt- raum zender Personen in Niedersachsen zählt, liegen Celle und Lüchow-Dannenberg mit Quoten von 11,1 und 11,9 Prozent unter den sechs am stärksten belasteten Kreisen. Lüneburg und Uelzen weisen im Vergleich der niedersächsischen Landkreise leicht überdurchschnittliche SGB II-Quoten auf. Somit wird bei ihnen ein geringer Aus- gleichsbedarf erkennbar, der sich in Celle und insbesondere in Lüchow- Dannenberg verschärft. Ein Ausgleich der bestehenden Hilfebedarfe im Raum böte sich an, doch könnte lediglich der Kreis Harburg positive „Ausgleichsmasse“ ein- bringen, während eine administrative Neuverteilung der Soziallasten im übrigen Gebiet nur begrenzte Ausgleichseffekte zeitigte (etwa zur Entlastung Lüchow- Dannenbergs).

Kommunale Steuereinnahmen

Nachdem sich die ersten beiden Indikatoren in diesem Abschnitt auf die sozioöko- Gesamtsteuerein- nahmen nomische Ausgleichsfähigkeit der Kreisstruktur richteten, wendet sich der Gutach- ter nun der fiskalischen Ausgleichsfähigkeit zu und beurteilt die Verteilung der Steuereinnahmen zwischen den Kommunen Niedersachsens und im Untersu- chungsraum. Zur Bewertung werden die Gesamtsteuereinnahmen des jeweiligen Kreises und seiner kreisangehörigen Gemeinden pro Einwohner herangezogen (vgl. Tab. 4.4-C), die sich vor allem aus der Grundsteuer A und B, der Gewerbe-

157 Kommunalstrukturen in Nordostniedersachsen

steuer und den Anteilen an der Einkommen- und Umsatzsteuer zusammensetzen. Den Hintergrund dieser Analyse bilden neben monetären Ausgleichserwägungen zwischen den Gebietskörperschaften auch die Berücksichtigung wirtschaftlicher Potentiale, die nachhaltige Einnahmegrundlagen positiv und etwaige soziale Belas- tungen eher negativ beeinflussen, also gleichfalls ein Austarieren der administrati- ven kreislichen Ausgangssituation nahe legen könnten.

Tabelle 4.4-C: Verteilung der kommunalen Steuereinnahmen auf der Kreisstufe im Jahresmittel 2007-2009

Steuereinnahmen je Abweichung zum Durch- Kommune: Einwohner (gesamt, schnitt in Prozent Städte und Kreise netto, in Euro) Gruppe (S/K) Land (L) Mittelwert (S) 960,17 +41,9 Mittelwert (K) 676,52 -6,8 Mittelwert (L) 725,85 Kreisfreie Städte Salzgitter 1.308,90 +36,3 +80,3 Wolfsburg 1.180,99 +23,0 +62,7 Emden 1.104,87 +15,1 +52,2 Braunschweig 987,96 +2,9 +36,1 Mittelwert (S) 960,17 +41,9 Osnabrück 917,39 -4,5 +26,4 Oldenburg 860,86 -10,3 +18,6 Wilhelmshaven 718,37 -25,2 -1,0 Delmenhorst 601,99 -37,3 -17,1 Landkreise Region Hannover 1.064,30 +57,3 46,6 Verden 915,64 +35,3 26,1 Diepholz 845,96 +25,0 16,5 Wesermarsch 837,98 +23,9 15,4 Vechta 817,09 +20,8 12,6 Aurich 764,26 +13,0 5,3 Emsland 731,19 +8,1 0,7 Harburg 729,92 +7,9 0,6 Oldenburg 727,87 +7,6 0,3 Göttingen 719,78 +6,4 -0,8 Celle 710,36 +5,0 -2,1 Hameln-Pyrmont 705,87 +4,3 -2,8

158 Kommunalstrukturen in Nordostniedersachsen

Steuereinnahmen je Abweichung zum Durch- Kommune: Einwohner (gesamt, schnitt in Prozent Städte und Kreise netto, in Euro) Gruppe (S/K) Land (L) Holzminden 704,67 +4,2 -2,9 Stade 703,49 +4,0 -3,1 Hildesheim 677,91 +0,2 -6,6 Mittelwert (K) 676,52 -6,8 Osnabrück 675,62 -0,1 -6,9 Peine 671,94 -0,7 -7,4 Osterode am Harz 650,40 -3,9 -10,4 Grafschaft Bentheim 649,10 -4,1 -10,6 Wolfenbüttel 646,86 -4,4 -10,9 Cloppenburg 645,56 -4,6 -11,1 Osterholz 638,60 -5,6 -12,0 Northeim 637,04 -5,8 -12,2 Lüneburg 632,40 -6,5 -12,9 Helmstedt 631,81 -6,6 -13,0 Nienburg (Weser) 615,27 -9,1 -15,2 Uelzen 609,85 -9,9 -16,0 Ammerland 605,63 -10,5 -16,6 Heidekreis 604,50 -10,6 -16,7 Rotenburg (Wümme) 601,55 -11,1 -17,1 Goslar 599,98 -11,3 -17,3 Gifhorn 585,88 -13,4 -19,3 Wittmund 575,05 -15,0 -20,8 Lüchow-Dannenberg 568,75 -15,9 -21,6 Schaumburg 567,56 -16,1 -21,8 Cuxhaven 562,53 -16,8 -22,5 Friesland 555,35 -17,9 -23,5 Leer 520,18 -23,1 -28,3

Legende: (L) = Land; (K) = Kreise; (S) = Stadt; x Euro = besonderer Handlungsbedarf im Hinblick auf eine Veränderung des gebietsstrukturellen Zuschnitts; x Euro = bedingter/mittlerer Handlungsbe- darf; x Euro = kein/geringer Handlungsbedarf; die gruppenspezifischen Mittelwerte sind mit der Einwohnerzahl gewichtet. Quelle: Landesbetrieb für Statistik und Kommunikationstechnologie Nie- dersachsen: Online-Datenbank (Realsteuervergleich), eigene Berechnungen.

Sind die Steuereinnahmen der Kommunen und Landkreise besonders konjunktur- Ungleichvertei- lung kommunaler abhängig, so bleiben sie doch zwischen den Gebietskörperschaften der Kreisstufe Steuereinnahmen in erheblichem Maße ungleich verteilt. Zum einen erzielen die kreisfreien Städte

159 Kommunalstrukturen in Nordostniedersachsen

im Durchschnitt um ein Drittel höhere Pro-Kopf-Einnahmen als die Landkreise, zum anderen sind meist auch die „Umland-Kreise“ größerer Städte durch deren ökonomische Verbundenheit bevorzugt. Auch im Untersuchungsraum werden diese Tendenzen erkennbar, erzielen besonders der an Hamburg angrenzende Kreis Har- burg sowie der zur Arbeitsmarktregion Hannover gehörende Kreis Celle hohe Steuereinnahmen. Zudem zeigen die Werte Celles, aber auch die Lüneburgs, dass größere Städte im Kreisgebiet ebenfalls bevorteilt sind. Da die Spannweite der Einnahmen im Untersuchungsgebiet recht weit ausfällt und die Einnahmen Har- burgs und Celles deutlich über dem Durchschnitt liegen, könnte zwischen den Kreisen ein Ausgleich hergestellt werden, der allen einen positiven Finanzierungs- saldo ermöglicht. Zur Bedienung von Ausgleichserfordernissen und zur Gewähr- leistung gleichwertiger Lebensverhältnisse liegt ein Zusammenschluss im begut- achteten Raumzuschnitt daher nahe.

Die Einnahmesituation der Gemeinden kann als ausgeglichen bezeichnet werden, Ausgeglichene Steuereinnahmen finden sich doch kaum Verwaltungseinheiten, die signifikant unterdurchschnittli- der Gemeinden che Steuereinnahmen erzielen. In den Kreisen Celle, Uelzen und Lüchow- Danneberg nahm 2009 keine Gemeinde weniger als 400 EUR je Einwohner ein; Spitzenwerte verzeichneten im Kreis Celle die Stadt Celle mit 930 EUR, aber auch das gemeindefreie Gebiet Lohheide mit 660 EUR je Einwohner, im Kreis Uelzen die Stadt Uelzen mit 800 EUR je Einwohner und im Kreis Lüchow-Dannenberg die im Osten gelegene Samtgemeinde Gartow, die mit 680 EUR Einnahmen aus Ge- werbesteuer Gesamtsteuereinnahmen von 1.050 EUR je Einwohner verzeichnete.45 Eine große Spreizung um den Mittelwert herum bildet sich im Landkreis Lüneburg ab, wo die Hansestadt Lüneburg mit 730 EUR je Einwohner mehr als doppelt so hohe Einnahmen als die an Lüchow-Dannenberg grenzende Einheitsgemeinde Amt- Neuhaus (320€/Einwohner) auf sich zieht. Eine territoriale Zentralisierung bzw. örtliche Verknüpfung der benannten Gebietskörperschaften ist dabei weder inner- halb der Landkreise noch zwischen ihnen zu erkennen. Während die Gemeinden der Kreise Uelzen, Celle, Lüneburg und Lüchow-Dannenberg ihre Einnahmen vorwiegend aus Gewerbesteuern generieren, profitieren die Gemeinden in Harburg von hohen Einkommensteuereinnahmen durch in Hamburg beschäftigte Einwohner und weisen entsprechend überdurchschnittliche Gesamtsteuereinnahmen auf.

45 Vgl. Landesbetrieb für Statistik und Kommunikationstechnologie Niedersachsen, Onlinedaten- bank, Tab. K9200001: Realsteuervergleich 160 Kommunalstrukturen in Nordostniedersachsen

Zusammenfassung Die vorgestellten Analysen haben in Teilen eher geringe (SGB II-Quote), in Teilen Begrenzte Ge- währleistung erhebliche (zentrale Versorgungsniveaus, Steuereinnahmen) Disparitäten in der gleichwertiger Lebensverhält- Kommunalstruktur Niedersachsens offen gelegt. Die gegenwärtige Gebietsstruktur nisse erscheint danach nur begrenzt geeignet, sozioökonomischen und fiskalischen Aus- gleichserfordernissen auf der Kreisstufe gerecht zu werden. Tab. 4.4-D fasst die bisherigen Erkenntnisse zusammen und weist erkennbaren Stabilisierungs- wie ggf. Handlungsbedarf kreisspezifisch aus.

Tabelle 4.4-D: Eignung der kreislichen Gebietsstrukturen mit Blick auf die deren Ausgleichsfähigkeit und die Gewährleistung gleichwertiger Lebensverhältnisse

Kommune: Zentralörtliche SGB II-Quote Steuereinnahmen Städte und Kreise Versorgung

Kreisfreie Städte Braunschweig Hoch Hoch Hoch Salzgitter Hoch Hoch Hoch Wolfsburg Hoch Hoch Hoch Delmenhorst Hoch Gering Gering Emden Hoch Mittel Hoch Oldenburg Hoch Hoch Mittel Osnabrück Hoch Hoch Mittel Wilhelmshaven Hoch Gering Mittel Landkreise Gifhorn Mittel Hoch Mittel Göttingen Hoch Mittel Hoch Goslar Hoch Gering Mittel Helmstedt Gering Mittel Mittel Northeim Hoch Mittel Mittel Osterode am Harz Mittel Gering Mittel Peine Mittel Mittel Mittel Wolfenbüttel Hoch Mittel Mittel Region Hannover Hoch Gering Hoch Diepholz Hoch Hoch Hoch Hameln-Pyrmont Hoch Gering Hoch Hildesheim Hoch Mittel Hoch Holzminden Mittel Gering Hoch Nienburg (Weser) Gering Mittel Mittel Schaumburg Hoch Mittel Gering

161 Kommunalstrukturen in Nordostniedersachsen

Kommune: Zentralörtliche SGB II-Quote Steuereinnahmen Städte und Kreise Versorgung

Celle Mittel Mittel Hoch Cuxhaven Mittel Mittel Gering Harburg Hoch Hoch Hoch Lüchow-Dannenberg Gering Gering Gering Lüneburg Hoch Mittel Mittel Osterholz Mittel Hoch Mittel Rotenburg (Wümme) Mittel Hoch Mittel Heidekreis Hoch Mittel Mittel Stade Hoch Mittel Hoch Uelzen Mittel Mittel Mittel Verden Hoch Hoch Hoch Ammerland Hoch Hoch Mittel Aurich Mittel Mittel Hoch Cloppenburg Mittel Hoch Mittel Emsland Mittel Hoch Hoch Friesland Mittel Hoch Gering Grafschaft Bentheim Mittel Hoch Mittel Leer Gering Hoch Gering Oldenburg Gering Hoch Hoch Osnabrück Mittel Hoch Mittel Vechta Hoch Hoch Hoch Wesermarsch Hoch Mittel Hoch Wittmund Mittel Mittel Gering

Legende: Gering = geringe Eignung der Gebietskulisse; Mittel = mittlere Eignung der Gebietskulis- se; Hoch = besondere Eignung der Gebietskulisse. Quelle: Eigene Zusammenstellung.

Mit Blick auf die Ausgleichsfähigkeit und die Gewährleistung gleichwertiger Le- Nordostnieder- sachsen/Region bensverhältnisse erweist sich die Handlungsfähigkeit der Landkreise als weitestge- Lüneburg hend disparat. Während Harburg über alle Indikatoren hinweg positiv abschneidet, ergibt sich für Lüchow-Dannenberg eine durchweg nur geringe gebietskörper- schaftliche Eignung, seiner Bevölkerung ausgeglichene Lebensverhältnisse zu bie- ten. Von den Landkreisen mit mittlerem Handlungsbedarf erfahren einzig Celle aufgrund hoher Steuereinnahmen und Lüneburg angesichts der guten zentralörtli- chen Versorgung seiner Bevölkerung etwas bessere Bewertungen. Im Prinzip er- möglichten die Landkreise im Untersuchungsraum einen gegenseitigen Lastenaus- gleich, sodass sich ein etwaiger Zusammenschluss unter den hier untersuchten Ge-

162 Kommunalstrukturen in Nordostniedersachsen

sichtspunkten positiv auswirken würde. Zwar erfährt der Kreis Harburg durch ei- nen solchen Zusammenschluss keine Besserstellung, brächte jedoch eine beträcht- liche Ausgleichsmasse in den Fusionsprozess ein.

4.5 Ortsnähe, Teilhabe/Ehrenamt und Identität

Die demokratische, örtliche und politische Integrationsfähigkeit benennt den nor- mativen Gehalt der kommunalen Selbstverwaltung und fasst jene Argumente zu- sammen, die regelmäßig gegen Anpassungen der Gebietsstruktur vorgetragen wer- den. Die Integrationsfähigkeit einer Kommune umfasst • in institutioneller Hinsicht die Teilhabe am politisch-administrativen Prozess, insbesondere mit Blick auf die Ausübung des Ehrenamts, • aus einer räumlichen und personellen Sicht die Ortsnähe der Verwaltungen im Verhältnis zu den Bürgern sowie • unter funktionalen wie strukturellen Gesichtspunkten die Abbildung der im Verwaltungsgebiet gegebenen Identitäten.

Diese Anforderungen sind nicht zuletzt nach dem Urteil des Verfassungsgerichts Mecklenburg-Vorpommern vom 26. Juli 2007 (und nachfolgend vom 18. August 2011) außerordentlich hoch zu bewerten und waren im zugrunde liegenden Streit- fall letztlich (ergänzt um Verfahrensmängel) ursächlich für die zwischenzeitliche Ablehnung einer weitergehenden Kreisgebietsreform (vgl. hierzu erneut unter Kap. 2).

Teilhabe

Die angesprochene demokratische Integrationsfähigkeit soll zum einen jedem Bür- Verhältnis von Ehrenamt und ger die Teilhabe am politisch-administrativen Prozess ermöglichen und zum ande- Gebietsgröße ren über Wahlen die Sanktionierung von Entscheidungsträgern erlauben; zudem geht es um die Responsivität der kommunalen Politik gegenüber der Bürgerschaft. All dies setzt zumutbare Entfernungen zwischen Wohnort und Kreistag bzw. Ge- meinde-/Stadtrat sowie die Überschaubarkeit der Kommune voraus. Dabei ist aber auch zu berücksichtigen, dass Gebietskörperschaften durch eine Maßstabsvergrö- ßerung einen erweiterten und somit demokratisch werthaltigeren Entscheidungs- umfang erhalten, sodass die Vertreter ggf. erst auf der Basis dieser Zuständigkeiten überhaupt (wieder) über legitimationsbedürftige Maßnahmen und Ressourcenan- sprüche entscheiden können. Seitz hat empirisch aufgezeigt, dass Gebietsvergröße- rungen das bürgerschaftlich-demokratische Engagement kaum schwächen; einen Zusammenhang zwischen dem Wohnsitz von Kreistagsbewerbern und der Distanz zwischen Wohnsitz und Kreissitz stellte er für Rheinland-Pfalz und Brandenburg

163 Kommunalstrukturen in Nordostniedersachsen

nicht fest.46 Andererseits führen Gebietsvergrößerungen im Regelfall zumindest zu einer Abnahme der Zahl der kommunalen Mandatsträger, wodurch die verbliebe- nen Volksvertreter eine größere Zahl von Bürgern zu vertreten haben.47 Ein ggf. al- ternativ zu Neugliederungen verfolgter Ausbau von interkommunaler Zusammen- arbeit weist mit Blick auf die demokratische Integrationsfähigkeit das Defizit einer Schwächung der legitimierten Verwaltungskontrolle auf, weil die mittelbare Reprä- sentanz bei der Mitverwaltung und in intermediären Einrichtungen, wie Zweckver- bänden, zunimmt.

Um die demokratische Integrationsfähigkeit der bestehenden Kreisstrukturen zu er- fassen, werden im Folgenden zwei Indikatoren eingesetzt: • die Zahl der Bewerber um ein Mandat in der Versammlung der Region Han- Indikatoren nover, den Kreistagen der Landkreise und in den Räten der kreisfreien Städte demokratischer Integrations- pro Einwohner und pro Mandat bei der letzten Kommunalwahl im Jahr 2011 – fähigkeit mit diesem Indikator misst der Gutachter die Bereitschaft zur Wahrnehmung des kommunalpolitischen Ehrenamtes; • die durchschnittliche Wahlbeteiligung bei den letzten beiden Kommunalwahlen in den Jahren 2006 und 2011 – mit dieser Messgröße kann näherungsweise die demokratische Integration der Bürgerschaft durch die Einrichtungen der Kreis- politik sowie ihre (ggf. diffuse) Systemunterstützung erfasst werden.

Die Zahl der Bewerber um ein Mandat in den kreislichen Vertretungskörperschaf- Bewerberzahl um Mandate in kom- ten spiegelt das kommunalpolitische ehrenamtliche Engagement präzise wider. munalen Vertre- Ausgehend von der Tatsache, dass sich nur ein begrenzter Teil der Bürgerschaft für tungskörperschaf- ten die Kreispolitik interessiert und sowohl über den Willen als auch die zeitlichen Ressourcen verfügt, ein kommunales Ehrenamt auszuüben, bietet sich als Bezugs- punkt für die Bewerberzahl zunächst die Einwohnerzahl des Kreises oder der kreis- freien Stadt an. So können Verzerrungen, die durch die sehr divergierenden Ein- wohnerzahlen entstehen, verhindert werden. Einwohnerstarke Kommunen werden von diesem Indikator jedoch insofern systematisch benachteiligt, als mit steigender Einwohnerzahl die Zahl der Mandate nicht im selben Maße zunimmt, folglich die individuelle Erfolgswahrscheinlichkeit eines möglichen Bewerbers abnimmt. Da potentielle Bewerber um ein Mandat in Kreistag, Regionalversammlung und Stadt- rat bei der Entscheidung über ihre Kandidatur auch die Wahrscheinlichkeit eines Mandatsgewinns (angesichts der Zahl der Mitbewerber) berücksichtigen werden, wird zusätzlich zum Einwohnerbezug die Bewerberzahl noch in das Verhältnis zur Mandatszahl gestellt. Diese Messgröße weist wiederum den Nachteil auf, dass sie

46 Seitz, H.: Das Urteil des Landesverfassungsgerichts Mecklenburg-Vorpommern im Lichte sozi- alwissenschaftlicher Evidenz, in: Büchner, C./Franzke, J./Nierhaus, M. (Hg.), Verfassungsrecht- liche Anforderungen an Kreisgebietsreformen. Zum Urteil des Landesverfassungsgerichts Meck- lenburg-Vorpommern, Potsdam, 2008b, 83-103. 47 Hierzu und zum Folgenden: Hesse, a.a.O., 2008/2009, 220f. Nicht nur nachrichtlich sei daran er- innert, dass ein kommunaler Gebietszuschnitt neben dem politischen Ehrenamt auch soziale, kul- turelle und sportliche ehrenamtliche Tätigkeiten fördern sollte. 164 Kommunalstrukturen in Nordostniedersachsen

ehrenamtliches Engagement in Abhängigkeit von konkreten und veränderbaren Strukturen setzt, mithin nachfrageorientiert konzipiert ist, und nicht als Wert an sich, als die demokratische Mitwirkung eines möglichst großen Teils der Bürger- schaft an der Regelung lokaler wie regionaler Selbstverwaltungsangelegenheiten. Angesichts dieser Stärken und Schwächen beider Indikatoren werden diese in Tab. 4.5-A gleichberechtigt ausgewiesen. Die Eignung der kommunalen Gebietsstruktu- ren wird dabei relational beurteilt: Kreisen und kreisfreien Städten, deren Bewer- berzahl innerhalb einer halben Standardabweichung vom Kreis- bzw. Stadtdurch- schnitt liegt, wird eine mittlere Eignung zugesprochen. Darüber hinausgehende Abweichungen nach oben oder unten führen entsprechend zum Ausweis geringen oder hohen Handlungsbedarfs mit Blick auf die betroffene Kommune. Ein hohes ehrenamtliches Engagement ist dabei ein nicht unerhebliches Argument für den Erhalt der Gebietskulisse; eine geringe Bewerberzahl um ein Kreismandat weist (sieht man hier von anderen möglichen Faktoren, wie dem politischen Interesse oder der Beschäftigtenstruktur, ab) entweder darauf hin, dass die Größe des Land- kreises die ehrenamtliche Tätigkeit über Gebühr erschwert, oder dass die einge- schränkte Handlungsfähigkeit der Kommune die politische Mitwirkung wenig att- raktiv erscheinen lässt.

Tabelle 4.5-A: Bewerber um ein Mandat in der Versammlung der Region Hanno- ver, den Kreistagen der Landkreise und den Räten der kreisfreien Städte bei den Kommunalwahlen am 11.09.2011

Abweichung Zahl der Abweichung Zahl der zum Durch- Bewerber zum Durch- Bewer- schnitt in pro Sitz schnitt in Kommune: ber pro Prozent in der Prozent Städte und Kreise 10.000 Vertre- Einwoh- Gruppe Land tungs- Gruppe Land ner (S/K) (L) körper- (S/K) (L) schaft Mittelwert (S) 20,7 +33,2 5,5 +5,6 Mittelwert (K) 14,8 -4,8 5,2 -1,0 Mittelwert (L) 18,6 5,3 Kreisfreie Städte Delmenhorst 29,3 +41,3 88,2 3,6 -35,6 -32,0 Emden 27,9 +34,7 79,5 5,2 -6,9 -1,8 Wilhelmshaven 27,6 +33,5 77,8 4,7 -15,5 -10,8 Salzgitter 21,0 +1,3 +35,0 4,7 -14,5 -9,8 Osnabrück 20,8 +0,3 +33,5 6,8 22,0 +28,7 Mittelwert (S) 20,7 +33,2 5,5 +5,6 Wolfsburg 20,6 -0,6 +32,3 6,6 +19,1 +25,7

165 Kommunalstrukturen in Nordostniedersachsen

Abweichung Zahl der Abweichung Zahl der zum Durch- Bewerber zum Durch- Bewer- schnitt in pro Sitz schnitt in Kommune: ber pro Prozent in der Prozent Städte und Kreise 10.000 Vertre- Einwoh- Gruppe Land tungs- Gruppe Land ner (S/K) (L) körper- (S/K) (L) schaft Oldenburg 20,4 -1,6 +31,1 5,3 -3,5 +1,8 Braunschweig 14,5 -29,8 -6,5 6,9 +24,2 +31,1 Landkreise Lüchow-Dannenberg 37,9 +155,8 +143,6 5,0 -4,3 -5,3 Wittmund 35,4 +139,1 +127,7 4,8 -7,0 -8,0 Holzminden 26,9 +81,9 +73,2 4,8 -7,9 -8,9 Hameln-Pyrmont 23,8 +61,0 +53,3 6,9 +32,2 +30,8 Goslar 23,4 +58,2 +50,6 7,1 +36,3 +34,9 Osterode am Harz 22,2 +49,9 +42,7 4,2 -19,8 -20,7 Ammerland 21,7 +46,4 +39,4 5,5 +6,3 +5,2 Friesland 20,7 +39,7 +33,0 4,5 -13,4 -14,3 Uelzen 20,6 +39,2 +32,5 4,6 -10,6 -11,6 Helmstedt 20,1 +35,9 +29,4 4,5 -12,9 -13,9 Wesermarsch 20,1 +35,6 +29,1 4,4 -15,7 -16,6 Celle 19,0 +28,2 +22,1 5,9 +13,1 +12,0 Harburg 18,7 +26,2 +20,2 7,4 +42,2 +40,7 Göttingen 18,3 +23,8 +17,8 7,4 +42,8 +41,3 Heidekreis 18,1 +22,6 +16,7 5,8 +11,5 +10,4 Aurich 17,9 +20,9 +15,1 5,8 +12,5 +11,3 Verden 17,4 +17,9 +12,2 4,7 -10,3 -11,3 Peine 17,4 +17,6 +11,9 4,6 -11,5 -12,4 Gifhorn 17,2 +16,0 +10,4 5,5 +6,2 +5,1 Wolfenbüttel 17,0 +14,7 +9,2 4,2 -19,6 -20,4 Schaumburg 16,5 +11,8 +6,5 5,0 -4,1 -5,1 Lüneburg 16,3 +10,3 +5,0 5,5 +6,6 +5,5 Grafschaft Bentheim 16,3 +10,2 +5,0 4,4 -14,9 -15,8 Oldenburg 15,8 +6,5 +1,4 4,3 -16,7 -17,6 Northeim 15,5 +4,7 -0,3 4,4 -15,7 -16,6 Rotenburg (Wümme) 14,8 +0,3 -4,5 4,5 -13,0 -14,0 Mittelwert (K) 14,8 -4,8 5,2 -1,0 Osterholz 14,7 -0,6 -5,4 3,6 -31,0 -31,7 Nienburg (Weser) 14,4 -2,7 -7,4 3,6 -30,7 -31,4

166 Kommunalstrukturen in Nordostniedersachsen

Abweichung Zahl der Abweichung Zahl der zum Durch- Bewerber zum Durch- Bewer- schnitt in pro Sitz schnitt in Kommune: ber pro Prozent in der Prozent Städte und Kreise 10.000 Vertre- Einwoh- Gruppe Land tungs- Gruppe Land ner (S/K) (L) körper- (S/K) (L) schaft Stade 14,3 -3,2 -7,9 5,4 +4,4 +3,3 Diepholz 14,1 -4,8 -9,4 4,9 -5,3 -6,3 Cuxhaven 13,7 -7,5 -12,0 4,5 -14,3 -15,2 Leer 13,0 -12,3 -16,5 4,0 -23,7 -24,5 Osnabrück 12,5 -15,7 -19,7 6,6 +26,5 +25,2 Hildesheim 12,0 -18,8 -22,7 5,5 +6,5 +5,4 Vechta 10,4 -29,9 -33,2 3,3 -36,6 -37,2 Emsland 9,1 -38,6 -41,5 4,3 -16,9 -17,8 Cloppenburg 8,1 -45,4 -48,0 2,7 -48,7 -49,2 Region Hannover 6,4 -56,8 -58,9 8,6 +65,2 +63,5

Legende: (L) = Land; (K) = Kreise; (S) = Stadt; Gering = geringe Eignung der Gebietskulisse; Mittel = mittlere Eignung der Gebietskulisse; Hoch = besondere Eignung der Gebietskulisse; die Mittelwer- te sind mit der Einwohnerzahl gewichtet. Quelle: Niedersächsischer Landeswahlleiter, 2011; eigene Berechnungen.

Die Auswertung der Bewerberzahlen macht deutlich, dass der Anteil der Bürger, Zusammen- führung beider die bereit sind, sich in der Kommunalpolitik ehrenamtlich zu engagieren, zwischen Messwerte den kreislichen Gebietskörperschaften stark differiert. Wählt man dagegen die Zahl der zur Verfügung stehenden Mandate als Maßstab, gehen die Unterschiede deut- lich zurück und verändert sich die Reihenfolge der Kreise und kreisfreien Städte bei der Bewertung ihrer „demokratischen Integrationsfähigkeit“. Selbst wenn die beiden Indikatoren aufgrund ihrer unterschiedlichen Bezüge (und dahinter stehen- den inhaltlichen Annahmen) zwangsläufig bei einigen Kommunen zu unterschied- lichen Ergebnissen führen, weist die Zusammenführung beider Messwerte doch ei- nige Fälle mit einer über beide Indikatoren konstant niedrigen bzw. hohen Integra- tionsfähigkeit auf.

Im Untersuchungsraum wird eine ausgeprägte Bereitschaft deutlich, kommunalpo- Hohe politische Integrationskraft litische Mandate anzustreben. Die Landkreise Celle und Harburg weisen über bei- de Indikatoren hinweg eine starke politische Einsatzbereitschaft aus, wobei der Kreis Harburg sogar (nach der Region Hannover) die höchste Bewerberzahl pro Mandat im Land Niedersachsen verzeichnet. Auf die höchste Bewerberrate in Be- zug auf die Einwohnerzahl wiederum kann der Kreis Lüchow-Dannenberg verwei- sen; dies dürfte allerdings wesentlich auf die ausgeprägte Einwohnerschwäche zu- rückgehen, da die Bewerberzahl pro Sitz im Kreistag nur noch durchschnittlich

167 Kommunalstrukturen in Nordostniedersachsen

ausfällt. Auch Uelzen und Lüneburg verfügen insgesamt über eine zumindest leicht überdurchschnittliche Integrationskraft mit Blick auf die benannten Bewerberzahl- relationen. Im Ergebnis bietet das hohe ehrenamtliche Engagement argumentativen Rückhalt für den Erhalt der Gebietskulissen in Celle und Harburg sowie in Teilen in Lüchow-Dannenberg. Dies spricht gleichwohl nicht grundsätzlich gegen Fusio- nen, solange in einem vergrößerten Kreis die ehrenamtliche Tätigkeit nicht über Gebühr erschwert wird, zumal eine merkliche Erhöhung der kommunalen Hand- lungsfähigkeit die politische Mitwirkung sogar noch attraktiver erscheinen lassen könnte.

Während die Bewerbung um ein politisches Mandat auf der Kreisstufe nur von ei- Wahlbeteiligung bei Kommunal- nem geringen Teil der Kreis-, Regions- bzw. Stadtbewohner erwogen wird, können wahlen aus der Beteiligung an Kommunalwahlen wichtige Hinweise für die demokratische Integration der gesamten Bürgerschaft abgeleitet werden. Dabei ist sich der Gut- achter bewusst, dass die Wahlbeteiligung von einer Reihe von Faktoren beeinflusst wird, die in Teilen jenseits des politisch-administrativen Prozesses liegen, und dass eine geringe Wahlbeteiligung nicht zwangsläufig Unzufriedenheit oder Distanz zur Kommunalpolitik dokumentiert, sondern auch Zufriedenheit mit dem Status quo ausdrücken oder einer rationalen Entscheidung eines homo oeconomicus folgen kann.48 Durch den Einbezug der letzten und vorletzten Kommunalwahlen in Nie- dersachsen sucht der Gutachter die Verzerrung durch einzelwahlspezifische Son- derfaktoren zu begrenzen. Die Eignung der kommunalen Gebietsstrukturen wird in Tab. 4.6-B erneut relational eingeschätzt: Kreisen und kreisfreien Städten, in denen die Wahlbeteiligung innerhalb einer halben Standardabweichung vom Kreis- bzw. Stadtdurchschnitt liegt, wird eine mittlere Eignung zugesprochen. Darüber hinaus- gehende Abweichungen nach oben oder unten führen entsprechend zum Ausweis geringer oder hoher Eignung.

Tabelle 4.5-B: Beteiligung bei den Kommunalwahlen am 10.09.2006 und 11.09.2011

Durchschnittliche Abweichung zum Durchschnitt Wahlbeteiligung bei in Prozentpunkten Kommune: Kommunalwahlen Städte und Kreise 2001 und 2006 in Pro- Gruppe (S/K) Land (L) zent Mittelwert (S) 46,3 -6,2 Mittelwert (K) 53,8 +1,3 Mittelwert (L) 52,5

48 Vgl. zur Wahlforschung etwa Falter, J. W./Schoen, H. (Hg.): Handbuch Wahlforschung, Wies- baden, 2005. 168 Kommunalstrukturen in Nordostniedersachsen

Kreisfreie Städte Braunschweig (S) 49,5 +3,2 -3,1 Wolfsburg (S) 48,0 +1,7 -4,6 Osnabrück (S) 47,4 +1,1 -5,1 Mittelwert (S) 46,3 -6,2 Oldenburg (S) 45,9 -0,4 -6,6 Wilhelmshaven (S) 45,9 -0,4 -6,6 Salzgitter (S) 45,6 -0,7 -6,9 Emden (S) 45,4 -0,9 -7,2 Delmenhorst (S) 42,6 -3,7 -10,0 Landkreise Rotenburg (Wümme) 58,2 +4,3 +5,6 Lüchow-Dannenberg 57,9 +4,0 +5,3 Northeim 57,7 +3,9 +5,2 Wittmund 56,8 +2,9 +4,2 Uelzen 56,7 +2,9 +4,2 Wolfenbüttel 56,5 +2,7 +4,0 Holzminden 56,3 +2,4 +3,7 Osnabrück 56,1 +2,3 +3,6 Aurich 55,9 +2,1 +3,4 Vechta 55,9 +2,1 +3,4 Osterode am Harz 55,8 +1,9 +3,2 Emsland 55,7 +1,8 +3,1 Oldenburg 55,5 +1,7 +3,0 Grafschaft Bentheim 55,2 +1,4 +2,7 Ammerland 54,3 +0,5 +1,8 Verden 54,3 +0,4 +1,7 Helmstedt 54,2 +0,3 +1,6 Cloppenburg 53,9 +0,0 +1,3 Mittelwert (K) 53,8 +1,3 Gifhorn 53,7 -0,1 +1,2 Lüneburg 53,7 -0,2 +1,1 Heidekreis 53,2 -0,7 +0,6 Leer 53,1 -0,8 +0,5 Hildesheim 53,1 -0,8 +0,5 Peine 52,9 -0,9 +0,4 Osterholz 52,6 -1,3 0,0

169 Kommunalstrukturen in Nordostniedersachsen

Nienburg (Weser) 52,5 -1,3 +0,0 Cuxhaven 52,3 -1,5 -0,2 Goslar 52,3 -1,5 -0,2 Stade 52,2 -1,7 -0,4 Friesland 52,2 -1,7 -0,4 Wesermarsch 52,0 -1,9 -0,6 Harburg 51,9 -1,9 -0,6 Hameln-Pyrmont 51,3 -2,6 -1,3 Schaumburg 51,2 -2,7 -1,4 Diepholz 51,2 -2,7 -1,4 Göttingen 50,1 -3,7 -2,4 Celle 49,6 -4,3 -3,0 Region Hannover 48,4 -5,4 -4,1

Legende: (L) = Land; (K) = Kreise; (S) = Stadt; Gering = geringe demokratische Integrationsfähig- keit; Mittel = mittlere demokratische Integrationsfähigkeit; Hoch = besondere demokratische Integra- tionsfähigkeit; die gruppenspezifischen Mittelwerte sind ungewichtet. Quelle: Landesbetrieb für Sta- tistik und Kommunikationstechnologie Niedersachsen: Kommunalwahl 2011; eigene Berechnungen.

Die Aufstellung weist eher geringe Unterschiede zwischen den Kommunen aus, Vergleichbare Wahlbeteiligung sieht man von den sozialstrukturell bedingten Unterschieden zwischen kreisfreien auf der Kreisstufe Städten und Landkreisen ab. Angesichts der eingeschränkten Validität des Indika- im Untersu- chungsraum tors ist aus der geringen Wahlbeteiligung in einigen Kommunen nur begrenzt auf ihre mangelnde demokratische Integrationsfähigkeit zu schließen. Im Untersu- chungsraum fällt die Wahlbeteiligung vergleichsweise unterschiedlich aus. Die Kreise Celle und Harburg, denen zuvor noch besonders hohe Bewerberzahlen um Mandate in den Kreistagen attestiert wurden, weisen sehr niedrige Wahlbeteili- gungsquoten auf. Uelzen und Lüchow-Dannenberg dagegen zählen zu den fünf Kreisen mit der höchsten Wahlbeteiligung im Land, die mit Blick auf das ehren- amtliche Engagement erkennbar überdurchschnittliche demokratische Integrations- fähigkeit dieser Kreise wird damit bestätigt. Die Wahlbeteiligung im Kreis Lüne- burg verbleibt geringfügig unterhalb des Durchschnitts der niedersächsischen Krei- se, die demokratische Integrationskraft erreicht somit insgesamt ein mittleres Ni- veau. Fasst man die Auswertungen zum ehrenamtlichen Engagement und der Wahlbeteiligung zusammen, können aus den insgesamt durchschnittlichen Bewer- tungen für Celle, Harburg und Lüneburg keine Argumente für oder gegen den Er- halt der Gebietskulisse abgeleitet werden. Die hohe Integration der Bürgerschaft in Uelzen und insbesondere in Lüchow-Dannenberg erhöht hingegen den Begrün- dungsbedarf für gebietsstrukturelle Änderungen.

170 Kommunalstrukturen in Nordostniedersachsen

Ortsnähe

Nach dieser Betrachtung wendet sich der Gutachter nun der Ortsnähe zu, ausge- Zumutbare räum- liche Entfernung hend von der Zielvorstellung, nach der öffentliche Leistungen hinreichend zugäng- der Verwaltung lich, Verwaltungen mithin ortsnah bei ihren „Kunden“ angesiedelt sein sollten. zum Bürger Dies bedingt nicht notwendigerweise eine kleine Flächengröße der Gebietskörper- schaften, solange gewährleistet ist, dass die Bürger in zusätzlich eingerichteten de- zentralen Einrichtungen ihre Verwaltungsangelegenheiten erledigen können.49 Zu unterscheiden ist bei der Beurteilung der Bürgernähe zudem zwischen Aufgaben, die einen physischen Verwaltungskontakt und damit eine erkennbare zeitliche Be- grenzung der Fahrtwege erfordern (etwa im Bereich der Sozial- und Jugendhilfe) und Aufgaben, bei denen IuK-Techniken eine zentralisierte Sachbearbeitung er- möglichen. Zudem ist zu berücksichtigen, dass Bürger mit der Kreisverwaltung nur selten (durchschnittlich höchstens alle 18 Monate50) in persönlichen Kontakt treten. Für die gleichwohl verbleibenden physischen Kontakte, etwa bei Umweltschutz- fragen im Rahmen größerer Vorhaben oder bei Ausländerrechts- und Bauangele- genheiten, ist eine zumutbare Wegstrecke zu sichern.51 Für die Landkreise wurden bislang Distanzen von 30 bis 50 Kilometern als noch zumutbar eingestuft.52

Bei der Beurteilung der Ortsnähe spielt aber auch die Bündelungsfähigkeit von Verhältnis von Flächengröße und Ressourcen und Kompetenzen im Bereich weisungsfreier, zumindest aber ermes- Ortsnähe sensbasierter und strategisch relevanter Aufgaben eine wichtige Rolle. Mit steigen- der Gebietskulisse erhöhen sich Einspareffekte, Verwaltungskapazitäten und Mög- lichkeiten zur Bildung von Investitionsschwerpunkten. Um die Bürgernähe zumin- dest in grober Näherung zu erfassen und sie nicht bloß nachrichtlich als Gegenar- gument gegenüber funktionalen Erwägungen für Gebietsvergrößerungen und ohne den Ansatz einer Differenzierung der kreislichen Gebietskörperschaften anzufüh- ren, erfährt die Flächengröße der Landkreise hier Beachtung und wird in Tab. 4.5- C noch einmal (vgl. Tab. 4.1-C) einer relationalen Bewertung unterzogen: Hohe Ortsnähe (und damit geringer Handlungsbedarf) wird dabei Landkreisen zugespro- chen, deren Gebietskulisse um mehr als eine halbe Standardabweichung kleiner ist als der Kreisdurchschnitt. Weist ein Kreis eine Flächengröße auf, die um mehr als eine halbe Standardabweichung vom Mittelwert abweicht, wird von einer geringen

49 Bull, H.P.: Verfassungsrechtliche Rahmenbedingungen einer Funktional-, Struktur- und mögli- chen Kreisgebietsreform in Schleswig-Holstein, Gutachten im Auftrag der Staatskanzlei Schles- wig-Holstein, 2007, 96. 50 Ebd., 98. 51 Ebd. 52 Hesse, a.a.O., 2008/2009, 220f.; Rothe argumentiert, dass vier bis fünf Stunden einschließlich Hin- und Rückreise die zeitliche Höchstgrenze für die Erledigung der Verwaltungsgeschäfte sein sollte, vgl. Rothe, a.a.O., 2004, 135. 171 Kommunalstrukturen in Nordostniedersachsen

Ortsnähe ausgegangen. Zwischen diesen liegende Flächengrößen führen mit Blick auf die Ortsnähe zur Bewertung einer mittleren Eignung der Gebietskulisse.

Tabelle 4.5-C: Flächengröße niedersächsischer Landkreise

Abweichung zum Landkreis Flächengröße in km² Durchschnitt in Prozent

Peine 535 -56,3 Friesland 608 -50,3 Osterode am Harz 636 -48,0 Osterholz 651 -46,8 Wittmund 657 -46,3 Helmstedt 674 -44,9 Schaumburg 676 -44,8 Holzminden 693 -43,4 Wolfenbüttel 722 -41,0 Ammerland 728 -40,5 Verden 788 -35,6 Hameln-Pyrmont 796 -35,0 Vechta 813 -33,6 Wesermarsch 822 -32,8 Goslar 965 -21,2 Grafschaft Bentheim 981 -19,9 Oldenburg 1.063 -13,2 Leer 1.086 -11,3 Göttingen 1.118 -8,7 Hildesheim 1.206 -1,5 Lüchow-Dannenberg 1.220 -0,3 Mittelwert (Landkreise) 1.224 Harburg 1.245 +1,7 Stade 1.266 +3,4 Northeim 1.267 +3,5 Aurich 1.287 +5,1 Lüneburg 1.323 +8,1 Nienburg (Weser) 1.399 +14,3 Cloppenburg 1.418 +15,8 Uelzen 1.454 +18,8 Celle 1.545 +26,2

172 Kommunalstrukturen in Nordostniedersachsen

Abweichung zum Landkreis Flächengröße in km² Durchschnitt in Prozent

Gifhorn 1.563 +27,7 Heidekreis 1.874 +53,1 Diepholz 1.988 +62,4 Rotenburg (Wümme) 2.070 +69,1 Cuxhaven 2.073 +69,4 Osnabrück 2.122 +73,4 Region Hannover 2.291 +87,2 Emsland 2.882 +135,5

Legende: x km² = geringe Eignung der Gebietskulisse; x km² = mittlere Eignung der Gebietskulisse; x km² = besondere Eignung der Gebietskulisse. Quelle: Landesbetrieb für Statistik und Kommunikati- onstechnologie Niedersachsen: Online-Datenbank (Flächenerhebung), Stand: 01.01.2009.

Im Untersuchungsraum deutet die Betrachtung der Flächengrößen auf eine ver- Hinweise auf ge- ringe Ortsnähe gleichsweise akzeptable Ortsnähe der Verwaltungen in Lüchow-Dannenberg, Lü- neburg und Harburg hin. Die Gebietskulissen Uelzens und Celles befinden sich dagegen bereits zum jetzigen Zeitpunkt am Rande vorteilhafter Konstellationen. Mit Blick auf Fragen der Bürgernähe, Bündelungsfähigkeit und Entfernungen für ehrenamtliche Kreistagsmitglieder bietet sich im Untersuchungsgebiet einzig ein Bündnis aus Lüneburg, Uelzen und Lüchow-Dannenberg an. Allerdings fehlt dort eine gleichermaßen erreichbare Stadt, in der Verwaltungsleistungen ggf. zentrali- siert werden könnten. Daher kommt der Einrichtung von Außenstellen bei Verwal- tungstätigkeiten mit Publikumsverkehr eine erhöhte Bedeutung zu.

Gegebene Identitäten im Zeitablauf

Funktional wie strukturell erweist sich die Integrationsfähigkeit einer Kommune Identitätsräume in Niedersachsen letztlich daran, dass sie die im Rahmen des Verwaltungsterritoriums gegebenen In- teressen und Identitäten abbildet. Dies verweist einerseits auf kulturell-historische und weitere identitätsstiftende Bindungen, die ein zu pflegendes Heimatgefühl schaffen und die Bereitschaft erhöhen, sich für die Belange der Mitbürger und ein bonum commune einzusetzen. Andererseits stellt die politische Integrationsfähig- keit auf eine beherrschbare Interessensvielfalt ab, um einen einheitlichen Vollzug und eine konsistente Steuerung zu ermöglichen. Die Übereinstimmung einer Ge- bietskulisse mit Identitäten und Interessen der Bürger ist allerdings schwer zu quantifizieren. Um gleichwohl zu intersubjektiv nachvollziehbaren Ergebnissen zu gelangen und vorhandene Differenzen zwischen den Kreisen in die Bewertung der Kreisstruktur aufzunehmen, wird für die Bestimmung der Kongruenz von Gebiets-

173 Kommunalstrukturen in Nordostniedersachsen

zuschnitt und regionalen Identitäten in Niedersachsen die Übereinstimmung des Kreisgebiets mit • den feudalen Territorien des 16. Jahrhunderts, • den Regierungs- und Verwaltungsbezirken der Jahre 1946-1978 sowie • den modernen Landschaften ermittelt.53

Abbildung 4.5-A: Feudale Territorien des 16. Jahrhunderts in Niedersachsen

Legende: (1) Grafschaft Ostfriesland, (2) Grafschaft Oldenburg, (3) Hochstift Verden, (4) Fürstentum Harburg, (5) Grafschaft Bentheim, (6) Niedergrafschaft Lingen, (7) Hochstift Osnabrück, (8) Graf- schaft Diepholz, (9) Grafschaft Hoya, (10) Grafschaft Schaumburg, (11) Fürstentum Calenberg, (12) Stift Hildesheim, (13) Fürstentum Braunschweig-Wolfenbüttel, (14) Fürstentum Göttingen, (15) Fürstentum Grubenhagen, (16) Fürstentum Dannenberg; weitere Klein- und Kleinstfürstentümer bzw. Freie Reichsstädte nicht gesondert gekennzeichnet, Quelle: Cassing, G.: Regionalisierung in Niedersachsen. Konzept zur Reform der Kreisebene, 2008, 27.

Die feudalen Territorien des 16. Jahrhunderts wurden einbezogen, um historisch Herrschaftsräume des 16. Jahrhun- gewachsene Bindungen zu berücksichtigen, die eine nachhaltige Wirkung auf das derts heutige Heimatgefühl der Niedersachsen entfaltet haben.54 Die nachfolgende Abb. 4.5-A gibt die Territorialgliederung des heutigen Niedersachsens zur frühen Neu-

53 Bei der Identifikation identitätsrelevanter Regionen wird an die Untersuchung Cassings ange- knüpft, vgl. Cassing, G.: Regionalisierung in Niedersachsen. Konzept zur Reform der Kreisebe- ne, 2008. Die indikatorengestützte Erfassung von „Interessen“ innerhalb eines Kreises oder einer Stadt wird hier aufgrund der Komplexität des Interessenskonzepts nicht verfolgt. 54 Vgl. hierzu Hauptmeyer, C.-H.: Eigenverantwortliche Regionalentwicklung in Niedersachsen – Geschichte und Gegenwart, in: Neues Archiv für Niedersachsen, 1/2006. 174 Kommunalstrukturen in Nordostniedersachsen

zeit wieder. Sie war durch vor allem drei Herrschaftsgruppen geprägt: die westli- chen Bistümer, die selbständigen Grafschaften und die welfischen Fürstentümer.55

Die Gliederung des Landes Niedersachsen in die von 1946 bis 1978 bestehenden Regierungs- und Verwaltungsbe- Regierungs- und Verwaltungsbezirke orientierte sich wesentlich an dieser histori- zirke von 1946 bis schen Territorialstruktur und wird als stärker auf die heutige Landesfläche bezoge- 1978 ner Maßstab für etwaige regionale Bindungen herangezogen (vgl. Abb. 4.5-B).

Abbildung 4.5-B: Regierungs- und Verwaltungsbezirke 1946-1978 in Niedersach- sen

Quelle: Cassing, a.a.O., 2008, 29.

Schließlich werden die Landkreise auf ihre Übereinstimmung mit den sog. moder- Moderne Land- schaften nen Landschaften hin überprüft. Die modernen Landschaften und Landschaftsver- bände werden von den Landkreisen, Städten und Gemeinden unter Beteiligung von Vereinen aus den Bereichen Kultur, Heimatpflege und Landesgeschichte getragen und übernehmen Aufgaben im Bereich der Förderung von Kultur, Bildung und Wissenschaft. Sie sind dem Selbstverständnis nach Förderer der regionalen Kultur und knüpfen an die im Mittelalter gegründeten sog. historischen Landschaften an, die als Vertretungen der drei Stände Adel, Klerus und Stadtbürgertum Vorläufer heutiger Parlamente waren. Die in der Zeit nach 1960 gegründeten modernen

55 Vgl. im Detail Hauptmeyer, C.-H.: Landesgeschichte und historische Regionalentwicklung im Überblick, Oldenburg, 2004. 175 Kommunalstrukturen in Nordostniedersachsen

Landschaften nehmen die Tradition eigenständiger Regionalkulturen auf. Durch die Gründung einer Arbeitsgemeinschaft der Landschaften und Landschaftsver- bände in Niederachsen (ALLviN) haben sie sich weiter institutionalisiert. Die Mit- gliedschaft weist dabei die folgenden Gebietskörperschaften aus: • Ostfriesische Landschaft: Landkreise Aurich, Leer, Wittmund, kreisfreie Stadt Emden • Oldenburgische Landschaft: Landkreise Ammerland, Cloppenburg, Friesland, Oldenburg, Vechta, Wesermarsch, kreisfreie Städte Delmenhorst, Oldenburg und Wilhelmshaven • Landschaftsverband Stade: Landkreise Cuxhaven, Osterholz, Rotenburg (Wümme), Stade, Verden • Landschaftsverband Hildesheim: Landkreis Hildesheim • Emsländische Landschaft: Landkreise Emsland und Grafschaft Bentheim • Landschaftsverband Osnabrücker Land: Landkreis Osnabrück und kreisfreie Stadt Osnabrück • Landschaftsverband Südniedersachsen: Landkreise Göttingen, Holzminden, Northeim, Osterode am Harz • Braunschweigische Landschaft: Landkreise Helmstedt, Peine und Wolfenbüt- tel, kreisfreie Städte Braunschweig, Salzgitter und Wolfsburg • Lüneburgischer Landschaftsverband: Landkreise Celle, Gifhorn, Harburg, Lü- chow-Dannenberg, Lüneburg, Heidekreis, Uelzen und kreisfreie Stadt Wolfs- burg • Landschaftsverband Weser-Hunte: Landkreise Diepholz und Nienburg (Weser) • Schaumburger Landschaft: Landkreis Schaumburg • Landschaftsverband Hameln-Pyrmont: Landkreis Hameln-Pyrmont • Regionalverband Harz: Landkreise Goslar und Osterode am Harz

Die nachfolgende Tab. 4.5-D erfasst, inwieweit die bestehenden Kreisstrukturen Eignung einer Gebietskulisse regionale Identitäten abbilden. Dabei ist zu berücksichtigen, dass einige Regionen anhand der Niedersachsens sehr ausgeprägte Identitätsräume bilden, so etwa Ostfriesland, das Abdeckung von Identitätsräumen Oldenburger Land, das Eichsfeld, das Emsland und Schaumburg, während andere Landesteile durch nur eher schwache regionale Identitäten gekennzeichnet sind.56 Zudem ist zu beachten, dass die Übereinstimmung eines Kreisgebiets mit historisch gewachsenen und heute noch bedeutsamen regionalen Identitäten ermittelt und nicht der nur mit einer umfassenden empirischen Erhebung beantwortbaren Frage nach der Identifikation der Bürger mit dem Landkreis, in dem sie wohnen, nachge- gangen wird. Die Eignung einer Gebietskulisse richtet sich hier nach dem Anteil der Fläche jedes der drei geschilderten Identitätsräume, die ein Landkreis abdeckt.

56 Vgl. hierzu neben den in Kap. 4.4 aufgeführten Schriften Hauptmeyers auch Martin, O.: „Regio- nale Identität“ und die kulturpolitische Praxis in Niedersachsen, Vortrag auf der Tagung „Kultu- relle Identität“ am 14./15. Dezember 2007 in Hannover, ZEB Stephansstift. 176 Kommunalstrukturen in Nordostniedersachsen

Eine mittlere Eignung eines Gebietszuschnitts liegt dann vor, wenn der Kreis in- nerhalb einer halben Standardabweichung vom Mittelwert der abgedeckten Anteile liegt, d.h. zwischen 26% und 51% eines feudalen Territoriums, 15% und 24% eines Regierungs- und Verwaltungsbezirks der Jahre 1946-1978 bzw. 20% und 47% ei- ner modernen Landschaft abdeckt. Bei kleinerem bzw. größerem Anteil ist die ge- bietsstrukturelle Eignung in identitätspolitischer Bewertung eher gering bzw. hoch. Für die kreisfreien Städte wird aufgrund ihrer geringen Flächengröße auf eine An- teilsberechnung verzichtet.

Tabelle 4.5-D: Übereinstimmung kreislicher Gebietsstrukturen mit regionalen Identitäten

Übereinstimmung mit

Kommune: Regierungs- und feudalen Terri- Städte und Kreise Verwaltungs- modernen torien des 16. bezirken Landschaften Jahrhunderts (1946-1978)

Gifhorn Gering Gering Gering Göttingen Mittel Mittel Mittel Goslar Gering Gering*** Hoch Helmstedt Gering Hoch Mittel Northeim Hoch Mittel Mittel Osterode am Harz Hoch Gering Mittel** Peine Mittel Gering Mittel Wolfenbüttel Gering Hoch Mittel Region Hannover Mittel Mittel*** --* Diepholz Hoch Hoch Hoch Hameln-Pyrmont Mittel Gering Hoch Hildesheim Gering Mittel Hoch Holzminden Gering Gering Gering Nienburg (Weser) Mittel Mittel Mittel Schaumburg Hoch Gering Hoch Celle Gering Gering Gering Cuxhaven Hoch Hoch Mittel Harburg Hoch Gering Gering Lüchow-Dannenberg Hoch Gering Gering Lüneburg Gering Gering Gering Osterholz Gering Gering Gering Rotenburg (Wümme) Mittel Hoch Mittel

177 Kommunalstrukturen in Nordostniedersachsen

Übereinstimmung mit

Kommune: Regierungs- und feudalen Terri- Städte und Kreise Verwaltungs- modernen torien des 16. bezirken Landschaften Jahrhunderts (1946-1978)

Heidekreis Gering Mittel Gering Stade Gering Mittel Gering Uelzen Gering Gering Gering Verden Gering Gering Gering Ammerland Gering Gering Gering Aurich Mittel Hoch Mittel Cloppenburg Mittel Hoch Mittel Emsland Hoch Hoch Hoch Friesland Gering Gering Gering Grafschaft Bentheim Hoch Mittel Mittel Leer Mittel Hoch Mittel Oldenburg Mittel Mittel Gering Osnabrück Hoch Hoch Hoch Vechta Gering Gering Gering Wesermarsch Gering Gering Gering Wittmund Gering Mittel Gering

Legende: * Die Region Hannover ist keine moderne Landschaft, sondern assoziiertes Mitglied der Arbeitsgemeinschaft der Landschaften und Landschaftsverbände. ** Im Fall der Mitgliedschaft des Landkreises Osterode am Harz in zwei Landschaftsverbänden wurde das arithmetische Mittel der Einzelwerte für jede Landschaft herangezogen. *** Ähnlich wurde für Goslar und die Region Hanno- ver aufgrund der Zugehörigkeit weiter Teile ihrer Gebietskulisse zu zwei unterschiedlichen ehemali- gen Regierungs- und Verwaltungsbezirken das arithmetische Mittel der Übereinstimmung verwendet. Die Zugehörigkeit eines Landkreis zu einem feudalen Herrschaftsgebiet wird nur berücksichtigt, wenn diese zumindest zehn Prozent der Landkreisfläche umfasst; Gering = besonderer Handlungsbe- darf im Hinblick auf eine Veränderung des gebietsstrukturellen Zuschnitts; Mittel = beding- ter/mittlerer Handlungsbedarf; Hoch = kein od. geringer Handlungsbedarf. Quellen: Arbeitsgemein- schaft der Landschaften und Landschaftsverbände; Cassing, G., a.a.O., 2008, 26f., 29.

Im Ergebnis erweist sich der Untersuchungsraum Nordostniedersachsen als prädes- Abdeckung des- selben Identitäts- tiniert dafür, die Übereinstimmung der Gebietsstrukturen mit dem dominierenden raums regionalen Identitätsraum durch Fusion zu erhöhen. Der gesamte Raum – unter Einschluss der Landkreise Heidekreis und Gifhorn sowie der kreisfreien Stadt Wolfsburg – bildete über Jahrhunderte eine Einheit, die die Region Lüneburg stets im Namen trug. Abgesehen davon, dass die Großräumigkeit dieses Gebietes eine kreisgrenzengetreue Abbildung unmöglich macht, läge jedweder erweiterten Ko- operation oder Fusion im Untersuchungsraum eine beachtliche historische Zusam- mengehörigkeit zugrunde.

178 Kommunalstrukturen in Nordostniedersachsen

Zusammenfassung

Bei einer Zusammenführung der Ergebnisse zur Integrationsfähigkeit der Land- Ungleiche Integra- tionsfähigkeit kreise, der Region Hannover und der kreisfreien Städte (vgl. Abb. 4.5-E) treten zwar wichtige landesinterne Differenzen zu Tage, doch fallen diese geringer aus als beim Blick auf die kommunale Entwicklungsfähigkeit.

Tabelle 4.5-E: Integrationsfähigkeit der kreislichen Gebietsstrukturen

Demokratische Integra- Örtliche In- tion Politische Kommune: tegration: Integration: Städte und Kreise Bürgernähe Wahlbe- Identität Ehrenamt teiligung

Kreisfreie Städte Braunschweig Mittel Hoch Salzgitter Mittel Mittel Wolfsburg Mittel Hoch Delmenhorst Mittel Gering

Emden Mittel Mittel Oldenburg Mittel Mittel Osnabrück Hoch Hoch Wilhelmshaven Hoch Mittel Landkreise Gifhorn Gering Mittel Mittel Gering Göttingen Mittel Hoch Gering Mittel Goslar Mittel Hoch Gering Gering Helmstedt Hoch Mittel Mittel Mittel Northeim Mittel Mittel Hoch Mittel Osterode am Harz Hoch Mittel Hoch Mittel Peine Hoch Mittel Mittel Mittel Wolfenbüttel Hoch Mittel Hoch Mittel Region Hannover Gering Hoch Gering Mittel Diepholz Gering Mittel Gering Hoch Hameln-Pyrmont Hoch Hoch Gering Mittel Hildesheim Mittel Mittel Mittel Mittel Holzminden Hoch Hoch Hoch Gering Nienburg (Weser) Mittel Gering Gering Mittel Schaumburg Hoch Mittel Gering Mittel

179 Kommunalstrukturen in Nordostniedersachsen

Demokratische Integra- Örtliche In- tion Politische Kommune: tegration: Integration: Städte und Kreise Bürgernähe Wahlbe- Identität Ehrenamt teiligung

Celle Gering Hoch Gering Gering Cuxhaven Gering Mittel Gering Hoch Harburg Mittel Hoch Gering Gering Lüchow-Dannenberg Mittel Hoch Hoch Mittel Lüneburg Mittel Mittel Mittel Gering Osterholz Hoch Gering Mittel Gering Rotenburg (Wümme) Gering Mittel Hoch Mittel Heidekreis Gering Hoch Mittel Mittel Stade Mittel Mittel Gering Mittel Uelzen Mittel Mittel Hoch Gering Verden Hoch Mittel Mittel Gering Ammerland Hoch Hoch Mittel Gering Aurich Mittel Hoch Hoch Mittel Cloppenburg Mittel Gering Mittel Mittel Emsland Gering Gering Hoch Hoch Friesland Hoch Mittel Gering Gering Grafschaft Bentheim Mittel Mittel Hoch Mittel Leer Mittel Gering Mittel Mittel Oldenburg Mittel Mittel Hoch Mittel Osnabrück Gering Mittel Hoch Hoch Vechta Hoch Gering Hoch Gering Wesermarsch Hoch Mittel Gering Gering Wittmund Hoch Hoch Hoch Gering

Legende: Gering = geringe Eignung der Gebietskulisse; Mittel = mittlere Eignung der Gebietskulis- se; Hoch = besondere Eignung der Gebietskulisse.

Nordostnieder- Die Bewertung für den Untersuchungsraum fällt gemischt aus: die Landkreise Lü- sachsen/Region neburg, Lüchow-Dannenberg und Uelzen integrieren ihre Bürgerschaft in heraus- Lüneburg gehobenem Maße, weshalb sich für sie keine drängenden Gründe für etwaige Kon- zentrationserwägungen ergeben. Lediglich für Harburg und Celle lässt sich Hand- lungsbedarf diagnostizieren, dem durch eine Fusion in diesem Raumzuschnitt je- doch kaum entsprochen werden könnte, richtet sich die Orientierung der Bevölke- rung doch zunehmend entlang der Arbeitsverflechtungen nach Hamburg und Han- nover aus. Die gemeinsame historische Identität der Kreise im Untersuchungs-

180 Kommunalstrukturen in Nordostniedersachsen

raum stellt jedoch eine wertvolle Grundlage dar, die die bestehende Integration der Bevölkerung innerhalb neu zugeschnittener Gebietsstrukturen noch erhöhen könn- te.

4.6 Zwischenergebnis: Stabilisierungs- und Handlungsbedarf

Die kreisspezifische Auswertung fasst fünf Bewertungskriterien zusammen, deren Zusammenfüh-Ungleichgewichti- rungge und der begrenzt kreisspe- Gewichtung natürlich unterschiedlichen Interpretationen offen steht. Auch führt zifischenausgleichsfähige Indika- die Zusammenführung der Indikatorenwerte zu dem methodischen Problem, dass torenKommunalver- waltung entweder deren Gleichgewichtigkeit unterstellt oder aber eine Gewichtung durch den Gutachter vorgenommen werden müsste. Dies setzte allerdings politische Prio- ritätensetzungen voraus, die sich so bis heute nicht finden. Um die beträchtliche empirische Komplexität gleichwohl zu reduzieren und damit die Untersuchungser- gebnisse übersichtlich und prägnant darzustellen, entscheidet sich der Gutachter im Rahmen der nachfolgenden Abb. 4.6, die Indikatorenwerte eines jeden Kriteriums nach einer im Folgenden erläuterten Gewichtung zusammen zu führen und im Er- Gewichtung gebnis auf Handlungsoptionen zu verweisen. Für eine differenziertere Darstellung des Vorgehens sei ausdrücklich auf die am Ende der Unterkapitel 4.1 bis 4.5 vor- gestellten Übersichten verwiesen.

Die gewählte Indikatorengewichtung basiert auf den folgenden Überlegungen: Mit Bevölkerungsbe- satz und Raum- Blick auf den Bevölkerungsbesatz und die Raumkapazität wird eine Gleichgewich- kapazität tigkeit von Einwohnerzahl und Flächengröße unterstellt, da beide Messzahlen Pri- märindikatoren zur Beurteilung der Kommunalstruktur darstellen. Für die verwal- Verwaltungsgeo- graphische Kon- tungsgeographische Kongruenz wird dagegen von einem gewissen Bedeutungs- gruenz übergewicht sozioökonomischer Verflechtungen (in Form von Pendlerbewegungen und der Arbeitsmarktabdeckung) gegenüber anderen Erwägungen ausgegangen, da sowohl die breite Bürgerschaft als auch die Landeseliten wirtschaftlichen wie ar- beitsmarktbezogenen Themen eine zentrale Bedeutung zusprechen und sozioöko- nomische Verflechtungen in Raumordnung und Landesplanung zudem als ein wichtiger Ausgangs- und Bezugspunkt gelten. Außenbezüge bieten zwar erhebli- ches Entwicklungspotential, doch unterliegt landesinterne Kooperation bislang deutlich geringeren rechtlichen wie praktischen Hürden, dürfte ceteris paribus mit- hin leichter umsetzbar sein. Zudem sind einige Landkreise und kreisfreie Städte von grenzüberschreitenden Bezügen nur geringfügig betroffen. Der Gutachter ge- wichtet in der Gesamtschau die Indikatoren der Arbeitsplatzeigenversorgung und der Abdeckung des regionalen Arbeitsmarktes deshalb doppelt.

In Bezug auf die Entwicklungsfähigkeit wird von einer Gleichrangigkeit der sozio- Entwicklungsfä- higkeit ökonomischen, demographischen und finanziellen Entwicklung ausgegangen. Im Rahmen der Standortfaktoren kommt dabei dem BIP je Einwohner eine doppelte

181 Kommunalstrukturen in Nordostniedersachsen

Gewichtung zu, da es als Kernindikator zur Beurteilung der Wirtschaftskraft gilt. Um aber auch die künftige Entwicklung einzubeziehen, wird die prognostizierte Beschäftigtenentwicklung wiederum dreifach gewertet, um gegenüber dem gegen- wartsbezogenen BIP je Einwohner und der (einfach gewichteten) Arbeitslosenquo- te gleichsam „ebenbürtig“ zu sein. Für die Bevölkerungsentwicklung spielen die beiden altersspezifischen Indikatoren nicht zuletzt aufgrund ihrer haushalterischen Konsequenzen zwar eine wichtige Rolle, doch ist die Prognose für die Gesamtbe- völkerung einschlägiger und geht deshalb vierfach in die Bewertung ein, während die U18- und die Ü75-Quoten nur einfach berücksichtigt werden. Bei den finanziel- len Ressourcen kann demgegenüber von der Gleichwertigkeit von Deckungsquote und Zinsquote ausgegangen werden, da sie auf die hier als gleichrangig gewerteten Aspekte der Haushaltsdeckung und des Schuldenstandes zielen. Mit Blick auf das vierte Bewertungskriterium, die Ausgleichsfähigkeit und Gleichwertigkeit der Le- Ausgleichsfähig- keit und Gleich- bensverhältnisse, nimmt der Gutachter schließlich keine Gewichtung vor, hier dür- wertigkeit der Le- fen die einnahmen- (Steuereinnahmekraft) und ausgabenbezogenen (SGB II- bensverhältnisse Quote) Erwägungen als gleichrangig gelten, auch im Verhältnis zu den zentralörtli- chen Versorgungsniveaus.

Das letzte Bewertungskriterium der Integrationsfähigkeit setzt sich aus den als Integrationsfähig- keit gleichrangig eingeschätzten Dimensionen der Ortsnähe, Teilhabe und Identität zu- sammen. Die demokratische Integrationsfähigkeit wird durch die Zahl der Bewer- ber um ein Mandat in der kreislichen Vertretungskörperschaft höher eingeschätzt als die von zahlreichen Faktoren abhängige Wahlbeteiligung. Auch wird mit Blick auf die Teilhabe am politisch-administrativen Prozess in der staats- und verwal- tungswissenschaftlichen Literatur vor allem auf das Ehrenamt und dessen Zumut- barkeit abgestellt. Unter Berücksichtigung dessen wird die genannte Bewerberzahl vierfach gewichtet. Die drei Indikatoren zur Erfassung regionaler Identitäten wer- den demgegenüber gleich gewichtet, da davon auszugehen ist, dass sie in etwa gleiche Validitätsniveaus aufweisen.

In der folgenden zusammenfassenden Übersicht (Tab. 4.6-A) wählt der Gutachter Fünfstufiger Aus- weis gebietskör- eine fünfstufige Einteilung in geringe, geringe bis mittlere, mittlere, mittlere bis perschaftlicher hohe und hohe gebietskörperschaftliche Eignung, um die häufig auftretende Aus- Eignung prägung eines mittleren Handlungsbedarf, insbesondere bei der Ausgleichs- und In- tegrationsfähigkeit, auszudifferenzieren und tatsächliche Unterschiede deutlicher hervortreten zu lassen, die Ergebnisse mithin aussagekräftiger darzustellen.57

57 Die Zuordnung einer Gebietskörperschaft zu einer dieser fünf Einstufungen innerhalb eines Be- wertungskriteriums erfolgt, indem zunächst für jeden Indikator die Ausprägung „geringe Eig- nung“ mit der Zahl eins, „mittlere Eignung“ mit der Zahl zwei und „hohe Eignung“ mit der Zahl drei quantifiziert wird. Wird für das Verhältnis der Indikatoren eine Gewichtung vorgenommen, werden die genannten Zahlen mit dem jeweiligen Faktor multipliziert. Der damit mögliche Wer- 182 Kommunalstrukturen in Nordostniedersachsen

Tabelle 4.6-A: Eignung der kreislichen Gebietsstrukturen im Untersuchungsraum

Bevölke- Verwal- Entwick- Ausgleichs- Integra- Kommune: rungsbe- tungsgeo- lungsfähig- fähigkeit, tionsfähig- Städte und satz u. graphische keit gleichwert. keit Kreise Raumka- Kongruenz Lebensver- pazität hältnisse

Celle Hoch Mittel Gering-Mittel Mittel-Hoch Gering-Mittel

Harburg Mittel-Hoch Mittel Hoch Hoch Mittel

Lüchow- Gering-Mittel Mittel Gering Gering Mittel-Hoch Dannenberg

Lüneburg Mittel-Hoch Mittel Mittel Mittel-Hoch Gering-Mittel

Uelzen Gering-Mittel Mittel-Hoch Gering-Mittel Mittel Gering-Mittel

Legende: Gering = geringe Eignung der Gebietskulisse; Gering-Mittel = geringe bis mittlere Eignung der Gebietskulisse; Mittel = mittlere Eignung der Gebietskulisse; Mittel-Hoch = mittlere bis hohe Eignung der Gebietskulisse; Hoch = besondere Eignung der Gebietskulisse. * Für kreisfreie Städte wird allein der Bevölkerungsbesatz herangezogen.

Betrachtet man den Untersuchungsraum über alle Indikatoren und alle Landkreise Mittlere Eignung der Gebietskulisse hinweg, ergibt sich ein vergleichsweise einheitliches Bild über eine mittlere Hand- im Untersu- lungsfähigkeit der bestehenden Gebietskulissen. Die Variablen variieren nur selten chungsraum und pendeln sich in 80 Prozent der Fälle auf mittleren Werten ein. Die einzige Ausnahme bilden Harburg und Lüchow-Dannenberg, die sich in den beiden ge- wichtigsten Indikatoren diametral gegenüberstehen: Harburg mit sehr guten, Lü- chow-Dannenberg mit geringen Ausgleichs- und Entwicklungspotentialen.

Die beiden Kreise Harburg und Lüchow-Dannenberg stellen sich auch weiterhin Stärken und Schwächen der als sehr unterschiedlich dar: Der Landkreis Harburg besitzt zwar eine nur geringe bestehenden eigene Wirtschaftskraft, profitiert aber derart von seiner Nähe zu Hamburg, dass Kreisstruktur seine finanzielle Situation und damit sein Potential zum Ausgleich unterschiedli- cher Lebensverhältnisse als befriedigend gekennzeichnet werden können. Lüchow- Dannenberg ist ohne einen entsprechenden Lagevorteil und vermag bislang sein Potential zu grenzüberschreitenden Aktivitäten nur eingeschränkt zu nutzen. So leidet der Kreis sowohl an nicht ausreichenden Beschäftigungsmöglichkeiten als auch an einer defizitären Haushaltsstruktur, die die Herstellung gleichwertiger Le-

tebereich für die Gesamtpunktzahl wird in fünf möglichst gleich große Intervalle eingeteilt. Für die einzelnen Bewertungskriterien ergibt sich damit folgende Verteilung der Gesamtpunktzahlen (gering, gering-mittel, mittel, mittel-hoch, hoch): 1. Bevölkerungsbesatz und Raumkapazität (2; 3; 4; 5; 6), 2. Verwaltungsgeographische Kongruenz (6-8; 9-10; 11-13; 14-15; 16-18), 3. Ent- wicklungsfähigkeit (18-25; 26-32; 33-39; 40-46; 47-54), 4. Ausgleichsfähigkeit (3; 4-5; 6; 7-8; 9), 5. Integrationsfähigkeit (15-20; 21-26; 27-33; 34-39; 40-45). 183 Kommunalstrukturen in Nordostniedersachsen

bensverhältnisse erschwert. Gleichzeitig identifizieren sich die Harburger Bürger aufgrund ihrer beruflichen Orientierung an Hamburg geringfügiger mit dem Land- kreis als dies in Lüchow-Dannenberg der Fall ist, was sich in einer niedrigen Wahlbeteiligung widerspiegelt. Der demographische Wandel bringt Harburg zwar kaum Bevölkerungsrückgang, doch wird dem Kreis eine immer älter werdende Be- völkerung zu schaffen machen. Die verschwindend geringe Bevölkerungszahl Lü- chow-Dannenbergs schließlich birgt für die Aufrechterhaltung der öffentlichen und sozialen Dienstleistungen beträchtliche Finanzierungsprobleme, sodass das Stabili- sierungserfordernis hier unabwendbar ist, selbst wenn die ungewöhnlich hohe In- tegrationskraft des Kreises dadurch sinken könnte.

Der Handlungs- und Stabilisierungsbedarf des dazwischen liegenden Kreises Lü- neburg konzentriert sich auf eine Anpassung der Infrastruktur- und Versorgungs- leistungen an eine zwar nicht schrumpfende, jedoch überalterte Gesellschaft, bei gleichzeitiger Konsolidierung des Haushaltes, der ein wachsendes Finanzierungs- defizit erkennen lässt. Gemeinsam mit Lüchow-Dannenberg sollten zudem grenz- überschreitende Bezüge in Nachbarländer und -Kreise hergestellt oder verbessert werden. Der Landkreis Uelzen leidet ebenfalls an einer negativen haushalterischen Entwicklung, begleitet von einem Bevölkerungsrückgang, der den bereits bevölke- rungsarmen Landkreis vor beträchtlichen Stabilisierungsbedarf stellt. Der hier nur ergänzend einbezogene Kreis Celle als Teil der Arbeitsmarktregion Hannover teilt auch deren hohe Arbeitslosen- und Sozialhilfequoten sowie die negative Beschäfti- gungsentwicklung, weshalb dem Stabilisierungsbedarf nur eingeschränkt durch er- weiterte Kooperationen im Untersuchungsraum entsprochen werden könnte.

184 Kommunalstrukturen in Nordostniedersachsen

5 Zukunftsorientierte Funktionsanalysen in ausgewählten Auf- gabenfeldern

Nachdem die Landkreise Lüneburg, Lüchow-Dannenberg, Uelzen, Harburg und Ergänzende Funk- tionsanalysen Celle auf der Basis eines ungewöhnlich breiten und gleichzeitig tiefgehenden Indi- katorensatzes datenanalytisch untersucht und für einige dieser Gebietskörperschaf- ten Stabilisierungsbedarfe erkennbar wurden, soll im Folgenden auf einzelne auf- gabenspezifische Handlungsoptionen abgestellt werden, die in weiten Teilen auf jenen Gesprächen beruhen, die der Gutachter in den vergangenen Monaten führte. Dabei sei erneut daran erinnert, dass die Trias Aufgabenkritik → Funktionalreform → Strukturreform eine unabweisbare formale Logik von Reformschritten benennt, denen, wo immer möglich, gefolgt werden sollte. Allerdings ist einzuräumen, dass angesichts sich beschleunigender Veränderungen der jeweiligen Rahmenbedingun- gen in einzelnen Teilräumen Niedersachsens auch ein „kontrolliertes Übersprin- gen“ dieser Logik akzeptiert werden kann. Im Übrigen nehmen die Ausführungen eine zwischen der Landesregierung und dem Kommunalbereich strittige Diskussi- on auf, nach der eine umfassende Funktionalreform noch ausstünde. Immerhin überprüfen Landesregierung und kommunale Spitzenverbände derzeit eine poten- tielle Kommunalisierung von Aufgaben – von der staatlichen auf die kommunale, zudem von der kreislichen auf die gemeindliche Ebene. Angesichts dieses noch laufenden Prozesses kann der Gutachter natürlich keine gleichsam gesamthafte Aufgabenanalyse im Rahmen einer sich auf eine begrenzte Bearbeitungszeit erstre- ckenden Untersuchung vorlegen.1 Gleichwohl werden aufgrund der hohen Bedeu- tung aufgabenanalytischer Betrachtungen zumindest Einblicke in ausgewählte Auf- gabenbereiche präsentiert, die sich mit Ergebnissen der Befragungen, einer erwei- terten Prüfung vorliegender Primär- und Sekundärmaterialien sowie Erfahrungen aus ähnlich gelagerten Untersuchungen in den Räumen Wolfsburg-Gifhorn- Helmstedt und Südniedersachsen sowie in anderen Flächenländern verbinden.

In den nachfolgenden Ausführungen wird zunächst erläutert, wie eine systemati- Aufbau des Kapi- tels sche und den Namen verdienende Aufgabenanalyse aufgebaut sein müsste. Dazu werden grundlegende analytische Kategorien (mit Blick auf den Adressatenkreis, die Leistungsmerkmale, die Regelungskompetenz, den Vollzug und den Ressour- ceneinsatz in einem Handlungsfeld), anzulegende Beurteilungsmaßstäbe und all- gemeine Reformoptionen erörtert (Kap. 5.1). Dem schließt sich eine Systematisie- rung der Aufgaben der Gemeinde- und Kreisstufe im Land Niedersachsen an, die den Auswahlprozess für den Untersuchungsraum Nordostniedersachsen leitet (Kap. 5.2). Im Anschluss werden die in den Interviews gewonnenen Erkenntnisse zu

1 Eine Untersuchung des Gutachters für das Saarland stellt die bis heute einzige gesamthafte Auf- gabenkritik eines Flächenlandes dar, vgl. dazu Hesse, a.a.O., 2007a. 185 Kommunalstrukturen in Nordostniedersachsen

Kooperations- und (Teil-)Fusionsoptionen in diesen Handlungsfeldern dargestellt (Kap. 5.3). Am Beispiel der jeweils abschließend angesprochenen Aufgaben des Gesundheitsschutzes, des Veterinärwesens und der Lebensmittelaufsicht sei doku- mentiert, wie eine fruchtbare Aufgabenanalyse angelegt sein könnte/sollte und welche Erkenntnisse sich mit ihr verbinden.

5.1 Kategorien und Maßstäbe von Aufgabenanalysen sowie Reform- optionen

Die am Beginn einer jeden Aufgabenanalyse stehende Aufgabenerhebung muss Anforderungen an eine Aufgabener- sich inhaltlichen wie methodischen Anforderungen stellen (vgl. Abb. 5.1-A). Dabei hebung geht es zunächst darum, den jeweiligen Gegenstand und die inhaltlichen Bezüge einer Aufgabe zu definieren. Hierbei kommen die staatlichen wie kommunalen Organisations-, Geschäftsverteilungs-, Haushalts- und Produktpläne zur Anwen- dung. Diesen materiellen Bezügen sind die jeweils zuständigen Aufgabenträger und Verwaltungsorgane zuzuordnen, um sie dann mit prozessbezogenen und funk- tionalen Leistungsmerkmalen der Aufgabenwahrnehmung zu versehen. Ausgehend vom Gegenstand und von den funktionalen Charakteristika einer Zuständigkeit folgt die Benennung des internen und externen Adressatenkreises bzw. der Ziel- gruppen einer öffentlichen Tätigkeit. Inwieweit die Aufgabenwahrnehmung staatli- cher und kommunaler Verwaltungen erweiterten Verflechtungstatbeständen unter- liegt, wird durch die Unterscheidung von Regelungskompetenz und Vollzugsver- antwortung gekennzeichnet. Hiermit verbinden sich Fragen des räumlichen und sachlichen Gestaltungsspielraums seitens der Aufgabenträger und zuständigen Verwaltungsorgane. Schließlich werden den auf diese Weise definierten Aufgaben die jeweils benötigten Personal- und Sachmittel zugeordnet.

Im Anschluss an eine derart beschriebene Aufgabenerhebung folgt die eigentliche Aufgabenkritik. Dabei sollen Ansatzpunkte einer unter Kosten- und Effektivitätsge- sichtspunkten optimierten Aufgabenwahrnehmung (etwa durch Kooperation oder Zuständigkeitsverlagerung) identifiziert werden. Hierzu bedarf es eines Gerüsts von Maßstäben und Leitfragen, die einerseits wissenschaftlich abgesichert sind, andererseits aber auch für die interessierte und betroffene Praxis handhabbar blei- ben. Der Gutachter verwendet dabei vier Kriterienbündel:

• die Effizienz des Staats- und Verwaltungshandelns, Kriterien der Aufgabenkritik • die Effektivität öffentlicher Tätigkeit bzgl. Lebensqualität und Wirksamkeit, • die Gewährleistung von Teilhabe und Bürgernähe sowie • die Realisierbarkeit etwaiger Veränderungen im Rahmen der Kompetenzver- teilung und der Verwaltungsorganisation.

186 Kommunalstrukturen in Nordostniedersachsen

Abbildung 5.1-A: Methodik der Aufgabenerhebung

Aufgabenbezogene Bestandsaufnahme

Gegenstand und Personal- und inhaltliche Bezüge Sachmittel

Zuständige Verflechtungs- Verwaltung tatbestände

Funktionale Adressaten und Leistungsmerkmale Zielgruppen

Erfassung und Darstellung nach

Aufgabenbereichen Zuständigkeiten Leistungsbereichen Verflechtung

Verkehr, Jugend usw. Ministerium, Kreise usw. Leitung, Bewilligung usw. Wer regelt? Wer vollzieht?

Quelle: Eigene Darstellung.

Dabei meint Effizienz Wirtschaftlichkeit und Zielgenauigkeit beim Einsatz verfüg- EffizienzKriterien der Aufgabenkritik: barer Ressourcen. Mit Blick auf die Aufbauorganisation betrifft dies vor allem die Möglichkeit, in vertikal wie horizontal konzentrierten Kontexten die Verwendung von Personal- und Finanzmitteln flexibel und bedarfsorientiert steuern zu können. Effektivität ist dagegen als primär politische Kategorie zu verstehen. Hier geht es Effektivität um die Steuerungsfähigkeit von Staat und Kommunen, um die Qualität und Zielge- nauigkeit ihres Handelns sowie um das Reaktionsvermögen gegenüber einem zu- nehmend anspruchsvollen Umfeld. Teilhabe und Bürgernähe beziehen sich auf die Teilhabe und Bürgernähe Legitimation öffentlicher Einrichtungen und ihrer Tätigkeit sowie auf die Möglich- keit, über gewählte Organe das Staatshandeln (direkt) reglementieren, kontrollieren und fordern zu können. Schließlich muss sich jede Reform auch an ihrer Realisier- Realisierbarkeit barkeit messen lassen. Damit ist die „Machbarkeit“ und Akzeptanz nach innen angesprochen. Ferner beinhaltet dies die Zustimmung von Politik, Wirtschaft und Gesellschaft. Hier ist die Frage nach der Reformdauer und den politischen wie materiellen Kosten von zentraler Bedeutung.

Die aus einer Aufgabenkritik ableitbaren Handlungsoptionen werden in der Abbil- Aus der Aufga- benkritik folgende dung 5.1-B im Überblick dargestellt. Neben der „radikalsten“ Konsequenz, dem Ab- Handlungsoptio- bau von Standards sowie dem Verzicht auf und der Privatisierung von Aufgaben, liegt nen der im Rahmen des Landesrechts gegebene Gestaltungsspielraum vor allem im öffentli- chen Bereich. Hierbei sind grundsätzlich alle Formen der Dezentralisierung denkbar, also von der Landesebene auf die Kreisstufe und die Gemeinden sowie von den Kreisen auf die kreisangehörigen Kommunen. In entgegengesetzter Richtung bieten sich Optio- nen der Hochzonung bzw. Zentralisierung von Aufgaben an. Hierzu zählen wiederum Zuständigkeitsverlagerungen zwischen Staat und Kommunen sowie im kommunalen

187 Kommunalstrukturen in Nordostniedersachsen

Bereich selbst. Zudem können sich Aufgabenträger zur Kooperation entschließen, etwa im Rahmen von Zweckverbänden oder mittels Formen der Auftrags- und Mitverwaltung.

Abbildung 5.1-B: Optionen einer Funktionalreform

Landesebene / zentrale Landeseinrichtungen

Zweckverbände / Kooperation über Kreisgrenzen hinweg Kooperation De zent rali si erung / Kommunal isierung Landkreise und kreisfreie Städte

Aufgabenverzicht, Zweckverbände / Koop. im kreisangehöri gen Raum Hochzonung, Standardabbau, Zentralisierung Privatisierung Kooperation Dezent ral i si e rung

Städte und Gemeinden

Privater Sektor Quelle: Eigene Darstellung.

Da sowohl einer Dezentralisierung und Hochzonung als auch einer erweiteten Ko- Etwaige struktu- relle Konsequen- operation im Rahmen der vorhandenen Organisation und Kooperationsmöglichkei- zen einer Funkti- ten Grenzen gesetzt sind, müssen aus den dargestellten Handlungsansätzen einer onalreform Funktionalreform ggf. auch strukturelle Konsequenzen (veränderte Rechtsformen der Kooperation, Gebietsreform, Anpassung der inneren Verfassung) gezogen wer- den.

5.2 Kommunaler Aufgabenbestand und Auswahl der untersuchten Aufgabenfelder

Aus dem Untersuchungsauftrag ergibt sich, dass der aufgabenanalytische Zugang Vollständige Auf- gabendarstellung, nur einen Teil der kommunalen Aufgabenfelder umfassen kann, woraus sich wie- Auswahlentschei- derum das Erfordernis ableitet, die kommunalen Aufgaben zunächst vollständig dung darzustellen und dann eine begründete Auswahl zu treffen. Da sich das Gutachten auch und vor allem auf die Möglichkeiten einer verbesserten Zusammenarbeit in Nordostniedersachsen richtet, stehen insbesondere die Aufgaben der Kreisebene im Mittelpunkt.

Kommunale Aufgaben lassen sich grundlegend nach dem eigenen Wirkungskreis (pflichtige und freiwillige Selbstverwaltungsaufgaben) und dem übertragenen Wir- kungskreis unterscheiden (vgl. Abb. 5.2-A, 5.2-B und 5.2-C). Eine vollständige Darstellung der freiwilligen Aufgaben ist aufgrund der allgemeinen Zuständig- keitsvermutung zugunsten des kommunalen Bereichs dabei nicht möglich.

188 Kommunalstrukturen in Nordostniedersachsen

Abbildung 5.2-A: Selbstverwaltungsaufgaben der Landkreise Selbstverwal- Freiwillige Pflichtaufgaben tungsaufgaben der Selbstverwaltungsaufgaben Landkreise • Abfallentsorgung • Wasserversorgung Basis- (§ 6 Abs. 1 Satz 1 NAbfG) versorgung, • Energieversorgung • Öffentl. Personennahverkehr -entsorgung • Verkehrsversorgung, soweit (§ 4 Abs. 1 Nr. 3 NNVG) nicht Pflichtaufgabe • Einrichtung und Unterhaltung Bau und Unterhaltung von: von Krankenhäusern • Altersheimen (§ 1 Nds. KHG) • Pflegeheimen • Kriegsopferfürsorge • Behinderteneinrichtungen (§ 1 Nds. DG KFürsG) Soziales und Sozialhilfe Gesundheit • (§ 3 Abs. 2 Satz 1 SGB XII, § 1 Nds. AG SGB XII) • Kinder- und Jugendhilfe (§ 69 Abs. 1 SGB VIII, § 1 Abs. 1 AG KJHG) • Schulträgerschaft Trägerschaft von: (§ 102 Abs. 2 NSchG), • Musikschulen einschl. Schulanlagenbau, • Volkshochschulen -errichtung und -unterhaltung • Bildstellen Bildung (§ 108 Abs. 1 NSchG) • Schullandheimen und Kultur • Schülerbeförderung

(§ 114 NSchG) Bau und Unterhaltung von: • Sonstige Kostenbeteiligung Museen (§§ 117, 118 NSchG) • • Konzertsälen • Sportförderung • Sportanlagenbau • Sportfinanzierung • Unterhaltung Sport, Freizeit, Kommunikationsförderung Erholung • • Ferienangebote • Pflege des Vereinswesens • Herstellung von Erholungs- raum • Regionalplanung • Wohnungsbau (§ 26 Abs. 1 Satz 1 NRGO) • Straßenbau und -unterhaltung Bauwesen • Straßenbaulast für Kreisstra- • Bau öffentlicher Ein- ßen (§ 43 Abs. 1 Satz 2 richtungen NStrG) • Fremdenverkehr • Infrastrukturbereitstellung • Trägerschaft von Sparkassen (§ 1 NSpG) Wirtschaft • Wirtschaftsförderung • Finanzierung • Fremdenverkehr • Infrastrukturbereitstellung

189 Kommunalstrukturen in Nordostniedersachsen

Freiwillige Pflichtaufgaben Selbstverwaltungsaufgaben • Trägerschaft von Sparkassen (§ 1 NSpG) • Wirtschaftsförderung • Finanzierung • Kreditierung Wirtschaft • Beratung (Fortsetzung) • Technologieförderung • Agrarförderung • Subventionierung • Messeveranstaltungen • Verkehrsangebote • Brandschutz und Hilfeleistung (§ 3 Abs. 1 und 2 NBrand- SchG) Gefahren- • Rettungsdienst abwehr (§ 3 Abs. 1 Nr. 2, Abs. 2 NRettDG) • Tierkörperbeseitigung (§ 1 Nds. AG TierNebG) • Presseinformation • Bürgerberatung Öffentlich- (§ 4 Abs. 1 NPresseG) • Bürgerinformation keitsarbeit • Kreiswerbung Quelle: Ipsen, J.: Niedersächsisches Kommunalrecht, 4. Aufl., Stuttgart, 2011, 103.

Abbildung 5.2-B: Selbstverwaltungsaufgaben der Gemeinden Freiwillige Selbstverwal- Pflichtaufgaben Selbstverwaltungsaufgaben tungsaufgaben der Gemeinden • Abwasserbeseitigung • Energieversorgung Basis- (§ 96 Abs. 1 NWG) versorgung, • Wasserversorgung • Straßenreinigung -entsorgung • Verkehrsversorgung (§ 52 Abs. 1 und 2 NStrG) (§ 4 Abs. 3 Satz 1 NNVG) • Kinder‐ und Jugendhilfe • Gesundheitsfürsorge (§ 1 Abs. 2 Satz 1, Abs. 3 • Hilfen in finanzieller Not SGB VIII) • Schuldnerberatung • Unterhaltung von Kinder- • Wohnungsvermittlung tagesstätten • Frauenförderung (§ 12 Abs. 1 Satz 3 KiTaG • Seniorenarbeit i.V.m. § 24 Abs. 1 Satz 2, Abs. 2 SGB VIII, § 1 Abs. 2 • Obdachlosenbetreuung Soziales und AG KJHG) • Kriegsopferfürsorge Gesundheit • Anlage öffentlicher Spiel- • Hilfen für kinderreiche plätze Familien (§ 10 Abs. 1 SpielplatzG) • Ausländerintegration • Hilfe bei Verwaltungs- • Drogenberatung angelegenheiten • Behindertenbetreuung (§ 37 NKomVG) • Tierschutz • Förderung freier Wohlfahrts- arbeit

190 Kommunalstrukturen in Nordostniedersachsen

Freiwillige Pflichtaufgaben Selbstverwaltungsaufgaben • Schulträgerschaft • Kulturangebote (Grundschulen; § 102 Abs. 1 • Kulturförderung NSchG) • Heimatpflege einschl. Schulanlagenbau, • Kunstpflege ‐errichtung, ‐unterhaltung Bildung und • Beiträge zur Völker- (§ 108 Abs. 1 Satz 1 NSchG) Kultur verständigung • Fortbildung • Berufsausbildung • Erwachsenenbildung • Reiseveranstaltungen • Sportförderung • Sportanlagenbau • Sportfinanzierung • Unterhaltung Sport, Freizeit, Kommunikationsförderung Erholung • • Ferienangebote • Pflege des Vereinswesens • Herstellung von Erholungs- raum • Bauleitplanung • Wohnungsbau (§§ 1 Abs. 3, 2 Abs. 1 Satz 1 • Baulandbereitstellung BauGB) • Bau öffentlicher Ein- • Erschließungslast Bauwesen richtungen (§ 123 Abs. 1 BauGB) • Straßenbaulast für Gemeinde- straßen (§ 48 NStrG) • Fremdenverkehr • Infrastrukturbereitstellung • Trägerschaft von Sparkassen (§ 1 NSpG) • Wirtschaftsförderung • Finanzierung Wirtschaft • Kreditierung • Beratung • Technologieförderung • Agrarförderung • Subventionierung • Messeveranstaltungen • Verkehrsangebote • Brandschutz und • Bestattungswesen Gefahrenab- Hilfeleistung • Bereitstellung von Schlacht- wehr (§§ 1 Abs. 2, 2 Abs. 1 Satz 1 einrichtungen NBrandSchG) • Presseinformation • Bürgerberatung Öffentlich- (§ 4 Abs. 1 NPresseG) • Bürgerinformation keitsarbeit • Stadtwerbung („Stadt- marketing“) Quelle: Ipsen, a.a.O., 2011, 102.

191 Kommunalstrukturen in Nordostniedersachsen

Abbildung 5.2-C: Aufgaben im übertragenen Wirkungskreis

Kommunale Auf-

gaben im übertra-

Gewerbe (z.B. Anlage ZustVO-Wirtschaft Nr. 1.1, 1.2, 1.5, genen Wirkungs- kreis 1.7, 1.8, 1.9, 1.11, 1.13,1.14); Sonn- und Feiertage (§ 14 Abs. 1 NFeiertagsG); Personenstandswesen (§ 1 AVO

PStG); Meldewesen (§ 2 Nds. MeldeG); Personalausweise (§ 3 Abs. 1 Nds. AG PAuswG); Aufgaben der Erfassung im Rahmen des Wehrersatzwesens (§ 15 Abs. 4 WehrPflG i.V.m. § 2 Nds. MeldeG); Allgemeine Gefahrenabwehr (§ 97 Abs. 1 Nds SOG). Gemeinden

Versammlungswesen (§ 24 Abs. 1 Satz 2 NVersG); Gewer- be (Anlage ZustVO-Wirtschaft Nr. 1); Handwerk (Anlage ZustVO-Wirtschaft Nr. 3.1); Gaststätten (Anlage ZustVO-

Wirtschaft Nr. 4); Waffen (Anlage ZustVO-Wirtschaft Nr. 3.6.1); Straßenverkehr (§ 44 Abs. 1 StVO i.V.m. §§ 6 Abs.1, 17 NKomVG); Erteilung von Auskünften über soziale Angelegenheiten (§ 3 Abs. 1 Nr. 6 AllgZustVO-Kom); Wohngeld (§ 3 Abs. 1 Nr. 7 AllgZustVO-Kom); Namenswe- sen (§ 3 Abs. 1 Nr. 1 AllgZustVO-Kom); Wohnraumförde- rung (§ 3 Abs. 1 Nr. 10 AllgZustVO-Kom). Selbständige Gemeinden (§ 17 NKomVG) Gemeinden (§ 17 Selbständige Aufenthalts- und Passrecht (§ 2 Nr. 1 AllgZustVO-Kom); Bauauf- sicht (§ 63 Abs. 1 Satz 1 NBauO); Personenbeförderung (§§ 16 Abs. 3, 20 Abs. 2 Nr. 1 ZustVO-Verkehr); Güterkraftverkehr (§§ 17 Abs. 2, 20 Abs. 2 Nr. 2 ZustVO-Verkehr); Staatsangehörigkeit (§ 2 Nr. 2 AllgZustVO-Kom); Heimwesen (§ 2 Nr. 3 AllgZustVO- Kom); Aufsicht über Wasserverbände (§ 1 Abs. 1 Nds. AG WVG); Denkmalschutz (§ 19 Abs. 1 DenkmalschutzG i.V.m. § 63 Abs. 1 Satz 1 NBauO); Aufgaben der unteren Wasserbehörden (§ 127 Abs. 2 NWG). Große Selbständige Städte (§ 17 17 NKomVG) (§ Städte Selbständige Große Deichwesen (§ 30 Abs. 2 NDG); Betreuungswesen (§1 Satz 1 Nds. AG BtG i.V.m. § 2 Nr. 19 AllgVorbehVO); Hilfen für psychisch Kranke (§ 3 NPsychKG i.V.m. § 2 Nr. 6 AllgVorbehVO); Naturschutz (§ 54 Abs. 1 NABGNatSchG); Abfallentsorgung (§§ 41 Abs. 2, 42 NAbfG); Aufgaben im Bereich des Waldes (§ 43 Abs.1, 7 NWaldLG); Tierschutz (§ 1 Nr. 2 AllgZustVO-Kom); Jagdwesen (§ 36 Abs. 1 Satz 1 NJagdG); Katastro- phenschutz (§ 2 Abs. 1 Nds. KatSG i.V.m. § 2 Nr. 2 AllgVorbehVO); Kommunalaufsicht (§ 171 Abs. 2 NKomVG); Verordnungen zur Ge- fahrenabwehr (§ 55 Abs. 1 Nr. 2 Nds. SOG); Zivilschutz (§ 2 Abs. 1 ZSG i.V.m. § 1 Nr. 1 AllgZustVO-Kom); Aufgaben nach AsylbLG (§ 2 Abs. 1 Satz 1 AufnG). Kreisfreie 1, 18 NKomVG) Städte (§§ 6 Abs. Landkreise (§ 1 NKomVG) Landkreise 6 Abs.

Quelle: Ipsen, a.a.O., 2011, 116f.

Bei der Auswahl geeigneter Aufgabenfelder für die Aufgabenanalyse werden zu- Kriterien der Aufgabenauswahl dem die folgenden Kriterien berücksichtigt. Der Aufgabenbereich muss in der zu- mindest teilweisen Zuständigkeit der niedersächsischen Landkreisebene liegen und sollte darüber hinaus möglichst:

• eine hohe haushalterische Bedeutung im Kreishaushalt aufweisen, • für eine interkommunale Zusammenarbeit geeignet sein, • eine hohe Kooperations- bzw. Fusionsrendite erwarten lassen sowie

192 Kommunalstrukturen in Nordostniedersachsen

• im Untersuchungsraum Lüneburg – Uelzen – Lüchow-Dannenberg – Har- burg – Celle noch nicht durch eine effektive interkommunale Zusammenar- beit zwischen den kreislichen Gebietskörperschaften geprägt sein.

Dabei werden die Aufgabenfelder der ersten teilregionalen Untersuchung des Gut- Ausgewählte Aufgabenfelder achters2 beibehalten, um aus dem Vergleich zusätzliche Erkenntnisse zu gewinnen. Im Ergebnis wurden die folgenden Aufgabenbereiche exemplarisch für kompri- mierte Funktionalanalysen ausgewählt: • Allgemeine Verwaltung, Finanzverwaltung (inkl. Rechnungsprüfung), Per- sonalverwaltung • Arbeit und Soziales • Schulträgerschaft • Jugendhilfe • Wirtschaftsförderung (inkl. Tourismus) • Bauwesen (inkl. Bauordnung) und Regionalplanung • Öffentlicher Personennahverkehr • Umwelt • Kultur • Gesundheitsschutz und Gesundheitsaufsicht • Veterinärwesen und Lebensmittelaufsicht.

5.3 Analyse ausgewählter Schlüsselaufgaben

Die nachfolgenden aufgabenanalytischen Ausführungen beziehen sich vorrangig Vorgehen bei der Aufgabenanalyse auf das Binnenverhältnis des Landkreises Lüneburg und seiner kreisangehörigen Städte und Gemeinden sowie auf die Möglichkeiten einer kreisübergreifenden Aufgabenwahrnehmung durch die Kreise Lüneburg, Uelzen und Lüchow- Dannenberg sowie (eingeschränkt) Celle und Harburg. Dabei wird zunächst die Allgemeine Organisationsentwicklung der benannten Kreisverwaltungen einer Analyse unterzogen, wobei sich die Untersuchung auf die Allgemeine Verwaltung, die Finanzverwaltung und schließlich die Personalverwaltung richtet (Kap. 5.3.1). Auf diese Binnenperspektive der „Verwaltung der Verwaltung“ folgt die Analyse ausgewählter Fachpolitiken, wobei insbesondere prozesshafte und entwicklungs- orientierte Aufgabenfelder diskutiert werden (Kap. 5.3.2–5.3.10). Erneut sei darauf verwiesen, dass lediglich in den Bereichen des Gesundheitsschutzes und der Ge- sundheitsaufsicht (Kap. 5.3.9) sowie des Veterinärwesens und der Lebensmit- telaufsicht (Kap. 5.3.10) eine gleichsam vollständige Aufgabenkritik zum Ausweis von Kooperations- und Fusionspotentialen vorgelegt werden kann; sie folgt der in Kap. 5.1 aufgeführten Methodik. In den weiteren Aufgabenfeldern werden die in den Intensivinterviews gewonnenen Erkenntnisse zu Möglichkeiten erweiterter Kooperation oder eines Zusammenschlusses dargestellt und eingeschätzt, jeweils ergänzt um eine Beschreibung der Aufgaben der Kreisstufe zu Beginn und eine

2 Hesse, J.J., a.a.O., 2011a; sie bezog sich auf den Raum Wolfsburg-Gifhorn-Helmstedt. 193 Kommunalstrukturen in Nordostniedersachsen

sich anschließende Würdigung laufender bzw. abgeschlossener interkommunaler Kooperationsvorhaben (Kap. 5.3.1–5.3.8).

5.3.1 Allgemeine Organisationsentwicklung

Allgemeine Verwaltung

Zur Erfüllung der (in den folgenden Unterkapiteln dargestellten) materiellen Auf- Aufgaben der Allgemeinen Ver- gaben ist die Kreisebene auf eine ausdifferenzierte allgemeine Organisationsver- waltung: waltung angewiesen, die einerseits politisch-administrative Führung und Vermitt- lung sicherstellt und andererseits zentrale Verwaltungsdienste erbringt. Neben den politischen Gremien und der Verwaltungsleitung geht es hierbei vor allem um die Kommunalaufsicht, allgemeine Rechts- und Organisationsangelegenheiten, interne Serviceleistungen (inkl. des IT-Bereichs) sowie schließlich um das Gebäudemana- gement.3 Die Personal- und Finanzverwaltung werden in den nachfolgenden Ab- schnitten gesondert behandelt.

Die Verwaltung der politischen Gremien richtet sich im Wesentlichen auf Fragen Politische Gre- mien und Verwal- der Steuerung, Entwicklung und Beratung im Rahmen der Gremienarbeit sowie auf tungsführung die Verwaltung und Fortentwicklung einzelner Regelsysteme, wie etwa der ein- schlägigen Satzungen und Geschäftsordnungen. Weiteres Augenmerk gilt der Si- cherstellung eines störungsfreien Sitzungsverlaufs und eines verlässlichen Informa- tionsflusses. Mit Blick auf die Verwaltungsführung stellt die Verwaltung auf Kreisebene – neben den gewählten hauptamtlichen Spitzenvertretern – im Rahmen der Dezernats- und Amtsleitungen die Aufsicht und Planung über die Arbeit der entsprechenden Einrichtungen sicher. Im Rahmen von Strategieplänen werden allgemeine wie spezifische Regeln und Anweisungen entwickelt; die Verwaltungs- führung fungiert zudem als Außenvertretung. Im Bereich der Kommunalaufsicht unterstützen die Landkreise ihre Mitgliedsgemeinden, Samtgemeinden und Real-/ Zweckverbände sowie kommunale Anstalten in der Ausübung ihrer Rechte und stellen eine Erfüllung der entsprechenden Pflichten sicher. Zudem wird die Einhal- tung der einschlägigen gesetzlichen Regelungen überwacht.

Hinsichtlich der Rechts- und Organisationsangelegenheiten geht es einerseits um Rechts- und Or- ganisationsange- die Beratung und Unterstützung der Verwaltung in komplexen Rechtsfragen und legenheiten andererseits um die Mitgestaltung der Aufbau- und Ablauforganisation. Letzteres richtet sich auch auf Stellenbemessungen, Regelungsoptimierung und die Gestal-

3 Eine verbindliche Definition des Umfangs der Allgemeinen Verwaltung weisen weder das Schrifttum noch die Praxis aus; die Aufgabenanalysen in diesem und den weiteren Unterkapiteln folgen daher analytischen Unterscheidungen, die sich mit der ISE-Aufgabensystematik verbin- den, wohl wissend, dass die entsprechenden Zuordnungen bei den Gebietskörperschaften im Un- tersuchungsraum uneinheitlich ausfallen. 194 Kommunalstrukturen in Nordostniedersachsen

tung der Verwaltungsgliederung. Auch werden hier interne Vorschläge geprüft und ggf. an die Verwaltungsführung weitergeleitet.

Im Bereich der internen Serviceleistungen schließlich ergibt sich Handlungsbedarf Interne Service- leistungen mit Blick auf das Telefonwesen, den Fuhrpark, die Büroausstattung, Postdienstleis- tungen, Beschaffungen, Versicherungen sowie die IT-Infrastruktur. Letztere um- fasst die Einführung und Betreuung neuer Systeme, den Unterhalt und die Entwick- lung der gegebenen Infrastruktur sowie die Unterstützung der Anwender durch Hilfsleistungen und Schulungen. Der Bereich Gebäudemanagement umfasst den Gebäudemanage- Unterhalt, die Bewirtschaftung und die Pflege der im Besitz der Kreisebene befind- ment lichen bebauten Grundstücke.

Der Bereich der allgemeinen Verwaltung ist aufgrund seiner Personalintensität und Hohe Eignung für interkommunale des geringen Publikumsverkehrs in besonderer Weise für interkommunale Koope- Kooperation ration geeignet. Allerdings dokumentiert sich sowohl im Binnenverhältnis von Landkreis und Hansestadt Lüneburg als auch zwischen dem Landkreis Lüneburg und den übrigen kreisangehörigen Gemeinden ein nur geringes Kooperationsni- veau, das auch für die Zusammenarbeit des Landkreises mit den benachbarten Kreisen kennzeichnend ist. Der Gutachter konnte unter Berücksichtigung der be- stehenden Formen der Zusammenarbeit eine Reihe weiterer, wenn auch eher klein- teiliger Kooperationsmöglichkeiten in den drei benannten Kooperationsbeziehun- gen identifizieren.

Mit Blick zunächst auf die Zusammenarbeit von Landkreis und Stadt Lüneburg, ist Bestehende Ko- operationen zwi- auf folgende etablierte Kooperationsprojekte zu verweisen: schen Stadt und Kreis Lüneburg • das Betreiben eines gemeinsamen Internetauftritts, • die Vorhaltung einer gemeinsamen Vervielfältigungsstelle auf dem Gelände der Psychiatrischen Klinik Lüneburg, • die mandatierende Wahrnehmung der dem Landkreis obliegenden Aufgaben nach dem Nds. ZensAG durch die Hansestadt, • die Durchführung gemeinsamer Ausschreibungen, etwa im Bereich des Strom- und Gasbezugs.

Das damit angesprochene gemeinsame Beschaffungswesen könnte weiter ausge- Möglichkeiten erweiterter Zu- baut werden, handelt es sich hierbei doch um ein klassisches Kooperationsfeld, bei sammenarbeit dem durch Mengenbündelung Einspareffekte erzielt werden. Ein weiteres aus- sichtsreiches Kooperationsprojekt besteht in der schon erwogenen Zusammenarbeit im Submissionsbereich, die sich darin begründet, dass in der Hansestadt ein Mitar- beiter ausschließlich für diese Aufgabe zuständig ist, mithin als spezialisiert gilt.

Mit Blick auf das Gebäudemanagement im Landkreis Lüneburg ist die zum 1. Ja- Gebäudemanage- ment im Kreis nuar 2001 erfolgte Konzentration sämtlicher gebäudebezogener Aufgaben im Lüneburg Fachdienst „Gebäudewirtschaft“ zu würdigen. Eine Evaluation dieser neuen Ein-

195 Kommunalstrukturen in Nordostniedersachsen

richtung durch die Niedersächsische Kommunalprüfungsanstalt, bezogen auf die Haushaltsjahre 2005 bis 2007, fällt insbesondere mit Blick auf die Steuerung und das Controlling sowie die Raumbewirtschaftung positiv aus.4 Im Ergebnis wird dem Landkreis eine weitgehend optimierte Gebäudewirtschaft und damit verbun- den eine führende Position im untersuchten interkommunalen Vergleichsring attes- tiert.5 Die hierin deutlich werdende spezifische Kompetenz der Kreisverwaltung sollte konsequent für die kreisangehörigen Gemeinden und benachbarte Kreise nutzbar gemacht werden. Eine Fusion der Fachdienste für Gebäudemanagement von Stadt und Landkreis Lüneburg wird dagegen aufgrund der erheblichen Größe einer damit geschaffenen Einrichtung eher nicht befürwortet, auch wenn damit Parallelstrukturen aufgehoben würden.

Inwiefern sich eine vertiefte Kooperation im EDV-Bereich von Stadt und Landkreis Kreisinterne Ko- operationsmög- Lüneburg anbietet, kann aufgrund der in den Interviews zum Ausdruck kommen- lichkeiten im den unterschiedlichen Einschätzungen über die Frage der Ähnlichkeit der EDV- EDV-Bereich Systeme beider Gebietskörperschaften nur schwer eingeschätzt werden. Wurde von Seiten des Landkreises darauf verwiesen, dass der einzige wesentliche Unterschied in der Nutzung einer Thin Client-Lösung durch den Landkreis bestünde, der die klassische PC-Lösung seitens der Stadt gegenüberstünde, stellten Vertreter der Stadt darauf ab, dass der Austritt aus dem gemeinsamen Rechenzentrum zu grund- legenderen Differenz zwischen beiden Verwaltungen geführt habe.

Über den Bereich der allgemeinen Verwaltung hinaus soll zudem auf eine Reihe Nennenswerte Kooperationen im ordnungsrechtlicher Kooperationen von Stadt und Landkreis Lüneburg eingegan- Ordnungsbereich gen werden. So übertrug der Landkreis der Stadt die Aufgaben nach dem Aufent- halts- und dem Staatsangehörigkeitsgesetz, was sich in dem im Vergleich zum übrigen Kreisgebiet hohen Ausländeranteil der Stadt begründet; ergänzend hierzu wurde im Jahr 2008 ein gemeinsamer Integrationsbeirat gebildet. Der Landkreis wiederum übernahm für die Stadt die Bekämpfung der Schwarzarbeit. Eine weitere Arbeitsteilung im Ordnungsbereich richtet sich darauf, dass der Landkreis die Konzessionierung von Krankenanstalten (GewO), die Bewilligung des kleinen und großen Waffenscheins (WaffG) sowie Konzessionierungen nach dem Heilprakti- kergesetz und dem Fahrlehrergesetz vornimmt, Anträge auf Unabkömmlichkeits- stellung (UkV) bearbeitet sowie Aufgaben nach dem Sprengstoffgesetz wahr- nimmt, während der Hansestadt die Konzessionierung nach dem Personenbeförde- rungsgesetz obliegt.

4 Niedersächsische Kommunalprüfungsanstalt: Bericht über die überörtliche Prüfung des Land- kreises Lüneburg. Haushaltsjahre 2005 bis 2007, 33–37. 5 Ebd., 37. 196 Kommunalstrukturen in Nordostniedersachsen

Im Feuerwehrwesen schließlich bezieht sich die Kooperation der Stadt und des Landkreises Lüneburg auf die Schlauchpflege, die Wartung und Pflege der Atem- schutzinstrumente, die Reinigung der Arbeitsschutzkleidung und die Prüfung hyd- raulischer Messgeräte.

Auch gegenüber den übrigen kreisangehörigen Gemeinden hat der Landkreis Lü- Verhältnis des Kreises Lüneburg neburg Kooperationen vereinbart. Diese richten sich auf die Nutzung von Gebäu- zu den Gemeinden den des Kreises bzw. der Gemeinden durch die jeweils andere Gebietskörperschaft, die Einstellung eines gemeinsamen Datenschutzbeauftragten beim Landkreis im Jahr 2010 sowie die Erbringung bestimmter IT-Leistungen (Hosting, MIGEWA, GIS) für die kreisangehörigen Gemeinden. Auch in diesem Binnenverhältnis wäre zu prüfen, ob gemeinsame Beschaffungen eine höhere Wirtschaftlichkeit ermögli- chen. Im Bereich der Kfz-Zulassung verfügt der Landkreis Lüneburg mit den bei- den Außenstellen in der Stadt Bleckede und der Samtgemeinde Amelinghausen über eine bewusst bürgerfreundliche Ausstattung. Eine darauf gerichtete Konzen- tration erbrächte Kosteneinsparungen, traf in den Gesprächen unter Verweis auf die Flächengröße des Kreises aber nicht auf Zustimmung.

Im Zuge der Fusionserörterungen der Stadt Bleckede, der Gemeinde Dahlenburg und des Amts Neuhaus wurden die Möglichkeiten einer Aufgabenübertragung von der kreislichen auf die gemeindliche Ebene geprüft. Im Ergebnis konnten zwar zahlreiche zusätzliche potentielle Zuständigkeiten einer fusionierten Großkommu- ne identifiziert werden, doch reagierten Gemeindevertreter eher zurückhaltend, da die Kompetenzen meist kleinteilig ausfielen, das Vorhalten spezialisierten Wissens erforderten und in Teilen als klageintensiv galten.

Schließlich sollen die Möglichkeiten einer kreisübergreifenden Kooperation in Kreisübergreifen- de ordnungsrecht- Nordostniedersachsen im Bereich der allgemeinen und der Ordnungsverwaltung liche Kooperatio- angesprochen werden. Der bereits benannte Bereich des Gebäudemanagements ist nen für eine interkommunale Zusammenarbeit grundlegend geeignet, auch wenn Orts- nähe und -kenntnis für die Aufgabenwahrnehmung von Bedeutung sind. Vor die- sem Hintergrund haben der Landkreis Lüchow-Dannenberg und die Stadt Uelzen zum 01.01.2009 eine gemeinsame kommunale Anstalt des öffentlichen Rechts "Gebäudemanagement Uelzen/Lüchow-Dannenberg" gegründet; der Landkreis Uelzen plant ihr beizutreten.

Für den Landkreis Lüneburg bietet sich unverändert eine Fusion der Rettungsleit- stellen mit benachbarten Landkreisen an. Mit der für das Jahr 2012 geplanten Fusi- on der Feuerwehreinsatz- und Rettungsleitstelle des Landkreises mit der Lage- und Führungszentrale der Polizeidirektion Lüneburg werden zwar kreisinterne Syner- gieeffekte genutzt, doch bleiben mögliche Effizienzgewinne aus größerräumigen Zusammenschlüssen ungenutzt, die der Integrierten Rettungsleitstelle Braun-

197 Kommunalstrukturen in Nordostniedersachsen

schweig und der Kooperativen Regionalleitstelle Weserbergland zugesprochen werden. Im Land Niedersachsen ist darüber hinaus auf die in der Umsetzung be- findlichen Fusionsbeschlüsse zu einer Großleitstelle Oldenburger Land (ab 2012) und einer Regionalen Leitstelle Wittmund (ab 2013) zu verweisen. Die Landkreise Uelzen, Lüchow-Dannenberg, Celle und Gifhorn reagierten ebenfalls auf diese Kooperationsdynamik im Land und bilden einen virtuellen Leitstellenverbund, der Ende 2012 den Betrieb aufnehmen soll.6 Als Ausfluss dessen beabsichtigen die Kreise zudem, das durch die Einführung des Digitalfunks notwendige digitale Alarmierungsnetz gemeinsam aufzubauen. Die Errichtung einer gemeinsamen Ret- tungsleitstelle ist dagegen von den Beteiligten derzeit nicht gewünscht.

Im EDV-Bereich orientiert sich der Landkreis Lüneburg vor allem in Richtung des Kooperationen im EDV-Bereich Landkreises Harburg, der in diesem Kontext als führend gilt. Bei der gegenwärti- gen Einführung des digitalen Sitzungsdienstes profitiert der Landkreis Lüneburg vom Wissen des Kreises Harburg, der ein solches System bereits eingeführt hat.7 Zudem stellen die Landkreise Lüneburg und Harburg sowie die Stadt Lüneburg in einigen Fachverfahren auf die elektronische Aktenführung um und nutzen hierzu gemeinsam eine Software der Firma codia. Derartige EDV-bezogene Kooperatio- nen bieten sich in jeder Hinsicht an. Darüber hinaus erscheint es dringlich, zumin- dest einen informellen Austausch zwischen den Gebietskörperschaften bei der Neuanschaffung von Fachverfahren und der Initiierung von EDV-Projekten zu gewährleisten.

Die kommunale Anstalt IT-Verbund Uelzen, in der alle kreisangehörigen Gemein- den (außer der Samtgemeinde Rosche) und die Städte Uelzen und Bad Bevensen zusammengeschlossen sind, stellt ein Beispiel für eine gelungene Standardisierung von Hard- und Software in einem Teilraum Nordostniedersachsens dar. Die Ein- richtung erbringt sämtliche Dienstleistungen im Bereich der Informationstechnolo- gie für die beteiligten Kommunen. Die Standardisierung führt dabei nicht nur zu Kosteneinsparungen, sondern ermöglicht auch eine kohärentere und schnellere Geschäftsprozessoptimierung, zudem bildet sie die Basis für weitere interkommu- nale Kooperationen. Der IT-Verbund könnte der Kern eines Shared-Service- Centers sein, in dem etwa Vorgänge im Kassenwesen abgewickelt werden. Eine räumliche Ausweitung der hier erreichten Standardisierung im IT-Bereich erscheint als verfolgswerte Handlungsoption.

6 Vgl. Leitstellenverbund startet Ende 2012, in: Wolfsburger Allgemeine (Online-Ausgabe), 27.09.2011; Harmening, T.: Vier Leitstellen für den Notruf, in: Cellesche Zeitung, 06.10.2011. 7 Vgl. hierzu Heinrich, C./Banerjea, P.: Kommunalpolitik mobil und papierarm, Vortrag auf der KOMCOM NRW 2007 am 18. September 2007, www.cc-egov- online.de/uploads/21/s9Uf91_bB7qXj9oiztD2fg/harburgseevetal.pdf. 198 Kommunalstrukturen in Nordostniedersachsen

Auf Basis der beiden vom Gutachter bislang vorgelegten teilräumlichen Vertie- Übertragbarkeit regionaler Koope- fungsgutachten zu den Kommunalstrukturen im Raum Wolfsburg und in Südnie- rationsprojekte dersachsen ist auf weitere größerräumige Kooperationsperspektiven zu verweisen, die prinzipiell auf Nordostniedersachsen übertragbar sein dürften. Hierzu zählt der fachliche wie personelle Austausch mit benachbarten Stadt- und Kreisverwaltun- gen mit Blick auf die Geschäftsprozessoptimierung, die Zentralisierung der kreisli- chen Bußgeldstellen, eine gemeinsame Aufsicht über Realverbände sowie die Bil- dung eines kreisübergreifenden Call-Centers für das Projekt D115–Einheitliche Behördenrufnummer.

Handlungsoptionen (Auswahl)

• Ausweitung des Beschaffungswesens • Zusammenarbeit bei der Durchführung von Submissionen im Landkreis Lüneburg • Prüfung einer Fusion der Fachdienste für Gebäudemanagement • Konzentration der Kfz-Zulassungsstellen im Landkreis Lüneburg • Fusion der Rettungsleitstellen • Kreisübergreifende Abstimmung bei der Neuanschaffung von EDV-bezogenen Produkten • Fachlicher und personeller Austausch im Rahmen der Geschäftsprozessoptimie- rung • Konzentration der Bußgeldstellen • Gemeinsame Aufsicht über Realverbände • Bildung eines kreisübergreifendes Call-Centers für das Projekt D115–Einheitliche Behördenrufnummer

Ressourcenentwicklung

Im Bereich der Ressourcenentwicklung kommen der Kreisebene Aufgaben mit Aufgaben der Finanzverwaltung Blick auf die Kassengeschäfte, das Finanzmanagement, Beteiligungen, das Forde- rungsmanagement und die Vollstreckung, die zentrale Bußgeldstelle sowie die Rechnungsprüfung zu. Dies betrifft zunächst die Leistung der Auszahlungen und die Annahme aller Einzahlungen, die Liquiditätsplanung sowie die Verwaltung der Kassenmittel. Hinsichtlich des Finanzmanagements kommen die finanzwirtschaft- liche Steuerung der Gesamtverwaltung, die Planung, Bewirtschaftung und Abwick- lung des Haushalts, die Erstellung des Jahresabschlusses, die Vermögens- und Schuldenverwaltung sowie steuerliche Angelegenheiten, das Controlling zur In- formation und Unterstützung der Verwaltungssteuerung u.a.m. hinzu. Dies wird ergänzt durch die Koordinierung und Überwachung des Beteiligungenmanage- ments sowie die Durchführung von Vollstreckungsmaßnahmen. Die zentrale Buß- geldstelle schließlich leitet Ordnungswidrigkeitsverfahren ein und führt sie durch.

199 Kommunalstrukturen in Nordostniedersachsen

Zudem wird die Rechnungsprüfung gegenüber der Kreis- und den gemeindlichen Verwaltungen hier dem Bereich der Ressourcenentwicklung zugeordnet.

Auch im Finanzbereich finden sich erhebliche Kooperationspotentiale im Untersu- Ausgeprägte Ko- operationspotenti- chungsraum, zumal (sieht man etwa von der Schuldnerberatung ab) hier kein Ver- ale waltungshandeln vor Ort erforderlich ist. Im Bereich der Kämmerei (Haushaltspla- nung, Schuldenmanagement, Controlling) und der Finanz- und Kommunalaufsicht besteht mithin aussichtsreiches Potential für eine nachhaltige interkommunale Zusammenarbeit. In anderen Teilregionen Niedersachsens werden, dieser Erkennt- nis folgend, derzeit ambitionierte Reformvorhaben entwickelt. So kommt es im Raum Wolfsburg–Gifhorn–Helmstedt zu weiterführenden Diskussionen über die Einrichtung eines Finanzzentrums für ein gemeinsames Kassenwesen (Zahlungs- verkehr, Bewirtschaftung der Kassenmittel, Buchführung und Vollstreckung). Eine entsprechende Spezialisierung des Personals bietet sich an, zumal gegenwärtig zahlreiche Gemeinden für die komplexer werdende Aufgabenbewältigung (etwa mit Blick auf die Doppik) Fachkompetenz erst rekrutieren oder aufbauen müssen; es besteht mithin hier ein besonderes „Zeitfenster“ für kreis- oder gemeindege- bietsübergreifendes Handeln. Ein solches Finanzzentrum könnte konzentriert die ihm zugewiesenen Aufgaben erfüllen (und wäre dabei auch nicht auf eine be- stimmte Lage im Raum angewiesen), mit Blick auf die wenigen Finanzbereiche mit Publikumsverkehr (wie das Vollstreckungswesen und die genannte Schuldner- beratung) sind ggf. Außenstellen anzubieten.

Eine weitere Kooperationsoption im eher finanzschwachen Nordostniedersachsen Gemeinsames Zinsmanagement stellt sich mit Blick auf ein gemeinsames Zinsmanagement. Durch größere Lose kann der Zinsaufwand tendenziell reduziert werden, doch gilt es im Einzelfall zu prüfen, inwiefern hier tatsächlich Optimierungspotential besteht. Als problema- tisch erscheint, dass die Zinsentwicklung unterschiedlich beurteilt werden kann, ein gemeinsamer Zeitpunkt für die Kreditaufnahme schwer zu definieren ist und im Fall gemeinschaftlichen Handelns die Zustimmung der Hauptverwaltungsbeamten in einem knappen Zeitfenster eingeholt werden muss. Wenn nur ein Partner einen hohen Bedarf im Rahmen der Kreditaufnahme ausweist, kann der Nutzen des ge- meinsamen Vorgehens für ihn zudem eher gering ausfallen. Folglich werden die Vorteile eines kreisinternen oder -übergreifenden gemeinsamen Schuldenmanage- ment vom Landkreis Lüneburg eher verhalten eingeschätzt, was aber auch darauf zurückgeht, dass diese Handlungsoption bislang keiner genauen Prüfung unterzo- gen wurde. Gesichert erscheint dagegen, dass ein gemeinsames Schuldenmanage- ment bei der kurzfristigen Kreditaufnahme aufgrund des Erfordernisses schneller Entscheidungen ausscheidet, im langfristigen Geschäft dagegen prinzipiell umsetz- bar ist.

200 Kommunalstrukturen in Nordostniedersachsen

Mit Blick auf die Rechnungsprüfung beheimatet der Untersuchungsraum ein aus- Ertragreiche Fusion der Rech- gesprochen fortschrittliches Referenzprojekt: Seit dem 01.01.2007 haben die Land- nungsprüfung- kreise Lüneburg, Harburg und Lüchow-Dannenberg sowie die Stadt Lüneburg und sämter die Gemeinde Seevetal die Aufgaben der Rechnungsprüfung auf den Landkreis Lüneburg übertragen, der sie nunmehr zentral für alle Kooperationspartner wahr- nimmt; zudem werden Außenstellen vorgehalten.8 Von der Kooperation verspra- chen sich die Beteiligten eine verbesserte Qualität und Effizienz der Rechnungs- prüfung, die Erzielung von Synergieeffekten, den Aufbau spezialisierten Wissens und Einsparungen von jährlich mindestens 20 Prozent.9 Die im Raum geführten Gespräche des Gutachters deuten auf eine Bestätigung dieser ambitionierten Ziel- setzung hin; so wird etwa darauf verwiesen, dass die Personalkosten für den Land- kreis Lüneburg um 80.000 EUR p.a. durch die benannte Fusion sanken. Hinzu tritt, dass die Distanz zu den zu Prüfenden als der Unabhängigkeit und Qualität der Er- gebnisse zuträglich eingeschätzt wird. Die Stadt Uelzen erwog die Teilhabe am Rechnungsprüfungsamt Lüneburg, entschied sich jedoch für eine Kooperation mit dem Landkreis Uelzen. Ggf. wäre zu prüfen, ob das Rechnungsprüfungsamt Uel- zens im Zuge einer Fusion von den beschriebenen Synergieeffekten profitieren könnte.

Schließlich führt der Landkreis Lüneburg Vollstreckungsaufgaben für die kreisan- Übertragung der Vollstreckung auf gehörige Stadt Bleckede, die Gemeinde Adendorf sowie die Samtgemeinden Bar- den Landkreis dowick, Gellersen, Amelinghausen, Ilmenau, Ostheide und Dahlenburg aus. Hier Lüneburg wäre zu prüfen, inwiefern eine Ausweitung auf die übrigen Gemeinden und die Hansestadt Lüneburg angezeigt ist.

Handlungsoptionen (Auswahl)

• Zusammenarbeit im Kämmereiwesen bis hin zur Einrichtung eines Finanzzent- rums für ein gemeinsames Kassenwesen • Durchführung eines gemeinsamen Zinsmanagements • Ggf. Prüfung der Fusion des Rechnungsprüfungsamts Uelzen • Ausweitung der Vollstreckung durch den Kreis Lüneburg auf weitere Gemeinden

Personalentwicklung

Mit Blick auf die Personalentwicklung ist die Kreisebene vor allem für Personal- Aufgaben der Personalverwal- angelegenheiten, den Personalservice, die Mitarbeitervertretung und Gleichstel- tung

8 Vgl. hierzu Hesse/Götz, a.a.O., 2006, 75ff. Die Stadt Buchholz i. d. N. ist der Kooperation am 01.01.2010 beigetreten. 9 Landkreis Lüneburg: Ein Fünftel gespart dank Kooperation. Pressemitteilung vom 28.11.2006; bestätigend Hesse/Götz, a.a.O., 2006, 77f. 201 Kommunalstrukturen in Nordostniedersachsen

lungsangelegenheiten zuständig. Im Rahmen der Personalangelegenheiten werden der Personalkostenaufwand ermittelt und den jeweiligen Organisationseinheiten zugeteilt, der künftige Stellen- und Personalbedarf auf der Grundlage eines Perso- nalentwicklungskonzeptes dargestellt, ein Stellenplan erstellt und die Stellen be- wertet sowie schließlich die Ausbildung der Nachwuchskräfte koordiniert. Der Personalservice ist für die Gehaltsabrechnung, die Personalbetreuung und die Per- sonalentwicklung verantwortlich. Zur personalrechtlichen Vertretung der Verwal- tungsmitarbeiter treten schließlich Maßnahmen und Initiativen zur Verwirklichung der Gleichberechtigung der Beschäftigten in den Verwaltungen.

Im Nordostniedersachsen findet sich bislang keine bedeutende kreisübergreifende Zusammenarbeit in der Aus- und Zusammenarbeit im Personalbereich, entsprechende Kooperationen sind auf den Fortbildung kreisangehörigen Bereich beschränkt. So führt etwa die Stadt Lüneburg seit 2008 die Bezügesachbearbeitung und -abrechnung für den Landkreis Lüneburg durch. In gemeinsamen Einrichtungen wie der Zensusstelle oder dem Rechnungsprüfungs- amt erfolgt eine Abstimmung bei der Personalauswahl. Zudem werden Auszubil- dende von Stadt und Landkreis Lüneburg gemeinsam eingestellt. Eine rudimentäre Form einer Jobbörse zwischen den beiden Gebietskörperschaften liegt in Form eines unregelmäßigen Mitarbeitertauschs vor. Durch eine gemeinsame Personal- entwicklung von Stadt und Landkreis Lüneburg könnten die bestehenden Ansätze vertieft werden. So dürften sich mit der Durchführung gemeinsamer Fortbildungen quantitative wie qualitative Verbesserungen verbinden, etwa mit Blick auf eine optimierte Kursauslastung und den Austausch von Verwaltungsmitarbeitern im Rahmen der Qualifizierungsveranstaltungen. Dieser Ansatz ließe sich zudem zu einer kreisübergreifenden Aus- und Fortbildung in Nordostniedersachsen erwei- tern.

Auch im Bereich der Personalsachbearbeitung bietet sich eine größerräumige Ko- Personalsachbe- arbeitung operation/Konzentration an, da etwa die Personalauswahl und Disziplinarangele- genheiten routinisierte Verwaltungstätigkeiten darstellen und zudem eine Speziali- sierung der vergrößerten Mitarbeiterzahl möglich wird.

Eine weitere Kooperationsmöglichkeit stellt die Einrichtung einer gemeinsamen Einrichtung einer Jobbörse Jobbörse in Nordostniedersachsen dar. Angesichts erkennbarer Schwierigkeiten bei der Personalrekrutierung könnten Bewerber regionsweit kompetent und über ein einheitliches Portal angesprochen werden. Eine ggf. als nachteilig empfundene Konkurrenz ist dabei kaum zu befürchten, da davon ausgegangen werden kann, dass sich Bewerber ohnehin bei mehreren Verwaltungen vorstellen. Eine Koopera- tion „auf Augenhöhe“ erscheint dabei angezeigt, selbst wenn der Problemdruck zwischen den Gebietskörperschaften Nordostniedersachsens differiert.

202 Kommunalstrukturen in Nordostniedersachsen

Handlungsoptionen (Auswahl)

• Aufstellung einer gemeinsamen Personalentwicklung (Personalaus- und -fortbil- dung) • Konzentration der Personalsachbearbeitung • Ggf. Organisation einer gemeinsamen Jobbörse

5.3.2 Arbeit und Soziales

Im Bereich Arbeit und Soziales richtet sich der Aufgabenbestand der Landkreise Aufgaben der Arbeits- und im Wesentlichen auf die Sozialhilfe gem. SGB XII, ergänzt um Pflichtaufgaben im Sozialverwaltung Rahmen der Kriegsopferfürsorge sowie eine Reihe von Aufgaben im übertragenen Wirkungskreis. Im Einzelnen handelt es sich um folgende Sachgebiete: • Sozialhilfe: Trägerschaft, Verwaltung und Finanzierung sämtlicher Aufgaben Sachgebiete nach dem SGB XII, insbesondere der Grundsicherung im Alter bzw. bei Er- werbsminderung, der Hilfe zum Lebensunterhalt, der Hilfe zur Gesundheit, der Eingliederungshilfe für behinderte Menschen, der Hilfe zur Pflege, der Hilfe zur Überwindung besonderer sozialer Schwierigkeiten sowie der Hilfe in ande- ren Lebenslagen. Durch die Wahrnehmung dieser Aufgaben ergänzen die Kommunen das soziale Sicherungsnetz jenseits des SGB II („Hartz IV“). • Kriegsopferfürsorge: Trägerschaft, Verwaltung und Finanzierung sämtlicher Aufgaben der Kriegsopferfürsorge, deren vielfältige Leistungen grundsätzlich auf Geschädigte der beiden Weltkriege sowie deren Angehörige ausgerichtet sind und in dieser Funktion zunehmend an Bedeutung verlieren. Die Regelung ist allerdings weiterhin relevant, da im Zeitablauf eine Ausweitung der Mög- lichkeiten zur Inanspruchnahme des Versorgungsrahmens erfolgte, etwa im Bereich der Wehrdienstschäden (Soldatenversorgungsgesetz), als Folge von Versorgungsansprüchen aus Vorfällen im Rahmen des Zivildiensts (Zivil- dienstgesetz), für Opfer politisch motivierter Haft, im Bereich des Infektions- schutzes, etwa bei Impfschäden (Infektionsschutzgesetz), zur Entschädigung für Opfer von Gewalttaten sowie zur strafrechtlichen Rehabilitierung. • Alten- und Pflegeheime, Behinderteneinrichtungen: Zuständigkeit der Kreise im Rahmen des übertragenen Wirkungskreises (Heimgesetz) zur Einrichtung und zum Unterhalt von Einrichtungen der Betreuung von Alten, Pflegebedürf- tigen und Behinderten. Diese Kompetenz fällt den Kreisen, unabhängig von der benannten Übertragung, auch als freiwillige Selbstverwaltungsaufgabe zu. • Wohngeld: Durchführung des Wohngeldgesetzes im Rahmen der übertragenen Zuständigkeit der Landkreise bzw. kreisfreien Städte, großen selbständigen Städte und selbständigen Gemeinden. Dies richtet sich insbesondere auf den Entscheid über Anträge auf Miet-/Lastenzuschüsse durch Bürger mit geringem Einkommen. Das Wohngeld entspricht nicht den Kosten für Unterkunft und Heizung nach dem SGB II. • Betreuungswesen: Übernahme der Aufgaben nach dem Betreuungsgesetz im Rahmen der übertragenen Zuständigkeit durch Kreise und kreisfreie Städte. Die Aufgaben richten sich im Wesentlichen auf die Regelung zur Vormund- schaft und Pflegschaft für Volljährige.

203 Kommunalstrukturen in Nordostniedersachsen

• Asylbewerberbetreuung: Übertragene Zuständigkeit der Landkreise im Rah- men der Durchführung des Asylbewerberleistungsgesetzes; die Aufgaben um- fassen die Bewilligung und Aushändigung von Geld- und Sachleistungen an anspruchsberechtigte Asylbewerber und deren Angehörige. • Erteilung von Auskünften über soziale Angelegenheiten: Verpflichtung zum Unterhalt einer Stelle zur Erteilung von Auskünften mit Blick auf sämtliche Regelungen des SGB (§ 15 SGB I) an interessierte Bürger, insbesondere mit Blick auf die Benennung von Leistungen und Leistungsträgern.

Im Untersuchungsraum nimmt die Stadt Lüneburg in ihrem Gebiet die Aufgaben Aufgabenträger- schaft, bestehende der Sozialhilfe für den Landkreis war. Die Rechtsgrundlage bildet der sog. Lüne- Kooperationsfor- burg-Vertrag10, der insbesondere die Finanzbeziehungen zwischen Stadt und Land- men kreis in den Bereichen der Sozial- und Jugendhilfe sowie der Schulträgerschaft regelt. Zwischen Stadt und Landkreis Lüneburg wurden eine Reihe kleinerer Ko- operationsformen vereinbart, sie richten sich auf:

• die Förderung der Freien Wohlfahrtspflege („Frauen helfen Frauen e.V.“),

• die Mitaufnahme von Asylsuchenden aus den kreisangehörigen Gemeindege- bieten in der Sammelunterkunft der Hansestadt Lüneburg,

• die Bildung eines gemeinsamen Integrationsbeirats

• das gemeinsame Betreiben eines Seniorenservicebüros,

• die Vereinbarung zu § 72 BSHG für die Gewährung/Bewilligung von Hilfen zur Überwindung besonderer sozialer Schwierigkeiten (jetzt § 67 SGB XII)

Der erkennbar geringe Kooperationsumfang dürfte u.a. auf disparate Organisati- Organisatorische Ausdifferenzie- onsstrukturen zurückzuführen sein: Während die Landkreisverwaltung Lüneburgs rung im Sozial- (wie auch im Jugend-)bereich gemäß den Fachaufgaben ausdifferenziert ist, legte die Stadt Lüneburg das Jugend- und Sozialamt im „Fachbereich 5 Familie und Bildung“ zusammen und richtete ihn primär räumlich/stadtteilorientiert – an- hand von drei Regionalbereichen – aus.11

Im Bereich der Eingliederungshilfe nach dem SGB XII fungieren Landkreis und Möglichkeiten erweiterter Ko- Stadt Lüneburg bislang als eigenständige Aufgabenträger, wodurch den Gutachtern operation des Gesundheitsamtes ein kommunikativer Mehraufwand entsteht. Eine aus Sicht des Gesundheitsamtes ähnliche Problemlage liegt im Bereich der Aufsicht für Al- ten- und Pflegeheime vor, für die der Kreis und die Hansestadt jeweils in ihrem Gebietsstand verantwortlich sind. Diese Parallelstruktur ist auch vor dem Hinter- grund überprüfungsbedürftig, dass Gesundheitskontrollen durch unterschiedliche

10 Finanzvertrag zwischen Landkreis und Hansestadt Lüneburg vom 09.08.2010. 11 Vgl. hierzu PLS Ramboll Management: Stadt Lüneburg. Organisationskonzept für den Fachbe- reich Soziales und Jugend, 2002. 204 Kommunalstrukturen in Nordostniedersachsen

Verfahren der jeweiligen Heimaufsicht erschwert würden. Eine Bündelung der Aufgabenwahrnehmung im Kreis Lüneburg erscheint im Ergebnis prüfenswert.

Die Kooperationsaktivitäten zwischen dem Landkreis Lüneburg und den umlie- Niedriges Koope- rationsniveau genden Landkreisen sind im Sozialbereich deutlich unterausgeprägt. So ist über das von den Kreisen Lüneburg, Lüchow-Dannenberg, Uelzen und Harburg sowie der Stadt Braunschweig getragene Ausgleichsamt lediglich auf einen Arbeitskreis der Sozialamtsleiter im Gebietszuschnitt der alten Bezirksregierung zu verweisen; eine darüber hinausgehende Zusammenarbeit beschränkt sich auf persönliche Kon- takte. Das niedrige Aktivitätsniveau im Sozialbereich erklärt sich vor allem mit den für weite Teile der Leistungserbringung nur sehr begrenzten Synergieeffekten, da hier der Orts- bzw. Adressatennähe aufgrund einer nur eingeschränkt mobilen Kli- Hohe Bedeutung der Adressaten- entel ein besonderes Gewicht zukommt und Kostenstrukturen weitgehend fallzahl- nähe orientiert ausfallen. Die bestehenden Fahrtzeiten dürfen als hinnehmbar gelten, ihrer Ausweitung sind allerdings Schranken gesetzt. Zentralisierte Lösungen könn- ten dagegen in einer Reihe nicht wiederkehrender oder zumindest nur selten und unregelmäßig vollzogener Leistungsbezüge (insbesondere wenn die Anspruchs- gruppe jung und mobil ist) geprüft werden; zu diesen zählen: • Leistungen nach dem BAföG, Möglichkeiten zentralisierter • das Elterngeld, Leistungserbrin- gung • Leistungen nach dem Unterhaltssicherungsgesetz, • die Blindenhilfe, • das Landesblindengeld, • der Nachteilsausgleich für Schwerbehinderte, • Leistungen nach dem Opferentschädigungsgesetz, • Leistungen nach dem SED-Unrechtsbereinigungsgesetz, • die Kriegsopferfürsorge, • Pflegesatzvereinbarungen (Vereinbarungen nach § 75 SGB XII) sowie • die Förderung von Pflegeeinrichtungen.

Mit Blick auf die besonders schutzbedürftige Anspruchsgruppe der Schwerbehin- Vorteile einer Konzentration derten und Blinden ist darauf zu verweisen, dass die einmalige Beantragung der Hilfen für den Leistungsbezug genügt. Eine Konzentration der Aufgaben ermög- lichte eine Bündelung der entsprechenden Sachkompetenz in den Verwaltungen: Für die Bearbeitung in back offices spricht zudem, dass zahlreiche der genannten Bereiche (Elterngeld, BAföG, Unterhaltssicherung aber auch das Wohngeld) bun- des- und europarechtlich geprägt sind.

205 Kommunalstrukturen in Nordostniedersachsen

Handlungsoptionen (Auswahl)

• Konzentration der Eingliederungshilfe nach dem SGB XII und der Aufsicht über Alten- und Pflegeheime im Landkreis Lüneburg • Ggf. Prüfung einer Zentralisierung der Leistungserbringung für nicht wiederkeh- rende oder zumindest selten und unregelmäßig anfallende Leistungsbezüge

5.3.3 Schulentwicklung

Den niedersächsischen Landkreisen steht die Trägerschaft über verschiedene Schulträgerschaft der Landkreise Schulformen zu, insbesondere im Sekundarbereich; dazu zählen Gymnasien, be- rufsbildende Schulen, Förderschulen und Integrierte Gesamtschulen. Hinzu tritt die geborene Trägerschaft für die durch das Gesetz zur Neuordnung der Schulstruktur in Niedersachsen vom 16.03.201112 neu geschaffene Schulform der Oberschule. Grundschulen befinden sich demgegenüber in der Regel in gemeindlicher Träger- schaft. Darüber hinaus ist auf die Zuständigkeiten der Kreisebene für die Schüler- beförderung, Fördermaßnahmen für Schüler und die Kreisschulbaukasse zu ver- weisen. Eine Besonderheit im Untersuchungsraum bildet, dass der Stadt Lüneburg auch die Trägerschaft der Schulen der Sekundarstufen I und II mit Ausnahme der Berufs- und Förderschulen zukommt.

Stadt und Landkreis Lüneburg erarbeiten im Schulgrundsatzausschuss bereits eine Kooperationen des Landkreises gemeinsame Schulentwicklungsplanung. Ob eine solche Planung größerräumiger Lüneburg im angelegt werden sollte, bedarf der Überprüfung, insbesondere vor dem Hintergrund Schulbereich rückläufiger Schülerzahlen und der Etablierung neuer Schulformen. Sie könnte auch eine verstärkte Arbeitsteilung insbesondere im Bereich der berufsbildenden Schulen in Nordostniedersachsen ermöglichen. Über die Schulentwicklungspla- nung hinaus stimmen sich Stadt und Landkreis Lüneburg im Rahmen von Vertei- lerkonferenzen ab, die der Zuordnung von Schülern aus frequentierten in weniger nachgefragte Schulen dienen. Weitere bestehende Kooperationen der beiden Ge- bietskörperschaften richten sich auf die Beschulung von körperbehinderten Kin- dern an der Grundschule Hasenburger Berg (seit 1991), die Beschulung von geistig behinderten Kindern an der Grundschule Igelschule (Hagen) (seit 2000) sowie die Integrierte Gesamtschule Lüneburg mit einem die Stadt und den Landkreis umfas- senden Einzugsbereich (seit 2009). Problemmindernd wirkt sich im Kreis Lüne- burg der noch begrenzte Rückgang der Schülerzahlen im Zuge des demographi- schen Wandels aus. Die drei großen öffentlichen berufsbildenden Schulen des Kreises etwa können immer noch stark ausgelastet werden. Im Übrigen orientiert sich der Landkreis Lüneburg schulpolitisch eher nach Norden. So besteht mit dem Landkreis Harburg eine Vereinbarung zur Beschulung Lüneburger Schüler im

12 Nds. GVBl. S. 83. 206 Kommunalstrukturen in Nordostniedersachsen

Gymnasium Salzhausen; auch wird die Schülerbeförderung im Hamburger Ver- kehrsverbund mit den Landkreisen Stade und Harburg abgestimmt.

Weitere über die Schulträgerschaft hinausgehende bildungspolitische Kooperati- Weitere Koopera- tionsformen im onsprojekte des Landkreises und der Stadt Lüneburg richten sich auf: Bildungsbereich • das in der Umsetzung befindliche gemeinsame Bildungsbüro, mit dem vorhan- dene an Schulabgänger gerichtete Angebote zur (Aus-)Bildung im Raum ge- bündelt werden sollen, • die finanzielle Unterstützung der Sparkassenstiftung „Neue Technologien an Schulen“, die an der Ausrüstung der Schulen im Kreis Lüneburg mit Compu- tertechnik mitwirkt, • das Schulbiologie- und Umweltbildungszentrum (Schubz), das sich der Um- weltbildung junger Menschen und ihrem Verständnis für nachhaltige Entwick- lung widmet.

Erweitert man die Erörterung der Bildungsentwicklung in Nordostniedersachsen Akademie für erneuerbare um die postgraduale Weiterbildung, stellt die in Lüchow angesiedelte Akademie Energien für erneuerbare Energien eine gewichtige Initiative dar.13 Ihre Bildungsangebote umfassen neben Seminaren und Zertifizierungskursen vor allem einen berufsbe- gleitenden Masterstudiengang für Absolventen der Ingenieurs- und Wirtschaftswis- senschaften. Eine auf regenerative Energien bezogene Bildungseinrichtung ist ins- besondere im Landkreis Lüchow-Dannenberg als verfolgenswertes Projekt zu be- zeichnen, bedenkt man die Vorreiterrolle des Landkreises bei der Erzeugung und dem Einsatz erneuerbarer Energien, das bestehende Unternehmenscluster und ent- sprechende gesellschaftliche Initiativen; zudem dokumentiert die hohe Nachfrage nach Studienplätzen erste Erfolge der Einrichtung. Auch ist die Akademie geeig- net, der Entsiedlung und der Verschärfung der Entwicklungsschwächen im Land- kreis Lüchow-Dannenberg entgegenzuwirken. Der ebenfalls im ehemaligen Zonen- randgebiet gelegenen und ehedem mit eher negativen Entwicklungsszenarien kon- frontierten Stadt Bayreuth gelang es, durch hohe Investitionen im tertiären Bereich und eine Aufwertung der Universität den Entwicklungstrend umzukehren. Eine Erweiterungsperspektive für die Akademie könnte in der Ausweitung der bestehen- den Angebote liegen. Die dafür notwendige Erhöhung des Ressourcenrahmens kann vom Landkreis allein jedoch nicht erbracht werden; hier wäre ggf. eine Betei- ligung des Landes zu prüfen, dessen Regierung sich als Vordenkerin der Energiewende versteht. Damit könnte sich zugleich ein (bislang noch fehlendes) Marketing verbinden, das der mangelnden Kenntnis dieser zukunftsorientierten und mit Blick auf ihre inhaltliche Ausrichtung in der Bundesrepublik – soweit dem

13 Glücksburg Consulting Group: Machbarkeitsstudie. Akademie für Erneuerbare Energien im Landkreis Lüchow-Dannenberg, 2007; Akademie für erneuerbare Energien Lüchow Dannenberg GmbH: Geschäftsbericht 2010, Lüchow, 2010. 207 Kommunalstrukturen in Nordostniedersachsen

Gutachter ersichtlich14 – einmaligen Bildungseinrichtung außerhalb Nordostnieder- sachsens abhilft. Eine derart erweiterte Akademie könnte sich zudem ggf. stärker für Absolventen anderer Studienrichtungen und für Nicht-Akademiker öffnen.

Handlungsoptionen (Auswahl)

• Einführung einer großerräumigen Schulentwicklungsplanung • Fortführung und ggf. fallweise Erweiterung von Beschulungsvereinbarungen • Weiterentwicklung der Akademie für erneuerbare Energien: Erweiterung des inhaltlichen Angebots, Aufbau eines bundesweiten Marketing, stärkere Öffnung für weitere Nutzergruppen

5.3.4 Jugendhilfe

Der Aufgabenbestand der Landkreise stellt sich mit Blick auf die Jugendhilfe als Ausdifferenzierte Kreisaufgaben im sehr ausdifferenziert dar und umfasst die folgenden Bereiche: Bereich der Ju- gendhilfe • Kindertagesstätten, Tagespflege (Regelung der Tagespflege durch Vermittlung von Tagespflegeverhältnissen sowie Akquise und Qualifizierung von Tages- pflegepersonen, Übernahme von Elternbeiträgen für den Besuch von Kinderta- gesstätten, Erstellung einer Bedarfsplanung zur Umsetzung des Rechtsan- spruchs auf einen Platz in der Kindertagesstätte/Kindertagespflege), • Jugendarbeit (Förderung der Jugendarbeit durch zentrale Planung, Beratung und Koordinierung zur Anregung eigenverantwortlicher Tätigkeit von Jugend- gruppen und -verbänden, die Gewährung von Zuschüssen und den Betrieb ent- sprechender Einrichtungen), • Jugendsozialarbeit, Kinder- und Jugendschutz (Beratung, Begleitung und Be- treuung von jungen Menschen zur beruflichen und sozialen Integration, Infor- mation und Aufklärung von Kindern und Jugendlichen, Durchführung von Ju- gendschutzkontrollen), • Förderung der Familienerziehung (Leistungen zur allgemeinen Förderung der Erziehung in der Familie, Unterstützung in Angelegenheiten der elterlichen Sorge und von Umgangsangelegenheiten, Hilfen in Notsituationen), • Hilfe zur Erziehung/Erziehungsberatung (ambulante, teilstationäre und statio- näre Hilfen zum Wohl junger Menschen, Erziehungsberatung, Unterstützung der Erziehungs-, Jugend- und Familienberatungsstellen freier Träger durch pauschale Zuwendungen), • Hilfen für junge Volljährige, Eingliederungshilfen (Hilfen für junge Volljähri- ge zur Persönlichkeitsentwicklung und eigenständigen Lebensführung, Inob- hutnahmen, Eingliederungshilfen für seelisch Behinderte oder von seelischer Behinderung bedrohte Minderjährige und junge Volljährige), • Adoption, Beistands- und Armutsvormundschaft (Vermittlung von Adoptivkin- dern, allgemeine Beratung von ledigen Müttern, allein erziehenden Elterntei- len, Eltern in Trennungssituationen und jungen Volljährigen, Vertretung Min-

14 So auch Glücksburg Consulting Group, a.a.O., 54ff. 208 Kommunalstrukturen in Nordostniedersachsen

derjähriger bei Klärung der Unterhaltsansprüche, gesetzliche Vertretung min- derjähriger Kinder und Jugendlicher bei Entzug der elterlichen Sorge, Betreu- ung und Begleitung straffällig gewordener Jugendlicher und Heranwachsen- der), • Verwaltung der Jugendhilfe (Gesamt- und Planungsverantwortung für die Er- füllung der Aufgaben und Leistungen nach dem SGB VIII, Anerkennung von Trägern der freien Jugendhilfe, Abschluss von Entgelt-, Leistungs- und Quali- tätsentwicklungsvereinbarungen mit Trägern von Jugendhilfeleistungen).

Im Untersuchungsraum ist die Aufgabenwahrnehmung in der Jugendhilfe in Ana- Aufgabenträger- schaft, bestehende logie zum Sozialbereich durch die Besonderheit gekennzeichnet, dass die Stadt Kooperationsfor- Lüneburg die Aufgaben in ihrem Gebietsstand selbständig wahrnimmt; die Kosten men werden der Stadt auf Basis des Lüneburg-Vertrags durch den Kreis erstattet.15 Die jugendpolitischen Kooperationen zwischen Stadt und Landkreis Lüneburg erstre- cken sich bislang auf • das Betreiben einer gemeinsamen Einrichtung zur Durchführung von vorläufi- gen Maßnahmen zum Schutz für Kinder und Jugendliche nach § 43 SGHB VIII (Inobhutnahmestelle), • die Durchführung und Finanzierung von ambulanten sozialpädagogischen Maßnahmen für straffällige Jugendliche, • das Vorhalten einer gemeinsamen Adoptionsvermittlungsstelle, • das Betreiben einer gemeinsamen Erziehungsberatungsstelle, • die Abstimmung bei Rechtsänderungen (gegenwärtig etwa beim Vormund- schaftsrecht) sowie • den Austausch und die unverbindliche Abstimmung in Arbeitsgruppen im Zu- ständigkeitsbereich des ehemaligen Regierungsbezirks Lüneburg.

Zudem ist auf zentrale Pflegesatzvereinbarungen zu verweisen, auf die sich die Stadt und der Kreis Lüneburg sowie der Kreis Uelzen seit dem Jahr 1998 verstän- digen. Durch eine Abstimmung von Stadt und Landkreis Lüneburg hinsichtlich der Gebühren und Löhne im Bereich der Kindertagesstätten konnte ein weitgehend einheitlicher Rechtsstand erreicht werden. Die Zusammenarbeit des Kreises und der übrigen kreisangehörigen Gemeinden wird als intensiv eingeschätzt; so bilden etwa die vom Landkreis finanzierten Sozialraumbüros in den Gemeinden einen wohnortnahen Anlaufpunkt für Beratungssuchende.

Im Ergebnis erreicht die jugendpolitische Kooperation im Landkreis Lüneburg ein Ausbaufähiges Kooperationsni- mittleres, mithin ausbaufähiges Niveau. So könnte im Bereich des Unterhaltsvor- veau schusses und der Amtsvormundschaften die bislang getrennte Aufgabenwahrneh- mung von Stadt und Kreis gebündelt werden, zumal die dagegen gerichteten Wi-

15 Von Landkreisvertretern wurde diesbezüglich auf eine Reformoption verwiesen, wonach die Stadt die Ausgaben im Jugendbereich durch direkte Schlüsselzuweisungen des Landes deckte, womit das bestehende Erfordernis, Verträge über die entsprechenden Finanzströme zwischen Stadt und Kreis Lüneburg zu schließen und zu erneuern, entfiele. 209 Kommunalstrukturen in Nordostniedersachsen

derstände eher politisch motiviert scheinen. Weitere Kooperationsperspektiven für den Landkreis und die Stadt Lüneburg sowie die übrigen Landkreise im Untersu- chungsraum ergeben sich aus einer kreisübergreifenden Aufgabenwahrnehmung in ausgewählten Feldern der Jugendhilfe, die sich am Referenzprojekt des Vereins Referenzprojekt Jugendhilfe Süd- Jugendhilfe Süd-Niedersachsen orientieren könnte. Dieser 1993 gegründete Verein Niedersachsen erbringt inzwischen weitreichende Hilfen und Leistungen nach dem SGB VIII für seine Mitgliedskommunen (die Landkreise Göttingen, Northeim und Osterode am Harz sowie die Städte Göttingen, Northeim und Einbeck). Er wirtschaftet mit ei- nem Haushaltsvolumen von 4,67 Mio. EUR (im Jahr 2011) und kann auf deutliche Synergieeffekte und Kosteneinsparungen verweisen, etwa bei der Fachstelle Dia- gnostik. Eine weitere regionsweite Kooperationsform könnten gemeinsame Ver- handlungen der Landkreise mit den freien Trägern der Jugendhilfe über Leistungen und Entgelte darstellen, die eine verbesserte Verhandlungsposition für die Kreise versprechen. Für die meisten Elemente der Jugendhilfe ist jedoch das Bereithalten Keine Zentralisie- rung der Jugend- niedrigschwelliger Angebote vor Ort entscheidend. Eine Zentralisierung der Ju- ämter gendämter im Untersuchungsraum ist daher grundsätzlich auszuschließen.

Die skizzierte Größerräumigkeit im Bereich der Jugendhilfe bietet sich insbeson- Kreisübergreifen- de Zusammenar- dere für den Landkreis Lüneburg an, der bislang mit Ausnahme der Teilnahme an beit in der Ju- Vergleichsringen und einer Kooperation mit den Kreisen Harburg, Lüchow- gendhilfe Dannenberg und Uelzen sowie der Stadt Lüneburg im Bereich des Jugendschutzes (§ 14 SGB VIII) auf das eigene Kreisgebiet orientiert erscheint. Die Landkreise Uelzen und Lüchow-Dannenberg arbeiten dagegen in den Bereichen der Jugender- holung und -bildung (§ 11 SGB VIII), der Allgemeinen Jugendarbeit (§ 11 SGB VIII), der Jugendringarbeit (§ 12 SGB VIII) und der Jugendsozialarbeit (§ 13 SGB VIII) zusammen; zudem ist die Einrichtung einer gemeinsamen Adoptionsvermitt- lungsstelle geplant. Im Hintergrund dürften hier auch die stark überdurchschnittli- chen Kosten des Landkreises Lüchow-Dannenberg im Bereich der Jugendhilfe stehen.

Handlungsoptionen (Auswahl)

• Bündelung der Aufgabenwahrnehmung in den Bereichen Unterhaltsvorschuss und Amtsvormundschaften im Landkreis Lüneburg • Kreisübergreifende Konzentration ausgewählter Aufgaben der Jugendhilfe (ggf. in Bezug auf den Verein Jugendhilfe in Süd-Niedersachsen)

5.3.5 Wirtschaftsentwicklung (inkl. Tourismus)

Die Kreisebene sucht die regionale Wirtschaftsentwicklung durch eine Reihe un- Regionale Wirt- schaftsförderung terschiedlicher Politiken mit zu beeinflussen/zu steuern, von denen nur die Wirt- der Kreisstufe

210 Kommunalstrukturen in Nordostniedersachsen

schaftsförderung hier einer näheren Betrachtung unterzogen werden kann. Ihr lässt sich neben der allgemeinen regionalen Wirtschaftsförderung die Bereitstellung eines Einheitlichen Ansprechpartners als Folge der europäischen Dienstleistungs- richtlinie zuordnen. Die allgemeine Wirtschaftsförderung richtet sich dabei auf die Entwicklung und Pflege des Standorts, die Durchführung entsprechender Werbe- maßnahmen sowie die Vermittlung von Fördermitteln an Unternehmen. Dies wird ergänzt um Dienstleistungen im Bereich der Unternehmens- und Gründerberatung, die Bereitstellung statistischer Informationen und ggf. die Durchführung von Mes- sen und anderen Veranstaltungen. Die Bereitstellung des Einheitlichen Ansprech- partners zielt auf die Förderung des Dienstleistungssektors durch gebündelte und einheitliche Informationsangebote an interessierte Unternehmen. Als ein Teilbe- reich der Wirtschaftsförderung wird hier zudem die Tourismusförderung besonders hervorgehoben. Diesbezüglich fällt der Kreisebene einerseits die Entwicklung und Pflege der gegebenen touristischen Standorte sowie des sich damit verbindenden Profils zu, andererseits gilt es, den Standort angemessen zu bewerben, die vorhan- denen Unternehmensstrukturen zu unterstützen und sich in ggf. vorhandene Ge- meinschaftsverbände und sonstige Strukturen fördernd einzubringen.

Mit Blick zunächst auf die Binnenverhältnisse im Landkreis Lüneburg ist auf die Wirtschaftsförde- rung im Kreis von Stadt und Landkreis kofinanzierte Wirtschaftsförderungs-GmbH für Hanse- Lüneburg stadt und Landkreis Lüneburg (WLG) zu verweisen. Die kleineren Gemeinden des Landkreises können ihre Kompetenzen im Bereich der Wirtschaftsförderung offen- bar nur eingeschränkt nutzen, eine Konzentration der Wirtschaftsförderung beim Kreis wäre daher ggf. zu prüfen; auch stellt dieses Defizit ein Argument für Fusio- nen innerhalb der eher kleinteiligen Gemeindestruktur Lüneburgs dar. Hervorzuhe- ben bleibt demgegenüber, dass Landkreis und Stadt Lüneburg seit 2010 als ge- meinsamer einheitlicher Ansprechpartner im Rahmen der Umsetzung der EU- Dienstleistungsrichtlinie fungieren.

Die Zusammenarbeit und Kommunikation zwischen der Leuphana Universität Lü- Zusammenarbeit mit der Leuphana neburg einerseits und der Stadt und dem Landkreis Lüneburg andererseits wurde in Universität den Interviews – im Gegensatz zu der eher positiven öffentlichen Wahrnehmung der Universität insgesamt – als stark defizitär eingeschätzt; auch sei der Wissens- transfer unterausgeprägt. Diese sich mit dem Standort der Universität verbindenden Potentiale auszuschöpfen, sollte ein prioritäres Ziel der Lüneburger Wirtschaftsför- derung sein.

Die Wirtschaftsförderung von Stadt und Landkreis Uelzen wurde unter der Chiffre Wirtschaftsförde- rung im Kreis „Uelzen aktiv“ zusammengelegt; diese Kooperation wird seitens des Landkreises Uelzen als besonders erfolgreich gekennzeichnet, eine Aussage, die aufgrund der Inter- viewverweigerung durch den Landrat allerdings nicht näher geprüft werden konnte.

211 Kommunalstrukturen in Nordostniedersachsen

Auch der Landkreis Lüchow-Dannenberg verweist auf die aus seiner Sicht effizien- Wirtschaftsförde- rung im Kreis te Wirtschaftsförderung des Kreises, doch können entsprechende Maßnahmen Lüchow- durch den geringen Mitteleinsatz nur begrenzte Wirkungen entfalten. Als wesentli- Dannenberg ches Hindernis der Wirtschaftsentwicklung des Kreises werden unzureichende infrastrukturelle Grundlagen angeführt, insbesondere das Fehlen einer Bahn- und Autobahnanbindung im Kreisgebiet, das zu einer gewissen „Insellage“ führe. In Teilen Lüchow-Dannenbergs wird aufgrund der ausgeprägten wirtschaftlichen Schwäche des Kreises von der Notwendigkeit einer landesseitigen Dauersubventi- onierung ausgegangen.

Auch wenn die Arbeit der bestehenden Organisationen der Wirtschaftsförderung Bündelung im Untersuchungs- vor Ort als effektiv und effizient eingeschätzt wird, wären mögliche Synergieeffekte raum einer teilräumlichen Bündelung ggf. zu prüfen, insbesondere für die von ähnlichen strukturellen Problemen gekennzeichneten Landkreise Uelzen und Lüchow- Dannenberg. Die Erfahrung verweist dabei darauf, dass größerräumige Lösungen in der Wirtschaftsförderung eher für die Durchführung großer Projekte und routini- sierte Tätigkeiten, etwa die Antragsstellung, geeignet sind, während im Übrigen Ortskenntnis und das Vertrauen der lokalen Akteure untereinander genutzt werden sollten.

Die Vorteile einer kreisübergreifenden Wirtschaftsförderung werden im Untersu- Kreisübergreifen- de Förderung des chungsraum in Teilen bereits durch eine Reihe von Projekten zur Förderung der ländlichen Raums ländlichen Wirtschaftskraft genutzt. So schlossen sich die Landkreise Lüneburg und Harburg sowie Gemeinden aus diesen Kreisen in der LEADER-Region Ach- tern Diek zusammen. Hinzu treten die ILEK-Region Lüneburger Heide (unter Be- teiligung der Kreise Lüneburg, Harburg und Heidekreis sowie einiger kreisangehö- riger Gemeinden) sowie die LEADER-Region Niedersächsische Elbtalaue, in der die Landkreise Lüneburg und Lüchow-Dannenberg sowie Gemeinden aus diesen Kreisen zusammenwirken. Zur Förderung kleiner und mittlerer Unternehmen in der Region haben die Landkreise Uelzen, Celle, Harburg, Heidekreis, Verden, Oster- holz, Rotenburg, Cuxhaven und Stade zudem die Arbeitsgemeinschaft Technolo- gie- und Innovationsförderung Elbe-Weser Region (ARTIE) gegründet.

Im Bereich der Tourismusförderung ist im Untersuchungsraum auf verschiedene Ausdifferenzierte Organisation der Organisationen zu verweisen, die sich durch eine je unterschiedliche (teil-) räumli- Tourismusförde- che Orientierung (u.a. Lüneburger Heide, Elbe, Hamburger Umland sowie das je rung eigene Kreisgebiet) unterscheiden. So bilden etwa der Kreis Lüneburg und einige kreisangehörige Gemeinden und Städte die Lüneburg Marketing GmbH. Im Land- kreis Uelzen wird die überörtliche Tourismusarbeit vom HeideRegion Uelzen e.V. getragen, dem der Kreis und 27 kreisangehörige Gemeinden angehören. Neben diesen nur auf das eigene Kreisgebiet bezogenen Tourismuseinrichtungen haben sich regionale Akteure etabliert. So erfolgt etwa die Vermarktung der Lüneburger

212 Kommunalstrukturen in Nordostniedersachsen

Heide im Rahmen einer gleichnamigen GmbH, die die Landkreise Lüneburg, Har- burg, Uelzen, Heidekreis und Celle bildeten. Zudem arbeiten die Landkreise Lüne- burg, Harburg und Stade (gemeinsam mit Kreisen aus Schleswig-Holstein und Mecklenburg-Vorpommern) im Verein Naherholung im Umland Hamburg zu- sammen. Wie im Tourismusbereich üblich, tritt eine Reihe kleinteiliger oder tem- porärer Projekte hinzu, etwa die „Pferderegion Luhmühlen“, eine Kooperation der Kreise Lüneburg und Harburg sowie der Samtgemeinde Gellersen, und die Be- schilderung radtouristischer Routen im Landkreis Lüneburg. Die hier erkennbare Koexistenz verschiedener, sich mit Blick auf die Mitgliedschaft wie den räumli- chen Bezug überlappender Organisationen der Tourismusförderung erscheint auf- grund der voneinander getrennten touristischen Anziehungspunkte in Nordostnie- dersachsen erklärbar; inwiefern diese stärker vernetzt werden sollten, bedürfte ei- ner genaueren Überprüfung.

Handlungsoptionen (Auswahl)

• Bündelung der Wirtschaftsförderung kleinerer kreisangehöriger Gemeinden beim Landkreis Lüneburg • Stärkung der Zusammenarbeit der Leuphana Universität, der Wirtschaft und der Kommunalverwaltungen, insbesondere zum Ausbau des Wissenstransfers • Ggf. kreisübergreifende Konzentration der Einrichtungen der Wirtschaftsförde- rung • Verbesserung der regionalen infrastrukturellen Voraussetzungen wirtschaftlicher Tätigkeit durch das Land • Ggf. Prüfung der Vernetzung bestehender Tourismusangebote im Raum

5.3.6 Infrastrukturentwicklung

Zum Bereich der Infrastrukturentwicklung zählt im Rahmen der hier vorgelegten Aufgaben der Kreisstufe im Untersuchung vor allem das Bauwesen, dem die Bauordnung, der Hochbau, kreis- Bauwesen eigene Verkehrsflächen und die Wohnraumförderung zuzuordnen sind. Dabei um- fasst das Aufgabenspektrum der Landkreise: • die Bauleitplanung, die Prüfung von Bauvorhaben und Nutzungen, die Ertei- lung von Baugenehmigungen, die Bauüberwachung, den vorbeugenden Brand- schutz, den Denkmalschutz und die Denkmalpflege, • die Durchführung von Hochbaumaßnahmen zur Deckung des Raumbedarfs der Kreisverwaltung und der Schulen in der Trägerschaft des Landkreises, • den Neubau und die Erneuerung sowie den Betrieb und die Unterhaltung der kreiseigenen Verkehrsflächen sowie • die Entgegennahme und Prüfung von Förderanträgen sowie die Weiterleitung an die NBank, die Erteilung von Wohnberechtigungsscheinen, Freistellungen und Ausnahmen von der Belegbindung.

213 Kommunalstrukturen in Nordostniedersachsen

Im Baubereich besteht keine institutionalisierte Zusammenarbeit zwischen dem Keine institutiona- lisierte Zusam- Landkreis Lüneburg und seinen kreisangehörigen Städten und Gemeinden; ledig- menarbeit im lich die gemeinsame Tätigkeit eines Brandschutzprüfers ist hier zu benennen. Kreis Lüneburg Stattdessen wird erkennbar auf informellen Austausch und persönliche Kontakte gesetzt, etwa in Form regelmäßiger Gesprächsrunden von Sachbearbeitern der kreislichen Baubehörde sowie Bürgermeistern und Bauamtsleitern der Städte und Gemeinden zur Besprechung grundlegender Entwicklungen und strittiger Einzel- fälle. Eine Konzentration der Baubehörden von Stadt und Landkreis Lüneburg wurde in den Interviews unter Verweis auf die Größe der damit geschaffenen Ein- richtung und die sich damit verbindende Vergrößerung der Leitungsspanne eher abgelehnt, erscheint dem Gutachter aber eine nähere Untersuchung wert, können damit doch Parallelstrukturen im Kreis abgebaut werden. Eine Zusammenführung der Bauaufsicht von Stadt und Landkreis Lüneburg dürfte besonders prüfenswert sein; Personaleinsparungen, eine Qualitätssteigerung der Aufsicht und eine bessere Kompensationsmöglichkeit bei Ausfallzeiten zählen zu den potentiellen Gewinnen aus einer solchen Konzentration.

Eine kreisübergreifende Konzentration der Baubehörden traf in den Gesprächen in Ablehnung einer kreisübergreifen- der logischen Konsequenz auf klare Ablehnung. So wäre aufgrund der deutlich den Konzentrati- erhöhten Führungsspanne ggf. die Einführung einer Zwischenführungsebene not- on der Baubehör- den wendig, die die mögliche Fusionsrendite schmälerte. Zudem müssten bestehende informelle Kommunikationsnetze, in denen ein funktionierender Austausch von Verwaltungsmitarbeitern von Kreis, Städten und Gemeinden sowie Sachverständi- gen bei der Bearbeitung von Bauvorhaben (etwa bei der bauplanungsrechtlichen Genehmigung oder bauordnungsrechtlichen Aspekten) erfolgt, erweitert oder for- mell organisiert werden. Schließlich sprechen der ortsgebundene Beratungsbedarf der Bürger und planenden Architekten sowie die Bedeutung der Ortskenntnis, etwa bei der Bearbeitung von Baugenehmigungen, eine wichtige Rolle. Seitens der Kreisverwaltung Lüneburg wird zur Fortführung der bestehenden einzelthemati- schen regionalen Kooperationsformen geraten, die sich auf den Erfahrungs- und Dokumentenaustausch im Bereich der Bauaufsicht (über die Kommunikationsplatt- form BauBIK mit verschiedenen Landkreisen) und die Abstimmung beim Projekt „Bauen online“ (mit dem Landkreis Harburg) beziehen.

Für den Bereich des Geoinformationssystems bieten sich einheitliche Strukturen in Vereinheitlichung der Geoinformati- Nordostniedersachsen erkennbar an. Mit Blick auf das Binnenverhältnis von Stadt onssysteme und Kreis Lüneburg ist zudem die Integration der Bebauungspläne der Stadt in das Geoportal des Kreises empfehlenswert.

Die gemeinsame Bestellung von Brandschutzprüfern und Prüfstatikern ist aufgrund Kooperation in den Bereichen des sehr geringen Personalbesatzes in diesen technisch spezialisierten Bereichen Brandschutz und auch in Nordostniedersachsen zu empfehlen. Die Landkreise Uelzen und Lüchow- Prüfstatik

214 Kommunalstrukturen in Nordostniedersachsen

Dannenberg vereinbarten diesbezüglich zumindest eine gegenseitige Vertretung ihrer Brandschutzprüfer, die allerdings seit mehreren Jahren nicht mehr in An- spruch genommen wird. Der Landkreis Uelzen verwies im Übrigen auf die erfolgte Privatisierung der Prüfstatik im Kreis.

Mit Blick auf das Verkehrswesen verfügen im Landkreis Lüneburg neben dem Zuständigkeit für das Verkehrswe- Kreis auch die Stadt Lüneburg und die Samtgemeinde Bardowick über eigenstän- sen dige Verkehrsbehörden. Eine Zuständigkeitsverlagerung auf weitere Gemeinden, wie von den Westgemeinden des Kreises angestrebt, erhöhte das gemeindliche Steuerungspotential, verbände sich jedoch auch mit einem Wissensverlust, u.a. aufgrund der auf lokaler Ebene begrenzten Vergleichsmöglichkeiten.

Das Kooperationsniveau im Straßenverkehrswesen könnte in Nordostniedersachsen Kooperationspo- tentiale im Stra- erhöht werden. So dürften durch gemeinsame Bestellungen, etwa von Streusalz, ßenbauwesen Beschilderungen und Fahrbahnmarkierungen finanzielle Ressourcen geschont wer- den. Auch ein gemeinsames Schilderdepot und ein zentraler Straßenunterhaltungs- dienst wären ggf. prüfenswert. Zudem zeigten Gespräche in verschiedenen Lan- desteilen Niedersachsen, dass einzelne Gebietskörperschaften spezifische Aufgaben mit geringem Personalbedarf (etwa die Baumkontrolle und den Baumschnitt) häu- fig nicht wirtschaftlich erledigen können, sie wären ggf. einer Kommune zu über- tragen. Bestehende Kooperationen im Untersuchungsraum gilt es gleichwohl zu würdigen: So kooperiert etwa der Landkreis Lüneburg mit seinen kreisangehörigen Gemeinden bei der Durchführung des Winterdienstes innerhalb der Ortsdurchfahr- ten auf Kreisstraßen, der Verwertung und Pflege der sanierten Obstbaumalleen an bestimmten Kreisstraßen sowie Gemeinschaftsprojekten in den Bereichen Straßen- bau und Gehwege. Die Landkreise Lüneburg, Uelzen und Lüchow-Dannenberg haben zudem eine kreisübergreifende Unfallkommission gebildet, die das Unfall- vorkommen auf Verbindungsstraßen zwischen diesen Kreisen untersuchen und sicherheitsverbessernde Maßnahmen erarbeiten soll; eine Kooperation bei einem Wildunfall-Projekt tritt hinzu.

Handlungsoptionen (Auswahl)

• Konzentration der Baubehörden des Kreises Lüneburg, insbesondere mit Blick auf die Bauaufsicht • Einführung eines kreisübergreifenden Geoinformationsportals oder Vereinheitli- chung der bestehenden Geoportale • Integration der Bebauungspläne der Stadt Lüneburg in das Geoportal des Kreises • Aufteilung gemeinsamen Personals in den Bereichen Brandschutz und Prüfstatik • Ausweitung gemeinsamer Bestellungen im Straßenbauwesen • Ggf. Einrichtung eines gemeinsamen Schilderdepots und eines zentralen Straßen- unterhaltungsdienstes • Ggf. Aufgabenübertragung in ausgewählten, wenig personalintensiven Berei- chen (Baumkontrolle, Baumschnitt als Beispiele)

215 Kommunalstrukturen in Nordostniedersachsen

5.3.7 Verkehrsentwicklung

Im Bereich des Öffentlichen Personennahverkehrs (ÖPNV) obliegt es der Kreis- Zuständigkeit der Kreisstufe für den ebene, den Personennahverkehr im Kreisgebiet schienen- wie straßengebunden ÖPNV sicherzustellen.

Mit Blick wiederum zunächst auf das Binnenverhältnis im Landkreis Lüneburg ist Verkehrsplanung und -durchfüh- auf die Funktion der Stadt und des Kreises als eigenständige Verkehrsträger zu rung im Untersu- verweisen. Auf vertraglicher Grundlage bedient die Stadt Mobilitätsbedarfe auch chungsraum im direkten Umland der Stadt, der Großteil der ÖPNV-Versorgung im Kreis kommt gleichwohl der Kreisebene zu. Der Landkreis Lüneburg orientiert sich als Mitglied des Hamburger Verkehrsverbundes (HVV) erkennbar an der Hansestadt Hamburg, eine Ausrichtung die von den Kreisen Harburg und Stade geteilt wird. Zugleich sind die drei Kreise Mitglieder der Verkehrsgesellschaft Nord-Ost- Niedersachsen, die für die Abwicklung des straßengebundenen ÖPNV in diesen Kreisen sowie in Cuxhaven, Rotenburg, Heidekreis, Uelzen und Lüchow- Dannenberg zuständig ist. Der Landkreis Celle stellt demgegenüber seine Nahver- kehrspläne eigenständig auf.

Eine Ausweitung des Hamburger Verkehrsverbundes auf Lüchow-Dannenberg und ÖPNV- Versorgung in Uelzen gilt als sehr kostenintensiv. Auch kann die Durchführung des ÖPNV in Uelzen und Lü- Lüchow-Dannenberg und Uelzen nur begrenzt wirtschaftlich erfolgen, hier ist von chow-Dannenberg einer dauerhaften öffentlichen Alimentierung auszugehen.

Handlungsoptionen (Auswahl)

• Erhalt des Hamburger Verkehrsverbundes und der Verkehrsgesellschaft Nord- Ost-Niedersachsen sowie der jeweiligen Mitgliederstruktur • Sicherstellung eines grundlegenden ÖPNV-Angebots in den Kreisen Lüchow- Dannenberg und Uelzen trotz mangelnder Wirtschaftlichkeit

5.3.8 Umweltentwicklung

Der Umweltbereich umfasst auf Kreisebene vor allem die Abfallentsorgung und Aufgaben der Umweltverwal- -überwachung, die Aufgaben der Unteren Wasser- und Landwirtschaftsbehörde tung der Kreis- (Überwachung, Erteilung von Genehmigungen, Aufsicht über Wasser- und Boden- ebene verbände), jene der Unteren Naturschutzbehörde (Stellungnahmen in Planverfah- ren, Erstellung von Landschaftsrahmenplänen, Nutzung von Ersatzgeld, Umset- zung der Natura 2000) sowie technische Aufgaben, etwa mit Blick auf das Bun- desbodenschutzgesetz.

216 Kommunalstrukturen in Nordostniedersachsen

Bestehende Kooperationen in Nordostniedersachsen ergeben sich überwiegend aus Bestehende Ko- operationsformen einem naturräumlichen Regelungsgegenstand, der Kreisgrenzen überschreitet. So in Nordostnieder- kooperieren die Landkreise Lüneburg und Lüchow-Dannenberg bei der Verwal- sachsen tung des Biosphärenreservats Niedersächsische Elbtalaue sowie in der Kommuna- len Arbeitsgemeinschaft zur Zusammenarbeit im Elbetal. Der Elbverlauf bildet auch im Bereich des Hochwasserschutzes ein gemeinsames Vorgehen nahelegen- des Element; trotzdem kommt es im Rahmen der Projektgruppe Hochwasserma- nagement bislang nur zu einem Austausch der betroffenen Kommunen, dominiert die Ausrichtung auf die eigenen Schutzanlagen. Im Bereich des Wasserwerks Lü- neburg verständigten sich hingegen die Landkreise Lüneburg und Uelzen sowie die Stadt Lüneburg auf die Übertragung der Wasserschutzausgaben auf eine Gebiets- körperschaft. Eine weitere umweltpolitische Zusammenarbeit des Landkreises Uel- zen liegt dahingehend vor, dass dieser mangels eines eigenen Wasserlabors den Kreis Lüchow-Dannenberg beauftragt, Wasseruntersuchungen im Rahmen der Einleiterüberwachung auch für die kommunalen Kläranlagen im Kreis Uelzen vor- zunehmen. Schließlich sei auf die Kooperationen mit Blick auf den Naturpark Lü- neburger Heide (Landkreise Lüneburg, Harburg und Heidekreis sowie einige kreis- angehörige Gemeinden) und den Naturpark Elbufer-Drawehn (Landkreise Lüne- burg und Lüchow-Dannenberg sowie einige kreisangehörige Gemeinden) verwie- sen.

Der Bereich des Klimaschutzes dürfte für eine Übertragung auf die regionale Ebe- Regionale Steue- rung des Klima- ne prädestiniert sein, da kleinere Landkreise mit entsprechenden Aufgaben in der schutzes Regel eher überfordert sind und einzelne unabgestimmt handelnde Akteure Klima- schutzmaßnahmen nur begrenzt effektiv durchführen können. Stadt und Landkreis Lüneburg sind mit der Errichtung einer gemeinsamen Klimaschutzstelle im Jahr 2008 einen Schritt in diese Richtung gegangen.

Mit Blick auf die Abfallentsorgung bewirtschaften der Landkreis Uelzen und der Kooperationen im Bereich der Ab- Zweckverband Abfallwirtschaft Celle, eine öffentliche Einrichtung der Stadt und fallwirtschaft des Kreises Celle, eine gemeinsame Deponie und entsorgen gemeinsam Siedlungs- abfälle. Stadt und Landkreis Lüneburg führen die kommunale Abfallwirtschaft seit dem Jahr 1994 gemeinsam in der Gesellschaft für Abfallwirtschaft Lüneburg mbH durch. Die Landkreise Uelzen und Lüchow-Dannenberg kooperieren im Bereich der Abfallwirtschaft vor allem bei der Fortbildung nach TRGS 520 (Schadstoff- sammlung) und § 4 Deponieverordnung (Betrieben von Gasanlagen) sowie bei Schulungen des Deponiepersonals; die Ausweitung zu einer gemeinsamen Organi- sation der Abfallwirtschaft sollte geprüft werden. Zudem könnte seitens des Land- kreises Lüchow-Dannenberg die bestehende Kooperation mit der Samtgemeinde Bardowick im benachbarten Landkreis Lüneburg dahingehend überprüft werden,

217 Kommunalstrukturen in Nordostniedersachsen

ob nicht eine Mitnutzung der großen Deponien in Salzwedel, die bislang am „Hin- dernis“ der Bundesländergrenzen scheiterte, wirtschaftlicher wäre.

Gegen eine über die benannten Bereiche hinausgehende Zusammenführung der Hoher Stellenwert der Ortskenntnis Aufgabenwahrnehmung im Umweltbereich wird meist auf die hohe Bedeutung der Ortskenntnis mit Blick auf ökologische, landschaftliche, geologische, hydrologi- sche und hydraulische Gegebenheiten verwiesen, ein Argument, das allerdings mit Blick auf die frühere Aufgabenerledigung im Rahmen der Bezirksregierungen nicht immer überzeugt. Für größerräumige Lösungen im Umweltbereich spricht zudem, dass die Umweltverwaltung stark mit technischen Fragen betraut ist, die einer entsprechenden Spezialisierung bedürfen, und darüber hinaus vergleichbare Ansprüche im Raum bestehen.

Handlungsoptionen (Auswahl)

• Einführung eines gemeinsamen Hochwassermanagements • Regionale Steuerung des Klimaschutzes • Ggf. Fusion der Abfallwirtschaftseinrichtungen, insbesondere der Kreise Uelzen und Lüchow-Dannenberg • Länderübergreifende Mitnutzung der Deponie in Salzwedel • Weitgehender Erhalt der ortsnahen Aufgabenwahrnehmung, ggf. Prüfung von Spezialisierungsvorteilen einer größerräumigen Aufgabenwahrnehmung

5.3.9 Kulturentwicklung

Die Kulturentwicklung zählt zu den freiwilligen Selbstverwaltungsaufgaben der Kreisliche Zu- ständigkeiten in Landkreise. Hierunter fallen primär die Errichtung und der Betrieb lokaler Kultur- der Kulturent- einrichtungen mit meist besonderem Regionalschwerpunkt wie Bibliotheken, Mu- wicklung seen, Musikschulen und Volkshochschulen; hinzu treten die Organisation von Ver- anstaltungen und anderen Förderformen der Heimat- und sonstigen Kulturpflege.

Im Landkreis Lüneburg entfällt der Großteil kulturpolitischer Aktivitäten auf die Regionale Bedeu- tung des Theaters Hansestadt sowie die kreisangehörigen Gemeinden. Das Theater Lüneburg wird Lüneburg dagegen von Landkreis und Stadt Lüneburg gleichberechtigt getragen (in Form der Theater Lüneburg GmbH seit dem Jahr 1975); es stellt einen bedeutenden Kosten- faktor dar, verfügt im Gegensatz zu anderen eher lokal geprägten Kulturangeboten jedoch über eine regionsweite Ausstrahlung.

Die Volkshochschule Region Lüneburg wird von Stadt und Landkreis ebenfalls Kooperationspo- tentiale für die paritätisch finanziert. Die Landkreise Uelzen und Lüchow-Dannenberg entschieden Volkshochschulen sich demgegenüber für eine Fusion ihrer Volkshochschulen auf Basis einer Zweck- vereinbarung. In dieser Konstellation erscheinen in Nordostniedersachsen gemein- same Fortbildungen, ein Dozentenaustausch und eine Abstimmung über speziali-

218 Kommunalstrukturen in Nordostniedersachsen

sierte Angebote, etwa zur beruflichen Bildung, verfolgenswert. In anderen Teil- räumen Niedersachsens wurden Kooperationsperspektiven für die Kreisvolkshoch- schulen zudem mit Blick auf die gemeinsame Produktion von Programmheften (zur Einsparung von Druck- und Vertriebskosten aufgrund besserer Verhandlungsmög- lichkeiten gegenüber Druckereien), die konzentrierte Erstellung von Qualitätstesta- ten und die Einstellung eines Spezialisten zur Einwerbung von ESF-Mittel aufge- zeigt.

Eine regionale Kulturentwicklung in Nordostniedersachsen bleibt bislang auf den Regionale Kultur- entwicklung von den Kreisen Lüneburg, Lüchow-Dannenberg, Uelzen, Harburg, Heidekreis, Celle und Gifhorn sowie der kreisfreien Stadt Wolfsburg gebildeten Lüneburgi- schen Landschaftsverband beschränkt. Inwiefern die kulturelle Mobilität in Nord- ostniedersachsen eine Abstimmung der Kulturangebote und ein verstärktes regio- nales Kulturmarketing nahe legen, wäre ggf. einer gesonderten Prüfung zu unter- ziehen.

Handlungsoptionen (Auswahl)

• Gemeinsame Fortbildung, Dozentenaustausch und Abstimmung über speziali- sierte Angebote durch die Volkshochschulen • Ggf. gemeinsame Produktion von Programmheften, Erstellung von Qualitätstesta- ten und Einstellung eines Spezialisten zur Einwerbung von ESF-Mitteln seitens der Volkshochschulen • Abstimmung der Kulturangebote und verstärktes regionales Kulturmarketing

5.3.10 Gesundheitsschutz und -aufsicht

Der öffentliche Gesundheitsschutz und die allgemeine Gesundheitsaufsicht umfas- Rechtsgrundlagen sen die Beobachtung, Begutachtung und Wahrung der gesundheitlichen Belange der Bevölkerung.16 Die maßgebliche Rechtsgrundlage für die Zuständigkeitsvertei- lung in diesem Aufgabenbereich bildet das Niedersächsische Gesetz über den öf- fentlichen Gesundheitsdienst (NGöGD)17.

Demnach berät und unterstützt das Landesgesundheitsamt (NLGA) Behörden und Aufgaben des Landesgesund- Einrichtungen (Landesregierung, Fachministerien, Einrichtungen des Öffentlichen heitsamtes Gesundheitsdienstes, sonstige Behörden) sowie alle Berufsgruppen des Gesund- heitswesens bei Fragen der Förderung und des Schutzes der Gesundheit der Bevöl- kerung. Dazu sammelt das NLGA die erforderlichen Daten und bewertet diese

16 Die Einrichtungen des Gesundheitsdienstes, etwa die Krankenhäuser, werden hier nicht vertieft untersucht. Zudem sei erneut darauf hingewiesen, dass am Beispiel des Gesundheitsschutzes (und der -aufsicht) sowie des nachfolgenden Veterinärwesens/der Lebensmittelüberwachung ex- emplarisch auf Möglichkeiten und Grenzen einer aufgabenspezifischen Analyse abgestellt wird. 17 I.d.F.v. 24. März 2006, Nds. GVBl. 2006, 178. 219 Kommunalstrukturen in Nordostniedersachsen

insbesondere unter epidemiologischen Gesichtspunkten. Zudem führt es mikrobio- logische, umweltmedizinische und wasserhygienische Untersuchungen einschließ- lich krankenhaushygienischer Analysen zur Identifizierung von Krankheitserregern und Schadstoffen durch. Im Bereich übertragbarer Krankheiten identifiziert und untersucht das NLGA das überregional häufige Auftreten meldepflichtiger Erkran- kungen und Erreger und informiert darüber den niedersächsischen Öffentlichen Gesundheitsdienst und die Öffentlichkeit. In Zusammenarbeit mit weiteren Behör- den arbeitet es hierauf bezogene Schutzkonzepte und Alarmpläne für Niedersach- sen aus. Außerdem informiert das NLGA gemeinsam mit den Gesundheitsämtern der Landkreise und kreisfreien Städte die Öffentlichkeit über Möglichkeiten des Infektionsschutzes. Im Bereich der Umweltmedizin ermittelt und bewertet das NLGA Expositionen gegenüber gesundheitsbedrohenden Umwelteinflüssen und arbeitet darauf bezogene Empfehlungen aus. Auch werden regionale Krankheits- häufungen mit vermutetem Umweltzusammenhang epidemiologisch untersucht und bewertet. Weiterhin bietet das NLGA Aus-, Fort- und Weiterbildungen für Personal im Gesundheitswesen, insbesondere im Öffentlichen Gesundheitsdienst, an. Schließlich erstattet das NLGA Bericht über die gesundheitliche Situation der niedersächsischen Bevölkerung (Landesgesundheitsberichte).

Den Landkreisen und kreisfreien Städten kommen demgegenüber die folgenden Aufgabenspekt- rum der Kreisstu- Aufgaben im Bereich des Gesundheitsschutzes zu. Erstens sind sie für den Infekti- fe: onsschutz, die Umwelthygiene und die Hygieneüberwachung zuständig. Dazu zäh- len die Entgegennahme und Weiterleitung (an das NLGA) von Meldungen über Infektionsschutz, Umwelthygiene das Auftreten meldepflichtiger Krankheiten, darauf bezogener Todesfälle und und Hygiene- nachgewiesener Krankheitserreger sowie die Durchführung von Maßnahmen zur überwachung

Verhütung übertragbarer Krankheiten, was bei bestimmten Krankheiten auch auf- suchende Angebote der Beratung, Untersuchung und Behandlung einschließt. Zu- dem überwachen sie die Infektionshygiene in zahlreichen öffentlichen Einrichtun- gen (etwa Krankenhäusern, Arztpraxen und ambulanten heilberuflichen Einrich- tungen) und belehren das Personal, das in gewerbsmäßigem Kontakt mit Lebens- mitteln steht. Hinzu kommen Ermittlungspflichten zu tatsächlichen oder Ver- dachtsfällen bei der Bekämpfung übertragbarer Krankheiten sowie die diesbezügli- che Durchführung von Schutzmaßnahmen (etwa Beobachtung, Quarantäne). Die Landkreise und kreisfreien Städte überwachen weiterhin die Trinkwassergewin- nung und -versorgung einschließlich der Hausinstallationen, die Badegewässer und Badegebiete sowie den Bereich frei verkäuflicher Arzneimittel. Auch sind sie für die Erlaubniserteilung und Überwachung gemäß der Gefahrstoffverordnung zu- ständig, genehmigen Umbettungen und stellen Leichenpässe aus. Das Gesundheits- amt berät schließlich die übrige Verwaltung bei der Krankenhaus- und Verkehrs- planung sowie der Erteilung von Baugenehmigungen.

220 Kommunalstrukturen in Nordostniedersachsen

Zweitens veranlassen, unterstützen und koordinieren die Landkreise und kreisfrei- Gesundheitsprä- vention und - en Städte präventive und gesundheitsfördernde Maßnahmen und können diese auch förderung selbst durchführen. Dazu zählen die Information, Beratung und Aufklärung über Gesundheitsgefährdungen, gesundheitsfördernde Verhaltensweisen (Vorsorge, Krankheitsfrüherkennung) und Maßnahmen zur Versorgung und Rehabilitation. Dies beinhaltet neben der Erarbeitung und Durchführung von Kampagnen auch die Netzwerkbildung mit regionalen Gesundheitsakteuren.

Drittens obliegen den Gebietskörperschaften der Kreisebene insbesondere der Gesundheits- schutz von Kin- Schutz und die Förderung der Gesundheit von Kindern und Jugendlichen. Sie füh- dern und Jugend- ren Schuleingangsuntersuchungen durch und fördern gemeinsam mit den Kranken- lichen kassen und Zahnärzten Maßnahmen zur Erkennung und Verhütung von Zahner- krankungen von Kindern. Unter letzteres fallen die Durchführung zahnärztlicher Untersuchungen und der Gruppenprophylaxe sowie die Vermittlung von Hinwei- sen zur zahngesunden Ernährung, auch gegenüber Schlüsselpersonen wie Eltern, Erziehern und Lehrern.

Viertens haben die Landkreise und kreisfreien Städte ärztliche Untersuchungen Amtsärztliche Untersuchungen, und Begutachtungen vorzunehmen und hierüber Gutachten, Zeugnisse und Be- Begutachtungen scheinigungen zu erstellen. Zu diesen amtsärztlichen Leistungen zählt zudem die und Aufsicht Erfassung und Aufsicht über verschiedene Fachberufe des Gesundheitswesens.

Fünftens führen die Landkreise und kreisfreien Städte Maßnahmen zur besseren Erstellung von Gesundheitsbe- sozialen und medizinischen Versorgung von psychisch kranken, seelisch behinder- richten ten oder gestörten Personen durch. Schließlich erstellen sie kommunale Gesund- heitsberichte. Darin beschreiben und bewerten sie die gesundheitlichen Verhältnis- se ihrer Bevölkerung auf der Basis selbst erhobener und nach epidemiologischen Gesichtspunkten ausgewerteter Daten.

Die Aufgaben der Gemeinden sind demgegenüber vor allem auf die Bekämpfung Gemeindliche Gesundheitsauf- von Gesundheitsschädlingen und Hilfestellungen für die Gesundheitsämter zur gaben Verhinderung der Verbreitung übertragbarer Krankheiten begrenzt.

Gesetzliche Grundlagen

Landesrecht - Gesetz über den öffentlichen Gesundheitsdienst (NGöGD) - Gesetz über Hilfen und Schutzmaßnahmen für psychisch Kran- ke (NPsychKG) - Gesetz über das Leichen-, Bestattungs- und Friedhofswesen (NBestattG) - Verordnung zur Verhütung übertragbarer Krankheiten (Hygie- ne-Verordnung) - Verordnung über Zuständigkeiten auf verschiedenen Gebieten der Gefahrenabwehr (ZustVO-SOG) - Weitere Verordnungen und Ausführungsbestimmungen

221 Kommunalstrukturen in Nordostniedersachsen

Bundesrecht - Gesetz zur Verhütung und Bekämpfung von Infektionskrank- heiten beim Menschen (IfSG) - Gesetz über den Verkehr mit Arzneimitteln (AMG) - Verordnung über die Qualität von Wasser für den menschlichen Gebrauch (TrinkWV) - Verordnung zum Schutz vor Gefahrstoffen (GefStoffV) - Weitere Rechtsvorschriften mit gesundheitspolitischen Bezügen

Verwaltungsaufbau

Instanzen (1) Oberste Landesgesundheitsbehörde (Ministerium für Soziales, Frauen, Familie, Gesundheit und Integration (MS)) (2) Zentrales Landesamt (NLGA) (3) Untere Gesundheitsbehörde (Landkreise, kreisfreie Städte) Verwaltungs- (1) Ministerium für Soziales, Frauen, Familie, Gesundheit und ebenen Integration (Abt. 4) (2) Landesgesundheitsamt (3) Landkreise und kreisfreie Städte (4) Städte und Gemeinden

Regelungskompetenz und Vollzug18

Bund Land Kommunen Standards Organisation Vollzug ---

Leistungsbereiche19

MS NLGA Landkr., kreisfr. St. Steuerung und oberste Fachaufsicht, ------Planung Planung und Steuerung Entscheidung und Krankheitsbekämpfung Überwachung, Bewer- Überwachung, Aufsicht, Vollzug und -vorbeugung tungen, Schutzkonzep- Untersuchungen, Genehmi- te/Alarmpläne gungen Mitwirkung Allg. i. Belangen des Gutachten, fachtechn. Heimaufsicht Gesundheitswesens Prüfungen Dienstleistung --- Information, Beratung, Untersuchungen, Gutach- Weiterbildung ten, Information, Beratung

Förder------angelegenheiten

Gewährleistung ------Kinder- u. Jug.Ges.Schutz, und Versorgung Prävention, aufsuchende

18 Gestaltungsmöglichkeiten: = groß, = mittel, = gering. 19 Mit einem Haken () wird verdeutlicht, dass die betreffenden Aufgabenträger bzw. Einrichtun- gen in dem jeweiligen Leistungsbereich tätig sind. 222 Kommunalstrukturen in Nordostniedersachsen

Krankheitsbekämpfung, Hilfe für psychisch Kranke Errichtung und --- Eigene Prüf- und La- --- Unterhalt boreinrichtungen

Primäre Zielgruppen

MS NLGA Landkr., kreisfr. St. Interne - NLGA, andere - MS, andere Lan- - andere Dezernate u. Zielgruppen Ressorts desministerien u. - Mitarbeiter behörden Öffentliche - Landkr., kreisfr. St. - Landkr., kreisfr. St. - Ges. Beh. d. Landes Verwaltung - and. öfftl. Ges. Inst. - and. öfftl. Ges. Inst. - Städte u. Gemeinden nicht gewerbl. - alle Berufsgruppen - alle Berufsgruppen - Freie Träger der Ge- d. Gesundheitswe- d. Gesundheitswe- sundheits- und Wohl- Organisationen sens sens fahrtspflege, medizini- sche Berufsgruppen

Anspruchs------gruppen Bevölkerung - Gesamtbevölkerung - Gesamtbevölkerung - Gesamtbevölkerung - bes. Risikogruppen - bes. Risikogruppen - Kinder, Jugendliche Externe Zielgruppen Zielgruppen Externe - bes. Risikogruppen

Unternehmen ------

Organisatorische Zuordnung (Kreisebene)

LK Lüneburg LK Lüchow- LK Uelzen LK Harburg LK Celle Dannenberg

Fachdienst 53 Zweckverband Gesundheitsamt Abt. 53 Gesund- Abt. 50 Gesund- Gesundheit Uelzen - Lüchow-Dannenberg heit heitsamt

Im Ergebnis der Aufgabenanalyse sind die ordnungsbehördlichen und gewährleis- In Teilen unaus- geschöpfte Koope- tenden Aufgaben des öffentlichen Gesundheitsschutzes in Niedersachsen als mate- rationspotentiale riell unverzichtbar zu qualifizieren. Im Untersuchungsraum werden im Bereich des im Untersu- chungsraum Gesundheitsschutzes und der Gesundheitsaufsicht in Teilen unausgeschöpfte Koo- perations- und Fusionspotentiale deutlich. Während die Landkreise Uelzen und Lüchow-Dannenberg ihre Gesundheitsämter im Rahmen eines Zweckverbandes bereits zusammenlegten (unter Einrichtung von Dienststellen in Uelzen und Lü- chow) und eine Ausweitung der Verbandes über das Gebiet von 2.674 km² hinaus nicht funktional erscheint, wäre für den Landkreis Lüneburg eine Fusion des Ge- sundheitsamtes zu prüfen, wobei sich mit Blick auf Obergrenzen einer effizienten Aufgabenwahrnehmung als Fusionspartner der Landkreis Harburg anböte. Der Gebietsumfang eines derart fusionierten Gesundheitsamtes (2465 km²) läge etwas oberhalb des noch zu erläuternden Referenzprojekts im Raum Osnabrück. Lohnen- de Kooperations- und Fusionsrenditen ergeben sich vor allem aus der Reduzierung von Führungsanteilen, Größendegressionseffekten sowie der Tatsache, dass nur

223 Kommunalstrukturen in Nordostniedersachsen

noch eine Verwaltungsstelle kommunale Gesundheitsberichte zu erstellen hätte.20 Zudem wären die Qualität der Leistungserbringung durch eine zunehmende Spezi- alisierung (etwa bei amtsärztlichen Leistungen) zu verbessern und im Zuge einer solchen Neuorganisation Standards und Abläufe zu modernisieren; auch ergäbe sich eine Stärkung der regionalen Handlungsfähigkeit gegenüber Krankenkassen und Verbänden.

Weitergehende Kooperations- und Fusionsrenditen sind aufgrund eines überwie- Kooperations- grenzen aufgrund gend fallzahlbezogenen Aufwandes kaum zu erzielen, betrachtet man etwa den kin- fallbezogenen der- und jugend(zahn)ärztlichen Dienst oder die Überwachung der Trink- und Ba- Aufwands und von Vor-Ort- dewasserhygiene. Diese Aufgabenfelder weisen zudem einen erheblichen Anteil Tätigkeiten aufsuchender Tätigkeiten auf, weshalb sich bei einer Konzentration Mehrkosten für Vor-Ort-Besuche ergäben und daher die Einrichtung von Nebenstellen zu erwägen wäre. Im Übrigen ist zu bedenken, dass gewisse Angebote des Gesundheitsdienstes bei längeren Wegen weniger angenommen werden könnten.

Sucht man die Kooperations- und Fusionsrenditen eines gemeinsamen Gesund- Schätzung mögli- cher Kooperati- heitsamtes/-dienstes näher zu quantifizieren, verweisen vorliegende themenspezifi- ons- und Fusions- sche Schätzungen auf einen Korridor möglicher Einsparungen. So wurde für die renditen am 1. Januar 2005 vollzogene Zusammenlegung der Aufgaben der Gesundheitsäm- ter und des öffentlichen Gesundheitsdienstes des Landkreises und der Stadt Osna- brück (insgesamt 520.000 Einwohner, Stand: 31.12.2010) von einer Fusionsrendite in Höhe von 405.000 Euro (= 5 Planstellen) sowie von mittelfristig 100.000 Euro im Vollzug ausgegangen21. Für ein zweites, um die Aufgabenfelder des Veterinär- wesens und der Lebensmittelsicherheit erweitertes Referenzprojekt im Land Nie- dersachsen, die Schaffung einer gemeinsamen Verbraucherschutz-, Veterinär- und Gesundheitsbehörde der Stadt Salzgitter sowie der Landkreise Goslar und Wolfen- büttel (insgesamt 371.000 Einwohner), ermittelte die in diesem Fall begutachtende Rambøll Management Consulting eine Kooperationsrendite i.H.v. 277.000 Euro, mithin 4 Prozent der für das Gesundheits- und das Veterinärwesen eingesetzten Haushaltsmittel.22 Ein auf das Land Mecklenburg-Vorpommern bezogenes Gutach- ten der Wirtschaftsberatung Wibera wiederum kam zu dem Ergebnis, dass eine Fusion der Landkreise Rügen und Nordvorpommern (insgesamt 175.000 Einwoh-

20 Für eine ähnliche Argumentation vgl. WIBERA: Gutachten zum Personalbedarf eines neu gebil- deten Landkreises, in: Landesrechnungshof Mecklenburg-Vorpommern: Einspareffekte einer ge- planten Kreisgebietsreform, Anlage 1, 2009, 46, abgedruckt als LT-Drs. 5/2180. 21 Vgl. Hesse/Götz, a.a.O., 2006, 72–75. 22 Rambøll Management Consulting: Abschlussbericht Konzeption für eine Gemeinsame Verbrau- cherschutz-, Veterinär- und Gesundheitsbehörde, Hamburg, 2009, 2. Da der Landkreis Wolfen- büttel sich schließlich gegen eine Beteiligung an diesem Kooperationsprojekt entschied, be- schränkte sich die Fusion der Gesundheitsämter auf Goslar und Salzgitter. Das Gesundheitsamt Salzgitters ist nun auch für den Landkreis Goslar zuständig, das Gesundheitsamt in Goslar wurde in eine Nebenstelle umgewandelt. 224 Kommunalstrukturen in Nordostniedersachsen

ner) eine Fusionsrendite im Gesundheitsbereich von 2,90 Personalstellen erbrächte, was 10% der Stellenausstattung entsprach.23

Für die Ausgestaltung einer etwaigen Kooperation oder Fusion ist neben dem erör- FusionReferenzprojekt: der Ge- sundheitsämterAufgabenübertra- terten Referenzprojekt Salzgitter-Goslar darauf zu verweisen, dass sämtliche Auf- Goslargung auf und den Salz- gaben und Funktionen des kommunalen Öffentlichen Gesundheitsdienstes im eige- gitterLandkreis Osnabrück nen und übertragenen Wirkungskreis der Stadt Osnabrück auf den Landkreis Os- nabrück übertragen wurden, einschließlich aller den Gesundheitsämtern gesetzlich zugewiesener Aufgaben sowie der Zuständigkeiten des Sozialpsychiatrischen Dienstes und der in der Psychiatrischen Arbeitsgemeinschaft der Region zusam- mengeschlossenen Sozialpsychiatrischen Verbünde nach dem Niedersächsischen Gesetz über Hilfen und Schutzmaßnahmen für psychisch Kranke.24 Die Mitverwal- tung durch den Landkreis Osnabrück erfolgt innerhalb des in die Kreisverwaltung eingegliederten „Fachdienstes 8: Gesundheitsdienst für Landkreis und Stadt Osna- brück“ auf der Basis einer Zweckvereinbarung.

Jenseits möglicher Fusionen ergeben sich für die Gesundheitsämter in Nordostnie- Möglichkeiten einer erweiterten dersachsen folgende Kooperationsmöglichkeiten: Kooperation • Einrichtung eines Krisenzentrums, • Koordinierung amtsärztlicher Begutachtungen zur Verkürzung von Bearbei- tungszeiten, • Überwachung frei verkäuflicher Arzneimittel außerhalb von Apotheken (die bisherige wenig aussagekräftige Prüfung von Sachkundenachweisen könnte hierbei durch Prüfungen eines sachkundigeren Amtsapothekers ersetzt wer- den), • gemeinsame Erarbeitung der Gesundheitsberichterstattung, • Durchführung gemeinsamer Fortbildungsmaßnahmen sowie • gemeinsame Anstellung von Personal, um volle (und damit attraktivere) Stel- len ausschreiben zu können.

Die benannte Einrichtung eines übergeordneten Krisenzentrums im Gesundheits- Schaffung eines Krisenzentrums bereich soll analog zu bestehenden Tierseuchenkrisenzentren im Veterinärbereich der Überforderung einer Gebietskörperschaft im Notfall (Trinkwasserstörfälle als Beispiel) entgegenwirken. Ein solches kreisübergreifendes Vorgehen hätte zudem den Vorzug, dass Fachkräfte anderer Kreisverwaltungen eingebunden werden könnten, um Bürgeranfragen in Krisenfällen zu beantworten, sodass nur noch orts- spezifische Informationswünsche für die Mitarbeiter im betroffenen Kreis verblie- ben.

23 WIBERA, a.a.O., 2009, 46. 24 Vgl. Hesse/Götz, a.a.O., 2006, 73. 225 Kommunalstrukturen in Nordostniedersachsen

Handlungsoptionen (Auswahl)

• Prüfung einer Fusion der Gesundheitsämter der Kreise Lüneburg und Harburg • Einrichtung eines Krisenzentrums • Koordinierung amtsärztlicher Begutachtungen • Überwachung frei verkäuflicher Arzneimittel außerhalb von Apotheken • Gemeinsame Erarbeitung der Gesundheitsberichterstattung • Durchführung gemeinsamer Fortbildungsmaßnahmen • Gemeinsame Anstellung von Personal

5.3.11 Veterinärwesen und Lebensmittelüberwachung

Die Arbeit der staatlichen und kommunalen Veterinärverwaltung steht in enger Gemeinsame Analyse des Vete- funktionaler und organisatorischer Verbindung zur Lebensmittelüberwachung, rinärwesens und weswegen beide Aufgabenbereiche hier in einem Unterkapitel gemeinsam analy- der Lebensmittel- überwachung siert werden. Dabei wird zunächst der Veterinärbereich erläutert, dann die Le- bensmittelüberwachung dargestellt, schließlich finden sich gemeinsame Schluss- folgerungen für beide Aufgabenfelder.

Im Schwerpunktbereich des Veterinärwesens werden die ordnungsbehördlichen Aufgabenspekt- rum des Veteri- Zuständigkeiten der Veterinäraufsicht, der Tierseuchenbekämpfung, der Tierkör- närwesens perbeseitigung, der Überwachung der Erzeugung und Gewinnung der von Tieren stammenden Lebensmittel, der Fleischhygienekontrolle und des Tierschutzes zu- sammengefasst. Das öffentliche Veterinärwesen hat die Aufgabe, die Gesundheit und das Wohlbefinden der Tiere vor Leiden und Krankheiten zu schützen, zur Er- haltung und Entwicklung leistungsfähiger Tierbestände beizutragen, den Menschen vor Gefahren und Schädigungen durch Tierkrankheiten, Lebensmittel und Erzeug- nisse tierischer Herkunft zu bewahren und auf die Steigerung der Güte von Le- bensmitteln tierischer Herkunft hinzuwirken. Im Mittelpunkt stehen hierbei Über- wachungs- und Kontrolltätigkeiten, die sich daraus ergebenden Maßnahmen der Anordnung und der unmittelbaren Gefahrenabwehr sowie Ausführungs- und Ge- währleistungsaufgaben, etwa im Zusammenhang mit der Tierkörperbeseitigung und der Entschädigung bei Betroffenheit durch Tierseuchen.

Die genannten Kompetenzfelder fallen in den Bereich der konkurrierenden Gesetz- Zuständigkeiten des Ministeriums gebung und sind im Hinblick auf die geltenden Standards jeweils durch bundes- für Ernährung, und europarechtliche Vorgaben erheblich gebunden. Innerhalb des Landes Nieder- Landwirtschaft, Verbraucher- sachsen ist das Ministerium für Ernährung, Landwirtschaft, Verbraucherschutz schutz und Lan- desentwicklung und Landesentwicklung (ML) als oberste Landesveterinärbehörde für die Aufsicht, Planung, Lenkung, Koordinierung und Weisung des niedersächsischen Veterinär- wesens zuständig. Das Ministerium wirkt an der themenbezogenen Willensbildung auf Landes-, Bundes- und EU-Ebene mit. Soweit der Bundesgesetzgeber seine

226 Kommunalstrukturen in Nordostniedersachsen

konkurrierende Gesetzgebungskompetenz im Bereich der Tierseuchenbekämpfung und des Tierschutzes nicht beansprucht, erarbeitet das ML Rechts- und Verwal- tungsvorschriften für das Land. Zudem obliegt dem Ministerium die Aufsicht über die Tierärztekammer (Rechtsaufsicht) und die Tierseuchenkasse (Rechts- und Fachaufsicht), die der mittelbaren Landesverwaltung zuzuordnen sind. Das Land- wirtschaftsministerium ist für die Vorbeugung, Abwehr und Bekämpfung von Er- krankungen bei Haustieren, die Tierkörperbeseitigung und die Tierseuchenbekämp- fung im Handel zuständig. Bei diesen Aufgaben koordiniert es die Anstrengungen der Veterinäre der Landkreise und kreisfreien Städte zur Aufrechterhaltung und weiteren Verbesserung der Tiergesundheit. Darüber hinaus koordiniert das ML die Bemühungen der Grenzkontrollstellen Niedersachsens zur Abwehr der Einschlep- pung von Tierseuchen aus Drittländern. Für den Bereich der Tierseuchenbekämp- fung ergibt sich daraus, dass das Landwirtschaftsministerium die Grundsatzangele- genheit des Tierseuchenschutzes und der Tierseuchenentschädigung in Niedersach- sen regelt, das Landestierseuchenkrisenzentrum fachlich leitet, die Bekämpfung akuter Tierseuchen mit örtlichen Tierseuchenbekämpfungszentren koordiniert, Grundsatzfragen des Tierseuchenschutzes, der Tiergesundheit und der Tierkörper- beseitigung mit anderen Bundesländern abstimmt und das Land in diesen Fragen auf Bundesebene vertritt.

Das Landesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit (LAVES) berät Aufgaben des Landesamtes für die Kommunen operativ wie fachlich in Belangen des Veterinärwesens (Tierseu- Verbraucher- chenbekämpfung, Beseitigung tierischer Nebenprodukte sowie durch eine sog. schutz und Le- bensmittelsi- Task-Force Veterinärwesen). Zudem führt es Untersuchungen, etwa zu anzeige- cherheit und meldepflichtigen Tierseuchen und -krankheiten sowie von vom Tier auf den Menschen übertragbaren Erkrankungen, durch. Hinzu treten Vollzugsaufgaben wie etwa die Regelung von überregionalen Veranstaltungen mit Vieh oder die Erlaub- nis zum Arbeiten mit Tierseuchenerregern in Laboren. Der Tierschutzdienst des LAVES berät und unterstützt die Veterinärbehörden des Landes Niedersachsens bei der Durchführung und Umsetzung tierschutzrechtlicher Bestimmungen, etwa durch die Erstellung von Leitlinien, Gutachten und Stellungnahmen. Zudem bear- beitet er Genehmigungen für Tierversuche.

Die Landkreise und kreisfreien Städte fungieren als untere Veterinärbehörde. Sie Aufgaben der Kreisstufe im sind für die Prophylaxe und Bekämpfung anzeige- und meldepflichtiger Tierkrank- Veterinärwesen heiten zuständig. Hierzu diagnostizieren sie Seuchen bei vorliegenden Verdachts- fällen, erstellen Atteste und Seuchenfreiheitsbescheinigungen für den Tier- und Warenverkehr, überwachen bestehende Impf- und Untersuchungspflichten und nehmen Meldungen des Verdachtes oder des Auftretens von anzeigepflichtigen Tierseuchen und/oder meldepflichtigen Tierkrankheiten an. Ein weiterer Schwer- punkt richtet sich auf den Tierschutz durch die Überprüfung und Überwachung von

227 Kommunalstrukturen in Nordostniedersachsen

Tierhaltungen, Tiertransporten und Schlachtstätten sowie die Prüfung der Voraus- setzungen für artgerechte Tierhaltungen. In diesem Kontext werden auch der Ver- kehr mit Tierarzneimitteln und deren Anwendung bei Tieren in Beständen mit Nutztieren überwacht. Darüber hinaus beseitigen die Gebietskörperschaften der Kreisstufe Tierkörper, Tierkörperteile und tierische Produkte, die anderweitig nicht verwertet werden können. Hinzu treten schließlich die Untersuchung von Schlacht- tieren vor der Schlachtung und die nachfolgende Begutachtung des Fleisches.

Gesetzliche Grundlagen

Landesrecht - Ausführungsgesetz zum Tierseuchengesetz (Nds. AGTierSG) - Ausführungsgesetz zum Tierische Nebenprodukte- Beseitigungsgesetz (Nds. AG TierNebG) - Kammergesetz für die Heilberufe (HKG) - Allgemeine Zuständigkeitsverordnung für die Gemeinden und Landkreise zur Ausführung von Bundesrecht (AllgZustVO- Kom) - Verordnung über Zuständigkeiten auf verschiedenen Gebieten der Gefahrenabwehr (ZustVO-SOG) - Verordnung über die Ausbildung und Prüfung für die Laufbahn des höheren Veterinärdienstes (APVO-Vet) - Weitere Verordnungen und Durchführungsbestimmungen nach Landesrecht Bundes- und Euro- - Tierseuchengesetz (TierSG) parecht - Tierschutzgesetz (TierSchG) - Tierische Nebenprodukte-Beseitigungsgesetz (TierNebG) - Lebensmittel-, Bedarfsgegenstände- und Futtermittelgesetzbuch (LFGB) - Gesetz über den Verkehr mit Arzneimitteln (AMG) - Viehverkehrsverordnung (ViehVerkV) - Verordnung zum Schutz von Tieren im Zusammenhang mit der Schlachtung oder Tötung (TierSchlV) - Verordnung zum Schutz landwirtschaftlicher Nutztiere und anderer zur Erzeugung tierischer Produkte gehaltener Tiere bei ihrer Haltung (TierSchNutztV) - Verordnung zum Schutz von Tieren beim Transport und zur Durchführung der Verordnung (EG) Nr. 1/2005 des Rates (TierSchTrV) - Europarechtliche Vorschriften, u.a. Richtlinie über Maßnahmen der Gemeinschaft zur Bekämpfung der klassischen Schweine- pest (2001/89/EG), Richtlinie mit Gemeinschaftsmaßnahmen zur Bekämpfung der Aviären Influenza und zur Aufhebung der Richtlinie 92/40/EWG (2005/94/EG), Verordnung mit Vor- schriften zur Verhütung, Kontrolle und Tilgung bestimmter transmissibler spongiformer Enzephalopathien (TSE-VO, 2001/999/EG)

228 Kommunalstrukturen in Nordostniedersachsen

Verwaltungsaufbau

Instanzen (1) Oberste Landesveterinärbehörde (ML) (2) Zentrales Landesamt (LAVES) (3) Untere Landesveterinärbehörde (Landkreise, kreisfreie Städte) Verwaltungs- (1) Ministerium für Ernährung, Landwirtschaft, Verbraucher- ebenen schutz und Landesentwicklung (Abt. 2) (2) Landesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit (3) Tierseuchenkasse, AöR (4) Landkreise und kreisfreie Städte (5) Städte und Gemeinden

Regelungskompetenz und Vollzug25

Bund Land Kommunen Standards --- Organisation Vollzug ---

Leistungsbereiche26

ML Zentrale Aufga- Landkr., kreisfr. St. benträger27 Steuerung und Oberste Fachaufsicht, ------Planung Planung und Steuerung Entscheidung und --- Genehmigungen, Unter- Erlaubnisse, Überwachung, Vollzug suchungen Betriebsprüfungen Mitwirkung Allg. i. Belangen des Weitergabe von Meldungen Veterinärwesens Dienstleistung --- Beratung der Kommu- Tierkörperbeseitigung nen

Förder------angelegenheiten

Gewährleistung --- Entschädigungsleistun- --- und Versorgung gen der Tierseuchen- kasse Errichtung und --- Techn. Einrichtungen --- Unterhalt

25 Gestaltungsmöglichkeiten: = groß, = mittel, = gering. 26 Mit einem Haken () wird verdeutlicht, dass die betreffenden Aufgabenträger bzw. Einrichtun- gen in dem jeweiligen Leistungsbereich tätig sind. 27 Hierzu zählen alle landesweit zuständigen Einrichtungen, also das NLGA und die Tierseuchen- kasse. 229 Kommunalstrukturen in Nordostniedersachsen

Primäre Zielgruppen

MS NLGA Landkr., kreisfr. St. Interne - NLGA ------Zielgruppen - and. Ressorts i. Belangen des Vete- rinärwesens Öffentliche - Landkr./kreisfr. - Landkr./kreisfr. - and. öffentl. Einrichtun- Verwaltung Städte Städte gen, Städte und Ge- meinden nicht gewerbl. - Verbr.-, Umwelt- - Verbr.-, Umwelt- - Verbr.-, Umweltverbän- verbände. berufs- verbände. berufs- de. berufsständische Or- Organisationen ständische Organisa- ständische Organisa- ganisationen der Land- tionen der Landwirt. tionen der Landwirt wirt Anspruchs- - Landwirte - Landwirte - Landwirte gruppen Bevölkerung - Gesamtbevölkerung - Gesamtbevölkerung - Gesamtbevölkerung Externe Zielgruppen Zielgruppen Externe Unternehmen - landwirt. u. fleisch- - landwirt. u. fleisch- - landwirt. u. fleischver- verarb. Betriebe verarb. Betriebe arb. Betriebe

Organisatorische Zuordnung (Kreisebene)

LK Lüneburg LK Lüchow- LK Uelzen LK Harburg LK Celle Dannenberg

Fachdienst 40 Fachdienst 39 Abt. 39 Veteri- Abt. 33 Veteri- Abt. 59 Amt für Veterinär, Le- Veterinärwesen när- und Le- närdienst Veterinärangele- bensmittel- und und Verbrau- bensmittelüber- genheiten und Gewerbeüberwa- cherschutz wachungsamt Verbraucher- chung schutz

Mit dem so dargestellten Bereich des Veterinärwesens ist die Lebensmittelüberwa- Ziele der Lebens- mittelüber- chung eng verbunden. Aufgabe der amtlichen Lebensmittelüberwachung ist es, wachung dafür zu sorgen, dass die bestehenden Vorschriften für Lebensmittel, Tabakerzeug- nisse, Kosmetika, Futtermittel und sonstige Bedarfsgegenstände eingehalten und die entsprechenden Verpflichtungen erfüllt werden. Sie hat von dem Einzelnen und der Allgemeinheit Gefahren abzuwehren, durch die die öffentliche Sicherheit be- droht wird, und über den Schutz des Verbrauchers vor Irreführung und Täuschung zu wachen.

Die wesentlichen Regelungen der Lebensmittelüberwachung finden sich im Bun- Prägekraft bun- des- und europa- desrecht (konkurrierende Gesetzgebung). Dabei wird das Lebensmittelrecht inzwi- rechtlicher Vor- schen stark durch Richtlinien und Verordnungen der Europäischen Union geprägt, schriften in Teilen ersetzt. Die Grundlage der lebensmittelrechtlichen Vorschriften ist das Lebensmittel-, Bedarfsgegenstände- und Futtermittelgesetzbuch (LFGB), das all- gemeine Regelungen zum Schutz der Gesundheit und zum Schutz des Verbrau- chers vor Irreführung und Täuschung enthält. Details sind in weiteren Gesetzen und Rechtsverordnungen geregelt, die sich wiederum in Teilen auf Ermächtigun-

230 Kommunalstrukturen in Nordostniedersachsen

gen des LFGB beziehen. Die Regelungen zur Lebensmittelüberwachung ergeben sich aus den §§ 38ff des LFGB. Aufgabe der amtlichen Lebensmittelüberwachung ist es, die Einhaltung der lebensmittelrechtlichen Vorschriften zu kontrollieren. Verantwortlich für die Lebensmittel und die Bedarfsgegenstände bleiben aber die- jenigen, die diese Produkte in Verkehr bringen (Hersteller, Importeure, Händler).

Im Land Niedersachsen organisiert und koordiniert das ML die Maßnahmen zur Aufgabenvertei- lung der amt- Durchführung der Lebensmittel- und Bedarfsgegenständeüberwachung. Es übt die lichen Lebensmit- Fachaufsicht über die kommunalen Überwachungsbehörden und die Fach- und telüberwachung Niedersachsens Dienstaufsicht über das LAVES aus, letzterem gibt es zudem Untersuchungs- schwerpunkte und Entwicklungsziele vor. Das ML fertigt die Landesvorschriften zur Lebensmittelüberwachung aus und wirkt über den Bundesrat bei der Rechtset- zung des Bundes und der Europäischen Gemeinschaft mit. Die Untersuchung und Beurteilung entsprechender Proben erfolgt im LAVES, das zudem die kommunalen Lebensmittelüberwachungsbehörden koordiniert und berät. Weitere Aufgaben des LAVES umfassen den Betrieb des EU-Schnellwarnsystems, die Zulassung von Betrieben und Einrichtungen (u.a. EU- und Drittlandsbetriebe, Mineralbrunnen) und die Erteilung von Genehmigungen und Ausnahmen (z.B. gemäß Diätverord- nung und gemäß Zusatzstoffverkehrsverordnung). Die Landkreise, kreisfreien Städte sowie die Region Hannover wiederum sind für den Vollzug der Lebensmit- telüberwachung verantwortlich, mithin für die Durchführung von Kontrollen und Probenahmen von Lebensmitteln und Bedarfsgegenständen, die Beratung der Be- triebe sowie die Bearbeitung von Verbraucherbeschwerden.

Gesetzliche Grundlagen

Landesrecht - Verordnung über Zuständigkeiten auf verschiedenen Gebieten der Gefahrenabwehr (ZustVO-SOG) - Weitere Vorschriften und Ausführungsvorschriften nach Lan- desrecht sowie einzelne Beschlüsse des ML Bundes- und - Lebensmittel-, Bedarfsgegenstände- und Futtermittelgesetzbuch Europarecht (LFGB) - Verordnung über Anforderungen an die Hygiene beim Herstel- len, Behandeln und Inverkehrbringen von Lebensmitteln (LMHV) - Verordnung über Anforderungen an die Hygiene beim Herstel- len, Behandeln und Inverkehrbringen von bestimmten Lebens- mitteln tierischen Ursprungs (Tier-LMHV) - Verordnung zur Regelung bestimmter Fragen der amtlichen Überwachung des Herstellens, Behandelns und Inverkehrbrin- gens von Lebensmitteln tierischen Ursprungs (Tier-LMÜV) - Verordnung zur Festlegung der allgemeinen Grundsätze und Anforderungen des Lebensmittelrechts, zur Errichtung der Eu- ropäischen Behörde für Lebensmittelsicherheit und zur Festle-

231 Kommunalstrukturen in Nordostniedersachsen

gung von Verfahren zur Lebensmittelsicherheit (178/2002/EG) - Verordnung mit besonderen Verfahrensvorschriften für die amtliche Überwachung von zum menschlichen Verzehr be- stimmten Erzeugnissen tierischen Ursprungs (854/2004/EG) - Verordnung über amtliche Kontrollen zur Überprüfung der Einhaltung des Lebensmittel- und Futtermittelrechts sowie der Bestimmungen über Tiergesundheit und Tierschutz (882/2004/EG)

Verwaltungsaufbau

Instanzen (1) Oberste Lebensmittelüberwachungsbehörde (ML) (2) Fachliches Landesuntersuchungsamt als zentrale Landesbe- hörde (Landesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsi- cherheit) (3) Untere Lebensmittelüberwachungsbehörden (Landkreise, kreisfreie Städte) Verwaltungs- (1) Ministerium für Ernährung, Landwirtschaft, Verbraucher- ebenen schutz und Landesentwicklung (Abt. 2) (2) Landesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit (3) Landkreise und kreisfreie Städte

Regelungskompetenz und Vollzug28

Bund/EU Land Kommunen Standards --- Organisation Vollzug ---

Leistungsbereiche29

ML LAVES Landkr., kreisfr. Städte Steuerung und oberste Fachaufsicht, ------Planung Planung und Vorgaben Entscheidung und --- Überwachung, Geneh- Überwachung, Anordnung Vollzug migungen, Zulassung und Kontrolle Mitwirkung b. Belangen d. Stellungn., Gutachten, --- Verbr.schutzes u. Unterstütz. d. unt. Beh. Lebensmittelrechts Dienstleistung --- Durchführung von Beratung und Beschwerde- Untersuchungen verfolgung

Förder------angelegenheiten

Gewährleistung ------und Versorgung

28 Gestaltungsmöglichkeiten: = groß, = mittel, = gering. 29 Mit einem Haken () wird verdeutlicht, dass die betreffenden Aufgabenträger bzw. Einrichtun- gen in dem jeweiligen Leistungsbereich tätig sind. 232 Kommunalstrukturen in Nordostniedersachsen

Errichtung und --- Prüf- und Laboreinrich- --- Unterhalt tungen des LAVES

Primäre Zielgruppen

ML LAVES Landkr., kreisfr. Städte Interne - LAVES, and. Res. i. - ML - and. Dezernate (Gew.-/ Zielgruppen Verbr.S.-Belangen Ges.Aufsicht) Öffentliche - Landkreise, kreisfr. - Landkreise, kreisfr. - Behörden des Landes Verwaltung Städte Städte nicht gewerbl. - Verbraucherschutz- - Verbraucherschutz- - Verbraucherschutzorga- Organisationen organisationen organisationen nisationen Anspruchs------gruppen Bevölkerung - Gesamtbevölkerung - Gesamtbevölkerung - Gesamtbevölkerung

Externe Zielgruppen Zielgruppen Externe Unternehmen - Gewerbetreibende, - Gewerbetreibende, - Gewerbetreibende, insb. insb. Einzelhandel insb. Einzelhandel Einzelhandel und Gast- und Gaststätten und Gaststätten stätten

Organisatorische Zuordnung (Kreisebene)

LK Lüneburg LK Lüchow- LK Uelzen LK Harburg LK Celle Dannenberg

Fachdienst 40 Fachdienst 39 Abt. 39 Veteri- Abt. 33 Veteri- Abt. 59 Amt für Veterinär, Le- Veterinärwesen när- und Le- närdienst Veterinärangele- bensmittel- und und Verbrau- bensmittelüber- genheiten und Gewerbeüberwa- cherschutz wachungsamt Verbraucher- chung schutz

Die ordnungsbehördlichen Aufgaben des Veterinärwesens und der Lebensmittel- Unausgeschöpfte Kooperations- überwachung sind materiell unverzichtbar. In den Landkreisen Uelzen, Lüchow- potentiale Dannenberg und Lüneburg werden allerdings unausgeschöpfte Kooperationspoten- tiale deutlich, die sich vor allem aus der Reduzierung des notwendigen Personals und Grundbedarfen bei EDV-Fachprogrammen ergeben; hinzu treten eine verbes- serte Vollzugsqualität ermöglichende Spezialisierungsvorteile und Synergieeffekte. Aufgaben wie die Tierkörperbeseitigung und die Überwachung von Tierhaltungen, Tiertransporten, Schlachtstätten und Lebensmitteln sind im Übrigen weitgehend fallzahlabhängig, sodass Kooperationsrenditen eine natürliche Grenze gesetzt ist; nachteilig wirken zudem verlängerte Fahrstrecken (und sich damit verbindende Kosten) für aufsuchende Verwaltungstätigkeiten sowie die geringere Ortskenntnis. Aufgrund des niedrigen Personalbesatzes des Veterinär- und Lebensmittelbereichs sind mögliche Kooperationsgewinne begrenzt.

233 Kommunalstrukturen in Nordostniedersachsen

Ein zur Beurteilung möglicher Kooperationsrenditen einschlägiges Projekt ist das Referenzprojekt 30 Veterinäramt am 1. Januar 2007 gegründete gemeinsame Veterinäramt Jade-Weser. In Form Jade-Weser eines Zweckverbandes schlossen sich die Veterinär- und Lebensmittelaufsichtsbe- hörden der Landkreise Friesland, Wesermarsch und Wittmund sowie die Stadt Wilhelmshaven zusammen. Durch diese Fusion wurden die Regelzuständigkeiten der unteren Veterinär- und Lebensmittelüberwachungsbehörden zusammengeführt, was zentrale Verwaltungsaufgaben und die Umsetzung neuer Projekte (Einrichtung bzw. Ausbau einer Einfuhruntersuchungsstelle als Beispiel) einschließt. Es erwies sich hierbei für die Projektbeteiligten als sinnvoll, in einem Bereich technischen Verwaltungshandelns zu kooperieren, der politischen Einflüssen weitgehend ent- zogen ist und somit geringeren Widerstand auslöst. Zugleich ist die Kooperation als Reaktion auf die gestiegenen Anforderungen von Verbrauchern und Betroffe- nen und die neuere Gesetzgebung auf EU-, Bundes- und Landesebene zu sehen, die situative Auslöser wie vakante Leitungspositionen und traditionell gute Kontakte auf der Arbeitsebene der beteiligten Ämter (bis hin zu kreisüberschreitenden Ver- tretungsregelungen) überlagerte. Insbesondere im Bereich der Tierseuchenbekämp- fung zeigen sich im Krisenfall zudem Leistungsgrenzen der relativ kleinen Veteri- närämter. Die Amtsveterinäre der beteiligten Kommunen schätzten die Kooperati- onsrendite in Form einer Reduzierung des amtstierärztlichen Personals um ein bis zwei Stellen und der Mitarbeiter in der Sachbearbeitung auf bis zu 20%, ergänzt um eine verbesserte Aufgabenerledigung.31 Mit der Einrichtung eines Zweckver- bandes sollte die gleichberechtigte Teilhabe aller Gebietskörperschaften gesichert werden. Die divergierende Ausgangssituation der Kooperationspartner wurde durch eine dynamische Kostenteilung aufgefangen, der unterschiedliche Struktur- und Finanzquoten (u.a. Einwohner, Lebensmittelbetriebe, Großvieheinheiten, Per- sonalstärken und -kosten, bisherige Haushaltsansätze) zugrunde gelegt wurden. Für die bereits angesprochene, mit der Situation in Niedersachsen aber nur begrenzt vergleichbare Fusion der mecklenburg-vorpommerischen Landkreise Nordvor- pommern und Rügen wurde gutachterlich eine geringere Fusionsrendite von fünf Prozent des Stellenbedarfs im Veterinär- und Lebensmittelbereich (entspricht 0,74 Stellen) angenommen.32

Bei einer möglichen Fusion der Veterinär- und Lebensmittelüberwachungsämter wäre zu berücksichtigen, dass empirischen Erfahrungen zufolge das Veterinäramt Jade-Weser mit einem Gebiet von 2.194 km² eine arbeitsfähige Obergrenze darstel- len dürfte. Eine gegenwärtig seitens der Kreise geprüfte Zusammenlegung der Ve- terinärämter der Kreise Uelzen und Lüchow-Dannenberg würde zwar einen Ge-

30 Vgl. hierzu Hesse/Götz, a.a.O., 2006, 78–82. 31 Vgl. ebd., 82. 32 Vgl. Wibera, a.a.O., 2009, 36, abgedruckt als LT-Drs. 5/2180. 234 Kommunalstrukturen in Nordostniedersachsen

bietsstand von 2.674 km² vereinen, doch fällt dieser im Vergleich zur Jade-Weser- Region kompakter aus. Im Ergebnis dürfte eine Fusion gerade aufgrund des beson- deren Stabilisierungsbedarfs beider Landkreise empfehlenswert sein.

Ergänzend zu einer möglichen Fusion der Veterinärämter können bestehende Ko- Erweiterte Kooperations- operationsbeziehungen in Nordostniedersachsen vertieft werden. Im Bereich der möglichkeiten Bekämpfung von Tierseuchen im Krisenfall kooperieren die Landkreise Lüneburg, Lüchow-Dannenberg, Uelzen und Harburg bislang auf Basis einer Vereinbarung; dies könnte durch die Einrichtung eines kreisübergreifenden Krisenzentrums in diesem Gebietszuschnitt institutionalisiert werden. Entsprechende Referenzprojekte finden sich im Norden Niedersachsens (Landkreise Osterholz, Rotenburg, Stade und Cuxhaven), im Nordwesten (Landkreise Ammerland, Aurich und Leer und die kreisfreie Stadt Emden) sowie im Süden (Landkreise Northeim, Osterode a.H. und Göttingen). Im Hintergrund dieser Kooperationen steht die für die Bewältigung von Tierseuchen unzureichende Personalausstattung eines einzelnen Kreises. Im Zuge der Begutachtung der Kommunalstrukturen in anderen Landesteilen Nieder- sachsens wurden dem Gutachter in vergleichbaren Kontexten zudem erweiterte Kooperationsmöglichkeiten mit Blick auf die Zentralisierung des Beihilfewesens und der Strafverfahren sowie die kreisübergreifenden Ausstellung von Attesten für den Tierverkauf vorgetragen.

Handlungsoptionen (Auswahl)

• Fusion der Veterinär- und Lebensmittelüberwachungsämter der Kreise Lü- chow-Dannenberg und Uelzen • Einrichtung eines Tierseuchenkrisenzentrums • Ggf. Konzentration des Beihilfewesens und der Strafverfahren, kreisübergreifende Ausstellung von Attesten für den Tierverkauf

235 Kommunalstrukturen in Nordostniedersachsen

6 Handlungsoptionen: der Fall Nordostniedersachsen

In der Zusammenfassung sucht der Gutachter die erarbeitete Erkenntnis in drei Drei Handlungs- modelle Handlungsmodellen zusammenzufassen, die als Stabilisierung des Status quo, nachhaltige Erweiterung der interkommunalen Zusammenarbeit sowie Fusionsop- tionen bezeichnet werden. Dahinter verbirgt sich ein Verständnis, das Größerräu- migkeit nicht als einen Wert an sich begreift, sondern zunächst prüft, ob dringen- den Handlungsproblemen nicht auch durch punktuelle Veränderungen der Aus- gangssituation, mithin deren Optimierung, begegnet werden kann. Erweist sich dies als ein nicht (mehr) gangbarer Weg, wird auf eine erweiterte interkommunale Zu- sammenarbeit (IKZ) abgestellt, die der Autor allerdings um die Kategorie der „Nachhaltigkeit“ ergänzt. Diese Kennzeichnung wird inzwischen zwar ubiquitär, also in fast jedem Zusammenhang öffentlichen wie privaten Handelns, eingesetzt, doch ist damit gemeint, dass eine solche Zusammenarbeit eben nicht nur punktuell und situativ, sondern über einen längeren Zeitraum und auch materiell-nachhaltig insofern betrieben werden sollte, als sie bis hin zu möglichen Arbeitsteilungen und damit (Teil-)Fusionen gehen könnte, ggf. auch gehen sollte. Erst wenn die erwarte- te Besserstellung, also die Erträge einer nachhaltigen IKZ mittel- wie langfristig nicht ausreichen werden, ist über Fusionsoptionen nachzudenken, wobei über die im gemeindlichen Bereich bereits erkennbaren Absichtserklärungen hinaus jetzt auch Kreisfusionen zur Diskussion stehen. Inwieweit auch Kreisteilungen, sog. „Filetierungen“, zur Diskussion stehen sollten, wird gesondert erörtert.

Im Folgenden werden die drei benannten Handlungsoptionen im Detail diskutiert (Kap. 6.2-6.4); vorangestellt ist dem eine Darstellung von Modellen einer zeitge- mäßen Stadt-Umland-Organisation (Kap. 6.1). Eine kurzgefasste Zusammenfas- sung der Gutachterempfehlungen beschließt die Ausführungen (Kap. 6.5).

6.1 Modelle der Stadt-Umland-Organisation: Bewertungskriterien und ihre Eignung für die (Teil-)Region Nordostniedersachsen

Bewertungskriterien

Die für die Beurteilung von Formen der Stadt-Umland-Organisation einzusetzen- Bewertungskrite- rien für Stadt- den Kriterien folgen verwaltungswissenschaftlichen und organisationspolitischen Umland-Modelle Gesichtspunkten. Sie beinhalten Fragen nach der Leistungsfähigkeit, der Wirt- schaftlichkeit, der demokratischen Teilhabe und Bürgernähe sowie der politisch-

236 Kommunalstrukturen in Nordostniedersachsen

administrativen Realisierbarkeit von neuen oder zumindest veränderten Einrich- tungen und Verfahren:1

• Leistungsfähigkeit / Effektivität Effektivität

Mit Blick auf die Leistungsfähigkeit der Stadt-Umland-Organisation erscheinen die folgenden Kriterien als besonders relevant: − Übergemeindliche Integrations- und Koordinationsleistung (Verbesserung der regionalen Kooperation, Koordination lokaler Trägerschaftsfunktionen auf der regionalen Ebene) − Interkommunale Konfliktregelungsfähigkeit (etwa durch informelle oder verfahrensgebundene Konsensfindung in Verteilungsfragen) − Erbringung grundlegender Ausgleichs- und Ergänzungsfunktionen (z. B. in Form von gemeinsamen Trägerschaften oder eines Finanz- und Lastenaus- gleichs) − Steuerung der Raumentwicklung (mittels verbindlicher Abstimmungen und der Erarbeitung von wirksamen Raumentwicklungsplänen) − Übernahme und zielentsprechende Durchführung von behördlichen Ent- scheidungsverfahren (Genehmigungs- und Planfeststellungsverfahren als Beispiele)2 sowie von Vollzugsaufgaben des eigenen und übertragenen Wirkungskreises − Promotorenqualität in der regionalen Wirtschafts- und Infrastrukturpolitik (etwa im Rahmen eines vernetzten Regionalmanagements oder durch die Beteiligung der Wirtschaft an der regionalen Entwicklungspolitik)

• Wirtschaftlichkeit / Effizienz Effizienz

Eine vergleichende Analyse und Bewertung der Effizienz von Stadt-Umland- Organisationen (oder auch „nur“ erweiterter Kooperationen) erweist sich aufgrund des unterschiedlichen Aufgabenumfangs, divergierender räumlichen Bemessungen sowie begrenzt zugänglicher und vergleichsfähiger Daten zur Ablauforganisation

1 Dabei ist Effektivität als primär politische Kategorie zu verstehen. Hier geht es um die Steue- rungsfähigkeit von Staat und Kommunen, um die Qualität und Zielgenauigkeit ihres Handelns sowie um das Reaktionsvermögen gegenüber einem zunehmend anspruchsvollen (und ausdiffe- renzierten) Umfeld. Effizienz meint dagegen die Wirtschaftlichkeit und Zielgenauigkeit beim Einsatz verfügbarer Ressourcen. Mit Blick auf die Aufbauorganisation betrifft dies vor allem die Möglichkeit, in vertikal wie horizontal konzentrierten Kontexten die Verwendung von Personal- und Finanzmitteln flexibel und bedarfsorientiert steuern zu können. Teilhabe und Bürgernähe be- ziehen sich auf die Legitimation öffentlicher Einrichtungen und ihrer Tätigkeit sowie auf die Möglichkeit, über gewählte Organe das Staatshandeln reglementieren, kontrollieren und fordern zu können. Schließlich muss sich jede Reform auch an ihrer Realisierbarkeit messen lassen. Da- mit ist die „Machbarkeit“ und Akzeptanz nach innen angesprochen. Ferner beinhaltet dies die Zustimmung von Politik, Wirtschaft und Gesellschaft. Hierbei kommt der Frage nach der Re- formdauer sowie den politischen und materiellen Kosten eine zentrale Bedeutung zu; vgl. hierzu ausführlich Hesse, a.a.O., 2004a, 105ff. 2 Diese Kategorie kann allerdings nur bei sog. „harten“ Verbänden relevant werden, wenn ihnen entsprechende Kompetenzen zugeordnet sind und sie über entsprechende Legitimations- und Rechtsetzungskompetenzen verfügen. 237 Kommunalstrukturen in Nordostniedersachsen

als schwierig3, sodass eine vollständige, aus empirischen Fällen abgeleitete Opera- tionalisierung des Effizienzbegriffes, wie sie eben für jenen der Effektivität vorge- stellt wurde, ausscheiden muss. Im Folgenden wird auf einen eher qualitativen, primär von der Aufbauorganisation abhängigen Effizienzbegriff zurückgegriffen. Unter der Annahme, dass eine höhere organisatorisch-institutionelle Ausdifferen- zierung zu Abstimmungsproblemen/-defiziten und dadurch bei gegebenem Mit- teleinsatz zu weniger oder schlechteren Ergebnissen führt, zudem den erforderli- chen Personal- und Ressourceneinsatz erhöht, erscheint dies als eine akzeptable Alternative. Eine weitere Effizienzkategorie folgt aus der logisch prognostizierba- ren Tendenz zu Aufgabenwachstum über das gesetzlich definierte Spektrum hin- aus.4 Sie wäre abzuleiten aus der Fähigkeit einer Kooperationsebene, ggf. durch eine separate Struktur (Direktwahl der regionalen Vertretungskörperschaft) ohne notwendige und direkte Rückkoppelung an die Mitglieder Aufgaben und letztlich auch deren umlagenbasierte Finanzierung zu definieren. Zwar bedingt die Umla- genfinanzierung Konflikte mit den Mitgliedern, demzufolge Rücksichtnahmen und ggf. eine gewisse Zurückhaltung, allerdings keine unmittelbare, per Beschluss durch Städte und Gemeinden herstellbare Kontrolle. Erneut diskriminiert diese Effizienzkategorie nicht die angestrebte Effektivität i. S. von Konfliktlösung, regi- onaler Koordination usw., sondern ist hierzu in Bezug zu setzen.

Als wesentliche Kriterien der Effizienz von Stadt-Umland-Organisationen dienen somit − die institutionelle Komplexität im Zusammenhang mit der übrigen Verwal- tungsorganisation in der Stadtregion sowie − Anreize und institutionell abgesicherte Fähigkeiten zu Aufgabenwachstum und Zentralisierung (bzw. deren Rückführung).

• Demokratische Teilhabe und Kontrolle / Bürgernähe Bürgernähe − Grad der Vermittlung demokratischer Entscheidungen (so etwa unmittelbar durch direkt gewählte Vertretungskörperschaften und mittelbar in Form von mit Delegierten besetzten Verbandsversammlungen) − Steuerung und Kontrolle der Verwaltung durch gewählte Repräsentanten − Legitimationsfähigkeit gewählter Organe auf Grundlage eines effektiven eigenen Wirkungskreises und der möglichst geringen Verflechtung mit an- deren Ebenen und Akteuren − Bürgernähe und Erfahrbarkeit durch eigene Einrichtungen mit publikums- bezogenen Dienstleistungen

3 Hesse, a.a.O., 2005b, 23. 4 Zu letzterem zählt der Gutachter Pflicht- und Auftragsangelegenheiten sowie das „Grundpro- gramm“ der kommunalen Daseinsvorsorge/Gemeinschaftsdienste. 238 Kommunalstrukturen in Nordostniedersachsen

• Politisch-administrative Realisierbarkeit Realisierbarkeit − Akzeptanz veränderter institutioneller Konfigurationen mit Blick auf die Berücksichtigung und Ausgewogenheit kommunaler Interessen − Materielle Reformkosten (etwa aufgrund von Umzügen oder der Um- und Nachqualifizierung des zuständigen Personals) − Widerstände innerhalb der Verwaltung und daraus resultierende Leistungs- einbußen − Beeinträchtigung des übrigen Regierungs- und Verwaltungshandelns auf- grund öffentlicher Diskussionen und der Gefahr eines Scheiterns beabsich- tigter Reformpolitiken.

Eignung der Organisationsmodelle für Nordostniedersachsen

Ein vom Gutachter im Jahr 20055 vorgelegter Vergleich der Stadt-Umland- Kontextabhängige Kapazität der Organisation in Frankfurt, Hannover, München, Saarbrücken und Stuttgart doku- Organisationsmo- mentierte, dass Unterschiede in den Kontextvariablen, den Zweckbestimmungen delle und insbesondere im Maß der kommunalen Kooperationsbereitschaft für jeden Raum eine spezifische Lösung erfordern. Gleichwohl wurden Vor- und Nachteile verschiedener Organisationsformen deutlich, die vor allem auf strukturelle Anreize für kooperatives bzw. nichtkooperatives Verhalten zurückgehen und über den Ein- zelfall hinaus generelle Schlussfolgerungen erlaubten: • Die wichtige Größe einer ausgeprägten Kooperationskultur und Kommunikati- „Härtere“ Struk- onsfähigkeit der politisch-administrativen Akteure macht „härtere“ Verbands- turen strukturen (bis hin zur Verschmelzung mit der überörtlichen Kommunalverwal- tung) immer dann erforderlich, wenn ein konflikthaftes Klima vorherrscht und erforderliche Koordinationsleistungen auf freiwilligem Wege nicht zu erreichen sind. • Im Gegensatz dazu kann eine gute regionale Kommunikationsstruktur, die sich „Weichere“ und auf die Konsensfähigkeit und Kooperationsbereitschaft der Kommunen und re- ressourcenspa- gionalen Anspruchsgruppen stützt, eher „weiche“, i. T. informelle und netz- rende Lösungen werkartig ausgestaltete Strukturen nahe legen, zumal diese regelmäßig einen geringeren Ressourcenaufwand verursachen. • Auch bieten differenzierte und weniger formalisierte Organisationszusammen- ÖPP-Zugänge hänge in der Regel mehr Ansatzpunkte für eine öffentlich-private Partner- schaft, da diese nicht oder zumindest weniger stark durch bürokratische und öf- fentlich-rechtliche Vorgaben überlagert werden. • Darüber hinaus dürften sparsam ausgestaltete Verbände sowie freiwillig und Freiwillige und auf privatrechtlicher Grundlage gebildete Einrichtungen die schrittweise Ent- sparsam gestaltete wicklung von positiven Erfahrungen befördern. Sie stellen insofern eine ver- Optionen waltungspolitische Option dar, um mittel- und langfristig mit Zustimmung der Kommunen ein dichteres Netz von wechselseitigen Verpflichtungen zu span- nen, die später sogar in eine gebietskörperschaftliche Vereinigung münden können.

5 Vgl. Hesse, a.a.O., 2005b; s. die Synopse im Anhang. 239 Kommunalstrukturen in Nordostniedersachsen

• Ungeachtet dessen hängt die Funktionalität von „weichen“ und netzwerkartig Höhere Funktio- ausgebildeten Handlungszusammenhängen nach wie vor von den sozioökono- nalität von „wei- chen“ Lösungen mischen und demographischen Rahmenbedingungen ab. Dynamische Wachs- in Wachstums- tumsräume beinhalten ein größeres Ressourcenpotential, so dass nachteilige räumen Konkurrenzverhältnisse entweder weniger stark oder erst mittelbar wirksam werden, der „Leidensdruck“ also insgesamt geringer ausfällt. Hinzu kommt, dass gerade unter solchen Bedingungen die Bereitschaft der Umlandkommu- nen, sich in formalisierte und ihre Autonomie einschränkende Organisationen zu begeben, deutlich schwächer ausgeprägt sein dürfte. Vor diesem Hinter- grund auf flexible und weniger verbindliche Arbeitsformen zurückzugreifen, könnte sich somit erneut als verwaltungspolitisches Gebot erweisen. • Neue regionale Verwaltungsebenen mit Trägerfunktionen und einer entspre- Gefahr eines chenden Ressourcenausstattung, die den Charakter von zusätzlichen, oberhalb Aufgabenwachs- der kommunalen Kreisstufe angeordneten Gebietskörperschaften annehmen, tums erscheinen generell problematisch, da gerade sie additive Entwicklungspoliti- ken forcieren und damit Aufgaben- wie Organisationswachstum auslösen. Als Alternative wären sie deshalb nur dann zu verfolgen, wenn eine gemeinsame gebietskörperschaftliche Struktur auf der Kreisstufe (etwa unter Größen- und Kapazitätsgesichtpunkten) ausscheidet und die Region aufgrund ihres erhebli- chen Wachstumspotentials additiver Entwicklungspolitiken und Steuerungs- leistungen bedarf. • Im Ergebnis scheint demnach eine Kombination aus „harten“ und „weichen“ Votum für eine Strategien, die der Mixed Strategy der neueren wissenschaftlichen Diskussion kontextabhängige Organisations- entsprächen, sinnvoll. Entsprechende Organisationseinheiten sollten dann form verbindlicheren Charakter annehmen, wenn Aufgaben auf regionaler Ebene dauerhaft wahrgenommen werden müssen und Vollzugsfunktionen damit ver- bunden sind; hinzuträten Finanz- und Lastenausgleichssysteme, um die regel- mäßig beobachtbaren Disparitäten zwischen Kernstädten und ihrem Umland wirksam auszubalancieren. Daneben sollte zugleich Raum für flexible Arbeits- formen, insbesondere im Verbund mit gesellschaftlichen Akteuren und der Wirtschaft verbleiben, um situationsgerecht auf neue Herausforderungen rea- gieren zu können.

Bei dem benannten Vergleich der fünf Stadt-Umland-Organisationen traten zudem Die Leistungsfä- higkeit von Stadt- eine Reihe spezifischer Faktoren hervor, die unter den Rahmenbedingungen des Umland- Einzelfalls die Leistungsfähigkeit der Stadt-Umland-Organisation positiv beein- Organisationen begünstigende flussten. Auch wenn diese Erfolgsfaktoren kontextabhängig sind, dürften sie in der Faktoren Regel eine befördernde Wirkung auf die Effektivität von Verwaltungsorganisatio- nen in urbanen Zentren und ihrem Umland aufweisen. Die erste von den sechs hier betrachteten Teildimensionen der Leistungsfähigkeit, die übergemeindliche In- tegrations- und Koordinationsleistung, dürfte folgende Faktoren tendenziell be- günstigen: • die Impulsgeber- und Brückenfunktion der Kernstadt (etwa durch einen ange- Übergemeindliche messenen, keine Dominanz induzierenden Vertretungsanteil der Kernstadt in Integration und „Regionalgremien“), Koordination • die Vernetzung mit staatlichen Handlungs- und Steuerungsressourcen (etwa Regionalen Planungsstellen, Bezirksregierungen oder Regierungsvertretungen), • die Beteiligung der Region an regionalen Einrichtungen und Initiativen,

240 Kommunalstrukturen in Nordostniedersachsen

• einen institutionalisierten Erfahrungsaustausch zwischen den beteiligten Akteu- ren, • die Netzwerksteuerung durch die (personelle) Verknüpfung zu anderen regio- nalen Kooperationsformen (etwa durch einen gemeinsamen Geschäftsführer), • die Integration nicht-kommunaler Akteure (etwa der Wirtschaft, der Gewerk- schaften und weiterer Verbände in Beiräten oder Arbeitskreisen), u.a. um eine Dominanz örtlicher Interessen zu verhindern, • das Bestehen/die Förderung eines Regionalbewusstseins, • die Akzeptanz der Gemeinschaftsgremien durch alle Beteiligten, insbesondere die Mitgliedskommunen, • die Unterstützung durch ebenfalls regional organisierte Anspruchsgruppen und Akteure (etwa Sparkassen oder Parteigliederungen), • erweiterte finanzielle Ressourcen sowie • ggf. eine hohe Aufgabenbreite und umfangreiche Träger- und Vollzugsfunktio- nen.

Die interkommunale Fähigkeit zur Konfliktregelung erwies sich vor allem bei Vor- Interkommunale Konfliktregelung liegen folgender Bedingungen als hoch: • Abwesenheit struktureller Konflikte zwischen geographischen Teilräumen oder der Kernstadt und ihrem Umland, etwa mit Blick auf einen ungelösten Lasten- ausgleich oder den Wunsch der Kernstadt, aufgrund gegebener Kapazitäten Aufgaben wieder eigenständig wahrzunehmen, • Beteiligung starker und aussagefähiger Akteure, etwa kommunaler Hauptver- waltungsbeamter, • Nutzung der Verbandsgremien als Koordinations- und Dialogforen mit gleich- berechtigter Akteursstruktur, • personelle Vernetzung der Planungsakteure und kommunaler Entscheider, • ein Mehr-Stufen-System der Konfliktregelung durch mehrere Organisations- strukturen, etwa formale Gremien und ergänzende freiwillige Netzwerke, ggf. verbunden mit der Verlagerung ungelöster Konflikte in eine direkt legitimierte Regionalversammlung, • Trennung zwischen strategischen Entscheidungen im Rahmen des regionalen Vertretungsgremiums sowie operativen Fragen in der Zuständigkeit der Ver- bandsverwaltung, • strikte kompetenzielle Trennung zwischen Verbands- und Ortsebene, • Geltung von Mehrheitsbeschlüssen im regionalen Entscheidungsgremium an- stelle des die Durchsetzungsfähigkeit regionaler Akzente erschwerenden Ein- stimmigkeitsprinzips, • ausgeprägte Verhandlungskultur sowie • ggf. Zuweisung eines Sonderstatus für die Kernstadt.

Ausgleichs- und Ergänzungsfunktionen werden von Stadt-Umland-Organisationen Ausgleichs- und Ergänzungsfunk- vor allem in Form von gemeinsamen Trägerschaften oder eines Finanz- und Las- tion tenausgleichs wahrgenommen. Letzterer erfolgt regelmäßig über umlagefinanzierte

241 Kommunalstrukturen in Nordostniedersachsen

Verbandsaufgaben und -trägerschaften, wozu insbesondere die regionsweite Über- nahme von Sozialausgaben zählt, die in der Kernstadt meist deutlich erhöht sind.

Die Steuerung der Raumentwicklung mittels verbindlicher Abstimmungen und der Steuerung der Raumentwicklung Erarbeitung von wirksamen Raumentwicklungsplänen erschien in den untersuchten Fällen effektiver, wenn die folgenden Faktoren erkennbar waren: • die Möglichkeit zur Zusammenführung unterschiedlicher Zuständigkeiten und Instrumente, etwa der Regionalplanung, der Landschaftsplanung, etwaiger Pla- nungsgebote gegenüber den Gemeinden, der Verkehrsplanung und der Aufga- benträgerschaft für den ÖPNV, der regionalen Wirtschaftspolitik und - förderung (u.a. Standortmarketing, Infrastrukturpolitik), der gemeinsamen Flä- chennutzungsplanung oder alternativ: die gebietsscharfe Festlegung von Schwerpunkten für Industrie und Gewerbe, Dienstleistungen und Wohnungs- bau sowie regional bedeutsame Infrastruktureinrichtungen, • eine klare Kompetenzabgrenzung gegenüber kommunalen Gebietskörperschaf- ten, • eine erhöhte Durchsetzungsfähigkeit gegenüber kommunalen Politiken und Interessen (etwa aufgrund höherwertiger Planungskapazität zur Formulierung von regionalen Entwicklungskonzepten und -vorgaben), um die Stringenz und gesamträumliche Konsistenz der Planung zu wahren, • ein „hartes“ Eingriffinstrumentarium, • die Einbindung der kommunalen Träger, • die Vernetzung mit der regionalen Wirtschaft, etwa den Industrie- und Hand- werkskammern oder einzelnen Wirtschaftsinitiativen sowie • aktives Handeln, d.h. nicht bloß reaktive Antworten auf räumliche Konsequen- zen von Fachpolitiken und kommunalen Entscheidungen.

Die Übernahme und zielentsprechende Durchführung von behördlichen Entschei- Durchführung behördlicher dungsverfahren (Genehmigungs- und Planfeststellungsverfahren als Beispiele) Entscheidungsver- sowie von Vollzugsaufgaben des eigenen und übertragenen Wirkungskreises setzt fahren zunächst darauf bezogene Kompetenzen voraus, die typischerweise „harten“ Ver- bänden vorbehalten bleiben; hierbei wären Doppel- bzw. Parallelverwaltungen zu vermeiden.

Die Promotorenqualität in der regionalen Wirtschafts- und Infrastrukturpolitik Promotorrolle in der regionalen schließlich (etwa im Rahmen eines vernetzten Regionalmanagements oder durch Wirtschafts- und die Beteiligung der Wirtschaft an der regionalen Entwicklungspolitik) ist ebenfalls Infrastrukturpoli- tik abhängig von einer Reihe kontextsensibler Bedingungen: • der Zuweisung entsprechender (Entwicklungs-)Aufgaben, • dem Auftrag als Selbstverwaltungskörperschaft, regionale Entwicklungsbedar- fe zu ergänzen, • einem Geschäftsführer mit Organqualität, • begrenzten Kompetenzkonflikte mit kreislichen Gebietskörperschaften, • fehlender Konkurrenz durch Parallelstrukturen, 242 Kommunalstrukturen in Nordostniedersachsen

• im Falle unzureichend genutzter freiwilliger Kooperationsformen der Möglich- keit des Landes, einen Pflichtverband zu verfügen, • dem Eigeninteresse der Verbandsorgane an der Attraktivität des Verbandes und einer nach außen wahrnehmbaren Verbandstätigkeit, • der Vernetzung der Wirtschaft mit kommunal- und regionalpolitischen Ent- scheidern sowie • dem Umfang finanzieller Ressourcen für freiwillige Politiken.

Im Ergebnis wird deutlich, dass die Effektivität einer Stadt-Umland-Kooperation Effektivitätsstei- gernde Ausgestal- neben dem gewählten Organisationsmodell auch von dessen Ausgestaltung in Hin- tung eines Orga- blick auf Kompetenzen, interne Verfahrensabläufe und Entscheidungsregeln, fi- nisationsmodells nanzielle Ressourcen, den Einbezug staatlicher, kommunaler und privater Akteure sowie schließlich von weiteren, sich Organisationsreformen weitgehend entziehen- den Faktoren abhängig ist, die sich etwa auf Initiativen handelnder Personen, die interne Verhandlungskultur und gegebene regionale Identitäten richten.

Diese gleichsam „klassischen“ Muster der Stadt-Umland-Kooperation sind natür- lich nicht direkt auf das Verhältnis etwa der Stadt Lüneburg zu ihrem Landkreis oder den anderen umliegenden Landkreisen zu übertragen, doch finden sich hier zahlreiche Anregungen, die in den nachfolgenden Handlungsoptionen aufgenom- men werden.

6.2 Optimierung des Status quo

Eine Optimierung des Status quo scheidet im Fall Nordostniedersachsens für die Landkreise Lüchow-Dannenberg und Uelzen insofern aus, als die Beteiligten fast durchweg auf dringenden Handlungsbedarf verwiesen, der in den vom Gutachter vorgelegten kleinräumigen Daten- und Funktionsanalysen bestätigt wurde; für den Kreis Lüneburg trifft diese Kennzeichnung nur begrenzt zu. Zwar dürfen die ein- wohner- und entwicklungsschwachen Landkreise Lüchow-Dannenberg und Uelzen aus technischer Sicht je für sich als „noch überlebensfähig“ gelten, doch kann ih- nen keine tragfähige Zukunftsperspektive attestiert werden. Gerade der breite Lan- desvergleich und damit die Konfrontation der eigenen Ausgangssituation mit ande- ren Landkreisen macht zweifelsfrei deutlich, dass hier gehandelt werden muss – und sei es seitens der Landesregierung. Hinzuzufügen ist, dass derartige Maßnah- men sich in erster Linie, aber nicht ausschließlich auf den Kreis Lüchow- Dannenberg als bevölkerungsärmsten, entwicklungsschwächsten und ausgleichs- bedürftigsten niedersächsischen Landkreis richten. Der Landkreis Lüneburg ver- fügt demgegenüber zwar über eine solide Ausgangsposition mit Blick auf seine Bevölkerungs- und Flächengröße, doch ist seine Entwicklungskraft aufgrund der zu erwartenden Überalterung der Einwohnerschaft und erheblicher finanzieller Belas- tungen begrenzt; die ökonomische Heterogenität im Kreisgebiet samt der sich da-

243 Kommunalstrukturen in Nordostniedersachsen

mit verbindenden Konzentration entsprechender Defizite tritt hinzu. Da die bislang dominierende kreisinterne Problembearbeitung im Rahmen der interkommunalen Zusammenarbeit an ihre Wirkungsgrenzen zu stoßen droht, bieten sich erweiterte Formen der kreisübergreifenden Zusammenarbeit und Arbeitsteilung an.

6.3 Nachhaltige Erweiterung der interkommunalen Zusammenarbeit

Interkommunale Zusammenarbeit (IKZ) unterliegt seit geraumer Zeit einer be- Erfordernis einer umfassenderen trächtlichen Aufmerksamkeit bei der Diskussion um die Handlungs- und Zukunfts- interkommunalen fähigkeit der kommunalen Ebene. Dies erklärt sich nicht nur aus der raschen Ver- Zusammenarbeit änderung der angesprochenen Rahmenbedingungen, sondern auch und gerade aus dem Bemühen der Selbstverwaltung, die verbleibenden Gestaltungsmöglichkeiten zu erhalten und ggf. im Verbund mit anderen auszubauen. Allerdings wurde im Rahmen dieser Diskussion auch deutlich, dass der Ruf nach IKZ immer dann an Bedeutung gewinnt, wenn „massivere“ Eingriffe staatlicher Einrichtungen drohen, mithin Strukturveränderungen anstehen, die es abzuwehren gilt. Eine substanzielle Aufarbeitung der mit IKZ verbundenen Handlungspotentiale liegt bislang nicht vor, auch nicht im Rahmen der kommunalen Spitzenverbände; die einzige empi- risch gehaltvolle Untersuchung (für Niedersachsen wie die Gesamtheit der Flä- chenländer) erschien im Juli 2006 unter dem Titel „Kooperation statt Fusion? In- Kooperation statt Fusion? terkommunale Zusammenarbeit in den Flächenländern“.6 Hier kam es zu dem er- nüchternden Ergebnis, dass die Erträge der bislang erkennbaren Bemühungen um eine verstärkte kommunale Gemeinschaftsarbeit – auch in Niedersachsen – kei- neswegs überzeugten. So hieß es in der Zusammenfassung, dass in der Summe der für das Land flächendeckenden Erhebung die niedersächsischen Kommunen sich im Ländervergleich zwar nicht als rückständig erwiesen, allerdings auch keine Spitzenposition einnehmen.7 Dies ließ den Gutachter auf erhebliche noch unausge- schöpfte Kooperationspotentiale schließen, die dann im Einzelnen benannt wurden. Auch machten die erkennbaren Entwicklungstrends deutlich, dass die dezentralen Gebietskörperschaften, insbesondere im Bereich der Allgemeinen Verwaltung, Formen der IKZ zunehmend als Handlungsoption im Rahmen der Organisations- politik begriffen. Der Umstand, dass man sich dabei auf eher punktuelle und the- matisch abgeschlossene Projekte beschränkte, verwies auf ein enges, primär tech- nisches und im Kern additives Kooperationsverständnis. Zwar nutzten die Kom- munen in Gestalt der Mit- und Auftragsverwaltung verstärkt kostengünstigere Va- rianten und suchten sie die ebenenübergreifende Zusammenarbeit von Kreisen und Samt-/Gemeinden zu intensivieren, doch blieben diese Ansätze in Zahl und Um-

6 Hesse/Götz, a.a.O., 2006. 7 Ebd., 48f. 244 Kommunalstrukturen in Nordostniedersachsen

fang noch zu gering, um bereits von einer nachhaltigen Entwicklung sprechen zu können; dieser Befund gilt noch heute.

Im Ergebnis wäre deshalb zu erwägen, vor allem Initiativen im und mit dem kreis- Konsequenzen aus dem bislang ent- angehörigen Raum zu forcieren. Auch bietet es sich an, die Tendenz zu effiziente- täuschenden Er- ren Formen der Mit- und Auftragsverwaltung beizubehalten, wobei das Tätigkeits- trag spektrum allerdings nicht mehr nur auf monothematische Projekte zu beschränken wäre. Es ginge mithin darum, die bisherige Praxis der Kooperation um ambitio- niertere Ansätze einer bereichsübergreifenden und in der Perspektive offeneren Zusammenarbeit zu ergänzen bzw. sie in eine entsprechend umfassende Kooperati- onspolitik zu überführen. Etwaigen Widerständen, wie sie zum Beispiel aus einem befürchteten Gestaltungs- und Autonomieverlust erwachsen, wäre mit dem Hin- weis darauf zu begegnen, dass finanzielle Sachzwänge und ein zu verzeichnendes quantitatives wie qualitatives Aufgabenwachstum innerhalb der gegebenen Struk- turen anders kaum wirtschaftlich zu bewältigen sein dürften. Gerade angesichts des von Landes- wie kommunaler Seite immer wieder betonten Freiwilligkeitsprinzips käme einem erhöhten Eigenanteil im Sinne einer effektiven und inhaltlich offene- ren Kooperationsbereitschaft daher besondere Bedeutung zu.

Die nachfolgend aufgeführten Fallstudien zu neueren IKZ-Pilotprojekten erbrach- Analyse von Pi- lotprojekten der ten interessante Ergebnisse, die das Potential einer erweiterten Zusammenarbeit Interkommunalen nachdrücklich bestätigten. So ging es mit Blick auf die Personalsachbearbeitung Zusammenarbeit und den Geräteaustausch, das Kassenkreditmanagement, die IT-Vernetzung, inter- kommunale Gewerbegebiete, das Gesundheitsamt, das Rechnungsprüfungsamt, das Veterinär- und Lebensmittelüberwachungsamt, die Zusammenführung paralleler Primär- und Sekundäraufgaben sowie eine mehrdimensionale Kooperation im Zei- chen des demographischen Wandels um den konkreten Nachweis der Potentiale erweiterter interkommunaler Zusammenarbeit, mithin um deren materielle Effekte. Auch gelang es, Anreizstrukturen und strategische Anforderungen an eine IKZ zu systematisieren (materieller Gewinn, Nachteile bei Nicht-Kooperation, Senkung von Kooperationskosten, Begrenzung des Autonomieverlustes, Reduzierung der Kooperationsnachteile) und den Beitrag der kommunalen Gebietskörperschaften gleichsam instrumentell durchzudeklinieren. Im Zentrum stand das prozessbezoge- ne Engagement, also die Gestaltung des Auftaktes und die Wahrnehmung einer Initiatorenrolle, die Aufgabenfindung und Ausgestaltung einer realistischen Koope- rationsagenda, die frühzeitige Festlegung einer längerfristigen tragfähigen Organi- sation, die Kosten- und Nutzenverteilung sowie die operative Steuerung des Ko- operationsprozesses. Das in diesen Bereichen erforderliche Engagement der dezen- tralen Gebietskörperschaften ergibt sich unmittelbar aus dem Freiwilligkeitsprin- zip, dem die Gemeinschaftsarbeit nach Vorstellungen sowohl des Landes wie der kommunalen Ebene unterliegt.

245 Kommunalstrukturen in Nordostniedersachsen

Zudem verwies der Gutachter bereits zu diesem Zeitpunkt auf komplementäre Un- Landesseitige IKZ-Förderung terstützungsleistungen des Landes, die von diesem in weiten Teilen auch erbracht wurden. Dies galt und gilt für die Bereiche Information und Kommunikation, Mo- deration und Beratung, eine regionalisierte und kooperationsfreundliche Kommu- nalaufsicht, die begleitende (De-)Regulierung im Organisations-, Personal-, Haus- halts- und Fachrecht, komplementäre Managementhilfen und personelle Unterstüt- zung sowie finanzielle und thematische Förderung im Rahmen eines Kooperations- fonds. All dies fand sich ergänzt durch Anreize im Rahmen der Raumordnung und der Landesplanung, durch eine flexible Delegation von Landesaufgaben und eine Diskussion um den Einbezug des Themenfeldes IKZ in den kommunalen Finanz- ausgleich. Erst nach Ausschöpfung der sich damit verbindenden Potentiale erwie- sen sich auch alternative Modelle als vorstellbar, etwa die bedarfs- bzw. fallzahl- abhängige Bildung von Pflichtverbänden oder von verbindlichen Kooperationen für bestimmte Aufgaben sowie die Verabschiedung von Zielgrößen von künftig anzustrebenden Gemeinde-, Samtgemeinde- und Kreisstrukturen.

Im Ergebnis kam es zu der Empfehlung, einem Gesamtansatz für eine kooperative Kooperative Kommunalreform Kommunalreform nachzufolgen, wobei die Stärkung der kommunalen Selbstver- und Gemein- waltung durch eine vermehrte Schöpfung interkommunaler Synergieeffekte das schaftsarbeit Ziel wäre. Ausgehend von dem Verständnis, nach dem Kooperation die Abwesen- heit von gesetzlichem Zwang und eine Letztentscheidungskompetenz der beteilig- ten Gebietskörperschaften beinhalten soll, verbindet sich dies mit der Frage, wie aktiv dabei die Rolle des Staates auszugestalten ist. Im Mittelpunkt steht hier die Veranlassung von Gemeinschaftsarbeit. Bei einer strikten Auslegung des Freiwil- ligkeitsprinzips dürfte bereits die Befassung mit dem Themenbereich, so weit sie über die Setzung allgemeiner rechtlicher Rahmenbedingungen hinaus geht, auf beträchtliche Kritik stoßen; noch deutlicher dürfte sie ausfallen, wenn das Land auf die materielle Kooperationsagenda und ihren „Einzugsbereich“ Einfluss zu nehmen sucht, mithin in die örtliche Kooperationsbereitschaft eingreift. Da das Land in seiner Reaktion auf diese Empfehlungen von entsprechender Einflussnahme Ab- stand nahm, wäre erwartbar gewesen, dass sich die Kommunalvertreter wesentlich stärker einer freiwilligen Kooperation zugewendet hätten, als dies heute diagnosti- ziert werden muss.

Aufgrund der angesprochenen kommunalen Finanzsituation und des in seinem Aktivere Rolle des Landes bei kom- denkbaren Umfang zwar erheblichen, bislang aber unter der Bedingung absoluter munalen Koope- Freiwilligkeit eben nur in Teilen realisierten Kooperationspotentials hielt und hält rationen der Gutachter eine aktivere Rolle des Staates für durchaus geboten. Sie ließe sich mit dem Prinzip staatlich geförderter und begleiteter Freiwilligkeit umschreiben und fände ihre Grenze dort, wo es jeder einzelnen Gebietskörperschaft überlassen bleiben muss, souverän über das Eingehen von Kooperationen zu entscheiden, die-

246 Kommunalstrukturen in Nordostniedersachsen

Abbildung 6.3-A: Rechtlich-organisatorische Kooperationstypen Öffentlich-rechtlich Privat- Allgemeines Kommunale Bau- und Raum- Einzelgesetzli- Verwaltungs- u. Gemeinschafts- rechtlich ordnungsrecht che Grundlagen Kommunalrecht arbeit

Keine Abstimmung und Kommunikation (ggf. konflikthaftes Verhältnis) Informelle Abstimmung / punktuelle horizontale Koordination / Amtshilfe (etwa über Arbeitskreise, Konsultationsrunden) Allgemeine Freier Leistungs- Freier Leistungs- Abstimmungs- u. Grenzüber- austausch austausch Koordinations- schreitende aufträge (ohne gesonderte Abstimmung und (ohne gesonderte vertragliche Beteiligung nach vertragliche (z. B. der RVs u. Grundlage) dem BauGB Grundlage) Kom.aufsicht)

Gemeinsame Raum-

Projekte auf ordnerischer Weich/Informell Vertrag Beschlussbasis Kommunale Privatrechtliche (z. B. Regional- Arbeitsgemein- Verträge konferenzen) schaft (einschließlich (ARGE) Gemeinsamer/ ÖPP/PPP) Einfache regionaler FNP Verwaltungsver- einbarung

Freiwillige Öffentlich- Übertragung von rechtliche ARGE nach dem Aufgaben auf Vereinbarung GbR SGB II Samtgemeinde (Zweck-) oder Landkreis Vereinbarung

Planungsverband Pflichtverbände Zweckverband nach dem BauGB (z. B. im Schul- (Einzel- und o. Abfallbereich) Eingetragener Mehrzweckver- Verein bände) Sonstige verselb- Mehrzweck- ständigte Pflichtverbände Aufgabenträger (StöR, KöR, Nachbarschaftsverbände AöR, freiwillige Gemeinsame Hart/Formell Hart/Formell Verwaltungs- kommunale (Baden-Württemberg)* GmbH / AG Anstalt gemeinschaft) Regional-/Planungsverbände (z. B. regionale Planungs- gemeinschaften)* Neue Gebietskörperschaften

(z. B. Region Hannover)* Gesetzliche Fusionen (Gebietsreformen einschließlich vertraglicher Regelungen einer vorgeschalteten Freiwilligkeitsphase) Legende: * Nur soweit sie auf freiwilligen Initiativen der betroffenen Gebietskörperschaften beruhen. Quelle: Eigene Darstellung nach der ISE-Strukturberichterstattung.

se also ohne Gefährdung ihrer Eigenständigkeit und ihres bisherigen Wirkungs- kreises auch auszuschlagen. Damit würden gesetzlich verfügte Verbände oder Zu- sammenschlüsse weitgehend ausgeklammert. Unberücksichtigt blieben auch die Hochzonung von Zuständigkeiten, sofern die Kommunen entsprechende Aufgaben

247 Kommunalstrukturen in Nordostniedersachsen

nicht wahrnehmen. Zulässig sind hingegen materielle Förderungen sowie regulati- ve Anreize in Form von Ausnahmebestimmungen und Gemeinschaftsarbeit als Bedingung für die Übernahme bzw. Delegation weiterer Aufgaben. Begründen lässt sich dies mit der Verpflichtung des Staates, eine funktions- und das heißt leis- tungsfähige Selbstverwaltung und die dafür erforderlichen Rahmenbedingungen zu gewährleisten. Neben der finanziellen Ausstattung (Konnexität) schließt das die Schaffung, zumindest aber die aktive Begünstigung von organisatorischen Kontex- ten ein, die sich für den Vollzug freiwilliger und übertragener Aufgaben eignen.

Ein entsprechend erweiterter Kooperationsbegriff ließe mit Ausnahme von zwin- Kooperationsty- pen genden Funktionalreformen und Strukturanpassungen ein breites Spektrum von Maßnahmen zu, dem wiederum unterschiedliche Kooperationstypen zuzuordnen wären, wie die Abb. 6.3-A auf der vorherigen Seite dokumentiert.

Abbildung 6.3-B: Aufgabenfelder der entwicklungs- und verwaltungspolitischen Gemeinschaftsarbeit

Entwicklungspolitische Verwaltungspolitische Gemeinschaftsarbeit Gemeinschaftsarbeit Hauptaufgabe Beispiel Hauptaufgabe Beispiel

Politische Füh- Metropolregionen, Städte- Politische Rechnungsprüfungsamt, rung netzwerke, Strukturkonfe- Führung kommunale Spitzenver- renzen bände Allgemeine IT-Betreuung, Mitarbeiter- Verwaltung fortbildung, Beschaffung, Personalkostenabrechnung Finanzen und Haushaltsaufstellung, Vermögen gemeinsame Vermögens- bestände Auswärtige Euroregionen, Städtepartner- Angelegenheiten schaften Öffentliche Rettungsdienst, Leitstellen, Sicherheit und Einwohner- und Personen- Ordnung standswesen, Verfolgung von Ordnungswidrigkeiten Daseinsvorsorge Träger der Ver- und Entsor- Daseinsvorsor- Abfallentsorgung, Wasser- und Gemein- gungswirtschaft mit erweiter- ge und Ge- ver- und Abwasserentsor- schaftsdienste ten Entwicklungsaufträgen meinschafts- gung, Energieversorgung dienste Wirtschaft Wirtschaftsförderung, Ent- Wirtschaft Gewerbeaufsicht und wicklung und Trägerschaft -überwachung von Gewerbegebieten, Kur- betriebe, Sparkassen Verkehr Verkehrsunternehmen mit Verkehr Öffentlicher Nahverkehr, erweiterten Entwicklungsauf- Straßenbaulast, Straßen- trägen verkehrsaufsicht Bauen, Wohnen Grenzüberschreitende Bau- Bauen, Woh- Wohnungsunternehmen, und Städtebau leitplanung und Landesent- nen und Städ- Bauaufsicht, Hoch- und wicklung, Wohnungsunter- tebau Tiefbauverwaltung, perso- nehmen mit erweiterten nelle Kapazitäten im Pla-

248 Kommunalstrukturen in Nordostniedersachsen

Entwicklungspolitische Verwaltungspolitische Gemeinschaftsarbeit Gemeinschaftsarbeit Hauptaufgabe Beispiel Hauptaufgabe Beispiel Entwicklungsaufträgen nungsbereich Raumordnung Inhaltliche Abstimmungen Raumordnung Landesplanungsbehörden, und Landesent- und gemeinsame Prioritäten- und Landes- Regionalplanung wicklung setzung bei der ortsübergrei- entwicklung fenden Pla- nung/Raumentwicklung Umwelt und Trägerschaft von Renaturie- Umwelt und Ordnungs-/Aufsichtsauf- Naturschutz rungs- und Erhaltungsmaß- Naturschutz gaben des Natur-, Boden- nahmen im Zusammenhang und Wasserschutzes mit touristischer Entwick- lung Forsten / Trägerschaft von Renaturie- Forsten Forstunternehmen, Landwirtschaft rungs- und Erhaltungsmaß- Waldbewirtschaftung nahmen im Zusammenhang mit touristischer Entwick- lung Ernährung und Tierkörperbeseitigung, Verbraucher- Veterinär- und Lebensmit- schutz telaufsicht Gesundheit Krankenhäuser, Gesund- heitsaufsicht und öffentli- cher Gesundheitsdienst Arbeit Kommunale Beschäfti- gungsgesellschaften, Auf- gabenträgerschaft nach dem SGB II Soziales Sozialamt, Schuldnerbera- tung, Sozialstationen Jugend, Familie Kindertagesstätten, Bera- und Frauen tungsstellen, Jugendbil- dung, Abstimmung über Leistungsangebote, Entgel- te und Qualitätsentwick- lung Sport und Entwicklung und Träger- Sport und Bau- und Unterhaltungs- Erholung schaft von öffentlichen Ein- Erholung dienste, Facility Manage- richtungen für die touristi- ment sche Entwicklung Schule und Trägerschaft von Schulen, Bildung Schülerbeförderung, Volkshochschulen Wissenschaft Entwicklung und Träger- Wissenschaft Bau- und Unterhaltungs- und Forschung schaft von öffentlichen Ein- und Forschung dienste, Facility Manage- (Museen und richtungen für die touristi- ment Ausstellungen sche Entwicklung als Beispiel) Kultur und Kultur- und Kulturpflege Kulturpflege

Quelle: Eigene Darstellung.

249 Kommunalstrukturen in Nordostniedersachsen

Die Aufgabenfelder, die sich in diesem Kontext anbieten, könnten nach ent- Aufgabenfelder der IKZ wicklungs- und verwaltungspolitischen Schwerpunkten unterschieden werden. Dies reicht von der politischen Führung bis hin zur Kultur und Kulturpflege, wobei die voranstehende Abbildung lediglich als Anregung zu verstehen ist:

Um die sich damit verbindenden Potentiale noch umsetzungsorientierter darzustel- Exemplarische Pilotprojekte len, sei schließlich auf einige exemplarische Pilotprojekte verwiesen, die sich in Niedersachsen wie anderen Flächenländern der Bundesrepublik fanden (und – un- ter Einschluss Nordostniedersachsens – finden), womit wiederum Erfahrungen verbunden sind, die quantitativ wie qualitativ auch für weitere Überlegungen im Untersuchungsraum zu nutzen wären:

(1) Operative Gemeinschaftsarbeit im kreisangehörigen Raum Gegenstand: Einzelprojekt aus dem Bereich der operativen Aufgaben der allgemei- nen Verwaltung, vorzugsweise Haushaltsaufstellung oder IT-Dienste (inkl. Beschaffung)

Partner: Vertikale Kooperation zwischen einem Landkreis und allen oder zu- mindest einem Teil der kreisangehörigen Samt-/Gemeinden

Form: Mitverwaltung aufgrund von Zweck- und/oder öffentlich-rechtlichen Vereinbarungen; wenn politisch nicht anders durchsetzbar, alternativ dazu Bildung eines Zweckverbandes

Umfang: Auswahl und Analyse des Aufgabenbereichs; Definition der kooperati- onsfähigen Funktionen; Kosten-/Nutzen-Schätzung; Vermittlung des Vorhabens und Begleitung des Entscheidungsprozesses; Ausarbeitung einer öffentlichen Vereinbarung

Mittel: Managementhilfe (halbe Stelle für sechs Monate) oder alternativ ge- sonderter Zuschuss für externen Beratungsauftrag; moderative und/oder operative Begleitung durch die örtlich zuständige Regierungsvertretung

Zeitrahmen: Sechs Monate (Projektphase); ergänzungsfähig im Rahmen einer bis zu einjährigen Umsetzungs- und Erprobungsphase sowie der projektbezo- genen Evaluation und Quantifizierung erzielter Einspareffekte

(2) Erweiterter Leistungsaustausch von Kreisstadt und Landkreisverwaltung Gegenstand: Gesamtkonzept für einen stärkeren Leistungsaustausch und bereichs- übergreifende Formen der Mitverwaltung; Schwerpunkt: allgemeine Organisations- und Serviceverwaltung (Personalangelegenheiten, Lie- genschaften, Rechnungsprüfung usw.)

Partner: Vertikale Punktkooperation zwischen einem Landkreis und der Kreis- stadt bzw. der „Sitzgemeinde“ seiner Verwaltung; möglichst Anschluss an bereits bestehende Kooperationen (Vertiefung/Intensivierung)

Form: Mitverwaltung aufgrund öffentlich-rechtlicher und/oder Zweckverein- barungen

Umfang: Gesamterfassung der Aufgaben; Auswahl und Priorisierung der betref- fenden Zuständigkeiten, Definition der kooperationsfähigen Funktio- nen; Machbarkeitsstudie und Umsetzungskonzept einschließlich einer

250 Kommunalstrukturen in Nordostniedersachsen

Kosten-/Nutzen-Schätzung; Ausarbeitung einer öffentlichen Vereinba- rung

Mittel: Managementhilfe (halbe Stelle für sechs Monate) oder alternativ ge- sonderter Zuschuss für externen Beratungsauftrag; moderative und/oder operative Begleitung durch die örtlich zuständige Regierungsvertretung

Zeitrahmen: Sechs Monate (Projektphase); ergänzungsfähig im Rahmen einer bis zu einjährigen Umsetzungs- und Erprobungsphase sowie der projektbezo- genen Evaluation und Quantifizierung erzielter Einspareffekte

(3) Integrierte Behördenstandorte von Landes- und Kommunalverwaltungen Gegenstand: Gemeinsame Wahrnehmung von Infrastrukturen und organisatorischen Dienstleistungen der allgemeinen Verwaltung

Partner: Vertikale Kooperation zwischen einer Landesbehörde sowie der örtli- chen Kreis- und/oder Gemeindeverwaltung

Form: Mitverwaltung aufgrund öffentlich-rechtlicher Vereinbarungen

Umfang: Erfassung und Definition der kooperationsfähigen Funktionen; Raum- und Umsetzungskonzept einschließlich einer Kosten-/Nutzen-Schät- zung; Ausarbeitung einer öffentlich-rechtlichen Vereinbarung; Beglei- tung der Umsetzung

Mittel: Managementhilfe (viertel bis halbe Stelle für sechs Monate) oder opera- tive Betreuung durch die örtlich zuständige Regierungsvertretung

Zeitrahmen: Sechs Monate (Projektphase); ggf. ergänzungsfähig im Rahmen einer kurzen Evaluation der Einspareffekte

(4) Zusammenführung operativer Bereiche der Bau- und Planungsverwaltung Gegenstand: Mitverwaltung im Bereich der Bauaufsicht, der operativen Funktionen der Bauleitplanung sowie des eigenen öffentlichen Hoch- und Tiefbaus

Partner: Vertikale Kooperation zwischen Landkreis und Städten/Gemeinden, die die Aufgaben der unteren Bauaufsichtsbehörde wahrnehmen; darüber hinaus ggf. weitere kreisangehörige Gemeinden für die operativen Funktionen der Bauleitplanung

Form: Mitverwaltung aufgrund von Zweck- und/oder öffentlich-rechtlichen Vereinbarungen; wenn politisch nicht anders durchsetzbar, alternativ dazu Bildung eines Zweckverbandes

Umfang: Auswahl und Analyse des Aufgabenbereichs; Definition der kooperati- onsfähigen Funktionen; Machbarkeitsstudie und Umsetzungskonzept einschließlich einer Kosten-/Nutzen-Schätzung; Vermittlung des Vor- habens und Begleitung des Entscheidungsprozesses; Ausarbeitung der vertraglichen Kooperationsgrundlagen

Mittel: Managementhilfe (halbe bis ganze Stelle für sechs Monate) oder alter- nativ gesonderter Zuschuss für externen Beratungsauftrag; moderative und/oder operative Begleitung durch die örtlich zuständige Regierungs- vertretung

Zeitrahmen: Sechs Monate (Projektphase); ergänzungsfähig im Rahmen einer bis zu einjährigen Umsetzungs- und Erprobungsphase sowie der projektbezo- genen Evaluation und Quantifizierung erzielter Einspareffekte

251 Kommunalstrukturen in Nordostniedersachsen

(5) Regionalisierte Kapazitäten der Sonderordnungsverwaltung Gegenstand: Grenzüberschreitende Wahrnehmung von mehreren Aufsicht-, Geneh- migungs- und Überwachungsaufgaben im Bereich der Sonderord- nungsverwaltung; vorzugsweise Aufgaben im Bereich der Gewässer- aufsicht sowie des Boden- und Immissionsschutzes (soweit nicht die staatlichen Gewerbeaufsichtsämter zuständig sind) und/oder im Veteri- när-, Lebensmittelaufsicht- und Gesundheitsbereich

Partner: Horinzontale Kooperation zwischen zwei bis drei benachbarten Land- kreisen und/oder kreisfreien Städten

Form: Mitverwaltung aufgrund von Zweck- und/oder öffentlich-rechtlichen Vereinbarungen; wenn politisch nicht anders durchsetzbar, alternativ dazu Bildung eines Zweckverbandes

Umfang: Grobbewertung und Auswahl der kooperationsfähigen Ordnungsberei- che; detaillierte Aufgabenerfassung und Definition der kooperationsfä- higen Zuständigkeiten; Machbarkeitsstudie und Umsetzungskonzept einschließlich einer Kosten-/Nutzen-Schätzung; Ausarbeitung der ver- traglichen Grundlagen; Begleitung der Umsetzung

Mittel: Managementhilfe (ganze Stelle für sechs Monate) oder alternativ ge- sonderter Zuschuss für externen Beratungsauftrag; moderative und/oder operative Begleitung durch die örtlich zuständige Regierungsvertretung

Zeitrahmen: Sechs Monate (Projektphase); ergänzungsfähig im Rahmen einer bis zu einjährigen Umsetzungs- und Erprobungsphase sowie der projektbezo- genen Evaluation und Quantifizierung erzielter Einspareffekte

(6) Einrichtung bunter Leitstellen Gegenstand: Zusammenführung und Regionalisierung der Leitstellen

Partner: Horizontale Kooperation zwischen Aufgabenträgern der Kreisstufe

Form: Mitverwaltung

Umfang: Begleitung der Umsetzung der geplanten Zusammenlegung; Abschät- zung und Dokumentation der Kosten-/Nutzeneffekte

Mittel: Managementhilfe (viertel Stelle für sechs Monate) und/oder operative Begleitung durch die örtlich zuständige Regierungsvertretung

Zeitrahmen: Sechs Monate (Projektphase)

(7) Kooperative Vernetzung der kommunalen Arbeitsmarktpolitik Gegenstand: Prüfung, Abschätzung und modellhafte Erprobung einer gemeinsamen Aufgabenerfüllung durch Optionskommunen im Bereich des SGB II (überregionale bzw. außerkreisliche Vermittlungstätigkeit, Betrieb ge- meinsamer externer Akquisebüros, Konzeption und Ausrichtung von flankierenden Maßnahmen und aktivierenden Leistungen als Beispiele)

Partner: Horizontale Kooperation zwischen zwei bis drei benachbarten Land- kreisen (Optionskommunen)

Form: Mitverwaltung aufgrund von Zweck- und/oder öffentlich-rechtlichen Vereinbarungen; wenn politisch nicht anders durchsetzbar, alternativ dazu Bildung eines Zweckverbandes

Umfang: Erfassung und Auswahl der kooperationsfähigen Aufgaben- und Leis- tungsbereiche; Machbarkeitsstudie und Umsetzungskonzept einschließ-

252 Kommunalstrukturen in Nordostniedersachsen

lich einer Kosten-/Nutzen-Schätzung; Ausarbeitung der vertraglichen Grundlagen; Begleitung der Umsetzung

Mittel: Managementhilfe (halbe bis ganze Stelle für sechs Monate) oder alter- nativ gesonderter Zuschuss für externen Beratungsauftrag; moderative und/oder operative Begleitung durch die örtlich zuständige Regierungs- vertretung

Zeitrahmen: Sechs Monate (Projektphase); ergänzungsfähig im Rahmen einer bis zu einjährigen Umsetzungs- und Erprobungsphase sowie der projektbezo- genen Evaluation und Quantifizierung erzielter Einspareffekte

(8) Integrierte Leistungszentren für die öffentliche Straßenbaulast Gegenstand: Örtliche Zusammenfassung der Trägerschaft von Straßenmeistereien für Landes- und Kreisstraßen

Partner: Gekreuzte Kooperation zwischen zwei bis drei benachbarten Landkrei- sen/kreisfreien Städten und dem Land

Form: Mitverwaltung aufgrund von Zweck- und/oder öffentlich-rechtlichen Vereinbarungen; wenn politisch nicht anders durchsetzbar, alternativ dazu Bildung eines Zweckverbandes

Umfang: Machbarkeitsstudie und Umsetzungskonzept einschließlich einer Kos- ten-/Nutzen-Schätzung; Ausarbeitung der vertraglichen Grundlagen; Be- gleitung der Umsetzung

Mittel: Managementhilfe (halbe bis ganze Stelle für sechs Monate) oder alter- nativ gesonderter Zuschuss für externen Beratungsauftrag; moderative und/oder operative Begleitung durch die örtlich zuständige Regierungs- vertretung

Zeitrahmen: Sechs Monate (Projektphase); ergänzungsfähig im Rahmen einer bis zu einjährigen Umsetzungs- und Erprobungsphase sowie der projektbezo- genen Evaluation und Quantifizierung erzielter Einspareffekte

(9) Leistungsverbund für die Volksbildung Gegenstand: Leistungsbezogene Kooperation und/oder Zusammenführung von Ein- richtungen der Volksbildung (insbesondere Volkshochschulen)

Partner: Horizontale/gekreuzte Kooperation zwischen benachbarten Landkrei- sen/kreisfreien Städten und/oder kreisangehörigen Gemeinden

Form: Mitverwaltung aufgrund von Zweck- und/oder öffentlich-rechtlichen Vereinbarungen; wenn politisch nicht anders durchsetzbar, alternativ dazu Bildung eines Zweckverbandes

Umfang: Erfassung und Auswahl der kooperationsfähigen Aufgaben und Infra- strukturen; Machbarkeitsstudie und Umsetzungskonzept einschließlich einer Kosten-/Nutzen-Schätzung; Ausarbeitung der vertraglichen Grund- lagen; Begleitung der Umsetzung

Mittel: Managementhilfe (viertel bis halbe Stelle für sechs Monate) oder alter- nativ gesonderter Zuschuss für externen Beratungsauftrag; moderative und/oder operative Begleitung durch die örtlich zuständige Regierungs- vertretung

Zeitrahmen: Sechs Monate (Projektphase); ergänzungsfähig im Rahmen einer bis zu einjährigen Umsetzungs- und Erprobungsphase sowie der projektbezo- genen Evaluation und Quantifizierung erzielter Einspareffekte

253 Kommunalstrukturen in Nordostniedersachsen

(10) Entwicklung einer Stadt-Umland-Kooperation / koordinierte Siedlungs- entwicklung Gegenstand: Entwicklung einer thematisch offenen und längerfristig angelegten Stadt-Umland-Kooperation

Partner: Diagonale Kooperation zwischen einem Zentralen Ort und mindestens zwei seiner Umland-Kommunen

Form: Zunächst vertragliche Vereinbarung; bei Vorliegen entsprechender Pla- nungsbelange ggf. Nutzung eines raumordnerischen Vertrages nach § 13 ROG und Regelung eines Interessenausgleichs; später mögliche Erweiterung zu einem Planungs-, Planungszweck- oder freiwilligen Mehrzweckverband8

Umfang: Erfassung und Analyse des örtlichen Entwicklungsstandes; Identifikati- on von konsensfähigen Kooperationsfeldern; Umsetzungskonzept inkl. einer Kosten-/Nutzen-Schätzung; Vermittlung; Ausarbeitung der ver- traglichen Grundlagen

Mittel: Managementhilfe (viertel bis halbe Stelle für sechs Monate) oder alter- nativ gesonderter Zuschuss für externen Beratungsauftrag; moderative und/oder operative Begleitung durch die örtlich zuständige Regierungs- vertretung Zeitrahmen: Sechs Monate (Projektphase); ergänzungsfähig für eine Ausweitung auf die gesamte Stadt-Umland-Region und/oder ein gesamtes Kreisgebiet

(11) Bildung eines interkommunalen Gewerbegebietes Gegenstand: Planung und konzeptionelle Ausgestaltung der Trägerschaft eines inter- kommunalen Gewerbegebietes einschließlich einer belastbaren Kosten- und Nutzen-Teilung Partner: Horizontale Kooperation zwischen kreisangehörigen Städten und Ge- meinden Form: Mitverwaltung aufgrund von Zweck- und/oder öffentlich-rechtlichen Vereinbarungen; wenn politisch nicht anders durchsetzbar, alternativ dazu Bildung eines Planungs- oder Zweckverbandes Umfang: Umsetzungskonzept und Ausarbeitung der vertraglichen Grundlagen Mittel: Mittel für einen beschränkten externen Beratungsauftrag; moderative und/oder operative Begleitung durch die örtlich zuständige Regierungs- vertretung Zeitrahmen: Sechs Monate (Projektphase); ergänzungsfähig im Rahmen einer be- schränkten Prozessevaluation

(12) Erweiterte Nutzung und räumliche Konzentration regionalpolitischer Instrumente Gegenstand: Überprüfung und Versuch einer räumlichen Vereinheitlichung der terri- torialen Bezüge von regionalpolitischen Instrumenten in kommunaler Trägerschaft

8 Anstelle verbandlicher Lösungen bieten sich auch hier erneut öffentlich-rechtliche (Zweck-)Ver- einbarungen an, sofern sich diese zwischen den Partnern als konsensfähig erweisen sollten. 254 Kommunalstrukturen in Nordostniedersachsen

Partner: Horizontale/gekreuzte Kooperation zwischen Landkreisen, kreisfreien Städten sowie kreisangehörigen Städten und Gemeinden Form: Informelle oder einfache vertragliche Vereinbarung, ggf. mittelfristig Bildung von festen Trägerstrukturen (GmbH, Zweckverband) Umfang: Erfassung und Überprüfung der gegebenen regionalpolitischen Koope- rationszusammenhänge; moderierte Entwicklung einer räumlich abge- grenzten und inhaltlich zusammengeführten Agenda; Ausweis von An- satzpunkten für erweiterte, auch verwaltungspolitische Formen der Zu- sammen; Ausarbeitung eines Zeit-Maßnahmen-Plans Mittel: Mittel für einen beschränkten externen Beratungsauftrag; moderative und/oder operative Begleitung durch die zuständige Regierungsvertretung Zeitrahmen: Sechs Monate (Projektphase); ergänzungsfähig im Rahmen einer erwei- terten Prozessevaluation

Entscheidend für das sich mit einer erweiterten interkommunalen Kooperation IKZ-Potential, ISE-Koopera- ergebende Potential sind erkennbar die jeweilige rechtlich-organisatorische Aus- tionsdatenbank gestaltung, der räumlich-institutionelle Kontext, der strategische Ansatz sowie schließlich das materielle Substrat. Eine vom ISE entwickelte und von den nieder- sächsischen Regierungsvertretungen geführte Kooperationsdatenbank verdeutlicht Näheres, zumal sich hier Angaben zur regionalen Verortung (geordnet nach den Einzugsbereichen der Regierungsvertretungen), zu den Aufgabenbereichen (auf unterschiedlichen Aggregationsniveaus; vgl. dazu die ISE-Systematik im Anhang), zu den Rechtsformen (Zweckverbände, kommunale Anstalten, öffentlich-rechtliche Vereinbarungen etc.), zur Identität und Zahl der Kooperationspartner (gegliedert nach den gebietskörperschaftlichen Ebenen), zu den gebildeten Kooperationstypen (räumlich-institutionell, materiell und strategisch) sowie zum Projektstatus (beste- hendes oder geplantes Vorhaben) finden. Den darin zusammengefassten Informati- onsfundus zu nutzen, erscheint angezeigt. Auch sei in diesem Kontext auf die be- reits im Grundgutachten vorgelegten Ausführungen verwiesen.9 Dies gilt vor allem für die räumlichen und strategischen Aufgabeneigenschaften, die aus Sicht der Kreise und kreisfreien Städte für eine besondere Kooperationsfähigkeit sprechen dürften, da sie bei gegebenen Synergien vergleichsweise geringe Nachteile mit Blick auf die kommunale Ortsnähe sowie die gebietskörperschaftliche Gestaltungs- fähigkeit und Eigenentwicklung erwarten lassen. Die Abbildung 6.3-C fasst dies auf der folgenden Seite zusammen.

Die entscheidende Erweiterung, die die Diskussion um die Potentiale interkommu- Nachhaltige Zu- sammenarbeit, naler Zusammenarbeit in den vergangenen Jahren erfuhr, verbindet sich mit dem Arbeitsteilung Begriff der Nachhaltigkeit. Zwar wird dieser inzwischen ubiquitär eingesetzt, mit- hin in seiner Wirkung latent entleert, doch bietet er sich für eine zeitgemäße Dis-

9 Hesse, a.a.O., 2011c, 315ff. 255 Kommunalstrukturen in Nordostniedersachsen

Abbildung 6.3-C: Räumliche und strategische Kooperationsvorteile

Strategische Ermessens- Beispiele Raumbezug Relevanz spielräume Aufgaben Begründung

Hoch Soziale u. Jugend- Immobiles Klientel hilfeeinrichtungen Hoch Mittel Örtliche Versorgungs- Transferleistungen funktion, Daseinsvorsorge Gering der Jugendhilfe Gewährleistungsansprüche an und nach dem die Kommune Hoch SGB II Häufig örtlich relevante Ortsbezug Mittel Mittel Schulträgerschaft Gestaltungsmöglichkeiten Gering Hoch Personen- und Lokale Nachfrage und örtli- Meldewesen ches Vollzugserfordernis Gering Mittel Straßen- und Ver- Geringe Gestaltungs-, aber Gering kehrsaufsicht hohe Ordnungsrelevanz Hoch Wirtschafts- Gestaltungsanspruch und förderung interregionaler Wettbewerb Hoch Mittel Sonderordnungsauf- vs. Bündelungserfordernisse Gering gaben (Umwelt usw.) Lokalbezüge und vor-Ort- Rettungsleitstellen Präsenz bei Ordnungsaufga- Hoch ben – zugleich Verbundvor- Zentrale und Quer- teile von Kooperationen in Regional- Mittel Mittel schnittsaufgaben in bezug spezialisierten Prozessen Gering Hoch den Bereichen Erhöhte Bedeutung für die Kämmerei, Haupt-, Eigenentwicklung – zugleich Gering Mittel Organisations- und Größen- und Verbundvortei- Rechtsamt len bei verwaltungsinternen Gering Querschnittsaufgaben Hoch Bezügeabrechnung Geringes Erfordernis einer vor-Ort-Präsenz Standardisier- Mittel Adoptionsvermitt- Mittel lung te Prozesse und Verfahren mit geringer lokal Ortsunabhän- Gering gigkeit Hoch Ausbildungsplatz- auszufüllender Gestaltungs- vermittlung kompetenz Gering Mittel Reduzierte Bedeutung für die Gering kommunale Eigenentwicklg. Quelle: Eigene Darstellung.

kussion einer erweiterten interkommunalen Zusammenarbeit durchaus an. Gemeint sind nicht nur aktuelle und schwergewichtig situativ begründete Formen der Ko- operation, sondern in der Tat jene, die über einen längeren Zeitraum hin eine Ge- meinschaftsarbeit nahe legen. Dies reicht bis zu einer etwaigen (späteren) Arbeits- teilung, die entweder durch die Übernahme der Aufgabe seitens nur einer Gebiets- körperschaft oder aber durch die Zentralisierung in einer Gebietskörperschaft und die komplementäre Einrichtung von Außenstellen gekennzeichnet ist. Damit verbindet sich dann eine gewisse Unumkehrbarkeit, die wiederum den Übergang zu (Teil-)Fusionen kennzeichnet. Sich dessen bei der Entscheidung über die einer erweiterten IKZ auszusetzenden Aufgabenbereiche bewusst zu sein, ist im Interes- se aller Beteiligten. Erkennt man so Endlichkeiten an, ist man auch in der Lage, Zeitpläne zu konkretisieren und Ziele sowie anzustrebende Ergebnisse, mithin po-

256 Kommunalstrukturen in Nordostniedersachsen

tentielle outcomes, festzulegen. Erneut sei dabei an vorliegende Erfahrungen in Niedersachsen wie anderen Flächenländern erinnert, um ggf. Ängste abzubauen, die sich mit Identitäts- sowie Macht- und Bedeutungsverlusten verbinden könnten.

Diesen grundlegenden Ausführungen zu den Handlungsmöglichkeiten und den Aktivitäten in Nordostnieder- erwartbaren Erträgen einer erweiterten interkommunalen Zusammenarbeit stehen sachsen in Nordostniedersachsen bislang eher wenige in ihrem materiellen Umfang über- zeugende Kooperationsprojekte gegenüber, zudem verbleiben bestehende Koopera- tionen eher einzelthematisch und unverbunden. Zu den im Untersuchungsraum hervorzuhebenden Kooperationen zählen vor allem das gemeinsame Rechnungs- prüfungsamt in Lüneburg, die Fusion ausgewählter Einrichtungen der Kreise Uel- zen und Lüchow-Dannenberg (Gesundheitsamt, Kreisvolkshochschule), der IT- Verbund Uelzen, die ordnungsrechtlichen Kooperationen zwischen Stadt und Kreis Lüneburg sowie die kreisinterne Zusammenarbeit in den Bereichen Wirtschaftsför- derung, Vollstreckung und Bezügeabrechnung in Uelzen, Lüneburg und Lüchow- Dannenberg. Die unterschiedlichen Stabilisierungsbedarfe Lüchow-Dannenbergs, Uelzens und Lüneburgs korrespondieren mit entsprechenden Aktivitätsniveaus, die in allen Fällen jedoch hinter einer gesamthaften Problemlösung zurückbleiben. So weist der Landkreis Lüchow-Dannenberg das umfangreichste Portfolio interkom- munaler Kooperationen auf und sucht dieses im Rahmen des Projekts Verwal- tungsmodernisierung10 zu erweitern. Der Landkreis Uelzen kann gleichfalls auf ein sich auf das eigene Gebiet und umliegende Kreise richtendes, jedoch erkennbar ausbaufähiges Kooperationsgeflecht verweisen. Der Kreis Lüneburg schließlich intensivierte die interkommunale Zusammenarbeit in den vergangenen Jahren deut- lich, konzentriert sich dabei jedoch vorrangig auf seine kreisangehörigen Gemein- den und ließ größerräumige Handlungspotentiale eher ungenutzt. Die hier in Tei- lendeutlich werdende Zögerlichkeit dürfte einerseits auf beschränkte personelle Kapazitäten zum Aufbau neuer Kooperationsformen zurückgehen (so verweist etwa der Kreis Uelzen auf eine Maximalbelastung durch zwei simultane Koopera- tionsprojekte), könnte andererseits auch dem Erhalt der eigenen gebietskörper- schaftlichen Kulisse geschuldet sein.

Erweiterungspotentiale für eine kreisübergreifende Kooperation im Untersu- Erweiterungs- potentiale chungsraum wurden im Rahmen der funktionsanalytischen Betrachtungen vor al- lem mit Blick auf das Kämmereiwesen (Einrichtung eines Finanzzentrums für ein gemeinsames Kassenwesen), die Durchführung des Zinsmanagements, die Aufstel- lung der Personalentwicklung, die Konzentration der Personalsachbearbeitung und die Einführung einer größerräumigen Schulentwicklungsplanung identifiziert, er-

10 Landkreis Lüchow-Dannenberg: Projekt Verwaltungsmodernisierung Lüchow-Dannenberg, Abschlussbericht, 2010. 257 Kommunalstrukturen in Nordostniedersachsen

gänzt um Überlegungen zu einer Konzentration weiterer Aufgaben der Jugendhilfe, der Einführung eines kreisübergreifenden Geoinformationsportals, der Organisati- on eines gemeinsamen Hochwassermanagements, der regionalen Steuerung des Klimaschutzes sowie der Fusion der Veterinär- und Lebensmittelämter der Kreise Lüchow-Dannenberg und Uelzen (verbunden mit der Einrichtung eines Tierseu- chenkrisenzentrums in Nordostniedersachsen). Die Realisierung derartiger Projekte sollte zunächst im Zuschnitt der Kreise Lüneburg, Lüchow-Dannenberg, Uelzen und Harburg oder Teilen von ihnen geprüft werden, bilden diese doch einen Ko- operationsraum, der freilich intern insofern ausdifferenziert ist, als sich die Kreise Lüchow-Dannenberg und Uelzen sowie Lüneburg und Harburg zunehmend als Kooperationspaare etablierten, was seitens des Landkreises Uelzen unter Verweis auf die Abkopplung von der Metropolentwicklung auf Protest stieß und stößt. Im Binnenverhältnis des Kreises Lüneburg bieten sich insbesondere die Bündelung der Wirtschaftsförderung kleinerer Gemeinden, der Submissionsbearbeitung und aus- gewählter Sozial- und Jugendhilfeleistungen (Eingliederungshilfe, Heimaufsicht, Unterhaltsvorschuss, Amtsvormundschaften) sowie die Konzentration der Baube- hörden und KfZ-Zulassungsstellen für eine verstärkte IKZ an.

Aufgrund der inzwischen verfestigten Strukturschwächen der Kreise Lüchow- Keine Bestandssi- cherung für Lü- Dannenberg und Uelzen ist auch bei Einlösung der sich mit den benannten Projek- chow-Dannenberg ten verbindenden Kooperationsrenditen eine mittel- und langfristige Bestandssi- und Uelzen cherung auszuschließen. Bestenfalls wäre denkbar, hier über einen Stufenansatz nachzudenken, der sich auf Schlüsselbereiche der kommunalen Aufgabenwahr- nehmung konzentriert und diese einer erweiterten Kooperation öffnet, doch ver- blieben auch bei einem solchen Vorgehen die Potenziale beider Landkreise unter- ausgeprägt. Im Ergebnis dürfte wie in einigen anderen Teilregionen Niedersach- sens ein konsequenterer Reformschritt angezeigt sein, der entweder die Auflösung eines Kreises oder aber dessen Aufgehen in einem größeren Kreis nahelegt; hinzu treten jene Varianten, die als Teilung Lüchow-Dannenbergs bzw. Uelzens dem Gutachter vorgetragen wurden und die er im Folgenden gleichfalls überprüft.

6.4 Fusionsoptionen

Die im Ergebnis der dargestellten Daten- und Funktionsanalysen und in Aufnahme Grundlegende Varianten der zahlreichen Gespräche mit den politisch-administrativ Handelnden im Raum vorgestellten Fusionsoptionen konzentrieren sich auf die folgenden Ansätze: eine Entwicklungsvariante, die im Gefolge der Nordorientierung eine Fusion der Land- kreise Lüneburg und Harburg vorsehen könnte; eine Ausgleichsvariante, die die Kreise Lüneburg, Uelzen und Lüchow-Dannenberg zusammenführt; eine Konzen- trationsvariante, die dem Drängen der Stadt Lüneburg auf Kreisfreiheit folgt; eine Neuzuschnittsvariante „Ost“, die die Samtgemeinde Elbtalaue Lüneburg zuspricht

258 Kommunalstrukturen in Nordostniedersachsen

und die beiden verbleibenden Samtgemeinden dem Kreis Uelzen attachiert sowie schließlich eine Neuzuschnittsvariante „West“, die die Auflösung des Kreises Uel- zen vorsieht, dessen Nordteil dem Zusammenschluss der Kreise Lüneburg und Lüchow-Dannenberg folgt, während der Süden sich ggf. in Richtung Celle orien- tiert.11 Die erkennbar von den politisch Handelnden des Landkreises Uelzen präfe- rierte Variante eines Zusammengehens mit dem Landkreis Lüchow-Dannenberg wird verworfen, da sie die Entwicklungsmöglichkeiten beider nicht wesentlich verbessert, mithin eher eine Problemverschiebung denn -lösung darstellt. Im Er- gebnis stünde ein langfristig stabilisierungsbedürftiger Kreis, der kaum zu einem Ausgleich der disparaten sozioökonomischen, fiskalischen und insbesondere de- mographischen Ausgangsbedingungen in Nordostniedersachsen beiträgt; nur sehr begrenzte historische und identitäre Verbindungen treten hinzu. Der nicht unerheb- liche Bestand interkommunaler Kooperationsformen, die zumindest begrenzt gege- benen Arbeitsmarktverflechtungen (mit Blick auf die Samtgemeinde Rosche und die Stadt Uelzen auf der einen und die Samtgemeinden Lüchow und Elbtalaue auf der anderen Seite) sowie eine relativ ähnliche Binnenstruktur können in der Abwä- gung eine Fusion in diesem Gebietszuschnitt daher kaum begründen.

Im Folgenden werden die verwaltungswissenschaftlichen und rechtlichen Grundla- gen für eine solche Analyse einzelner Fusionsoptionen zusammengefasst und um- setzungsorientiert aufbereitet. Danach sind in der Diskussion um Gebietsreformen und Fusionsansätze sind zunächst zwei Vorgehensweisen denkbar:

• Die erste wählt den unter kommunalverfassungsrechtlichen Gesichtspunkten risikolosen Weg einer internen Optimierung unter Wahrung gegebener Kreis- und Verwaltungsstrukturen, fasst mithin nur das Potential der Akteure zusam- men, während

11 Die benannten Fusionsvarianten bedürften komplementärer Bemühungen auf der gemeindlichen Ebene. Mit Blick auf Mindesteinwohnerzahlen ist zunächst auf das benannte Weber-Gutachten abzustellen (vgl. hierzu Hesse, a.a.O., 2011c, 60ff.), das im Rahmen der Gemeindegebietsreform in den 1970er Jahren für Einheits- und Samtgemeinden eine Mindestzahl von 7.000 Einwohnern empfahl (mit der Ausnahme einer Absenkung auf 5.000 Einwohner in dünn besiedelten Räu- men). Mitgliedsgemeinden sollten wenigstens 400 Einwohner aufweisen, ausnahmsweise auch 200 bis 400 Einwohner. Diesen Einschätzungen schloss sich der Landesgesetzgeber in seinem Leitbild unter Streichung der Ausnahmetatbestände bei den Mitgliedsgemeinden an (LT-Drs. 7/382). Diese historischen Größenordnungen sind mit Blick auf die veränderten demographi- schen, finanziellen, verkehrlichen und technologischen Rahmenbedingungen anzupassen (vgl. hierzu ebd., 66ff.). Orientierungspunkte liefern die Leitbilder jüngerer Gemeindegebietsrefor- men. So benannte der Gesetzgeber in Sachsen-Anhalt eine Mindestgröße für Einheitsgemeinden von 10.000 Einwohnern, ausnahmsweise 8.000 Einwohnern (Landesregierung Sachsen-Anhalt: Leitbild der Gemeindegebietsreform in Sachsen-Anhalt), und ist in Rheinland-Pfalz eine Min- destbevölkerungszahl von 12.000 Einwohnern für Verbandsgemeinden und von 10.000 Einwoh- nern für verbandsfreie Gemeinden vorgesehen (Erstes Landesgesetz zur Kommunal- und Ver- waltungsreform in Rheinland-Pfalz, Art. 1 § 12, Gesetzesentwurf vom 8. September 2009, vgl. hierzu auch Hesse, a.a.O., 2010). 259 Kommunalstrukturen in Nordostniedersachsen

• die zweite Option in jenen Ansätzen besteht, die Synergien durch Größener- sparnisse (economies of scale) und Verbundvorteile (economies of scope) zu erreichen suchen, was jeweils im Einzelfall den Einbezug von wenigstens zwei Gebietskörperschaften erforderlich macht.

Mit der letztgenannten Variante geht es mithin um vom Gutachter in einem ande- Handlungsansätze 12 einer Kreisstruk- ren Zusammenhang so bezeichnete Konzentrationsansätze, worunter Lösungen zu turreform verstehen sind, die auf eine Zusammenfassung von Zuständigkeiten und Ressourcen zielen. Die rechtliche Relevanz und politisch-praktische Bedeutung entsprechender Vorgehensweisen legen dabei eine Unterscheidung danach nahe, ob die in Rede stehenden Konzentrationsmaßnahmen die gegebenen Gebietsstrukturen in Frage stellen und sie freiwillig oder zwangsweise (also auf dem Gesetzes- bzw. Verord- nungsweg) erfolgen. Die Abbildung 6.4-A systematisiert die sich daraus ergeben- den Handlungsansätze, wobei im Fall gebietsstruktureller Maßnahmen noch einmal zwischen solchen Reformen unterschieden wird, die nicht nur die Gebietsstruktu- ren, sondern auch den Bestand vorhandener Gebietskörperschaften betreffen, sowie jenen, die diese im Kern weiterhin unberührt lassen.

Abbildung 6.4-A: Handlungsansätze zur Reorganisation der kommunalen Kreisstufe

Änderung vorhandener Gebietsstrukturen Keine Änderung vorhandener Keine Auflösung und/oder Auflösung und/oder Gebietsstrukturen Neubildung bestehender Neubildung bestehender Gebietskörperschaften Gebietskörperschaften

Freiwillige Einkreisungen Freiwillige Fusion/Neubildung kreisfreier Städte von Kreisen* Freiwillige Interkommunale Veränderung Zusammenarbeit zwischen Kreisen (auf vertraglicher und/oder kreisfreien Freiwilliger von der bisherigen Grundlage) Freiwillige Gebietsänderungen/ Städten Gebietskulisse abweichende(r) -anpassungen von Kreisen Neuzuschnitt/Neubildung und/oder kreisfreien Städten von Kreisen*

Einkreisungen kreisfreier Städte Fusion/Neubildung von Kreisen* Zwangsweise Strukturierte/gesteuerte Veränderung Kooperation zwischen Kreisen und/oder (per Gesetz oder kreisfreien Städten Verordnung) Gebietsänderungen/ Von der bisherigen Gebietskulisse -anpassungen kreisfreier Städte abweichende(r) Neuzuschnitt/ Neubildung von Kreisen*

Kooperationsansätze Neugliederungsansätze

* Ggf. unter Einschluss kreisfreier Städte

Quelle: Eigene Darstellung.

12 Hesse, J.J., a.a.O., 2008/2009. 260 Kommunalstrukturen in Nordostniedersachsen

Die damit ausgewiesenen Handlungsansätze sind nicht notwendigerweise alterna- Wirkungsgrenzen von Maßstabsver- tiv, sondern durchaus auch komplementär einzusetzen, etwa mit Blick auf die Ver- größerungen bindung von Neugliederungen und Kooperationen. Trotz der unbestreitbaren Vor- teile größerer Einheiten sind dabei Wirkungsgrenzen zu beachten. Sie verbinden sich im Wesentlichen mit Formnachteilen, vor allem Transaktions- und Demokra- tiekosten, im Fall von Gemeinschaftsarbeit kommen Verzögerungen und die Zu- rückhaltung eines Autonomiebesatzes hinzu. Im Ergebnis legen entsprechende Erfahrungen und Plausibilitätsbetrachtungen nahe, dass Entwicklungs-, Verbund- und Größenvorteile mit der Ausdehnung und Einwohneranzahl des gebietskörper- schaftlichen Zusammenwirkens nicht endlos anwachsen, sondern ihr Ertrag ab einem gewissen Punkt wieder sinkt, da die angesprochenen Defizite in Abhängig- keit von der Komplexität, der Vielzahl und dem Umfang größerer Einheiten stei- gen; je nach Gewichtung (insbesondere der Demokratiekosten) kann dies trotz erheblicher Synergien auch in eine gegenüber dem Status quo negative Nutzenbi- lanz münden. Hieraus folgt, dass es für jeden Handlungsansatz wie auch für die Kombination unterschiedlicher Maßnahmen so etwas wie ein Optimum und daraus abgeleitet einen sinnvollen „Reformkorridor“ gibt, innerhalb dessen die Konzent- rationseffekte von Reorganisationsprozessen hinreichend groß ausfallen, Aufwand, Kosten und Ertrag in einem angemessenen Verhältnis zueinander stehen, mithin die normativen, funktionalen und politischen Anforderungen an eine Verwaltungs- strukturreform erfüllt werden.13

Konzentriert man sich auf die Neugliederungsansätze und differenziert dabei nach Vorzüge freiwilli- ger Neugliederun- dem Prinzip der Freiwilligkeit bzw. der Pflichtigkeit entsprechender Maßnahmen, gen dürften sich „von unten“ und auf eigene Initiative von Kommunen hin zustande kommende Neugliederungen als normativ, politisch und funktional weitgehend unproblematisch erweisen. Für eine unter diesen Umständen erleichterte Zulässig- keit größerräumiger Einheiten spricht zudem, dass die betroffenen Kommunen durch ihre freiwillige Mitwirkung das Vorliegen eines hinreichenden öffentlichen Interesses und die Beschreitung eines ordnungsgemäßen Verfahrens bekunden; der Gesetzgeber oder die genehmigende Kommunalaufsicht hätten hier lediglich die Funktionalität der neu geschaffenen Einheiten zu bewerten und könnten unter die- sen Bedingungen auch jene Grenzfälle akzeptieren, in denen man die Verfas- sungsmäßigkeit deutlich vergrößerter Einheiten möglicherweise zu bezweifeln hätte.14 Darüber hinaus dürfte die politisch-administrative Durchsetzbarkeit deut- lich höher ausfallen, da Widerstände gegen das Projekt an sich vergleichsweise gering bleiben und lediglich interne Gegnerschaften (etwa des betroffenen Perso-

13 Eine graphische Darstellung dieser Prozesse findet sich in Hesse, a.a.O, 2008/2009, 149. 14 Die Bildung der Region Hannover darf in diesem Zusammenhang durchaus als Beispiel gelten. 261 Kommunalstrukturen in Nordostniedersachsen

nals) zu überwinden sein dürften, womit wiederum auch das Risiko gerichtlicher Auseinandersetzungen und eines möglichen Scheiterns reduziert würde.

Der Nachteil einer vollständig freiwilligen Neugliederung liegt dagegen in der Nachteile rein freiwilliger Ge- Unsicherheit und in der wohl auch quantitativen Beschränkung ihres Ertrags be- bietsveränderun- gründet. Dieses Defizit kann (wie im Rahmen von Gebietsreformen vor allem im gen kreisangehörigen Raum üblich)15 durch den Einsatz einer konditionierten Freiwil- ligkeit reduziert werden, indem man den betroffenen Kommunen eine gewisse Phase für eigenständig gestaltete Lösungen einräumt, bevor der Gesetzgeber tätig wird. Dies setzt allerdings die notwendige Ernsthaftigkeit und Entschlossenheit voraus, nach Ablauf der Karenzzeit auch tatsächlich einzugreifen, eine Vorausset- zung, die im vorliegenden Fall durch mehrfache öffentliche Erklärungen des nie- dersächsischen Ministerpräsidenten und des Innenministers gegeben scheint. Zu- gleich wird der im Rahmen der Freiwilligkeitsphase erzielte Effekt vor allem vom Umfang jener Maßnahmen abhängen, die ansonsten bzw. später zentral verfügt werden, wobei ein wesentlicher und dezentral wirksamer Anreiz darin besteht, Strukturen nach eigenen Vorstellungen auszugestalten und ggf. nicht weitergehen- de Veränderungen vollziehen zu müssen, wie sie der Gesetzgeber eben zu einem späteren Zeitpunkt zu veranlassen droht. Der Ertrag einer solchen konditioniert freiwilligen Reform fällt demnach aller Voraussicht nach geringer aus, als dies für eine von vornherein zentral verfügte Konzentration (etwa über ein verbindliches Leitbild der Landesregierung) anzunehmen ist. Darüber hinaus tritt er auch erst zeitversetzt ein, nämlich nach Ablauf der Freiwilligkeits-, Evaluations- und nach- folgenden Gesetzgebungsphase; damit verbinden sich (in Form entgangener Ein- sparungen) weitere Verluste, die vom ursprünglichen Ziel abzuziehen wären. In der Summe stellen diese Defizite den Preis dar, den ein Gemeinwesen für die konflikt- mindernde Freiwilligkeit zu zahlen bereit ist. Er fällt umso geringer aus, je deutli- cher von vornherein die Vorstellung des Gesetzgebers und seine Entschlossenheit erkennbar werden, die Reform hierarchisch und vor allem in einem bestimmten Ausmaß durchzusetzen. Je weiter sich diese Projektion vom Status quo entfernt, desto stärker dürften sich Widerstände dagegen formieren – bis hin zu dem Punkt, wo der dezentral gesehene Nutzen einer Mitgestaltung und der normative Effekt einer erhöhten Zulässigkeit marginalisiert werden. Insofern bietet sich der Ansatz einer konditionierten Freiwilligkeit an, um unter Inkaufnahme relevanter Abstriche beim Umfang der Reform ihre politische Durchsetzbarkeit und rechtliche Zuläs- sigkeit zu erhöhen. Zugleich erfordert ein ausreichender Ansatz für die kommunale Mitwirkung ein erhebliches Maß an dezentral möglicher Einflussnahme und/oder die hierüber mögliche Begrenzung der gewünschten Konzentration. Mit anderen

15 Vgl. hierzu die im Literaturverzeichnis ausgewiesenen Arbeiten des Gutachters zu den Fällen Brandenburg, Mecklenburg-Vorpommern und Sachsen-Anhalt. 262 Kommunalstrukturen in Nordostniedersachsen

Worten: Soll Freiwilligkeit als Instrument genutzt werden, muss ihre Ergebnisrele- vanz wesentlich sein und darf sie nicht etwa dazu dienen, ein unverhältnismäßig ausgestaltetes Reformvorhaben zu kaschieren.

Im Rahmen der konkreten Ausgestaltung von Neugliederungen ist im Übrigen Systematik von Neugliederungen zwischen solchen Reformen zu unterscheiden, die den Bestand von Gebietskörper- schaften unberührt lassen und jenen, die durch Fusion, Beitritt oder Neubildung bestehende kreiskommunale Einheiten auflösen. Hinzu treten die beiden Möglich- keiten, innerhalb der gegebenen Gebietsstrukturen zu agieren oder vollständig neue Territorialzuschnitte zu realisieren. Die Abb. 6.4-B verdeutlicht dies.

Abbildung 6.4-B: Differenzierung von Neugliederungsansätzen

Fusion Neuzuschnitt (innerhalb der gegebenen (Veränderung der gegebenen Gebietskulisse) Gebietskulisse)

Marginale Territorial- Erhalt gegebener Einkreisung veränderungen Gebietskörperschaften kreisfreier Städte (etwa durch Gebietsaus- tausch)

Zusammenschluss von Auflösung und Neubil- Auflösung/Neubildung Einheiten der Kreisstufe dung von Einheiten der von Gebietskörperschaften (Kreise und Kreisstufe innerhalb kreisfreie Städte) neuer Grenzen

Quelle: Eigene Darstellung.

Marginale Territorialveränderungen lässt der Gutachter im Folgenden weitgehend unbeachtet, da sie zu den in den voranstehenden Kapiteln ausgewiesenen Reform- bedarfen keinen wesentlichen Beitrag leisten und allenfalls zur Abrundung umfas- sender Reorganisationsprozesse im Nahbereich geeignet erscheinen. Somit verblei- ben Einkreisungen, Zusammenschlüsse/Fusionen und territoriale Neuzuschnitte als Handlungsalternativen, falls man nicht – wie die Stadt Lüneburg – eine Auskrei- sung anstrebt, die unter 6.4.2 gesondert angesprochen wird:

Eingliederung kreisfreier Städte

Die Eingliederung kreisfreier Städte in die sie umgebenden oder an diese angren- Vor- und Nachtei- le von Einkrei- zenden Gemeindeverbände bildet einen sowohl strukturell und fiskalisch als auch sungen normativ und politisch außerordentlich lohnenden Neugliederungsansatz. Auf diese Weise werden typische Stadt-Umland-Probleme, insbesondere der materielle Ausgleich zwischen Kernstadt und ländlichem Raum verbessert, indem Soziallasten

263 Kommunalstrukturen in Nordostniedersachsen

fortan gemeinsam getragen werden und der solcherart vergrößerte Kreis Zentrum und Peripherie gleichermaßen in seine Ausgleichs- und Ergänzungsfunktionen ein- bezieht. Der Erhalt der gebietskörperschaftlichen Einheit der vormals kreisfreien Stadt bei gleichzeitig eintretenden materiellen Vorteilen erhöht die Zustimmungs- fähigkeit im Zentralen Ort. Verwaltungsökonomisch führt die Neugliederung zu- nächst mit Blick auf die kreiskommunalen Aufgaben zu Vorteilen (durch die ge- meinsame Erledigung auf der neuen Kreisebene), wohingegen die städtischen Funktionen nur im Rahmen der üblichen Interkommunalen Zusammenarbeit und damit unabhängig von der Aufgabe des Status der Kreisfreiheit effizienter bearbei- tet werden können. Begrenzt werden die Effekte der Einkreisung zum einen da- durch, dass es hierbei regelmäßig zum Behalt von Kreisaufgaben in den Städten kommt (die untere Bauaufsicht als Beispiel), zum anderen durch eine mögliche Schlechterstellung im Rahmen des kommunalen Finanzausgleichs. Daneben beein- flusst die Größe des Zentralen Ortes (in Relation zum Umland) die Funktionalität des neuen bzw. erweiterten (Alt-)Kreises und infolgedessen auch seine Akzeptanz im ländlichen Raum. Erhält ersterer ein Übergewicht, verschiebt dies die kommu- nalpolitischen Kräfteverhältnisse und dürfte die Zustimmung der Umlandkommu- nen beträchtlich vermindern. Daraus folgt, dass eine Eingliederung vor allem dann in Frage kommt, wenn die künftige Kreisstruktur nicht einseitig durch den neuen Zentralort dominiert wird, was ein Übergewicht der Umlandeinwohner bedingt, um auf diese Weise (etwa im Kreistag) auch Interessenkoalitionen gegen den Zent- ralen Ort/das Oberzentrum zu ermöglichen (Sicherung der verwaltungspolitischen Stabilität). In der verfassungsrechtlichen Literatur wird davon ausgegangen, dass die größte kreisangehörige Stadt nach einer Einkreisung nicht mehr als ein Drittel der Kreisbevölkerung umfassen sollte, anderenfalls dem Neugliederungsgesetzge- ber ein besonderer Rechtfertigungsbedarf erwächst.16

Zugleich müsste gewährleistet sein, dass der Verlust des Kreisstatus durch organi- Kompensationen sationsbezogene Effizienzrenditen und im Rahmen des kommunalen Finanzaus- gleichs kompensiert und nicht etwa einseitig durch das Umland getragen wird. Eine vor allem auch rechtliche Hürde dürfte bei Einkreisungen dann gegeben sein, wenn sie per Gesetz (und damit nicht mit Einwilligung aller Beteiligten, s. o.) und auf- grund der Größe des Zentralen Ortes in einem Umfang vollzogen würde, der den kreiskommunalen Charakter der neuen Gebietskörperschaft mit Blick auf ihre de- mokratische, örtliche und politische Integrationsfähigkeit gefährden würde. Hierfür bietet die Bildung der Region Hannover einen analytisch wie praktisch wichtigen (funktional allerdings diskussionswürdigen) Beispielsfall. Bereits mit der neuarti- gen Bezeichnung haben die beteiligten Akteure selbst zu erkennen gegeben, dass

16 Ewer, a.a.O., 2008, 204. 264 Kommunalstrukturen in Nordostniedersachsen

sich die geschaffene Struktur vom herkömmlichen (Land-)Kreis unterscheidet und seinen wesentlichen Bezugspunkt in der zentralen Mitgliedsstadt findet. Legt man die Kriterien des mecklenburg-vorpommerischen Verfassungsgerichtsurteils zu- grunde, scheint dieser Prozess und sein Ergebnis vor allem deshalb statthaft, weil der Verzicht auf einen klassischen Kreischarakter im Konsens zustande kam, was eine ausreichende (weil von den Beteiligten akzeptierte) Definition des öffentlichen Voraussetzungen Wohls und die Abwägung möglicher Gestaltungsalternativen voraussetzt. Die in Teilen bereits angesprochenen materiellen wie verfahrensbezogenen Anforderun- gen an Neugliederungsmaßnahmen17 gelten für kreisfreie Städte grundlegend ge- nauso wie für die Landkreise. Der wesentliche Unterschied besteht in der Möglich- keit der Zuweisung eines Sonderstatus an die dann eingekreiste Stadt, sei es in Sonderstatus Form der sog. „Großen selbständigen Stadt“ oder einer, neben dem Modell Hanno- ver, sich etwa am Fall Göttingens orientierenden Sonderregelung. Eine solche Aufwertung ist zunächst als politische Kompensationsleistung zu werten, aber auch für eine etwaige verfassungsrechtliche Überprüfung insofern von Bedeutung, als sie im Zuge der Erforderlichkeitsprüfung als ein gegenüber einer bloßen Einkrei- sung milderes Mittel bewertet würde und Argumente des öffentlichen Wohls (er- höhte Bürgernähe, geringerer Eingriff in die Selbstverwaltungsrechte) hierfür ange- führt werden können.18

Im Übrigen sei hier auf die ausführliche Würdigung der neuesten Entscheidung des Landesverfassungsgerichts Mecklenburg-Vorpommern zugunsten der sog. 6+2- Lösung (sechs Großkreise sowie mit Rostock und Schwerin nur noch zwei anstelle von sechs kreisfreien Städten) in Kap.2 verwiesen.

Zusammenschluss von Einheiten der Kreisstufe

Die Fusion setzt den Wegfall wenigstens einer bestehenden kreiskommunalen Ge- Vorzüge und Grenzen von bietskörperschaft auf dem Wege des Zusammenschlusses oder des Beitritts voraus. Maßstabsvergrö- Dies führt zu wesentlich höheren konzentrationsbedingten Einspareffekten, da zwei ßerungen (oder mehr) Verwaltungskörper mit vergleichbaren Zuständigkeiten vollständig zusammengeführt werden, verursacht aber zugleich mehr politisch-administrative Widerstände. Bezieht man zunächst ökonomische Erwägungen ein, wird ein konti- nuierlich positiver Zusammenhang zwischen Kreisgröße und Effizienzsteigerung deutlich, der (im Extremfall) einen Kreisverzicht und die Übertragung der bislang dort wahrgenommenen Aufgaben auf einen landesweiten Erledigungsverband nahe legen könnte. Hiergegen sprechen freilich erneut demokratiepolitische Erwägun-

17 Für eine Synopse der Rechtsprechung zu kommunalen Gebietsreformen in Deutschland, insbe- sondere mit Blick auf die sich daraus ergebenden verfassungsrechtlichen Anforderungen an Neugliederungen, vgl. Hesse, a.a.O., 2011c, 373ff. 18 Ewer, a.a.O., 2008, 267ff. 265 Kommunalstrukturen in Nordostniedersachsen

gen, allerdings auch funktionale Gesichtpunkte, da ein solches Konstrukt nicht mehr zu einer von der Landespolitik unterscheidbaren Ausgleichs- und Ergän- zungsfunktion in der Lage wäre, die auf die Gemeinden vor Ort bezogen bleibt und in einem direkten Einfluss- und Wirkungszusammenhang mit diesen steht. Ferner dürfte ein solcher Verband auch deshalb ausscheiden, weil er zwar eine direkte Legitimation über eine unmittelbar gewählte Vertretungskörperschaft erhalten könnte, jedoch nicht die individuelle Mitwirkung an der Aufgabenerledigung zu gewährleisten in der Lage wäre, die wiederum ganz wesentlich den Charakter kommunaler Selbstverwaltung ausmacht. Der hierdurch definierte und verfas- sungsrechtlich geschützte Kreischarakter wäre nicht mehr gegeben. Während diese Analyse für die Bildung landesweiter Einheiten unstrittig sein dürfte, stellt sich die Frage, welcher Konzentrationsgrad im Rahmen von Kreis- bzw. selbstverwalteten Frage nach dem Konzentrations- Kommunalstrukturen zulässig ist. Der vom Landesverfassungsgericht Mecklen- grad burg-Vorpommern herangezogene Flächenindikator bietet hierfür sicherlich eine Orientierungshilfe, sofern man die materielle und praktische Teilhabefähigkeit betrachtet. Gleichwohl wird diese auch durch die an der Einwohnerzahl zu bemes- sende Größenordnung bedingt, da sie die Professionalisierung, parteipolitische Überlagerung und Interessenkonkurrenz innerhalb einer Körperschaft prägt. Im Vergleich mit anderen Kreisen und Großstädten in der Bundesrepublik werden aber genau dadurch demokratiemindernde Effekte deutlich relativiert.

Deshalb bedarf es weiterer Kriterien, die sich auf funktionale Gesichtspunkte im Konsequenzen Hinblick auf die verwaltungspolitische Stabilität und Kapazität neuer Gebietsstruk- turen beziehen. So bestünde bei einer Gliederung in nur wenige Kreise die Gefahr, dass das betreffende Land politisch geteilt und auch vertikal differenziert würde, sofern die Größe der neuen Gemeindeverbände unterkreisliche Kooperationszu- sammenhänge erforderlich machen. Zugleich dürfte sich eine Situation als schwie- rig erweisen, in der einzelne (Groß-)Kreise ein Übergewicht gegenüber anderen Einheiten erlangen würden, was deren Gewicht im Landesmaßstab und somit ihren Einfluss auf staatliches Handeln überproportional erhöhen müsste. Schließlich steht auch die administrative Kapazität von Regionaleinheiten in Frage, sofern sie (wie im Fall höherer Kommunalverbände üblich) eben nicht nur überörtliche Ergän- zungsfunktionen, sondern auch den vollständigen Aufgabenbesatz kreiskommuna- ler Zuständigkeiten wahrnehmen. Hiermit entstünden Organisationseinheiten, die staatliche und kommunale Aufgaben bündeln, dabei das Volumen etwa von Be- zirksregierungen potentiell überstiegen und somit in noch deutlicherem Maße als diese zu einer Binnendifferenzierung und der Ausbildung von Fachbezügen neigen dürften. Die Folge wären eine reduzierte Koordinationsfähigkeit und die steigende Gefahr organisatorischen Wachstums und interner Spezialisierung.

266 Kommunalstrukturen in Nordostniedersachsen

Im Ergebnis führt dies zu einer Reihe bedeutsamer Einschränkungen von Neuglie- Größenbezogener „Korridor“ für derungsansätzen, die über Kreiszusammenschlüsse zu größeren Gebietsstrukturen Neugliederungen gelangen sollen. Zunächst bedarf es einer hinreichend differenzierten Struktur, die in jedem Fall mehr als zwei Kreise umfassen muss, wobei diese jeweils keine Grö- ße erreichen sollten, die aufgrund ihres regionalen Zuschnitts die Landeseinheit und -stabilität in Frage stellen. Damit verbindet sich das Erfordernis, dass gerade mit abnehmender Zahl die Kreise auch untereinander ausgewogen gestaltet sein müssen und nicht einer (oder wenige) andere Regionen im Landesmaßstab majori- sieren können.19 Schließlich müssen sie (wie auch das Landesverfassungsgericht Mecklenburg-Vorpommern hervorhebt) eine ausreichende Integrationsfähigkeit nach innen aufweisen, also ihren Selbstverwaltung und Teilhabe ermöglichenden Kreischarakter bewahren; aus diesem Erfordernis leiten sich Obergrenzen für die Flächenausdehnung eines Kreises ab, die in Kap. 4.1 unter der Chiffre der optima- len Betriebsgröße näher erläutert wurden und bei der Bildung vergrößerter Kreis- strukturen zu beachten wären. Die im Gefolge der kürzlich vom Gutachter für Süd- niedersachen vorgelegten Untersuchung erkennbare Diskussion um „große“ und „kleine“ Fusionen ist hier zur verorten.

Neuzuschnitte/Veränderung der gegebenen Gebietskulisse

Als dritter Neugliederungsansatz sind schließlich Neuzuschnitte anzusprechen, die NeuzuschnittVor- und Nachtei- unrealistischle von Neuzu- von der gegebenen Gebietskulisse abweichen. Was das Ausmaß der dabei entste- schnitten henden (neuen) Kreisstrukturen anbetrifft, gelten grundsätzlich die gleichen Gren- zen, wie sie zuvor für Zusammenschlüsse und Einkreisungen formuliert wurden. In ihrem Fall geht es daher vor allem um die spezifischen Argumente für und gegen das Abweichen von hergebrachten Territorialbezügen. Entsprechende Szenarien wurden bislang bei fast allen Gebietsreformen auf der Kreisstufe diskutiert, jedoch bislang nie in vollem Umfang realisiert. Die Gründe für solche Anpassungen erge- ben sich zunächst aus dem Umstand, dass administrative Strukturen zwar sozio- ökonomische Entwicklungszusammenhänge beeinflussen, jedoch nicht auf diese territorial reagieren können, sofern sie vor allem durch exogene Faktoren oder Maßstabsvergrößerungen bedingt sind. In diesem Fall kommt es zu spill-over- Effekten, die die Allokations- und Verwaltungseffizienz der Verwaltung zum Nach- teil der Adressaten öffentlichen Handelns verringern. Darüber hinaus können Neu- zuschnitte dazu beitragen, Disparitäten bei einer größerräumigen Neugliederung Disparitäten- abbau zu überwinden, indem die Teilung von (Alt-)Kreisen die Schaffung einer unterein-

19 Als möglicher Maßstab für ein entsprechendes Gleichgewicht können die durch die neuen Ge- bietskörperschaften abgedeckten Landtagswahlkreise dienen. Sie prägen ganz wesentlich den Einfluss, den eine Region auf Landesebene entfalten kann. Die Optionen zur mehrheitlichen Ko- alitionsbildung gegenüber anderen Landesteilen gibt Aufschluss darüber, wie gleich- oder un- gleichgewichtig die zugrunde liegenden Gebietszuschnitte ausgestaltet sind. 267 Kommunalstrukturen in Nordostniedersachsen

ander wie auch im Landesmaßstab ausgewogeneren Struktur ermöglicht. Schließ- lich beinhalten solche Anpassungen vor allem im Nahbereich erhebliches Potenti- al, wenn es etwa darum geht, die Einkreisung von Oberzentren, die bislang an mehrere Gemeindeverbände angrenzen, im Sinne ihrer möglichst vollständigen Integration in kreiskommunale Ausgleichssysteme auch territorial einheitlich zu verorten. Einzuwenden ist indes, dass entsprechende Lösungen erhebliche Transak- Transaktions- kosten tions- und Durchsetzungsprobleme aufwerfen. So gestaltet sich in den benannten Fällen die Auseinandersetzung um Ressourcen und Personal deutlich schwieriger und konfliktanfälliger. Hinzutreten Folgeanpassungen, sofern etwa Planungsräume und übergeordnete Behördenstrukturen ebenfalls verändert und vor allem auch im privaten und gesellschaftlichen Bereich (Industrie-, Handels- und Handwerkskam- mern, Verbände usw.) nachvollzogen werden müssen. Zudem existiert im Rahmen der Landesentwicklung kein in sich geschlossenes und dominantes Leitbild, das eindeutige Zuschnitte solcher neuen Funktionsräume vorgäbe. Nicht zuletzt mit Blick auf die aktuelle Diskussion erscheint daher ein vollständiger Neuzuschnitt von Kreisstrukturen wenig realistisch, da die dabei denkbaren Varianten beträchtli- cher und naturgemäß sehr kontroverser Diskussion unterlägen. Hierdurch würde die politisch-administrative Durchsetzung einer etwaigen Neugliederung erschwert, zumindest jedoch deutlich verzögert. Berücksichtigt man die Grenzen des entwick- lungspolitischen Einflusses kreiskommunaler Aufgabenerledigung, stellt sich im Übrigen auch die Frage der Wesentlichkeit, die eine Neustrukturierung für sich beanspruchen müsste. Insofern hält es der Gutachter nicht für sinnvoll, bei einer etwaigen Territorialreform von der gegebenen Gebietskulisse in größerem Maße abzuweichen. Entsprechende Anpassungen im Nahbereich wären lediglich optional und damit neben einer Reform innerhalb der bestehenden Strukturen auszuweisen.

Exkurs: Zur Ermittlung von Fusions- und Kooperationsrenditen

Die Berechnung von Kooperations- und/oder Fusionsrenditen erweist sich als ein Anspruchsvolle Ermittlung von voraussetzungsvolles Vorhaben, da bereits die Fragestellung auf grundlegenden Fusions- und und meist erklärungsbedürftigen Annahmen beruht. Dabei geht es zunächst darum, Kooperationsren- diten eine theoretisch-konzeptionelle Basis zu umreißen, die es einerseits gestattet, nicht nur isolierte Aufgabenbereiche zu betrachten, sondern einen gesamthaften Ansatz für alle einbezogenen Einnahmen und Ausgaben zu bilden, und die andererseits jene Unsicherheiten und Messprobleme zu überwinden hilft, die sich insbesondere mit dem meist noch immer input-orientierten kameralen Haushaltswesen und ihrer fehlenden Kostenorientierung verbinden.

Beide Aspekte verlangen eine Reihe methodischer Sicherungen, die das Land wie Methodische Anforderungen seine Kommunen vor Fehlschlüssen schützen, die sich mit einer unvollständigen Empiriebasis verbinden könnten. Mit Blick auf die für diese Zwecke nur subopti-

268 Kommunalstrukturen in Nordostniedersachsen

male Kameralistik, regional unterschiedliche Buchungsroutinen und eine meist lückenhafte Datenlage ist bereits ab ovo darauf hinzuweisen, dass jeder Vollstän- digkeit- und Exaktheitsanspruch bei dogmatischer Lesart an unvermeidlichen Prognose-Unsicherheiten scheitern muss, mithin der gelegentlich benannte Gegen- satz von Schätzung und Berechnung eher politisch motiviert denn materiell be- gründet erscheint. Dies gilt im Übrigen auch für eine Analyse, der andere, etwa doppische Systeme, zugrunde liegen, da hier zumindest das Problem einer sachge- rechten Synchronisierung örtlicher Verhältnisse in ähnlicher Weise auftreten wür- de. Insofern ist jede Untersuchung, die Verteilungswirkungen entfaltet und struktu- relle Eingriffe in die kommunale Gebietskulisse rechtfertigen soll, darauf angewie- sen, sich zumindest ergänzend auf robuste Annahmen zu stützen.

Die zentrale Annahme aller Versuche, entsprechende Renditen auszuweisen, be- Ausdifferenzie- rung von Syner- steht in der Realisierbarkeit sog. Synergieeffekte, die sich infolge eines Zusammen- gieeffekten schlusses von Organisationseinheiten einstellen. Wählt man dabei als Oberkatego- rie die Reorganisation, so umfasst diese gebietskörperschaftliche Neugliederungen als vollständige und aufgabenbezogene Kooperationen als partielle Fusionen. In beiden Fällen geht es um Größenvorteile, wobei als wesentliche Wirkungszusam- menhänge insbesondere die folgenden zu benennen sind:

• Skaleneffekte aufgrund der Möglichkeit, gegebene Fixkosten (einschließlich der erforderlichen Leitungskapazitäten) auf mehrere Träger bzw. eine größere Aufkommensgrundlage zu beziehen,

• Verbundeffekte, die auf einer effizienteren Auslastung vorhandener Infrastruk- turen und (vor allem fachlich spezialisierter) Personalkapazitäten beruhen,

• Spezialisierungseffekte, die bei einem vergrößerten Personalstamm über Ar- beitsteilung und fachliche Spezialisierung Prozesse beschleunigen und qualita- tiv verbessern, mithin Kosten reduzieren und den output verbessern helfen, sowie

• Kongruenzvorteile, die durch eine verbesserte Übereinstimmung von Verwal- tungs-, Wirtschafts- und Lebensräumen erreicht werden (Vermeidung sog. spill-over-Effekte).20

Darüber hinaus dürfte der Prozess einer Fusion bzw. Kooperation sekundäre Effek- Sekundäre Effekte te erzeugen, die ohne eine strukturelle Reform nicht oder nur z. T. bzw. verzögert erwartbar wären. So zeigt die Erfahrung aus Reorganisationsprozessen im privaten wie im öffentlichen Bereich, dass der Umstand eines Eingriffs in tradierte Struktu- ren hilft, bislang als gegeben akzeptierte Abläufe und Kostenstrukturen zu hinter- fragen, also jenes (auch kreative) Potential freizusetzen, das für eine nachhaltige

20 Vgl. hierzu wie im Folgenden Hesse/Götz, a.a.O., 2009a. 269 Kommunalstrukturen in Nordostniedersachsen

Organisationsentwicklung erforderlich ist. Diese Wirkungen lassen sich in den meisten Fällen (ex post) weder quantifizieren noch exakt nachweisen, allerdings zeigen Erfahrungen in einzelnen Konstellationen, dass die Annahme solcher Kon- sequenzen realistisch ist. Als Beispiel mag hier die Umsetzung des SGB II zum dienen, die neben der Neukonzeption eines Leistungssystems auch eine Reorgani- sation bei Kommunen und Arbeitsagenturen erzwang, welche mehrere 10.000 Mit- arbeiter betraf. Wie empirische Untersuchungen ausweisen, führte dies in den meisten Fällen durchaus auch zu einer erhöhten Motivation auf Seiten der Beschäf- tigten und zu einer Dynamisierung von Betreuungs- und Vermittlungsaktivitäten zugunsten der Gruppe der Langzeitarbeitslosen. Die im Rahmen einer vierjährigen Evaluation des Reorganisationsprozesses gewonnenen Erkenntnisse sind für die hier verfolgten Fragestellungen durchaus von Interesse.21

Gleichfalls prozess- wie reformabhängig und der Synergieannahme immanent ist Erschließung von Rationalitätsre- schließlich die Einschätzung, dass neben laufenden internen Optimierungen, die serven weder von Kooperationen noch von Fusionen herrühren, weitergehende Rationali- sierungen nicht nur aus politischen und organisationsinternen Gründen, sondern häufig erst im Zuge struktureller Reformen verwirklicht werden können. So lassen sich gerade personalbezogene Verbundvorteile häufig nur auf einer größeren Basis von Fallzahlen erzielen, indem etwa freie Kapazitäten eines Spezialisten nicht mehr sachfremd eingesetzt oder auf eine nicht zwingend erforderliche Intensivie- rung seiner Tätigkeit verwandt werden, sondern für eine größere output-Menge zur Verfügung stehen. Dies verweist im Übrigen auch auf die jenseits einer Einsparung von Führungspositionen und Kreisorganen realisierbare Effizienzsteigerung, die sich allein auf die Sachbearbeitung bzw. die Vollzugsorganisation bezieht.

Als empirische Belege für die angenommenen Synergieeffekte von Neugliederun- Belege erzielter Synergieeffekte gen und IKZ-Projekten lassen sich verschiedene Untersuchungen, aber auch die Planungen von Ländern wie Kommunen und ex post bemessene Erträge anführen.22 Als besonders illustrativ und überzeugend dürfen dabei die Ergebnisse der Funkti- onal- und Strukturreformen in Baden-Württemberg und durchaus Niedersachsen (Verwaltungsreform I und II) gelten, die jeweils unter Einschluss kommunaler Aufgabenträger vollständig und meist vorzeitig erreicht, i. T. sogar übererfüllt wurden. Sieht man von möglichen Zeitverzügen ab, die zu veranschlagen sind, bis ein als entbehrlich eingestuftes Sach- und Personalpotential tatsächlich abgebaut werden kann, erscheinen bei Fusionen Einsparungen von zehn Prozent der Aus- gangskosten deshalb durchaus realistisch. Im Fall von Baden-Württemberg erziel- ten die Landkreise im Zuge einer umfassenden Kommunalisierung unterer Landes-

21 Vgl. dazu Hesse/Götz, a.a.O., 2007; Hesse, a.a.O., 2009/2010. 22 Vgl. dazu ausführlich bei Hesse, a.a.O., 2007a, 436ff.; ferner zum Fall Niedersachsen: Hesse, a.a.O., 2007b. 270 Kommunalstrukturen in Nordostniedersachsen

behörden sogar eine Effizienzrendite von nahezu 20%. Ähnliches berichten jene Städte, Kreise und Gemeinden, die auf einen Zusammenschluss zurückblicken oder dies zumindest aus freien Stücken planen, wobei entsprechende Erkenntnisse in der Regel nicht dokumentiert werden oder aufgrund politischer Erwägungen der Ver- traulichkeit unterliegen. Schließlich können auch die von Seitz in verschiedenen Kontexten vorgenommenen länderübergreifenden Ausgabenvergleiche als Begrün- dung dafür dienen, dass größere Strukturen aufgrund der oben benannten Zusam- menhänge in der Tendenz kostengünstiger arbeiten, wenngleich die daraus statis- tisch abgeleiteten Einsparwerte relevante Sonderfaktoren und Buchungsbesonder- heiten außer Acht lassen (müssen) und nicht jene Pfadabhängigkeit abzubilden vermögen, wonach günstigere Ausgabenrelationen das Resultat über Jahre gewach- sener Aufgaben- und Personalsstrukturen darstellen, mithin auch bei einer Bereini- gung regionaler Gegebenheiten und unterschiedlicher Zuständigkeitsverteilungen nicht kurzfristig zu erreichen wären.23

Die vorgetragenen Argumente sprechen dennoch ausdrücklich nicht gegen den Besondere Anfor- derungen an klei- Anspruch, dass auch kleinere Landkreise sehr effiziente Strukturen aufbauen und nere Landkreise im Gegensatz dazu größere Gebietskörperschaften ggf. vergleichsweise teuer arbei- ten können. Allerdings erhöht die berechtigte Annahme von größen- wie reformbe- dingten Einsparrenditen in Anbetracht der finanziellen Ausgangslage von Land und Kommunen24 den Druck, sich in kleinteiligeren Kontexten um eine besonders kos- tengünstige Organisation zu bemühen, sie durch kooperative Formen der Aufga- benwahrnehmung zu flankieren und (zunächst) im freiwilligen Rahmen durch die Prüfung von (vollständigen) Zusammenschlüssen perspektivisch zu erweitern.

In einer Zwischenzusammenfassung für den Untersuchungsraum Nordostnieder- Nachhaltige Er- weiterung der sachsen ergibt sich aus all dem, dass sich zunächst zahlreiche Ansätze für eine IKZ in Nordost- nachhaltig erweiterte interkommunale Kooperation anbieten, die bereits bestehen- niedersachsen den Bemühungen mithin beträchtlich ausgeweitet werden könnten. Diese unterhalb von Fusionsprozessen angesiedelten Konzentrationsprozesse lassen vielfältige Bündelungsmöglichkeiten erkennen, bis hin zu einer erweiterten Arbeitsteilung, von der nicht nur das jeweilige Oberzentrum, im vorliegenden Fall also die Hanse- stadt Lüneburg, profitieren sollte. Denkbar sind auch punktuelle Zentralisierungs- prozesse zugunsten der Kreise, zumindest in Aufgabenfeldern, die weniger publi- kumsintensive Kontakte mit sich bringen. Gleichwohl bleibt zu bedenken, dass

23 Vgl. dazu Seitz, a.a.O., 2008a. 24 Vgl. dazu Hesse, a.a.O., 2007c, 126f. sowie Seitz, a.a.O., 2008a, 37ff. 271 Kommunalstrukturen in Nordostniedersachsen

man sich bei allen erkennbaren Potentialen der Grenzen erweiterter Kooperation Grenzen erweiter- ter Kooperation: bewusst sein sollte, wobei vor allem folgende Aspekte zu berücksichtigen sind:25 • Ähnlich den Negativeffekten von Neugliederungen verursacht Interkommunale Steuerungs- und Zusammenarbeit Steuerungs-, Kontroll- und auch Demokratiedefizite, indem Demokratie- die direkte Verantwortung für und die Legimitation der Aufgabenerledigung defizite durch Partner und/oder Verbandsstrukturen geschwächt wird. Hinzutreten eine abnehmende Transparenz, Schnittstellen- und Verflechtungsprobleme, vor al- Intransparenz, lem wenn eine Kommune jeweils mit verschiedenen Gebietskörperschaften zu- Schnittstellen- sammenarbeitet (abgesehen davon, dass divergierende Partnerschaften etwaige probleme Verbundvorteile, die über unterschiedliche Aufgaben hinweg mit einem identi- schen Kreis an Beteiligten möglich wären, gleichfalls reduzieren).

• Daneben verbindet sich Kooperation regelmäßig mit Zeitverlusten, da jedes Zeitverluste, prob- Projekt einzeln, häufig in anderer institutioneller Form und zu unterschiedli- lematische Pfad- chen Zeitpunkten, realisiert wird. Auf diese Weise bleiben die Kommunen im abhängigkeit Verlauf unterhalb der maximal möglichen Synergien bzw. realisieren diese erst mit z. T. erheblicher Verzögerung; zugleich konditionieren sie damit ihren wei- teren Handlungsrahmen, indem etwa bereits existierende Vorhaben erneute Kooperationen mit bestimmten Partnern nahe legen (oder erschweren), selbst wenn diese unter organisationsökonomischen Gesichtspunkten suboptimal (o- der vorzugswürdig) erscheinen. Im Ergebnis kommt es zu einer Pfadabhängig- keit der Zusammenarbeit, die einerseits zu geringeren Erträgen, andererseits zu problematischen Verflechtungen führen kann.

• Des Weiteren ist freiwillige Kooperation immer vom Konsens der Beteiligten Erfordernis rela- und deshalb von win-win-Konstellationen abhängig. Erneut schränkt dies den tiv kurzfristigen Nutzens für alle Einsatzbereich ein bzw. erhöht die Transaktionskosten, da etwa gemeinsame Kooperations- Entwicklungsprojekte im beidseitigen Interesse liegen müssen und/oder auf- partner wendige Ausgleichsprozesse nötig werden. Längerfristige Zusammenarbeit, die die Vorteile des einen Partners erst später durch Effekte für den anderen abzinst, gestaltet sich unter diesen Umständen als außerordentlich schwierig, zumal jedes neue Projekt von politisch-administrativen Entscheidungsprozes- sen abhängt und die Anreize zur Nichtkooperation für frühere Nutznießer stei- gen (Opportunitätskosten der Zusammenarbeit).

• Schließlich unterliegt Interkommunale Zusammenarbeit noch einer grundsätz- Autonomiean- lichen Beschränkung, die sich als Autonomiebesatz kennzeichnen lässt. Wie- spruch wohl verstärkte Kooperation auf begrenzte Kapazitäten sowie Inkongruenzen und spill-over-Effekte gegebener Organisationsstrukturen verweist, werden be- teiligte Gebietskörperschaften wesentliche Funktionen dauerhaft nicht in ge- meinsame Einrichtungen und Routinen einbringen, und zwar umso weniger, je steuerungsrelevanter sie diese einschätzen (Finanzwesen, Bauleit- und Flä- chennutzungsplanung als Beispiele). Gerade dort also, wo etwa in Quer- schnitts- und Leitungsbereichen eine vollständige Fusion größtmögliche Syn- ergien in Aussicht stellt, dürfte Kooperation deshalb nicht oder nur einge- schränkt zum Einsatz kommen – es sei denn, die Beteiligten sehen diese be- wusst als Vorstufe zu freiwilligen Zusammenschlüssen an.

25 Erneut verweist der Gutachter hier auf bereits vorgelegte detaillierte Untersuchungen: Hesse, J.J., a.a.O., 2004b; ders., a.a.O., 2006; Hesse, J.J./Götz, A., a.a.O., 2006. 272 Kommunalstrukturen in Nordostniedersachsen

Im Übrigen ergibt sich aus dieser Übersicht der Handlungsmöglichkeiten wie der Anschlussfähig- keit der IKZ für Grenzen interkommunaler Kooperation auch ein Argument für eine etwaige An- Strukturreformen schlussfähigkeit an weitergehende Reformen – eben bis hin zu einer Fusion. Zwar muss es den Kommunen aufgrund ihrer Organisations- und Kooperationshoheit grundsätzlich anheim gestellt bleiben, welche Aufgaben sie in welcher Form wahr- zunehmen beabsichtigen. Auch bietet eine gemeinschaftliche Aufgabenwahrneh- mung aus der Sicht der Kommunen insofern funktionale Vorteile, als ihnen immer noch mehr Einfluss- und Gestaltungsmöglichkeiten als bei staatlicher Erledigung verbleiben und die betreffende Zuständigkeit bei freiwilliger Kooperation über ein entsprechendes Kündigungsrecht rückholbar erscheint. Zudem kann eine verband- liche Kompetenz zu einer effektiveren Kostenkontrolle beitragen, indem die Arbeit der beauftragten Kommunen oder Organisationseinheiten mit Blick auf erforderli- che Umlagelasten intensiver begleitet wird. Insbesondere im Falle einer Mit- und Auftragserledigung durch einzelne Kreise oder Städte können zudem vertikale Synergien mit der Standortverwaltung ausgeschöpft werden, die dann wiederum allen Partnern zugute kommen. Und schließlich bieten die benannten Kooperati- onsstrukturen den Vorteil, dass sie (etwa bei einer landesweiten Zusammenarbeit) den Aufbau von Vergleichs- und benchmark-Systemen zunächst in dem betreffen- den Aufgabenfeld, später ggf. auch in funktional verbundenen Bereichen gestatten. Gerade in ressourcen- (Soziales und Jugend) und ordnungsintensiven Bereichen (Umweltschutz) erscheint dies besonders lohnend, ein möglicher Effekt, der mit Blick auf eine zukunftsfähige Organisationsentwicklung bedacht werden sollte.

Ungeachtet dessen muss die kommunale Seite aber auch akzeptieren, dass ein be- Orientierung an regionalen Ver- rechtigtes und unabweisbares (gesamt-)staatliches Interesse daran besteht, sich flechtungsräumen bildende Kooperationsbezüge zu strukturieren bzw. eine mit übermäßigen Transak- tionskosten behaftete Verflechtung zu vermeiden. Dies schließt die Förderung an- gestrebter Größenordnungen ein und sollte auch die Bildung ökonomisch sinnvol- ler Nutzer- und Produzentenräume zur Verringerung von spill-over-Effekten ach- ten. Der Gutachter schlägt daher in Anlehnung an frühere Arbeiten und seine Aus- richtung an Regionalen Kooperationsräumen im Rahmen des Grundgutachtens sowie im Sinne der empfohlenen Anschlussfähigkeit die Bildung von Kooperati- onsbereichen/-räumen vor, die sich an den Handlungspotentialen vergrößerter Kreisstrukturen Kreise orientiert. Dabei geht es erneut nicht um die Bildung einiger weniger Regi- onalkreise, sondern um eine produktive Zusammenfassung stark verflochtener Leistungserbringung und dem folgende Organisationsstrukturen. Die Ausgangssi- tuation in Nordostniedersachsen bietet hierzu Anlass.

273 Kommunalstrukturen in Nordostniedersachsen

6.4.1 Entwicklungsvariante: Lüneburg–Harburg

Die aus Sicht der Vertreter des Landkreises (und der Stadt) Lüneburg favorisierte Norderweiterung „Norderweiterung“ ist zunächst insofern verständlich, als sie sich eher an den Entwicklungsmöglichkeiten der Metropolregion Hamburg ausrichtet, als „nach innen“ ausgleichend wirken zu wollen. Diese Argumentation stellt auf die zumin- dest in Aussicht genommenen Politiken im Großraum Hamburg ab und sucht durch eine explizite Norderweiterung die Entwicklungsimpulse dieses Raums auf sich zu lenken oder doch zumindest verstärkt an ihnen zu partizipieren. Auch Gespräche mit der Industrie- und Handelskammer in Lüneburg erbrachten entsprechende Hinweise in diese Richtung, wobei hier neben der Wahrnehmung einer gewissen Ausgleichs- und Ergänzungsfunktion durch den Großraum Lüneburg vor allem auf die Potentiale einer größerräumigen Wirtschaftsförderung abgestellt wurde. Sucht man hierfür konkrete Ansatzpunkte, findet sich Diverses in den Absichtserklärun- gen der die Metropolregion Hamburg bildenden Gebietskörperschaften, doch wird zugleich deutlich, dass Vieles bislang tatsächlich nur Absichtserklärung ist und dringlicher Konkretisierung bedarf. Diese von Lüneburg aus mitzuprägen, ist eine zweifelsfrei verfolgenswerte „Strategie“, setzt allerdings voraus, dass sich hierfür ausreichend „gewichtige“ Partner finden. Die in diesem Kontext immer wieder Kooperation Lü- neburg-Harburg angesprochene Kooperation der Kreise Lüneburg und Harburg ist in Teilen weit vorangeschritten und häufig erfolgreich. Sie erstreckt sich inzwischen auf die elektronische Datenverarbeitung (Einführung eines digitalen Sitzungsdienstes und einer elektronischen Aktenführung), den Schulbereich (kreisfremde Beschulung und Schülerbeförderung), die Bauverwaltung (Projekt „Bauen online“), die Wirt- schaftsförderung (LEADER-Region Achtern Diek, ILEK-Region Lüneburger Hei- de) und die Bereiche Umwelt und Tourismus (Verein Naherholung im Umland Hamburg, Naturpark Lüneburger Heide). Die Kooperation beider Kreise dürfte unterhalb der Schwelle einer allerdings unterhalb der Schwelle einer Fusion verbleiben, zumal (vgl. Tab. 6.4.1- Fusion A) damit Größenordnungen verbunden wären, die beträchtlich über künftig abseh- bare Kreisgrößen hinausgehen. Hinzu tritt, dass die in Lüneburg erbrachten „Vor- arbeiten“ bislang eher durch eine Übernahme Harburger Politiken denn durch die Erarbeitung eigenständiger Vorgehensweisen geprägt scheinen, etwa im EDV- Bereich.

In diesem Kontext wäre auch zu berücksichtigen, dass es bisher nicht gelang, die Stadt Lüneburg als Mitglied der Stadt Lüneburg zu einem Mitglied der Metropolregion werden zu lassen. Die of- Metropolregion fenkundig vor allem seitens des Landrats des Kreises Uelzen diesbezüglich ge- machten Vorbehalte erscheinen auch im Nachvollzug wenig überzeugend, da es sich bei der Hansestadt Lüneburg um das einzige niedersächsische Oberzentrum im Rahmen der Metropolregion handelt, ihm zudem eine beträchtliche Entwicklungs- dynamik nicht abgesprochen werden kann. Die Bemühungen der Städte und Kreise

274 Kommunalstrukturen in Nordostniedersachsen

Tabelle 6.4.1-A: Einwohnerzahlen und Flächengrößen fusionierter Landkreise

Neugliederungsvariante Einwohnerzahl Flächengröße in km²

Entwicklungsvariante (LG, WL) 424.147 2.568 Ausgleichsvariante (LG, UE, DAN) 320.512 3.998 198.172 (LG) 1.746 (LG) Neuzuschnittsvariante „Ost“ 122.340 (UE) 2.150 (UE) 266.470 (LG) 3.333 (LG) Neuzuschnittsvariante „West“ 232.570 (CE) 2.211 (CE) nachrichtlich: Fusion Uelzen– 143.233 2.675 Lüchow-Dannenberg Quelle: Eigene Darstellung, Datenstand: 31.12.2010.

Schleswig-Holsteins sowie inzwischen auch Mecklenburg-Vorpommerns werden im Vergleich zu den niedersächsischen Vertretern im Rahmen der Metropolregion als produktiver eingeschätzt.

Darüber hinaus ist bei der Bewertung der Entwicklungsvariante auch zu berück- Arbeitsmarktregi- on Lüneburg sichtigen, dass der Kreis Lüneburg sich in seinen Handlungsmustern zwar seit lan- gem gen Norden orientiert, die gegebenen Arbeitsmarktverflechtungen ihn (trotz der Einpendlungen nach Hamburg) unverändert aber Lüchow-Dannenberg und Uelzen zuordnen; mit ihnen bildet er die funktionale Arbeitsmarktregion Lüneburg.

Hinzu tritt nicht zuletzt (und als wohl entscheidendes Argument), dass es für die Vertreter des Landkreises Harburg kein wirklich überzeugendes Argument gibt, mit Lüneburg zu fusionieren. Wie der umfassende Kreisvergleich gezeigt hat, han- delt es sich bei dem Kreis Harburg um eine sehr stabile Gebietskörperschaft, die zu einem späteren Zeitpunkt eher ein Zusammengehen mit dem Landkreis Stade rechtfertigen könnte, als sich nach Süden hin zu öffnen.

6.4.2 Ausgleichsvariante: Lüneburg–Uelzen–Lüchow-Dannenberg

Diese vom Gutachter bereits im „Grundgutachten“26 angesprochene Variante bietet Vorzugsvariante sich aufgrund der erkennbaren Verflechtungsprozesse und Ausgleichswirkungen zweifelsfrei an und wäre daher zu präferieren, doch stellen sich mit Blick auf die künftige Handlungsfähigkeit einer solchen Einheit Fragen zu notwendigen Voraus- setzungen.

Zunächst vereinte ein Zusammenschluss der Landkreise Lüneburg, Uelzen und Pendlerverflech- tungen Lüchow-Dannenberg die angesprochene Arbeitsmarktregion Lüneburg. Mit Blick

26 Vgl. Hesse, a.a.O., 2011c, 277f. 275 Kommunalstrukturen in Nordostniedersachsen

auf gegebene Pendlerverflechtungen sind die drei Kreise am stärksten aufeinander bezogen, wobei für den Landkreis Lüneburg eine erhebliche Orientierung auf Har- burg hinzutritt. Wie die Pendleranalyse in Kap. 4 dokumentierte, richten sich die beiden stärksten Ein- und Auspendlerströme des Landkreises Lüchow-Dannenberg (innerhalb Niedersachsens) auf die Kreise Lüneburg und Uelzen. Während die Einpendler nach Uelzen ebenfalls vor allem aus den Kreisen Lüneburg und Lü- chow-Dannenberg stammen, werden bei den Auspendlungen auch schwache Bezü- ge zu Celle, der Region Hannover und dem Heidekreis deutlich. Die Pendlerver- flechtungen des Kreises Lüneburg schließlich stellen sich gegenüber Uelzen und Harburg am stärksten dar, Lüchow-Dannenberg tritt als drittstärkste Bezugsgröße hinzu.

Das Ausgleichspotential der benannten Fusion ergibt sich vor allem in sozioöko- Sicherung des Ausgleichspoten- nomischer und demographischer Hinsicht und hierbei primär durch den Einbezug tials Lüneburgs des vergleichsweise starken Partners Lüneburg. Die geringe Wirtschaftskraft, die hohen Arbeitslosen- und SGB II-Quoten sowie die negative Beschäftigungsent- wicklung des Kreises Lüchow-Dannenberg könnten durch Uelzen und Lüneburg einem Ausgleich zugeführt werden. Aufgrund ihres Übergewichts und ihrer prog- nostizierten positiven Wirtschaftsentwicklung würden beide Kreise hierdurch nicht überlastet. Der Kreis Lüneburg könnte zudem die ausgeprägten anhaltenden Be- völkerungsverluste Uelzens und Lüchow-Dannenbergs auffangen. Die für die Jahre 2009 bis 2030 erwarteten Bevölkerungsrückgänge um 18 bzw. 21% in Uelzen und Lüchow-Dannenberg könnten durch den seine Einwohnerzahl wahrenden Kreis Lüneburg auf 8% im Gesamtraum begrenzt, die kommunale Daseinsvorsorge und damit die Gewährleistung gleichwertiger Lebensverhältnisse im Land gesichert werden. In finanzieller Hinsicht kann ein Ausgleich dagegen nur sehr begrenzt erfolgen, da der Kreis Lüneburg auch aufgrund von Altlasten zu den finanzschwä- cheren Landkreisen Niedersachsens zählt. Der Landkreis Uelzen wird zwar nach Notwendige Kon- solidierung Uel- der Teilentschuldung durch das Land wieder über eine erweiterte haushalterische zens Handlungsfähigkeit verfügen, doch ist aufgrund der begrenzten Wirtschaftskraft sowie der prognostizierten Bevölkerungsabnahme und -alterung davon auszugehen, dass der dauerhafte Haushaltsausgleich fortlaufende Anstrengungen und ggf. wei- teren Verzicht erfordert. Die angesichts der (mit Blick etwa auf die niedrigste De- ckungs- und höchste Zinsquote der niedersächsischen Kreise in den Jahren 2006- 2008) dramatischen Finanzlage notwendige umfangreiche Alimentierung Lüchow- Alimentierung Lüchow- Dannenbergs überforderte aus den benannten Gründen die beiden anderen Fusi- Dannenbergs onspartner und bände die begrenzten, für Investitionen benötigten Mittel. Auch ist das Argument der Kreisvertreter Lüneburgs verständlich, nach dem ohne eine Fort- führung der Bedarfszuweisungen des Landes für Lüchow-Dannenberg (und Uel- zen) unverändert bestehende besondere Finanzbedarfe infolge eines rein statisti-

276 Kommunalstrukturen in Nordostniedersachsen

schen Effekts (durch den Einbezug Lüneburgs) kommunalisiert würden. Die Fi- nanzausstattung eines neuen Kreises in Nordostniedersachsen sollte eine ausgegli- chene Haushaltsführung bei einer angemessenen Ausgestaltung freiwilliger Leis- tungen ermöglichen – unter Berücksichtigung der aus der möglichen Teilhabe am Entschuldungsfonds verbundenen kreditären Entlastungen und der vertraglichen Verpflichtungen der gebildeten Gebietskörperschaft.

Im Ergebnis der Daten- und Funktionsanalysen wird deutlich, dass die wirtschaftli- Strukturdefizite Lüchow- chen Strukturdefizite insbesondere Lüchow-Dannenbergs selbst durch eine groß- Dannenbergs räumige Fusion allein nicht behoben werden können. Ein solcher Zusammen- schluss entfaltete eine wirklich ausgleichende Wirkung nur, wenn er von einer die infrastrukturellen Defizite des Raums abbauenden Strukturförderung seitens der Strukturförde- rung des Landes Landesregierung flankiert würde. Vom Landkreis Lüneburg wird diesbezüglich vor allem auf die Verbesserung der Bahnverbindungen von Lüneburg und Uelzen nach Lüchow sowie den Ausbau der B 216 abgestellt. Die Arbeitsgemeinschaft Elbtalaue/Wendland benennt darüber hinaus den Ausbau der B 248, den Bau der Elbbrücke Neu Darchau, die Beschleunigung des Schienenpersonennahverkehrs auf der Strecke Lüneburg-Dannenberg und deren Erweiterung um den Güterver- kehr. Hinsichtlich der Wasserstraßen wird weiterhin die Herstellung einer stabilen und zuverlässigen Fahrinnentiefe von 1,60 m zwischen Hamburg und Dresden, die Unterhaltung dieser Strecke und die Herstellung der Reststrecke zwischen Hitz- acker und Dömitz angesprochen, ergänzt im Bereich des Elbeseitenkanals um die Ertüchtigung und Herstellung eines zweiten Troges für das Schiffshebewerk Scharnebeck. Neben diesen sich mit der historischen Randlage verbindenden In- frastrukturdefiziten sei auf die, wie in Kap. 5 dargelegt, (komplementäre) Mittel des Landes erfordernde Weiterentwicklung der Akademie für erneuerbare Energien Energiewende sowie schließlich auf die ungelöste Standortfrage Gorlebens verwiesen. Themati- nutzen siert man dies in Gesprächen mit Vertretern vor Ort, wird eine deutliche Bereit- schaft erkennbar, sich entsprechenden Politiken zu öffnen, selbst wenn dies mit dem Verlust eigener administrativer Kapazität, auch kreislicher Eigenständigkeit verbunden wäre. Dies geht bis hin zur Akzeptanz eines etwaigen zwischenzeitlichen Gebietskörper- schaftlicher Son- gebietskörperschaftlichen Sonderstatus, den der Gutachter allerdings als wenig derstatus? funktional einschätzt. Zum einen wird es lange dauern, bis die Suche nach einem etwaigen weiteren Endlager in der Bundesrepublik wirkliche Ergebnisse erbringt, zum zweiten würde sich die Ausgangssituation Lüchow-Dannenbergs damit kaum verbessern. Der Gutachter schlägt daher vor, die seinerzeit gescheiterte „Modellre- gion Nordostniedersachsen“ wiederzubeleben, jetzt allerdings nicht auf der Basis einer erweiterten „Diskussionsrunde“, sondern verbunden mit einem konkreten Förderungsprogramm für den Raum, der ein mittelfristiges Handlungskonzept samt entsprechender Schwerpunktsetzungen für Lüchow-Dannenberg und Uelzen

277 Kommunalstrukturen in Nordostniedersachsen

vorsieht, ergänzt um eine nicht nur argumentative, sondern auch projektspezifische Offenheit Lüneburgs „nach Norden“. Da das Land ein Interesse daran haben muss, seinen Ostteil zu entwickeln, sollte darüber hinaus eine Landesgrenzen überschrei- tende Initiative auf den Weg gebracht werden, die die unbestreitbaren Verflechtun- gen in Richtung Mecklenburg-Vorpommern und Sachsen-Anhalt aufnimmt und auch unterhalb der Ebene von Staatsverträgen für eine zukunftsorientierte Nutzung des Raums eintritt. Die Kennzeichnung „Modellregion Niedersachsen“ präferiert der Gutachter auch deshalb, weil sie an nicht gemachte „Hausarbeiten“ im Raum erinnert und entsprechende Aktivitäten anmahnt, die mit konkreten Zielvereinba- rungen und Zeitplänen verbunden sein müssten, und weil sich alternative Kenn- zeichnungen wie „Sonderzone“ oder ähnliches aufgrund damit meist empfundener „Disqualifizierungen“ des Raums verbieten sollten.

Nur über eine landesseitige finanzielle wie infrastrukturelle Förderung des im Rahmen der Ausgleichsvariante zu bildenden Kreises könnten die deutlichen Wi- derstände Lüneburgs überwunden werden, die eine Alimentierung von zwei schwächeren Kreisen und damit eine Schwächung der eigenen Position fürchten. Im Übrigen erscheint die Diskussion von parteipolitischen Erwägungen überlagert, die christdemokratischerseits verständlicherweise auf eine Stabilisierung Uelzen drängen, während man sich sozialdemokratischerseits von einem Zusammengehen der drei Gebietskörperschaften eher stabile Mehrheiten in eigener Sache erwartet. Diese Perspektive erscheint insofern kurzsichtig, als ein Traditionsverhalten des Souveräns angesichts zunehmend volatiler Wählerpräferenzen nicht mehr voraus- gesetzt werden kann, und weil darüber hinaus Entwicklungspotenziale geschaffen werden sollten, die diesen Namen auch verdienen, d.h. eine zumindest mittelfristig positive Leistungserbringung erwarten lassen.

Gegen eine die Kreise Lüneburg, Lüchow-Dannenberg und Uelzen umfassende Erhebliche Flä- chengröße, Son- Fusion spräche vor allem die erhebliche Flächengröße von fast 4.000 km², die dersituation deutlich oberhalb jener vom Gutachter gesehenen „optimalen Betriebsgröße“ eines Landkreises läge und die ehrenamtliche Tätigkeit in Teilen erschweren könnte. Gleichwohl erscheint dieser Zusammenschluss angesichts der Spezifika des Rau- mes sachlich angemessen, die sich auf ausgeprägte wirtschaftliche, in Teilen eben durch die ehemalige Zonenrandlage erklärbare Strukturschwächen (insbesondere in Lüchow-Dannenberg), eine dünne Besiedlung in einem ländlich geprägten Raum (die Landkreise Uelzen und Lüchow-Dannenberg weisen mit 40 und 65 Einwoh- ner/km² die geringsten Bevölkerungsdichten unter den niedersächsischen Landkrei- sen auf27) sowie einen sich seit 1999 in Lüchow-Dannenberg, seit 2004 in Uelzen vollziehenden Bevölkerungsrückgang richten, ergänzt um die angesprochene unge-

27 Stand: 31.12.2010. 278 Kommunalstrukturen in Nordostniedersachsen

löste Gorleben-Frage. Vor diesem Hintergrund und gerade mit Blick auf die jüngs- te, in einem ähnlichen (wenn auch stabilisierungsbedürftigeren) Kontext ergangene Rechtsprechung in Mecklenburg-Vorpommern28 ist nicht zu erwarten, dass die Bildung eines solchen großerräumigen Kreises vom Niedersächsischen Staatsge- richtshof als verfassungswidrig zurückgewiesen würde.

Im Ergebnis spricht die Mehrzahl der Gründe und Erwägungen zugunsten der Bevorzugte Aus- gleichslösung Ausgleichslösung, die jedoch insofern voraussetzungsvoll ist, als ihre Zukunftsfä- higkeit an eine dauerhaft auskömmliche Finanzausstattung (ggf. unter Fortführung von Bedarfzuweisungen für den neuen Kreis) und eine für die Wirtschaftsentwick- lung notwendige Verbesserung der verkehrlichen Infrastruktur gebunden ist.

6.4.3 Kreisfreiheit der Stadt Lüneburg

Wie bereits im „Grundgutachten“ dokumentiert29, verweist der Oberbürgermeister der Stadt Lüneburg aus guten Gründen auf für das Umland erbrachte Leistungen in den Bereichen Wirtschaft, Verkehr und Kultur, die er als kreisangehöriges Ober- zentrum nicht ausreichend honoriert sieht; der Verweis auf die eingeschränkten Entwicklungsmöglichkeiten auch und gerade mit Blick auf die Metropolregion Hamburg tritt hinzu. Die dem Gutachter vorliegenden Daten, etwa zur engen Ver- flechtung mit umliegenden Gemeinden und der positiven demographischen und beschäftigungsbezogenen Entwicklungsdynamik (mit einem prognostizierten Be- völkerungszuwachs von 5,3% im Zeitraum von 2010 bis 203030), weisen den damit verbundenen Auskreisungswunsch der Stadt Lüneburg als funktional durchaus Materiell berech- tigter Auskrei- berechtigt aus, doch verbinden sich damit für den Raum derart schwerwiegende sungswunsch Konsequenzen, dass er hier abgelehnt bzw. zurückgestellt wird. Insbesondere die fehlenden Entwicklungsperspektiven für die verbleibenden strukturschwächeren Gemeinden im Osten des Kreises sowie für Uelzen und Lüchow-Dannenberg sind dabei anzuführen. Hinzu kommt, dass Befragungen in den umliegenden Gemein- Fehlende Bereit- schaft zur Einge- den darauf hinweisen, dass nur einige der für die Kreisfreiheit unabdingbaren Ein- meindung gemeindung folgen würden, andere sich dem aber vehement widersetzen. Insofern ist die für kreisfreie Städte vorzusehende Mindesteinwohnerzahl von etwa 130.000 bis 150.000 Einwohnern für die Stadt Lüneburg derzeit nicht erreichbar, der An- wuchs durch freiwillige Eingemeindungen wäre auf etwa 100.000 Einwohner be- grenzt.

28 Vgl. hierzu die Ausführungen am Ende von Kap. 2. 29 Hesse, a.a.O., 2011, 278f. 30 Niedersächsisches Institut für Wirtschaftsforschung: NIW-Demographietest Niedersachsen. Lüneburg, Stadt, 2011. 279 Kommunalstrukturen in Nordostniedersachsen

Hinzu tritt ein möglicherweise noch wichtigeres Argument, dass die Zukunft von Zukünftige Stadt- Umland- Stadt-Umland-Beziehungen in den Verdichtungsräumen der Bundesrepublik nicht Beziehungen mehr vom Gegensatz Kreisfreiheit-Kreisangehörigkeit geprägt sein sollte, es viel- mehr um die Funktionsfähigkeit eines Entwicklungsmodells geht, in dem die Kern- stadt mit dem sie umgebenden Raum funktionaler als bislang verbunden wird. Die bereits in den Fällen Wolfsburg und Göttingen vorgetragene Argumentation greift insofern auch für Lüneburg, als der Kreis ohne die Stadt kaum lebensfähig wäre, im Gegenzug allerdings die Stadt auch ihres Umlandes bedarf, um tatsächlich zu- kunftsorientierte Leistungen zu erbringen. Dass dies auch in einer eigenständigeren Weise als bislang geschehen sollte, dürfte und sollte auch kreisseitig unbestritten sein. Insofern wird der Gutachter in der Fortschreibung seines „Grundgutachtens“ zu Beginn kommenden Jahres ein Modell vorstellen, das für dominierende Ober- Erweitertes Ent- wicklungspotenti- zentren unterhalb des Status der Kreisfreiheit eine Stärkung und erweiterte Ent- al unterhalb der wicklungsperspektive ausweist, ohne den Kreis über Gebühr zu schwächen. Dies Kreisfreiheit wird mit einer Arrondierung im Aufgabenbereich verbunden sein, Verfahren ar- beitsteilig gestalten lassen und schließlich eine Beschleunigung der Willensbildung und Entscheidung beinhalten, die angesichts der Ausgangssituation angezeigt er- scheint. Es geht im Ergebnis also um eine funktionale Stärkung des Oberzentrums, die nicht auf einer weiteren Abgrenzung von den umliegenden Gebietskörperschaf- ten basiert, sondern deren funktionale Verflechtung erweitert. Im Übrigen wird angeraten, darauf zu drängen, die Stadt Lüneburg als eigenständigen Akteur in der Metropolregion Hamburg zuzulassen; dies entspricht durchaus komplementären Überlegungen in Schleswig-Holstein, Mecklenburg-Vorpommern und Sachsen- Anhalt. Hier sollten sich parteipolitisch motivierte Ausgrenzungen angesichts der sich für das Land Niedersachsen stellenden Einwirkungsmöglichkeiten verbieten.

6.4.4 Neuzuschnittsvariante „Ost“

Die Neuzuschnittsvariante „Ost“ wird in einer Teilung des Kreises Lüchow- Teilung des Krei- ses Lüchow- Dannenberg gesehen, wobei die Samtgemeinde Elbtalaue dem Kreis Lüneburg Dannenberg zugesprochen würde, während die beiden anderen Samtgemeinden, Lüchow und Gartow, in den Kreis Uelzen inkorporiert würden. Diese Variante folgte den er- kennbaren Verflechtungsprozessen insofern, als Elbtalaue und Lüchow jeweils erkennbare Pendlerströme zum Kreis Lüneburg bzw. Uelzen verzeichnen. Die Ori- entierung der Samtgemeinde Elbtalaue nach Lüneburg dokumentierte sich zudem in dem bereits zweifachen Antrag der Stadt Hitzacker auf Angliederung an den Kreis Lüneburg; der geteilte Elbverlauf trifft hinzu. Die Zuordnung Gartows ergä- be sich in Ermangelung nennenswerter Pendlerverflechtungen zu den umliegenden Kreisen aus dem notwendigen Bevölkerungsanwuchs des Kreises Uelzen.

280 Kommunalstrukturen in Nordostniedersachsen

Im Ergebnis bewirkt die Neuzuschnittsvariante „Ost“ aber letztlich keine wirkliche Keine Stärkung der aufnehmen- Stärkung der aufnehmenden Kreise: Zwar würde Lüneburg von dieser Variante den Kreise profitieren, bliebe aber in seinen Entwicklungsmöglichkeiten begrenzt, während der „Gewinn“ Uelzens sich bestenfalls als eine gewisse territoriale Vergrößerung des Kreisgebietes (auf 2.150 km² bei jedoch nur 122.000 Einwohnern) beliefe, nicht aber ein erweitertes Entwicklungspotenzial beinhaltete. Der Ansatz erscheint daher als entschieden „zu kurz gesprungen“, zumal damit auch die Gorleben-Frage in keiner Weise beantwortet wäre. Er bietet sich noch weniger an als die bereits vorab ausgeschlossene Variante einer Fusion von Uelzen und Lüchow- Dannenberg.

6.4.5 Neuzuschnittsvariante „West“

Im Verlauf der Projektarbeiten erst verspätet, dafür aber umso intensiver wurde im Zweiteilung des Landkreises Uel- Rahmen der in Nordostniedersachsen geführten Gespräche schließlich auch eine zen Zweiteilung des Landkreises Uelzen erwogen, um die Bildung hinreichend großer, entwicklungsfähiger Landkreise und einen Ausgleich der unterschiedlichen im Raum gegebenen Potentiale zu ermöglichen. Dem folgend würde der Norden Uel- zens oberhalb der Stadt Uelzen dem Landkreis Lüneburg zugesprochen, der in der Zusammenfassung (unter Einschluss des Landkreises Lüchow-Dannenberg) auf eine ausreichende Einwohnerzahl (266.000) und Flächengröße (3.333 km²) käme. Somit würde weder verwaltungsökonomisch noch mit Blick auf die Ortsnähe und politische Beteiligung eine übergroße Einheit geschaffen, zudem könnten regionale Disparitäten wie bei der erörterten Ausgleichsvariante verringert werden (bei ge- ringerer Belastung des Kreises Lüneburg). Der Kreis Celle würde über den Zu- wachs des südlichen Kreises sowie der Stadt Uelzen31 nicht nur sein Territorium auf 2.211 km² vergrößern, sondern auch hinsichtlich der Einwohnerzahl auf eine zukunftsfähige Größenordnung kommen (233.000).

Jenseits jener benannten generellen Vorbehalte gegenüber „Kreisfilettierungen“, Konsequenzen einer „Kreisfilet- etwa mit Blick auf hohe politische Widerstände im zu teilenden Kreis, den erwei- tierung“ terten Begründungsbedarf vor dem Hintergrund möglicher verfassungsrechtlicher Überprüfungen und einen Traditionsverlust, ist im konkreten Fall Uelzens vor al- lem auf die damit einhergehende Spaltung von durch Pendlerverflechtungen ver- bundenen Territorien zu verweisen. Der zentral gelegene Arbeitsmarktstandort Uelzen strahlt in das gesamte Kreisgebiet aus, sodass die intensiven Pendlerströme

31 Die Zuordnung der Stadt Uelzen nach Süden ergibt sich nicht aus den eher nach Norden weisen- den Pendlerverflechtungen, sondern aus dem Ziel eines hinreichenden Bevölkerungsanwuchses des Kreises Celle und einer Homogenität der Kreisstrukturen mit Blick auf den Bevölkerungsbe- stand und die Flächengrößen, zudem geht es um ein sich von der Ausgleichsvariante deutlich un- terscheidbares Modell. 281 Kommunalstrukturen in Nordostniedersachsen

zwischen den südlich gelegenen und hier Celle zugeordneten Gemeinden Boden- teich, Suderburg und Wrestedt auf der einen und der Stadt Uelzen (sowie den nörd- liche Gemeinden) auf der anderen Seite getrennt würden. Für die Südgemeinden wäre diese Trennung insofern folgenschwerer, als sie, wie die Pendleranalyse im Kap. 4 dokumentierte, mit Ausnahme Suderburgs keine nennenswerten Ein- oder Auspendlungen in den Kreis Celle aufweisen. Für die Stadt Bienenbüttel, einge- schränkt auch für die Samtgemeinden Bevensen und Altes Amt Ebstorf, kann auf- grund der Auspendlungen nach Lüneburg eine Teilung Uelzens begrenzt gerecht- fertigt werden; in den übrigen Gemeinden Uelzens sind die Außenbezüge nach Lüneburg oder Lüchow-Dannenberg nur gering ausgeprägt.

6.5 Zusammenfassung

In der Zusammenfassung spricht sich der Gutachter für die Ausgleichsvariante Plädoyer für eine Fusion der Kreise Lüneburg-Uelzen-Lüchow-Dannenberg unter der Vorraussetzung aus, dass neben Lüneburg, Uelzen den erkennbaren Entschuldungsprogrammen Lüchow-Dannenberg eine nach Uel- und Lüchow- Dannenberg zen ausstrahlende Sonderbehandlung insofern erfährt, als die genannten infrastruk- turellen Defizite über ein Sonderprogramm des Landes oder aber über eine Wie- derbelebung der „Modellregion Nordostniedersachsen“ abgebaut würden. Im Er- gebnis entstünde ein Gebilde, das mittelfristig entwicklungs- und handlungsfähig bleibt, seine „Nordbeziehungen“ projektspezifisch ausbauen könnte und über län- derübergreifende Formen der Zusammenarbeit eine neue Qualität der gebietskör- perschaftlichen Kommunikation und Kooperation im östlichen Landesteil schüfe. Die darin angelegten Handlungsoptionen sind beträchtlich, bedürfen aber der ange- sprochenen Vorraussetzungen.

282 Kommunalstrukturen in Nordostniedersachsen

7 Anhang

Im nachfolgenden Anhang werden zunächst Übersichtsdarstellungen des ISE zum Aufgabenbestand und zur Aufgabendifferenzierung präsentiert (Kap. 7.1), die für den Nachvollzug der Argumentation im Textteil von Bedeutung sind. Dem folgt eine Synopse der Stadt-Umland-Organisation in der Bundesrepublik (Kap. 7.2), die bestehende wie alternative Organisationsformen in Stadt-Umland- Konstellationen aufführt und daraus allgemeine Handlungsoptionen für den Untersuchungsraum ableitet. Im Anschluss werden Ablaufplanungen für Fusionsprozesse vorgestellt (Kap. 7.3), die die Verfahrensschritte eines Zusammenschlusses mit den jeweils erforderlichen Zeitbedarfen verbinden. Dem folgt eine Zusammenstellung mehrerer, dem ISE seitens der Landkreise Lüneburg, Uelzen und Lüchow-Dannenberg sowie der Stadt Lüneburg überlassener Übersichten, die dem Ausweis beste- hender Projekte der interkommunalen Zusammenarbeit (IKZ) dienen (Kap. 7.4). Den Anhang be- schließen ein Literatur- und Materialverzeichnis (Kap. 7.5) sowie eine Übersicht zu neueren themen- spezifischen Untersuchungen des ISE (Kap. 7.6).

7.1 Aufgabenbestand und Aufgabendifferenzierung: ein empirisch-analytischer Rahmen 7.1.1 ISE-Systematik staatlicher und kommunaler Aufgabenbereiche

(A) Gesamtübersicht

Gliederungsebene (1) Gliederungsebene (2) Gliederungsebene (3) Gliederungsebene (4) Gliederungsebenen (5)-(7)

Justiz (5) 28 Hauptaufgaben Allgemeine Allgemeine Allgem eine der m inisteriellen Verwaltung Verwaltung Verwaltung Ressortgliederung Allgemeine Verwaltung (6) Allg. Sicherheit Allg. Sicherheit u. Ordnung u. Ordnung Knapp 200 Ordnungs- Aufgabenbereiche Verwaltung der staatlichen Sonder- Sonder- Funktionen- und kommunalen ordnung ordnung Haushalts- Besondere gliederung Verwaltung Daseins- Daseins- Daseins- vorsorge vorsorge vorsorge (7) Differenzierung Soziales und anhand der Arbeit konkreten Produkt- und Geschäfts- verteilungspläne Kultus, Kultur u. Wissensch.

Quelle: Hesse/Götz, a.a.O., 2006.

283 Kommunalstrukturen in Nordostniedersachsen

(B) Detaillierte Übersicht1

Kommunale Globalbereiche (GB) Hauptaufgaben (ISE) Staatliche Haushaltsgliederung Haushaltsgliederung

Nr.GB Inhalt HAISE Inhalt Fkt.Ziff. Inhalt Gl.Nr. Inhalt

I Allgemeine Verwaltung 1 Politische Führung 011 Politische Führung 00 Gemeindeorgane 02 (teilw.) Hauptverwaltung 01 Rechnungsprüfung 2 Allgemeine Verwaltung 012 Innere Verwaltung 02 Hauptverwaltung (soweit nicht anteilig bei HAISE 1) 020 Hauptamt 021 Organisationsamt 022 Personalamt 023 Rechtsamt 024 Öffentlichkeitsarbeit 028 Angelegenheiten der unteren staatlichen Verwaltungsbehörde 05 Besondere Dienststel- len der allgemeinen Verwaltung 014 Statistischer Dienst 051 Statistik 015 Ziviler Ersatzdienst 019 Sonstige allgemeine Staatsaufgaben II Justiz 3 Justiz 05 Rechtsschutz u. Gerichte I (noch Allgemeine 4 Finanzen und Vermögen 06 Finanzverwaltung 03 Finanzverwaltung Verwaltung) 061 Steuer- und Zollverwaltung 034 Steuerverwaltung (Verwaltung der Ge- meindesteuern) 034 Liegenschaftsverwal- tung (soweit nicht bei HAISE 12) 062 Schuldenverwaltung und sonstige 030 Kämmerei, Gemeinde- Finanzverwaltung kasse 087 Allgemeines Grund- und Kapital- 088 Allg. Grundvermögen vermögen, Sondervermögen 089 Allg. Sondervermögen 09 Allgemeine Finanzwirtschaft 09 Allgemeine Finanz- wirtschaft 5 Auswärtige Angelegenheiten 02 Auswärtige Angelegenheiten (div.) Grenzüberschreitende Kooperation 021 Auslandsvertretungen 022 Internationale Organisationen 023 Wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung 024 Auslandsschulwesen und kulturelle Angelegenheiten im Ausland 029 Sonstiges III Verteidigung 6 Verteidigung 03 Verteidigung IV Allgemeine Ordnungs- 7 Öffentliche Sicherheit und 04 Öffentliche Sicherheit und Ordnung 1 (teilw.) Öffentliche Sicherheit verwaltung Ordnung und Ordnung 050 Standesamt 11 (teilw.) Aufgaben des Melde- wesens (Einwohner- meldeamt), Ausstel- lung von Personal- ausweisen, Passange- legenheiten (Fortsetzung auf der nächsten Seite)

1 Quelle: Ebd. 284 Kommunalstrukturen in Nordostniedersachsen

(Fortsetzung)

Nr.GB Inhalt HAISE Inhalt Fkt.Ziff. Inhalt Gl.Nr. Inhalt

IV (Fortsetzung) 7 (Fortsetzung) 11 (teilw.) Staatsangehörigkeits- angelegenheiten, Aus- länderangelegenheiten 042 Polizei (insb. Vollzugspolizei) 10 Polizei (Vollzugsauf- gaben auf dem Gebiet der öffentlichen Si- cherheit und Ordnung) 11 (teilw.) Angelegenheiten der allgemeinen öffentli- chen Ordnung 11 (teilw.) Waffen- und Spreng- stoffangelegenheiten 11 (teilw.) Vereins-, Versamm- lungs- u. Pressewesen nach dem Landesrecht 044 Brandschutz 13 Feuerschutz 045 Katastrophenschutz 14 Katastrophenschutz 16 Rettungsdienst 049 Sonstiges V Sonderordnungsverwaltung 8 Energieordnung 341 Behörden für Reaktorsicherheit und Strahlenschutz 342 Maßnahmen der Reaktorsicherheit und des Strahlenschutzes 621 Kernenergie 622 Erneuerbare Energieformen 626 Erdölversorgung 627 Sonstige Energieversorgung 629 Sonstiges VI Daseinsvorsorge 9 Daseinsvorsorge und 43 Kommunale Gemeinschaftsdienste 67 Straßenbeleuchtung Gemeinschaftsdienste und -reinigung (inkl. Winterdienst) 70 Abwasserbeseitigung 72 Abfallentsorgung 643 Märkte u. Inlandsmessen (soweit 73 Märkte nicht bei HAISE 10) 43 (noch Kommunale Gemeinschafts- 74 Schlacht- u. Viehhöfe dienste) 75 Bestattungswesen 439 Sonstiges 76 Sonstige öffentliche Einrichtungen 77 Hilfsbetriebe der Verwaltung 82 Versorgungsunternehmen 81 Versorgungsunter- nehmen 810 Elektrizitätsversor- gung 813 Gasversorgung 815 Wasserversorgung 816 Fernwärmeversorgung 817 Kombinierte Versor- gungsunternehmen 83 (teilw.) Kombinierte Versor- gungs- und Verkehrs- unternehmen V (noch Sonderordnungs- 10 Wirtschaft 6 (teilw.) Energie- und Wasserwirtschaft, 11 (teilw.) Gewerbe- und Gast- verwaltung) Gewerbe stättenwesen 61 Verwaltung (Energie- und Wasser- Aufgaben der allgem. wirtschaft, Gewerbe) Preisbehörde für Güter und Leistungen nach Landesrecht VI (noch Daseinsvorsorge) 623 Wasserwirtschaft und Kulturbau 69 Wasserläufe, Wasser- (soweit nicht bei HAISE 10) bau (soweit nicht bei 624 Talsperren, Hochwasserrückhalte- HAISE 10) becken (Fortsetzung auf der nächsten Seite)

285 Kommunalstrukturen in Nordostniedersachsen

(Fortsetzung)

Nr.GB Inhalt HAISE Inhalt Fkt.Ziff. Inhalt Gl.Nr. Inhalt

V (Sonderordnungsverwaltung 10 (Fortsetzung) 631 Kohlenbergbau VI und Daseinsvorsorge im Fall 632 Sonstiger Bergbau der Bergverwaltung/des Bergwesens) VI (noch Daseinsvorsorge) 634 Verarbeitende Industrie 635 Handwerk und Kleingewerbe 638 Baugewerbe 639 Sonstiges verarbeitendes Gewerbe 641 Handel (allgemein) 642 Exportförderung, Auslandsmessen 643 Märkte u. Inlandsmessen 791 (teilw.) Sonstige Förderung 649 Sonstiges 799 von Wirtschaft und Verkehr Sonstiges 651 Tourismus/ 790 Fremdenverkehr Fremdenverkehr 791 (teilw.) Sonstige Förderung von Wirtschaft und Verkehr 66 Geld- und Versicherungswesen 68 Sonstige Bereiche 691 Regionale Fördermaßnahmen: 791 (teilw.) Sonstige Förderung Betriebliche Investitionen von Wirtschaft und 692 Regionale Fördermaßnahmen: Verkehr Verbesserung der Infrastruktur 699 Sonstiges 799 Sonstiges 772 Nachrichtenwesen: Rundfunk- anstalten und Fernsehen 85 Sonst. Wirtschaftsunternehmen 80 (teilw.) Verwaltung der wirt- schaftlichen Unter- nehmen 84 Unternehmen der Wirtschaftsförderung 86 Kur- und Badebetriebe 87 Sonstige wirtschaft- liche Unternehmen (inkl. Sparkassen) V (noch Sonderordnungs- 11 Verkehr 711 Verwaltung des Straßen- und 11 (teilw.) Allgemeine Wege- u. verwaltung) Brückenbaus Wegebauaufsicht nach Landesrecht; Straßen- verkehrsaufsicht 11 (teilw.) Kraftfahrzeugzulas- sungsstelle

712 Verwaltung der Wasserstraßen und 11 (teilw.) Ordnungsaufgaben der Häfen Hafenaufsicht VI (noch Daseinsvorsorge) 719 Sonstiges 721 Bundesautobahnen 722 Bundesstraßen 660/ Bundesstraßen: Orts- 723 Landstraßen 665 durchfahrten und -um- gehungen (Aufgaben der Baulastträger nach dem Straßengesetz) 724 Kreisstraßen 65 Kreisstraßen (Aufga- ben der Baulastträger nach den Straßen- gesetz) 725 Gemeindestraßen 63 Gemeindestraßen (Aufgaben der Bau- lastträger nach den Straßengesetzen) 729 Sonstiges 68 Parkeinrichtungen 73 Wasserstraßen und Häfen, Förde- 793 (teilw.) Förderung der Schiff- rung der Schifffahrt fahrt und des Luftverkehrs (Fortsetzung auf der nächsten Seite)

286 Kommunalstrukturen in Nordostniedersachsen

(Fortsetzung)

Nr.GB Inhalt HAISE Inhalt Fkt.Ziff. Inhalt Gl.Nr. Inhalt

VI (noch Daseinsvorsorge) 11 (Fortsetzung) 741 Maßnahmen für den öffentlichen 792 Förderung des ÖPNV Personennahverkehr 749 Sonstiges 799 Sonstiges 751 Flugsicherung 759 Sonstiges 76 Wetterdienst 83 Verkehrsunternehmen 82 Verkehrsunternehmen 831 Straßenverkehrsunternehmen 83 (teilw.) Kombinierte Versor- 832 Eisenbahnen gungs- und Verkehrs- 834 Häfen und Umschlag unternehmen 835 Flughäfen und Luftverkehr 793 (teilw.) Förderung der Schiff- fahrt und des Luftver- kehrs 839 Sonstiges 799 Sonstiges I (noch Allgemeine 12 Bauen, Wohnen und Städte- 016 Hochbauverwaltung 035 Liegenschaftsverwal- Verwaltung) bau (soweit nicht bei HAISE 4) tung (soweit nicht bei HAISE 4) 60 Bauverwaltung 600 Allg. Bauverwaltung 601 Hochbauverwaltung VI (noch Daseinsvorsorge) 602 Tiefbauverwaltung 603 Brückenbauverwaltung 73 (teilw.) Wasserstraßen und Häfen, Förde- 604 Wasserbauverwaltung rung der Schifffahrt V (noch Sonderordnungs- 42 (teilw.) Raumordnung, Landesplanung, Ver- 61 Städteplanung, Ver- verwaltung) messungswesen messung, Bauordnung 610 Orts- u. Regionalpla- nung (Ortsplanung, Aufstellung von Bau- leitplänen) 613 Bauordnung 612 Umlegung von Grund- stücken VI (noch Daseinsvorsorge) 44 Städtebauförderung 615 Städtebauliche Sanie- rungs- und Entwick- lungsmaßnahmen 411 Förderung des Wohnungsbaus 62 Wohnungsbauförde- rung und Wohnungs- fürsorge V (noch Sonderordnungs- 421 Kataster- und Vermessungsverwal- 612 Vermessung VI verwaltung und Daseinsvor- tung sorge) V (noch Sonderordnungs- 13 Raumordnung und 42 (teilw.) Raumordnung, Landesplanung, Ver- VI verwaltung und Daseinsvor- Landesentwicklung messungswesen sorge) V (noch Sonderordnungs- 14 Umwelt und Naturschutz 331 Umwelt- und Naturschutzbehörden 11 (teilw.) Naturschutz verwaltung) Maßnahmen des Umwelt- und Na- 12 (ordnungsbehördliche 332 turschutzes 360 Aufgaben) Umweltschutz Naturschutz und Land- schaftspflege 11 (teilw.) Ordnungsaufgaben der Wasseraufsicht 11, 12, 360 (Fortsetzung) V (noch Sonderordnungs- 15 Forsten 512 Forsten (Verwaltung ohne 11 (teilw.) Feld- und Forstauf- verwaltung, sofern Aufgaben Betriebsverwaltung) sicht, Aufgaben nach der Forstaufsicht) dem Bundesgesetz VI (noch Daseinsvorsorge, zum Schutze der Kul- sofern Aufgaben der turpflanzen, Flurhüter, Forstwirtschaft) Flurschutz, Forst- schutz 78 (teilw.) Förderung der Land- und Forstwirtschaft 812 Forstwirtschaftliche Unternehmen 855 Forstwirtschaftliche Unternehmen (Fortsetzung auf der nächsten Seite)

287 Kommunalstrukturen in Nordostniedersachsen

(Fortsetzung)

Nr.GB Inhalt HAISE Inhalt Fkt.Ziff. Inhalt Gl.Nr. Inhalt

V (noch Sonderordnungs- 16 Ländliche Entwicklung 52 (teilw.) Verbesserung der Agrarstruktur 78 (teilw.) Förderung der Land- verwaltung) und Forstwirtschaft 17 Landwirtschaft 5 Ernährung, Landwirtschaft und For- 11 (teilw.) Aufgaben der unteren schung Jagdbehörden nach 51 Verwaltung (ohne Betriebsverwal- Bundes- und Landes- tung) recht, Fischereiauf- sicht 78 (teilw.) Förderung der Land- und Forstwirtschaft 511 (teilw.) Ernährung und Landwirtschaft (Ver- waltung ohne Betriebsverwaltung) 521 Verbesserung der Agrarstruktur (Gemeinschaftsaufgabe) 528 EU-Ausrichtungsfonds 529 Sonstiges 531 EU-Garantiefonds 532 Marktordnung (inkl. EU) 533 Gasölverbilligung 539 Sonstiges 541 Versuchsgüter und -felder 542 Fischerei 11 (teilw.) Aufgaben der unteren Jagdbehörden nach Bundes- und Landes- recht, Fischereiaufsicht 549 Sonstiges 811 Landwirtschaftliche Unternehmen 850 Landwirtschaftliche Unternehmen 18 Ernährung und Verbraucher- 511 (teilw.) Ernährung und Landwirtschaft (Ver- 11 (teilw.) Überwachung des schutz waltung ohne Betriebsverwaltung) Verkehrs mit Lebensmitteln und Bedarfsgegenständen 11 (teilw.) Ordnungsaufgaben auf dem Gebiet der Vete- rinäraufsicht, Tierschutz 19 Gesundheit 311 Gesundheitsbehörden 11 (teilw.) Ordnungsaufgaben auf 314 Maßnahmen des Gesundheitswesens dem Gebiet der Ge- sundheitsaufsicht 50 Gesundheitsverwaltung VI (noch Daseinsvorsorge) 312 Krankenhäuser und Heilstätten 51 Krankenhäuser 314 (teilw.) Maßnahmen des Gesundheitswesens 54 Sonstige Einrichtun- 319 Sonstiges gen und Maßnahmen der Gesundheitspflege VII Soziales 20 Arbeit 251 Arbeitslosenhilfen 252 Hilfen für die Berufsausbildung, Fortbildung und Umschuldung 253 Sonstige Anpassungsmaßnahmen und produktive Arbeitsförderung V (noch Sonderordnungs- 254 Arbeitsschutz verwaltung) VII (noch Soziales) 21 Soziales 21 Sozialverwaltung (ohne Jugendver- 40 Verwaltung der sozia- waltung; s. hierzu HAISE 24) len Angelegenheiten (ohne Jugendverwal- tung) 211 Versicherungsbehörden (Verwal- 408 Versicherungsamt tung) 212 Sozialamt, Sozialhilfeverband, Lan- 400 Allg. Sozialverwaltung deswohlfahrtsverband (Verwaltung) (ohne Verwaltung der JugH, Lastenaus- gleichsverwaltung und Versicherungsamt) 214 Versorgungsämter (Verwaltung) (Fortsetzung auf der nächsten Seite)

288 Kommunalstrukturen in Nordostniedersachsen

(Fortsetzung)

Nr.GB Inhalt HAISE Inhalt Fkt.Ziff. Inhalt Gl.Nr. Inhalt

VII (noch Soziales) 21 (Fortsetzung) 215 Lastenausgleichsverwaltung 409 Lastenausgleichs- (Verwaltung) verwaltung 216 Wiedergutmachungsbehörden (Verwaltung) 219 Sonstige Behörden 221 Rentenversicherung der Angestell- ten und Arbeiter 222 Knappschaftsversicherung 223 Unfallversicherung 224 Krankenversicherung 225 Arbeitslosenversicherung 228 Altershilfe für Landwirte 229 Sonstige Sozialversicherungen 233 Wohngeld 400 (teilw.) Verwaltung des Wohngeldes 34 Leistungen nach dem BSHG und 41 Sozialhilfe nach dem nach dem Asylbewerberleistungs- BSHG gesetz 410 Hilfe zum Lebens- unterhalt 411 Hilfe zur Pflege 412 Eingliederungshilfe für Behinderte 413 Krankenhilfe; Hilfe bei Schwangerschaft oder bei Sterilisation; Hilfe zur Familien- planung 414 Sonstige Hilfen in be- sonderen Lebenslagen 42 Leistungen nach dem Asylbewerberleis- tungsgesetz 235 Soziale Einrichtungen 43 Soziale Einrichtungen (ohne Einrichtungen der Jugendhilfe) 431 Soziale Einrichtungen für Ältere (ohne Pfle- geeinrichtungen) 432 Soziale Einrichtung für pflegebedürftige ältere Menschen 433 Soziale Einrichtungen für Behinderte 435 Soziale Einrichtungen für Wohnungslose 436 Soziale Einrichtungen für Aussiedler und Ausländer 439 Andere soziale Ein- richtungen 236 Förderung der Wohlfahrtspflege 47 Förderung v. a. Trä- gern der Wohlfahrts- pflege 237 Leistungen nach dem Unterhalts- vorschussgesetz 241 Leistungen der Kriegsopferversor- gung und gleichartige Leistungen 242 Einrichtungen der Kriegsopferver- sorgung 243 Lastenausgleich 409 Lastenausgleichs- verwaltung 244 Wiedergutmachung 246 Vertriebene/Spätaussiedler (Fortsetzung auf der nächsten Seite)

289 Kommunalstrukturen in Nordostniedersachsen

(Fortsetzung)

Nr.GB Inhalt HAISE Inhalt Fkt.Ziff. Inhalt Gl.Nr. Inhalt

VII (noch Soziales) 21 (Fortsetzung) 247 Kriegsopferfürsorge 44 Kriegsopferfürsorge und ähnliche Maßna- hmen 440 KOF nach dem BVG 441 KOF nach dem BVG ohne Sonderfürsorge 442 Sonderfürsorge nach dem BVG 443 KOF nach dem SVG 444 KOF nach dem SVG ohne Sonderfürsorge 445 Sonderfürsorge nach dem SVG 446 KOF an Berechtigte im Ausland 448 Ausgleichsabgabe nach dem Schwerbe- hindertengesetz 249 Sonstiges 47 Weitere soziale Be- reiche 481 Vollzug des Unter- haltsvorschussgesetzes 486 Vollzug des Betreu- ungsgesetzes 487 Hilfe für Heimkehrer und politische Häft- linge 29 Sonstige soziale Angelegenheiten 49 Sonstige soziale An- gelegenheiten 291 Hilfsmaßnahme bei Naturkatastro- phen 299 Sonstige soziale Angelegenheiten 22 Frauen 2 (teilw.) Soziale Sicherung, soziale Kriegs- 4 (teilw.) Soziale Sicherung folgeausgaben, Wiedergutmachung 23 (teilw.) Familien- und Sozialhilfe, Förde- rung der Wohlfahrtspflege u. ä. 232 (teilw.) Erziehungsgeld, Mutterschutz 23 Familie 23 (teilw.) Familien- und Sozialhilfe, Förde- 4 (teilw.) Soziale Sicherung rung der Wohlfahrtspflege u. ä. 231 Kindergeld 232 (teilw.) Erziehungsgeld, Mutterschutz 263 (teilw.) Förderung der Erziehung in der 453 (teilw.) Förderung der Erzie- Familie hung in der Familie (§§ 16-21) 273 Einrichtungen der Familienförde- 462 Einrichtungen der rung Familienförderung 463 Einrichtungen für werdende Mütter und Mütter oder Väter mit Kind(ern) 465 (teilw.) Erziehungs-, Jugend- und Familienbera- tungsstellen 24 Jugend 213 Jugendämter (Verwaltung) 407 Verwaltung d. Jugend- hilfe 26 Jugendhilfe nach dem SGB VIII 45 Jugendhilfe nach dem KJHG 261 Jugendarbeit und Jugendverbands- 451 Jugendarbeit arbeit 262 Jugendsozialarbeit und erzieheri- 452 Jugendsozialarbeit, scher Kinder- und Jugendschutz erzieherischer Kinder- und Jugendschutz (§§ 13, 14) (Fortsetzung auf der nächsten Seite)

290 Kommunalstrukturen in Nordostniedersachsen

(Fortsetzung)

Nr.GB Inhalt HAISE Inhalt Fkt.Ziff. Inhalt Gl.Nr. Inhalt

VII (noch Soziales) 24 (Fortsetzung) 263 (teilw.) Förderung der Erziehung in der 453 (teilw.) Förderung der Erzie- Familie hung in der Familie (§§ 16-21) 264 Förderung von Kindern in Tagesein- 454 Förderung von Kin- richtungen und in Tagespflege dern in Tageseinrich- tungen u. in Tages- pflege (§§ 23, 24, 25) 265 Hilfe zur Erziehung und Eingliede- 455 Hilfe zur Erziehung rungshilfen (§§ 27-35) 266 Andere Aufgaben der Jugendhilfe 456 Eingliederungshilfe für seelisch behinderte Kinder und Jugend- liche (§ 35 a); Hilfe für junge Volljährige/ Inobhutnahme (§§ 41-43) 457 Adoptionsvermittlung, Beistandschaft, Amts- pflegeschaft u. –vor- mundschaft, Gerichts- hilfen (§§ 50-52, 55, 56, 58) 458 Sonstige Aufgaben 27 Einrichtungen der JugH 46 Einrichtungen der JugH 271 Einrichtungen der Jugendarbeit und 460 Einrichtungen der Jugendverbandsarbeit Jugendarbeit 272 Einrichtungen der Jugendsozial- 461 Einrichtungen der arbeit und des erziehenden Kinder- Jugendsozialarbeit und Jugendschutzes 274 Tageseinrichtungen für Kinder 464 Tageseinrichtungen für Kinder 275 Einrichtungen für Hilfen zur 465 (teilw.) Erziehungs-, Jugend- Erziehung und Eingliederungshilfen und Familienbera- tungsstellen 466 Einrichtungen für Hilfe zur Erziehung und Hilfe für junge Volljährige sowie f. d. Inobhutnahme 276 Einrichtungen für andere Aufgaben 467 Einrichtungen der der Jugendhilfe Mitarbeiterfortbildung 468 Sonstige Einricht. VI (noch Daseinsvorsorge) 25 Sport und Erholung 321 Park- und Gartenanlagen 58 Park- u. Gartenanlagen 322 Badeanstalten 57 Badeanstalten 323 Sportstätten 56 Eigene Sportstätten 324 Förderung des Sports 55 Förderung des Sports 329 Sonstiges 59 Sonstige Erholungs- einrichtungen VIII Kultus 26 Schule und Bildung 111 Unterrichtsverwaltung 200 Allgemeine Schulverwaltung 201 Schulaufsicht 205 Verwaltung der Aus- bildungsförderung 112 Grundschulen 21 Grund- und 113 Hauptschulen Hauptschulen 114 Kombinierte Grund-/Hauptschulen 115 Kombinierte Haupt- und Real- 22 Realschulen schulen, Erweiterte Realschulen 116 Realschulen 117 Gymnasien, Kollegs 23 Gymnasien (ohne be- rufliche Gymnasien) 119 Gesamtschulen (integr. u. additive) 281 Gesamtschulen 121 Schulformunabhängige Orientie- rungsstufe 123 Freie Waldorfschulen 285 Freie Waldorfschulen (Fortsetzung auf der nächsten Seite)

291 Kommunalstrukturen in Nordostniedersachsen

(Fortsetzung)

Nr.GB Inhalt HAISE Inhalt Fkt.Ziff. Inhalt Gl.Nr. Inhalt

VIII (noch Kultus) 26 (Fortsetzung) 124 Sonderschulen 27 Schulen für Behinderte 127 Berufliche Schulen 24 Berufliche Schulen 129 Sonstige schulische Aufgaben 295 Sonstige schulische Aufgaben 141 Fördermaßnahmen für Schülerinnen 293 Fördermaßnahmen für und Schüler Schüler 145 Schülerbeförderung 290 Schülerbeförderung 151 Förderung der Weitebildung 152 Volkshochschulen 350 Volkshochschulen 153 Andere Einrichtungen der 355 Sonstige Weiterbildung Volksbildung 154 Einrichtungen der Lehrerausbildung 155 Einrichtungen der Lehrerfortbildung 156 Berufsakademien 27 Wissenschaft und Forschung 131 Universitäten 132 Hochschulkliniken 133 Verwaltungsfachhochschulen 134 Pädagogische Hochschulen und entsprechende Einrichtungen der Lehrerausbildung 135 Kunsthochschulen 136 Fachhochschulen 137 Deutsche Forschungsgemeinschaft 138 Versorgung inkl. Beihilfe für Ver- sorgungsempfänger im Bereich der Hochschulen 139 Sonstige Hochschulaufgaben 142 Fördermaßnahmen für Studierende 143 Fördermaßnahmen für den wissen- schaftlichen Nachwuchs 146 Studentenwohnraumförderung I Im Fall der Archive Allge- 162 Wissenschaftliche Bibliotheken, 31 (teilw.) Wissenschaftliche VIII meine Verwaltung und Kultus Archive, Fachinformationszentren Bibliotheken 163 Wissenschaftliche Museen 31 (teilw.) Wissenschaftliche Museen und Sammlungen 164 Gemeinsame Forschungsförderung von Bund und Ländern 165 Andere Einrichtungen für Wissenschaft und Forschung 167 Zuschüsse an internationale wissen- schaftliche Organisationen und zwi- schenstaatliche Forschungseinrich- tungen 168 Forschung und experimentelle Ent- wicklung zur Weltraumerkundung und -nutzung (Einzelmaßnahmen) 169 Forschung und experimentelle Entwicklung zur Produktivität und Technologie (Einzelmaßnahmen) 17 Forschung und experimentelle Ent- wicklung zur Erzeugung, Verteilung und rationellen Nutzung der Energie (Einzelmaßnahmen) 172 Forschung und experimentelle Entwicklung zum Schutz und zur Förderung der menschlichen Gesundheit (Einzelmaßnahmen) (Fortsetzung auf der nächsten Seite)

292 Kommunalstrukturen in Nordostniedersachsen

(Fortsetzung)

Nr.GB Inhalt HAISE Inhalt Fkt.Ziff. Inhalt Gl.Nr. Inhalt

VIII (noch Kultus) 27 (Fortsetzung) 173 Forschung und experimentelle Entwicklung zum Umweltschutz (Einzelmaßnahmen) 174 Forschung und experimentelle Ent- wicklung zur landwirtschaftlichen Produktivität und Technologie (Einzelmaßnahmen) 175 Forschung und experimentelle Entwicklung zu gesellschaftlichen Strukturen und Beziehungen (Einzelmaßnahmen) 176 Forschung und experimentelle Ent- wicklung zu Infrastrukturmaßnah- men und Raumgesamtplanung (Ein- zelmaßnahmen) 177 Forschung und experimentelle Ent- wicklung zur Erkundung und Nut- zung der irdischen Umwelt (Einzelmaßnahmen) 178 Nicht zielorientierte Förderung und sonstige Maßnahmen zur Förderung der wissenschaftlichen und zivilen Forschung 28 Kultur und Kulturpflege 18 Kultureinrichtungen (inkl. 30, 32, 33, Kulturpflege Kulturverwaltung) 34 (teilw.) 181 Theater 331 Theater 182 Einrichtungen der Musikpflege 332 Musikpflege 183 Museen, Sammlungen, Ausstellun- 321 Nichtwissenschaftli- gen che Museen, Sammlungen, Ausstellungen 184 Zoologische und botanische Gärten 323 Zoologische und bota- nische Gärten (auch Förderung von Ein- richtungen Dritter) 185 Musikschulen 333 Musikschulen 186 Nichtwissenschaftliche Bibliotheken 352 Büchereien 187 Sonstige Kultureinrichtungen 188 (teilw.) Verwaltung für kulturelle 30 Verwaltung kultureller Angelegenheiten Angelegenheiten 34 Heimat- und sonstige Kulturpflege 191 Einzelmaßnahmen im Bereich Theater und Musikpflege 192 Einzelmaßnahmen im Bereich Museen und Ausstellungen 193 Andere Einzelmaßnahmen der Kulturpflege V (noch Sonderordnungsver- 28 (Fortsetzung) 195 Denkmalschutz und -pflege 613 Untere Denkmal- waltung, soweit Aufgaben der Verwaltung kultureller Angelegen- schutzbehörde Denkmalschutzbehörden) 188 heiten

VIII (noch Kultus) 365 Denkmalschutz und Denkmalpflege 199 Kirchliche Angelegenheiten 37 Kirchliche Angelegenheiten

293 Kommunalstrukturen in Nordostniedersachsen

7.1.2 Kategorien der Aufgabenanalyse 7.1.2.1 Funktionale Aufgabendifferenzierung

Zielgruppenbezug Funktion Leistungsart Tätigkeit

Gesamt / Fachbereiche (Leitungspositio- nen, denen weitere Organisationsein- heiten mit eigener Dienstleistung Komplexere und einzel- Leitung und keine fallabhängige Maßnah- ausführenden (In der Regel perso- men und Verfahren Leitungs- Mitarbeiter nach- nalintensive Produk- funktion folgen, und denen tion von immateriel- (Maßnahmen mit einem auf ihrer Ebene len Gütern zum geringeren Grad mögli- (Funktio- keine Leitungskräf- sofortigen Verbrauch cher Arbeitsteilung nen, die im te begegnen, die einschließlich der sowie einer größeren Interne Wesentli- über den gleichen Leistungen der thematischen/zeitlichen Zielgruppe chen in der sachlichen, aber öffentlichen Daseins- Variabilität und Diffe- Anleitung (Einrichtungen und einen unterschied- vorsorge und Ge- renzierung; höhere operativ Angehörige der lichen örtlichen meinschaftsdienste – Qualifikationsanforde- tätiger eigenen Institution Zuständigkeitsbe- einschließlich Ord- rungen an das ausfüh- Mitarbeiter oder anderer öffentli- reich verfügen; nungsentscheidun- rende Personal – sowie der cher Einrichtungen Beispiele: Land- gen/-maßnahmen) gD/hD) Planung und von EU, Bund, rat/OB, Dezernen- Steuerung Ländern und Kom- ten/ Beigeordnete, von operati- munen) Geschäftsführer/ ven Tätig- Direktoren, Fach- keiten bereichs-/Amts- Ande- leiter) rer/Dritter bestehen) Arbeitsebene (Leitungspositio- nen, denen direkt Komplexere und einzel- ausführende Dienstleistung fallabhängige Maßnah- Mitarbeiter nach- men und Verfahren (s. o.) folgen; Beispiele: (s. o.) Referats-, Dienst- stellen-, Niederlas- sungsleiter)

(Fortsetzung auf der nächsten Seite)

294 Kommunalstrukturen in Nordostniedersachsen

(Fortsetzung)

Zielgruppenbezug Funktion Leistungsart Tätigkeit

(Fortsetzung Intern) Komplexere und einzelfallabhängige Maßnahmen und Verfahren (s. o.)

Standardisierte Dienstleistung Massengeschäfte (s. o.) (Maßnahmen mit einem höheren Grad möglicher Arbeitsteilung sowie einer Querschnittsfunktion geringeren themati- schen/zeitlichen Variabili- (Funktionen, die nicht dem tät und Differenzierung; Endprodukt der Aufgabenerledi- geringere Qualifikationsan- gung für externe oder interne forderungen an das ausfüh- Zielgruppen, sondern als Voraus- rende Personal – setzung für dessen Erstellung eD/mD/gD) dienen)

Transferleistung Standardisierte (intern) Massengeschäfte (Maßnahmen mit einem (Auszahlung von Bezü- höheren Grad möglicher gen, Beihilfen und Arbeitsteilung sowie einer Fürsorgeleistungen für geringeren themati- Angehörige des öffentli- schen/zeitlichen Variabili- chen Bereichs; Subventio- tät und Differenzierung; nen und Förderungen an geringere Qualifikationsan- andere Verwaltungsträger forderungen an das ausfüh- und Gebietskörperschaf- rende Personal – ten) eD/mD/gD)

(Fortsetzung auf der nächsten Seite)

295 Kommunalstrukturen in Nordostniedersachsen

(Fortsetzung)

Zielgruppenbezug Funktion Leistungsart Tätigkeit

(Fortsetzung Intern) Komplexere und einzelfallabhängige Maßnahmen und Dienstleistung Verfahren (intern) (s. o.) (s. o. – Kommunalaufsicht als Beispiel) Vollzugsfunktion Standardisierte Massengeschäfte (Operative Aufgabendurchfüh- rung und Leistungserbringung, (s. o.) die sich an Adressaten außerhalb der eigenen Verwaltung richten – Infrastrukturleistung Komplexere und kreisangehörige Kommunen als (intern) einzelfallabhängige Beispiel) Maßnahmen und (s. u., allerdings be- schränkt auf solche Verfahren Infrastrukturleistungen, (s. o.) die von anderen öffentli- chen Trägern außerhalb Standardisierte der eigenen Verwaltung in Anspruch genommen Massengeschäfte werden) (s. o.)

Komplexere und einzelfall-abhängige Maßnahmen und Verfahren Dienstleistung (s. o.) (s. o.) Externe Standardisierte Zielgruppe2 Vollzugsfunktion Massengeschäfte (Einrichtungen und (Operative Aufgabendurchfüh- (s. o.) natürliche Personen rung und Leistungserbringung, außerhalb des öffentli- die sich an einen Adressaten Transferleistung Komplexere und chen Bereichs; Beispie- außerhalb der öffentlichen (extern) einzelfall-abhängige le: Bürger, Unterneh- Verwaltung richtet) Maßnahmen und men, Vereine usw.) (Gewährung von materiel- len Hilfen/Leistungen an Verfahren Anspruchsberechtigte (s. o.) ohne eine entsprechende Gegenleistung; Gewäh- rung von Subventionen Standardisierte und Förderungen an Massengeschäfte natürliche und juristische Personen) (s. o.)

(Fortsetzung auf der nächsten Seite)

2 Hier im Einzelfall auch Aufgaben mit interner Zielgruppe und Querschnittsfunktionen (Schulverwaltung als Beispiel). 296 Kommunalstrukturen in Nordostniedersachsen

(Fortsetzung)

Zielgruppenbezug Funktion Leistungsart Tätigkeit

(Fortsetzung (Fortsetzung Vollzugsfunktion) Infrastrukturleistung Komplexere und Extern) (Zur-Verfügung-Stellung einzelfallabhängige und Instandhaltung Maßnahmen und benutzungs- und produkti- Verfahren onsfähiger Einrichtungen, die der Erstellung von (s. o.) Leistungen der öffentli- chen Daseinsvorsorge dienen [Volkshochschu- len, Jugendeinrichtungen als Beispiel] oder selbst einen Teil der öffentlichen Daseinsvorsorge darstel- len [Grünanlagen, Standardisierte Schwimmbäder usw.] – zu Massengeschäfte unterscheiden von Dienst- leistungen [s. o.], die (s. o.) innerhalb von entspre- chenden Einrichtungen erbracht werden [Beschu- lung durch Lehrkräfte, Betreuung durch Sozial- pädagogen usw.])

297 Kommunalstrukturen in Nordostniedersachsen

7.1.2.2 Räumliche und strategische Aufgabenelemente

Merkmal Ausprägung Definition

Aufgabe/Tätigkeit ohne direkten und vor allem permanent erfor- derlichen Bezug zum Adressaten (zentrale Softwareentwicklung, Ortsunabhän- Register- und Katasterführung) und/oder ohne die Erfordernis gigkeit einer ortsgebundenen und kleinräumigen Präsenz im Zuge der Durchführung und Leistungserbringung (Durchführung von Fortbildungsveranstaltungen, Controlling usw.)

Aufgabe/Tätigkeit auch mit direktem, aber nicht permanent erfor- Ortsnähe/ derlichem Bezug zum Adressaten (Bauaufsicht als Beispiel) und/oder mit der Erfordernis einer punktuellen/disponiblen Vor- -ferne Regionalbezug Ort-Präsenz im Zuge der Durchführung und Leistungserbringung (etwa bei Vor-Ort-Kontrollen im Rahmen der Veterinär- und Lebensmittelaufsicht)

Aufgabe/Tätigkeit mit direktem und vor allem permanent erfor- derlichem Bezug zum Adressaten (Sozial- und Jugendhilfe als Ortsbezug Beispiel) und/oder mit dem Erfordernis einer ortsgebundenen und kleinräumigen Präsenz im Zuge der Durchführung und Leistungs- erbringung (Verkehrsüberwachung, lokales Ordnungswesen usw.)

Gering Einschätzung der in der Aufgabendurchführung möglichen Ges- Ermessens- taltungsfreiheit versus eines weitgehend durch gesetzliche Vorga- spielraum Mittel ben und/oder fachtechnische Erfordernisse gebundenen Vollzugs Hoch

Gering Einschätzung der Bedeutung für die gebietskörperschaftliche Eigenentwicklung (auch in Abgrenzung zu anderen Aufgaben und Regionen) und/oder der notwendigen Versorgungssicherheit Strategische und/oder der erhöhten Anforderungen an die dauerhafte Gewähr- Relevanz Mittel leistung der Aufgabenerbringung (insbesondere bei Pflichtaufga- ben); hierbei keine Qualifizierung der politischen und/oder recht- Hoch lichen Erfordernis, eine Aufgabe dauerhaft wahrzunehmen

Legende: „Und“ oder „sowie“ meint, dass beide (oder mehrere) Bedingungen für eine entsprechende Ausprä- gung gleichermaßen gegeben sein müssen; „oder“ meint, dass nur eine von zwei (oder mehreren) Bedingungen für eine entsprechende Ausprägung gegeben sein darf; „und/oder“ meint, dass sowohl beide (oder mehrere) als auch nur eine von zwei (oder mehreren) Bedingungen gegeben sein können, um die entsprechende Ausprägung zu definieren.

298 Kommunalstrukturen in Nordostniedersachsen

7.2 Modelle der Stadt-Umland-Organisation in der Bundesrepublik: eine Synopse

Formen der Stadt-Umland-Organisation zeichnen sich dadurch aus, dass mit ihnen Gestiegene Bereitschaft zur auf regionaler Ebene Einrichtungen geschaffen werden, die (neben anderen Auf- Schaffung regio- gaben) der Erarbeitung strategischer Konzepte der Regionalentwicklung und dem naler Einrichtun- gen Vollzug entsprechender Politiken im Verbund von Zentralen Orten und benachbar- ten Gemeinden und Landkreisen dienen. Bezog man dies früher vor allem auf die Abstimmung und Lenkung der Siedlungsentwicklung, schließt es heute vermehrt auch netzwerkartige Regionalforen zur Koordination kommunalen und unterneh- merischen Handelns ein. Hierbei hat sich das Bewusstsein für eine im zunehmen- den Standortwettbewerb notwendige Regionalkooperation bei den meisten Ge- meinden und Gemeindeverbänden etabliert. Verstärkt durch haushalterische Zwänge und den demographischen Wandel ist die Bereitschaft zu gemeinsamem Handeln in den vergangenen Jahren deutlich gestiegen.

Dementsprechend findet sich gegenwärtig eine große Zahl unterschiedlicher Stadt- Großes Spektrum von Organisati- Umland-Organisationen und Handlungsformen. Ihr Spektrum reicht von losen onsformen, zu Vereinigungen (etwa in Vereinen, Arbeitsgemeinschaften und Foren) über feste unterscheiden nach: Verbandsstrukturen bis hin zu gebietskörperschaftlichen Lösungen (Regional-/ Großkreise), deren Ausgestaltung wiederum erheblich divergiert. Um zu einer Systematisierung dieser materiellen und institutionellen Vielfalt zu gelangen, bietet sich eine Unterscheidung anhand der folgenden Merkmale an:

• Aufgabenumfang und -qualität (Zahl und inhaltliche Breite der Zuständigkei- Aufgabenumfang und -qualität ten, freiwillige und additive versus pflichtige und unabweisbare Aufgaben, vollzugsorientierte Trägerfunktionen versus koordinierende und entwicklungs- politisch orientierte Zuständigkeiten),

• freiwillige versus pflichtige bzw. gesetzlich verfügte Kooperationen sowie freiwillig vs. pflichtig • Autonomie der Mitgliedskommunen versus institutionell bedingte Integrations- Autonomie und kraft der stadtregionalen Organisationsstruktur. Integrationskraft

Zwischen diesen Charakteristika bestehen bestimmte Zusammenhänge. So erstre- Zusammenfassen- de Unterschei- cken sich freiwillige Kooperationen zumeist auf einzelne ausgesuchte Aufgaben, dung nach mate- bei denen die fiskalischen und technischen Vorteile der Zusammenarbeit offen- riellem und institutionellem sichtlich und die Kosten (Autonomie- und Kontrollverlust, Lastenausgleich) be- Inte-grationsgrad grenzt sind. Zugleich besitzen solche Handlungsformen vor allem deshalb eine geringere Integrationskraft, weil sie sowohl inhaltlich und materiell als auch territorial selektiv bleiben und die Wechselwirkungen zwischen unterschiedlichen öffentlichen Funktionen nicht verbindlich abbilden. Demgegenüber beziehen sich härtere, die Entscheidungsfreiheit der Mitglieder im betreffenden Aufgabenbereich einschränkende Kooperationen regelmäßig auf materiell bedeutsamere Zuständig- keiten (gemeinsame Trägerschaften der Daseinsvorsorge im Rahmen von Zweck-

299 Kommunalstrukturen in Nordostniedersachsen

verbänden als Beispiel). Zählt hierzu ein größerer Wirkungskreis mit unterschiedli- chen Funktionen, geht damit meist das Erfordernis einher, die Bildung von gemein- samen Trägerstrukturen gesetzlich bzw. extern vorzuschreiben oder sogar territori- al und institutionell eindeutig zu definieren. Insofern fällt die Unterscheidung zwischen pflichtigen und freiwilligen Einheiten mit den beiden anderen Katego- rien, dem materiellen bzw. inhaltlichen und institutionellen Integrationsgrad, zusammen und soll daher in diese einbezogen werden. Im Ergebnis führt dies zu einer zweidimensionalen Differenzierung, die in dem nachstehenden Vier-Felder- Schema dargestellt ist (vgl. Abb. 7.2-A).

Abbildung 7.2-A: Systematik unterschiedlicher Stadt-Umland-Konstruktionen

Materielle Integration

Einzelne und/oder frei- Mehrere und/oder pflich- willige Aufgaben tige Aufgaben

Vereine, Foren und Gesell- Hohe Autonomie der Einzelthematische Arbeits- schaften mit erweitertem Mitglieder, geringe gemeinschaften, Foren, entwicklungspolitischen Formalisierung Verträge und Vereine Wirkungskreis

Einzelthematische Verbände und (Gebiets-)

Institutionelle Integration Geringe Autonomie (Zweck-)Vereinbarungen, Körperschaften auf gesetz- der Mitglieder, starke Körperschaften und rechts- licher Grundlage mit Formalisierung fähige (Zweck-)Verbände verschiedenen Aufgaben

Quelle: Eigene Darstellung.

In der Praxis lassen sich mit Hilfe dieses Rasters sechs vorrangige Typen von Sechs Organisati- onstypen: Stadt-Umland-Organisationen identifizieren, die jeweils ein unterschiedliches Maß an materieller und institutioneller Integration aufweisen:

1. Netzwerkartige Vereinigungen und Vereinbarungen Freiwillige netz- werkartige Sie kommen auf freiwilliger Basis in Form von Arbeitsgemeinschaften und Vereinigungen und Vereinbarun- Vereinen (grenzüberschreitende Regio Aachen e.V., Regionale Entwicklungs- gen agentur Südostniedersachsen RESON e.V., Regio Basiliensis e. V. als Beispie- le), Gesellschaften des Bürgerlichen Rechts (etwa die Technologieregion Aa- chen) oder mittels Kooperationsverträgen (so die Raumordnerischen Verträge zwischen den Städten Eberswalde bzw. Leipzig und den Umlandkommunen Finowfurt/Schorfheide bzw. Taucha) zustande.3 Charakteristisch ist dabei eine Beschränkung auf eher wenige, vorwiegend raumordnerische und regional-

3 Heinz, W. u. a.: Interkommunale Kooperation in baden-württembergischen Stadtregionen: Stuttgart, Karlsruhe und Freiburg, Berlin, 2004; Hesse, a.a.O., 2005a, 71ff. 300 Kommunalstrukturen in Nordostniedersachsen

wirtschaftliche Themen und Koordinationsaufgaben. Verzichtet wird meist auf Trägerfunktionen, obgleich häufig eine zumindest implizite Offenheit für einen weiter gefassten Wirkungskreis besteht. Territorial erheben solche Kooperati- onen keinen Anspruch auf flächendeckende Strukturen und stehen auch Akteu- ren aus der Privatwirtschaft offen. Ebenso ergibt sich für die beteiligten Kom- munen daraus meist kein Zwang, die Agenda der Zusammenarbeit durch entsprechende Beschlüsse nachzuvollziehen, auch wenn Entscheidungen ohne- hin regelmäßig dem Konsensprinzip folgen.

2. Vertragliche Stadt-Umland-Kooperationen mit Träger- und Vollzugs- Freiwillige Stadt- Umland-Verträge funktionen mit Träger- und Vollzugsfunktion Hierbei handelt es sich weiterhin um freiwillige, jedoch materiell konkretere Formen der Zusammenarbeit. Sie konzentrieren sich auf klar definierte Dienst- leistungen und Infrastruktureinrichtungen. In Deutschland weisen entspre- chende Fälle eine vorwiegend verwaltungspolitische Zielsetzung auf und blei- ben auf einzelne Aufgaben beschränkt. Als Instrumente greifen die beteiligten Kommunen auf öffentlich-rechtliche (Zweck-)Vereinbarungen oder etwa den raumordnerischen Vertrag nach § 13 ROG zurück.4

3. Gesetzliche Zuweisung von zentralörtlichen Schwerpunkt- bzw. Vor-Ort- Pflichtige Zuwei- sung von zentral- Aufgaben örtlichen Schwer- punktaufgaben Diese Form der pflichtigen Stadt-Umland-Kooperation wird bislang eher selten praktiziert, ergibt sich allerdings in der Logik aus einzelgesetzlichen Regelun- gen, die bestimmten Kommunen Mitverwaltungsfunktionen für andere Partner zuweisen. Als Beispiel hierfür können die früher umfangreicheren, i. T. aber auch noch heute geltenden Zuständigkeiten der Stadt Saarbrücken für den Ge- samtbereich des Regionalverbandes dienen (etwa im Katastrophenschutz).5

4. Stadtregionale Pflichtverbände Gesetzliche stadtregionale Hier kommt es zu einem gesetzlich verfügten Zusammenschluss von Kernstäd- Pflichtverbände ten mit ihren Umlandgemeinden, wobei die entstehenden Verbände im Wesent- lichen nach den Prinzipien des Zweckverbandsrechts organisiert sind (Nach- barschaftsverbände in Baden-Württemberg und Regionaler Planungsverband München als Beispiele). Unterschieden werden können Zweckverbände, die häufig auf ein Thema (ÖPNV, Ver- und Entsorgung, zuweilen auch Träger- schaft von Schulen und anderen Bildungseinrichtungen sowie Sozialeinrich- tungen) bezogen sind, und regionale Planungsverbände, deren Kompetenzen

4 Hierzu wird erneut auf die oben genannten Fälle Eberswalde/Schorfheide bzw. Leipzig/Taucha verwiesen. Weitere Beispiele diagonaler Kooperation auf Basis von Kontrakten finden sich bei Hesse, a.a.O., 2005a, 71ff. 5 Vgl. dazu die detaillierten Darstellungen bei Hesse, a.a.O., 2004b, 132ff. 301 Kommunalstrukturen in Nordostniedersachsen

sich auf die gemeinsame Flächennutzungsplanung oder die Regionalplanung erstrecken, in Teilen ergänzt um weitere Fachplanungsaufgaben (etwa im Be- reich der Landschaftsrahmenplanung und der Nahverkehrsplanung) oder Um- setzungsaufgaben (Trägerschaft von Naherholungseinrichtungen, Koordination der regionalen Wirtschaftsförderung, Organisation des Regionalmarketings).6 Pflichtverbänden wachsen eher selten die Trägerschaft von Einrichtungen und Vollzugszuständigkeiten zu, da diese meist auf privat- oder öffentlich-rechtlich verfasste Organisationseinheiten übertragen werden. Kompetenziell können sich diese Verbände auf bindende Entscheidungen stützen, die gemeinsame, nach dem Delegiertenprinzip durch die Mitgliedskommunen besetzte Gremien treffen.

5. Stadtregionale Verbände mit direkt gewählter Verbandsversammlung Gesetzliche stadtregionale Sie repräsentieren meist auch verwaltungshistorisch eine Fortentwicklung rei- Pflichtverbände mit direkt gewähl- ner Planungs- und Koordinationseinrichtungen; das prominenteste Beispiel ter Vertretungs- körperschaft hierfür dürfte die Region Stuttgart sein. Aus der einzelgesetzlichen Formalisie- rung ergibt sich die Pflichtmitgliedschaft aller Kommunen in einem definierten Raum. Dabei erfährt die regionale Verbandsebene durch die Direktwahl ihrer Vertretungskörperschaft eine Stärkung und besitzt somit größere Unabhängig- keit gegenüber den örtlichen Interessen. Bearbeitet wird in diesen Zusammen- hängen meist ein breiteres Aufgabenbündel. Auch übernehmen entsprechende Verbände häufig Trägerfunktionen und i. T. behördliche Funktionen der Raumplanung.

6. Stadtregionale Gebietskörperschaften Gesetzliche stadtregionale Der letzte Typus stellt zugleich die am stärksten integrierte Kategorie von Gebietskörper- schaft mit Kreis- Stadt-Umland-Organisationen dar. Hierbei wird eine gebietskörperschaftliche status Ebene, entweder durch Eingemeindungen oder die institutionelle Verbindung mit der Kreisstufe, inkorporiert. Das Spektrum entsprechender Lösungen reicht von der Eingliederung der Umlandgemeinden in den Zentralen Ort (entweder als vollständige Eingemeindungen oder in Form einer Regionalstadt mit erwei- terten Rechten der ehemals selbständigen Randgemeinden7) über Stadtkreise

6 Danielzyk, R.: Regionale Kooperationsformen, in: Informationen zur Raumentwicklung, 9– 10/1999, 577–589 (581). 7 Vergleichbare Modelle finden sich derzeit in Berlin mit seinen teilrechtsfähigen Bezirken (gebildet 1920) und i. T. auch in der verbundenen Struktur von Bremen und Bremerhaven; die später wieder aufgelöste Regionalstadt Lahn folgte ebenfalls diesem Prinzip (vgl. dazu Hinkel, K.-R.: Probleme bei der Auflösung der Stadt Lahn, in: Verwaltungsarchiv 71, 1980, 161-174). Dabei könnten im Fall Berlins die Diskussionen über eine Neustrukturierung des Verhältnisses zwischen gesamtstädtischer Ebene und Bezirken auch für andere zentralörtlich geprägte Stadtre- gionen beispielgebend sein (vgl. dazu Hesse, a.a.O., 2005c; Abgeordnetenhaus von Berlin: Dringlicher Antrag der Fraktion der CDU. Starke Bezirke – Starke Demokratie vor Ort, Drs. 15/2776, Berlin, 2005; AG „Organisation und Aufgabenstellung der Bezirke“: Berlin Erneuern, Schreiben an den Landesvorstand der SPD Berlin, Berlin, 2005; Götz, A.: Die dezentralisierte Einheitsgemeinde. Eine Perspektive für Berlin und andere Metropolregionen, in: DEMO, 6/2005, 302 Kommunalstrukturen in Nordostniedersachsen

bzw. eine Stadtunion (Übernahme von Zuständigkeiten durch die Kernstadt mit einem direkt gewählten oder durch kommunale Delegierte gebildeten Reprä- sentativorgan) bis hin zur Konstruktion eines Regional- bzw. Großkreises, der die Kernstadt und die unmittelbar angrenzenden sowie ggf. auch die im weite- ren Umfeld gelegenen Gemeinden zusammenfasst (Region Hannover, Regio- nalverband Saarbrücken und Städteregion Aachen als Beispiele).

12). Darüber hinaus sollten auch die im Zuge der Territorialreformen in Ostdeutschland erweiter- ten Ortsteilverfassungen den dezentralen Interessen eingemeindeter Dörfer Rechnung tragen (vgl. hierzu Hesse/Götz, a.a.O., 2003f.). 303 Kommunalstrukturen in Nordostniedersachsen

7.3 Ablaufplanung für Gemeindefusionen (weitgehend auch auf Kreisfusionen übertragbar)

Tabelle 7.3-A: Ablaufplan für Zusammenschlüsse von Einheitsgemeinden

Zeitbedarf Verfahrensschritt (in Wochen) Antrag aller beteiligten Gemeinden auf eine Gesetzesinitiative der Landesregierung - Anforderung einer Stellungnahme des Landkreises (bei unmittelbar gestellten Anträgen) 1 Stellungnahme durch den Landkreis (sofern nicht bereits vorgelegt) 2 Prüfung auf Vorliegen der Voraussetzungen durch das MI, insbesondere auf hinreichende Gründe des Gemeinwohls, des Nutzens und evtl. Alternativen, Anforderung hausinterner 2 Stellungnahmen zur finanzwirtschaftlichen Beurteilung und Erforderlichkeit kommunalwahl- rechtlicher Sonderregelungen Hausinterne Stellungnahmen durch beteiligte Referate 2 Erstellung eines Anhörungsentwurfs unter Berücksichtigung hausinterner Stellungnahmen 2 Freigabe des Anhörungsentwurfs durch die Landesregierung (nur bei politisch bedeutsamen 2 Inhalt, d. h. nicht bei kleineren Zusammenschlüssen) Herausgabe des Anhörungsschreibens an die beteiligten Gemeinden und den Landkreis mit Anforderung einer Stellungnahme zu dem Gesetzentwurf auch im Einzelnen, gleichzeitig Auftrag zur Anhörung der Bevölkerung (wenn nicht bereits hinreichend – auch mit Zeitvor- 2 stellungen des Zusammenschlusses – vor der Antragstellung durch die beteiligten Gemeinden geschehen) Bekanntmachung der Anhörung der Bevölkerung 1 Möglichkeit der Bevölkerung zu Anregungen und anderen Stellungnahmen 2-4 Äußerung der beteiligten Gemeinden zum Gesetzentwurf unter Bewertung und Übersendung der eingegangenen Anregungen und Stellungnahmen aus der Bevölkerung und unter Erstel- 2 lung eines Beitrages zur Gesetzesfolgenabschätzung Prüfung und Abwägung der eingegangenen Stellungnahmen, Ergänzung des Gesetzentwurfs, Erstellung der Gesetzesfolgenabschätzung und des Entwurfs einer Kabinettsvorlage zur 4 Beschlussfassung, Beteiligung der Ministerien und der Arbeitsgruppe Rechtsvereinfachung sowie der Staatskanzlei zur Rechtsförmlichkeitsprüfung Auswertung und Umsetzung evtl. Stellungnahmen und Änderungsvorschläge, Übersendung 2 der Kabinettsvorlage einschließlich des Gesetzentwurfs an die Staatskanzlei Beschluss der Landesregierung zur Einbringung des Gesetzentwurfs in den Landtag, bei Eilbedürftigkeit (insbesondere bei baldigem Ende der allgemeinen Kommunalperiode) 2 Antrag auf Direktüberweisung zur Ausschussberatung 1. Lesung des Gesetzentwurfs im Landtag (entfällt bei Direktüberweisung in Eilfällen) 2-6 Beratung im Ausschuss für Inneres, Sport und Integration 3 Bei Mitberatung anderer Ausschüsse und folgender nochmaliger Beratung im Ausschuss für 2 Inneres und Sport Beratung und Verabschiedung des Gesetzentwurfs im Landtag 1-5 Veröffentlichung im Niedersächsischen Gesetz- und Verordnungsblatt 1-2 Gesamte Verfahrensdauer 28-46 Legende: Kursiv gesetzte Verfahrensschritte sind möglicherweise entbehrlich. Quelle: Eigene Darstellung auf Grundlage eines Vermerks des Niedersächsischen Ministeriums für Inneres und Sport, 2011.

304 Kommunalstrukturen in Nordostniedersachsen

Tabelle 7.3-B: Ablaufplan für Zusammenschlüsse von Samtgemeinden

Zeitbedarf Verfahrensschritt (in Wochen) Vereinbarung der Hauptsatzung der neuen Samtgemeinde durch die beteiligten Samt- - gemeinden Einholung der Zustimmung der Mitgliedsgemeinden der beteiligten Samtgemeinden 2-26 Antrag auf Erlass der Verordnung nach § 79 NGO 1-3 Stellungnahme durch den Landkreis (sofern nicht bereits mit dem Antrag vorgelegt) 2 Prüfung auf Vorliegen der Voraussetzungen des Zusammenschlusses durch das MI, insbe- sondere auf hinreichende Gründe des Gemeinwohls, des Nutzens und evtl. Alternativen, 2 Anforderung hausinterner Stellungnahmen zur finanzwirtschaftlichen Beurteilung und Erforderlichkeit kommunalwahlrechtlicher Sonderregelungen Hausinterne Stellungnahmen durch beteiligte Referate 2 Erstellung eines Anhörungsentwurfs unter Berücksichtigung hausinterner Stellungnahmen 2 Herausgabe des Anhörungsschreibens an die beteiligten Samtgemeinden und Gemeinden, erforderlichenfalls auch des Landkreises mit Anforderung einer Stellungnahme zu dem Verordnungsentwurf, gleichzeitig Auftrag zur Anhörung der Bevölkerung (wenn nicht bereits 2 hinreichend – auch mit Zeitvorstellungen des Zusammenschlusses – vor der Antragstellung durch die beteiligten Samtgemeinden oder Mitgliedsgemeinden geschehen) Bekanntmachung der Anhörung der Bevölkerung 1 Möglichkeit der Bevölkerung zu Anregungen und anderen Stellungnahmen 2-4 Äußerung der beteiligten Gemeinden zum Verordnungsentwurf unter Bewertung und Über- sendung der eingegangenen Anregungen und Stellungnahmen aus der Bevölkerung und unter 2 Erstellung eines Beitrages zur Gesetzesfolgenabschätzung für die Verordnung Prüfung und Abwägung der eingegangenen Stellungnahmen im MI, Ergänzung des Verord- nungsentwurfs, Erstellung der Gesetzesfolgenabschätzung, Unterrichtung der Ministerien, 4 ggf. auch über beabsichtigtes Zustimmungsverfahren (s. u.), Beteiligung der Arbeitsgruppe Rechtsvereinfachung sowie der Staatskanzlei zur Rechtsförmlichkeitsprüfung Bei Zusammenschlüssen ohne Zustimmung aller beteiligten Mitgliedsgemeinden: Vorbereitung des Beschlusses der Landesregierung über die Einholung der Zustimmung des Landtags und Beschlussfassung; bei Eilbedürftigkeit (insbesondere bei baldigem 2-3 Ende der allgemeinen Kommunalperiode) zusätzlich Antrag auf Direktüberweisung zur Ausschussberatung 1. Lesung des Antrages im Landtag (entfällt bei Direktüberweisung in Eilfällen) 2-6 Beratung im Ausschuss für Inneres, Sport und Integration 3 Beratung und Verabschiedung des Zustimmungsantrages im Landtag 1-5 Fertigung, Unterzeichnung und Verkündung der Verordnung über den Zusammenschluss 2 Gesamte Verfahrensdauer 19-40 Legende: Kursiv gesetzte Verfahrensschritte sind möglicherweise entbehrlich. Quelle: Eigene Darstellung auf Grundlage eines Vermerks des Niedersächsischen Ministeriums für Inneres und Sport, 2011.

305 Kommunalstrukturen in Nordostniedersachsen

7.4 Übersichten zum Stand der interkommunalen Zusammenarbeit (IKZ) im Raum Nord- ostniedersachsen

Tabelle 7.4-A: Übersicht zur IKZ des Landkreises Lüneburg

Lfd. Nr. Laufende Maßnahmen Beteiligte

Gemeinsame Durchführung der Abfallwirtschaft in der 1 Landkreis Lüneburg, Hansestadt Lüneburg Gfa/Dienlog Wirtschaftsförderungs-GmbH für Hansestadt und Landkreis Landkreis Lüneburg, Hansestadt Lüneburg, Sparkasse 2 Lüneburg Lüneburg Landkreis Lüneburg, Landkreise Harburg und Stade, 3 Süderelbe AG weitere Beteiligte Landkreis Lüneburg, Landkreise in Nds. und SH, 4 Metropolregion Hamburg Hansestadt Hamburg Landkreis Lüneburg, Landkreise in Nds. und SH, 5 Hamburg Marketing GmbH Hansestadt Hamburg Landkreis Lüneburg, Land Niedersachsen, weitere 6 Modellregion Nordostniedersachsen Landkreise und Kommunen aus Niedersachsen Landkreis Lüneburg, Land Niedersachsen, weitere 7 Biosphärenreservat Niedersächsisches Elbetal Kommunen, Verbände Landkreis Lüneburg, Landkreis Lüchow-Dannenberg, Kommunale Arbeitsgemeinschaft zur Zusammenarbeit im Landkreise aus MV, Brandenburg und Sachsen- 8 Elbetal Anhalt, Landgesellschaften aus Niedersachsen, MV und Sachsen-Anhalt Landkreis Lüneburg, Landkreise Harburg und Stade, 9 Verein Naherholung im Umland Hamburg e.V. FHH Hamburg und Kreise in SH und MV Landkreis Lüneburg, Stadt Bleckede, Gemeinde Amt Neuhaus, Samtgemeinden Dahlenburg, Ostheide, 10 LEADER - Region Niedersächsische Elbtalaue Scharnebeck, Landkreis Lüchow-Dannenberg, Kommunen aus dem Landkreis Lüchow-Dannenberg Landkreis Lüneburg, Gemeinde Barum, Landkreis 11 LEADER - Region Achtern Diek Harburg, Kommunen aus dem Landkreis Harburg Landkreis Lüneburg, Samtgemeinden Amelinghau- sen, Gellersen, Ilmenau, Landkreise Harburg und 12 ILEK - Region Lüneburger Heide Soltau-Fallingbostel, Kommunen aus den Landkreisen Harburg und Soltau-Fallingbostel Landkreis Lüneburg, Samtgemeinden Amelinghau- sen, Gellersen, Ilmenau, Landkreise Harburg und 13 Naturpark Lüneburger Heide Soltau-Fallingbostel, Kommunen aus den Landkreisen Harburg und Soltau-Fallingbostel Landkreis Lüneburg, Stadt Bleckede, Samtgemeinde 14 Naturpark Elbufer-Drawehn Dahlenburg, Landkreis Lüchow-Dannenberg, Kom- munen aus dem Landkreis Lüchow-Dannenberg MORO-Projekt „Großräumige Partnerschaft“ in Nord- Landkreis Lüneburg, Länder Niedersachsen, SH und 15 deutschland bzw. in der Metropolregion Hamburg, verschie- Hamburg, (Land-)Kreise aus Niedersachsen und SH, dene Teilprojekte weitere Organisationen Landkreis Lüneburg, Hansestadt Lüneburg, Samtge- 16 Projekt „Oldtimerzugbahnhof“ meinde Ilmenau u.a. Landkreis Lüneburg, weitere Kommunen aus dem 17 Projekt „Breitbandversorgung“ Landkreis Lüneburg

306 Kommunalstrukturen in Nordostniedersachsen

Lfd. Nr. Laufende Maßnahmen Beteiligte

Landkreis Lüneburg, Hansestadt Lüneburg, Gemeinde 18 Lüneburg Marketing GmbH Adendorf, Samtgemeinden Bardowick, Ilmenau, Amelinghausen und voraussichtlich auch Dahlenburg Landkreis Lüneburg, Landkreis Harburg, Samtge- 19 Zusammenarbeit in dem Projekt „Pferderegion Luhmühlen“ meinde Gellersen, Gemeinde Westergellersen Landkreis Lüneburg, Landkreise Harburg, Uelzen, 20 Lüneburger Heide GmbH (Tourismus) Soltau-Fallingbostel, Celle und Unternehmen Landkreis Lüneburg, Hansestadt Hamburg und Mitgliedschaft des Landkreises Lüneburg im Hamburger 21 weitere Gebietskörperschaften aus dem Hamburger Verkehrsverbund Umland Übertragung der Aufgabenträgerschaft im Öffentlichen 22 Personennahverkehr (ÖPNV) und Fortführung des Sonder- Landkreis Lüneburg, Hansestadt Lüneburg angebotes „Familienkarte Stadtverkehr Lüneburg“ Verkehrsleistungen auf der Heide-Shuttle-Zubringerlinie Lüneburg-Döhle; Gemeinsame Auftragserteilung zur Er- 23 Landkreis Lüneburg, Hansestadt Lüneburg bringung der Verkehrsleistung an einen privaten Verkehrs- betrieb 24 Theater Lüneburg GmbH Landkreis Lüneburg, Hansestadt Lüneburg Fusion der Volkshochschulen in der Bildungs- und Kultur- 25 Landkreis Lüneburg, Hansestadt Lüneburg gGmbH (BuK) 26 Schulbiologie- und Umweltbildungszentrum (Schubz) Landkreis Lüneburg, Hansestadt Lüneburg Gemeinsame Schulentwicklungsplanung von Hansestadt und 27 Landkreis Lüneburg, Hansestadt Lüneburg Landkreis im Schulgrundsatzausschuss (Schulgutachten) 28 Musikschule Landkreis Lüneburg, Hansestadt Lüneburg 29 Integrative Beschulung - Förderschulen Landkreis Lüneburg, Hansestadt Lüneburg 30 Schulträgerschaft im Sek-Bereich Landkreis Lüneburg, Hansestadt Lüneburg Gemeinsame Durchführung der Rechnungsprüfung von drei Landkreise Lüneburg, Harburg, Lüchow-Dannenberg, 31 Landkreisen, zwei Städten und einer Gemeinde durch ein Hansestadt Lüneburg, Gemeinde Seevetal, Stadt Rechnungsprüfungsamt Buchholz 32 Nutzung des Metropol-Netzes der Hansestadt Landkreis Lüneburg, Hansestadt Lüneburg Erledigung von Vollstreckungsaufgaben für kreisangehörige Landkreis Lüneburg, Gemeinde Adendorf, Stadt 33 Gemeinden durch das Forderungsmanagement des Landkrei- Bleckede, Samtgemeinden Bardowick, Gellersen, ses Lüneburg Armelinghausen, Ilmenau, Ostheide, Dahlenburg 34 Gemeinsamer Internetauftritt Landkreis Lüneburg, Hansestadt Lüneburg Gemeinsame Wahrnehmung der Aufgaben der Gleichstel- 35 Landkreis Lüneburg, Hansestadt Lüneburg lungsbeauftragten 36 Gemeinsame Nutzung eines Internetzugangs Landkreis Lüneburg, Hansestadt Lüneburg Übertragung der Aufgaben der Personalabrechnung des 37 Landkreis Lüneburg, Hansestadt Lüneburg Landkreises Landkreis Lüneburg, Gemeinde Adendorf, Gemeinde IT-Leistungen für Gemeinden durch den Landkreis (Hosting, Amt Neuhaus, Stadt Bleckede, Samtgemeinden 38 MIGEWA, GIS) Bardowick, Gellersen, Amelinghausen, Ilmenau, Ostheide, Dahlenburg Nutzung der Kfz-Werkstattleistungen der Abwasser, Grün, 39 Landkreis Lüneburg, Hansestadt Lüneburg Lüneburg Service GmbH

307 Kommunalstrukturen in Nordostniedersachsen

Lfd. Nr. Laufende Maßnahmen Beteiligte

Zusammenarbeit im Bereich Sicherheit und Ordnung: 1. In der Ordnungsverwaltung: • Konzessionierung von Krankenanstalten (GewO) Æ Landkreis • Konzessionierung nach dem Heilpraktikergesetz Æ Landkreis 40 • Anträge auf Unabkömmlichstellung (UkV) Æ Land- Landkreis Lüneburg, Hansestadt Lüneburg kreis • Konzessionierung für den kleinen und großen Waf- fenschein (WaffG) Æ Landkreis • Konzessionierung nach dem Fahrlehrergesetz Æ Landkreis • Konzessionierung nach dem Personenbeförderungs- gesetz Æ Hansestadt 2. Im Feuerwehrwesen: • Schlauchpflege • Atemschutzprüfung • Reinigung der Arbeitsschutzkleidung • Prüfung hydraulischer Messgeräte Gemeinsame Organisation der Bekämpfung der 41 Landkreis Lüneburg, Hansestadt Lüneburg Schwarzarbeit Unterstützung des Kriminalpräventionsrates zum Schutz vor 42 Landkreis Lüneburg, Hansestadt Lüneburg Gewalt und Kriminalität Landkreis Lüneburg, Hansestadt Lüneburg, Stadt Bleckede, Gemeinden Adendorf und Amt Neuhaus, 43 Tierheim Samtgemeinden Amelinghausen, Bardowick, Dahlen- burg, Gellersen, Ilmenau, Ostheide, Scharnebeck Gemeinsame Belegung der Inobhutnahmestelle im städti- 44 Landkreis Lüneburg, Hansestadt Lüneburg schen Jugendhilfeverbund Landkreis Lüneburg, Stadt Bleckede, Samtgemeinde 45 Betrieb von Außenstellen der Kfz-Zulassungsbehörde Amelinghausen Gemeinsame Adoptionsvermittlungsstelle i. S. des §2 Abs.1 46 Landkreis Lüneburg, Hansestadt Lüneburg Satz 3 AdvermiG 47 Gemeinsames Familien(service)büro Landkreis Lüneburg, Hansestadt Lüneburg Landkreis Lüneburg, Hansestadt Lüneburg, Landkreis 48 Zentrale Pflegesatzverhandlungen in der Jugendhilfe Uelzen Mitaufnahme von Asylsuchenden aus den kreisangehörigen 49 Gemeindegebieten in der Sammelunterkunft der Hansestadt Landkreis Lüneburg, Hansestadt Lüneburg Lüneburg am Meisterweg 50 Gemeinsamer Integrationsbeirat Landkreis Lüneburg, Hansestadt Lüneburg Sozialhilfe und Grundsicherung; Heranziehung der Hanse- 51 stadt Lüneburg zur Durchführung der Aufgaben nach dem Landkreis Lüneburg, Hansestadt Lüneburg XII. Buch Sozialgesetzbuch 52 Erziehungsberatungsstelle Landkreis Lüneburg, Hansestadt Lüneburg Förderung der freien Wohlfahrtspflege („Frauen helfen 53 Landkreis Lüneburg, Hansestadt Lüneburg Frauen e.V.“) 54 Kooperierendes Seniorenservicebüro Landkreis Lüneburg, Hansestadt Lüneburg Gemeinsame Organisation des Vorbeugenden Brandschutzes 55 Landkreis Lüneburg, Hansestadt Lüneburg (Brandschutzprüfer)

308 Kommunalstrukturen in Nordostniedersachsen

Lfd. Nr. Laufende Maßnahmen Beteiligte

56 Einrichtung einer gemeinsamen Klimaschutzleitstelle Landkreis Lüneburg, Hansestadt Lüneburg Landkreis Lüneburg, Stadt Bleckede, Gemeinden Durchführung des Winterdienstes innerhalb der Ortsdurch- 57 Adendorf und Amt Neuhaus, Samtgemeinden Ame- fahrten auf Kreisstraßen linghausen und Bardowick Vereinbarung zur Lieferung und zum Laden von Salz und Landkreis Lüneburg, Nds. Landesamt für Straßenbau 58 Sole für Fremdstreufahrzeuge des Landes Niedersachsen auf und Verkehr Geschäftsbereich Lüneburg dem Betriebshof Breetze Vereinbarung zur Lieferung und zum Laden von Salz und Landkreis Lüneburg, Nds. Landesamt für Straßenbau 59 Sole für Fremdstreufahrzeuge des Landes Niedersachsen auf und Verkehr Geschäftsbereich Lüneburg dem Betriebshof Neuhaus Übertragung der Geschäftsbesorgung der Kreisstraßenunter- Landkreis Lüneburg, Neuhauser Deich- und Unterhal- 60 haltung der rechtselbisch gelegenen Kreisstraßen tungsverband (NDUV)

Landkreis Lüneburg, Stadt Bleckede, Gemeinden 61 Gemeinschaftsprojekte Straßenbau/Gehwege u.ä. Adendorf und Amt Neuhaus, Samtgemeinden Ame- linghausen und Bardowick

Verwertung (Ernte) und Pflege der sanierten Obstbaumal- Landkreis Lüneburg, Gemeinde Amt Neuhaus, Stadt 62 leen an Kreisstraßen (ca. 5.000 Obstbäume) auf rechtsel- Bleckede bisch gelegenen Kreisstraßen Betätigung der Klappbrücken Bardowick und Wittorf über Landkreis Lüneburg, Wasser- und Schifffahrtsamt 63 die Bundeswasserstraße Ilmenau für den Schifffahrtsverkehr Lauenburg Mitgliedschaft des Landkreises im Kommunalen Scha- Landkreis Lüneburg, weitere niedersächsische Kom- 64 densausgleich munen und Kommunalverbände Mitgliedschaft des Landkreises in der Niedersächsischen Landkreis Lüneburg, weitere niedersächsische 65 Versorgungskasse Kommunen und Kommunalverbände Mitgliedschaft des Landkreises in der Beihilfeumlagekasse Landkreis Lüneburg, weitere niedersächsische 66 der Nds. Versorgungskasse Kommunen und Kommunalverbände Gemeinsamer Betrieb einer Vervielfältigungsstelle auf dem 67 Landkreis Lüneburg, Hansestadt Lüneburg Gelände der PKL Landkreis Lüneburg, Hansestadt Lüneburg Stadt 68 Gemeinsamer Datenschutzbeauftragter beim Landkreis Bleckede, Einheits- und Samtgemeinden im Landkreis Gemeinsamer Einheitlicher Ansprechpartner im Rahmen der 69 Landkreis Lüneburg, Hansestadt Lüneburg Umsetzung der EU-Dienstleistungsrichtlinie Kooperationsvereinbarung über Nutzung eines elektroni- Landkreis Lüneburg, Landkreis Harburg, Hansestadt 70 schen Dokumentenmanagementsystems (DMS) Lüneburg Übertragung der Aufgaben des Landkreises Lüneburg nach 71 dem Aufenthaltsgesetz und dem Staatsangehörigkeitsgesetz Landkreis Lüneburg, Hansestadt Lüneburg auf die Hansestadt Lüneburg Mandatierende Wahrnehmung der dem Landkreis Lüneburg 72 obliegenden Aufgaben nach dem Nds. ZensAG durch die Landkreis Lüneburg, Hansestadt Lüneburg Hansestadt Lüneburg 73 Museumslandschaft Landkreis Lüneburg, Hansestadt Lüneburg Landkreis Lüneburg, Landkreis Harburg, weitere 74 Flusslandschaft Elbe GmbH und e.V. (Tourismus) Kommunen Gesamtschule mit Einzugsbereich (Schulbezirk) für Hanse- 75 Landkreis Lüneburg, Hansestadt Lüneburg stadt und Landkreis Quelle: Eigene, materiell unveränderte Darstellung auf Grundlage der entsprechenden Übersicht des Landkreises Lüneburg, 2011.

309 Kommunalstrukturen in Nordostniedersachsen

Tabelle 7.4-B: Übersicht zur IKZ der Stadt Lüneburg

Beginn der Lfd. Nr. Gegenstand der Kooperation Beteiligte Kooperation

1 Gemeinsamer Betrieb der Theater Lüneburg GmbH 1975 Landkreis Lüneburg, Hansestadt Lüneburg Beschulung von körperbehinderten Kindern an der 2 1991 Landkreis Lüneburg, Hansestadt Lüneburg GS Hasenburger Berg Gemeinsame Durchführung kommunaler Abfallwirt- 3 1994 Landkreis Lüneburg, Hansestadt Lüneburg schaft 4 Betreiben des SchuBZ 1995 Landkreis Lüneburg, Hansestadt Lüneburg Landkreis Lüneburg, Hansestadt Lüneburg, 5 Zentrale Pflegesatzvereinbarungen in der Jugendhilfe 1998 Landkreis Uelzen .6 Beschilderung von radtouristischen Routen 2000 Landkreis Lüneburg, Hansestadt Lüneburg Beschulung von geistig behinderten Kindern an der 7 2000 Landkreis Lüneburg, Hansestadt Lüneburg GS Igelschule (Hagen) Übertragung der Aufgabenträgerschaft im ÖPNV 8 2001 Landkreis Lüneburg, Hansestadt Lüneburg nach § 4 Abs. 3 NNVG i. d. Fassung vom 28.06.1995 Wirtschaftsförderungs-GmbH für Hansestadt und Sparkasse Lüneburg, Landkreis Lüneburg, 9 2001 Landkreis Lüneburg (WLG) Hansestadt Lüneburg Gemeinsame Zuwendungen an die Sparkassenstiftung 10 2001 Landkreis Lüneburg, Hansestadt Lüneburg „Neue Technologien für Schulen“ 11 Frauenhaus 2002 Landkreis Lüneburg, Hansestadt Lüneburg 12 Tätigkeit des Brandschutzprüfers 2002 Landkreis Lüneburg, Hansestadt Lüneburg Gemeinsames Betreiben einer gemeinsamen Einrich- tung zur Durchführung von vorläufigen Maßnahmen 13 2002 Landkreis Lüneburg, Hansestadt Lüneburg zum Schutz für Kinder und Jugendliche nach § 43 SGHB VIII (Inobhutnahmestelle) Landkreis Lüneburg, Hansestadt Lüneburg, Wirtschaftsförderungs-GmbH für Stadt 14 Gemeinsamer Betrieb einer Internetplattform 2003 und Landkreis Lüneburg, Lüneburg Mar- keting GmbH Auswirkung der Erweiterung des HVV auf die 15 2004 Landkreis Lüneburg, Hansestadt Lüneburg Hansestadt Lüneburg 16 Nutzung des Glasfasernetzes 2004 Landkreis Lüneburg, Hansestadt Lüneburg Vereinbarung zu § 72 BSHG für die Gewährung / 17 Bewilligung von Hilfen zur Überwindung besonderer 2005 Landkreis Lüneburg, Hansestadt Lüneburg sozialer Schwierigkeiten (jetzt § 67 SGB XII) Durchführung und Finanzierung von ambulanten Landkreis Lüneburg, Hansestadt Lüneburg, 18 sozialpädagogischen Maßnahmen für straffällige 2006 Albert-Schweitzer-Familienwerk e. V. Jugendliche Feuerwehrwesen: Wartung und Pflege der Lungen- 19 automaten und Atemschutzmasken durch die Feu- 2006 Landkreis Lüneburg, Hansestadt Lüneburg erwehr Lüneburg für die Kreisfeuerwehr Fortführung des Sonderangebotes „Familienkarte 20 Stadtverkehr Lüneburg“ (Bezug auf § 1 Abs. 3 der 2006 Landkreis Lüneburg, Hansestadt Lüneburg Vereinbarung zur HVV- Erw.)

310 Kommunalstrukturen in Nordostniedersachsen

Beginn der Lfd. Nr. Gegenstand der Kooperation Beteiligte Kooperation

Ordnungsverwaltung: • Konzessionierung von Krankenanstalten (Ge- wO) Æ Landkreis • Konzessionierung nach dem Heilpraktikerge- setz Æ Landkreis • Anträge auf Unabkömmlichstellung (UkV) Æ Landkreis 21 • Konzessionierung für kleinen + großen Waf- 2006 Landkreis Lüneburg, Hansestadt Lüneburg fenschein (WaffG) Æ Landkreis • Explosionsgefährliche Stoffe (SprengG) Æ Landkreis • Konzessionierung nach dem Fahrlehrergesetz Æ Landkreis • Konzessionierung nach dem Personenbeförde- rungsgesetz Æ Stadt Vereinbarung über die Wahrnehmung der Aufgaben 22 2005 Landkreis Lüneburg, Hansestadt Lüneburg zur Bekämpfung der Schwarzarbeit Beschaffung von IT-Dienstleistungen (Bereitstellung 23 2006 Landkreis Lüneburg, Hansestadt Lüneburg des Internetzugangs) Landkreise Lüneburg, Harburg, Lüchow- Dannenberg, Hansestadt Lüneburg, Ge- 24 Kooperationsgemeinschaft Rechnungsprüfungsamt 2007 meinde Seevetal (ab 2010 zudem: Stadt Buchholz) Verkehrsleistungen auf der Heide-Shuttle- 25 2007 Landkreis Lüneburg, Hansestadt Lüneburg Zubringerlinie Lüneburg-Döhle 26 Tierheim 2007 Landkreis Lüneburg, Hansestadt Lüneburg 27 Gemeinsamer Kriminalpräventionsrat 2007 Landkreis Lüneburg, Hansestadt Lüneburg 28 Bildung eines gemeinsamen Integrationsbeirates 2008 Landkreis Lüneburg, Hansestadt Lüneburg 29 Einrichtung einer gemeinsamen Klimaschutzleitstelle 2008 Landkreis Lüneburg, Hansestadt Lüneburg Zusammenarbeit auf dem Gebiet der Volkshochschu- 30 le (Fusion: Bildungs- und Kulturgesellschaft Lüne- 2008 Landkreis Lüneburg, Hansestadt Lüneburg burg gGmbH) 31 Gemeinsames Betreiben eines Seniorenservicebüros 2008 Landkreis Lüneburg, Hansestadt Lüneburg Inanspruchnahme der Werkstattleistungen (Wartung, 32 Pflege, Inspektionen, Reparaturen) der Werkstatt der 2008 Landkreis Lüneburg, Hansestadt Lüneburg Hansestadt durch den Landkreis Die Hansestadt führt die Bezüge-Sachbearbeitung 33 und -abrechnung für die Mitarbeiterinnen und Mitar- 2008 Landkreis Lüneburg, Hansestadt Lüneburg beiter namens und im Auftrag des Landkreises durch. Gesamtschule mit Einzugsbereich (Schulbezirk) für 34 2009 Landkreis Lüneburg, Hansestadt Lüneburg Hansestadt und Landkreis 35 Gemeinsames Betreiben des Familienservicebüros 2009 Landkreis Lüneburg, Hansestadt Lüneburg Gemeinsame Aufgabenwahrnehmung der Gleichstel- 36 2009 Landkreis Lüneburg, Hansestadt Lüneburg lungsbeauftragten Landkreis Lüneburg, Kommunen aus dem 37 Projekt „Breitbandversorgung“ 2009 Landkreis Lüneburg 38 Gemeinsame Adoptionsvermittlungsstelle 2009 Landkreis Lüneburg, Hansestadt Lüneburg

311 Kommunalstrukturen in Nordostniedersachsen

Beginn der Lfd. Nr. Gegenstand der Kooperation Beteiligte Kooperation

Gemeinsamer Betrieb einer Vervielfältigungsstelle 39 2009 Landkreis Lüneburg, Hansestadt Lüneburg auf dem Gelände der PKL Landkreis Lüneburg, Hansestadt Lüneburg, 40 Gemeinsamer Datenschutzbeauftragter beim LK 2010 Stadt Bleckede, Einheits- und Samtge- meinden im Landkreis Gemeinsamer Einheitlicher Ansprechpartner im 41 Rahmen der Umsetzung der EU- 2010 Landkreis Lüneburg, Hansestadt Lüneburg Dienstleistungsrichtlinie Kooperationsvereinbarung über Nutzung eines Landkreis Lüneburg, Landkreis Harburg, 42 elektronischen Dokumentenmanagementsystems 2010 Hansestadt Lüneburg (DMS) Übertragung der Aufgaben des Landkreises Lüneburg 43 nach dem Aufenthaltsgesetz und dem Staatsangehö- 2011 Landkreis Lüneburg, Hansestadt Lüneburg rigkeitsgesetz auf die Hansestadt Lüneburg Mandatierende Wahrnehmung der dem Landkreis 44 Lüneburg obliegenden Aufgaben nach dem Nds. 2011 Landkreis Lüneburg, Hansestadt Lüneburg ZensAG durch die Hansestadt Lüneburg Quelle: Eigene, materiell unveränderte Darstellung auf Grundlage der entsprechenden Übersicht der Stadt Lüneburg, 2011.

312 Kommunalstrukturen in Nordostniedersachsen

Tabelle 7.4-C: Übersicht zur IKZ des Landkreises Uelzen

313 Kommunalstrukturen in Nordostniedersachsen

Quelle: Landkreis Uelzen: Interkommunale Zusammenarbeit, 2011.

314 Kommunalstrukturen in Nordostniedersachsen

Tabelle 7.4-D: Übersicht zur IKZ des Landkreises Lüchow-Dannenberg

315 Kommunalstrukturen in Nordostniedersachsen

316 Kommunalstrukturen in Nordostniedersachsen

317 Kommunalstrukturen in Nordostniedersachsen

318 Kommunalstrukturen in Nordostniedersachsen

319 Kommunalstrukturen in Nordostniedersachsen

320 Kommunalstrukturen in Nordostniedersachsen

321 Kommunalstrukturen in Nordostniedersachsen

Quelle: Landkreis Lüchow-Dannenberg: Kooperation mit anderen Kommunen und anderen Einrichtungen, 2011.

322 Kommunalstrukturen in Nordostniedersachsen

7.5 Literatur- und Materialverzeichnis

Abgeordnetenhaus von Berlin: Dringlicher Antrag der Fraktion der CDU. Starke Bezirke – Starke Demokratie vor Ort, Drs. 15/2776, Berlin, 2005. AG „Organisation und Aufgabenstellung der Bezirke“: Berlin Erneuern, Schreiben an den Landesvorstand der SPD Berlin, Berlin, 2005. Akademie für erneuerbare Energien Lüchow Dannenberg GmbH: Geschäftsbericht 2010, Lüchow, 2010. Binder, J./Schwengler, B.: Neuer Gebietszuschnitt der Arbeitsmarktregionen im Raum Berlin und Brandenburg. Kritische Überprüfung der bisher gültigen Arbeitsmarktregionen und Vorschläge für einen Neuzuschnitt, Nürnberg, 2006. Bogumil, J./Kottmann, S.: Verwaltungsstrukturreform – die Abschaffung der Bezirksregierungen in Niedersach- sen, Ibbenbühren, 2006. Brüß, M.: Aussprache zu den Vorträgen von Bosch und Ipsen, in: Meyer, H./Wallerath, W. (Hg.), Gemeinden und Kreise in der Region, Stuttgart u.a., 2004. Bull, H.P.: Verfassungsrechtliche Rahmenbedingungen einer Funktional-, Struktur- und möglichen Kreisge- bietsreform in Schleswig-Holstein, Gutachten im Auftrag der Staatskanzlei Schleswig-Holstein, 2007. Bundesagentur für Arbeit: Arbeitslose nach Kreisen, Juni 2011. Bundesagentur für Arbeit: SGB II-Kennzahlen für interregionale Vergleiche mit interaktivem Analyse- tool, 2011. Bundesagentur für Arbeit: Sozialversicherungspflichtig Beschäftigte am Wohn- und Arbeitsort, 2011. Bundesregierung: Kabinettsbeschluss vom 27.01.2010 – Eckpunkte zum Bürokratieabbau und zur besseren Rechtsetzung in der 17. Legislaturperiode, Berlin, 2010b. Bundesregierung: Bericht der Bundesregierung 2010 zur Anwendung des Standardkosten-Modells und zum Stand des Bürokratieabbaus, Berlin, 2010a. Cassing, G.: Regionalisierung in Niedersachsen. Konzept zur Reform der Kreisebene, 2008. Danielzyk, R.: Regionale Kooperationsformen, in: Informationen zur Raumentwicklung, 9/10.1999, 577-586. Darsow/Gentner/Glaser/Meyer: Schweriner Kommentierung der Kommunalverfassung des Landes Mecklen- burg-Vorpommern, 3. Aufl., Schwerin, 2005. Deutscher Landkreistag: Der Kreis in der Reform, Lkr. 1974. Eckey, H.-F./Kosfeld, R./Türck, M.: Abgrenzung deutscher Arbeitsmarktregionen, Kassel, 2006. Eckey, H.F./Schwengler, B./Türck, M.: Vergleich von deutschen Arbeitsmarktregionen, Nürnberg, 2007. Eckey, H.-F./Stock, W.: Verbesserung der regionalen Wirtschaftsstruktur. Gesetz über die Gemeinschaftsaufga- be vom 6. Oktober 1969, in: Eberstein, H. H./Karl, H. (Hg.), Handbuch der regionalen Wirtschaftsförderung, 3. Aufl., Köln, 2001, Abschnitt V, 1-72 (17). Empter, S./Vehrkamp, R. B. (Hg.): Wirtschaftsstandort Deutschland, Wiesbaden, 2006. Ellwein, T./Hesse, J.J.: Der überforderte Staat, Frankfurt a.M., 1997. Ewer, W.: Gutachten zu den verfassungsrechtlichen Rahmenbedingungen einer Verwaltungsstruktur-, Funktio- nal- und Kreisgebietsreform, in: Landesregierung Schleswig-Holstein (Hg.), Gutachten zur Verwaltungsstruk- tur- und Funktionalreform in Schleswig-Holstein, Kiel, 2008, 130ff. Falter, J. W./Schoen, H. (Hg.): Handbuch Wahlforschung, Wiesbaden, 2005. Götz, A.: Die dezentralisierte Einheitsgemeinde. Eine Perspektive für Berlin und andere Metropolregionen, in: DEMO, 6/2005. Glücksburg Consulting Group: Machbarkeitsstudie. Akademie für Erneuerbare Energien im Landkreis Lü- chow-Dannenberg, Hamburg, 2007. Hansestadt Lüneburg: Haushaltsplan, 2011.

323 Kommunalstrukturen in Nordostniedersachsen

Hauptmeyer, C.-H.: Eigenverantwortliche Regionalentwicklung in Niedersachsen – Geschichte und Gegenwart, in: Neues Archiv für Niedersachsen, 1/2006. Hauptmeyer, C.-H.: Landesgeschichte und historische Regionalentwicklung im Überblick, Oldenburg, 2004. Heinz, W. u.a.: Interkommunale Kooperation in baden-württembergischen Stadtregionen: Stuttgart, Karlsruhe und Freiburg, Berlin, 2004. Hesse, J.J.: Handlungs- und zukunftsfähige Kommunalstrukturen. Der Fall Niedersachsen, Baden-Baden, 2011c. Hesse, J.J.: Kommunalstrukturen in Niedersachsen. Eine teilregionale Untersuchung für den Raum Südnieder- sachsen (Göttingen, Northeim, Osterode am Harz), Berlin, 2011b. Hesse, J.J.: Kommunalstrukturen in Niedersachsen. Eine teilregionale Untersuchung für den Raum Wolfsburg- Gifhorn-Helmstedt, Berlin, 2011a. Hesse, J.J.: Gutachterliche Stellungnahme zur Kommunal- und Verwaltungsreform in Rheinland-Pfalz, Ber- lin/Mainz, 2010. Hesse, J.J.: Arbeits- und Sozialverwaltung im Bundesstaat. Notwendiger Wettbewerb im SGB II, Baden-Baden, 2009/2010. Hesse, J.J.: Kreisgebietsreform in Mecklenburg-Vorpommern: Zur Einkreisung bislang kreisfreier Städte. Untersuchung im Auftrag des Innenministeriums Mecklenburg-Vorpommern. Berlin, 2009. Hesse, J.J.: Verwaltung erfolgreich modernisieren. Das Beispiel einer Kreisgebietsreform, Baden-Baden, 2008/2009. Hesse, J.J.: Determinanten einer Reform der Verwaltungsorganisation, in: Ipsen, J. (Hg.), Verwaltungsorganisa- tion in Flächenstaaten, Osnabrück, 2008d, 13-50. Hesse, J.J.: Kleinster gemeinsamer Nenner? Die Föderalismusreform II vor der Entscheidung, in: Zeitschrift für Staats- und Europawissenschaften (ZSE) 6/2, 2008c, 193-203. Hesse, J.J.: Verwaltungsstruktur- und Funktionalreform in Schleswig-Holstein, in: Landesregierung Schleswig- Holstein (Hg.), Gutachten zur Verwaltungsstruktur- und Funktionalreform in Schleswig-Holstein, Kiel, 2008b, 319ff. Hesse, J.J.: Strukturberichterstattung für die deutschen Gebietskörperschaften: Methodische Vorstudien. Unter- suchung im Auftrag des Niedersächsischen Ministeriums für Inneres, Sport und Integration, Berlin, 2008a. Hesse, J.J.: Der Bund in der Verantwortung: Plädoyer für eine nachhaltige Modernisierung von Regierung und Verwaltung, in: Zeitschrift für Staats- und Europawissenschaften (ZSE) 5/1, 2007d, 99-111. Hesse, J.J.: Verwaltungsstruktur- und Funktionalreform in Schleswig-Holstein. Untersuchung im Auftrag der Landesregierung Schleswig-Holstein, Berlin, 2007c. Hesse, J.J.: Was soll und kann Verwaltungsreform? Der Fall Niedersachsen, in: Niedersächsische Verwaltungs- blätter, 14/6, 2007b, 145-160. Hesse, J.J.: Aufgabenkritik, Funktional- und Strukturreform in den Flächenländern. Das Beispiel Saarland, Baden-Baden, 2007a. Hesse, J.J.: Regierungs- und Verwaltungsreform als gesamtstaatliche Aufgabe, in: Henneke, H.-G. (Hg.), Kommunale Verwaltungsstrukturen der Zukunft, Stuttgart u.a., 2006d, 141-188. Hesse, J.J.: Regierungs- und Verwaltungsreform im internationalen Vergleich: der Fall Neuseeland. Untersu- chung im Auftrag des Bundesministeriums des Innern, Berlin, 2006c. Hesse, J.J.: Regierungs- und Verwaltungsreform im internationalen Vergleich: der Fall Australien. Untersu- chung im Auftrag des Bundesministeriums des Innern, Berlin, 2006b. Hesse, J.J.: Raumordnung und Landesentwicklung. Reformoptionen für ein tradiertes Politikfeld, Baden-Baden, 2006a. Hesse, J.J.: Wider den Hochmut und die Gleichgültigkeit: die Professionalisierung Europas als Zukunftsaufga- be, in: Zeitschrift für Staats- und Europawissenschaften (ZSE) 3/4, 2005d, 620-649. Hesse, J.J.: Reorganisation der Hauptstadtverwaltung, Funktional- und Verwaltungsstrukturreform in Berlin. Gutachten im Auftrag der FDP-Fraktion im Abgeordnetenhaus von Berlin, Berlin, 2005c.

324 Kommunalstrukturen in Nordostniedersachsen

Hesse, J.J.: Modelle der Stadt-Umland-Organisation. Vergleichsanalyse und Schlussfolgerungen für den Raum Saarbrücken. Berlin/Saarbrücken, 2005b. Hesse, J.J.: Förderung der interkommunalen Zusammenarbeit in Niedersachsen. Zwischenbericht zur Untersu- chung im Auftrag des Niedersächsischen Ministeriums für Inneres und Sport, Berlin, 2005a. Hesse, J.J.: Überprüfung der kommunalen Verwaltungsstrukturen im Saarland. Untersuchung im Auftrag des Saarländischen Ministeriums für Inneres und Sport, Berlin/Saarbrücken, 2004b. Hesse, J.J.: Niedersachsen: Staatliche Repräsentanz in den Regionen. Funktion, Aufgaben und Organisation von „Regierungsbüros“. Gutachten im Auftrag des Gesprächskreises Weser-Ems, Berlin, 2004a. Hesse, J.J.: Regierungs- und Verwaltungsreform in Nordrhein-Westfalen. Eine Zwischenbilanz und Bewertung von Regierungs- wie Oppositionsvorschlägen, Berlin, 2003. Hesse, J.J.: Regierungs- und Verwaltungsreform in Hessen (II), Wiesbaden/Berlin, 2002c. Hesse, J.J.: Regierungs- und Verwaltungsreform in Bayern, München/Berlin, 2002b. Hesse, J.J.: Regierungs- und Verwaltungsreform in Baden-Württemberg, Stuttgart/Berlin, 2002a. Hesse, J.J.: Regierungs- und Verwaltungsreform in Sachsen-Anhalt, Magdeburg/Berlin, 2001. Hesse, J.J.: Regierungs- und Verwaltungsreform in Schleswig-Holstein, Kiel/Berlin, 2000c. Hesse, J.J.: Regierungs- und Verwaltungsreform in Rheinland-Pfalz, Mainz/Berlin, 2000b. Hesse, J.J.: Regierungs- und Verwaltungsreform in Mecklenburg-Vorpommern, Schwerin/Berlin, 2000a. Hesse, J.J.: Regierungs- und Verwaltungsreform in Nordrhein-Westfalen, Düsseldorf/Berlin, 1999b. Hesse, J.J.: Regierungs- und Verwaltungsreform in Brandenburg, Potsdam/Berlin, 1999a. Hesse, J.J.: Regierungs- und Verwaltungsreform in Hessen (I), Wiesbaden/Berlin, 1997. Hesse, J.J./Götz, A.: Mut zur Reform: „Hartz IV“ als Testfall für eine zukunftsfähige Arbeits- und Sozialord- nung, in: Zeitschrift für Staats- und Europawissenschaften (ZSE) 7/1, 2009b, 83-120. Hesse, J.J./Götz, A.: Der finanzielle Ertrag einer Verwaltungsreform. Methodische Grundlagen zur Ermittlung von Fusions- und Kooperationsrenditen, Baden-Baden, 2009a. Hesse, J.J./Götz, A.: Voraussetzungen der Selbstverwaltung. Zum Verhältnis von Ehrenamt und Gebietsgröße, Baden-Baden, 2008/2009. Hesse, J.J./Götz, A.: Gesetz zur Weiterentwicklung der Verwaltungsstrukturreform (VRWG) in Baden- Württemberg. Gutachterliche Stellungnahme. Berlin, 2008b. Hesse, J.J./Götz, A.: Evaluation der Arbeit und Wirkungsweise der Niedersächsischen Regierungsvertretungen (2005-2008). Untersuchung im Auftrag des Niedersächsischen Ministeriums für Inneres, Sport und Integration, Berlin, 2008a. Hesse, J.J./Götz, A.: Für eine zukunftsfähige Arbeits- und Sozialverwaltung. Aufgabenträgerschaft nach dem SGB II („Hartz IV“) 2005–2007, Baden-Baden, 2007. Hesse, J.J./Götz, A.: Kooperation statt Fusion? Interkommunale Zusammenarbeit in den Flächenländern, Ba- den-Baden, 2006. Hesse, J.J./Götz, A.: Struktur- und Kommunalisierungsbenchmark. Systematischer Ländervergleich zur Auf- bauorganisation und staatlich-kommunalen Zuständigkeitsverteilung, Berlin, 2005. Hesse, J.J./Götz, A.: Systematische Aufgabenkritik in der nordrhein-westfälischen Landesverwaltung. Auswer- tung der Aufgabenerhebung und Ansatzpunkte für die Neuordnung der Kompetenz- und Organisationsstruktu- ren, Berlin, 2004. Hesse, J.J./Götz, A.: Staatsreform in Deutschland – das Beispiel der Länder, in: Zeitschrift für Staats- und Europawissenschaften (ZSE) 4/2003 und folgende. Hesse, J.J./Götz, A./Schubert, S.: Reform der Hoheitsverwaltung. Das Beispiel der Finanzverwaltung in Baden- Württemberg, Baden-Baden, 2007. Hesse, J.J./Grotz, F.: „Flexibilisierung“ europäischer Politik als Weg aus der Krise? Verstärkte Zusammenar- beit, Offene Koordinierung und Grenzüberschreitende Regionalkooperation im Vergleich, in: Jahrbuch des öffentlichen Rechts (Neue Folge) 54, 2006, 607-628.

325 Kommunalstrukturen in Nordostniedersachsen

Hesse, J.J./Grotz, F.: Europa professionalisieren. Kompetenzordnung und institutionelle Reform im Rahmen der Europäischen Union, Berlin. 2005. Hinkel, K.-R.: Probleme bei der Auflösung der Stadt Lahn, in: Verwaltungsarchiv 71, 1980. Ipsen, J.: Niedersächsisches Kommunalrecht, 4. Aufl., Stuttgart, 2011. Janssen, A.: Die Auflösung der staatlichen Organisationsstruktur durch die politischen Parteien. Eine verfas- sungsrechtliche Stellungnahme zur Abschaffung der Bezirksregierungen in Niedersachsen, in: Die Verwaltung, 1/2010, 1 - 34. Landesbetrieb für Statistik und Kommunikationstechnologie Niedersachsen: Online-Datenbank, Hannover, 2011. Landesregierung Mecklenburg-Vorpommern: Gesetz zur Schaffung zukunftsfähiger Strukturen der Landkreise und kreisfreien Städte des Landes Mecklenburg-Vorpommern (Kreisstrukturgesetz), in: Gesetz- und Verord- nungsblatt für Mecklenburg-Vorpommern vom 28.07.2010, 366. Landkreis Celle: Haushaltsplan, 2011. Landkreis Harburg: Haushaltsplan, 2011. Landkreis Lüchow-Dannenberg: Haushaltsplan, 2011. Landkreis Lüchow-Dannenberg: Projekt Verwaltungsmodernisierung Lüchow-Dannenberg, Abschlussbericht, 2010. Landkreis Lüneburg: Ein Fünftel gespart dank Kooperation. Pressemitteilung vom 28.11.2006. Landkreis Lüneburg: Haushaltsplan, 2011. Landkreis Uelzen: Haushaltsplan, 2011. Landesverfassungsgerichts Mecklenburg-Vorpommern: Urteil 21/10 und 23/10 vom 18. August 2011. Martin, O.: „Regionale Identität“ und die kulturpolitische Praxis in Niedersachsen, Vortrag auf der Tagung „Kulturelle Identität“ am 14./15. Dezember 2007 in Hannover, ZEB Stephansstift. Meynen, E./Schmithüsen, J.: Handbuch der naturräumlichen Gliederung Deutschlands, Bad Godesberg, 1953ff. Ministerkonferenz für Raumordnung (MKRO): Leitbilder und Handlungsstrategien für die Raumentwicklung in Deutschland, Berlin, 2006. NBank: Wohnungsmarktbeobachtung 2010/11: Integrierte Entwicklung von Wohnstandorten und Regionen – Perspektive 2030, Hannover, 2011. Niedersächsisches Institut für Wirtschaftsforschung: Wirtschaftsstandorte und Arbeitsmarktverflechtungen im südlichen Niedersachen, Hannover, 2011c. Niedersächsisches Institut für Wirtschaftsforschung: Sonderberechnung auf Grundlage der Gemeindefinanz- rechnung des Landesbetriebs für Statistik und Kommunikationstechnologie, Hannover, 2011b. Niedersächsisches Institut für Wirtschaftsforschung: Regionalreport, Hannover, 2009. Niedersächsisches Ministerium für den ländlichen Raum, Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz: Erreichbarkeit der Mittel- und Oberzentren in Niedersachsen, Oktober 2006. Niedersächsisches Ministerium für Umwelt und Klimaschutz: Naturräumliche Regionen in Niedersachsen, Hannover, 2011. Oebbecke, J.: Überlegungen zur Größe von Verwaltungseinheiten - Eine Skizze, in: Henneke, H.-G. (Hg.), Optimale Aufgabenerfüllung im Kreisgebiet?, Stuttgart, 1999. Pappermann, E./Stollmann, F.: Kreisgebietsreform in den neuen Bundesländern: Kriterien für den Zuschnitt des Kreisgebietes und die Bestimmung des Kreissitzes, NVwZ, 1993. Poeschel, J.: Guter Rat nicht nur für Niedersachsen und seine Verwaltungsreform?, in: Niedersächsische Ver- waltungsblätter, 2/2011, 33-46. Rambøll Management Consulting: Abschlussbericht Konzeption für eine Gemeinsame Verbraucherschutz-, Veterinär- und Gesundheitsbehörde, Hamburg, 2009. Rothe, B.: Kreisgebietsreform und ihre verfassungsrechtlichen Grenzen, Baden-Baden, 2004.

326 Kommunalstrukturen in Nordostniedersachsen

Schröder, D.: Großkreise und Funktionalreform in dünn besiedelten Regionen: Vergleichende Betrachtungen zur Diskussion in Mecklenburg-Vorpommern, Rostock, 2004. Seitz, H.: Das Urteil des Landesverfassungsgerichts Mecklenburg-Vorpommern im Lichte sozialwissenschaftli- cher Evidenz, in: Büchner, C./Franzke, J./Nierhaus, M. (Hg.), Verfassungsrechtliche Anforderungen an Kreis- gebietsreformen. Zum Urteil des Landesverfassungsgerichts Mecklenburg-Vorpommern, Potsdam, 2008b, 83-103. Seitz, H.: Fiskalische und ökonomische Aspekte der Verwaltungsreform in Schleswig-Holstein, in: Landesregie- rung Schleswig-Holstein (Hg.), Gutachten zur Verwaltungsstruktur- und Funktionalreform in Schleswig- Holstein, Kiel, 2008a, 585ff. Seitz, H.: Fiskalische und ökonomische Effekte der Verwaltungsreform in Sachsen, 2007. Statistisches Bundesamt: Statistisches Jahrbuch 2010 für die Bundesrepublik Deutschland, Wiesbaden, 2010. WIBERA: Gutachten zum Personalbedarf eines neu gebildeten Landkreises, in: Landesrechnungshof Mecklen- burg-Vorpommern: Einspareffekte einer geplanten Kreisgebietsreform, Anlage 1, 2009.

Über die benannte Literatur hinaus wurden zahlreiche von den Landkreisen Lüneburg, Lüchow- Dannenberg und Uelzen sowie von der Stadt Lüneburg und kreisangehörigen Gemeinden des Unter- suchungsraums zur Verfügung gestellte Materialien ausgewertet, die aufgrund ihres Umfangs, ihrer Kleinteiligkeit und in Teilen vereinbarter Vertraulichkeit hier nicht im Einzelnen aufgeführt werden. Dies umfasst u.a. Organisations- und Geschäftsverteilungspläne (bzw. entsprechende funktionale Äquivalente), Verwaltungsberichte, Haushaltspläne, Produktbücher, Darstellungen zum Stand und Entwicklungsperspektiven der interkommunalen Zusammenarbeit, Drucksachen, Satzungen, Ordnun- gen sowie Eigenpräsentationen. Hinzu trat schließlich die Auswertung wichtiger Landes- und Regio- nalzeitungen.

327 Kommunalstrukturen in Nordostniedersachsen

7.6 Neuere Publikationen des ISE zur Regierungs- und Verwaltungsorganisation

Die nachfolgend aufgeführten praxisorientierten Veröffentlichungen des Internationalen Instituts für Staats- und Europawissenschaften (ISE), Berlin, verweisen auf aktuelle Arbeiten zu Regierungs- und Verwaltungsreformen auf europäischer, Bundes-, Landes- und kommunaler Ebene. Anfragen und Bezugswünsche richten Sie bitte direkt an das ISE.

• Die Reform der Zentralverwaltung in ausgewählten EU-Mitgliedstaaten, Berlin, 2011 (lfd.). • Benchmarking auf Bundes-, Landes- und kommunaler Ebene. Ein Sachstandsbericht, Berlin, 2011 (lfd.). • Entbürokratisierung auf der EU-Ebene – Vorstudie, Brüssel/Berlin, 2011 (lfd.). • Kommunalstrukturen in Niedersachsen: Eine teilregionale Untersuchung für den Raum Südnie- dersachsen (Göttingen, Northeim, Osterode am Harz). Im Auftrag der Landkreise Northeim und Göttingen. Zusatzbeauftragung durch die Kreise Osterode am Harz und Goslar sowie die Stadt Göttingen, 2011 (371 S.). • Kommunalstrukturen in Niedersachsen: Eine teilregionale Untersuchung für den Raum Wolfs- burg-Gifhorn-Helmstedt. Im Auftrag der Stadt Wolfsburg und der Landkreise Gifhorn und Helm- stedt, 2011 (288 S.). • Kommunalstrukturen in Niedersachsen. Untersuchung im Auftrag des Ministeriums für Inneres und Sport des Landes Niedersachsen, Berlin, 2010 (435 S.).* • Gutachterliche Stellungnahme zur Kommunal- und Verwaltungsreform in Rheinland-Pfalz. Untersuchung im Auftrag des Ministeriums des Innern und für Sport des Landes Rheinland-Pfalz, Berlin, 2010 (119 S.). • Die Internationalisierung der Wissenschaftspolitik - Nationale Wissenschaftssysteme im Ver- gleich. Vergleichende Untersuchung (Fallstudien: China, Finnland, Indien, Japan, Singapur, USA, Vereinigtes Königreich) im Auftrag des Bundesministeriums für Bildung und Forschung, Bonn/Berlin, 2009 (542 S.). • Kreisgebietsreform in Mecklenburg-Vorpommern: Zur Einkreisung bislang kreisfreier Städte. Untersuchung im Auftrag des Innenministeriums Mecklenburg-Vorpommern. Berlin, 2009, (56 S.). • Strukturberichterstattung für die deutschen Gebietskörperschaften: Methodische Vorstudien. Untersuchung im Auftrag des Niedersächsischen Ministeriums für Inneres, Sport und Integration, Berlin, 2008 (686 S.). • Evaluation der Aufgabenträgerschaft nach dem SGB II in Baden-Württemberg (2005–2008). Abschlussbericht. Untersuchung im Auftrag des Landkreistages Baden-Württemberg, Berlin, 2008 (295 S.). • Evaluation der Aufgabenträgerschaft nach dem SGB II (2005–2008). Abschlussbericht. Untersu- chung im Auftrag des Deutschen Landkreistages, Berlin, 2008 (621 S.).* • Evaluation der Aufgabenträgerschaft nach dem SGB II. Zusammenfassung der Untersuchungser- gebnisse. Untersuchung im Auftrag des Deutschen Landkreistages, Berlin, 2008 (73 S.). • Evaluation der Arbeit und Wirkungsweise der Niedersächsischen Regierungsvertretungen (2005– 2008). Untersuchung im Auftrag des Niedersächsischen Ministeriums für Inneres, Sport und In- tegration, Berlin, 2008 (265 S.). • Fusions- und Kooperationsrenditen auf der Kreisstufe in Schleswig-Holstein. Gutachten im Auftrag der Landesregierung Schleswig-Holstein, Berlin, 2008 (414 S.).*

328 Kommunalstrukturen in Nordostniedersachsen

• Gesetz zur Weiterentwicklung der Verwaltungsstrukturreform (VRWG) in Baden-Württemberg. Gutachterliche Stellungnahme. Berlin, 2008 (39 S.). • Kreisgröße und kommunales Ehrenamt. Untersuchung im Auftrag des Innenministeriums Meck- lenburg-Vorpommern. Berlin, 2008 (137 S.). • Evaluation der Aufgabenträgerschaft nach dem SGB II in Baden-Württemberg. Dritter Zwi- schenbericht. Untersuchung im Auftrag des Landkreistages Baden-Württemberg, Berlin, 2007 (117 S.).* • Evaluation der Aufgabenträgerschaft nach dem SGB II. Dritter Zwischenbericht. Untersuchung im Auftrag des Deutschen Landkreistages, Berlin, 2007 (316 S.).* • Stellungnahme im Rahmen der Sachverständigen-Anhörung der Kommission von Bundestag und Bundesrat zur Modernisierung der Bund-Länder-Finanzbeziehungen („Föderalismus- Kommission II“) – Verwaltungsthemen, Kommissionsdrs. 078, Berlin, 2007. • Verwaltungsstruktur- und Funktionalreform in Schleswig-Holstein. Untersuchung im Auftrag der Landesregierung Schleswig-Holstein, Berlin 2007 (392 S.).* • Aufgabenwahrnehmung in den ARGEn nach § 44b SGB II. Umsetzung gesetzlicher Vorgaben, Entscheidungsstrukturen und mögliche Defizite. Stellungnahme im Rahmen der Mündlichen Verhandlung zu den kommunalen Verfassungsbeschwerden 2 BvR 2433/04 und 2 BvR 2434/04, Bundesverfassungsgericht, Karlsruhe, 24.05.2007. • Evaluation der Aufgabenträgerschaft nach dem SGB II. Jahresbericht 2006. Untersuchung im Auftrag des Deutschen Landkreistages, Berlin, 2007 (213 S.).* • Gesetz zur Straffung der Behördenstruktur in Nordrhein-Westfalen (Gesetzentwurf – Drs. 14/2574). Stellungnahme zur öffentlichen Anhörung vor dem Ausschuss für Kommunalpolitik und Verwal- tungsstrukturreform des Landtages Nordrhein-Westfalen am 8. November 2006, Berlin, 2006 (8 S.). • Evaluation der Aufgabenträgerschaft nach dem SGB II in Baden-Württemberg. Zweiter Zwi- schenbericht. Untersuchung im Auftrag des Landkreistages Baden-Württemberg, Berlin, 2006 (61 S.).* • Regierungs- und Verwaltungsreformen im internationalen Vergleich: der Fall Australien. Unter- suchung im Auftrag des Bundesministeriums des Innern, Berlin, 2006 (46 S.). • Regierungs- und Verwaltungsreformen im internationalen Vergleich: der Fall Neuseeland. Unter- suchung im Auftrag des Bundesministeriums des Innern, Berlin, 2006 (41 S.). • Finanzverwaltung Baden-Württemberg: Aufgaben- und Organisationskritik. Untersuchung im Auftrag des Bundes der Steuerzahler Baden-Württemberg, Berlin, 2006 (213 S.).* • Evaluation der Aufgabenträgerschaft nach dem SGB II in Baden-Württemberg. Zweiter Zwi- schenbericht. Untersuchung im Auftrag des Landkreistages Baden-Württemberg, Berlin, 2006 (61 S.).* • Förderung der Interkommunalen Zusammenarbeit in Niedersachsen. Endbericht. Untersuchung im Auftrag des Niedersächsischen Ministeriums für Inneres und Sport, Berlin/Hannover, 2006 (257 S.).* • Evaluation der Aufgabenträgerschaft nach dem SGB II. Ergebnisse der zweiten Feldphase und der ersten flächendeckenden Erhebung. Untersuchung im Auftrag des Deutschen Landkreistages, Berlin, 2006 (60 S.).* • Verwaltungsmodernisierung im Bereich der Raumordnung und Landesentwicklung in Niedersach- sen. Untersuchung im Auftrag des Niedersächsischen Ministeriums für Inneres und Sport, Ber- lin/Hannover, 2006 (163 S.).* • Evaluation der Aufgabenträgerschaft nach dem SGB II – Erster Zwischenbericht. Untersuchung im Auftrag des Deutschen Landkreistages, Berlin, 2005 (123 S.).*

329 Kommunalstrukturen in Nordostniedersachsen

• Evaluation der Aufgabenträgerschaft nach dem SGB II in Baden-Württemberg – Erster Zwi- schenbericht. Untersuchung im Auftrag des Landkreistages Baden-Württemberg, Berlin, 2005 (143 S.).* • Modelle der Stadt-Umland-Organisation in der Bundesrepublik Deutschland. Vergleichsanalyse und Schlussfolgerungen für den Raum Saarbrücken. Untersuchung im Auftrag des Saarländi- schen Ministeriums für Inneres, Familie, Frauen und Sport, Berlin/Saarbrücken, 2005 (116 S.).* • Reorganisation der Hauptstadtverwaltung, Funktional- und Verwaltungsstrukturreform in Berlin. Gutachten im Auftrag der FDP-Fraktion im Abgeordnetenhaus von Berlin, Berlin, 2005 (140 S.).* • Förderung der Interkommunalen Zusammenarbeit in Niedersachsen. Zwischenbericht. Untersu- chung im Auftrag des Niedersächsischen Ministeriums für Inneres und Sport, Berlin/Hannover, 2005 (156 S.).* • Struktur- und Kommunalisierungsbenchmark. Systematischer Ländervergleich zur Aufbauorgani- sation und staatlich-kommunalen Zuständigkeitsverteilung (Bayern, Baden-Württemberg, Nieder- sachsen und Nordrhein-Westfalen). Untersuchung im Auftrag der Staatskanzlei des Landes Nord- rhein-Westfalen, Berlin, 2005 (74 S.). • Systematische Aufgabenkritik in der nordrhein-westfälischen Landesverwaltung. Auswertung der Aufgabenerhebung und Ansatzpunkte für die Neuordnung der Kompetenz- und Organisations- strukturen. Untersuchung im Auftrag der Staatskanzlei des Landes Nordrhein-Westfalen, Berlin, 2004 (161 S. zzgl. zweier Daten-CDs). • Überprüfung der kommunalen Verwaltungsstrukturen im Saarland. Untersuchung im Auftrag des Saarländischen Ministeriums für Inneres und Sport, Berlin/Saarbrücken, 2004 (590 S.). • Niedersachsen: Staatliche Repräsentanz in den Regionen. Funktion, Aufgaben und Organisation von „Regierungsbüros“. Gutachten im Auftrag des Gesprächskreises Weser-Ems, Berlin, 2004 (86 S.). • Regierungs- und Verwaltungsreform in Nordrhein-Westfalen. Eine Zwischenbilanz und Bewer- tung von Regierungs- wie Oppositionsvorschlägen. Untersuchung im Auftrag der Staatskanzlei des Landes Nordrhein-Westfalen, Berlin, 2003 (55 S.). • Europa professionalisieren. Kompetenzordnung, Effizienz und Transparenz im Rahmen der Europäischen Union. Untersuchung im Auftrag des Präsidiums des Bundes der Steuerzahler e. V., Berlin 2002 (133 S.). • Regierungs- und Verwaltungsreform in Hessen (II). Eine Aktualisierung des Gutachtens „Staats- reform in Deutschland – das Beispiel Hessen“. Untersuchung im Auftrag des Bundes der Steuer- zahler e.V., Wiesbaden/Berlin, 2002 (141 S.). • Regierungs- und Verwaltungsreform in Bayern. Untersuchung im Auftrag des Bundes der Steuer- zahler Bayern e. V., München/Berlin, 2002 (245 S.). • Regierungs- und Verwaltungsreform in Baden-Württemberg. Untersuchung im Auftrag des Bundes der Steuerzahler Baden-Württemberg e. V., Stuttgart/Berlin, 2002 (230 S.). • Regierungs- und Verwaltungsreform in Sachsen-Anhalt. Untersuchung im Auftrag des Bundes der Steuerzahler Sachsen-Anhalt e. V., Magdeburg/Berlin, 2001 (314 S.). • Regierungs- und Verwaltungsreform in Rheinland-Pfalz. Untersuchung im Auftrag des Bundes der Steuerzahler Rheinland-Pfalz e. V., Mainz/Berlin, 2000 (395 S.). • Regierungs- und Verwaltungsreform in Mecklenburg-Vorpommern. Untersuchung im Auftrag des Bundes der Steuerzahler Mecklenburg-Vorpommern e. V., Schwerin/Berlin, 2000 ( 331 S.). • Regierungs- und Verwaltungsreform in Schleswig-Holstein. Untersuchung im Auftrag des Bun- des der Steuerzahler Schleswig-Holstein e. V., Kiel/Berlin, 2000 (426 S.).

330 Kommunalstrukturen in Nordostniedersachsen

• Regierungs- und Verwaltungsreform in Brandenburg. Untersuchung im Auftrag des Bundes der Steuerzahler Brandenburg e. V., Potsdam/Berlin, 1999 (263 S.). • Regierungs- und Verwaltungsreform in Nordrhein-Westfalen. Untersuchung im Auftrag des Bundes der Steuerzahler Nordrhein-Westfalen e. V., Düsseldorf/Berlin, 1999 (284 S.). • Regierungs- und Verwaltungsreform in Hessen (I). Untersuchung im Auftrag des Bundes der Steuerzahler Hessen e. V., Wiesbaden/Berlin, 1997 (303 S.).

* In überarbeiteter Fassung erschienen im Rahmen der Schriftenreihe „Staatsreform in Deutschland und Europa. Der öffentliche Sektor im nationalen und internationalen Vergleich“.

Für international vergleichende Untersuchungen wird darüber hinaus auf die Schriftenreihen „Ab- handlungen zur Staats- und Europawissenschaft“ (ASE, Duncker & Humblot-Verlag, Berlin) und „Staatsreform in Deutschland und Europa“ (Nomos-Verlag, Baden-Baden) verwiesen.

Schriftenreihe: „Staatsreform in Deutschland und Europa. Der öffentliche Sektor im nationa- len und internationalen Vergleich“ (Nomos Verlag: Baden-Baden)

Bisher erschienene Bände:

• Hesse, Joachim Jens/Götz, Alexander: Kooperation statt Fusion? Interkommunale Zusammenar- beit in den Flächenländern, Band 1, Nomos: Baden-Baden, 2006 (249 S.). • Grotz, Florian: Europäisierung und nationale Staatsorganisation. Institutionenpolitik in föderalen und unitarischen EU-Staaten, Band 2, Nomos: Baden-Baden, 2007 (420 S.). • Hesse, Joachim Jens: Raumordnung und Landesentwicklung. Reformoptionen für ein tradiertes Politikfeld, Band 3, Nomos: Baden-Baden, 2006 (183 S.). • Hesse, Joachim Jens/Götz, Alexander: Für eine zukunftsfähige Arbeits- und Sozialverwaltung. Aufgabenträgerschaft nach dem SGB II („Hartz IV“) 2005-2007, Band 4, Nomos: Baden-Baden, 2007 (297 S.). • Hesse, Joachim Jens: Aufgabenkritik, Funktional- und Strukturreform in den Flächenländern. Das Beispiel Saarland, Band 5, Nomos: Baden-Baden, 2007 (547 S.). • Hesse, Joachim Jens/Götz, Alexander/Schubert, Simon: Reform der Hoheitsverwaltung. Das Beispiel der Finanzverwaltung in Baden-Württemberg, Band 6, Nomos: Baden-Baden, 2007 (219 S.). • Hesse, Joachim Jens/Lane, Jan-Erik/Nichikawa, Yoichi (eds.): The Public Sector in Transition. The European Union and East Asia compared, Band 7, Nomos: Baden-Baden, 2007 (372 S.). • Hesse, Joachim Jens/Götz, Alexander: Voraussetzungen der Selbstverwaltung. Zum Verhältnis von Ehrenamt und Gebietsgröße, Band 10, Nomos: Baden-Baden, 2008. (144 S.). • Hesse, Joachim Jens: Verwaltung erfolgreich modernisieren. Das Beispiel einer Kreisgebietsre- form, Band 11, Nomos: Baden-Baden, 2008. (395 S.). • Hesse, Joachim Jens/Götz, Alexander: Der finanzielle Ertrag einer Verwaltungsreform. Methodi- sche Grundlagen zur Ermittlung von Kooperations- und Fusionsrenditen, Band 12, Nomos: Ba- den-Baden, 2009 (432 S.). • Hesse, Joachim Jens: Arbeits- und Sozialverwaltung im Bundesstaat. Notwendiger Wettbewerb im SGB II, Band 13, Nomos: Baden-Baden, 2009/2010 (452 S.). • Hesse, Joachim Jens: Der Staat in der Fläche. Landesverwaltung ohne Mittelinstanz, Band 14, Nomos: Baden-Baden, 2011 (269 S.).

331 Kommunalstrukturen in Nordostniedersachsen

• Hesse, Joachim Jens: Handlungs- und zukunftsfähige Kommunalstrukturen. Der Fall Niedersach- sen, Nomos: Baden-Baden, 2011 (442 S.).

Weitere, in Vorbereitung befindliche Bände:

• Hesse, Joachim Jens: Neubau von Metropolverwaltungen. Reorganisation der Hauptstadtverwal- tung – Stadt-Umland-Organisation in Ballungsräumen, Band 9, Nomos: Baden-Baden, 2011 (i.E.). • Hesse, Joachim Jens/Fehrmann, Thomas: Formen der Regionalorganisation im Vergleich: EU, ASEAN, Mercosur, African Union, Band 15, Nomos: Baden-Baden, 2012 (i.V.).

Schriftenreihe: „Abhandlungen zur Staats- und Europawissenschaft“ (Duncker & Humblot: Berlin) • Hesse, Joachim Jens/Hood, Christopher/Peters, B. Guy: Paradoxes in Public Sector Reform, Band 1, Duncker & Humblot: Berlin, 2003. • Hesse, Joachim Jens/Grotz, F.: Europa professionalisieren. Kompetenzordnung und institutionelle Reform im Rahmen der Europäischen Union, Band 2, Duncker & Humblot: Berlin, 2005. • Hesse, Joachim Jens: Die Internationalisierung der Wissenschaftspolitik. Nationale Wissen- schaftssysteme im Vergleich, Band 3, Duncker & Humblot: Berlin, 2011.

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