Plenarprotokoll 15/42

Deutscher

Stenografischer Bericht

42. Sitzung

Berlin, Mittwoch, den 7. Mai 2003

Inhalt:

Tagesordnungspunkt 1: Auffassung der Bundesregierung zu der Be- hauptung, in den USA würden „die bürgerli- Befragung der Bundesregierung: Entwurf chen Freiheiten immer weiter eingeschränkt“ eines Gesetzes gegen den unlauteren Wettbewerb ...... 3435 A DringlAnfr 2 Karl-Theodor Freiherr von und , Bundesministerin BMJ . . . . 3435 B zu Guttenberg CDU/CSU Dr. Norbert Röttgen CDU/CSU ...... 3436 C Antw Kerstin Müller, Staatsministerin AA . . 3440 A Brigitte Zypries, Bundesministerin BMJ . . . . 3436 C ZusFr Karl-Theodor Freiherr von und Gudrun Kopp FDP ...... 3437 A zu Guttenberg CDU/CSU ...... 3440 A Brigitte Zypries, Bundesministerin BMJ . . . . 3437 A ZusFr Dr. Klaus Rose CDU/CSU ...... 3440 D Dr. Norbert Röttgen CDU/CSU ...... 3437 C Verlagerung des BND nach Berlin, Aus- Brigitte Zypries, Bundesministerin BMJ . . . . 3437 D gleichs- und Übergangsregelungen, Kosten; Finanzierung der Neubaumaßnahmen in Ber- Ulrike Höfken BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 3438 B lin durch Verkauf des BND-Geländes in Mün- chen-Pullach Brigitte Zypries, Bundesministerin BMJ . . . . 3438 B MdlAnfr 3, 4 Siegfried Kauder (Bad Dürrheim) CDU/CSU 3438 C CDU/CSU Brigitte Zypries, Bundesministerin BMJ . . . . 3438 D Antw , Staatsminister BK ...... 3441. . . . B, 3442 A Tagesordnungspunkt 2: ZusFr Johannes Singhammer CDU/CSU ...... 3441. . . . B, 3442 A Fragestunde (Drucksachen 15/901, 15/917) ...... 3439 B Gesamtaufwand und Verkaufserlöse bei der Verlagerung des BND von Pullach nach Berlin Einschätzung des Staatssekretärs Jürgen Chrobog hinsichtlich der Entwicklung der MdlAnfr 5 USA zu einem „Polizeistaat“ Georg Fahrenschon CDU/CSU DringlAnfr 1 Antw Rolf Schwanitz, Staatsminister BK . . . 3442 D Karl-Theodor Freiherr von und ZusFr Georg Fahrenschon CDU/CSU . . . . . 3443 A zu Guttenberg CDU/CSU ZusFr Johannes Singhammer CDU/CSU . . . 3443 B Antw Kerstin Müller, Staatsministerin AA . . 3439 B ZusFr Dr. Klaus Rose CDU/CSU ...... 3443 C ZusFr Karl-Theodor Freiherr von und zu Guttenberg CDU/CSU ...... 3439 C ZusFr Hartmut Koschyk CDU/CSU ...... 3443 D II Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 42. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 7. Mai 2003

Abgabe einer Stellungnahme im Verfahren Haltung bei den Verhandlungen zum Richtli- der Staatsanwaltschaft (50 Js 816/00) mit nienvorschlag des Rates über Mindestnormen Hilfe von Dr. B. Hirsch für die Anerkennung und den Status von Dritt- staatsangehörigen und Staatenlosen als Flücht- MdlAnfr 6, 7 linge oder als Personen, die anderweitig inter- CDU/CSU nationalen Schutz benötigen (RD 6566/03) Antw Rolf Schwanitz, Staatsminister BK . . . . 3444 A MdlAnfr 16, 17 ZusFr Eckart von Klaeden CDU/CSU . . . . . 3444 A Hartmut Koschyk CDU/CSU Antw Fritz Rudolf Körper, Parl. Staatssekretär ZusFr CDU/CSU ...... 3445 B BMI ...... 34 . .5 .1 . A, 3452 A ZusFr Karl-Theodor Freiherr von und ZusFr Hartmut Koschyk CDU/CSU 3451 A, 3452 B zu Guttenberg CDU/CSU ...... 3445 C ZusFr Dr. Ole Schröder CDU/CSU 3451 D, 3452 C ZusFr Dr. Klaus Rose CDU/CSU ...... 3445 D ZusFr Siegfried Kauder (Bad Dürrheim) Antisemitische Straftaten im ersten Quartal CDU/CSU ...... 3445 D 2003 ZusFr Dr. Ole Schröder CDU/CSU ...... 3446 B MdlAnfr 18 fraktionslos ZusFr Georg Fahrenschon CDU/CSU ...... 3446 C Antw Fritz Rudolf Körper, Parl. Staatssekretär ZusFr CDU/CSU ...... 3446 C BMI ...... 3452 D ZusFr Petra Pau fraktionslos ...... 3453 A Aussage des stellvertretenden amerikanischen Verteidigungsministers Wolfowitz zur Be- Berücksichtigung des Willkürverbots und der kämpfung des Terrorismus; Wiedergabe sei- Intention des § 36 BBG bzw. des § 31 BRRG ner Äußerungen aus einem „privaten Treffen“ bei der Versetzung politischer Beamter wie mit Außenminister Fischer zum Beispiel Uwe-Karsten Heye in den einst- MdlAnfr 8, 9 weiligen Ruhestand; Auswirkungen der Tä- Ruprecht Polenz CDU/CSU tigkeit von Uwe-Karsten Heye als General- konsul auf die Versorgungsbezüge Antw Kerstin Müller, Staatsministerin AA 3447 A, B MdlAnfr 19, 20 ZusFr Ruprecht Polenz CDU/CSU ...... 3447 A, B Bernhard Kaster CDU/CSU ZusFr Eckart von Klaeden CDU/CSU . . . . . 3447 D Antw Fritz Rudolf Körper, Parl. Staatssekretär BMI ...... 34. . 5. 3. B, 3454 A ZusFr Dr. Klaus Rose CDU/CSU ...... 3447 D ZusFr Bernhard Kaster CDU/CSU 3453 B, 3454 B Erteilte Aufträge für den Wiederaufbau im ZusFr Georg Fahrenschon CDU/CSU 3453 D, 3454 D Irak; Vergabeverfahren MdlAnfr 10, 11 Auswirkungen der Neuregelung des UstG auf Dr. Rainer Stinner FDP die Besteuerung von Schulspeisungen Antw Kerstin Müller, Staatsministerin AA 3448 B, D MdlAnfr 23 Petra Pau fraktionslos ZusFr Dr. Rainer Stinner FDP ...... 3448 B Antw Dr. Barbara Hendricks, Parl. Staats- sekretärin BMF ...... 3455 A Haltung bei den Verhandlungen zum Richtli- nienvorschlag des Rates über Mindestnormen ZusFr Petra Pau fraktionslos ...... 3455 A für die Anerkennung und den Status von Dritt- staatsangehörigen und Staatenlosen als Flücht- Höhe der Ansätze sowie der Ist-Ausgaben für linge oder als Personen, die anderweitig inter- das Arbeitslosengeld durch die Bundesanstalt nationalen Schutz benötigen (RD 6566/03) für Arbeit von 1999 bis 2003, Einsparungen 2003; Verhängung von Sperrzeiten für Ar- MdlAnfr 12, 13 beitslosengeldempfänger Dr. Ole Schröder CDU/CSU MdlAnfr 26, 27 Antw Fritz Rudolf Körper, Parl. Staatssekretär Dr. Gesine Lötzsch fraktionslos BMI ...... 3449 . . . . A, 3450 A Antw , Parl. Staatssekretär ZusFr Dr. Ole Schröder CDU/CSU 3449 B, 3450 B BMWA ...... 3455 D ZusFr Hartmut Koschyk CDU/CSU 3449 D, 3450 C ZusFr Dr. Gesine Lötzsch fraktionslos . . . . . 3456 A Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 42. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 7. Mai 2003 III

Berücksichtigung des Parlamentsvorbehalts Petra Selg BÜNDNIS 90/DIE gemäß Drucksache 15/576 im EU-Ver- GRÜNEN ...... 3464 C handlungsangebot für die GATS-Verhand- lungen Dr. Heinrich L. Kolb FDP ...... 3465 B Helga Kühn-Mengel SPD ...... 3466 B MdlAnfr 28, 29 Erich G. Fritz CDU/CSU CDU/CSU ...... 3467 B

Antw Gerd Andres, Parl. Staatssekretär BÜNDNIS 90/DIE BMWA ...... 3457 C GRÜNEN ...... 3468 B

ZusFr Erich G. Fritz CDU/CSU ...... 3458 B Dr. Erika Ober SPD ...... 3469 A Dorothee Mantel CDU/CSU ...... 3469 D Kenntnis des Bundesministers Clement von der Durchführung einer in der „Bild“-Zeitung Dr. Marlies Volkmer SPD ...... 3470 D vom 28. April 2003 beschriebenen Amerika- Erich G. Fritz CDU/CSU ...... 3471 C Reise durch den Parlamentarischen Staats- sekretär Rezzo Schlauch; Maßnahmen ange- Dr. SPD ...... 3472 C sichts der ehemaligen Bonusmeilenaffäre Klaus Brähmig CDU/CSU ...... 3473 C MdlAnfr 30 Peter Dreßen SPD ...... 3474 C Georg Fahrenschon CDU/CSU

Antw Gerd Andres, Parl. Staatssekretär Nächste Sitzung ...... 3475 C BMWA ...... 3458 D

ZusFr Georg Fahrenschon CDU/CSU ...... 3459 A Berichtigung ...... 3475 B

ZusFr Dorothee Mantel CDU/CSU ...... 3459 C Anlage 1 ZusFr CDU/CSU ...... 3459 D Liste der entschuldigten Abgeordneten . . . . . 3477 A ZusFr CDU/CSU ...... 3460 B

Nutzung des bundeseigenen Meeresbodens Anlage 2 zur Errichtung von Offshore-Windenergie- Haltung bei den Verhandlungen zum Richt- anlagen unter Voraussetzung des Abschlusses linienvorschlag des Rates zum Status lang- eines zivilrechtlichen Nutzungsvertrages mit fristig aufhältiger Drittstaatsangehöriger (RD Betreiberunternehmen, Vertragsabschlüsse; 8237/01) Vertragsverhandlungen mit Betreiberunter- nehmen MdlAnfr 14, 15 CDU/CSU MdlAnfr 40, 41 Gitta Connemann CDU/CSU Antw Fritz Rudolf Körper, Parl. Staatssekretär BMI...... 3477 C Antw Achim Großmann, Parl. Staatssekretär BMVBW ...... 3460 . . . . C, 3461 A Anlage 3 ZusFr Gitta Connemann CDU/CSU 3460 D, 3461 A Unterstützung der Eigenkapitalbildung von kleinen und mittelständischen Unternehmen Zusatztagesordnungspunkt 1: MdlAnfr 21, 22 Klaus Hofbauer CDU/CSU Aktuelle Stunde auf Verlangen der Frak- tionen der SPD und des Bündnisses 90/ Antw Dr. Barbara Hendricks, Parl. Staats- DIE GRÜNEN: Situation im Hinblick sekretärin BMF ...... 3477 C auf das akute Atemwegssyndrom (SARS) in der Bundesrepublik Anlage 4 Marion Caspers-Merk, Parl. Staatssekretärin BMGS ...... 3461 D Maßnahmen zur Sicherstellung der flächen- deckenden Versorgung; insbesondere im Annette Widmann-Mauz CDU/CSU ...... 3463 C Bereich von Altersheimen, Senioren- und IV Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 42. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 7. Mai 2003

Wohnheimen mit wohnortnahen Brief- Minijob-Zentrale; Auswirkungen auf die Ar- kästen beitsplatzsituation in den bisher dafür zustän- digen Krankenkassen MdlAnfr 24, 25 CDU/CSU MdlAnfr 35, 36 Barbara Lanzinger CDU/CSU Antw Gerd Andres, Parl. Staatssekretär BMWA...... 3478 C, D Antw Marion Caspers-Merk, Parl. Staats- sekretärin BMGS ...... 3480 C

Anlage 5 Anlage 8 Einführung von Probierpackungen für Medi- kamente; Test der Wirkungsweise von Arz- Zeitgleiche Aufnahme der Erweiterung der A 5 neimitteln vom Autobahnkreuz Gambach bis zum geplan- MdlAnfr 31, 32 ten Anschluss der A 49 bei Gemünden mit der Matthäus Strebl CDU/CSU Erweiterung des Abschnittes Autobahnkreuz Bad Homburg bis Autobahnkreuz Gambach in Antw Marion Caspers-Merk, Parl. Staats- den vordringlichen Bedarf des Bundesver- sekretärin BMGS...... 3479 A, B kehrswegeplans; Berücksichtigung der Ortsum- gehungen auf der B 489 (Hungen) und Einstu- fung der Ortsumgehung Reiskirchen an der B 49 Anlage 6 MdlAnfr 37, 38 Konsequenzen aus der Studie bezüglich Mu- Dr. FDP sikschallpegelbegrenzungen; Festsetzung ver- bindlicher Grenzwerte für die zulässige Antw Achim Großmann, Parl. Staats- Musiklautstärke in Diskotheken sekretär BMVBW ...... 3481 A, B MdlAnfr 33, 34 CDU/CSU Anlage 9 Antw Marion Caspers-Merk, Parl. Staats- Fertigstellung der Verbindung der B 178 mit sekretärin BMGS...... 34 . .7 .9 . C, 3480 A der tschechischen Staatsstraße R 35 MdlAnfr 39 Anlage 7 CDU/CSU Kosten der Zentralisierung des Beitragsein- Antw Achim Großmann, Parl. Staats- zugs für geringfügig Beschäftigte über die sekretär BMVBW ...... 3482 A Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 42. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 7. Mai 2003 3435

(A) (C) Redetext

42. Sitzung

Berlin, Mittwoch, den 7. Mai 2003

Beginn: 13.00 Uhr

Vizepräsident Dr. : nehmen kann, wenn man auch etwas kauft. Eine Aus- Guten Tag, liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich be- nahme besteht – das wissen Sie – für Tageszeitungen. grüße Sie alle sehr herzlich. Die Sitzung ist eröffnet. Eine weitere Neuerung in diesem Gesetzentwurf ist Ich rufe Tagesordnungspunkt 1 auf: die Abschaffung der Sonderverkäufe, des Winterschluss- verkaufes und des Sommerschlussverkaufes; darüber Befragung der Bundesregierung wurde in den Zeitungen schon berichtet. Sie wissen, dass diese Zeiten schon bisher aufgeweicht wurden, da zahl- Die Bundesregierung hat als Thema der heutigen Ka- reiche Geschäfte vor dem eigentlichen Sommer- und binettssitzung mitgeteilt: Entwurf eines Gesetzes gegen Winterschlussverkauf Sonderangebote bei ihren Waren den unlauteren Wettbewerb. gemacht haben. Wir glauben, dass die feste Bezeichnung Das Wort für den einleitenden Bericht hat die Bundes- dieser jeweils zwei Wochen im Jahr nicht mehr zeit- ministerin der Justiz, Brigitte Zypries. gemäß ist, und haben deswegen diese Regelung aufge- (B) nommen. Wir ermöglichen es dem Handel aber, sich auf (D) solche Zeiten zu verständigen. Abgesprochene Sonder- Brigitte Zypries, Bundesministerin der Justiz: verkäufe sind also nicht unzulässig. Der Handel in einer Das Bundeskabinett hat heute den Entwurf eines Ge- Region oder einer Stadt kann, wenn er es will, sich auf setzes gegen den unlauteren Wettbewerb beschlossen. solche verständigen, zum Beispiel anlässlich eines Stadt- Mit diesem Gesetz setzen wir fort, womit wir bereits in festes. Das wird nicht verhindert. der letzten Legislaturperiode begonnen hatten, nämlich die Liberalisierung des Wirtschaftsmarktes hinsichtlich Ein weiterer Punkt, den wir in den Gesetzentwurf auf- der Beschränkungen im Handel. In der letzten Legisla- genommen haben, ist das ausdrückliche Verbot der irre- turperiode wurden das Rabattgesetz und die Zugabever- führenden Werbung. Sie alle kennen die Werbeangebote ordnung aufgehoben, jetzt haben wir das Gesetz gegen „Solange der Vorrat reicht“. Die Unternehmer sind, den unlauteren Wettbewerb modernisiert. wenn sie solche Angebote machen, künftig verpflichtet, eine angemessene Stückzahl dieser Produkte vorzuhal- Mit dieser Novelle ist insofern ein Meilenstein gesetzt ten. Es soll nicht mehr passieren, dass man eine Viertel- worden, als wir in § 1 des Gesetzentwurfes die Verbrau- stunde nach Geschäftsöffnung gesagt bekommt, es sei cherinnen und Verbraucher als Schutzobjekte aufgenom- schon alles ausverkauft, man könne aber ein anderes men haben. Erstmals werden sie ausdrücklich in dem Produkt bekommen, das etwas teurer sei. So etwas wol- Gesetz erwähnt. len wir vermeiden. Ebenso wollen wir vermeiden, dass mit so genannten Mondpreisen geworben wird. Wenn Bestehen bleibt im Gesetzentwurf die Generalklausel also ein Anbieter Produkte zu einem deutlich vergünstig- gegen den unlauteren Wettbewerb, die sich unserer An- ten Preis anbietet, dann muss er sie vorher zu einem hö- sicht nach bewährt hat. Wir haben in § 4 des Entwurfes heren Preis eine bestimmte Zeit lang im Sortiment ge- Beispielsfälle aufgenommen, die die Rechtsprechung in habt haben. Deutschland in den letzten Jahren zum unlauteren Wett- bewerb entwickelt hat. So werden die Schleichwerbung, Um die belästigende Werbung, unter der viele von die Ausnutzung der Unerfahrenheit von Kindern und Ju- uns leiden, etwas zu reglementieren, haben wir § 7, der gendlichen als Konsumenten sowie die Beeinträchtigung einen eigenständigen Tatbestand enthält, eingeführt. Da- der Entscheidungsfreiheit der Verbraucherinnen und nach handelt es sich unter anderem bei der Werbung Verbraucher ausdrücklich verboten. Hierzu zählt bei- über Telefonanrufe, über Faxgeräte oder über die elek- spielsweise eine Koppelung von Gewinnspielen mit tronische Post, also den E-Mail-Verkehr, um eine unzu- Kaufangeboten. Sie alle kennen diese Art von Angebo- mutbare Belästigung, wenn der Empfänger nicht einwil- ten, bei denen man nur dann an einem Gewinnspiel teil- ligt. 3436 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 42. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 7. Mai 2003

Bundesministerin Brigitte Zypries (A) Bei vorsätzlichen Verstößen gegen das Gesetz gegen Dr. Norbert Röttgen (CDU/CSU): (C) den unlauteren Wettbewerb sehen wir jetzt einen An- Herr Präsident! Ich hatte erstens gehofft, dass Sie den spruch auf Gewinnabschöpfung vor. Nach unserer Vor- Hinweis auf mein nicht rechtzeitiges Erscheinen unter- stellung betrifft das vor allen Dingen die Fälle, in denen lassen würden, und zweitens, dass ich eine kleine Ver- eine Vielzahl von Verbrauchern mit relativ geringen schnaufpause haben würde. Ich bin aber gerne bereit und Kosten belastet wird. In diesem Zusammenhang bringe interessiert, eine Frage zu stellen. ich immer ein Standardbeispiel. Dabei geht es um die unerwünschte Zusendung eines Fax. Auf diesem steht, Der Anspruch auf Gewinnabschöpfung ist in seiner dass man es, wenn man es zukünftig nicht mehr erhalten konzeptionellen Begründung zu begrüßen. Er zielt da- will, bitte zurückschicken möge, nachdem man das ent- rauf ab, wettbewerbswidrig erzielte Früchte zu neutrali- sprechende Kästchen angekreuzt hat. Wenn man dieses sieren. Es stellt sich allerdings die Frage nach der Prak- Fax dann zurückschickt, wird die Telefonrechnung mit tikabilität insbesondere der Gewinnermittlung. Wie 3 Euro belastet. Für den einzelnen Teilnehmer ist das na- wollen Sie den Gewinn in seiner Kausalität bezogen auf türlich keine besonders hohe Summe. In der Regel ärgert wettbewerbswidrige Handlungen ermitteln? Was ist der man sich über so etwas, man tut aber nichts dagegen. Für Gewinn, der durch eine irreführende Werbung erzielt denjenigen, der so etwas initiiert, entsteht natürlich ein wird? Wie wollen Sie ihn gegenständlich begrenzen? enormer Gewinn, wenn er dieses Fax an 100 000 Men- Der Gewinn errechnet sich durch Abzug der Kosten. In schen verschickt. welchem Ausmaß wird der Klagegegner in einem Pro- zess verpflichtet, über seine Kosten Auskunft zu geben? Deshalb haben wir beschlossen, dass sich die Verbrau- Sie sehen bei einem Rechtsstreit keinen Auskunftsan- cherverbände um solche Fälle kümmern sollen. Künftig spruch vor. – Wie beantworten Sie diese Fragen? Wie kann man sich also an die Verbraucherverbände wenden schätzen Sie die Praktikabilität der Geltendmachung die- und ihnen sagen, sie mögen dort tätig werden. Diese ha- ses Anspruchs auf Gewinnabschöpfung ein? Ich glaube, ben andere Möglichkeiten, um gegen solche betrügeri- Sie müssen den Praktikern diese Fragen beantworten. schen Unternehmer – so muss man sie bezeichnen – vor- zugehen und den Gewinn abzuschöpfen; das sieht das Vizepräsident Dr. Norbert Lammert: Gesetz vor. Die Verbraucherverbände bekommen die ih- nen entstandenen Kosten ersetzt und der abgeschöpfte Frau Ministerin. Gewinn fließt an die Staatskasse. Ich glaube, das ist im Ergebnis nur recht und billig. Brigitte Zypries, Bundesministerin der Justiz: Wir meinen, dass wir damit ein Gesetz geschaffen ha- Herr Röttgen, Sie haben völlig Recht: Immer wenn (B) ben, welches auf einer breiten Basis steht. Es ist von ei- ein neues Instrument eingeführt wird, dauert es eine Zeit (D) ner Kommission, die vom Bundesjustizministerium ein- lang, bis man sich in der Praxis darauf eingestellt hat. gesetzt wurde und die sich mit zahlreichen Punkten in Nun ist es aber so, dass dieses Instrument nicht neu ist. diesem Bereich befasst hat – diese hat sie zur konkreten Im Zivilprozess müssen in zahlreichen Fällen die ent- Regelung vorgeschlagen –, erarbeitet worden. Wir glau- standenen Kosten geschätzt werden. Denken Sie zum ben, dass es ein modernes Gesetz ist, weil in ihm, wie Beispiel an den Streit über die Angemessenheit einer gesagt, erstmals die Verbraucher als Schutzobjekte be- Werklohnforderung. Für solche Fälle gibt es entspre- nannt werden. Wir meinen, dass wir damit einen guten chende Instrumentarien. Ausgleich zwischen den Interessen des Handels und den Ich erinnere an mein Beispiel, das Sie vielleicht vor- Interessen der Verbraucher gefunden haben. hin nicht mitbekommen haben und das ich deshalb gerne wiederhole, die unerwünschte Zusendung eines Fax. Auf europäischer Ebene werden derzeit vergleichbare Darauf steht dann unten: Wenn Sie diese Informationen Überlegungen angestellt. Die Bundesregierung ist sehr künftig nicht mehr erhalten wollen, kreuzen Sie Nein an bemüht darum und daran interessiert, dieses Gesetz als und schicken Sie das Fax zurück. – In diesem Fall aber Modellgesetz auch auf die europäische Ebene zu trans- werden 3 Euro abgebucht. Passiert so etwas bei einer portieren, um damit auch dort den notwendigen Aus- Vielzahl von Menschen, kann der Verbraucherschutzver- gleich zwischen den Interessen der Verbraucher und den band, der in einem solchen Fall für den Verbraucher die Interessen des Wettbewerbs herzustellen. Klage erheben würde, vor Gericht einen Auskunftsan- spruch gegen den Faxversender geltend machen, um he- Vizepräsident Dr. Norbert Lammert: rauszufinden, wie viele Faxe versandt und wie viele zu- rückgeschickt worden sind. Ich glaube, das ist ohne Vielen Dank, Frau Ministerin. Weiteres möglich. Dass der Umsatz nicht dem Gewinn entspricht, wissen wir beide. Die Kosten – das haben Sie Gibt es Rückfragen zu diesem Bericht? – Herr Kol- bereits angesprochen – werden vom Umsatz abgezogen. lege Röttgen. Ich muss gestehen: Ich bin optimistisch, dass die Ge- (Brigitte Zypries, Bundesministerin: Er war richte in der Lage sein werden, mit diesen Problemen gar nicht anwesend!) umzugehen. Im Übrigen erhoffe ich mir – insofern ist es gut, dass Sie gerade zu diesem Thema eine Nachfrage Fragen Sie aber bitte nicht, ob kurz zusammengefasst gestellt haben – durch die öffentliche Kommunikation werden könnte, was gerade vorgetragen wurde. der Einführung eines solchen Anspruchs einen hinrei- Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 42. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 7. Mai 2003 3437

Bundesministerin Brigitte Zypries (A) chenden Abschreckungseffekt. Diese Regelung hat, wie Brigitte Zypries, Bundesministerin der Justiz: (C) immer, eine gewisse präventive Wirkung. Das Beste Ja, das ist es. wäre natürlich, die Menschen würden so etwas erst gar nicht machen. Dann wäre es nicht notwendig, in dieser (Gudrun Kopp [FDP]: Danke.) Form darauf zu reagieren. Vizepräsident Dr. Norbert Lammert: Vizepräsident Dr. Norbert Lammert: Herr Röttgen. Die nächste Frage kommt von Frau Kollegin Kopp. Dr. Norbert Röttgen (CDU/CSU): Gudrun Kopp (FDP): Ich erlaube mir, erneut eine Nachfrage zu dem eben Frau Ministerin, vom Grundsatz her ist die Änderung angesprochenen Anspruch auf Gewinnabschöpfung zu des UWG tatsächlich zu begrüßen. Aber der Gewinnab- stellen, weil ich es für wichtig halte, dass wir uns von schöpfungsanspruch ist ein bisschen komplizierter, als Beginn an dieser Problematik stellen. Sie es eben dargestellt haben. Das wird sich in der Praxis Ich möchte noch einmal betonen, dass mir dieser An- als hoch kompliziert erweisen; denn es ist nicht so ein- spruch ordnungspolitisch durchaus geboten erscheint, fach, hier die Gewinne zu ermitteln. weil er den wettbewerbswidrigen und insofern unge- Meine Nachfrage bezieht sich auf die von Ihnen eben rechtfertigten Vorteil neutralisiert. Allerdings haben Sie genannte Verhinderung von Mondpreisen. Es geht da- meine Fragen nicht beantwortet. Man kann nicht ein sol- rum, dass der reduzierte Artikel vorher eine gewisse Zeit ches Gesetz auflegen und sagen: Mal sehen, wie es wird. lang mit einem höheren Preis ausgezeichnet worden war. Ich habe darum noch zwei Fragen. Ich möchte gerne wissen, wie umfangreich die Doku- Erstens. Muss man diesen Abschöpfungsanspruch mentationspflichten künftig sein werden; denn das Un- nicht stärker nach Verletzungsarten differenzieren? Bei ternehmen müsste diese Preise entsprechend dokumen- der Produktpiraterie ist die Gewinnermittlung viel einfa- tieren. Zudem interessiert mich, wie auf der anderen cher und eine andere als bei einer diffus angelegten Seite der Verbraucher Einsicht nehmen kann. Wettbewerbsverletzung wie der irreführenden Werbung. Wenn Sie einen solchen Abschöpfungsanspruch als ge- Brigitte Zypries, Bundesministerin der Justiz: setzlichen Vorschlag einbringen, dann müssen Sie eine Abgesehen von ganz kleinen Läden sind die Firmen Vorstellung haben, wie im Falle von irreführender Wer- mit entsprechender EDV ausgestattet, mit der registriert bung Gewinn ermittelbar sein soll. Der Gesetzgeber wird, wann Preise herabgesetzt werden oder wie lange muss davon eine Vorstellung haben, sonst können wir (B) (D) ein Artikel zu welchem Preis verkauft worden ist. Sie er- die Praxis nicht mit einem solchen Instrument beglü- innern sich: An der Kasse wird mit einem Scanner der cken. Warencode gelesen und der Computer zeigt den Preis an. Zweitens. Sie müssen eine Vorstellung davon haben, Mit anderen Worten: Der Computer weiß, wie lange der wie die Gewinnermittlung von der Wahrung betriebli- Preis galt. cher Geheimnisse abgegrenzt werden kann. In den Ge- Im Übrigen gilt auch hier, was ich eben sagte: Es wird winn fließen die Kosten eines Unternehmens ein. Sie ha- im Wesentlichen die Aufgabe der Verbraucherverbände ben keinen separaten Auskunftsanspruch. Wo ist die sein, sich um solche Themen zu kümmern, nachzufragen Grenze zur Wahrung betrieblicher Geheimnisse, die und gegebenenfalls zu klagen. dann zur Gewinnermittlung offen gelegt werden müss- ten? Wie soll der Kläger seine Klage schlüssig und sub- Gudrun Kopp (FDP): stanziiert begründen, wenn er den Gewinn doch gar nicht kennt? Wollen Sie das im Verfahren des strengen Darf ich noch eine Nachfrage stellen? Beweises machen oder wollen Sie eine Billigkeitsrege- lung? Sie haben jetzt keine Billigkeitsregelung und so- Vizepräsident Dr. Norbert Lammert: mit den strengen Beweis, also keine Schätzung, wie es Ja, bitte schön. bei § 829 BGB der Fall wäre. Eine konkrete Vorstellung über die angesprochenen Gudrun Kopp (FDP): Punkte muss schon bei der Einbringung des Gesetzent- Auch dieses Thema wird sich in der Praxis als nicht wurfs vorhanden sein. ganz so einfach erweisen. Aber das will ich jetzt nicht vertiefen. Brigitte Zypries, Bundesministerin der Justiz: Ich habe eine Nachfrage zum künftigen Wegfall der Sie sprechen die Forderung der Verbraucherverbände §§ 7 und 8 UWG, die die Sonder- und insbesondere die nach einem Auskunftsanspruch an. Schlussverkäufe betreffen. Die Streichung dieser Para- (Dr. Norbert Röttgen [CDU/CSU]: Ich frage nach graphen ist sicher sinnvoll. Sie haben aber gerade darge- den Problemen und Ihren Vorstellungen!) stellt, dass der Handel dennoch die Möglichkeit hat, im Rahmen einer Gemeinschaftsaktion Sonderverkäufe – Das habe ich schon verstanden. – Wir haben überlegt, stattfinden zu lassen. Ist das rein rechtlich mit dem Kar- ob wir einen generellen Auskunftsanspruch einführen tellrecht kompatibel? sollten. Wir haben dann aber festgestellt, dass das eine 3438 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 42. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 7. Mai 2003

Bundesministerin Brigitte Zypries (A) große Belastung für die Wirtschaft wäre und weit über einräumen, im Interesse der Verbraucherinnen und Ver- (C) das hinausginge, um was es uns eigentlich geht. Uns braucher tätig zu werden, zum Beispiel im Zuge der Ge- geht es nur um bestimmte Wettbewerbsverletzungen und winnabschöpfung. In diesem Bereich sieht der Gesetz- nur, wenn sie den Tatbestand des § 10 erfüllen. Das entwurf eindeutig mehr Möglichkeiten vor. Ich meine heißt, wer dem § 3, also dem Verbot des unlauteren auch, dass die Sonderregelungen in § 4 – die explizite Wettbewerbs, zuwiderhandelt und dadurch auf Kosten Aufzählung dessen, was verboten ist; insofern erfolgt einer Vielzahl von Abnehmern einen Gewinn erzielt, ist eine Kodifikation von Verboten gegenüber dem bisheri- gemeint. gen Richterrecht – die Rechte der Verbraucherinnen und Verbraucher weiter stärken. (Dr. Norbert Röttgen [CDU/CSU]: Das ist klar!) Auf europäischer Ebene gibt es derzeit sozusagen ei- nen Wettbewerb zwischen dem für den Verbraucher- Es sind nur bestimmte Fälle betroffen. Nicht jedes schutz zuständigen Kommissar auf der einen Seite und Beispiel irreführender Werbung, die Sie eben angespro- dem Wettbewerbskommissar auf der anderen Seite über chen haben, würde dazu führen. Regelungen gegen den unlauteren Wettbewerb. Wir mei- (Dr. Norbert Röttgen [CDU/CSU]: Wenn es nen, dass wir den Gesetzentwurf gegen den unlauteren systematisch betrieben wird!) Wettbewerb auf europäischer Ebene quasi als Modell einführen könnten, mit dem ein fairer Ausgleich zwi- – Aber es könnte sein, wenn man es vorsätzlich und sys- schen den Interessen der Verbraucherinnen und Verbrau- tematisch betriebe. Dann werden die Verbraucherver- cher und denen der Wirtschaft geschaffen wird. Wir sind bände das Klagerecht in aller Regel wahrnehmen, weil mit anderen Worten dabei, auf europäischer Ebene für unser Ziel gerade die Gruppe der Verbraucher ist, die nur diesen Ansatz des Gesetzentwurfs zu werben, um inso- mit kleinen Beträgen geschädigt wird und deshalb selber weit auch auf dieser Ebene einen sachgerechten Aus- kein Interesse hat zu klagen. Wir haben die Verbraucher- gleich herbeizuführen. verbände insofern als Mittler eingeführt, die das Klage- recht haben und im Interesse der Verbraucher den An- spruch geltend machen. Diese werden im Zweifel ein Vizepräsident Dr. Norbert Lammert: Grundurteil beantragen. Die Beantwortung der Frage Herr Kollege Kauder. nach der konkreten Höhe werden sie dem Prozess über- lassen; denn der Beklagte muss in dem Prozess Auskunft Siegfried Kauder (Bad Dürrheim) (CDU/CSU): darüber geben, was er erlangt hat. Das entspricht den all- gemeinen Prozessregeln. Ich sehe insofern kein Pro- Frau Ministerin, ich möchte noch einmal auf den Ge- winnabschöpfungsanspruch zurückkommen. Teilen Sie (B) blem. Ich habe vollstes Vertrauen, dass das funktionieren (D) wird. unsere Meinung, dass der prozessuale Weg im Gesetz vorgegeben werden muss? Die von Ihnen etwas hastig Ansonsten rege ich an, dass wir das in der Sitzung des angedachte Lösung im Zusammenhang mit dem Grund- Rechtsausschusses diskutieren und vertiefen, wenn das urteil ist unseres Erachtens nicht der richtige Weg. Gesetz behandelt wird. Zunächst einmal muss ein Wettbewerbsverstoß fest- stehen; denn die Kalkulation eines Produkts ist Betriebs- Vizepräsident Dr. Norbert Lammert: geheimnis. Insofern muss zunächst eine Flanke geöffnet Das wird sich wohl ohnehin nicht vermeiden lassen. werden, um das Betriebsgeheimnis durchbrechen zu können. Das ist unseres Erachtens – dafür ist aber eine (Joachim Stünker [SPD]: Sehr gut, Herr Präsi- entsprechende gesetzliche Regelung notwendig – nur in dent!) Form einer Stufenklage möglich. Nun hat Frau Kollegin Höfken das Wort. Die erste Stufe ist die Feststellung der Wettbewerbs- widrigkeit. Mit der Stufenklage wird dem Anspruchs- Ulrike Höfken (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): gegner die Möglichkeit gegeben, gegen das Urteil in der Entschuldigung, ich habe wegen der laufenden Aus- ersten Stufe Rechtsmittel einzulegen. Erst wenn der In- schusssitzung den Anfang der Debatte nicht mitbekom- stanzenzug abgeschlossen ist, steht rechtskräftig fest, men. Ich möchte betonen, dass ich die bisher vorgetrage- dass die Wettbewerbsverletzung gegeben ist. nen Änderungen sehr gut finde, und die Ministerin Dann tritt man in die zweite Stufe ein. Es ist nicht er- fragen, inwieweit sie den Verbraucherschutz insgesamt forderlich, erneut zu prozessieren, mit der Folge, dass in in der Neufassung des Gesetzes berücksichtigen wird der zweiten Stufe Schadensersatz geltend gemacht wer- und ob entsprechende Initiativen auf EU-Ebene geplant den kann. sind. Ich bitte Sie, Ihr Vorhaben noch einmal zu überden- Brigitte Zypries, Bundesministerin der Justiz: ken, damit eine praktikable Lösung angeboten werden kann, die auch dem Interesse des Marktes gerecht wird. Die Verbraucherinnen und Verbraucher werden in § 1 des Gesetzentwurfs ausdrücklich als Schutzobjekte be- nannt. Ich habe auch eben in meiner Antwort auf die Brigitte Zypries, Bundesministerin der Justiz: Frage des Abgeordneten Röttgen erläutert, welche zu- Herr Abgeordneter Kauder, die Bundesregierung teilt sätzlichen Möglichkeiten wir den Verbraucherverbänden die Auffassung der Fraktion der CDU/CSU, dass unnö- Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 42. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 7. Mai 2003 3439

Bundesministerin Brigitte Zypries (A) tige Gesetze unterbleiben sollten. Im Zivilprozess liegen tär Jürgen Chrobog eine solche Einschätzung abgegeben (C) bereits alle Möglichkeiten der Klageverfahren, die Sie noch entspricht dies der Auffassung der Bundesregie- eben genannt haben, als Gesetzestext vor. Das heißt, man rung. kann sich darauf berufen. Ich glaube nicht, dass es sinnvoll ist, in jedem Son- Vizepräsident Dr. Norbert Lammert: dergesetz die Gerichtsverfahren, die sich ohnehin nach Eine Zusatzfrage, bitte schön. dem allgemeinen Zivilprozess richten, noch einmal ge- sondert aufzunehmen. Ich würde Ihre Anregung gerne insofern aufgreifen, als wir das Thema im Rechtsaus- Karl-Theodor Freiherr von und zu Guttenberg schuss diskutieren und in Erwägung ziehen sollten, die (CDU/CSU): Begründung des Gesetzentwurfs entsprechend zu ergän- Frau Staatsministerin, da der Grundsatz audiatur et al- zen, um damit den Rechtsanwendern Hinweise darauf zu tera pars auch bei mir einen sehr hohen Stellenwert hat – geben, wie diese Klageverfahren nach Auffassung des Bundestages ablaufen sollten. Ich halte dies für eine bes- sere Lösung im Sinne der Klarheit der Gesetze. Kerstin Müller, Staatsministerin im Auswärtigen Amt: Vizepräsident Dr. Norbert Lammert: Sie dürfen das ruhig auf Deutsch wiederholen. Weitere Fragen zu dem vorgetragenen Bericht habe ich nicht registriert. Gibt es Fragen zu anderen Themen Karl-Theodor Freiherr von und zu Guttenberg der heutigen Kabinettssitzung? – Das ist offensichtlich (CDU/CSU): auch nicht der Fall. Gibt es Fragen zu sonstigen aktuel- – und der Herr Staatssekretär heute leider nicht persön- len Themen im Zuständigkeitsbereich der Bundesregie- lich anwesend ist, darf ich Sie fragen, welche konkreten rung? Äußerungen der Staatssekretär anlässlich der zur Dis- (Eckart von Klaeden [CDU/CSU]: Die gibt es kussion stehenden Versammlung hinsichtlich der inneren immer!) Verhältnisse der USA gemacht hat. – Die gibt es zwar immer, aber sie wurden heute nicht angemeldet. Kerstin Müller, Staatsministerin im Auswärtigen Amt: Ich beende damit die Befragung der Bundesregierung Jedenfalls hat er nichts im Sinne von Polizeistaat oder und rufe den Tagesordnungspunkt 2 auf: (B) Ähnlichem gesagt. Ich werde den entsprechenden Vor- (D) Fragestunde trag hier aber nicht wiederholen; denn die angespro- chene Versammlung war eine interne Sitzung ehemaliger – Drucksachen 15/901, 15/917 – Diplomaten und Botschafter. Das, was in der Presse zi- Gemäß Ziffer 10 der Richtlinien für die Fragestunde tiert wurde, ist jedenfalls abwegig, falsch und unsinnig. rufe ich zu Beginn der Fragestunde zunächst die dringli- Ich möchte noch hinzufügen: Jeder, der Staatssekretär chen Fragen auf. Chrobog und seinen Lebenslauf kennt, weiß, wie wichtig ihm die deutsch-amerikanische Freundschaft ist und wie Zuerst kommen wir zur dringlichen Frage 1 des eng seine Beziehungen zu Amerika sind. Immerhin war Abgeordneten Karl-Theodor Freiherr von und zu er dort sechs Jahre Botschafter, und zwar mit großem Er- Guttenberg: folg. Mehr ist zu dem, was in der Presse diskutiert wurde – darauf bezieht sich ja Ihre Frage –, nicht zu sa- Teilt die Bundesregierung die im „Focus“, Ausgabe 19, gen. Seite 28, zitierte Einschätzung des Staatssekretärs im Auswärtigen Amt, Jürgen Chrobog, die dieser während des Jahrestreffens ehemaliger deutscher Botschafter im Karl-Theodor Freiherr von und zu Guttenberg Auswärtigen Amt gemacht haben soll, nämlich, dass (CDU/CSU): sich die USA zu einem „Polizeistaat“ entwickeln wür- Herr Präsident, darf ich eine weitere Zusatzfrage stel- den? len? Zur Beantwortung steht uns die Staatsministerin im Auswärtigen Amt, Kerstin Müller, zur Verfügung. Bitte Vizepräsident Dr. Norbert Lammert: schön, Frau Müller. Ja, bitte. Kerstin Müller, Staatsministerin im Auswärtigen Amt: Karl-Theodor Freiherr von und zu Guttenberg (CDU/CSU): Herr Abgeordneter Guttenberg, ich beantworte Ihre dringliche Frage wie folgt: Die Unterstellungen des Arti- Frau Staatsministerin, ist denn die Bundesregierung kels im „Focus“ sind aus unserer Sicht völlig abwegig der Auffassung, dass sich in den vergangenen Jahren po- und absurd. Sie wurden vom Auswärtigen Amt sofort lizeistaatliche Tendenzen in den Vereinigten Staaten her- und mit aller Schärfe dementiert. Weder hat Staatssekre- ausgebildet haben? 3440 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 42. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 7. Mai 2003

(A) Kerstin Müller, Staatsministerin im Auswärtigen nicht in die Einzelheiten gehen. Natürlich gibt es dort (C) Amt: Veränderungen, die zu bewerten sind. Aber die Bewer- Nein. tungen, die in der Presse zitiert sind, entsprechen in kei- ner Weise unserer Auffassung. Vizepräsident Dr. Norbert Lammert: Vizepräsident Dr. Norbert Lammert: Ich rufe die dringliche Frage 2 des Abgeordneten Karl-Theodor Freiherr von und zu Guttenberg auf: Letzte Zusatzfrage, Herr Guttenberg.

Teilt die Bundesregierung zudem die im selben „Fo- Karl-Theodor Freiherr von und zu Guttenberg cus“-Bericht, Ausgabe 19, Seite 28, wiedergegebene (CDU/CSU): Darstellung, dass die USA „im Innern die bürgerlichen Freiheiten immer weiter einschränken“ würden? Frau Staatsministerin, ist denn die Bundesregierung der Ansicht, dass der Vorrat gemeinsamer Werte mit den Frau Ministerin, ich habe den Eindruck, dass Sie diese Vereinigten Staaten über die kontrovers diskutierte Frage bereits bei der Beantwortung der ersten dringlichen der Todesstrafe oder über einzelne Aspekte des Umwelt- Frage beantwortet haben. Ich weiß nicht, ob Sie sie noch schutzes hinaus schwindet? Auch das war in den letzten gesondert aufgreifen möchten. beiden Tagen zu lesen.

Kerstin Müller, Staatsministerin im Auswärtigen Kerstin Müller, Staatsministerin im Auswärtigen Amt: Amt: Nein. Ich verweise auf meine Antwort auf die erste Werter Kollege, auch dies ist ein angebliches Zitat dringliche Frage. von Staatssekretär Chrobog aus einer deutschen Zeitung, das – das möchte ich deutlich sagen – nicht im Zusam- Vizepräsident Dr. Norbert Lammert: menhang mit der erwähnten Veranstaltung gefallen ist. Dann hat der Kollege Guttenberg, wenn er möchte, Selbstverständlich gibt es Differenzen, die wir deutlich gleichwohl zwei weitere Zusatzfragen. – Bitte schön. machen. Die Bundesregierung tritt – Sie wissen dies – etwa für die Unterzeichnung und das In-Kraft-Treten des Kioto-Protokolls ein. Hierzu hat die amerikanische Re- Karl-Theodor Freiherr von und zu Guttenberg gierung eine andere Auffassung. Wie Sie des Weiteren (CDU/CSU): wissen, lehnt die Bundesregierung die Todesstrafe ab. Frau Staatsministerin, hält die Bundesregierung dem- Auch hierzu gibt es andere Auffassungen in den Verei- (B) nach die bürgerlichen Freiheiten in den Vereinigten Staa- nigten Staaten von Amerika. Natürlich kommen diese (D) ten wenigstens in den letzten beiden Jahren unverändert Differenzen in offenen Gesprächen unter Partnern zum für gewahrt, wenn ich auf das Zitat zurückgreifen darf? Tragen und werden selbstverständlich auch geäußert.

Kerstin Müller, Staatsministerin im Auswärtigen Vizepräsident Dr. Norbert Lammert: Amt: Nächste Frage, Herr Kollege Dr. Rose. Welches Zitat? Dr. Klaus Rose (CDU/CSU): Karl-Theodor Freiherr von und zu Guttenberg Frau Staatsministerin, wenn ich Sie richtig verstanden (CDU/CSU): habe, dann lehnen Sie den Inhalt des „Focus“-Artikels Ich meine das Zitat, das ebenfalls im „Focus“ veröf- rundweg als frei erfunden ab. Ob das wirklich so ist, fentlicht wurde und das in meiner zweiten dringlichen kann sich durch die Beantwortung von Nachfragen noch Frage enthalten ist, nämlich dass die USA „im Innern die herausstellen. In diesem „Focus“-Artikel steht aber au- bürgerlichen Freiheiten immer weiter einschränken“ ßerdem – das lehnen Sie vielleicht nicht rundweg ab –, würden. dass Staatssekretär Chrobog gesagt hat, die Außenpolitik der rot-grünen Bundesregierung sei vollkommen richtig. Kerstin Müller, Staatsministerin im Auswärtigen (Eckart von Klaeden [CDU/CSU]: Das ist ab- Amt: solut abwegig!) Noch einmal: Beide Zitate, die im „Focus“ veröffent- Gerade gegenüber den Vereinigten Staaten von Amerika licht worden sind, weise ich als abwegig zurück. Die hat diese Außenpolitik ihre besonderen – auch verbalen – Position der Bundesregierung wurde hier und auch Noten gehabt. Was sagen Sie zu dieser Äußerung von gegenüber den Medien ausführlich dargestellt. Eine all- Staatssekretär Chrobog? gemeine Bewertung der amerikanischen Innenpolitik ist meines Erachtens hier nicht das Thema. Selbstverständ- lich – das dürfte auch Ihnen bekannt sein – hat es im Kerstin Müller, Staatsministerin im Auswärtigen Zuge des 11. September 2001 zur Terrorbekämpfung ei- Amt: nige Veränderungen gegeben. In den Vereinigten Staaten Ich freue mich natürlich darüber, dass der Staatssekre- wurde sogar ein neues Ministerium, das Department of tär im Auswärtigen Amt Herr Chrobog die Außenpolitik Homeland Security, eingerichtet. Aber wir können hier der Bundesregierung so nachdrücklich unterstützt. Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 42. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 7. Mai 2003 3441

Staatsministerin Kerstin Müller (A) (Eckart von Klaeden [CDU/CSU]: Ist dieser BND, die in Pullach und in den Landkreisen um (C) Artikel in diesem Punkt richtig?) München herum arbeiten, dort bleiben werden. Welchen Verbindlichkeitsgrad haben Ihre jetzigen Aus- Vizepräsident Dr. Norbert Lammert: künfte hier, im Plenum des Deutschen Bundestages, Man hätte aus Ihrer Äußerung fast eine gewisse Ver- nachdem sich herausgestellt hat, dass die damalige Aus- blüffung heraushören können. sage von Herrn Steinmeier offenkundig nicht eingehal- ten worden ist, obwohl 4 000 Mitarbeiter des BND und Weitere Nachfragen zu den Antworten auf diese bei- 12 000 Familienangehörige darauf vertraut haben? den dringlichen Fragen liegen nicht vor. Ich werde dann nach den Richtlinien für die Fragestunde die auf Drucksache 15/901 vorliegenden Fragen in der üblichen Rolf Schwanitz, Staatsminister beim Bundeskanzler: Reihenfolge aufrufen. Herr Kollege Singhammer, meine Ausführungen hier Die Fragen 1 und 2 zum Geschäftsbereich des Bun- sind selbstverständlich verbindlich. Ich denke, etwas an- desministeriums für Verbraucherschutz, Ernährung und deres würden Sie auch nicht akzeptieren. Ich habe mir in Landwirtschaft wurden zurückgezogen. der Vorbereitung dieser Fragestunde das Protokoll der Fragestunde vom 24. März 1999 angesehen, auf die Sie Ich rufe nun den Geschäftsbereich des Bundeskanz- abstellen. Wer sich die Formulierung von Staatssekretär lers und des Bundeskanzleramtes auf. Zur Beantwortung Dr. Steinmeier genau anschaut, der wird feststellen, dass der Fragen steht Staatsminister Schwanitz zur Verfü- er die Schwierigkeit der relativ großen räumlichen Entfer- gung. nung zwischen dem Raum München und dem Raum Ich rufe Frage 3 des Kollegen Singhammer auf: Bonn – Bonn war damals noch der Sitz des Bundestages – nicht verschwiegen, sondern thematisiert hat. Er sprach Werden allen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern des Bun- desnachrichtendienstes, BND, die von dem überraschenden beispielsweise von „bisherigen Planungen“. Das deutet Beschluss des Bundessicherheitskabinetts, den BND komplett darauf hin, dass man sich dieses Problems bewusst war. nach Berlin zu verlagern, betroffen sind, die gleichen Aus- gleichs- und Übergangsregelungen zugestanden wie den Kol- Seit Frühjahr 1999 hat sich die internationale Sicher- leginnen und Kollegen der Abteilung 3 „Auswertung“, die be- heitslage objektiv in hohem Maße geändert. Zusätzlich reits in diesen Monaten nach Berlin verlagert wird, und, wenn kommen sicherlich noch positive Erfahrungen hinzu, ja, in welcher konkreten Höhe entstehen dadurch zusätzliche was die bereits zu diesem Zeitpunkt vollzogenen Verän- Kosten für den Bundeshaushalt auf der Basis der aktuellen Er- fahrungen mit der Verlagerung der Abteilung 3? derungen und den Zuzug von Personal des Bundesnach- richtendienstes nach Berlin betrifft. (B) Rolf Schwanitz, Staatsminister beim Bundeskanzler: (D) Johannes Singhammer (CDU/CSU): Herr Kollege Singhammer, die Antwort auf Ihre Frage lautet wie folgt: Auch für die weiteren nach Berlin Herr Staatsminister, trifft es zu, dass die Mitarbeiter umziehenden Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Bun- des Bundesnachrichtendienstes über eine solch gewich- desnachrichtendienstes sollen das Dienstrechtliche Be- tige und auch für die Lebensumstände ihrer Angehörigen gleitgesetz und die mit ihm zusammenhängenden Hilfen entscheidende Veränderung der Sach- und Beschluss- bereitstehen. Die konkrete Höhe der entstehenden Kos- lage, nämlich Verlegung des kompletten Dienstes, entge- ten lässt sich derzeit noch nicht benennen, da sich die gen dem Grundsatz der vertrauensvollen Zusammen- Planungen zur Umsetzung der Entscheidung der Bun- arbeit nach § 2 des Bundespersonalvertretungsgesetzes desregierung erst in einem Anfangsstadium befinden. erst unmittelbar vorher informiert worden sind, wenige Minuten bevor ohnehin die Presse dies gemeldet hat, Wie Sie in Ihrer Frage richtig darstellen, wird die und damit das, was man unter vertrauensvoller Zusam- Abteilung 3 erst in den kommenden Monaten nach Ber- menarbeit versteht, nicht stattgefunden hat? lin umziehen. Erfahrungen aus diesem Umzug werden daher erst im Herbst dieses Jahres zur Verfügung stehen. Rolf Schwanitz, Staatsminister beim Bundeskanzler: Vizepräsident Dr. Norbert Lammert: Ich gehe nicht davon aus, dass es sich um eine solche Information der Mitarbeiter gehandelt hat, die dem Eine Zusatzfrage, bitte. Grundsatz der vertrauensvollen Zusammenarbeit wider- spricht. Ich bin im Gegenteil der Auffassung, dass ge- Johannes Singhammer (CDU/CSU): rade auch die Zusammenarbeit zwischen der Bundesre- Herr Staatssekretär, am 24. März 1999 hat der Staats- gierung, übrigens auch dem Parlament, und den bereits sekretär im Bundeskanzleramt Steinmeier im Plenum hier in Berlin befindlichen Teilen des Bundesnachrich- des Bundestages erklärt – er wurde nach Plänen, den tendienstes nicht nur ein positives Empfinden bei den In- Bundesnachrichtendienst von Pullach bei München zu formationsempfängern, sondern auch beim Bundesnach- verlegen, gefragt –: richtendienst selbst geschaffen hat. Deswegen teile ich Ihre Einschätzung nicht. Zum ersten Teil Ihrer Frage will ich wiederholen, dass nach unserer bisherigen Konzeption – ich sehe nicht, dass diese verändert werden muss – Vizepräsident Dr. Norbert Lammert: 1 000 Mitarbeiter nach Berlin verlegt werden, so- Ich rufe die Frage 4, ebenfalls von Herrn Kollegen dass die restlichen 3 500 bis 4 000 Mitarbeiter des Singhammer, auf: 3442 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 42. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 7. Mai 2003

Vizepräsident Dr. Norbert Lammert (A) Welche konkreten Schätzungen führen zu der Annahme die Kosten des Umzugs derzeit nicht vorgenommen wer- (C) der Bundesregierung – die „Welt“ vom 14. April 2003 –, dass den können. Nun sind aber 500 Millionen Euro in der mit dem Verkauf des BND-Geländes in Pullach bei München ein Erlös von 500 Millionen Euro erzielt werden könne, der Diskussion. Haben Sie irgendeinen Hinweis darauf, wo- zur Finanzierung der Neubaumaßnahmen in Berlin ausreichen her diese Summe von 500 Millionen Euro in die Diskus- würde, und, wenn diese Summe nicht erzielt werden kann, in sion gekommen sein könnte, vor allem auch vor dem welchen Haushaltstiteln wären die fehlenden Mittel dann vor- Hintergrund der Tatsache, dass derzeit noch gar nicht gesehen? feststeht, wie das Areal des BND von der Gemeinde Pul- lach, die die Planungshoheit hat, überplant wird, wel- Rolf Schwanitz, Staatsminister beim Bundeskanzler: chen Anteil am Gelände der Bannwald hat, welche mög- Die Antwort lautet wie folgt: Konkrete Schätzungen lichen Altlasten im Gelände liegen und welcher über die Höhe der durch den Verkauf des BND-Geländes Ensembleschutz für Teile der Liegenschaften besteht? in München zu erzielenden Einnahmen liegen bisher nicht vor. Die Bundesregierung hat die zuständige Ober- Rolf Schwanitz, Staatsminister beim Bundeskanzler: finanzdirektion mit entsprechenden Prüfungen beauf- Herr Kollege Singhammer, ich verfüge nicht über tragt. Das Ergebnis dieser Arbeit liegt bisher nicht vor. diesbezügliche Informationen. Die von Ihnen genannte Die Mittel für die Finanzierung der in Berlin erforder- Zahl tauchte wohl zum ersten Mal in einem Artikel in lichen Neubau- und Renovierungsmaßnahmen sind im der „Welt“ auf, wenn ich das richtig in Erinnerung habe. Wirtschaftsplan des Bundesnachrichtendienstes auszu- Es müssen ja – Sie haben darauf hingewiesen – bezüg- weisen. Einzelheiten des Wirtschaftsplans unterliegen lich der Erlösmöglichkeiten der Immobilie Gespräche der Geheimhaltung und werden nur den dafür zuständi- mit den Gemeinden aufgenommen werden. Das ist ja gen parlamentarischen Gremien des Deutschen Bundes- auch der Grund, warum die entsprechenden Finanzbe- tages vorgelegt. hörden, die ich schon genannt habe, hiermit beauftragt wurden. Deswegen kann diese Zahl zum jetzigen Zeit- Vizepräsident Dr. Norbert Lammert: punkt keinen seriösen Hintergrund haben. Zusatzfrage? Vizepräsident Dr. Norbert Lammert: Johannes Singhammer (CDU/CSU): Frage 5 des Kollegen Fahrenschon: Ja. – Herr Staatsminister, trifft es zu, dass der Bundes- Mit welchem Gesamtaufwand einerseits – zum Beispiel nachrichtendienst, wenn er verlegt werden würde, wie es Abbau von Benzinlagern und Bunkern, Suche und gegebenen- falls Sanierung von weiteren Altlasten am bisherigen Stand- die Bundesregierung vorhat, nach den eigenen Planungen ort, Umzugskosten, Vorbereitung der Clay-Kaserne am neuen (B) der Bundesregierung disloziert – an mehreren Orten in Standort etc. – und mit welchen Erträgen andererseits – zum (D) Berlin untergebracht – werden würde, das heißt das Prin- Beispiel durch den Verkauf von nicht im Bannwald befindli- zip eines einheitlichen Ortes, so wie es jetzt in Pullach bei chen Flächen – rechnet die Bundesregierung im Zusammen- hang mit dem Vorhaben, den BND in Pullach aufzulösen und München gegeben ist, aufgegeben würde und der Dienst komplett nach Berlin zu verlagern? über mehrere Standorte in Berlin verteilt wäre? Rolf Schwanitz, Staatsminister beim Bundeskanzler: Rolf Schwanitz, Staatsminister beim Bundeskanzler: Konkrete Berechnungen zu den Kosten der Verlegung Ich will zunächst darauf hinweisen, Herr Kollege des Bundesnachrichtendienstes von Pullach bei Mün- Singhammer, dass der Bundesnachrichtendienst auch chen nach Berlin liegen bisher nicht vor. Um diese Kos- jetzt natürlich nicht nur den Sitz Pullach hat, auch wenn ten ermitteln zu können, sind zunächst Schätzungen der dort sicherlich der Hauptsitz ist. Ich kann die Vermu- zuständigen Behörden und Gespräche mit den betroffe- tung, die Sie formulieren, nicht bestätigen, da die Sitz- nen Gemeinden erforderlich. Insofern gibt es hier also frage, was die Berliner Situation betrifft, erst im Zuge einen direkten Bezug zu der vorherigen Frage. Erst wenn der weiteren Planungen geklärt wird. diese Schätzungen und Gesprächsergebnisse vorliegen, Es wird ohnehin einen schrittweisen und, wie ich wird sich abschätzen lassen, welche konkreten Verwer- denke, sehr sozial verträglichen Vollzug – ich erinnere tungsmöglichkeiten sich aus der Liegenschaft in Pullach an die entsprechenden Rechtsgrundlagen – geben. Zu ergeben und welche baulichen Investitionen zulässig und den Einzelheiten der Planung und den weiteren Absich- erforderlich sind. Die Bundesregierung wird die für die ten verweise ich – ich bitte da um Verständnis – auf die Kontrolle des BND zuständigen parlamentarischen Gre- kurzfristig erfolgende Information der parlamentari- mien über den Fortgang dieser Angelegenheit unterrich- schen Gremien. Bereits am heutigen Nachmittag wird ten. eine entsprechende Information gegeben. Georg Fahrenschon (CDU/CSU): Vizepräsident Dr. Norbert Lammert: Sie haben gerade herausgearbeitet, dass das Bundes- Bitte schön, Herr Singhammer. kabinett den Beschluss für den Wegzug von der Stand- ortgemeinde Pullach ohne jegliche Finanzierungsabwä- gungen getroffen hat. Hat es denn wenigstens Johannes Singhammer (CDU/CSU): Bedarfsermittlungen am Standort Pullach gegeben und Herr Staatsminister, gestatten Sie noch eine letzte Überlegungen, was man, wenn man einen Umzug durch- Frage. Sie haben gerade erklärt, dass Schätzungen über führt, am neuen Standort braucht? Sind zum Beispiel Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 42. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 7. Mai 2003 3443

Georg Fahrenschon (A) Untersuchungen bezüglich der Größe des Dienstes in stellen –, in den allgemeinen Vermögenshaushalt des (C) Berlin zumindest angestoßen worden? Bundes einfließen soll und logischerweise nicht für ein irgendwie geartetes Sondervermögen des BND für den Rolf Schwanitz, Staatsminister beim Bundeskanzler: Umzug nach Berlin zur Verfügung steht? Herr Kollege, Bedarfsermittlungen werden selbstver- ständlich Bestandteil der entsprechenden Planungsvor- Rolf Schwanitz, Staatsminister beim Bundeskanzler: bereitungen sein. Es hat eine politische Entscheidung ge- Herr Kollege Singhammer, ich bitte noch einmal um geben, in diesem Fall des Sicherheitskabinetts. Es macht Verständnis dafür, dass – wie ich bereits bei der ersten von sehr wohl Sinn – das ist übrigens auch in der Frage des Ihnen gestellten Frage ausgeführt habe – die weiteren Kollegen Singhammer angeklungen –, aufbauend auf haushaltsseitigen Konkretisierungen in den entsprechen- den sehr positiven Erfahrungen mit den Personalstruktu- den Gremien des Bundestages, die auch die notwendigen ren, die bereits in Berlin sind, jetzt auch bei diesem Geheimhaltungsvoraussetzungen erfüllen, erfolgen wer- Thema solche Strukturen zu entwickeln. den. Die Bundesregierung wird das selbstverständlich transparent machen, aber – ich bitte um Verständnis – Georg Fahrenschon (CDU/CSU): nicht hier im Plenum des Deutschen Bundestages. Meine zweite Frage dreht sich noch einmal um die Zusammenarbeit und die Kooperation mit der Standort- Vizepräsident Dr. Norbert Lammert: gemeinde Pullach. Ein wesentlicher Teil der Gegenfi- Herr Kollege Dr. Rose. nanzierung beruht ja auf der Annahme einer optimalen Ausnutzung des bestehenden Geländes. Dabei handelt es Dr. Klaus Rose (CDU/CSU): sich immerhin um knapp 10 Prozent des Gebietes der Gemeinde Pullach. Vor diesem Hintergrund frage ich Herr Staatsminister, bei all Ihren Ausführungen muss Sie: Hat es denn vonseiten der Bundesregierung, die ja man eigentlich zu dem Schluss kommen, dass Sie nicht Auslöser des Ganzen war, schon erste Gespräche mit der aus wirtschaftlichen Gründen – nicht weil Sie auf einen Gemeinde gegeben oder wird das alles über die OFD hohen Erlös der Immobilie spekulieren –, sondern we- bzw. den BND abgewickelt? gen der Lage im so genannten Sicherheitskabinett, was immer das ist, beschlossen haben, den BND von Mün- chen nach Berlin zu verlagern. Ihre Begründung ist Rolf Schwanitz, Staatsminister beim Bundeskanzler: wahrscheinlich, dass Sie die Leute näher an Berlin brau- Es wird insbesondere Aufgabe der OFD sein, die wei- chen, weil in der Welt so viel los ist. Da stellt sich mir teren Vorbereitungen zu treffen. Ich bitte um Verständ- die Frage: Müssten Sie dann nicht genauso schnell das (B) nis, wenn ich Ihnen jetzt über die Agenda der dezentra- Bundesverteidigungsministerium nach Berlin verlagern, (D) len Gespräche – sozusagen mit dem Kalender in der damit die Leute bei allen wichtigen Fragen vor Ort sind? Hand – nichts berichten kann. Es geht nur im gemein- schaftlichen Miteinander und liegt übrigens nicht nur im Rolf Schwanitz, Staatsminister beim Bundeskanzler: Interesse des Bundes, sondern auch im Interesse der Ge- meinde Pullach selber, Lösungen zu finden. Die Ge- Einen weiteren Bedarf – wenn darauf Ihre Frage zielt – meinde hat – nach dem, was ich mir über die Immobilie in dieser Richtung sehe ich nicht. In der Tat hat es gerade habe übermitteln lassen – ein Interesse daran, dieses für seit der zweiten Jahreshälfte 1999 – ich darf an den Ein- die Gemeindeentwicklung sehr wichtige und zentral ge- satz der Bundeswehr im Kosovo, an die Ereignisse am legene Grundstück einer Verwertung zuzuführen, da es und nach dem 11. September 2001, an Afghanistan und für die weitere Entwicklung des Ortes von großer Be- anderes mehr erinnern – eine massive Veränderung der deutung ist, wie auch der Bund natürlich ein eigenständi- internationalen Lage und der Sicherheitslage gegeben, ges Verwertungsinteresse hat. Ich denke aber, dass es bei der die Tätigkeit und das Informieren, das unmittel- hier übereinstimmende Interessenslagen gibt, die sich bare und direkte, auch persönliche Informieren durch den finden lassen. BND für die Bundesregierung und, wie ich denke, auch für den Deutschen Bundestag wichtiger geworden sind, als dies zuvor beurteilt werden konnte. Ein solches Defi- Vizepräsident Dr. Norbert Lammert: zit ist beim Verteidigungsministerium überhaupt nicht zu Zusatzfrage, Herr Kollege Singhammer. erkennen, weil die entsprechenden hierfür notwendigen Strukturen des Hauses präsent sind. Johannes Singhammer (CDU/CSU): Herr Staatssekretär, aus Ihren Antworten ist ja zu Vizepräsident Dr. Norbert Lammert: schließen, dass die Bundesregierung keine konkreten Herr Kollege Koschyk. Vorstellungen davon hat, welchen Erlös sie mit diesem Areal erzielen kann. Ich sage Ihnen voraus, dass die ge- Hartmut Koschyk (CDU/CSU): schätzten Beträge, die hier im Raum stehen, bei weitem nicht erreicht werden. Herr Staatsminister, müsste das, was Sie gerade als Begründung für eine Verlagerung des BND von Pullach Aber unabhängig davon meine Frage: Trifft es zu, nach Berlin angeführt haben – Sie haben ja die ange- dass der Betrag, den Sie erlösen werden – vermutlich spannte Sicherheitslage als Begründung dafür genannt –, wird dieser deutlich unter dem liegen, was Sie sich vor- nicht auch für das Bundeskriminalamt in Wiesbaden 3444 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 42. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 7. Mai 2003

Hartmut Koschyk (A) oder das Bundesamt für Verfassungsschutz in Köln gel- Ich will in dieser Sache nachfragen: Haben Sie der (C) ten? Staatsanwaltschaft mitgeteilt, dass diese Festplatte – ich gehe davon aus, dass es zutrifft – von Ihnen vernichtet Rolf Schwanitz, Staatsminister beim Bundeskanzler: worden ist und deswegen die Überprüfung der Vorwürfe nicht möglich gewesen ist? Ich denke, dass man diese Fälle nicht vergleichen kann. Rolf Schwanitz, Staatsminister beim Bundeskanzler: Vizepräsident Dr. Norbert Lammert: Herr von Klaeden, Sie wissen – auch darüber ist öf- fentlich informiert worden; insofern fällt es mir gar nicht Ich rufe die Frage 6 des Kollegen Eckart von Klaeden schwer, das hier anzusprechen –, dass die Vernichtung auf: von Festplatten selbstverständlich Gegenstand von in- Beabsichtigt das Bundeskanzleramt, unter Verantwortung tensiven Gesprächen mit der Staatsanwaltschaft gewesen von Bundeskanzler Gerhard Schröder entsprechend der von ist. Insofern gibt es hier kein Informationsdefizit, wie in der Staatsanwaltschaft Bonn im Verfahren 50 Js 816/00 einge- Ihrer Frage angeklungen. räumten Möglichkeit zur Verfahrenseinstellungsabsicht der Staatsanwaltschaft eine Stellungnahme abzugeben, und, wenn ja, bis wann? Vizepräsident Dr. Norbert Lammert: Ich rufe die Frage 7 des Kollegen Eckart von Klaeden Rolf Schwanitz, Staatsminister beim Bundeskanzler: auf: Sehr geehrter Herr von Klaeden, die Antwort heißt: Wird sich das Bundeskanzleramt unter Verantwortung von Ja, schnellstmöglich. Bundeskanzler Gerhard Schröder im Falle der Abgabe einer solchen Stellungnahme bei deren Erarbeitung der Hilfe des früheren Ermittlungsführers, Dr. Burkhard Hirsch, bedienen, Eckart von Klaeden (CDU/CSU): und, wenn ja, auf welcher rechtlichen Grundlage? Herr Staatsminister, in dem Verfahren, dessen Einstel- lung die Staatsanwaltschaft jetzt zum wiederholten Male Rolf Schwanitz, Staatsminister beim Bundeskanzler: empfiehlt, geht es um den Vorwurf der Vernichtung von Die Staatsanwaltschaft Bonn hat dem Bundeskanzler- Daten und Akten. Nun berichten mehrere Medien über- amt ihren Vermerk vom 25. März 2003 unter Hinweis einstimmend, dass in diesem Einstellungsvermerk der auf Nr. 90 Abs. 1 der Richtlinien für das Strafverfahren Staatsanwaltschaft festgestellt wird, dass die zentrale und für das Bußgeldverfahren mit der Gelegenheit zur Festplatte für den Zeitraum September/Oktober 1998, Stellungnahme übersandt. Die Stellungnahme wird der- also den Zeitraum, in dem diese Datenlöschung angeb- zeit im Bundeskanzleramt erarbeitet. (B) lich stattgefunden hat, im Jahre 1999 unter der Verant- (D) wortung Ihrer Bundesregierung vernichtet worden ist. Da sich der Vermerk ausschließlich mit den Ergebnis- Ich frage Sie: Ist dieser Sachverhalt zutreffend? sen der von Bundestagsvizepräsident a. D. Dr. Burkhard Hirsch geführten Vorermittlungen befasst, ist es wie bei der Stellungnahme des Bundeskanzleramtes zum Ver- Rolf Schwanitz, Staatsminister beim Bundeskanzler: merk der Staatsanwaltschaft Bonn vom Januar 2001 not- Herr von Klaeden, ich bitte um Verständnis dafür, wendig, Bewertungen zu einzelnen Sachverhaltskom- dass wir angesichts der derzeitigen Situation – erstens plexen von Bundestagsvizepräsident a. D. Dr. Burkhard handelt es sich um ein laufendes Ermittlungsverfahren Hirsch einzuholen. Die Beteiligung findet im Rahmen und zweitens ist die Stellungnahme der Bundesregierung des Auftragsverhältnisses zwischen Dr. Burkhard Hirsch zur beabsichtigten Einstellung, wie ich gerade ausge- und dem Bundeskanzleramt statt. führt habe, noch nicht abgeschlossen – dazu keine in- haltlichen Ausführungen machen können. Selbstver- Eckart von Klaeden (CDU/CSU): ständlich ist dieser von Ihnen angesprochene Vorgang Bestandteil des Ermittlungsverfahrens. Herr Staatsminister, die Medien berichten, dass in dem von mir bereits erwähnten Einstellungsvermerk der Staatsanwaltschaft der Hinweis vorhanden ist, dass Zeu- Eckart von Klaeden (CDU/CSU): gen in den Protokollen von Herrn Dr. Hirsch Aussagen Ich möchte mir doch noch den Hinweis erlauben, dass zugeschrieben worden seien, die sie so nicht gemacht ha- das Ermittlungsverfahren von der Staatsanwaltschaft ab- ben. Ich frage Sie: Ist dieser Sachverhalt in dem Ver- geschlossen ist, der entsprechende Vermerk vorliegt und merk, der Ihnen vorliegt, enthalten? Sie lediglich noch um eine Stellungnahme gebeten wer- den. Rolf Schwanitz, Staatsminister beim Bundeskanzler: Darüber hinaus muss ich bemerken, dass ich Sie zu Ich will ausdrücklich feststellen, dass der in Ihrer einer zentralen Tatsache gefragt habe, mit der sich in der Frage mitschwingende Vorwurf, hier seien – – letzten Legislaturperiode ein Untersuchungsausschuss (Eckart von Klaeden [CDU/CSU]: Steht das beschäftigt hat. Nach Ihrer Argumentation, während ei- im Vermerk? Ich will nur wissen, ob es da nes Ermittlungsverfahrens keine Stellung beziehen zu drinsteht!) können, hätten Sie den Untersuchungsausschuss gar nicht durchführen dürfen. Damals lief das Ermittlungs- – Sie wissen, dass ich über die entsprechenden Unterla- verfahren und nun ist es eingestellt worden. gen selbstverständlich nicht direkt informieren kann. Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 42. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 7. Mai 2003 3445

Staatsminister Rolf Schwanitz (A) (Eckart von Klaeden [CDU/CSU]: Warum Rolf Schwanitz, Staatsminister beim Bundeskanzler: (C) nicht? Die sind nicht geheim!) Selbstverständlich ist die Frage der Löschung der – Informationen aus Ermittlungsunterlagen weiterzuge- Festplatten Bestandteil der bereits vorhin angeführten ben steht mir an der Stelle nicht zu. dienstrechtlichen Vorermittlungen, die Ausgangspunkt für die staatsanwaltschaftliche Tätigkeit gewesen sind, Ich will ausdrücklich feststellen, dass der in Ihrer weil derselbe Beamte betroffen ist. Insofern sehe ich die- Frage mitschwingende Vorwurf, hier seien Informatio- sen Widerspruch nicht. nen entgegen der vorhandenen Darstellung nicht kor- rekt gesammelt worden, aus unserer Sicht nicht zutrifft Vizepräsident Dr. Norbert Lammert: und auch nicht zutreffen kann. Es haben nämlich keine Einzelbefragungen, sondern intensive Befragungen in Herr Kollege Guttenberg. Anwesenheit Dritter stattgefunden. Beispielsweise wa- ren jeweils ein Beamter des BKA und des Kanzleram- Karl-Theodor Freiherr von und zu Guttenberg tes sowie ein Protokollführer anwesend. Außerdem gab (CDU/CSU): es die Möglichkeit, einen Rechtsbeistand hinzuzuzie- Herr Staatsminister, darf ich anhand Ihrer heutigen hen. Schließlich wurde das entsprechende Protokoll von Aussage annehmen, dass Sie sich in aller Deutlichkeit den Befragten unterzeichnet. Ich denke also, dass Ihre von der Aussage, Akten seien verschwunden, distanzie- Befürchtungen ausgeräumt werden können. ren, die einige Male – wenn auch nicht aus Ihrem Munde – zu vernehmen war? Eckart von Klaeden (CDU/CSU): Herr Staatsminister, Ihre persönliche Integrität – Sie Rolf Schwanitz, Staatsminister beim Bundeskanzler: gehören zu der Spitze Ihres Hauses – steht außer Frage. Wir werden in unserer Stellungnahme deutlich ma- Deshalb frage ich Sie als Ehrenmann: Werden Sie sich chen, dass wir selbstverständlich an unserer bisherigen persönlich für die Rehabilitierung derjenigen einsetzen, Sicht der Dinge festhalten. Es bleibt abzuwarten, zu wel- die über einen langen Zeitraum hinweg diskreditiert und chem Prüfungsergebnis die Staatsanwaltschaft Bonn zu Unrecht beschuldigt worden sind? kommt. Ich werbe sehr dafür, keine vorschnellen Wer- tungen in die eine oder andere Richtung als endgültig Rolf Schwanitz, Staatsminister beim Bundeskanzler: festgestellt vorzunehmen. Ich bitte recht herzlich darum, nichts vorwegzuneh- men. Wir werden eine Stellungnahme zur Einstellungs- Vizepräsident Dr. Norbert Lammert: (B) absicht erarbeiten, in der wir unsere Sicht der Dinge dar- Herr Kollege Rose. (D) stellen. Ich verweise übrigens in diesem Zusammenhang auf Dr. Klaus Rose (CDU/CSU): die Antwort auf die von Ihnen mit Datum vom 2. Mai Herr Staatsminister, in der zweiten Frage des Kolle- zur schriftlichen Beantwortung gestellte Frage, gen von Klaeden war von einer rechtlichen Grundlage die Rede, aufgrund deren Herr Hirsch auf Wunsch des (Eckart von Klaeden [CDU/CSU]: Da geht es Bundeskanzleramtes eventuell erneut tätig werden solle. um einen anderen Sachverhalt!) Es ist bereits anzuzweifeln gewesen, dass die Vorermitt- in der wir unsere Sicht der Dinge deutlich machen. lungen durch Herrn Hirsch auf einer rechtlichen Grund- lage geführt wurden. Wenn sich jetzt herausstellt – Sie Wir bleiben in dieser Stellungnahme von der Grund- winden sich natürlich in Ihren Antworten –, dass sich die richtung her bei der Sicht der Dinge, wie wir sie bisher vielen Verdächtigungen nicht bestätigen, müssten dann vertreten haben. nicht die angefallenen Spesen erstattet werden?

Vizepräsident Dr. Norbert Lammert: Rolf Schwanitz, Staatsminister beim Bundeskanzler: Herr Polenz. Ich will noch einmal nachdrücklich sagen: Ich habe die feste Erwartung, dass sich das, was wir in den zu- Ruprecht Polenz (CDU/CSU): rückliegenden Zeiträumen in den Vorermittlungen fest- gestellt haben und was vor dem Hintergrund der entspre- Herr Staatsminister, Ihre heutige Diskretion bei der chenden Anzeige dargelegt worden ist, am Ende als Beantwortung der Fragen von Herrn von Klaeden steht Sachverhalt darstellen wird. in einem ziemlichen Widerspruch zu dem, was aus Ih- rem Hause jeweils im Zuge der unmittelbaren Inkrimi- nierung angeblich verschwundener Akten verlautbart Vizepräsident Dr. Norbert Lammert: wurde. Herr Kollege Kauder. Deshalb will ich nachfragen: Haben Sie aufgrund des- sen, dass im Frühjahr 1999 bestimmte Festplatten ge- Siegfried Kauder (Bad Dürrheim) (CDU/CSU): löscht worden sind, dienstrechtliche bzw. disziplinari- Herr Staatsminister, hatte die Bundesregierung Ein- sche Maßnahmen eingeleitet? sicht in die Ermittlungsakten? 3446 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 42. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 7. Mai 2003

(A) Rolf Schwanitz, Staatsminister beim Bundeskanzler: Vizepräsident Dr. Norbert Lammert: (C) Die Bundesregierung hatte selbstverständlich Einsicht Herr Kollege Fahrenschon. in die Ermittlungsakten. Georg Fahrenschon (CDU/CSU): Siegfried Kauder (Bad Dürrheim) (CDU/CSU): Herr Staatsminister, nachdem Sie mehrfach deutlich gemacht haben, dass Sie nach wie vor großes Interesse Ist der Bundesregierung dann auch der neueste Stand an einer Aufklärung des gesamten Verfahrens haben, der Ermittlungen bekannt? und wir jetzt auch die Prüfung durch Herrn Hirsch debat- tieren, frage ich Sie, ob Sie im Zuge Ihrer Aufklärungs- Vizepräsident Dr. Norbert Lammert: arbeiten darangehen, das Verfahren, wie Herr Hirsch die Ich muss auf Folgendes aufmerksam machen: Es kann Dinge geprüft hat, zu prüfen, und ob Sie dazu in der nur eine Zusatzfrage gestellt werden. Insofern muss ich Lage sind und Ihnen dazu die Prüfungsunterlagen von es jetzt dem Staatsminister überlassen, ob er diese Frage Herrn Hirsch vorliegen. beantworten will oder nicht. Rolf Schwanitz, Staatsminister beim Bundeskanzler: Rolf Schwanitz, Staatsminister beim Bundeskanzler: Ich sehe überhaupt keinen Anlass, die Arbeit von Herrn Hirsch einer kritischen Nachprüfung zu unterzie- Die gestellte Frage ist hinreichend unspezifisch, wenn hen, im Gegenteil: Ich glaube, dass Herr Hirsch sehr ich das einmal so formulieren darf. Deswegen fällt es sorgfältig ermittelt hat. Deswegen ist seine Arbeit vom mir ohnehin schwer, dazu Stellung zu nehmen. Bundeskanzleramt auch als Grundlage für die dann er- folgten Maßnahmen genommen worden. Siegfried Kauder (Bad Dürrheim) (CDU/CSU): Darf ich die Frage konkretisieren? Vizepräsident Dr. Norbert Lammert: Die letzte Zusatzfrage zu diesem Themenkomplex kommt vom Kollegen Gewalt. Vizepräsident Dr. Norbert Lammert:

Nein, Sie dürfen das nicht mehr. Roland Gewalt (CDU/CSU): Aber offenkundig wird von der Möglichkeit, das er- Herr Staatsminister, können Sie einen konkreten Zeit- satzweise durch andere erledigen zu lassen, Gebrauch punkt für die Stellungnahme der Bundesregierung zu (B) gemacht. Der Kollege Fahrenschon hatte sich gemeldet. den staatsanwaltschaftlichen Ermittlungen nennen? Sie (D) haben offenbar Einblick in die Ermittlungsakten genom- (Georg Fahrenschon [CDU/CSU]: Ich würde men – das war Ihre Aussage –, also müssen Sie auch ab- es gern anders machen und erst dem Kollegen schätzen können, wann Sie konkret eine Stellungnahme Schröder das Wort geben!) werden abgeben können. – Geht es um einen anderen Komplex? Rolf Schwanitz, Staatsminister beim Bundeskanzler: (Georg Fahrenschon [CDU/CSU]: Nein!) Die Frist für diese Stellungnahme läuft bis zum – Gut. 31. Mai. Wir werden uns bemühen, in diesem Zeitrah- men die Stellungnahme abzugeben. Herr Kollege Schröder. Vizepräsident Dr. Norbert Lammert: Dr. Ole Schröder (CDU/CSU): Ich schließe damit die Befragung zum Geschäftsbe- Die Frage war ja nun relativ eindeutig, nämlich ob die reich des Bundeskanzlers und des Bundeskanzleramtes. Bundesregierung Einsicht in die Ermittlungsakten hat und ob der Bundesregierung der Stand der Ermittlungen Wir kommen nun zum Geschäftsbereich des Auswär- bekannt ist. Das ist eine ganz konkrete Frage. tigen Amtes. Hier steht Frau Staatsministerin Kerstin Müller zur Beantwortung zur Verfügung. Rolf Schwanitz, Staatsminister beim Bundeskanzler: Ich rufe zunächst die Frage 8 des Kollegen Ruprecht Polenz auf: Die Frage ist von mir beantwortet worden. Wie beurteilt die Bundesregierung die Aussage des stell- vertretenden amerikanischen Verteidigungsministers Paul Dr. Ole Schröder (CDU/CSU): Wolfowitz in seinem Leserbrief im „Spiegel“ 16/2003, Seite 12, dass – wie aus dem offiziellen Protokoll seines Ge- Mir haben Sie diese Frage noch nicht beantwortet und sprächs mit dem Bundesminister des Auswärtigen, Joseph ich stelle diese Frage jetzt. Fischer, am 18./19. September 2001 hervorgehen soll – Paul Wolfowitz „nie die Auffassung vertreten habe“, die ihm der Bundesminister des Auswärtigen in dessen „Spiegel“-Ge- Rolf Schwanitz, Staatsminister beim Bundeskanzler: spräch 13/2003, Seite 49, zugeschrieben habe, dass „die USA eine ganze Reihe von Ländern von ihren terroristischen Re- Diese Frage ist vom Kollegen Kauder gestellt worden gierungen notfalls auch mit Gewalt befreien müssten“, son- und ich habe sie positiv beantwortet. dern dass Paul Wolfowitz laut dem offiziellen Protokoll statt- Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 42. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 7. Mai 2003 3447

Vizepräsident Dr. Norbert Lammert (A) dessen gesagt haben soll, dass „nicht nur das Militär, sondern Kerstin Müller, Staatsministerin im Auswärtigen (C) das ganze Spektrum an Mitteln – unter anderem diploma- Amt: tische, geheimdienstliche und strafrechtliche – benötigt werde, um den Terrorismus erfolgreich zu bekämpfen“, und Nein. Ich darf Sie darauf hinweisen, dass dies kein inwieweit stimmt die Bundesregierung der Aussage von Paul privates Gespräch war. Vielmehr handelte es sich um ein Wolfowitz in seinem Leserbrief im „Spiegel“ 16/2003 zu? dienstliches Gespräch von zwei Regierungsvertretern. Entscheidend ist aber – ich verweise noch einmal auf die Kerstin Müller, Staatsministerin im Auswärtigen von mir gegebene Antwort –: Es gibt solche oder ähnli- Amt: che andere öffentliche Äußerungen von Minister Herr Kollege Polenz, ich beantworte Ihre Frage wie Wolfowitz, die in diese Richtung gehen. Wenn man sich folgt: Bundesminister Fischer sieht keinen Anlass, seine mit diesen Fragen der Außenpolitik beschäftigt hat, Äußerungen in dem von Ihnen genannten „Spiegel“-In- kennt man diese auch. terview zu korrigieren. Vizepräsident Dr. Norbert Lammert: (Dr. Klaus Rose [CDU/CSU]: „Spiegel“ und „Focus“ sind ja solche Lügenzeitungen!) Eine weitere Zusatzfrage.

Ruprecht Polenz (CDU/CSU): Vizepräsident Dr. Norbert Lammert: In dem „Spiegel“-Gespräch bezieht sich der Außen- Zusatzfrage. minister aber ausdrücklich auf den 18. oder 19. Septem- ber 2001, als er mit dem stellvertretenden Verteidigungs- Ruprecht Polenz (CDU/CSU): minister Wolfowitz gesprochen hat. Ihrer Antwort, in Heißt das, dass die Bundesregierung die Aussagen, die, um bei Ihrem Standpunkt bleiben zu können, eine die der stellvertretende amerikanische Verteidigungsmi- Fülle anderer Gespräche einbezogen wurde, entnehme nister Wolfowitz gegenüber dem „Spiegel“ gemacht hat, ich, dass der Hinweis des stellvertretenden amerikani- wonach die ihm vom Außenminister zugeschriebenen schen Verteidigungsministers, es sei aus einem privaten Aussagen so nicht zutreffen, zurückweist? Gespräch berichtet worden, wohl doch seine Berechti- gung hat. Teilen Sie diese Ansicht? Kerstin Müller, Staatsministerin im Auswärtigen Amt: Kerstin Müller, Staatsministerin im Auswärtigen Amt: Das heißt, dass Bundesminister Fischer an seinen Äu- ßerungen, die er im „Spiegel“ gemacht hat, festhält. Nein, ich teile sie nicht, das habe ich auch schon (B) einmal erläutert. Erstens handelte es sich nicht um ein (D) privates Gespräch und zweitens hat Herr Minister Vizepräsident Dr. Norbert Lammert: Wolfowitz – ich möchte das wiederholen – solche oder Keine weiteren Zusatzfragen. Dann rufe ich die ähnliche Äußerungen auch an anderer Stelle getan, so- Frage 9, ebenfalls vom Kollegen Polenz gestellt, auf: dass es in der Sache – hier beziehe ich mich auf meine Ist aus Sicht der Bundesregierung die Aussage des stell- Antwort auf die Frage 8 – nichts zu korrigieren gibt. vertretenden amerikanischen Verteidigungsministers Paul Wolfowitz im „Spiegel“ 16/2003, Seite 12, zutreffend, dass Vizepräsident Dr. Norbert Lammert: der Bundesminister des Auswärtigen, Joseph Fischer, in sei- nem „Spiegel“-Interview 13/2003 auf Seite 49 die Äußerun- Herr Kollege von Klaeden. gen von Paul Wolfowitz aus einem „privaten Treffen“ mit ihm wiedergegeben haben soll, und, wenn ja, entspricht es dem üblichen diplomatischen Umgang, dass der Bundesminister Eckart von Klaeden (CDU/CSU): des Auswärtigen Inhalte eines „privaten Treffens“ in aller Öf- Was hat die Bundesregierung gegenüber der amerika- fentlichkeit diskutiert? nischen Botschaft und der amerikanischen Regierung unternommen, nachdem sie die Freude hatte, diesen Le- Kerstin Müller, Staatsministerin im Auswärtigen serbrief im „Spiegel“ zur Kenntnis zu nehmen? Amt: Ich beantworte Frage 9 wie folgt: Bundesaußenminis- Kerstin Müller, Staatsministerin im Auswärtigen ter Fischer hat lediglich Aussagen wiedergegeben, die Amt: vom stellvertretenden amerikanischen Verteidigungsmi- Es gibt kein Missverständnis. Dort, wo kein Missver- nister Paul Wolfowitz sinngemäß so oder in ähnlicher ständnis besteht, muss auch keines ausgeräumt werden. Form auch in öffentlichen Äußerungen gemacht wurden. Vizepräsident Dr. Norbert Lammert: Vizepräsident Dr. Norbert Lammert: Herr Kollege Rose. Zusatzfrage. Dr. Klaus Rose (CDU/CSU): Ruprecht Polenz (CDU/CSU): Frau Staatsministerin, heute wird man wirklich ein Er hat sich also nicht auf ein privates Gespräch bezo- bisschen irre. Das, was im „Focus“ steht, stimmt nicht, gen? das, was im „Spiegel“ steht, stimmt nicht und das, was 3448 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 42. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 7. Mai 2003

Dr. Klaus Rose (A) Sie hier heute vortragen, ist kaum zu verstehen. Es gibt Kerstin Müller, Staatsministerin im Auswärtigen (C) einen Leserbrief des stellvertretenden amerikanischen Amt: Verteidigungsministers Wolfowitz im „Spiegel“, aber Nein, diese Ansicht teile ich nicht. Ihre Frage bezog was das genau bedeutet, weiß keiner mehr. Irgendwo sich auf bisher erteilte Aufträge von USAID. Diesbezüg- steht konkret, dass die Vereinigten Staaten alles tun wol- lich gibt es keinerlei Verpflichtung der amerikanischen len, um den internationalen Terrorismus zu bekämpfen. Regierung, auch nicht nach den entsprechenden Rege- Ich frage Sie daher konkret: Macht die Bundesregierung lungen der WTO, Aufträge, für die Amerika Geld aus- wenigstens da mit oder ist sie auch von diesem Ziel in- gibt, international auszuschreiben, weil die amerikani- zwischen abgerückt? sche Regierung im Hinblick auf solche Aufträge ausdrücklich eine Ausnahmeregelung festgehalten hat. Kerstin Müller, Staatsministerin im Auswärtigen Bezüglich der weiteren Zusammenarbeit hat die ameri- Amt: kanische Regierung deutlich gemacht, dass Subaufträge auch an andere Firmen gehen können und werden. Sie Ich bitte Sie! Wir haben dazu viele intensive Diskus- hat versichert, dass sie davon ausgeht und es begrüßt, sionen – auch ich war daran beteiligt – mit den Mitglie- dass in Zukunft beim Wiederaufbau enge Kooperation dern des Auswärtigen Ausschusses geführt. Gerade in stattfinden wird und vermutlich auch deutsche Firmen der Frage des Kampfes gegen den internationalen Terro- eine Rolle spielen werden. Dort gibt es meines Wissens rismus ziehen wir an einem Strang, hier gibt es sehr gute keinerlei Vorbehalte. Beziehungen und eine enge Zusammenarbeit mit den USA. Ich möchte in diesem Zusammenhang besonders auf die Vereinten Nationen verweisen. Bei diesem Dr. Rainer Stinner (FDP): Thema herrscht große Übereinstimmung, das gilt ebenso Frau Staatsministerin, darf ich Sie darauf hinweisen, für das Vorgehen im Nahostkonflikt, Stichwort dass sich meine Frage nicht auf eine Auftragsvergabe „Roadmap“. durch USAID, sondern allgemein auf die Vergabe von Aufträgen für den Aufbau des Irak an Unternehmen be- Zu diesem speziellen Zitat, auf das sich Ihre Nach- zogen hat? Daher meine Nachfrage: Sie haben gesagt, frage bezieht – hier muss ich Sie einfach korrigieren –, die USA hätten erklärt, dass sie gegebenenfalls durchaus habe ich nicht gesagt, es stimmt nicht, was im „Spiegel“ andere Unternehmen einbeziehen wollten. Gibt es dies- steht, sondern ich habe genau das Gegenteil in der Be- bezüglich einen intensiven Kontakt zwischen der Bun- antwortung der Frage 8 gesagt; denn ich habe ausge- desregierung und der Regierung der Vereinigten Staaten führt, dass Bundesminister Fischer von seinen Äußerun- von Amerika? gen, die er im „Spiegel“-Interview gemacht hat, nichts (B) zurückzunehmen hat, und dabei bleibt es. (D) Kerstin Müller, Staatsministerin im Auswärtigen Amt: Vizepräsident Dr. Norbert Lammert: Ja, den gibt es. Es gibt auch intensive Gespräche. Ich Ich rufe die Frage 10 des Kollegen Dr. Stinner auf: habe mich in meinen Ausführungen deshalb auf Auf- Welche Institutionen haben bisher nach Kenntnis der Bun- träge aus den USA bezogen, weil Ihre Frage lautete, an desregierung an Unternehmen aus welchen Ländern Aufträge welche Unternehmen aus welchen Ländern Aufträge für den Wiederaufbau im Irak vergeben? vergeben wurden. Unserer Kenntnis nach sind für den Wiederaufbau im Irak bisher nur Aufträge von der US- Kerstin Müller, Staatsministerin im Auswärtigen Regierung und da insbesondere durch USAID vergeben Amt: worden. Deshalb habe ich erläutert, dass es im Hinblick Herr Kollege Stinner, ich beantworte Ihre Frage wie auf amerikanische öffentliche Gelder keine Verpflich- folgt: Nach Kenntnis der Bundesregierung hat die US- tung der amerikanischen Regierung gibt, diese Aufträge Regierung, in diesem Fall die USAID und das Pentagon, international auszuschreiben. bisher für den Wiederaufbau im Irak Aufträge in einem Umfang von rund 78 Millionen US-Dollar vergeben. Vizepräsident Dr. Norbert Lammert: Hierbei handelt es sich um Aufträge an US-Firmen so- Wir kommen zur Frage 11 des Kollegen Stinner: wie um freiwillige Beiträge an WHO und Unicef. Welches Vergabeverfahren für den Wiederaufbau im Irak hält die Bundesregierung für die Zukunft am geeignetsten und Vizepräsident Dr. Norbert Lammert: welche diplomatischen Anstrengungen hat sie bereits unter- nommen, um dieses umzusetzen? Herr Kollege Stinner, bitte schön. Kerstin Müller, Staatsministerin im Auswärtigen Dr. Rainer Stinner (FDP): Amt: Meine Zusatzfrage, Frau Staatsministerin: Teilt die Ich beantworte die Frage wie folgt: Weder Auslands- Bundesregierung die weit verbreitete Ansicht, dass das hilfen durch USAID noch potenzielle Aufträge durch Verhalten der deutschen Regierung in diesem Zusam- eine neue irakische Regierung unterfallen förmlich dem menhang in den letzten sechs bis acht Monaten die WTO-Beschaffungsübereinkommen; das habe ich schon Chancen deutscher Unternehmen, beim Wiederaufbau erwähnt. Für deutsche Unternehmen wären Auftragsver- im Irak mitzuwirken, drastisch reduziert hat? gaben durch die Vereinten Nationen am günstigsten, da Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 42. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 7. Mai 2003 3449

Staatsministerin Kerstin Müller (A) die Beschaffungsregeln der Vereinten Nationen eine Dis- für den Rechtsausschuss des Bundestages erinnern. Er (C) kriminierung verhindern. Die Bundesregierung wird sich hat damals ausgeführt: weiter im bilateralen und multilateralen Rahmen für die Einhaltung der internationalen Vergaberegeln einsetzen, Der Wegfall des Erfordernisses der Staatlichkeit … um deutschen Unternehmen eine Beteiligung an solchen durch Gesetzesänderungen ließe erheblichen Zu- Aufträgen im Rahmen eines fairen Wettbewerbs zu er- wanderungsdruck erwarten. möglichen. Darüber hinaus hatte er angegeben, dass auch der Euro- päische Gerichtshof für Menschenrechte in einem für Vizepräsident Dr. Norbert Lammert: Deutschland bedeutsamen Urteil vom März 2000 festge- Keine weiteren Zusatzfragen. Damit sind wir am stellt hatte, dass das deutsche Rechtssystem in Fällen Ende dieses Geschäftsbereichs. Wir kommen nun zum nicht staatlicher Verfolgungen und Menschenrechtsver- Geschäftsbereich des Bundesministeriums des Innern. letzungen nicht lückenhaft sei. Zur Beantwortung steht der Parlamentarische Staatsse- kretär Körper zur Verfügung. Fritz Rudolf Körper, Parl. Staatssekretär beim Bun- desminister des Innern: Ich rufe die Frage 12 des Kollegen Dr. Schröder auf: Wird die Bundesregierung bei den Verhandlungen zum Sie haben sicher vernommen, dass meine Ausführungen Vorschlag für eine Richtlinie des Rates über Mindestnormen den jetzigen Verhandlungsstand und -inhalt in Brüssel zu für die Anerkennung und den Status von Drittstaatsangehöri- dieser Richtlinie wiedergeben. Ich habe deutlich ge- gen und Staatenlosen als Flüchtlinge oder als Personen, die an- derweitig internationalen Schutz benötigen – RD 6566/03 –, macht, wie das gesamte Szenario aussieht und in wel- darauf bestehen, dass die Anerkennung als Flüchtling nur bei chen Teilen sich unsere Position von den Positionen der staatlicher oder staatlich zurechenbarer Verfolgung erfolgt, anderen unterscheidet. Das, was ich vorgetragen habe, und wird die Bundesregierung ihre Zustimmung zur Richtlinie ist die Position der Bundesregierung und die Position insgesamt verweigern, wenn sie sich insoweit nicht durchsetzt? von Bundesinnenminister .

Fritz Rudolf Körper, Parl. Staatssekretär beim Bun- Dr. Ole Schröder (CDU/CSU): desminister des Innern: Herr Kollege Schröder, ich beantworte Ihre Frage wie Sie haben in Ihrer Antwort auf meine Frage gesagt, folgt: Die Bundesregierung ist der Auffassung, dass dass die neuerdings von der Bundesregierung vertretene Menschen, die aus einem der in der Genfer Konvention Auffassung auch Praxis in den anderen EU-Mitglied- genannten Gründe – das sind beispielsweise Rasse, Reli- staaten sei. Wie verträgt sich das mit der einzigen Ver- einbarung, die es zwischen den EU-Mitgliedstaaten gibt? (B) gion oder politische Überzeugung – im Herkunftsland (D) verfolgt werden, der GFK-Status zu gewähren ist und Der Rat hat am 4. März 1996 betreffend die harmoni- dabei nicht zwischen dem Staat zurechenbarer und nicht sierte Anwendung der Definition des Begriffs Flüchtling zurechenbarer nicht staatlicher Verfolgung unterschie- aus Art. 1 der Genfer Flüchtlingskonvention festgestellt den werden sollte. In beiden Fällen geht es um Verfol- – das ist gemeinsame Auffassung –, dass es der EU-Pra- gungen, die den Einzelnen in Anknüpfung an die Merk- xis entspricht, dass nur die staatliche Verfolgung unter male der Genfer Konvention an Leib, Leben oder den Flüchtlingsbegriff zu subsumieren ist und dass nur Freiheit gefährden und vor denen er im Herkunftsland sie zur Anerkennung als Flüchtling führen kann. Wie keinen Schutz finden kann. verträgt sich das mit Ihrer Äußerung über die angeblich überall zu findende Praxis? Das insoweit gleiche Schutzbedürfnis muss auch zum gleichen Schutzstatus führen. Die Bundesregierung be- Fritz Rudolf Körper, Parl. Staatssekretär beim Bun- fürwortet deshalb die Einbeziehung auch der dem Staat desminister des Innern: nicht zurechenbaren nicht staatlichen Verfolgung in den Flüchtlingsbegriff. Das entspricht im Übrigen der ganz Ich habe nicht „überall“ gesagt, sondern dass dies im überwiegenden internationalen Staatenpraxis. Alle ande- Übrigen der ganz überwiegenden internationalen Staa- ren EU-Staaten vertreten gegenwärtig – das muss man in tenpraxis entspricht. Das ist richtig und ist nicht zu korri- diesem Zusammenhang auch feststellen – die Auffas- gieren. Ich denke, dass unsere Position hinsichtlich der sung, dass auch die nicht staatliche Verfolgung, die dem Hineinnahme der nicht zurechenbaren nicht staatlichen Staat nicht zugerechnet werden kann, zur Flüchtlings- Verfolgung in den Flüchtlingsbegriff klar ist und dass anerkennung führen muss. klar ist, wie die internationale Staatenpraxis überwie- gend aussieht. Vizepräsident Dr. Norbert Lammert: Vizepräsident Dr. Norbert Lammert: Bitte schön. Herr Kollege Koschyk, bitte. Dr. Ole Schröder (CDU/CSU): Herr Parlamentarischer Staatssekretär, wie verhält Hartmut Koschyk (CDU/CSU): sich Ihre Aussage in Bezug auf die bisher von Bundesin- Sie haben die momentane Verhandlungsposition der nenminister Schily gemachten Äußerungen? Ich möchte Bundesregierung respektive Ihres Hauses dargelegt. in diesem Zusammenhang an die Ausführungen von In- Wird der Bundesinnenminister bei den anstehenden nenminister Schily im Jahre 2000 in einem Gutachten Verhandlungen also die Hineinnahme nicht staatlicher 3450 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 42. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 7. Mai 2003

Hartmut Koschyk (A) Verfolgung in die Definition des Flüchtlingsbegriffs ak- ansehen und mit der Formulierung zum Arbeitsmarktzu- (C) zeptieren? Hat die Bundesregierung Berechnungen an- gang vergleichen, dann wird deutlich, dass es ein Kom- gestellt, zu welcher Erhöhung das bei der Zuwanderung promiss ist. An diesem Beispiel wird aber auch deutlich, für die Bundesrepublik Deutschland führen wird? dass Deutschland nicht alleine in Europa ist.

Fritz Rudolf Körper, Parl. Staatssekretär beim Bun- Dr. Ole Schröder (CDU/CSU): desminister des Innern: Heißt das, dass die Bundesregierung bei den dem- Herr Kollege Koschyk, alle anderen EU-Staaten ver- nächst anstehenden Verhandlungen über die anderen treten gegenwärtig die Auffassung, dass auch die nicht Richtlinien nach der Maßgabe verhandeln wird, dass da- staatliche Verfolgung, die dem Staat nicht zugerechnet rin der Zugang zum Arbeitsmarkt geregelt werden kann, werden kann, zur Anerkennung als Flüchtling führen und dass die Bundesregierung in dieser Hinsicht kom- muss. Das war bereits Teil meiner Antwort auf die Frage promissbereit ist? des Kollegen Schröder. Daraus wird deutlich, dass diese Position noch einer gewissen Diskussion bedarf und ei- Fritz Rudolf Körper, Parl. Staatssekretär beim Bun- ner Entscheidung zugeführt werden muss. desminister des Innern: Herr Kollege Schröder, Sie wissen, dass der Arbeits- Vizepräsident Dr. Norbert Lammert: marktzugang durch die von uns gefundenen Formulie- Wir kommen zu Frage 13 des Kollegen Dr. Schröder: rungen in diesen Richtlinien – diese sind von mir auch erwähnt worden – viel stärker in die nationale Rege- Wird die Bundesregierung bei den Verhandlungen zum Vorschlag für eine Richtlinie des Rates über Mindestnormen lungskompetenz gestellt wird. Das wird deutlich, sodass für die Anerkennung und den Status von Drittstaatsangehöri- hier kein solcher Dissens vorhanden ist, wie Sie ihn kon- gen und Staatenlosen als Flüchtlinge oder als Personen, die an- struieren wollen. derweitig internationalen Schutz benötigen – RD 6566/03 –, darauf bestehen, dass die Regelungen über den Zugang zum Arbeitsmarkt, da sie nicht in den Kompetenzbereich der EU Vizepräsident Dr. Norbert Lammert: fallen, aus der Richtlinie herausgenommen werden, und wird die Bundesregierung ihre Zustimmung zur Richtlinie insge- Herr Kollege Koschyk. samt verweigern, wenn sie sich insoweit nicht durchsetzt? Hartmut Koschyk (CDU/CSU): Fritz Rudolf Körper, Parl. Staatssekretär beim Bun- Herr Staatssekretär, heißt das, dass die Bundesregie- desminister des Innern: rung bei der zu verhandelnden Richtlinie die Position (B) (D) Herr Kollege Schröder, Regelungen zum Arbeits- verfolgt, dass der Zugang zum Arbeitsmarkt in der natio- marktzugang sind unter anderem in den bereits verab- nalen Kompetenz verbleibt? Wird die Bundesregierung schiedeten Richtlinien zum vorübergehenden Schutz und Ihre Zustimmung zu dieser Richtlinie vom Ausgang der über die Aufnahmebedingungen für Asylbewerber ent- Verhandlungen, bei denen es darum geht, ob der Zugang halten. Die Bundesregierung orientiert sich bei den Ver- zum Arbeitsmarkt in der nationalen Kompetenz ver- handlungen über die Anerkennungsrichtlinie an den in bleibt oder nicht, abhängig machen? diesen Richtlinien enthaltenen Bestimmungen. Fritz Rudolf Körper, Parl. Staatssekretär beim Bun- Vizepräsident Dr. Norbert Lammert: desminister des Innern: Bitte schön, Herr Dr. Schröder. In der Zielsetzung bezüglich der Auswirkungen, was die Regelungen des Arbeitsmarktes anbelangt, sind wir uns relativ einig. Sie kennen die bisher gefundenen Re- Dr. Ole Schröder (CDU/CSU): gelungen. Sie stellen in der Tat einen Kompromiss dar. Herr Parlamentarischer Staatssekretär, wie verhält In ihren Auswirkungen entsprechen sie aber ganz we- sich das mit Ihrer Aussage, die Sie hier in der Frage- sentlich dem, was auch Sie formuliert haben. stunde am 2. April 2003 gemacht haben, dass nämlich der „Zugang zu den nationalen Arbeitsmärkten … im Vizepräsident Dr. Norbert Lammert: Zuständigkeitsbereich der Mitgliedstaaten“ liegt? Die Fragen 14 und 15 des Kollegen Grindel werden schriftlich beantwortet. Fritz Rudolf Körper, Parl. Staatssekretär beim Bun- desminister des Innern: Wir kommen damit zur Frage 16 des Kollegen Koschyk: Das ist kein Widerspruch. Sie wissen, dass es eine Wird die Bundesregierung bei den Verhandlungen zum Vor- Diskussion zu dieser Frage gibt. Sie wissen auch, dass es schlag für eine Richtlinie des Rates über Mindestnormen für die beispielsweise eine relativ eindeutige Aussage von Anerkennung und den Status von Drittstaatsangehörigen und Bundesaußenminister Fischer in Bezug auf die Kon- Staatenlosen als Flüchtlinge oder als Personen, die anderweitig ventsverhandlungen gibt oder dass es eine Position gibt, internationalen Schutz benötigen – RD 6566/03 –, darauf beste- die vonseiten der Länder eingenommen wird. Die Vorge- hen, dass der „weite Flüchtlingsbegriff“ einschließlich der da- mit verbundenen Statusaufwertung herausgenommen wird, und hensweise, wie wir sie anstreben, ist deswegen, wie ich wird sie notfalls ihre Zustimmung zur Richtlinie insgesamt ver- glaube, richtig. Wenn Sie sich die anderen Richtlinien weigern? Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 42. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 7. Mai 2003 3451

(A) Fritz Rudolf Körper, Parl. Staatssekretär beim Bun- Daneben geht es um die sich im Aufnahmeland be- (C) desminister des Innern: findlichen Familienangehörigen. Auch hierzu finden Herr Kollege Koschyk, Ihrer Frage ist für mich nicht Diskussionen und Debatten statt, sodass noch kein ab- eindeutig zu entnehmen, was Sie mit dem „,weiten schließendes Ergebnis vorliegt. Unsere Verhandlungspo- Flüchtlingsbegriff‘ einschließlich der damit verbundenen sition orientiert sich an unserer politischen Haltung, die Statusaufwertung“ meinen. Sollte sich die Frage auf die wir zum Zuwanderungsgesetz und zum nationalen Recht Einbeziehung der nicht staatlichen Verfolgung und den haben. Flüchtlingsbegriff nach der GFK beziehen, so will ich auf die vorhin gegebenen Antworten in Bezug auf die Vizepräsident Dr. Norbert Lammert: Fragen von Herrn Dr. Schröder hinweisen. Bitte schön, Herr Koschyk.

Vizepräsident Dr. Norbert Lammert: Hartmut Koschyk (CDU/CSU): Herr Koschyk. Herr Staatssekretär, ich frage noch einmal: Hält die Bundesregierung die Vorbehalte, wie sie mir die Frau Hartmut Koschyk (CDU/CSU): Staatssekretärin in der Antwort vom 14. März 2003 mit- geteilt hat, aufrecht? Wird sie notfalls eine Zustimmung Herr Staatssekretär, ich beziehe mich dabei auch auf zu dieser Richtlinie verweigern, wenn es zu sehr starken eine Antwort der Bundesregierung auf eine schriftliche Aufweichungstendenzen kommt, die Personen, die sub- Frage von mir. Im Hinblick auf den damaligen Verhand- sidiären Schutz genießen, von den Leistungen her – ich lungsstand zu dieser Richtlinie des JI-Rates auf seiner will es einmal so formulieren – Asylbewerbern nahezu Tagung am 27. und 28. Februar dieses Jahres hat die gleichzustellen? Bundesregierung am 14. März durch Frau Staatssekretä- rin Vogt geantwortet, dass in dem Richtlinienvorschlag, Fritz Rudolf Körper, Parl. Staatssekretär beim Bun- um den es geht, unter anderem bestimmt wird, das subsi- desminister des Innern: diär Schutzberechtigte nach spätestens einem Jahr einen uneingeschränkten Zugang zum Arbeitsmarkt haben und Herr Kollege Koschyk, die Debatte um die subsidiär dass sie auf den Gebieten der Sozialhilfe und der medizi- Schutzberechtigten kann man nicht nur an einem Spie- nischen Versorgung mit Inländern gleichgestellt werden gelstrich festmachen. Ich habe versucht, Ihnen das kurz sollen. Außerdem sollen subsidiär Schutzberechtigte darzulegen. Wir haben unsere Vorbehalte eingebracht. nach dieser Richtlinie einen Zugang zu Integrationspro- Das ist der derzeitige Sachstand. grammen erhalten. (B) (D) Vizepräsident Dr. Norbert Lammert: Bei dem „weiten Flüchtlingsbegriff“ geht es also da- rum, ob subsidiär Schutzberechtigte diese Leistungen Bitte schön, Herr Kollege Schröder. der Mitgliedstaaten nach dem Richtlinienentwurf be- kommen sollen oder nicht. Am 14. März hat die Frau Dr. Ole Schröder (CDU/CSU): Staatssekretärin geantwortet: Ich habe konkret zu dieser Richtlinie eine Nachfrage. Da diese Regelungen, die die EU in dieser Richtli- In dem Entwurf zu dieser Richtlinie ist momentan vorge- nie treffen will, in Teilen weder mit der geltenden sehen, dass es den Nationalstaaten bei der missbräuchli- Rechtslage noch mit den entsprechenden Bestim- chen Schaffung von Nachfluchttatbeständen nicht er- mungen im Entwurf des Zuwanderungsgesetzes laubt sein soll, die Anerkennung als Flüchtling zu vereinbar sind, wurden auch im Rat dagegen Vorbe- verweigern. Das entspricht nicht dem nationalen Recht. halte geltend gemacht. Wird die Bundesregierung ihre Zustimmung zu dieser Richtlinie verweigern, wenn es bei der missbräuchlichen Meine Frage lautet: Macht die Bundesregierung bei Schaffung von Nachfluchtgründen nicht möglich ist, die den Verhandlungen über diese Richtlinie weiterhin Vor- Anerkennung als Flüchtling zu verweigern? behalte gegen diesen „weiten Flüchtlingsbegriff“ gel- tend? Fritz Rudolf Körper, Parl. Staatssekretär beim Bun- desminister des Innern: Fritz Rudolf Körper, Parl. Staatssekretär beim Bun- Diese Frage kann ich Ihnen im Moment nicht beant- desminister des Innern: worten. Inwieweit dieser von Ihnen genannte Sachver- Herr Kollege Koschyk, Sie wissen, was die Rechtspo- halt Gegenstand der Beratungen zu dieser Richtlinie ist, sition subsidiär Schutzberechtigter ausmacht. Aufgrund will ich gerne nachfragen, um zu erfahren, wie die Posi- des derzeitigen Richtlinienvorschlags gilt es, Folgendes tion ist. festzuhalten: Zukünftig soll ein Aufenthaltstitel gewährt werden. Dies gilt zum Beispiel auch bezüglich des Zu- Vizepräsident Dr. Norbert Lammert: gangs zum Arbeitsmarkt. Hier gibt es in der Tat noch Wir kommen zur Frage 17 des Kollegen Koschyk: Diskussionen und Gespräche; Sie haben die Zeitdauer von einem Jahr genannt. Unsere Position bezüglich des Wird die Bundesregierung bei den Verhandlungen zum Vorschlag für eine Richtlinie des Rates über Mindestnormen nachrangigen Arbeitsmarktzugangs ist ganz entschei- für die Anerkennung und den Status von Drittstaatsangehöri- dend. gen und Staatenlosen als Flüchtlinge oder als Personen, die an- 3452 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 42. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 7. Mai 2003

Vizepräsident Dr. Norbert Lammert (A) derweitig internationalen Schutz benötigen – RD 6566/03 –, Fritz Rudolf Körper, Parl. Staatssekretär beim Bun- (C) darauf bestehen, dass „subsidiär Schutzberechtigte“ keinen desminister des Innern: Anspruch auf Familienzusammenführung haben, und wird sie notfalls ihre Zustimmung zur Richtlinie insgesamt verwei- Herr Kollege Koschyk, wenn ich mich richtig erin- gern? nere, ist die Frage, wer von dieser Richtlinie betroffen ist, in den Verhandlungen überhaupt nicht streitig. Das muss man genau auseinander halten. Sie wissen, dass es Fritz Rudolf Körper, Parl. Staatssekretär beim Bun- relativ viele Richtlinien gibt. Aber bei dieser Richtlinie desminister des Innern: ist die Lage relativ eindeutig und klar. Herr Kollege Koschyk, die Familienzusammenfüh- rung im eigentlichen Sinne ist nicht Gegenstand der Vizepräsident Dr. Norbert Lammert: Richtlinie. Es ist wichtig, das festzuhalten. Die Richtli- Bitte schön, Herr Kollege Schröder. nie regelt lediglich die Rechtsstellung von Familienan- gehörigen, die sich bereits zusammen mit dem stammbe- Dr. Ole Schröder (CDU/CSU): rechtigten Flüchtling oder subsidiär Schutzberechtigten im Aufnahmeland aufhalten, nicht aber das Recht auf Vielen Dank, Herr Präsident. – Im Entwurf dieser den Nachzug von Familienangehörigen. Richtlinie wird auch geregelt, dass Flüchtlinge das Recht auf Weiterwanderung in einen zweiten Mitgliedstaat ha- ben. Wie weit wird die Bundesregierung dies bei den Die Bundesregierung vertritt die Auffassung, dass Fa- Verhandlungen akzeptieren und wird die Bundesregie- milienangehörigen, die sich mit dem subsidiär Schutzbe- rung notfalls die Zustimmung zu dieser Richtlinie ver- rechtigten im Aufnahmeland befinden, im Hinblick auf weigern, wenn dieser Passus beibehalten wird? die nach Art. 6 unseres Grundgesetzes und auch nach der Europäischen Menschenrechtskonvention – ich glaube, das ist Art. 8 – gebotene Wahrung der Familieneinheit Fritz Rudolf Körper, Parl. Staatssekretär beim Bun- der Aufenthalt im Aufnahmeland zu ermöglichen ist. Die desminister des Innern: Bundesregierung hält es jedoch nicht für angebracht, Fa- Herr Schröder, ich will einmal eine grundsätzliche milienangehörigen von subsidiär Schutzberechtigten au- Bemerkung machen. Immer dann, wenn Fragen zu die- tomatisch die gleiche Rechtsposition wie dem Stammbe- sen Richtlinien gestellt werden, dann greifen Sie und an- rechtigten zu gewähren. dere Kollegen von der CDU/CSU einen Punkt auf und fordern die Bundesregierung auf, der Richtlinie ihre Zu- stimmung zu versagen, wenn sich die deutsche Position Hartmut Koschyk (CDU/CSU): in diesem Detailpunkt nicht durchsetzt. (B) (D) Herr Staatssekretär, darf ich das so verstehen, dass die Ich sage ganz deutlich: Sie müssen lernen, dass wir Bundesregierung bei der weiteren Verhandlung dieser ein gemeinsames Europa wollen. Sie müssen auch er- Richtlinie sehr genau darauf achten wird, dass es in dem kennen, dass wir bei solchen Verhandlungen und Debat- von Ihnen genannten Sinne nur um die Situation der Fa- ten nicht allein in Europa sind. Hören Sie deswegen mit milienangehörigen von Personen geht, die subsidiären dem Schwarz-Weiß-Schema und dem Motto „Alles oder Schutz genießen und sich bereits im aufnehmenden nichts“ auf. Das bringt uns in Europa nicht voran. Land, beispielsweise Deutschland, befinden? Entschei- dend ist also, wie deren Situation geregelt wird. Es kann Vizepräsident Dr. Norbert Lammert: folglich nicht darum gehen, dass Familienangehörige des Nun kommen wir zur Frage 18 der Abgeordneten subsidiär Schutzberechtigten, die sich noch nicht im auf- Pau: nehmenden Land befinden, zu- oder nachziehen können. Wie viele antisemitische Straftaten wurden im ersten Quartal 2003 in der Bundesrepublik Deutschland begangen und wie viele Opfer dieser Straftaten gab es? Fritz Rudolf Körper, Parl. Staatssekretär beim Bun- desminister des Innern: Fritz Rudolf Körper, Parl. Staatssekretär beim Bun- Herr Kollege Koschyk, ich hatte schon vermutet, dass desminister des Innern: Sie eine Frage zu den nachziehenden Personen stellen Frau Kollegin Pau, ich muss eine Vorbemerkung ma- würden. Diese Frage kann ich Ihnen genau beantworten: chen: Die im Folgenden von mir aufgeführten Zahlen In der Diskussion zu dieser Richtlinie geht es nicht um stellen keine abschließende Statistik dar, sondern können die nachziehenden Personen, sondern um die im Land sich aufgrund von Nachmeldungen noch verändern. befindlichen Schutzberechtigten. Aber das wissen Sie, weil Sie mittlerweile Spezialistin geworden sind, was das Zustandekommen solcher Statis- tiken anbelangt. Die Bundesebene hat hier nur die Funk- Hartmut Koschyk (CDU/CSU): tion, die Daten zu sammeln und zusammenzuführen. Wird die Bundesregierung sorgsam darauf achten, Im ersten Quartal 2003 wurden insgesamt 222 antise- dass in den Verhandlungen zu dieser Richtlinie nicht mitische Straftaten, die dem Phänomenbereich „Politisch eine – ich will es einmal so formulieren – versteckte Fa- motivierte Kriminalität – rechts“ zugeordnet wurden, ge- milienzusammenführung für subsidiär Schutzberechtigte meldet, darunter 25 so genannte Propagandadelikte und zum Tragen kommt? sieben – danach fragen Sie auch – Gewaltdelikte. Bei Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 42. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 7. Mai 2003 3453

Parl. Staatssekretär Fritz Rudolf Körper (A) Letzteren handelt es sich um sechs Körperverletzungen sekretär freiwillig darüber befinden kann, ob er aus dem (C) und einen Landfriedensbruch. Im ersten Quartal 2003 Amt ausscheidet. Wäre in einem solchen Falle nicht vor- wurden sechs Personen verletzt. Todesfälle waren nicht rangig von der Möglichkeit Gebrauch zu machen, selbst zu verzeichnen. die Versetzung in den Ruhestand zu beantragen, was nach § 30 geht? Vizepräsident Dr. Norbert Lammert: Eine Zusatzfrage, Frau Pau? Fritz Rudolf Körper, Parl. Staatssekretär beim Bun- desminister des Innern: Petra Pau (fraktionslos): Ich habe Ihnen § 36 des Bundesbeamtengesetzes ge- Herzlichen Dank, Herr Parlamentarischer Staatsse- nannt. Ich habe auch deutlich gemacht, wie dieser Para- kretär. – Kann ich davon ausgehen, dass Sie auch die graph praktiziert wird. Die Exekutive hat einen relativ Auflistung nach Ländern vorrätig haben? Aus Gründen weiten Ermessensspielraum. Herr Kaster, ich kann Ihnen der Zeitersparnis würde es mir genügen, wenn Sie die sagen, dass die Regierung Kohl einen erheblichen Ge- Angaben nachreichen. brauch von der Versetzung in den Ruhestand von politi- schen Beamten gemacht hat. – Sie sollten sich besser ei- nem anderen Thema zuwenden. Ich glaube, dieses Fritz Rudolf Körper, Parl. Staatssekretär beim Bun- Thema ist nicht ergiebig. desminister des Innern: Frau Kollegin Pau, ich habe die Frage erwartet. So- (Eckart von Klaeden [CDU/CSU]: Wie für- weit es möglich ist, werden wir Ihnen die Angaben über sorglich von der Bundesregierung!) die regionalen Unterschiede gerne zuleiten. – So bin ich eben. Sie kennen mich doch mittlerweile.

Petra Pau (fraktionslos): (Eckart von Klaeden [CDU/CSU]: Ja, ich kenne Sie!) Danke schön.

Vizepräsident Dr. Norbert Lammert: Vizepräsident Dr. Norbert Lammert: Weitere Zusatzfrage? – Das ist nicht der Fall. Herr Kaster. Ich rufe jetzt die Frage 19 des Kollegen Kaster auf: Bernhard Kaster (CDU/CSU): Welche Kriterien berücksichtigt die Bundesregierung, (B) wenn sie – wie im Falle des ehemaligen Chefs des Presse- und Sie sagten, dass die Palette der Kriterien, die in die- (D) Informationsamtes und Sprechers der Bundesregierung, sem Fall zur Anwendung kommen können, sehr weit ge- Staatssekretär Uwe-Karsten Heye – dem Bundespräsidenten fasst ist. Es handelt sich schließlich um eine Kannbe- die Versetzung politischer Beamter in den einstweiligen Ru- hestand vorschlägt, um dem Willkürverbot und der Intention stimmung, die eben zitiert worden ist. Sie werden des § 36 des Bundesbeamtengesetzes bzw. des § 31 des Be- sicherlich eine entsprechende Mitteilung an den Bundes- amtenrechtsrahmengesetzes Rechnung zu tragen? präsidenten richten. Gehört möglicherweise auch das Kriterium einer gewissen Amtsmüdigkeit dazu? Fritz Rudolf Körper, Parl. Staatssekretär beim Bun- desminister des Innern: Fritz Rudolf Körper, Parl. Staatssekretär beim Bun- Herr Kollege Kaster, Versetzungen in den einstweili- desminister des Innern: gen Ruhestand werden dem Bundespräsidenten nur bei Wie ich Herrn Heye kenne, kann von Müdigkeit keine Vorliegen eines sachlichen, dem Zweck des § 36 des Rede sein. Ich denke, die Rechtsprechung ist hinsichtlich Bundesbeamtengesetzes entsprechenden Grundes vor- der Gründe bzw. der Frage, was als zulässig anerkannt geschlagen. Der Gesetzgeber hat der Exekutive für die wird, eindeutig. Daran ist nichts zu beanstanden; das ist Entscheidung über die Versetzung in den einstweiligen durchaus in Ordnung und entspricht auch der Praxis. Ruhestand einen sehr weiten Ermessensspielraum einge- räumt, der nur reine Willkürmaßnahmen ausschließt. Demzufolge hat die Rechtsprechung eine Vielzahl sehr Vizepräsident Dr. Norbert Lammert: unterschiedlicher Gründe als Rechtfertigung eines sol- Eine Zusatzfrage, Herr Kollege Fahrenschon. chen Schrittes anerkannt.

Georg Fahrenschon (CDU/CSU): Vizepräsident Dr. Norbert Lammert: Zusatzfrage. Herr Staatssekretär, nachdem Sie ausgeführt haben, dass von der Möglichkeit, freiwillig in Ruhestand zu ge- hen, nicht Gebrauch gemacht wurde, stellen sich die Fra- Bernhard Kaster (CDU/CSU): gen, wer die Anweisung zur Versetzung in den Ruhe- Im Falle des Staatssekretärs Heye gab es Veröffentli- stand zulasten des Steuerzahlers gegeben hat und auf chungen im „Stern“ und interne Bekundungen, dass es welche Höhe sich die Zahlungen an den ehemaligen eine Vereinbarung zwischen dem Bundeskanzler und Staatssekretär Heye belaufen, die er seit seiner Verset- dem Staatssekretär gegeben haben soll, dass der Staats- zung in den einstweiligen Ruhestand erhalten hat. 3454 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 42. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 7. Mai 2003

(A) Fritz Rudolf Körper, Parl. Staatssekretär beim Bun- CSU]: Na klar! Wir handeln nur nach Recht (C) desminister des Innern: und Gesetz!) Was Sie mir hinsichtlich der Freiwilligkeit in den – Frau Philipp, ich kann doch nichts für die Qualität der Mund gelegt haben, entspricht nicht meinen Ausführun- Fragen. gen. Ich habe Ihnen die Rechtsgrundlage dargelegt. Ich denke, sie ist nicht zu beanstanden. Das gilt auch für die ( [CDU/CSU]: Aber für die der praktische Handhabung dieses Falles. Sie sollten besser Antworten!) damit aufhören, irgendetwas zu unterstellen. Wie Sie wissen, gibt es das Amt des politischen Beamten und die Vizepräsident Dr. Norbert Lammert: damit verbundenen Möglichkeiten, von denen auch Ge- brauch gemacht wird. Die Regierung Kohl hat davon er- Zweite Zusatzfrage. heblichen Gebrauch gemacht. Insofern denke ich, Sie tun gut daran, sich mit Wertungen aller Art stark zurück- Bernhard Kaster (CDU/CSU): halten. Im Hinblick auf die finanziellen Auswirkungen habe ich eine weitere Zusatzfrage. Wenn Herr Staatssekretär Vizepräsident Dr. Norbert Lammert: Heye in den einstweiligen Ruhestand eines politischen Ich rufe nun die Frage 20 des Kollegen Bernhard Beamten versetzt worden ist, frage ich Sie, ob das nicht Kaster auf: im Widerspruch zu einer erneuten Ernennung als Gene- ralkonsul oder zu einer ehrenamtlichen Tätigkeit für das Welche Auswirkungen hat die künftige Tätigkeit von Uwe-Karsten Heye als Generalkonsul auf die Versorgungsbe- Bundespresseamt, beispielsweise im Rahmen des Beira- züge des ehemaligen Regierungssprechers? tes zu dem so genannten Deutschland-Portal, steht.

Fritz Rudolf Körper, Parl. Staatssekretär beim Bun- Fritz Rudolf Körper, Parl. Staatssekretär beim Bun- desminister des Innern: desminister des Innern: Herr Kollege Kaster, treffen Versorgungsbezüge mit Nein. Erwerbseinkommen zusammen, wird Letzteres gemäß § 53 des Beamtenversorgungsgesetzes auf die Versor- Vizepräsident Dr. Norbert Lammert: gung angerechnet. Bei den Einkünften aus einer Tätig- keit als Generalkonsul handelt es sich um anrechenbares Herr Fahrenschon, bitte schön. Erwerbseinkommen. Die Versorgungsbezüge werden (B) dementsprechend gekürzt. Georg Fahrenschon (CDU/CSU): (D) Herr Staatssekretär, ich frage noch einmal konkret: Ist Vizepräsident Dr. Norbert Lammert: die Stelle des Generalkonsuls in New York derzeit frei Eine Zusatzfrage. und, wenn ja, wie lange braucht die Bundesregierung, um sie ihrem Vorschlag entsprechend mit dem ehemali- gen Staatssekretär Heye zu besetzen? Oder ist die Stelle Bernhard Kaster (CDU/CSU): des Generalkonsuls in New York nicht so wichtig, so- Vor dem Hintergrund dieser finanziellen Auswirkung, dass man sich damit Zeit lassen kann? die Sie eben deutlich gemacht haben, stelle ich die Frage, warum die neue Position als Generalkonsul im Fritz Rudolf Körper, Parl. Staatssekretär beim Bun- Hinblick auf diese finanzielle Auswirkung – sprich: Be- desminister des Innern: züge plus Versorgungsbezug – mit der entsprechenden Kürzung erst ab dem Monat September zum Tragen Da ich diese Stelle nicht antreten will, kann ich Ihnen kommt und die Stelle, die wohl zum Monat Juni frei den derzeitigen Verfahrensstand nicht genau angeben, wird, im Hinblick auf die weiteren Zeiten ausschließ- aber ich liefere ihn Ihnen gerne nach. lichen Versorgungsbezugs nicht bereits zu diesem Zeit- punkt besetzt wird. Vizepräsident Dr. Norbert Lammert: Weitere Fragen zu diesem Geschäftsbereich liegen Fritz Rudolf Körper, Parl. Staatssekretär beim Bun- nicht vor. desminister des Innern: Wir kommen nun zum Geschäftsbereich des Bundes- Obwohl mir der Zeitpunkt September nicht geläufig ministeriums der Finanzen. Zur Beantwortung der ist, gehe ich davon aus, dass diese Verfahrenspraxis der Fragen steht Frau Parlamentarische Staatssekretärin Gesetzesgrundlage entspricht. Dr. Hendricks zur Verfügung. (Eckart von Klaeden [CDU/CSU]: Das ist Die Fragen 21 und 22 des Kollegen Hofbauer werden super!) schriftlich beantwortet. – Ja, das ist doch so. Ich rufe Frage 23 der Kollegin Petra Pau auf: (Zuruf von der CDU/CSU: Davon gehen wir Welche Auswirkungen hat die Neuregelung des Umsatz- aber immer aus! – Beatrix Philipp [CDU/ steuergesetzes auf die Besteuerung von Schulspeisungen? Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 42. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 7. Mai 2003 3455

(A) Dr. Barbara Hendricks, Parl. Staatssekretärin beim Dr. Barbara Hendricks, Parl. Staatssekretärin beim (C) Bundesminister der Finanzen: Bundesminister der Finanzen: Frau Kollegin, ich verstehe Ihre Frage dahin gehend, Ich werde dieser Frage nachgehen. Aber der Regel- dass Sie nach den Auswirkungen der durch das Gesetz fall ist folgender: Vor In-Kraft-Treten der 6. EG-Richt- zum Abbau von Steuervergünstigungen geänderten Vor- linie – ich sage das ganz allgemein – durften die Rege- schriften des Umsatzsteuergesetzes auf die steuerrecht- lungen und die Ausnahmetatbestände, die im nationalen liche Beurteilung von Umsätzen mit Schulspeisungen Recht enthalten waren, bestehen bleiben. Wenn es in fragen. Die durch das eben genannte Gesetz vorgenom- dem von Ihnen angesprochenen Fall so war, dass in Bel- menen Änderungen im Umsatzsteuergesetz haben kei- gien und Frankreich ein entsprechender Ausnahmetatbe- nerlei Auswirkungen auf die steuerrechtliche Beurtei- stand schon vor dem In-Kraft-Treten bestand, dann lung von Umsätzen mit Schulspeisungen. Es gibt hier durfte er im nationalen Recht bestehen bleiben. Wir, die keine Rechtsänderung. Deutschen, können aber im Nachhinein nicht sagen, dass wir die gleiche Regelung wie die Franzosen haben wol- len; denn damals, als die 6. EG-Richtlinie als bindendes Petra Pau (fraktionslos): Recht in den Mitgliedstaaten in Kraft trat, gab es keinen entsprechenden Ausnahmetatbestand in Deutschland. Ich möchte nachfragen, ob im Laufe des Gesetzge- Gerade wenn es um die Frage der Umsatzbesteuerung bungsverfahrens beispielsweise im Hinblick auf die ver- geht – das gilt nicht nur für den von Ihnen angesproche- mehrte Einrichtung von Ganztagsschulen erörtert wurde, nen Fall; ich habe es ja allgemein formuliert; ich werde Schulspeisungen als Aspekt der Kinderbetreuung steuer- der Sache im Speziellen noch nachgehen –, stößt so et- lich zu begünstigen und damit einen Anreiz zu schaffen, was sehr häufig auf Unverständnis bei uns. Da es noch dass möglichst viele Kinder dieses Angebot wahrneh- immer Länder in der Europäischen Union gibt, in denen men. alte Regelungen weitergelten, die aber in Deutschland niemals in gleicher Weise geltendes Recht waren, konn- ten in Deutschland keine solchen Ausnahmetatbestände Dr. Barbara Hendricks, Parl. Staatssekretärin beim in das neue Recht übernommen werden. Bundesminister der Finanzen:

Nein, Frau Kollegin, das ist weder bei der Vorberei- Petra Pau (fraktionslos): tung noch im Laufe des Gesetzgebungsverfahrens jemals Danke schön. Gegenstand der Erörterungen gewesen. Die Rechtslage ist folgende – davon kann leider im nationalen Recht Dr. Barbara Hendricks, Parl. Staatssekretärin beim (B) nicht abgewichen werden, weil sie durch EU-Recht be- (D) stimmt ist –: Wenn jemand eine Schulspeisung in der Bundesminister der Finanzen: Weise sicherstellt, dass er die Speisen in die Schulen lie- Herzlichen Dank. fert und im Übrigen keine weiteren Serviceleistungen er- bringt, dann kommt eine solche Abgabe von Speisen Vizepräsident Dr. Norbert Lammert: dem Außer-Haus-Verkauf gleich und wird deswegen mit Vielen Dank, Frau Hendricks. dem halben Mehrwertsteuersatz belegt. Wird aber eine volle Serviceleistung erbracht, fällt der volle Mehrwert- Wir kommen nun zum Geschäftsbereich des Bundes- steuersatz an. ministeriums für Wirtschaft und Arbeit. Zur Beantwor- tung steht der Parlamentarische Staatssekretär Gerd Die Gestaltung der Schulspeisung ist den Schulen Andres zur Verfügung. überlassen. Manchmal machen das ja auch Förderver- eine. Man kann auch eine Trennung vornehmen: Jemand Die Fragen 24 und 25 der Abgeordneten Blank wer- liefert an und jemand anders, der nicht der leistende Un- den schrifltich beantwortet. ternehmer ist, der die Ware bringt, bietet den Service. Ich rufe die Frage 26 der Kollegin Frau Dr. Lötzsch Wir sind aber bei der gesetzlichen Ausgestaltung nicht auf: frei, sondern an EU-Recht gebunden. Es ist auch nicht Wie hoch waren bzw. sind die Ansätze sowie die Istausga- beabsichtigt, auf europäischer Ebene eine Änderung vor- ben für das Arbeitslosengeld durch die Bundesanstalt für Ar- zunehmen. In der Lebenswirklichkeit wird es ja häufig beit, BA, von 1999 bis 2003 und wie bewertet die Bundesre- so sein, dass ein Dritter fertige Speisen anliefert, die den gierung die Realisierbarkeit der geplanten Einsparungen für Kindern durch andere, die zur Verfügung stehen, wie 2003? zum Beispiel Eltern aus einem Förderverein, dargereicht werden. Gerd Andres, Parl. Staatssekretär beim Bundes- minister für Wirtschaft und Arbeit:

Petra Pau (fraktionslos): Frau Dr. Lötzsch, ich beantworte Ihre Frage wie folgt: Die Sollansätze für das Arbeitslosengeld im Haushalt Haben Sie irgendwelche Erkenntnisse, wie beispiels- der Bundesanstalt für Arbeit waren 1999 mit weise Belgien und Frankreich, wo wesentlich ermäßigte 26,8 Milliarden Euro, 2000 mit 25,3 Milliarden Euro, Mehrwertsteuersätze bei der Schulspeisung gelten, die 2001 mit 23,2 Milliarden Euro, 2002 mit entsprechenden EU-Richtlinien – diese sind mir in der 25,1 Milliarden Euro und 2003 mit 24,4 Milliarden Euro Tat bekannt – kreativ umgangen haben? dotiert. Die Istausgaben haben sich in den Jahren 1999 3456 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 42. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 7. Mai 2003

Parl. Staatssekretär Gerd Andres (A) bis 2002 wie folgt entwickelt – ich verzichte jetzt da- dafür, dass man nach Ablauf eines Drittels des Jahres (C) rauf, die Jahreszahlen zu nennen, ich gebe sie in der ent- noch keine verlässlichen Aussagen darüber treffen kann, sprechenden Reihenfolge an –: 24,8 Milliarden Euro, wie hoch die Arbeitslosigkeit im Jahresdurchschnitt sein 23,6 Milliarden Euro, 24,6 Milliarden Euro und wird. 27 Milliarden Euro. Ihre Frage stellte einen Zusammenhang zwischen der Infolge der Gesetze für moderne Dienstleistungen am Etatisierung der Leistungen für Arbeitslosengeld und Arbeitsmarkt wurde im Haushalt 2003 für das Arbeitslo- den Einsparungen her, die sich aus der Umsetzung des sengeld eine Entlastungswirkung in Höhe von rund Hartz-Konzepts ergeben. Das sind zwei sehr unter- 2,8 Milliarden Euro berücksichtigt. Es wäre verfrüht und schiedliche Dinge. Die Auswirkungen der „Hartz-Opera- rein spekulativ, bereits zum heutigen Zeitpunkt eine Pro- tionen“ sind in einer bestimmten Art und Weise einge- gnose über die Realisierung der berücksichtigten Einspa- schätzt worden; es ist ebenfalls erst am Jahresende rung abzugeben. Wie bei jeder gesetzlichen Änderung feststellbar, wie wirksam sie sind. Wenn man bedenkt, bedürfen die neuen Maßnahmen einer Vorlaufzeit, bevor dass die neue Meldepflicht erst ab 1. Juli dieses Jahres sie beginnen, voll zu greifen. Eine seriöse Aussage zum gilt, ist klar, dass man überhaupt keine Prognosen darü- Erfolg der Konsolidierungsmaßnahmen kann daher erst ber abgeben kann. nach Abschluss des laufenden Haushaltsjahres getroffen werden, wenn die Bundesanstalt für Arbeit Bilanz gezo- Vizepräsident Dr. Norbert Lammert: gen hat. Eine weitere Zusatzfrage.

Vizepräsident Dr. Norbert Lammert: Dr. Gesine Lötzsch (fraktionslos): Eine Zusatzfrage, bitte. Können Sie also, insbesondere aufgrund der Prog- nose, dass sich die Anzahl der Arbeitslosen auf einem Dr. Gesine Lötzsch (fraktionslos): höheren Niveau als erwartet bewegen wird, meine Ver- Vielen Dank, Herr Präsident. – Herr Staatssekretär, es mutung bestätigen, dass die Bundesanstalt für Arbeit ei- gab im Zuge der Haushaltsberatungen – Sie werden sich nen Zuschuss aus dem Bundeshaushalt benötigen wird? daran erinnern – sehr unterschiedliche Auffassungen darüber, ob die Bundesanstalt für Arbeit in diesem Jahr Gerd Andres, Parl. Staatssekretär beim Bundes- ohne einen Zuschuss des Bundes auskommen wird. minister für Wirtschaft und Arbeit: Zahlreiche Abgeordnete, auch der SPD-Fraktion, waren Ich wiederhole: Wir reden über unterschiedliche der Auffassung, dass das nicht möglich sein wird. Für (B) Dinge. Das eine ist ein eingeplanter Zuschuss des Bun- (D) diese Auffassung gab es keine Mehrheit. Inzwischen des bei der Haushaltsaufstellung und das andere ist sozu- sind aber auch Vertreter der Regierungskoalition der sagen die Defizithaftung, die der Bundesfinanzminister Auffassung – ich nenne die Vorsitzende des Finanzaus- nach dem SGB III am Jahresende gegenüber der Bun- schusses, Christine Scheel –, dass ein Zuschuss an die desanstalt für Arbeit im Hinblick auf die Pflichtleistun- Bundesanstalt für Arbeit aus dem Bundeshaushalt erfor- gen leisten muss. Nach gegenwärtigem Stand ist abseh- derlich sein wird. Wie ist Ihre Position dazu? Ist die Po- bar – darüber gibt es unterschiedliche Auffassungen; sition, dass der Bundesanstalt für Arbeit kein Zuschuss beispielsweise hat sich das Vorstandsmitglied der Bun- aus dem Bundeshaushalt gegeben werden muss, haltbar? desanstalt für Arbeit Weise heute darüber geäußert –, dass es zu einer Defizithaftung kommen wird. Wie hoch Gerd Andres, Parl. Staatssekretär beim Bundes- diese sein wird, lässt sich gegenwärtig nicht verlässlich minister für Wirtschaft und Arbeit: vorhersagen. Ich habe keine Lust, im Namen der Bun- Frau Abgeordnete Dr. Lötzsch, ich kann mich gut an desregierung irgendwelche Spekulationen anzustellen. die Diskussion während der Haushaltsberatungen erin- Das verstehen Sie sicherlich. nern. Ich bedanke mich für Ihren Hinweis. Vizepräsident Dr. Norbert Lammert: Ich möchte es anders als Sie formulieren: Der Auf- stellung des Haushaltes 2003 für die Bundesanstalt für Ich rufe die Frage 27 der Kollegin Lötzsch auf: Arbeit lagen Eckdaten zugrunde, nach denen die Ar- Trifft es zu, dass durch die BA, wie in der „Wirtschafts- beitslosenzahl im Jahresdurchschnitt bei 4,14 Millionen woche“ vom 24. April 2003 berichtet, Vorgaben zur Verhän- gung von Sperrzeiten für Empfänger von Arbeitslosengeld er- liegen wird. Nach neueren Schätzungen und den Ent- lassen wurden und, falls ja, wie beurteilt die Bundesregierung wicklungen im ersten Quartal und des Monats April, dieses Vorgehen? also praktisch nach einem Drittel des Jahres, muss man davon ausgehen, dass die Arbeitslosenzahl im Jahres- Gerd Andres, Parl. Staatssekretär beim Bundes- durchschnitt bei 4,46 Millionen liegen wird. Es ist daher minister für Wirtschaft und Arbeit: folgerichtig, dass die Zahlungen für Arbeitslosengeld bei einer größeren Arbeitslosenzahl im Jahresdurchschnitt Frau Dr. Lötzsch, wie Sie wissen, ist die Bundesan- höher sein werden. stalt für Arbeit eine Selbstverwaltungskörperschaft des öffentlichen Rechts. Die Arbeitslosenversicherung un- Es ist gegenwärtig schlecht einzuschätzen, wie hoch terliegt nicht der Fachaufsicht der Bundesregierung, der Zuschussbedarf sein wird. Es gibt diesbezüglich un- zwar der Rechtsaufsicht, aber nicht der Fachaufsicht. terschiedliche Zahlen. Ich bitte einfach um Verständnis Über die Art und Weise der Ausführung der gesetzlichen Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 42. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 7. Mai 2003 3457

Parl. Staatssekretär Gerd Andres (A) Vorgaben im Bereich der Arbeitslosenversicherung ent- Gerd Andres, Parl. Staatssekretär beim Bundes- (C) scheidet die Bundesanstalt daher in eigener Zuständig- minister für Wirtschaft und Arbeit: keit. Herr Präsident, Herr Kollege Fritz, ich bitte, die Fra- gen 28 und 29 zusammen beantworten zu dürfen. Nach der mir zu Ihrer Frage vorliegenden Stellung- nahme der Hauptstelle der Bundesanstalt für Arbeit gibt es keine zentralen Vorgaben in Form von Quoten oder Vizepräsident Dr. Norbert Lammert: Ähnlichem zur Verhängung von Sperrzeiten. Allerdings Dann rufe ich auch die Frage 29 des Kollegen Fritz gibt es verschiedene Aktivitäten der Arbeitsämter, etwa auf: im Rahmen der Vermittlungsoffensive, die eine stärkere Ist die Bundesregierung der Auffassung, dass im nun vor- Aktivierung von Arbeitslosen zum Ziel haben. Diese gelegten EU-Verhandlungsangebot für die GATS-Verhandlun- bewerberorientierten Aktivitäten beinhalten auch eine gen der Beschluss des Deutschen Bundestages vom 13. März Erhöhung der Kontaktdichte zu den Arbeitslosen, eine 2003 ausreichend berücksichtigt wurde, und hält die Bundes- Intensivierung des Vermittlungsprozesses, einen konse- regierung insbesondere das Ersetzen von „wirtschaftlicher Bedarfsprüfung“ durch eine „Quotenregelung“ beim Import quenten Nachweis von Eigenbemühungen und die Teil- von Dienstleistungen durch einreisende Personen – Mode 4 – nahme an Eingliederungsmaßnahmen entsprechend den für eine ausreichende Beachtung des oben angesprochenen individuellen Erfordernissen des Arbeitslosen. Soweit Beschlusses des Deutschen Bundestages? dabei gesetzliche Verpflichtungen verletzt werden und diese mit Sanktionsmechanismen bewehrt sind, müssen Gerd Andres, Parl. Staatssekretär beim Bundes- die Arbeitsämter auch die entsprechenden leistungs- minister für Wirtschaft und Arbeit: rechtlichen Konsequenzen ziehen. Zunächst zur Frage 28: Die Bundesregierung begrüßt die Anstrengungen der Die deutsche Delegation hat im Hinblick auf den Bundesanstalt für Arbeit, eine möglichst umgehende Bundestagsbeschluss vom 13. März 2003 in der Sitzung Vermittlung der Arbeitsuchenden in neue Beschäftigung des Ausschusses nach Art. 133 am 19. März 2003 in zu erreichen, Arbeitslose im Sinne des Förderns und Brüssel mündlich und schriftlich für das vom Ratssekre- Forderns stärker zu aktivieren und die Versichertenge- tariat angefertigte Protokoll Folgendes vorgetragen: meinschaft vor der unrechtmäßigen Inanspruchnahme von Leistungen zu schützen. Diese Anstrengungen zei- Die Bundesregierung weist darauf hin, dass der Deut- gen, dass die Bundesanstalt dem Auftrag des Gesetzge- sche Bundestag bislang zu einzelnen Aspekten des Ange- bers aus dem Job-AQTIV-Gesetz nachgekommen ist. botsentwurfs seine Beratungen noch nicht abgeschlossen hat und daher noch kein abschließendes Votum hat abge- (B) ben können. Die Bundesregierung weist daher darauf (D) Vizepräsident Dr. Norbert Lammert: hin, dass zu dem Ende März 2003 in Genf vorzulegenden Zusatzfrage? – Bitte schön. Eingangsangebot der Gemeinschaft auch weiterhin Stel- lungnahmen gemäß dem fortlaufenden Verhandlungspro- zess möglich sein müssen. Bei der Übermittlung und Dr. Gesine Lötzsch (fraktionslos): Vorlage des Eingangsangebots ist daher auf diesen Um- Herr Staatssekretär, gibt es Ihrer Kenntnis nach Vor- stand in geeigneter Weise ausdrücklich hinzuweisen. gaben der Bundesanstalt für Arbeit, zum Beispiel Ar- Das am 29. April 2003 in der WTO eingebrachte EU- beitslose zu drängen, sich als nicht arbeitsbereit zu erklä- Eingangsangebot ist ausdrücklich als Conditional Offer ren, um die Statistik zu verbessern – man könnte auch bezeichnet. Damit wird auch dem oben angeführten Be- sagen: zu schönen –, wie es in der „Wirtschaftswoche“ schluss des Deutschen Bundestages Rechnung getragen. vom 24. April dieses Jahres nachzulesen ist? Die Frage 29 beantworte ich wie folgt:

Gerd Andres, Parl. Staatssekretär beim Bundes- Erstens. Die Bundesregierung begrüßt das am minister für Wirtschaft und Arbeit: 29. April 2003 eingebrachte EU-Angebot. Das Eingangs- angebot der EU wurde mit allen hiervon betroffenen Nein. Stellen, Ressorts, Zivilgesellschaften und unter besonde- rer Berücksichtigung der Bundestagsdiskussion und der Vizepräsident Dr. Norbert Lammert: in dem oben angeführten Bundestagsbeschluss niederge- legten Bedenken abgestimmt und geprüft. Die in dem Weitere Zusatzfrage? – Das ist nicht der Fall. Bundestagsbeschluss vorgebrachten Punkte finden in dem EU-Angebotsentwurf hinreichend Berücksichti- Dann rufe ich die Frage 28 des Kollegen Fritz auf: gung. In welcher Weise hat die Bundesregierung den gegenüber der EU-Kommission durch den Beschluss des Deutschen Bun- Zweitens. Wirtschaftliche Bedarfsprüfungen, Econo- destages vom 13. März 2003 gemäß Bundestagsdrucksache mic Needs Tests, „ENTs“ abgekürzt, sind von ihrer 15/576 eingelegten Parlamentsvorbehalt im Rahmen der lau- Grundkonzeption sehr umstritten, da sie aufgrund man- fenden WTO-Dienstleistungsverhandlungen GATS-WTO: gelnder objektiver Kriterien faktisch vielfach einer Welthandelsorganisation – berücksichtigt und welche prakti- Nichtverpflichtung gleichkommen und den mit Liberali- schen Konsequenzen hat dieser Parlamentsvorbehalt bei dem Zustandekommen und der inhaltlichen Festlegung der jetzt sierungsverpflichtungen angestrebten Zielen der Verläss- vorgelegten EU-Angebote gehabt? lichkeit und Rechtssicherheit gerade nicht genügen. Da- 3458 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 42. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 7. Mai 2003

Parl. Staatssekretär Gerd Andres (A) her werden ENTs von den Entwicklungsländern, die EU enthält nämlich entsprechende Formulierungen, die (C) insbesondere an zusätzlichen Modus-4-Verpflichtungen ich Ihnen gerne noch einmal zukommen lasse. Ich wollte interessiert sind, entschieden abgelehnt. Ferner sind die Antwort nicht noch länger ausfallen lassen. ENT-Vorbehalte in der Europäischen Union mit großem Verwaltungsaufwand verbunden, da vor Zugang eines Vizepräsident Dr. Norbert Lammert: ausländischen Dienstleistungserbringers zunächst ge- prüft werden muss, ob im gesamten Gemeinschaftsge- Herr Kollege Fritz. biet kein vergleichbarer Anbieter zu Verfügung steht. Erich G. Fritz (CDU/CSU): Vor diesem Hintergrund hat die EU-Kommission er- klärt, unter keinen Umständen zur Aufnahme von ENT- Eine hätte ich noch, Herr Präsident. – Aus Kreisen der Vorbehalten in das Gemeinschaftsangebot bereit zu sein. Koalition ist der Presse mitgeteilt worden, das Angebot Stattdessen hat sie die Einführung von numerischen der EU – die Liste wird es hier genannt – sei von deut- Obergrenzen in den EU-Eingangsangeboten vorgeschla- scher Seite jederzeit revidierbar. Wie beurteilen Sie das gen. Damit wird zunächst nur die generelle Bereitschaft unter dem Aspekt, dass es jetzt eine Vorschlagsliste gibt, der EU-Mitgliedstaaten zu einer Konditionierung durch die im 133er-Ausschuss der Europäischen Union be- numerische Obergrenzen ausgedrückt. Die Einzelheiten schlossen wurde, und Sie ohnehin wissen, dass die Zu- einer derartigen Regelung werden noch eingehend unter ständigkeiten für die Verhandlungen bei der Europä- Mitwirkung aller EU-Mitgliedstaaten beraten werden. ischen Union liegen? Hier besteht ein erheblicher Gestaltungsspielraum. So sind zum Beispiel nationale oder Gemeinschaftsquoten Gerd Andres, Parl. Staatssekretär beim Bundes- möglich. Das EU-Eingangsangebot weist daher darauf minister für Wirtschaft und Arbeit: hin, dass die Einzelheiten der Anwendung und der Be- schränkung der numerischen Obergrenzen noch be- Ich will noch einmal auf meine Antwort zu Ihrer ers- stimmt werden müssen. ten Frage verweisen: Die Bundesregierung hat sehr mas- siv deutlich gemacht, dass es im Laufe der weiteren Be- Angesichts dieser Entwicklung hat die Bundesregie- ratungen hier noch Möglichkeiten für entsprechende rung nach intensiven Beratungen mit der Bundesanstalt Änderungen geben muss. Ich denke, dass wir die auch für Arbeit und den Arbeitsmarktexperten innerhalb der entsprechend nutzen können. Bundesregierung dem Modell der numerischen Ober- grenzen zugestimmt, da es insgesamt in weitaus besse- Vizepräsident Dr. Norbert Lammert: rem Umfang eine Rücksichtnahme auf spezifische natio- nale Arbeitsmarktprobleme ermöglicht. Ich rufe die Frage 30 des Kollegen Fahrenschon auf: (B) (D) Wann hat der Bundesminister für Wirtschaft und Arbeit, Vizepräsident Dr. Norbert Lammert: Wolfgang Clement, erstmals davon erfahren, dass sein Parla- mentarischer Staatssekretär Rezzo Schlauch beabsichtigt, die Nun hat der Kollege Fritz bis zu vier Zusatzfragen. in der „Bild“ vom 28. April 2003 beschriebene Amerikareise durchzuführen, und was hat er im Lichte seiner Erkenntnisse über den damaligen Missbrauch der als Abgeordneter des Erich G. Fritz (CDU/CSU): Deutschen Bundestages aus Dienst- und Mandatsreisen ent- Herr Präsident, mit Ihrer Genehmigung werde ich standenen Bonusmeilen für private Zwecke durch den heuti- gen Parlamentarischen Staatssekretär Rezzo Schlauch vor diese Zahl nicht ausschöpfen. Ich hoffe, dagegen spricht dessen Ernennung veranlasst? nichts. Gerd Andres, Parl. Staatssekretär beim Bundes- Vizepräsident Dr. Norbert Lammert: minister für Wirtschaft und Arbeit: Das würde wahrscheinlich auf großes Wohlwollen der Herr Kollege Fahrenschon, Ihre Frage – darauf anwesenden Kollegen stoßen. möchte ich gleich hinweisen – würde ich eigentlich ganz anders beantworten. Da Sie Ihre Frage aber in der Form Erich G. Fritz (CDU/CSU): gestellt haben, wie sie jetzt vorliegt, bekommen Sie auch Herr Staatssekretär, der Bundesregierung war doch nur die Antwort, die man auf Ihre Fragestellung geben schon vor ihrem Vorstoß in Brüssel bekannt, welche kann. Schwierigkeiten wirtschaftliche Bedarfsprüfungen mit Ich beantworte also Ihre Frage wie folgt: Die Dienst- sich bringen und dass diese kein wirksames Instrument reisen der Leitung des Bundesministeriums für Wirt- sein können. Sie hat dennoch mit diesem Vorschlag auf schaft und Arbeit – Minister und Staatssekretäre – wer- den Parlamentsvorbehalt reagiert und ist damit in Brüs- den kontinuierlich geplant und bei verschiedenen sel logischerweise gescheitert. Haben Sie sich damit Gelegenheiten besprochen. Vor diesem Hintergrund be- nicht eigentlich über den Parlamentsvorbehalt hinweg- steht keine Notwendigkeit, die jeweiligen Planungs- gesetzt? schritte datenmäßig zu erfassen. Entsprechend den inter- nen Regelungen des Bundesministeriums für Wirtschaft Gerd Andres, Parl. Staatssekretär beim Bundesmi- und Arbeit wurde auch die Dienstreise vom Parlamenta- nister für Wirtschaft und Arbeit: rischen Staatssekretär Schlauch rechtzeitig und ord- Diese Bewertung teile ich nicht. Das habe ich in mei- nungsgemäß angezeigt. Es bestand für Bundesminister ner Antwort auch ausdrücklich gesagt. Das Angebot der Clement keine Veranlassung, vor Ernennung des Parla- Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 42. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 7. Mai 2003 3459

Parl. Staatssekretär Gerd Andres (A) mentarischen Staatssekretärs Schlauch Maßnahmen im Vizepräsident Dr. Norbert Lammert: (C) Hinblick auf künftige Dienstreisen zu treffen. Frau Kollegin Mantel.

Vizepräsident Dr. Norbert Lammert: Dorothee Mantel (CDU/CSU): Zusatzfrage? Eine ganz kurze Frage: Was macht der Mittelstands- beauftragte des Wirtschaftsministeriums bei Daimler, SAP und Motorola? Georg Fahrenschon (CDU/CSU):

Herr Staatssekretär, dann wollen wir beide gemein- Gerd Andres, Parl. Staatssekretär beim Bundesmi- sam versuchen, Ihnen im Nachfrage- und Antwortspiel nister für Wirtschaft und Arbeit: die Möglichkeit zu geben, mir die Antwort zu geben, die Sie mir gerne geben wollen. Wenn man sich das Reiseprogramm anschaut, stellt man fest, dass die Reise aus sehr unterschiedlichen und (Gerd Andres, Parl. Staatssekretär: Sehen Sie!) vielfältigen Programmpunkten bestanden hat. Einen ha- ben wir eben schon behandelt. Ich halte es für völlig kor- Im Mittelpunkt des öffentlichen Interesses steht mit rekt, dass sich ein Mitglied der Bundesregierung, wenn Sicherheit die Frage, ob der Staatssekretär Schlauch es eine Auslandsreise unternimmt, mit sehr unterschied- seine Reise von vornherein als teilweise privat deklariert lichen Tatbeständen befasst. hat. Deshalb frage ich Sie ganz konkret: Kann der Parla- mentarische Staatssekretär Rezzo Schlauch den Nach- Ich darf Ihnen noch einmal sagen, Frau Kollegin: Ich weis erbringen, dass er vor Dienstantritt die Reise als bin zuständig für Beschäftigungspolitik, habe aber auch teilweise privat deklariert hat? Wenn ja, wer hat das ab- Bundeswehrstandorte besucht und sie mir angeschaut, gezeichnet und genehmigt? weil ein Vertreter der Bundesregierung natürlich nicht nur sein eigenes Ressort oder seine Zuständigkeit ver- tritt, sondern auch die gesamte Bundesregierung. Ich Gerd Andres, Parl. Staatssekretär beim Bundesmi- nehme ganz ausdrücklich diese Anleihe: Wenn man bei nister für Wirtschaft und Arbeit: früheren Besuchen in den Vereinigten Staaten mit Bun- Erstens. Er kann den Nachweis erbringen; diesen Teil deswehrangehörigen gesprochen hat, dann wurde man Ihrer Frage beantworte ich mit Ja. Zweitens. Es gibt dazu mit bestimmten Fragen konfrontiert, zum Beispiel der keine Genehmigung und es gibt auch keine Genehmi- Arbeitserlaubnis von Angehörigen in den Vereinigten gungsnotwendigkeit. Staaten. Man ist auch mit anderen Fragen befasst. (B) Wenn der Mittelstandsbeauftragte bei einer Auslands- (D) Georg Fahrenschon (CDU/CSU): reise mittelständische Firmen oder Unternehmen be- sucht, können wir uns freundlich darüber unterhalten, Meine zweite Nachfrage bezieht sich auf das Pro- um welche Größenordnung es dabei geht. Aber wenn der gramm der Reise. Können Sie mir erklären, welche spe- Staatssekretär aus dem Wirtschaftsministerium einen ziellen Informationen und Probleme der Besuch der Auslandsbesuch macht, ist es doch wohl selbstverständ- Luftwaffenbasis Alamogordo mit sich bringt, bei dem lich, dass er unterschiedliche Wirtschaftsunternehmen Eingangsgespräche mit dem Kommandanten, Briefings aufsucht, die dort tätig sind, zumal wenn sie aus und Besichtigungen der Stabsgebäude erfolgten, insbe- Deutschland kommen. sondere vor dem Hintergrund, dass der Staatssekretär Rezzo Schlauch diesen Stützpunkt bereits in seiner Ei- genschaft als Vorsitzender der Fraktion der Grünen be- Vizepräsident Dr. Norbert Lammert: sucht hat? Oder kann es sein, dass der Besuch dieses Frau Connemann hat die nächste Zusatzfrage. Luftwaffenstützpunkts insbesondere dadurch begründet war, dass sein Bruder in unmittelbarer Nachbarschaft Gitta Connemann (CDU/CSU): lebt? Herr Staatssekretär, welche Antwort hätten Sie dem Kollegen Fahrenschon gerne gegeben? Gerd Andres, Parl. Staatssekretär beim Bundesmi- nister für Wirtschaft und Arbeit: Gerd Andres, Parl. Staatssekretär beim Bundesmi- Ich habe die Berichterstattung über diese Reise per- nister für Wirtschaft und Arbeit: sönlich verfolgt. Ich kann Ihnen aus eigener Erfahrung Frau Kollegin, ich kann immer nur auf die Fragen ant- sagen, dass auch ich, obwohl ich für arbeits- und sozial- worten, die gestellt worden sind. Wenn eine freundliche politische Fragen zuständig war und jetzt darüber hinaus Frage gestellt wird, kann man sie nur entsprechend be- für Beschäftigungs- und Wirtschaftspolitik zuständig antworten. bin, bei früheren Reisen Bundeswehrstützpunkte im Ausland besucht habe. Ich halte das als Teilaspekt einer Aber ich gehe in diesem Zusammenhang ein bisschen Reise für völlig korrekt und angebracht. Es besteht von- weiter. Ich hätte ihm Folgendes geantwortet: Erstens. seiten der Bundesregierung überhaupt keine Notwendig- Mitglieder der Bundesregierung müssen Reisen nicht keit, an diesem Tatbestand irgendetwas infrage zu stellen formal genehmigen lassen. Das gilt sowohl für Minister oder zu kritisieren. als auch für Parlamentarische Staatssekretäre. Deswegen 3460 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 42. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 7. Mai 2003

Parl. Staatssekretär Gerd Andres (A) gehen Fragen, die sich darauf richten, wer was wo ge- die aus politischen oder aus inhaltlichen Gründen in ir- (C) nehmigt hat, völlig am Tatbestand vorbei. gendeinem Zusammenhang mit den Reisen zu tun haben, wird entsprechend Einvernehmen hergestellt. Zweite Antwort – das bezieht sich alles auf Ihre Frage –: Die Reise enthielt private Bestandteile. Vizepräsident Dr. Norbert Lammert: Dritte Antwort: Die privaten Bestandteile der Reise Wir sind damit am Ende dieses Geschäftsbereiches. sind vom Parlamentarischen Staatssekretär Schlauch vor Vielen Dank, Herr Andres. Reiseantritt der Reisestelle des BMWA mitgeteilt wor- den. Falls also irgendjemand auf die Idee kommt, er Bei den zum Geschäftsbereich des Bundesministeri- wolle das nun rechtfertigen, weil es in der Zeitung ge- ums für Gesundheit und Soziale Sicherung eingereichten standen habe, liegt falsch. Es ist vorher mitgeteilt wor- Fragen – das sind die Fragen 31 bis 36 – ist jeweils um den und es gibt einen Aktenvermerk, sodass wir alles be- schriftliche Beantwortung gebeten worden. legen können. Wir kommen dann zum Geschäftsbereich des Bun- Die vierte Antwort, die ich geben würde – weil man desministeriums für Verkehr, Bau- und Wohnungswesen. mit solchen Themen wunderbar spekulieren kann –, ist, Die Fragen 37, 38 und 39 werden schriftlich beantwor- dass Herr Parlamentarischer Staatssekretär Schlauch den tet. Bundesrechnungshof gebeten hat, seine Reise hinsicht- Ich rufe die Frage 40 der Kollegin Gitta Connemann lich des Ablaufs und der Abrechnung zu überprüfen. auf: Wenn der Prüfbericht des Bundesrechnungshofes vor- liegt, werden interessierte Stellen das Ergebnis erhalten. Trifft es zu, dass die Bundesrepublik Deutschland als Ei- gentümerin des Meeresbodens innerhalb des so genannten Sie werden sicherlich zugeben, dass an dem Prüfbericht Küstenmeeres, 12-Seemeilen-Zone, eine Nutzung in Gestalt des Bundesrechnungshofes als neutraler Stelle nichts ge- der Errichtung von Offshore-Windenergieanlagen von dem deutelt werden kann. Abschluss eines zivilrechtlichen Nutzungsvertrages mit etwai- gen Betreiberunternehmen abhängig machen kann, und, wenn Diese Antwort hätte ich gegeben, wenn gleich am An- ja, in welchen Fällen sind bereits solche Verträge geschlossen fang entsprechend gefragt worden wäre. worden?

Vizepräsident Dr. Norbert Lammert: Achim Großmann, Parl. Staatssekretär beim Bun- desminister für Verkehr, Bau- und Wohnungswesen: Wir dürfen aber die Antwort, die Sie jetzt gegeben ha- ben, im Protokoll festhalten. Vielen Dank, Herr Präsident. – Frau Kollegin Connemann, es trifft zu, dass die Bundesrepublik (B) Deutschland für die Nutzung des Küstenmeeres zur Er- (D) Gerd Andres, Parl. Staatssekretär beim Bundesmi- richtung von Offshore-Windenergieanlagen den Ab- nister für Wirtschaft und Arbeit: schluss eines zivilrechtlichen Nutzungsvertrages durch Deswegen habe ich diese Antwort gegeben, Herr Prä- das Betreiberunternehmen fordert. Nur über einen Nut- sident. Ich bedanke mich ausdrücklich für den Hinweis. zungsvertrag können die Eigentümerinteressen des Bun- des hinsichtlich der Errichtung und Beseitigung von An- Vizepräsident Dr. Norbert Lammert: lagen Dritter auf Bundeseigentum verbindlich geregelt Damit sind zumindest insofern alle möglichen Miss- werden. Es sind bisher noch keine Verträge abgeschlos- verständnisse beseitigt. Für eine weitere Zusatzfrage hat sen worden, weil sich alle Offshore-Windenergieanlagen der Kollege Wellenreuther das Wort. noch im Planungsstadium befinden.

Vizepräsident Dr. Norbert Lammert: Ingo Wellenreuther (CDU/CSU): Zusatzfrage, bitte schön. Herr Staatssekretär, inwieweit war der Bundeskanzler oder das Bundeskanzleramt vorab und in welcher Form über die Reise des Staatssekretärs Schlauch in die USA Gitta Connemann (CDU/CSU): informiert? Sind Betreiberunternehmen schon im Vorfeld an die Bundesregierung herangetreten? Gerd Andres, Parl. Staatssekretär beim Bundesmi- nister für Wirtschaft und Arbeit: Achim Großmann, Parl. Staatssekretär beim Bun- Falls Sie auf die Idee kommen, dass der Bundeskanz- desminister für Verkehr, Bau- und Wohnungswesen: ler Reisen von Staatssekretären formal genehmigen Ja. Da diese Frage auch Gegenstand Ihrer zweiten muss oder dass dem Bundeskanzler persönlich vorher Frage ist, möchte ich sie in diesem Zusammenhang mit zur Kenntnis gegeben wird, wohin die Ressortminister beantworten. oder die Staatssekretäre reisen, dann darf ich Sie beruhi- gen: So etwas findet nicht statt. Vizepräsident Dr. Norbert Lammert: Selbstverständlich werden Auslandsreisen der Res- Dann rufe ich noch die Frage 41 der Kollegin Gitta sortminister und von Staatssekretären auch mit den zu- Connemann auf: ständigen Abteilungen des Bundeskanzleramtes abge- Sind Betreiberunternehmen an die Bundesregierung we- stimmt; das Auswärtige Amt wird einbezogen. Mit allen, gen der Aufnahme von Vertragsverhandlungen herangetreten Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 42. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 7. Mai 2003 3461

Vizepräsident Dr. Norbert Lammert (A) und, wenn ja, in welchem Stadium befinden sich die Vertrags- Achim Großmann, Parl. Staatssekretär beim Bun- (C) verhandlungen? desminister für Verkehr, Bau- und Wohnungswesen: Ob eine Grenzwirtschaftlichkeit besteht, unterliegt ei- Achim Großmann, Parl. Staatssekretär beim Bun- ner Prüfung. Der Investor wird sagen: Ich tätige be- desminister für Verkehr, Bau- und Wohnungswesen: stimmte Investitionen und habe einen bestimmten Nut- Betreiberunternehmen sind im Vorfeld ihrer Planun- zen. Wenn ich ein Entgelt zahle, das eine bestimmte gen an die örtlich zuständigen Wasser- und Schifffahrts- Höhe überschreitet, dann komme ich ins Defizit, ins Mi- ämter bzw. an die Wasser- und Schifffahrtsdirektionen nus. herangetreten. Dabei sind sie darauf hingewiesen wor- Das heißt, Grenzwirtschaftlichkeit kann man nicht den, dass jeweils der Abschluss eines zivilrechtlichen allgemeingültig definieren. Einem Antrag müssen be- Nutzungsvertrages nach dem eingeführten Muster der lastbare Zahlen zugrunde gelegt werden und vor diesem Wasser- und Schifffahrtsverwaltung erforderlich ist. Hintergrund muss geprüft werden, ob eine Grenzwirt- Konkrete Vertragsverhandlungen haben noch nicht statt- schaftlichkeit vorliegt. gefunden. Gitta Connemann (CDU/CSU): Gitta Connemann (CDU/CSU): Gehört zu den potenziellen Verhandlungspartnern Würde zum Beispiel die Höhe des Nutzungsentgelts bzw. Vertragsinteressenten auch ein Vertragsinteressent Bestandteil eines solchen Nutzungsvertrages sein? betreffend das geplante Gebiet Borkumer Riffgat?

Achim Großmann, Parl. Staatssekretär beim Bun- Achim Großmann, Parl. Staatssekretär beim Bun- desminister für Verkehr, Bau- und Wohnungswesen: desminister für Verkehr, Bau- und Wohnungswesen: Wir müssen in diesem Zusammenhang zwei Punkte Darüber kann ich Ihnen nichts sagen. Ich habe ausge- unterscheiden: zum einen die Nutzungsverträge und zum führt, dass noch keine konkreten Verhandlungen stattge- anderen die möglichen Entgeltzahlungen. Das Küsten- funden haben. Wenn Sie nach potenziellen Vertragspart- meer steht als Seewasserstraße im Eigentum der Bundes- nern fragen, so muss ich feststellen: Ich kann mir viele republik Deutschland. Es ist nach Art. 89 des Grundge- vorstellen; aber ich kann in keinem Einzelfall sagen, setzes Ressortvermögen des Bundesministeriums für dass das einer sein oder nicht sein könnte. Das wird auf Verkehr, Bau- und Wohnungswesen. Das Küstenmeer die Antragstellung ankommen. Einen Antrag stellen wird von der Wasser- und Schifffahrtsverwaltung des kann potenziell jeder. (B) Bundes verwaltet, die für die Nutzung des Eigentums (D) Nutzungsverträge abschließt, in denen die Rechte und Vizepräsident Dr. Norbert Lammert: Pflichten der Nutzer geregelt sind. Es geht, wie gesagt, Weitere Fragen liegen nicht vor. nicht nur um die Errichtung, sondern auch um die Besei- tigung, was Sinn macht. Es ist also wichtig, dass die Ei- Wir sind damit am Ende der Fragestunde. Bis zum gentümerinteressen gewahrt werden. Beginn der Aktuellen Stunde unterbreche ich die Sitzung bis 15.30 Uhr. Die WSV ist in ihrem Verwaltungshandeln an § 63 der Bundeshaushaltsordnung gebunden. Das heißt, sie (Unterbrechung von 15.11 bis 15.30 Uhr) hat für eine solche Nutzung ein Entgelt zu fordern. Für eine nach Haushaltsrecht erforderliche Ausnahmerege- Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms: lung ist das Bundesministerium der Finanzen federfüh- Die unterbrochene Sitzung ist wieder eröffnet. rend zuständig, das bei Nachweis der Grenzwirtschaft- lichkeit durch den Anlagenbetreiber auf ein Entgelt Ich rufe Zusatzpunkt 1 der Tagesordnung auf: verzichtet. Dieses Vorgehen ist zwischen dem BMF, dem Aktuelle Stunde BMWA, dem BMU und dem BMVBW abgestimmt. Ein Verzicht auf den Abschluss von Nutzungsverträgen Situation im Hinblick auf das akute Atem- kommt dagegen nicht in Betracht. wegssyndrom (SARS) in der Bundesrepublik Das heißt, wenn ein Antrag gestellt wird, wird ge- Die Fraktionen der SPD und des Bündnisses 90/Die prüft, ob in den Vertrag eine Entgeltregelung eingearbei- Grünen haben diese Aktuelle Stunde beantragt. tet werden muss oder nicht. Das wird jeweils davon ab- Ich eröffne die Aussprache. Als erste Rednerin hat hängig gemacht, ob eine Grenzwirtschaftlichkeit vorliegt das Wort für die Bundesregierung die Parlamentarische oder nicht. Staatssekretärin Marion Caspers-Merk.

Vizepräsident Dr. Norbert Lammert: Marion Caspers-Merk, Parl. Staatssekretärin bei der Bitte schön. Bundesministerin für Gesundheit und Soziale Sicherung: Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Das Thema SARS ist ein Thema, das die Menschen in Eu- Gitta Connemann (CDU/CSU): ropa und weltweit derzeit intensiv beschäftigt. Uns errei- Wie definieren Sie Grenzwirtschaftlichkeit? chen viele Anfragen, weil große Verunsicherung darüber 3462 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 42. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 7. Mai 2003

Parl. Staatssekretärin Marion Caspers-Merk (A) besteht, was die tatsächlichen Risiken sind und wie wir Erkrankungsfällen erarbeitet und Empfehlungen für den (C) ihnen begegnen können; von der Bundesregierung wer- Umgang mit SARS-Verdachtsfällen sowie die SARS- den verlässliche Zahlen und Strategien angefordert. Au- Diagnostik veröffentlicht. Daneben stellt es Referenzma- ßerdem erreichen uns momentan viele Anfragen insbe- terial für die Laboratorien zur Verfügung, um bei einem sondere von Industrieunternehmen, weil in Frankfurt Verdachtsfall sicher beurteilen zu können, ob es sich tat- eine große Messe, die ACHEMA, ansteht. sächlich um das Virus handelt. Wir können festhalten, dass neue Krankheiten und de- An dieser Stelle möchte ich ausdrücklich auf die ren Risiken vor Grenzen nicht Halt machen. Aus diesem Möglichkeit hinweisen, sich zeitnah und umfassend auf Grund stellt sich die Frage nach den Gefahren durch In- der entsprechenden Internetseite des Robert-Koch-Insti- fektionen verschärft. Wir befassen uns derzeit nicht nur tuts zu informieren. Wir haben das Robert-Koch-Institut mit dem Thema SARS. Wir beschäftigen uns im zustän- veranlasst, speziell für Messebesucher die Informationen digen Ausschuss auch mit dem Thema Geflügelpest in zu aktualisieren und Hinweise zu geben, weil uns insbe- den Niederlanden. Auch dies ist eine Herausforderung. sondere aus diesem Bereich zurzeit sehr viele Anfragen Daher müssen wir uns immer vor Augen führen, wie die vorliegen. Gefährdungssituation in Deutschland aussieht und wel- che Maßnahmen und Strategien erforderlich sind. Alle erforderlichen Mittel zur Erkennung und zum Management von SARS-Fällen durch die lokalen Ge- Inzwischen breitet sich SARS – das schwere akute sundheitsbehörden und Institutionen wurden somit durch respiratorische Syndrom – weiter aus. Nach aktuellen die Bundesregierung bereitgestellt. Wirksame Maßnah- WHO-Angaben haben sich bis zum heutigen Tage welt- men gegen SARS sind die schnelle Identifizierung von weit 6 727 Menschen infiziert, 478 Personen sind an Infektionsfällen und die Vermeidung von Folgeinfektio- SARS bereits gestorben. Betroffen sind derzeit nen durch entsprechende seuchenhygienische Maßnah- 30 Länder, am stärksten China mit Hongkong, Taiwan men, das heißt durch Quarantäne, Identifizierung, Loka- und Singapur mit fast 95 Prozent aller bekannten Fälle. lisierung und vor allen Dingen auch prophylaktische Maßnahmen. Deshalb unterstützt die Bundesrepublik China bei der Behandlung von SARS-Patienten mit der Beschaffung Auch die Aufklärung und Information von Reisenden von medizinischem Gerät im Wert von 10 Millionen aus betroffenen Gebieten sind wesentliche Maßnahmen. Euro. Es war ein ausdrücklicher Wunsch der chinesi- Antragstellern für deutsche Visa werden Informations- schem Regierung, dass Deutschland bei der Beschaffung materialien bereits in der jeweiligen Botschaft bei An- von Röntgengeräten und bei der logistischen Unterstüt- tragstellung ausgehändigt. Das Bundesministerium für zung hilft. Das haben wir sehr schnell getan. Gesundheit und Soziale Sicherung und das Bundesmi- (B) nisterium für Verkehr, Bau- und Wohnungswesen sind (D) Die Identifizierung und genetische Analyse des Erre- gemeinsam an die Fluglinien herangetreten und haben gers wurde durch eine weltweite Kraftanstrengung in ex- um die Verteilung von Informationen schon während des trem kurzer Zeit geleistet. Derzeit werden verschiedene Flugs gebeten. Testverfahren eingesetzt, so auch ein Verfahren, das vom Bernhard-Nocht-Institut in Hamburg entwickelt wurde. Parallel zu unserer Plenarsitzung findet auf Initiative des Bundesministeriums für Verkehr, Bau- und Woh- Die WHO gibt eine wahrscheinliche Sterblichkeits- nungswesen heute in Frankfurt eine Konferenz statt, die rate von 5 bis 6 Prozent an. Einer aktuellen englischen sich mit SARS im internationalen Reiseverkehr beschäf- Studie zufolge kann sie mit bis zu 13 Prozent deutlich tigt. Das Auswärtige Amt gibt der WHO folgend Reise- höher liegen. Allerdings müssen wir die Ergebnisse die- empfehlungen. Darüber hinaus hat das Auswärtige Amt ser Studie, die entsprechend publiziert wurde und auch allgemeine Hinweise zu SARS für Reisende veröffent- durch die Regenbogenpresse ging, mit großen Fragezei- licht. chen versehen, weil diese von den deutschen Forschern nicht bestätigt werden konnten. Die britische Studie legt Das Bundesministerium für Gesundheit und Soziale mit einem Sterblichkeitsrisiko von 40 Prozent bei den Sicherung sieht für Deutschland derzeit keine akute Ge- über 60-Jährigen sehr dramatische Ergebnisse vor. Des- fahr durch SARS. Dennoch hat unser Haus das Robert- wegen melden wir deutliche Zweifel an. Bei allem, was Koch-Institut beauftragt, ein Konzept zu entwickeln, um wir bislang wissen, können wir diese hohe Zahl nicht be- Deutschland nachhaltig vor SARS zu schützen. Es gilt, stätigen. Natürlich sind die Risiken nicht zu unterschät- die Schutzmaßnahmen entsprechend dem wachsenden zen, weil wir derzeit weder über ein Impfverfahren noch Kenntnisstand weiterzuentwickeln und Behandlungsfor- über eine gezielte Therapie verfügen. Daher müssen wir men sowie später eine Impfstrategie zu entwerfen. Eu- uns den klassischen Aufgaben der Seuchenbekämpfung ropa ist bisher nur mit weniger als 1 Prozent der SARS- widmen und den internationalen Austausch intensivie- Erkrankungsfälle betroffen. Trotzdem wird die Bedro- ren. hung in der Europäischen Union sehr ernst genommen. So fand gestern eine Sondersitzung des Rates der Ge- In Deutschland sind bisher acht wahrscheinliche Fälle sundheitsminister zu diesem Thema in Brüssel statt. und 38 Verdachtsfälle registriert worden. Auch dies ist der Stand vom heutigen Tag. Sämtliche Meldungen über Deutschland strebt eine gemeinsame Strategie und ein SARS-Verdachtsfälle werden beim Robert-Koch-Insti- einheitliches Vorgehen bei den seuchenhygienischen tut zusammengeführt. Das Robert-Koch-Institut hat un- Maßnahmen an. Wir haben uns darüber hinaus dafür ein- ter anderem Falldefinitionen für die Identifizierung von gesetzt, dass wir auf europäischer Ebene ein Netzwerk Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 42. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 7. Mai 2003 3463

Parl. Staatssekretärin Marion Caspers-Merk (A) von Kompetenzzentren der einzelnen Staaten einrichten Annette Widmann-Mauz (CDU/CSU): (C) und die Zusammenarbeit verbessern. Herr Präsident! Liebe Kolleginnen! Liebe Kollegen! Es gibt eine Fülle von aktuellen Problemen in Deutsch- Der Erlass von Einreisebeschränkungen und die land: Die Arbeitslosigkeit im April ist seit der Wieder- Durchführung von Gesundheitsuntersuchungen aller vereinigung auf dem höchsten Stand. Das Wirtschafts- Reisenden aus den betroffenen Gebieten auf den Flughä- wachstum in unserem Land ist besorgniserregend fen werden derzeit nicht erwogen. Dies war ein Vor- niedrig. Unser System der sozialen Sicherung kollabiert. schlag Italiens, dem alle anderen Länder innerhalb der Die Beitragssätze der gesetzlichen Krankenversiche- EU aus der Überlegung heraus, dass dadurch eine fal- rung sind so hoch wie nie und steigen ständig weiter. Die sche Sicherheit suggeriert würde, nicht gefolgt sind. Wir Kassen sind dramatisch verschuldet. wissen heute, dass die Inkubationszeit länger ist, als ein Flug dauert. Wenn man eine allgemeine Gesundheitsun- (Dr. Uwe Küster [SPD]: Zum Thema!) tersuchung aller Reisenden durchführen würde, würden – Herr Kollege, es gibt wirklich viele Probleme in sich alle fälschlicherweise in Sicherheit wiegen, weil da- Deutschland. SARS gehört – Gott sei Dank – aktuell von ausgegangen würde, dass jemand nicht infiziert ist, nicht dazu. wenn momentan kein Verdacht vorliegt. Dies lässt sich jedoch aufgrund unseres Kenntnisstandes nicht mit Si- (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordne- cherheit sagen. Diese Einschätzung wurde von den euro- ten der FDP – Dr. Uwe Küster [SPD]: Aha!) päischen Gesundheitsministern auf der Sondersitzung Die Bundesregierung hat gestern betont, dass es für bestätigt. Deutschland keine akute Bedrohung durch SARS gibt. Auch das Robert-Koch-Institut bestätigt, dass der Infek- Darüber hinaus haben wir darüber beraten, die For- tionsschutz in Deutschland durch die gute Zusammenar- schung und Entwicklung von diagnostischen Tests, anti- beit der zuständigen Behörden der Bundesländer und der viralen Medikamenten und eines Impfstoffs gegen Gesundheitsämter vor Ort hervorragend ist. Das Drän- SARS finanziell zu unterstützen. Die Kommission gen der SPD, heute in einer Aktuellen Stunde das wich- wurde beauftragt, in diesem Sommer erste entspre- tige Thema SARS zu debattieren, ist ein politisches Ab- chende Schritte einzuleiten und Vorschläge zu unterbrei- lenkungsmanöver. Die Hiobsbotschaft des heutigen ten. Angesichts der Bedrohungssituation halten wir es Tages lautet: 4,5 Millionen Menschen in Deutschland für vernünftig, dass gerade bezüglich der Impfstrategie sind arbeitslos. Das ist das eigentliche Thema des Tages. und der gemeinsamen diagnostischen und therapeuti- schen Empfehlungen eine europäische Strategie entwi- (Beifall bei der CDU/CSU) ckelt wird; denn es würde wenig Sinn machen, dieses (B) Wenn Sie politisch nicht weiter wissen, dann versu- (D) national allein zu entwickeln. chen Sie gern, andere Themen in den Vordergrund zu stellen. Es ist noch gar nicht lange her, dass Sie außenpo- Deshalb war es richtig, statt der Einrichtung eines litische Fragen beantwortet haben, die überhaupt kein neuen Zentrums für Krankheitsprävention und -kontrolle Mensch gestellt hat. Der Verdacht kommt auf, dass Sie – dies war der erste Vorschlag der Kommission – zu prü- auch diese Debatte wieder instrumentalisieren, dass Sie fen – das war der Vorschlag der Bundesrepublik –, wie die Sorgen und Ängste der Menschen nutzen, um von man die derzeitigen Kompetenzzentren virtuell vernet- anderen Dingen abzulenken. Der Stellenwert dieses The- zen kann, wie man eine europäische Struktur und Koo- mas zeigt sich darin, dass die Bundesgesundheitsminis- peration schaffen kann, ohne eine neue europäische Be- terin heute Wichtigeres zu tun hat, als an der Debatte hörde ins Leben zu rufen. Denn bis zur Aufnahme ihrer teilzunehmen. Sie besucht eine Regionalkonferenz der Arbeit würde dies eine Lücke hinterlassen, weil sich je- SPD, um für Mehrheiten im eigenen Lager zu sorgen. der auf den anderen verließe. Ein solches Vorgehen hätte das Risiko beinhaltet, dass die nationalen Anstrengungen ( [CDU/CSU]: Unglaublich!) nicht in diesem Umfang wahrgenommen würden. Die Emotionalisierung von Politik ist schon bei der Flut- katastrophe nicht gelungen. Die aktuellen Probleme in Wir müssen auf die globalen Herausforderungen na- unserem Land bleiben. tional, europäisch und global antworten. Wir tun dies durch Unterstützung der betroffenen Staaten, wie ich das (Beifall bei der CDU/CSU) am Beispiel Chinas verdeutlicht habe, und mit der Ver- stärkung der Kooperation. Die Lungenkrankheit SARS bereitet den Menschen Sorge und macht ihnen Angst. Wir alle sollten diese Vielen Dank. Angst ernst nehmen. Mittlerweile hat der SARS-Erreger neben China einschließlich Hongkong, Singapur und (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ Kanada ein weiteres bevölkerungsreiches Land, nämlich DIE GRÜNEN) Indien, erreicht. In solchen unterentwickelten und über- bevölkerten Ländern könnte der Erreger als eine Art in- fektiöse Streubombe explodieren. Das Verhalten der chi- Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms: nesischen Behörden hat diesem Erreger überhaupt erst den Weg geebnet. Durch Vertuschung und Verschweigen Das Wort hat jetzt die Kollegin Annette Widmann- hat man in Kauf genommen, dass sich dieser Erreger Mauz von der CDU/CSU-Fraktion. verbreitet. 3464 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 42. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 7. Mai 2003

Annette Widmann-Mauz (A) Dieser Erreger ist eine klare Herausforderung für die Petra Selg (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): (C) Forschung und die Arzneimittelindustrie. Die deutschen Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Ärzte und Chemiker haben sich in den letzten Wochen Kollegen! SARS, auch Sars genannt, ein schweres aku- und Monaten große Verdienste erworben. Aber dieser tes respiratorisches Syndrom, ist eine Atemwegserkran- Erreger ist auch eine große Herausforderung für die Poli- kung. Wir machen Taten, nicht nur Worte; Sie hingegen tik. Wir stehen in der Pflicht, die Forschung zu unterstüt- blasen nur heiße Luft in den Raum. zen, und zwar durch die Bereitstellung von Haushalts- mitteln. Jede Kürzung im Bereich von Gesundheit, Seit November 2002 breitet sich SARS rasant aus, vor Bildung und Forschung, die Sie im Haushalt 2003 vor- allem in China einschließlich Hongkong und in Taiwan. genommen haben, schlägt auf uns zurück. Wir lesen in den Medien täglich andere Meldungen über die Zahl der Erkrankten und Verstorbenen. Deshalb lese (Beifall bei der CDU/CSU) ich keine Zahlen vor. Zwischenzeitlich sind die Informa- tionen und vor allem der Umgang mit der Erkrankung In unserer Regierungszeit haben wir – es wurde zu Ih- besser geworden, woran vor allem auch Deutschland ei- rer Regierungszeit umgesetzt – ein Infektionsschutzge- nem großen Anteil hat. setz initiiert. Gerade angesichts der zentralen Rolle des Robert-Koch-Instituts und der guten Kooperation zwi- Der Virus konnte sich dort vor allem deshalb so rasant schen dem Bund und den Länderbehörden bietet es gute ausbreiten, weil die Gesundheitsvorsorge vor Jahren dort Voraussetzungen. aufgegeben wurde. Das ist eine ideale Brutstätte für Seu- chen. Wir werden, Frau Widmann-Mauz, gerade die Ge- Es gibt noch andere Seuchengefahren. Ich nenne ne- sundheitsvorsorge in Deutschland weiterhin stärken, was ben SARS eine weitere, nämlich die Geflügelpest, die Sie jahrelang versäumt haben. Deswegen ist der Ver- sich direkt vor unserer Haustür ausgebreitet hat. Auch gleich mit Deutschland, was diese schwere Krankheit der Erreger der Geflügelpest kommt aus dem Tierreich betrifft, an den Haaren herbeigezogen. und kann zu einer extremen Gefahr für die Bevölkerung werden, wenn er auf den Menschen überspringt. Diese Aktuelle Stunde ist keineswegs ein Ablen- kungsmanöver. Wir wollen damit auch verhindern, dass Es ist wichtig, die Frage zu stellen, ob das zuständige in Zukunft so unsinnige Debatten, wie Sie sie im Zusam- Robert-Koch-Institut sowohl personell als auch finanzi- menhang mit der möglichen Pockengefahr angezettelt ell überhaupt so ausgestattet ist, dass es den gewachse- haben, geführt werden. Deshalb informieren wir heute nen Anforderungen gerecht werden kann. Es ist schon so rechtzeitig und sachbezogen. weit, dass in einem Schreiben des im Gesundheitsminis- terium zuständigen Staatssekretärs an den Vorsitzenden (Beifall bei der SPD – Annette Widmann- (B) des Gesundheitsausschusses erläutert wird, dass das RKI Mauz [CDU/CSU]: Warum haben Sie das im (D) seinen Aufgaben wegen der fehlenden Mitarbeiter gar Ausschuss bisher nicht gemacht?) nicht mehr gerecht werden kann. Die Mitarbeiter müssen Im Moment sind 26 Länder betroffen. In Deutschland einen selbstlosen Einsatz erbringen, weil Sie die erfor- sind wahrscheinlich sieben Fälle bekannt, es gibt derlichen Mittel nicht zur Verfügung stellen. Damit sind 34 Verdachtsfälle. EU-weit ist das bisher 1 Prozent. Die wir in einer sehr schwierigen Situation. Frau Staatssekretärin hat schon gesagt, dass es gestern in Als wir das Infektionsschutzgesetz verabschiedet ha- Brüssel ein Treffen der Gesundheitsminister gab. Es ben, war zwischen der Bundesregierung und uns klar, wird ein einheitliches Vorgehen geben. Wir haben den dass es mehr Stellen bedarf. Das Finanzministerium hat Ernst der Lage erkannt. Gleichwohl besteht nach wie vor 45 zusätzliche Stellen zugestanden. Sie wissen ganz ge- kein Grund zur Panik in Deutschland. Man sollte viel- nau, dass Sie diese Zahl bis heute nicht erfüllt haben. Sie leicht Reisen, vor allem in die betroffenen Gebiete, da- haben dem Robert-Koch-Institut gerade einmal 28 zu- raufhin überprüfen, ob sie notwendig sind. Das ist aber sätzliche Stellen zugestanden und die auch noch mit dem keine Warnung, sondern eine Empfehlung. Panik ist in Vermerk „kann wegfallen“ versehen. solchen Fällen fehl am Platz, wenn Sie sie auch gerne heraufbeschwören. Auch wenn etwa die Sommergrippe Wir brauchen keine schönen Reden, sondern wir in Deutschland auftritt, muss man nicht immer gleich brauchen endlich Taten in diesem Land. Wir müssen die SARS befürchten. Grundlagen, nämlich die Finanzen unseres Staates, in Ordnung bringen. Nur dann sind wir in der Lage, die He- Information und Aufklärung waren uns immer wich- rausforderungen solcher Seuchen wie SARS bewältigen tig. Deswegen werden die Fluggäste aus den besonders zu können. Machen Sie Ihre Hausaufgaben! Wir brau- betroffenen Ländern informiert, aber nicht kontrolliert. chen Taten statt Worte. Verstärkte Einreisekontrollen sind aufgrund des Verlaufs der Krankheit und der Inkubationszeit nicht unbedingt (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP – sinnvoll. Wir haben in Deutschland einen hervorragen- Dr. Wolfgang Wodarg [SPD]: Wir müssen Ihre den Hygienestandard, wir haben einzigartige Seuchen- Defizite erst einmal beseitigen!) schutzmaßnahmen und wir haben erstklassig ausgebilde- tes medizinisches und pflegerisches Personal, welches nach den Vorgaben und Empfehlungen des Robert- Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms: Koch-Institutes arbeitet. Darüber hinaus gibt es eine gute Das Wort hat jetzt die Kollegin Petra Selg vom Bünd- Zusammenarbeit mit den Ländern. Die Forschung über nis 90/Die Grünen. Krankheitserreger und die Erforschung und Entwicklung Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 42. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 7. Mai 2003 3465

Petra Selg (A) von Impfstoffen gegen diese Viren stehen an erster Bundestag im Rahmen einer Aktuellen Stunde diskutie- (C) Stelle. ren. Entscheidend ist aber die Art und Weise, wie wir das tun. Wir sollten über das Thema unaufgeregt und keines- SARS wird in den Medien zurzeit gerne als die Seu- falls marktschreierisch diskutieren. che des 21. Jahrhunderts beschrieben. Die Schlagzeilen übertreffen sich: „China hält den Atem an“ oder „Wett- Ich will allerdings eines anmerken: Ich hätte mir ge- lauf mit dem Lungenfieber“. Ich halte das alles nicht für wünscht, dass wir uns vor der Diskussion im Plenum sinnvoll. Es gab schon viele große Seuchen, ob Aids, auch im zuständigen Fachausschuss mit dieser Frage be- Ebola oder die derzeitige Geflügelpest in den Niederlan- fasst hätten. den; SARS wird nicht die letzte Seuche in diesem Jahr- (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU) hundert sein. Wir müssen in unserer globalisierten Welt vielleicht in Zukunft unser Reiseverhalten überdenken. Auf Anregung der FDP im gestrigen Obleutegespräch Ich hoffe aber, dass wir auch zukünftig mit solchen sach- sollte das Thema heute unter dem Punkt „Verschiede- lichen und der Aufklärung dienenden Debatten weitaus nes“ behandelt werden; dazu ist es aber aus Zeitgründen mehr dazu beitragen – – nicht gekommen. (Manfred Grund [CDU/CSU]: Reden Sie doch Wir sollten über das Thema, wie gesagt, nicht markt- zuerst mit Rezzo Schlauch darüber!) schreierisch – sozusagen auf dem öffentlichen Markt- platz – diskutieren, sondern im zuständigen Fachgre- – Sie können gerne mit Rezzo Schlauch reden. Das ist si- mium, in dem auch konkrete Maßnahmen erörtert cherlich kein Problem. Tun Sie das, wenn Sie damit ein werden können. Problem haben! Das ist eines der Ablenkungsmanöver, die Sie gerne inszenieren. Das war auch schon so bei der Wir sind uns darin einig, dass in Deutschland derzeit Debatte über die Pocken, mit der Sie uns im Ausschuss keine akute Gefahr für den Ausbruch von SARS besteht. immer wieder genervt haben, oder bei anderen Debatten, Aber es besteht sicherlich eine latente Gefahr. Die die Sie im Bundestag immer wieder anzetteln. Krankheit kann jederzeit auf Deutschland übergreifen. Dass das bisher nicht geschehen ist, ist wohl zu einem Ich wünsche mir, dass wir in der weiteren Debatte großen Teil Glück. über SARS sachlich und dem Thema angemessen vorge- hen und dass Sie Ihr Kindertheater unterlassen. Wir sollten versuchen, diese bislang glückliche Ent- wicklung durch konkretes, zielgerichtetes Vorgehen zu (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN verstärken. Hierbei ist insbesondere auch die Europä- und bei der SPD) ische Union gefordert. Die Staatssekretärin hat bereits das Sondertreffen der EU-Gesundheitsminister in Brüs- (B) (D) Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms: sel angesprochen. Es geht meines Erachtens nicht an, Das Wort hat jetzt der Kollege Dr. Heinrich L. Kolb dass Reisende aus China je nach ihrem europäischen von der FDP-Fraktion. Zielflughafen – Rom, Brüssel oder Frankfurt – unter- schiedlich behandelt werden. Wenn der EU-Gesund- Dr. Heinrich L. Kolb (FDP): heitskommissar David Byrne beklagt, dass bei Ausbruch einer Tierseuche umgehend die europäischen Grenzen Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich geschlossen würden, dass ihm aber bei Ausbruch einer denke, man kann mit Blick auf die Bedrohung durch das die Menschen gefährdenden Seuche die Hände gebun- akute Atemwegssyndrom in Deutschland von einer ge- den seien, dann zeigt das, wie dringend notwendig ein spannten Ruhe sprechen. Es ist allerdings eine Ruhe koordiniertes Vorgehen auf europäischer Ebene ist. bzw. eine Situation, die jederzeit kippen kann. Ich habe das in der vergangenen Woche in meinem Wahlkreis Ich denke, dass angesichts der akuten Bedrohung hautnah erleben müssen – der Kollegin Ober ist der Fall durch die Krankheit SARS die von Byrne seit mehr als auch bekannt –, als eine Lehrerin, die in den Osterferien einem Jahr erhobene Forderung nach Errichtung eines in China war – sie war allerdings nachweislich nicht in europäischen Zentrums zur Bekämpfung von Seuchen Gebieten unterwegs, in denen mit einer Ansteckungsge- und Infektionskrankheiten einen neuen Schub bekommt. fahr zu rechnen war –, auf Druck der Elternschaft für Sicherlich muss auf europäischer Ebene Arbeit geleis- zehn Tage vom Schuldienst suspendiert werden musste, tet werden. Wir müssen aber auch auf der nationalen weil andernfalls ein Schulstreik der Eltern und Schüler Ebene Aufklärung betreiben. Angst entsteht letztendlich angedroht wurde. immer aus Unwissenheit und Uninformiertheit. Das von Die fast schon hysterische Reaktion, die an dieser mir eingangs beschriebene Beispiel einer hysterischen Schule zu beobachten war, gibt eine Ahnung von dem, Reaktion zeigt doch, dass es hier erheblichen Nachhol- was in unserem Lande passieren könnte, wenn eine grö- bedarf gibt. ßere Zahl solcher Verdachtsfälle zu verzeichnen wäre. Man muss aber ganz nüchtern feststellen: Die Gefahr, Pikant ist übrigens, dass der Sprecher der Elternschaft dass sich ein Kind mit einem Grippevirus ansteckt, ist auf dem Frankfurter Flughafen – eine Umgebung, in der nach wie vor weitaus größer als das Risiko, sich mit die Infektionsgefahr sicherlich auch nicht als gering an- SARS zu infizieren. Manche Fragen, die jetzt gestellt zusehen ist – arbeitet. werden, erinnern ein bisschen an die Situation vor Vor diesem Hintergrund ist wohl nichts dagegen ein- 20 Jahren, als die Aids-Diskussion das Land in Unruhe zuwenden, dass wir über dieses Thema im Deutschen versetzte. Damals wurde beispielsweise gefragt, ob man 3466 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 42. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 7. Mai 2003

Dr. Heinrich L. Kolb (A) sich im Schwimmbad infizieren könne, wenn zuvor ein eine durchdachte Strukturreform im Gesundheitswesen (C) Aids-Kranker im Wasser gewesen sei. Natürlich kann zustande bringt. man das nicht. Auch heute muss man einen Beitrag zur Versachlichung der Diskussion leisten, indem man ganz (Lachen bei der CDU/CSU – Dr. Heinrich L. nüchtern auf mögliche Infektionswege hinweist. Kolb [FDP]: Davon habe ich gar nichts gehört! Haben Sie einen neuen Entwurf eingebracht? Zum Schluss möchte ich sagen, dass mich neuere Er- Er ist wohl noch geheim!) kenntnisse beunruhigen, wonach geheilte SARS-Patien- ten weiter ansteckend sein können und sich das SARS- Sie haben die Patientinnen und Patienten nur belastet. Virus rasch verändert. Das deutet auf ein erhöhtes Risiko (Manfred Grund [CDU/CSU]: Wer will denn hin. Der Erfinder des Schnelltestes – er arbeitet im Eintrittsgeld erheben, gute Frau?) Bernhard-Nocht-Institut in Hamburg – hat heute im Frühstücksfernsehen darauf hingewiesen, dass man erst Deutschland ist im Übrigen auch Exportweltmeister. in ein bis drei Jahren abschließend sagen könne, ob es (Manfred Grund [CDU/CSU]: Bei humores- gelungen sei, das Risiko, sich mit SARS zu infizieren, zu ken Einlagen seid ihr Weltmeister!) minimieren. Des Weiteren reisen die Deutschen am meisten. Das Es gibt außerdem – das wird in der Diskussion sicher- heute zur Diskussion stehende Thema hat insofern auch lich noch eine Rolle spielen – auch erhebliche wirt- etwas damit zu tun. schaftliche Risiken. Gerade eine exportorientierte Nation wie Deutschland, die internationalen Austausch quasi SARS ist – das ist schon gesagt worden – die erste zum Leben benötigt, ist sehr anfällig. Ich wage mir nicht große Epidemie dieses Jahrhunderts. Mittlerweile sind in vorzustellen, was wäre, wenn sich in Deutschland – ähn- 28 betroffenen Ländern viele Menschen gestorben. In lich wie in Kanada – die Zahl der SARS-Fälle häufte und Deutschland – die Frau Staatssekretärin hat bereits da- das öffentliche Leben zum Erliegen käme. rauf hingewiesen – gibt es 38 Verdachtsfälle und acht in- fizierte Personen. Es ist natürlich beunruhigend, dass Das alles zeigt, dass wir aufmerksam sein und bleiben SARS – die Infiziertenzahlen steigen ständig – beson- müssen. Aber wir sollten unaufgeregt zu Werke gehen. ders in China einschließlich Hongkong wütet, Men- Ich wünsche mir sehr, liebe Kolleginnen und Kollegen schenleben fordert sowie das öffentliche und wirtschaft- von der Koalition, dass wir schon sehr bald auch im liche Leben in den dortigen Metropolen lahm legt und Fachausschuss – möglicherweise auf einen gemeinsa- die Bevölkerung in den Metropolen verunsichert. Wir men Antrag hin – initiativ werden. hätten – das erwähne ich nur am Rande – im Gesund- Vielen Dank. heitsausschuss darüber reden können, wenn uns die Op- (B) position nicht mit einer Diskussion über die Geflügelpest (D) (Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten aufgehalten hätte. der CDU/CSU) (Lachen bei der CDU/CSU – Zuruf von der CDU/CSU: Daran sind auch Menschen gestor- Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms: ben!) Das Wort hat jetzt die Kollegin Helga Kühn-Mengel Die Konsequenz für Europa und insbesondere für von der SPD-Fraktion. Deutschland aus den Entwicklungen in den asiatischen Ländern ist klar: Es muss alles unternommen werden, Helga Kühn-Mengel (SPD): um ein Einschleppen dieser Krankheit auch in Zukunft Herr Präsident! Sehr geehrte Kolleginnen und Kolle- zu verhindern. Dabei haben die Organe und Institutio- gen! Frau Widmann-Mauz, Sie versuchen heute einmal nen des Bundes – das muss an dieser Stelle ausdrücklich mehr, diese Aktuelle Stunde für Negativmeldungen zu betont werden – in der Vorsorge und in der Aufklärung nutzen. Dem möchte ich Folgendes entgegensetzen: Wir einen klaren Weg beschritten, und zwar zügig und adä- haben in der letzten Legislaturperiode – dieses Gesetz quat. Die SARS-Hotline ist beim Robert-Koch-Institut hätten Sie in Ihrer langen Regierungszeit längst verab- angesiedelt worden. Sie informiert in verständlicher schieden können – das modernste Infektionsschutzgesetz Form und aus erster Hand über die Erkrankung. Ebenso über alle Hürden gebracht. sind die Beschreibung der Erreger und der Symptome, die Erstellung von Reisehinweisen und die enge Zusam- (Wolfgang Zöller [CDU/CSU]: Wer hat das menarbeit mit den Fluglinien, die Flüge in die Risikore- denn initiiert? Wir doch!) gionen anbieten, sehr schnell und koordiniert durchge- Dr. Wodarg hat daran entscheidend mitgewirkt. führt worden. All das war richtig. Dieser Weg muss weiter verfolgt werden. (Beifall bei der SPD) Es ist ebenfalls richtig, dieses Problem auf europä- Deutschland ist eines der wenigen Länder mit wach- ischer Ebene zu behandeln. Die Staatssekretärin hat in sendem Forschungsetat. Auch das sollte einmal Erwäh- diesem Zusammenhang den EU-Netzwerk-Ausschuss nung finden. Wir haben des Weiteren, auch wenn uns die für übertragbare Krankheiten erwähnt. Wir wissen aus Arbeitslosenzahlen bedrücken, die höchste Erwerbs- der Vergangenheit, dass wir bei der Bekämpfung von quote in diesem Land. Auch das muss gesagt werden. Menschen- und Tierseuchen im Bedarfsfall nicht zögern Wir sind im Übrigen die erste Regierung, die endlich dürfen und auch über die Grenzen hinweg zusammenar- Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 42. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 7. Mai 2003 3467

Helga Kühn-Mengel (A) beiten müssen, um gemeinsam Präventionsmaßnahmen Daher ist dieses Maß an Selbstbeweihräucherung, das (C) zum Schutz der Bevölkerung zu ergreifen. Sie hier gerade betrieben haben, nicht angebracht. Die WHO hat sich auf diesem Gebiet eingebracht. (Beifall bei der CDU/CSU – Wolfgang Zöller Die Bundesrepublik arbeitet eng mit ihr zusammen. Das [CDU/CSU]: Es ist ihm jetzt peinlich, dass er Zusammenspiel von Fachkompetenz vor Ort und in den zitiert worden ist!) Laboren ist ausdrücklich zu begrüßen und wird durch die Dieses Thema – ihm ist in den letzten Wochen ver- Regierungskoalition weiter aktiv unterstützt. stärkt Aufmerksamkeit geschenkt worden; der erste Ver- Der konkrete Umgang mit Verdachtsfällen in dachtsfall war im November 2002 – hat sicherlich viel Deutschland ist von extremer Wichtigkeit. Aufklärung, Unsicherheit, Ängste und Sorgen hervorgerufen; Herr medizinische Untersuchung von potenziell Infizierten Kolb hat eben ein Beispiel geschildert, über das auch in und die Organisation von Quarantänemaßnahmen sind den Medien berichtet worden ist. Es ist sicherlich wich- wichtige Bereiche, in denen der öffentliche Gesundheits- tig, über dieses Thema sachlich zu sprechen. Das sollte dienst zum Zuge kommt. Die Zahlen des Statistischen aber, wie gesagt, zuerst im Ausschuss oder woanders Bundesamtes belegen – das muss betont werden –, dass und nicht in einer Aktuellen Stunde geschehen. Wenn die Mittel für den öffentlichen Gesundheitsdienst seit das nämlich geschieht, dann wird etwas suggeriert, was 1992 kontinuierlich zusammengestrichen wurden. Wir es gar nicht gibt. brauchen den öffentlichen Gesundheitsdienst für die an- gesprochenen Aufgaben, aber auch für andere wichtige Alles in allem können wir in drei Bereichen Hand- öffentliche Aufgaben. Insofern muss man sagen: Der öf- lungsbedarf feststellen: fentliche Gesundheitsdienst wird in Krisenzeiten nicht Zum Ersten brauchen wir mehr Forschung und Vor- nur gebraucht, sondern auch auf seine Schlagkraft getes- sorge in diesem Bereich. Von der Kollegin Widmann- tet. Wir sollten ihn im Auge behalten. Mauz ist gerade schon angesprochen worden: Das Ich danke Ihnen. Robert-Koch-Institut ist für seine Aufgaben ganz offen- sichtlich nicht hinreichend ausgestattet; in der letzten (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ Zeit wird es immer öfter gefordert. Ganz grundsätzlich DIE GRÜNEN) müssen wir uns zum Beispiel mit der Frage beschäfti- gen, wie es dazu kommt, dass die Mensch-Tier-Barriere Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms: immer öfter von Viren übersprungen wird. Der Aus- schuss für Verbraucherschutz, Ernährung und Landwirt- Das Wort hat jetzt der Kollege Jens Spahn von der schaft hatte meines Wissens heute einen Virologen zur CDU/CSU-Fraktion. Thematik der Geflügelpest zu Gast. Von daher ist Ihr (B) (D) Einwurf von vorhin, wir hätten mit der Geflügelpest ver- Jens Spahn (CDU/CSU): hindert, dass das andere Thema behandelt worden ist Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Frau – allein die Formulierung! –, eher skandalös zu nennen, Kühn-Mengel, aus Ihrer Einleitung könnte man den Ein- Frau Kühn-Mengel. druck gewinnen, wir hätten diese Aktuelle Stunde bean- (Beifall bei der CDU/CSU sowie des Abg. tragt. Dr. Heinrich L. Kolb [FDP]) (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU) Es geht zweitens um Vorsichtsmaßnahmen. Natürlich Sie waren es doch, die dieses Thema auf die heutige Ta- sind solche Maßnahmen zu treffen, auch wenn wir in gesordnung gesetzt haben. Sie sind diejenigen, die mit Deutschland aktuell nicht betroffen sind. Da geht es um dem Thema dieser Aktuellen Stunde von anderen Din- Reisewarnungen des Auswärtigen Amtes und des gen ablenken möchten und die suggerieren, dass für Robert-Koch-Institutes; solche gibt es ja. Es geht darum, Deutschland Handlungsbedarf bestehe und dass wir uns Verdachtsfällen gründlich nachzugehen und im Zweifel mit diesem Thema anstatt mit anderen beschäftigen noch sicherer zu gehen, als wir es vielleicht tun müssten. müssten. Sie hätten, wenn es tatsächlich um Information Aber wir dürfen auch nicht das Kind mit dem Bade aus- ginge, schon im Ausschuss entsprechend handeln kön- schütten. Im Internet lese ich, dass es mittlerweile hier in nen. Wir haben vor Ostern beantragt, darüber zu spre- Deutschland Angebote für Mundschutz gibt. Mund- chen. Es ist unter dem Punkt „Verschiedenes“ kurz darü- schutz wird zu einem Preis von 2,99 Euro angeboten. Da ber gesprochen worden; allerdings ist der Beratung des wird an der einen oder anderen Stelle in der Öffentlich- Themas im Nachhinein zu wenig Raum gewährt worden. keit und auch von den Medien unnötig Hysterie erzeugt. (Beifall bei der CDU/CSU) Wichtig ist drittens gemeinsames europäisches Han- deln. Ich möchte die Regierung, Frau Staatssekretärin, Ich möchte noch ein Wort zu dem Gesetz, das Sie ge- ausdrücklich unterstützen, wenn es um die Frage der Zu- rade ansprachen, sagen. Als dieses Gesetz hier verab- ständigkeit geht. Sicherlich ist es wichtig, dass wir die schiedet wurde, hat Herr Wodarg selbst die ehemalige Arbeit der einzelnen Nationalstaaten in diesem Bereich Staatssekretärin Bergmann-Pohl dafür gelobt, dass die vernetzen, aber wir dürfen dazu nicht eine Stelle, ein Initiative von der CDU/CSU-Fraktion ausgegangen sei. Amt oder sonst irgendetwas auf europäischer Ebene (Dr. Wolfgang Wodarg [SPD]: Das kam von schaffen – das haben Sie, Herr Staatssekretär Schröder, den Ländern und von der EU! Zitieren Sie glaube ich, auch gesagt –; denn das, was damit von mich nicht falsch!) Kommissar Byrne letztlich beabsichtigt ist, ist einmal 3468 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 42. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 7. Mai 2003

Jens Spahn (A) mehr, einen Fuß in die Tür zu bekommen, um Kompe- werfen, selbst aber gleich sagen, man brauche mehr Stel- (C) tenzen im Bereich des Gesundheitswesens auf die euro- len für das Robert-Koch-Institut. päische Ebene zu ziehen. Sie müssen aber auf jeden Fall auf der nationalen Ebene bleiben. (Annette Widmann-Mauz [CDU/CSU]: Gu- cken Sie sich mal die betretenen Gesichter der (Beifall bei der CDU/CSU) Fachleute an! Die wissen, dass es so ist!) Ich möchte zum Abschluss noch auf folgenden Punkt Sie müssen sich schon entscheiden, wie es denn jetzt eingehen: Der Umstand, dass diese Seuche von ihrem sein soll. Herd in Südchina aus mittlerweile zu Verdachtsfällen in Toronto, in Frankfurt, in Bogotá und Taiwan geführt hat, Sie haben davon gesprochen, dass wir uns mit der zeigt, dass Globalisierung und zunehmende Vernetzung wirtschaftlichen Lage beschäftigen sollten. Ich kann Ih- nicht nur wirtschaftliche Aspekte haben, sondern auch nen versichern: Das tun wir. Sie haben ein ganzes Wo- mit ganz anderen Aspekten verbunden sind. Umso un- chenende Klausurtagung gebraucht, um festzulegen, wie verantwortlicher ist es – das muss deutlich gesagt wer- Sie zu unseren Vorhaben Stellung nehmen wollen, und den, nicht zuletzt von der Bundesregierung, so wichtig haben einen Haufen Formelkompromisse geschlossen. es auch ist, dass sie finanzielle Unterstützung leistet –, Ich will aber auch, meine Damen und Herren, darauf wie die chinesische Staatsführung mit diesem Thema aufmerksam machen, dass SARS nicht nur ein gesund- umgegangen ist und wie sie es wochen- und monatelang heitspolitisches, sondern in der Tat auch ein wirtschafts- unterdrückt hat. Sie ist nur sehr intransparent vorgegan- politisches Problem ist. Wir sehen jetzt schon, welche gen. Einbrüche die Fluggesellschaften zu verkraften haben, Das bedeutet: mehr Zusammenarbeit in der EU – das die mit dem Südostasiengeschäft bisher wesentliche habe ich gerade schon gesagt –, sicherlich aber auch in Teile ihrer Einnahmen erzielt haben. Machen wir uns der WHO. Ich hoffe und wünsche, dass es gelingt, diese nichts vor: Die Entwicklung wird auch noch ein Stück erste neue Infektionskrankheit des 21. Jahrhunderts, wie weiter in diese Richtung gehen. Wir sehen auch daran: In sie in den Medien oft genannt wird, einzudämmen, ihrer einer globalisierten Welt gibt es keine Inseln. Somit ist Herr zu werden und vor allem zu verhindern, dass sie eben möglich, dass über Flugreisende eine solche Krank- uns in Deutschland erreicht. heit in andere Länder eingeschleppt wird. Die entspre- chenden Gegenmaßnahmen ziehen natürlich wiederum (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) wirtschaftliche Folgen nach sich. Deutschland ist noch viel weniger als China eine In- Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms: sel. Es wird auch keine werden. Es macht keinen Sinn (B) Das Wort hat nun die Kollegin Birgitt Bender von – das wurde schon gesagt –, jetzt zu versuchen, so eine (D) Bündnis 90/Die Grünen. Art Schutzmauer um Deutschland herum zu ziehen, in- dem man alle Flugreisenden kontrolliert. Das wäre ein Birgitt Bender (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): hoher Aufwand, der nur ein irriges Gefühl von Sicher- Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Es ist be- heit vermitteln würde. ruhigend zu sehen, dass es in wesentlichen Bereichen Wir können jetzt aber etwas tun, indem wir die betrof- zwischen Opposition und Regierung doch Einigkeit gibt. fenen Länder in der Bekämpfung der Krankheit unter- Herr Spahn, ich stimme Ihnen ausdrücklich darin zu, stützen. Die Frau Staatssekretärin hat darauf hingewie- dass die Erfahrung mit SARS auch ein Lehrstück zur sen, dass wir China entsprechende infrastrukturelle Umgangsweise mit einer solchen Krankheit ist, insbe- Hilfen zur Verfügung gestellt haben. Auch wenn sich die sondere auch zur Frage von Demokratie und Transpa- chinesischen Behörden zunächst falsch verhalten haben, renz. Genau diese sind nämlich in China nicht gegeben. ist es richtig, ihnen Kooperationsangebote zu unterbrei- Dort haben sich die örtlichen Funktionäre nicht getraut, ten und sie jetzt zu unterstützen. die Informationen über den Ausbruch der Krankheit wei- terzugeben, weil sie Angst vor Repressalien der nächsten Weiterhin müssen wir selber in aller Ruhe Vorkehrun- Ebene hatten. Auf diese Weise hat es über lange Zeit gen treffen. Das geschieht zum Beispiel am Robert- eine Politik des Verschweigens und Vertuschens gege- Koch-Institut. Hierbei kommt es insbesondere auf eine ben, die der Ausbreitung der Krankheit und dem Entste- gute Zusammenarbeit zwischen Bund und Ländern an. hen einer Epidemie überhaupt erst die Tür geöffnet hat. Nicht zuletzt ist natürlich die Vernetzung und Koopera- Das ist in der Tat unverantwortlich. Das heißt im Um- tion auf europäischer Ebene sehr wichtig. kehrschluss aber auch, denke ich, dass wir, die wir in ei- Ich denke, wir sind auf einem guten Weg und können ner Demokratie leben, unsere Freiheit auch dazu nutzen sagen, dass wir uns dieser Gefahr stellen, es aber keinen sollten, über dieses Thema zu reden. Grund zur Panikmache gibt und wir mit unserem System (Annette Widmann-Mauz [CDU/CSU]: Das der Gesundheitsvorsorge und unseren Möglichkeiten zu haben wir sogar vor Ihnen getan!) seuchenhygienischen Maßnahmen in dieser Situation ei- ner drohenden neuen Epidemie gut gerüstet sind. Herr Spahn, Frau Widmann-Mauz, Sie sollten das nicht kritisieren. Danke schön. Im Übrigen habe ich mich etwas darüber gewundert, (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Frau Kollegin, dass Sie uns eine Emotionalisierung vor- und bei der SPD) Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 42. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 7. Mai 2003 3469

(A) Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms: schlagen. Wie dies aussehen soll, müssen wir hier nicht (C) Das Wort hat jetzt die Kollegin Dr. Erika Ober von diskutieren. Zu begrüßen ist auf jeden Fall ein EU-weites der SPD-Fraktion. gemeinsames Vorgehen. Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir haben eine glo- Dr. Erika Ober (SPD): bale Bedrohungslage, wie Gro Harlem Brundtland ges- Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und tern sagte, die für Deutschland zurzeit gering einzuschät- Herren! Ich möchte zunächst auf die Vorwürfe von Frau zen ist. Eine akute Bedrohung für Deutschland ist Widmann-Mauz und Herrn Spahn aus der CDU/CSU- momentan nicht vorhanden. Trotzdem stimmt es ange- Fraktion eingehen, wir wollten uns mit der Behandlung sichts globaler Bedrohung sehr nachdenklich, wenn die des Themas SARS vor der Behandlung von aktuellen US-Behörde CDC zur Kontrolle und Vorbeugung von politischen Themen drücken und von ihnen ablenken. Krankheiten gleichzeitig den kompletten SARS-Virus sowie seine Einzelteile patentieren will oder die Firma (Annette Widmann-Mauz [CDU/CSU]: So ist Combimatrix im US-Bundesstaat Washington das Patent es! – Klaus Brähmig [CDU/CSU]: Der Ver- auf Schlüsselkomponenten zweier SARS-Gene bean- such ist aber gescheitert!) tragt, die für die Infektion im menschlichen Körper ver- Wie Sie wissen, sind wir jederzeit bereit, uns aktuellen antwortlich sein sollen. Themen zu stellen und über sie zu diskutieren. Wir wol- (Dr. Wolfgang Wodarg [SPD]: Kein Patent auf len uns aber auch diesem aktuellen Problem widmen. Gene!) Herr Kolb hat ja eben schon berichtet, dass es in unse- rem gemeinsamen Wahlkreis eine hysterische Reaktion, Die Erregerentdeckung und Gendetektion eines Erre- eine Überreaktion gab. Daran sieht man, wie wichtig gers dürfen nicht durch einen Patentschutz in der Weise dieses Thema ist. Ich denke, wir sollten darüber sachlich „geschützt“ werden, dass die Beforschung des Erregers und gemeinsam diskutieren. und die Entwicklung von Therapien behindert werden. Dies wäre höchst gefährlich. Auf den Vorwurf, dass wir es nicht zuerst im Aus- schuss diskutiert haben, antworte ich, dass für mich eine (Beifall bei Abgeordneten der SPD) Diskussion hier im Plenum mindestens genauso wichtig Man kann sich vorstellen, dass nur der Patentinhaber und sinnvoll ist. Deshalb sehe ich diesen Vorwurf so Interesse an der Erforschung hätte, wenn Erreger mit all nicht ganz ein. ihren Eigenschaften patentierbar wären. Das Interesse (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ anderer könnte sinken, wenn sie wissen, dass sie für Li- DIE GRÜNEN – Dorothee Mantel [CDU/ zenzen bezahlen müssen. Zudem könnte man annehmen, (B) CSU]: Nur der Kameras wegen!) dass sich zusätzlich die Forschungsdauer verlangsamt, (D) weil man sich mit einem Patent in der Tasche möglicher- Die Verbreitung von SARS findet nach gegenwärti- weise mehr Zeit lässt. Wenn sich viele Forschungsein- gem Erkenntnisstand hauptsächlich über Tröpfchen- und richtungen mit neuen Erregern beschäftigen, gibt es viel- Schmierinfektionen statt. Das heißt, es handelt sich hier- leicht schnellere Ergebnisse. Wir können es uns nicht bei auch um eine Hygienefrage. Damit stellt es in unse- leisten, Chancen auf die Entwicklung spezifischer The- rem Land auch kein so großes Problem dar. rapeutika und einer Prophylaxe, das heißt eines Impf- Der Verursacher der Atemwegserkrankung ist ein stoffes, zu vergeben. Wichtig ist deshalb die weltweite Coronavirus, zu dessen Nachweis inzwischen verschie- Klärung dieses Sachverhaltes. dene Laborverfahren zur Verfügung stehen. Nach Aussa- Liebe Kolleginnen und Kollegen, Forscher und For- gen der Tropeninstitute ist SARS nicht so ansteckend scherinnen dürfen nicht durch die Patentierbarkeit auf wie zum Beispiel Masern und auch nicht so resistent. Schlüsselbestandteile von Erregern oder auf komplette Wir müssen aber damit rechnen, dass sich SARS wegen Erreger in ihrer Forschungstätigkeit behindert werden. der derzeitigen weltweiten Verbreitung dauerhaft als Krankheit etablieren kann. Vielen Dank. Die Symptome sind – das wurde schon gesagt – un- (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ spezifisch und ähneln denen einer Grippe. Konkrete DIE GRÜNEN – Dr. Wolfgang Wodarg Therapiemöglichkeiten gibt es derzeit nicht, sondern nur [SPD]: Ein wichtiger Beitrag!) eine Behandlung der Symptome, was im Übrigen auch für viele andere Krankheiten gilt. Auch die Möglichkeit Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms: zu einer Impfung besteht derzeit noch nicht. Das Wort hat jetzt die Kollegin Dorothee Mantel von In China, Hongkong und Taiwan ist der Höhepunkt der CDU/CSU-Fraktion. der Entwicklung nach Aussagen der Weltgesundheitsor- ganisation noch nicht erreicht; in Kanada und Vietnam Dorothee Mantel (CDU/CSU): sieht die Situation positiver aus. Herr Präsident! Meine sehr verehrten Kolleginnen Wie von der Staatssekretärin, Frau Caspers-Merk, schon und Kollegen! Die Nachrichten der letzten Tage waren gesagt, gab es gestern ein Treffen der EU-Gesundheits- oft beunruhigend. Panikmache wäre jedoch fehl am minister. Es wurde die Einrichtung eines europäischen Platz. Dennoch muss die Lage von uns ernst genommen Zentrums für Krankheitsvorsorge und -kontrolle vorge- werden. Die Zahl der an SARS neu erkrankten Men- 3470 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 42. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 7. Mai 2003

Dorothee Mantel (A) schen nimmt in einigen Ländern nicht ab. Vor allem im durch internationale Informationsflüsse beschleunigt? (C) vermutlichen Ursprungsland China ist keine Eindäm- Vor allem restriktiv handelnde Länder könnten dazu ge- mung in Sicht, obwohl die Chinesen mittlerweile mehr bracht werden, Informationen zu teilen. tun, um die dramatische Situation in den Griff zu bekom- Eine solche Politik würde Deutschland wieder zum men. konstruktiven Partner machen und aus Ihrer Anti-Rheto- Die Todesrate liegt bei schätzungsweise 8 bis rik herausführen. Eine solche Rolle wäre glaubwürdig 15 Prozent, nachdem anfangs von 4 bis 6 Prozent ausge- für Deutschland und würde Deutschland wieder zum ge- gangen wurde. Nach neuesten Schätzungen liegt die To- suchten Partner in der Welt werden lassen. Mit einer sol- desrate in Hongkong bei knapp 20 Prozent. Bei alten chen Rolle wäre der Anfang gemacht, der deutschen Au- Menschen könnte sogar über die Hälfte eine Infektion ßen- und Sicherheitspolitik insgesamt wieder Profil zu nicht überleben. geben, was Sie die letzte Zeit sehr vernachlässigt haben, meine Damen und Herren von der Regierungskoalition. Auch wenn einzelne Fälle durch infizierte Einrei- sende nie auszuschließen sind, in Deutschland und Eu- (Beifall bei der CDU/CSU) ropa besteht Virenexperten zufolge momentan kein Ich verspreche Ihnen hier und heute: Wenn Sie diesen Grund zu der Sorge, dass sich SARS wie in Asien aus- Schritt gehen, können Sie mit unserer Unterstützung breitet. rechnen. Die CSU und die CDU haben nämlich in den Dennoch ist Prävention weiterhin das Gebot der letzten Monaten zwei Dinge immer wieder verdeutlicht: Stunde. Die konsequente Nachprüfung jedes einzelnen (Zurufe von der SPD) Verdachtsfalls hat sich bewährt. Dabei ist es wichtig, alle potenziellen Kontaktpersonen zu registrieren und zu in- – Ich frage mich, warum Sie sich jetzt so aufregen. Sie formieren. können doch froh sein, dass wir einmal ein Problem ha- ben, das nicht Ihr Kanzler verschuldet hat. – Über den Erreger aus der Familie der Coronaviren werden erst nach und nach Erkenntnisse gewonnen. Wir (Heiterkeit und Beifall bei der CDU/CSU und können nur hoffen, dass neue Forschungsergebnisse wei- der FDP) terhin mit dieser ermutigenden Geschwindigkeit bekannt Uns ist vor allem daran gelegen, Deutschland aus dem werden. internationalen Abseits zu holen. Uns ist zudem daran Eines können wir heute aber bereits festhalten: Offen- gelegen, Deutschland international wieder zu einem Im- heit und eine transparente Informationspolitik sind un- pulsgeber zu machen. umgänglich. Zu hoffen bleibt, dass die Zusammenarbeit bei der (B) (D) (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeord- Bekämpfung von SARS einen internationalen Anstoß neten der SPD und der FDP) gibt, grenzüberschreitende Probleme auch mit grenz- überschreitenden Informationen zu lösen. Die Unterstüt- Im Bereich der Wissenschaft funktioniert die welt- zung der CDU/CSU wäre Ihnen sicher. weite Zusammenarbeit von Labors bei der Erforschung von SARS gut. Dies darf nicht unerwähnt bleiben. Die Herzlichen Dank. Informationspolitik einzelner Staaten hätte aber offener (Beifall bei der CDU/CSU – Dr. Uwe Küster sein können. SARS macht nicht vor Staatsgrenzen und [SPD]: Endlich einmal eine Altlast, die die auch nicht vor Kontinenten halt. Ohne eine sofortige und CDU nicht zu verantworten hat!) umfassende internationale Kooperation kommen wir nicht aus. Wer Informationen zurückhält, gefährdet an- dere und auch sich selbst. Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms: Das Wort hat jetzt die Kollegin Dr. Marlies Volkmer Die Bundesregierung muss eine offene Informations- von der SPD-Fraktion. politik als Herausforderung der internationalen Zusam- menarbeit begreifen. Allen Staaten dieser Erde muss nahe gelegt werden, keine Informationsabschottung vor- Dr. Marlies Volkmer (SPD): zunehmen – mit den gebotenen diplomatischen Formu- Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die erste lierungen, aber doch unmissverständlich. Denn dies hilft große Epidemie des 21. Jahrhunderts versetzt die Welt in letztlich vor allem den betroffenen Staaten selbst. Aufregung. Täglich kommen neue Erkrankte hinzu; täg- lich erliegen Menschen dem hoch ansteckenden Virus. Meine sehr verehrten Damen und Herren von der Bundesregierung, für die deutsche Außenpolitik schei- Am stärksten sind dabei China, Taiwan und Singapur nen Visionen im Moment dringend gesucht zu sein. betroffen. Ich möchte betonen, dass die Krankheit dort Deutschland und die vielen deutschen Organisationen eben nicht nur das öffentliche Leben einschränkt. Je län- genießen auf dem Gebiet der humanitären Hilfe weltweit ger SARS wütet, desto größer werden die wirtschaftli- hohes Vertrauen und Ansehen. Das gilt ebenso für die chen Schäden für diese Länder sein. Es sind nicht nur die Fähigkeit, bei Hilfseinsätzen in Krisensituationen gesundheitlichen Gefahren – darauf möchte ich hinwei- schnell und angemessen zu reagieren. Ich frage Sie: sen –, die uns über den bis vor kurzem noch unbekann- Wäre Deutschland daher nicht prädestiniert, internatio- ten Erreger sprechen lassen. Es sind auch die Gefahren nal die Rolle eines Koordinators bei Krisenfällen einzu- für die wirtschaftliche Stabilität einer ganzen Region, die nehmen? Wäre es nicht denkbar, dass Deutschland da- auch auf unsere Wirtschaft nicht ohne Einfluss ist. Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 42. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 7. Mai 2003 3471

Dr. Marlies Volkmer (A) Die Sorge der Bürger hierzulande ist dabei verständ- 10 Millionen Euro zur Verfügung gestellt, sodass insge- (C) lich. Die Ansteckungsgefahr mit dem Erreger ist zwar samt etwa 100 Röntgen- und 200 Beatmungsgeräte nach niedriger als bei der Influenza, der Grippe, aber die China geliefert werden können. Sterblichkeit liegt deutlich höher. Ein Impfstoff oder konkrete Therapien sind derzeit nicht verfügbar. (Beifall bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) Zur leichten Übertragbarkeit mittels Tröpfchen- oder Schmierinfektion kommt hinzu, dass Erreger heute nicht Ich persönlich hoffe, dass dieses Beispiel Schule mehr Jahre brauchen, um andere Kontinente zu errei- macht. Denn der Kampf gegen diese tückische Krankheit chen, wie das früher beim Schiffsverkehr der Fall war. kann nur in enger internationaler Kooperation gewonnen Im Zeitalter des Flugzeugs trennen uns von den am werden. stärksten betroffenen Gebieten nur noch Stunden. (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) So erschreckend diese Befunde auch sind: Regel- rechte Angst vor SARS muss hierzulande natürlich nie- mand haben. Das Bundesministerium für Gesundheit Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms: und Soziale Sicherung und das Robert-Koch-Institut ha- Das Wort hat jetzt der Kollege Erich Fritz von der ben frühzeitig umfassende Maßnahmen ergriffen, um CDU/CSU-Fraktion. eine Ausbreitung von SARS zu verhindern. Mittels breit angelegter Aufklärungs- und Informationsmaßnahmen Erich G. Fritz (CDU/CSU): konnten Ansteckungsfälle in Deutschland bislang ver- hindert werden. Dazu trug auch die gute Zusammenar- Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Deutsch- beit mit den zuständigen Behörden der Länder und den land lebt wie kaum ein anderes Land von globaler Mobi- Gesundheitsämtern vor Ort bei. lität. Wir sind darauf angewiesen, dass Menschen aus Deutschland weltweit ihren Geschäften nachgehen und Die wichtigste Maßnahme ist freilich die Aufklärung dass umgekehrt Kunden zu uns kommen. Jetzt stellen einreisender Menschen aus Risikoregionen. Die Luft- wir fest: Auch Viren nutzen globale Mobilität. Vorsorge fahrtgesellschaften haben ihr Personal instruiert, Rei- ist also angesagt. Das berühmte Vorsorgeprinzip, das von sende auf Symptome zu befragen und Erkrankungsfälle der Bundesregierung an anderer Stelle sehr hoch gehal- an Bord bereits an den Zielflughafen zu melden. ten wird, muss sich hier bewähren. Daneben sind umfassende Hygienemaßnahmen und Frau Staatssekretärin, es ist so, dass bei der Einschät- damit die konsequente Eindämmung von Erkrankungs- zung der Gefährlichkeit dieser Seuche Prognosen nicht (B) herden zur Verhinderung der Weiterverbreitung von mehr helfen. Denn in Hongkong wurde deutlich, dass es (D) SARS notwendig. Krankenhäuser mit Isolierstationen in 20 Prozent der Erkrankungen zu Todesfällen kommt sind bestens auf den vom Robert-Koch-Institut empfohle- und dass mit zunehmendem Alter die Sterblichkeit nen Umgang mit SARS-Patienten vorbereitet. Mediziner, steigt. Dies zeigt, dass wir ein Problem haben. Gesundheitsämter und Bürger können über das Internet unkompliziert das umfangreiche Informationsangebot des Dieses Problem führt dazu, dass Menschen Angst ha- Instituts abrufen. Zusätzlich hat das Robert-Koch-Institut ben und verunsichert sind. Das zeigt sich zunächst ein- einen 24-Stunden-Rufbereitschaftsdienst für Anfragen aus mal darin, dass touristische Aktivitäten stark einge- dem öffentlichen Gesundheitsdienst geschaltet. Die Infor- schränkt werden, dass die Passagierzahlen bei den mationshotline, die für Bürger eingerichtet wurde, wird Fluggesellschaften zurückgehen und dass in den letzten häufig genutzt. Wochen zum Beispiel in China die Zahl der Messebesu- cher dramatisch eingebrochen ist und Geschäftsab- Eine wichtige Rolle – auch das ist schon angespro- schlüsse unterbleiben. Dass SARS in einem großen Um- chen worden – spielt die Forschung, die so schnell wie fang Auswirkungen auf das wirtschaftliche Leben hat, ist möglich Wege finden muss, dem Virus beizukommen. also nicht nur zu vermuten, sondern bereits zu spüren. Das deutsche Bernhard-Nocht-Institut hat sich dabei große Verdienste erworben. Jetzt kommt es darauf an, dass all diejenigen, die mit diesem Problem im Rahmen ihrer Tätigkeit umgehen (Beifall bei Abgeordneten der SPD) müssen, einen einfachen Weg erhalten, sich zu informie- Ihm war es erstmals gelungen, das Virus zu beschreiben. ren. Ich habe mir heute einmal die Internetinformationen SARS-Nachweissysteme sind inzwischen am Robert- der Bundesregierung angesehen. Das, was das Robert- Koch-Institut, an der Philipps-Universität Marburg und Koch-Institut in diesem Zusammenhang macht, ist wirk- der Johann-Wolfgang-Goethe-Universität Frankfurt am lich klasse. Aber auf der Internetseite der Bundesregie- Main etabliert worden. rung versteckt sich dieses Angebot unter kleinen Links. Ich meine schon, dass diejenigen Adressen, die als Erste Bisher wurden in Deutschland weniger als aufgesucht werden, zum Beispiel das Auswärtige Amt, 0,1 Prozent der weltweit registrierten Erkrankungsfälle sehr schnell und möglichst konkret informieren und wei- verzeichnet. Das entbindet uns aber nicht von der Ver- terführende Hinweise geben sollten. Ich kann mir vor- antwortung, den am stärksten von der Krankheit betrof- stellen, dass das sehr gute Angebot der WHO in Teilen fenen Ländern beizustehen. Auf eine Bitte des Bürger- übernommen wird. Es sollte sofort zugänglich und nicht meisters von Peking hat das Bundesministerium für erst über Links zu erreichen sein. Das würde sicher dazu wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung daher beitragen, dass das, was Sie vorhin gefordert haben, 3472 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 42. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 7. Mai 2003

Erich G. Fritz (A) nämlich eine ruhige, sachliche Auseinandersetzung und Diese Lage sollte dazu führen, dass die Chinesen ge- (C) frühzeitige Information, möglich wird. genüber ihrer eigenen Bevölkerung und der Weltöffent- lichkeit klarstellen, dass sie jederzeit und überall bereit (Wolfgang Zöller [CDU/CSU]: Guter Vor- sind, dazu beizutragen, dass die Informationen, die vor- schlag!) liegen, tatsächlich auch genutzt werden können. Ob SARS eine weltweite Gefahr ist, können wir alle (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) heute nicht beantworten. hat heute Mittag ge- meldet, die Chinesen seien jetzt der Meinung, dass sie in Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms: einer bestimmten Anzahl von Tagen – es ist von zehn bis 15 Tagen die Rede – das Problem im Griff hätten. Das Wort hat der Kollege Dr. Wolfgang Wodarg von der SPD-Fraktion. Gro Harlem Brundtland ist von meiner Vorrednerin zitiert worden; sie hat gesagt, das sei die erste Seuche Dr. Wolfgang Wodarg (SPD): des 21. Jahrhunderts. Diese Seuche ist schwerpunktmä- ßig in Ländern ausgebrochen, in denen das Gesundheits- Herr Präsident! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! system hoch entwickelt ist. Bei allen Schwierigkeiten, Es ist schon viel gesagt worden; es sind auch schon viele die es in der Entwicklung Chinas gibt, können wir sagen: Details angesprochen worden. Ich möchte deshalb versu- Das Gesundheitswesen ist ein Bereich, der wirklich chen, Schlussfolgerungen zu ziehen und Parallelen zu funktioniert. Stellen wir uns einmal vor, diese Seuche dem zu entwickeln, was wir zurzeit beobachten. würde nach Afrika oder in bestimmte Länder Lateiname- Die Kollegin Bender hat dargestellt, wie das in China rikas überspringen. Dann hätten wir etwas ganz anderes gelaufen ist, wie lange es gedauert hat, bis die chinesi- zu erwarten; dann wäre eine Begrenzung dieser Seuche sche Regierung eingestanden hat, dass etwas nicht in sehr viel schwieriger. Erst dann hätten wir es mit Aus- Ordnung ist. Was sie aufgezeigt hat, ist eine Gesetzmä- wirkungen zu tun, die wir uns jetzt noch gar nicht aus- ßigkeit. Bei der Bekämpfung von Seuchen ist es immer malen können. wieder zu erleben, dass Menschen sich schämen, wenn Die EU braucht keine neue Zuständigkeit. Das kann sie etwas in sich tragen, was sie brandmarkt und was die Bundesregierung, Frau Staatssekretärin, am besten dazu führen kann, dass andere Menschen den Kontakt dadurch beweisen, dass sie schnell und effektiv mit an- mit ihnen scheuen. Eine Seuche zu haben, infiziert zu deren Mitgliedstaaten zusammenarbeitet und gemein- sein, eine Gefahrenquelle für andere zu sein – das ist et- same Regelungen erarbeitet. Dass Sie dafür vom was, worüber man nicht gern spricht. Das können wir in 15. März bis zum 4. Mai gebraucht haben, ist kein Aus- vielen Bereichen sehen. Es gilt für Einzelpersonen, gilt (B) (D) weis von Kompetenz auf diesem Gebiet. Das hat zu für Gemeinschaften und gilt für ganze Staaten. lange gedauert und das hat dazu geführt, dass neue Be- In den vergangenen Jahren konnten wir genug Lehr- gehrlichkeiten in Brüssel geweckt wurden. Wir meinen: beispiele dafür erleben. Das Folgende sage ich ohne Eine solche Zuständigkeit Brüssels ist nicht nötig. Wenn Schuldzuweisung; ich sage es einfach analysierend: Es wieder so ein Fall auftritt, muss das also schneller gehen. hat zu lange gedauert, bis man in Großbritannien dazu stand, dass man mit der Rinderseuche ein Problem hat. Wenn wir uns die konkreten wirtschaftlichen Auswir- In der Schweiz ist das anders behandelt worden. Die kungen anschauen, die nun zu erwarten sind, dann stel- Schweizer haben jeden belohnt, der einen Verdacht ge- len wir fest, dass alle Prognosen der Wachstumsraten für meldet hat; die Schweizer haben damals gesagt: Jedes China deutliche Rückgänge aufweisen. Das gilt übrigens infizierte Rind, das wir finden, bedeutet mehr Sicherheit. auch für Hongkong, Singapur, die anderen betroffenen – Wir in Deutschland waren nicht immer der gleichen Länder und vermutlich für den gesamten Raum. Was Meinung. Die Briten standen lange Zeit auf dem Stand- heißt das nun konkret in Bezug auf die Auswirkungen, punkt: Macht bloß keine Panik; lasst uns das unter dem die für Europa und Deutschland zu erwarten sind? China Teppich halten. – Das ist bei der Seuchenbekämpfung hatte in den ersten drei Monaten eine Wachstumsrate die falsche Strategie. von annähernd 10 Prozent und muss die Zahl für die nächsten Monate auf etwas über 7 Prozent korrigieren. (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ Das sind schon dramatische Einbrüche. Mir liegt daran, DIE GRÜNEN) auch in Richtung aller derjenigen, die sich mit China be- schäftigen, zu sagen: Man sollte dies zum Anlass neh- Genauso hat sich jetzt China verhalten. Das gilt auch, men, diesem Land, das eine unglaubliche wirtschaftliche wenn es sich nur um Salmonellen handelt, über die wir Dynamik entfaltet hat, klar zu machen, dass man nicht in diesem Hause schon mehrfach diskutiert haben – es WTO-Mitglied sein und alle Vorteile der Globalisierung ging damals darum, dass eine Fabrik oder eine Landesre- und der Einbindung in den Welthandel nutzen kann und gierung Infektionsfälle unter den Teppich kehren wollte; gleichzeitig im Inneren bei Strukturen verharren kann, sie wollte diese nicht zugeben, weil sie wirtschaftliche die die Intransparenz gegenüber den eigenen Bürgern Nachteile befürchtete –, oder anderes. Es sind immer und der internationalen Öffentlichkeit zur Maxime erhe- wieder dieselben Mechanismen. Frau Staatssekretärin, ben. ich glaube, das ist einer der Gründe, weshalb wir darüber nachdenken müssen, wo die Verantwortlichkeit in der (Beifall bei der CDU/CSU und dem BÜND- Seuchenbekämpfung – das Belohnen, möglicherweise NIS 90/DIE GRÜNEN) aber auch das Bestrafen – am besten aufgehoben ist. Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 42. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 7. Mai 2003 3473

Dr. Wolfgang Wodarg (A) Ich denke, dass die Zuständigkeit auf internationaler Infektionsbekämpfung eine noch größere Rolle als bei (C) Ebene liegen muss. Die internationale Ebene ist unpar- uns spielt, wichtig sind, müssen auch umgesetzt werden teilich und erstellt nach sachlichen Kriterien einen Be- können. Die Herstellung von Diagnostika und Impfstof- kämpfungsplan. Mit Unterstützung aller kann auf inter- fen darf nicht durch teure, für manche nicht erschwingli- nationaler Ebene dafür Sorge getragen werden, dass die che Patente blockiert werden. Ich hoffe, dass wir das alle Instrumente wirklich greifen. Der Apparat zur Bekämp- in Erinnerung behalten, wenn wir über Biopatente disku- fung von Seuchen muss vor Ort bleiben, weil hier die tieren. konkreten nationalen Maßnahmen organisiert werden. Ich danke Ihnen. Es ist wichtig, dass wir die WHO stärken. Das, was (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ die WHO hier geleistet hat, machen wir uns heute noch DIE GRÜNEN) gar nicht richtig klar. Diese Rolle hat sie früher bei der Aids- und BSE-Bekämpfung noch nicht gespielt. Sie hat bei der Bekämpfung von Krankheiten, die wir heute gar Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms: nicht eingeblendet haben – dazu gehören Tuberkulose in Das Wort hat der Kollege Klaus Brähmig von der vielen Staaten der Welt, in denen Hunger herrscht, aber CDU/CSU-Fraktion. auch Aids und Malaria in Afrika, an denen Millionen von Menschen jedes Jahr sterben –, an Bedeutung ge- wonnen. Sie zeigt uns und der Welt, dass eine internatio- Klaus Brähmig (CDU/CSU): nale Behörde schnell und wirklich zielgenau effizient ar- Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die beiten kann. Das sollten wir mit aller Kraft unterstützen. Tourismuswirtschaft ist gegenwärtig einer der Wirt- schaftszweige, der besonders von den Auswirkungen Ich denke, dass wir auch noch andere Dinge beachten von SARS betroffen ist. müssen und weitere Lehren ziehen können: Die neuen Infektionskrankheiten kommen nicht aus den Genlabors Neben China und anderen Zielländern in Asien zeigen aufgrund von Bioterrorismus, sondern sie entstehen da- sich die Auswirkungen auch beim Incoming-Tourismus durch, dass Dinge technisch zusammengebracht werden, nach Deutschland. Nachdem die Bundesrepublik im ver- die früher nicht zusammen waren. So fügt man beispiels- gangenen Jahr exklusiv das so genannte ADS-Abkom- weise Menschen und Tiere durch die Xeno-Transplanta- men für erleichterte Individualreisen chinesischer Staats- tion zusammen. Dieses ist eine sehr gefährliche Techno- bürger unterzeichnet hatte, war die anschließend logie. Das hat der Europarat 1999 erkannt und gefordert, einsetzende Reisefreudigkeit chinesischer Touristen ein diese Experimente, also das Einpflanzen von Tierorga- Hoffnungsträger für den Tourismusstandort Deutsch- (B) nen in Menschen, zu unterlassen, weil sie zu gefährlich land. Dieses chancenreiche Geschäft ist damit schon in (D) sind. Die Folgen solcher Experimente können wir nicht seiner Anfangsphase vorerst zum Erliegen gekommen. kontrollieren. Ein Mensch, der auf diesem Weg infiziert Zusätzlich hat der Outgoing-Tourismus von Deutsch- würde, wäre ein hohes Risiko für seine Umwelt. Das ist land nach Asien und insbesondere China rapide abge- nicht vertretbar. Daher gibt es immer noch ein Morato- nommen. Die Lufthansa, Reiseveranstalter und vor al- rium und die Xeno-Transplantation wurde aufgrund die- lem unsere vielen Tausend Reisebüros, denen nun die ser Bedenken hintangestellt. lukrativen Provisionen auf Fernreisen nach Asien und Aber auch die Forschung mit embryonalen Stammzel- Kanada fehlen, erleiden teilweise dramatische Einbußen. len, in die viele Menschen Hoffnung setzen, hat einen Bei den Auswirkungen des akuten Atemwegsyndroms solchen Pferdefuß. Embryonale Stammzellen werden gilt also das alte Sprichwort: kleine Ursache, große Wir- immer noch auf Mäusenährböden gezüchtet. Das heißt, kung. Mäusezellen kommen in direkte Verbindung mit Weltweit sind bezüglich dieser gefährlichen Lungen- menschlichen embryonalen Zellen, sie wachsen zu ei- krankheit zurzeit in 31 Ländern mehr als 6 730 Erkran- nem System zusammen. Dass bei den Tieren, aus denen kungen und 480 Todesfälle bekannt. Dabei sind alle be- der Nährboden hergestellt wird, Erreger versteckt sind, troffenen Länder ausgerechnet attraktive Reiseziele mit ist nicht auszuschließen. Sie würden durch Therapien auf großen Wachstumspotenzialen. den Menschen übertragen und dort virutent werden kön- nen. Dieses große Risiko muss auf jeden Fall erkannt Panikmache ist allerdings die falsche Antwort auf und berücksichtigt werden. In diesem Bereich besteht SARS. Aids, Malaria und Tollwut sorgen jeweils jährlich eine große Gefahr und es gibt noch viel zu tun, bevor für deutlich mehr Tote weltweit als bisher das akute man den Menschen wirklich mit Recht Hoffnungen auf Atemwegsyndrom. Allein der Malaria fallen jährlich solche Therapiemöglichkeiten machen kann. global 1 Million Menschen zum Opfer. Sogar die jährli- chen Grippewellen in Deutschland sorgen für mehrere Ich freue mich, dass meine Kollegin die Patentfrage Tausend Todesfälle. bereits angesprochen hat. Wir werden die Biopatent- richtlinie umsetzen müssen. Dabei müssen wir darauf Mit diesen Zahlen möchte ich diese Seuche und die achten, dass Menschen, die gerettet werden könnten, Gefahren durch SARS nicht bagatellisieren, aber der jet- nicht deshalb ums Leben kommen, weil Forschungen zige Medienrummel, den diese Erkrankung momentan blockiert werden und starre Patente bestehen. Erkennt- hervorruft, ist ihrer Bedeutung nicht angemessen. Vor- nisse, die für alle, nicht nur für die reichen Industrienati- beugen ist besser als Heilen – so lautet das Gebot der onen, sondern gerade auch für die Länder, in denen die Stunde bei uns in Deutschland. 3474 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 42. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 7. Mai 2003

Klaus Brähmig (A) Es ist die Aufgabe der Politik, das Gesundheitsbe- Kollegin Irber ist auch anwesend –, wir werden uns mit (C) wusstsein der Reisenden zu steigern, die Aufklärung der diesem Thema auch in Zukunft im Ausschuss für Touris- Bevölkerung zu verbessern und die Wissenschaftler bei mus intensiv beschäftigen. der Entwicklung von Impfstoffen zur Vorbeugung und Vorsorge nach Kräften zu unterstützen. Vielen Dank. Den von SARS betroffenen Ländern kann man nur zu (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeord- einer offenen und transparenten Informationspolitik ra- neten der FDP) ten. Dieser Rat geht ausdrücklich an die Regierung in China. Die bisherige Verschleierungstaktik schadet Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms: China selber am meisten. Ich erinnere hier nur an die Als letztem Redner erteile ich nun dem Kollegen Auswirkungen des jüngsten Terroranschlags auf Djerba, Peter Dreßen von der SPD-Fraktion das Wort. in Tunesien. Die anfängliche Desinformationspolitik hat das Vertrauen in dieses grundsätzlich attraktive Urlaubs- ziel zeitweise kräftig erschüttert. Das spreche ich auch Peter Dreßen (SPD): und vor allem vor dem Hintergrund an, dass Peking im Herr Präsident! Meine Damen und Herren! „Der Spie- Jahre 2008 die Olympischen Sommerspiele durchführen gel“ schreibt in einer Überschrift: möchte. Ist der weltweite Seuchenzug des SARS-Erregers Die weltweite Vernetzung der Wirtschaft, der interna- noch zu stoppen? tionale Tourismus und die hohe Mobilität, die uns die Distanz zwischen Kontinenten innerhalb von Stunden Das ist in der Tat die Frage. Ich bin froh, dass eigentlich überbrücken lässt, machen es notwendig, die Bevölke- alle Redner heute hier versucht haben, auf diesem Weg rung und die Reisenden gleichermaßen über die Gefah- ein Stück weiterzukommen, Ideen vorzuschlagen, wie renpotenziale weltweit verbreiteter Infektionen, Seuchen man dem Problem begegnen kann. Es gab eine Aus- und Epidemien zu informieren und das Niveau der Ge- nahme, auf die ich noch zu sprechen komme. sundheitsvorsorge anzupassen. Das gelingt allerdings Ich bin der Meinung, dass wir noch viel tun müssen. nur, wenn die große Bedeutung des internationalen Tou- Wir müssen zum Beispiel das System der Beziehungen rismus auch tatsächlich erkannt wird. bei den Viren ausfindig machen. Wir müssen herausfin- Sicherheit wird zum strategischen Standortfaktor der den, welche Tiere deren Träger sind, welche Bedingun- Wirtschaft und vor allem der Tourismuswirtschaft im gen Voraussetzung für die Verbreitung sind und welche 21. Jahrhundert. Meines Erachtens werden nur die Län- Artengrenzen SARS überwinden kann. Wir brauchen (B) der langfristig attraktive Tourismusstandorte sein, die aber auch – das wurde schon gesagt; dem stimme ich (D) erstens den Terrorismus nachhaltig bekämpfen, zweitens voll zu – eine enge Zusammenarbeit aller Wissenschaft- eine umfassende Gesundheitsvorsorge betreiben und ler der Welt, also von Virologen, Chemikern usw., damit drittens Umweltbelastungen so weit wie möglich ver- ein Austausch aller Erkenntnisse stattfinden kann. Das meiden. Nur so wird man das Vertrauen der Reisenden ist in dieser Frage wirklich dringend notwendig. Wenn weltweit als potenzielles Gastland gewinnen. jemand meint, er müsse etwas im stillen Kämmerlein tun und könne Erkenntnisse zurückhalten, dann ist das (Beifall bei der CDU/CSU) falsch. Die Ausbreitung von SARS verdeutlicht erneut: Die Ich möchte mit Erlaubnis des Präsidenten noch ein- Welt wird immer mehr zum globalen Dorf und wir sitzen mal aus dem „Spiegel“ zitieren. Dort ist zu lesen: alle in einem Boot. Wenn wir aus dieser aktuellen Lun- genseuche etwas lernen können, dann das: Es besteht die Die Fortschritte wurden möglich durch rasches und dringende Notwendigkeit, dass die Weltgesundheitsor- gemeinsames Handeln... ganisation und verschiedene Forscherteams weltweit In- Und weiter: formationen austauschen und gemeinsam an der Früh- erkennung und Bekämpfung solcher Krankheiten „Das Wissen der Welt wurde zusammengetragen“, arbeiten. Im globalen Dorf muss global gehandelt wer- schwärmt der Frankfurter Virologe Rabenau. Ge- den. danken und Ergebnisse würden ausgetauscht wie sonst nur selten im rauen Forschungsbetrieb. Mein Fazit zum Stand der Auswirkungen von SARS lautet: Es gibt in unserem Land keinen Grund zur Panik. Genau das ist die richtige Herangehensweise. Die Bevölkerung muss durch eine transparente Informa- Wir müssen Infokampagnen machen – dazu zählt na- tionspolitik über die Gefahren und Chancen der globalen türlich auch diese Aktuelle Stunde – und müssen aufklä- Vernetzung aufgeklärt werden. Eine klare und offene In- ren. Artikel, wie sie im „Spiegel“ und in anderen Zeit- formationspolitik der Gastländer und Reiseveranstalter schriften erschienen sind, tragen dazu bei, um Menschen ist geboten, denn sonst drohen Vertrauensverluste, die aufzuklären, wie sie schneller zu Hilfe kommen. Ver- auch auf lange Sicht nicht auszugleichen sind. dachtsfälle müssen bis zur Klärung gut isoliert und gut Im Übrigen bin ich der festen Überzeugung, dass die behandelt werden. Es muss mit aller Dringlichkeit weiter heutige Debatte nicht die letzte Debatte zu diesem geforscht werden, um zu wirksamen Medikamenten oder Thema im Deutschen Bundestag sein wird. Liebe Kolle- Impfstoffen zu kommen. Weltweit zusammentragen – ginnen und Kollegen aus dem Tourismusausschuss – die das muss unser Motto sein. Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 42. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 7. Mai 2003 3475

Peter Dreßen (A) Frau Widmann-Mauz, Ihren Beitrag in dieser Debatte Arbeit ist und über den im Ministerium noch diskutiert (C) fand ich wirklich abstrus. Sie sprachen von einem Brief wird. Aber Ihr Brief war nichts sagend. Den brauchen des Staatssekretärs an Klaus Kirschner zur Personalsitu- Sie nicht zu zitieren. Ich frage mich, was das soll. ation. Sie haben hier einen Vortrag gehalten und deutlich ge- (Annette Widmann-Mauz [CDU/CSU]: Nein!) macht, das Thema sei für Sie unnötig und unwichtig. Sie – Doch, Sie haben erwähnt, dass Sie einen solchen Brief haben uns vorgeworfen, wir würden nicht genug unter- vorliegen haben. nehmen. Wenn aber übermorgen 20 oder 30 Fälle auftre- ten, dann wären Sie die Ersten, die eine Aktuelle Stunde (Annette Widmann-Mauz [CDU/CSU]: Ja, beantragen würden. Ich meine, auf dieser Basis sollten aber ich habe nicht gesagt, dass es in diesem wir dieses Thema nicht behandeln. Es ist ganz wichtig, Brief um die Personalsituation geht!) dass es in unserem Land viele Menschen gibt, die versu- chen, dieses Problem in den Griff zu bekommen, und – Sie haben einen Brief von Staatssekretär Tiemann an dass die WHO sehr aktiv ist. Die WHO ist im Übrigen Klaus Kirschner erwähnt. Es wäre schön, wenn Sie uns stolz auf das, was in Deutschland geleistet wird. Deswe- diesen Brief geben könnten; denn wir wissen, dass er gen sollten wir so auch weitermachen. noch nicht abgeschickt ist (Annette Widmann-Mauz [CDU/CSU]: Wieso Herzlichen Dank. habe ich ihn dann mit Faxabschnitt vom Aus- (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ schuss für Gesundheit?) DIE GRÜNEN) und dass an ihm noch gearbeitet wird. (Annette Widmann-Mauz [CDU/CSU]: Vom Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms: Ausschuss für Gesundheit mit Datum vom Die Aktuelle Stunde ist beendet. 30. April!) Wir sind damit am Schluss der heutigen Tagesord- – Der Brief, den Sie in diesem Zusammenhang genannt nung. haben, ist noch in Arbeit. Ich berufe die nächste Sitzung des Deutschen Bundes- (Annette Widmann-Mauz [CDU/CSU]: Nein, tages auf morgen, Donnerstag, den 8. Mai 2003, 9 Uhr, nein!) ein. – Dann zeigen Sie einmal her, was Sie meinen. Dann Die Sitzung ist geschlossen. (B) können wir dem nachgehen. Ich war der Meinung, Sie (D) hätten von einem Brief gesprochen, der im Moment in (Schluss: 16.48)

Berichtigung 40. Sitzung, Seite IV (C), dritter Tagesordnungspunkt 17: der zweite Absatz ist wie folgt zu lesen: „Horst Schmidbauer (Nürnberg) (SPD)“.

Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 42. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 7. Mai 2003 3477

(A) Anlagen zum Stenografischen Bericht (C) Anlage 1

Liste der entschuldigten Abgeordneten Wird die Bundesregierung bei den Verhandlungen zum „Richtlinienvorschlag zum Status langfristig aufhältiger Dritt- staatsangehöriger“ (RD 8237/01) darauf bestehen, dass die Entscheidung, wann ein Drittstaatsangehöriger „langfristig entschuldigt bis Abgeordnete(r) einschließlich aufenthaltsberechtigt“ ist, nicht allein von seiner Aufenthalts- dauer abhängt, sondern dieses ausdrücklich auch von einem Integrationsbeitrag (insbesondere Erlernen der Sprache) ab- Adam, Ulrich CDU/CSU 07.05.2003* hängig gemacht wird, und wird die Bundesregierung ihre Zu- stimmung zur Richtlinie insgesamt verweigern, wenn sie sich Bury, Hans Martin SPD 07.05.2003 insoweit nicht durchsetzt? Eichhorn, Maria CDU/CSU 07.05.2003 Zu Frage 14: Haack (Extertal), Karl SPD 07.05.2003* Nach dem gegenwärtigen Verhandlungsstand ist über Hermann den Kommissionsvorschlag der fünfjährigen Aufent- haltsdauer als Voraussetzung für die Erteilung des EG- Hartnagel, Anke SPD 07.05.2003 Daueraufenthaltstitels noch keine Einigung erzielt wor- Hoffmann (Chemnitz), SPD 07.05.2003 den. Es liegt ein Kompromissvorschlag der griechischen Jelena Präsidentschaft vor, eine Aufenthaltszeit von sechs Jah- ren vorzusehen. Die Bundesregierung ist der Auffas- Kelber, Ulrich SPD 07.05.2003* sung, dass eine Aufenthaltsdauer von fünf Jahren grund- Dr. Köhler, Heinz SPD 07.05.2003 sätzlich ausreicht. Diese Dauer entspricht im geltenden Recht der Frist für die Erlangung einer unbefristeten Krüger-Leißner, SPD 07.05.2003 Aufenthaltserlaubnis. Im Übrigen wird die Bundesregie- Angelika rung ihre Haltung zu dem Kompromissvorschlag der Präsidentschaft vom Fortgang der weiteren Verhandlun- * Letzgus, Peter CDU/CSU 07.05.2003 gen abhängig machen. Möllemann, Jürgen W. fraktionslos 07.05.2003 Zu Frage 15: Reiche, Katherina CDU/CSU 07.05.2003 Der ursprüngliche Richtlinienvorschlag ist im Hin- (B) Dr. Thalheim, Gerald SPD 07.05.2003 blick auf die Integrationsvoraussetzungen bereits einver- (D) nehmlich geändert worden. Die Mitgliedstaaten können Trittin, Jürgen BÜNDNIS 90/ 07.05.2003 nach dem neuen Textvorschlag für die Richtlinie vom DIE GRÜNEN Drittstaatsangehörigen verlangen, dass er die nach dem Wegener, Hedi SPD 07.05.2003* nationalen Recht bestehenden Integrationsvoraussetzun- gen erfüllt. Diese Änderung des Richtlinienvorschlags Welt, Jochen SPD 07.05.2003 geht auf eine entsprechende Initiative der Bundesregie- Wittig, Barbara SPD 07.05.2003 rung zurück. Wohlleben, Verena SPD 07.05.2003 Anlage 3 Antwort * für die Teilnahme an Sitzungen der Parlamentarischen Versamm- der Parl. Staatssekretärin Dr. Barbara Hendricks auf die lung des Europarates Fragen des Abgeordneten Klaus Hofbauer (CDU/CSU) (Drucksache 15/901, Fragen 21 und 22) Welche Maßnahmen erwägt die Bundesregierung, um die Anlage 2 Eigenkapitalbildung von kleinen und mittelständischen Unter- nehmen zu unterstützen, sodass sich deren Möglichkeiten zur Antwort Aufnahme von Fremdkapital verbessern? Welche langfristige Fortentwicklung des Steuerrechts be- des Parl. Staatssekretärs Fritz Rudolf Körper auf die Fra- absichtigt die Bundesregierung, um die Eigenkapitalausstat- gen des Abgeordneten Reinhard Grindel (CDU/CSU) tung von kleinen und mittelständischen Unternehmen zu ver- (Drucksache 15/901, Fragen 14 und 15): bessern? Wird die Bundesregierung bei den Verhandlungen zum „Richtlinienvorschlag zum Status langfristig aufhältiger Dritt- Zu Frage 21: staatsangehörigkeit“ (RD 8237/01) darauf bestehen, dass fünf Die Bundesregierung begleitet die gegenwärtige Ent- Jahre Aufenthalt als Voraussetzung für den Status als langfris- tig aufenthaltsberechtigter Drittstaatsangehöriger zu kurz be- wicklung in der Außenfinanzierung des Mittelstandes messen sind, vielmehr eine Orientierung an der in Deutsch- mit Sorgfalt. land momentan geltenden Rechtslage zu erfolgen hat, und wird die Bundesregierung ihre Zustimmung zur Richtlinie ins- Kleine und mittlere Unternehmen sind nach wie vor in gesamt verweigern, wenn sie sich insoweit nicht durchsetzt? hohem Maße auf eine funktionierende Kreditversorgung 3478 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 42. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 7. Mai 2003

(A) angewiesen und immer mehr auch auf Beteiligungskapi- Wie bewertet die Bundesregierung das aktuelle Vorgehen (C) tal oder eigenkapitalähnliche Mittel. Dabei ist die Si- der Deutschen Post AG, die bundesweit damit begonnen hat, das Netz der Briefkästen massiv auszudünnen? cherstellung der Mittelstandsfinanzierung einschließlich der Verstärkung der Beteiligungsfinanzierung eine Auf- Mit welchen Maßnahmen will die Bundesregierung si- cherstellen, dass die flächendeckende Versorgung der Bürge- gabe, bei deren Lösung in erster Linie die Kreditwirt- rinnen und Bürger, insbesondere im Bereich von Altershei- schaft und die Unternehmen selbst gefragt sind. men, Senioren- und Wohnheimen etc., mit wohnortnahen Briefkästen auch künftig gewährleistet ist? Wenn diese Gruppen ihren Beitrag leisten, ist auch die Bundesregierung bereit, sich daran zu beteiligen. Wir Zu Frage 24: werden die Neuordnung der Programmlandschaft im Zuge der Zusammenführung der Kreditanstalt für Wie- Der Bund hat nach Artikel 87 f Grundgesetz flächen- deraufbau und der Deutschen Ausgleichsbank dazu nut- deckend eine angemessene und ausreichende Versor- zen, um die bestehenden Möglichkeiten bei der Vergabe gung mit Postdienstleistungen sicherzustellen. Nach den von eigenkapitalähnlichen Mitteln und haftungsfreige- Vorgaben der Post-Universaldienstleistungsverordnung stellten Krediten im Zusammenspiel mit den bewährten (PUDLV) müssen Briefkästen so ausreichend vorhanden sein, dass die Kunden in zusammenhängend bebauten Bürgschaftsinstrumenten ausschöpfen. Gebieten in der Regel nicht mehr als l 000 Meter zurück- Im Bereich der Beteiligungskapitalfinanzierung plant zulegen haben, um zu einem Briefkasten zu gelangen. die Kreditanstalt für Wiederaufbau, nach Erhalt einer Nach Kenntnis der für die Überwachung der Universal- beihilferechtlichen Genehmigung zwei Pilotvorhaben zu dienstvorgaben zuständigen Regulierungsbehörde für starten. Bei ihnen sollen mittelständische Unternehmen Telekommunikation und Post werden mit den bislang Beteiligungskapital erhalten können, die bisher nicht von der Deutschen Post AG bundesweit ca. 130 000 be- mehr in den Genuss der Beteiligungsförderung der mit- reitgestellten Briefkästen die entfernungsbezogenen Vor- telständischen Beteiligungsgesellschaften kamen bzw. gaben der PUDLV bei weitem übertroffen. Laut Aus- noch nicht für das Geschäft kommerzieller Kapitalbetei- kunft der Deutschen Post AG werden auch nach ligungsgesellschaften interessant waren. Von den Pilot- abgeschlossener Verringerung der Briefkastenanzahl die vorhaben wird erwartet, dass sie Wege aufzeigen, wie postrechtlichen Vorgaben erfüllt. Ein Briefkasten sei eine Stärkung der Eigenkapitalbasis für den breiten Mit- dann im Bundesdurchschnitt in der Regel in einem Ra- telstand unter marktwirtschaftlichen Bedingungen erfol- dius von 500 Metern, in Innenstadtbezirken in einem gen könnte. noch geringeren Abstand, für den Kunden zu erreichen. Solange die postrechtlichen Vorgaben eingehalten Zu Frage 22: werden, ist es dem Bund nicht möglich, die betriebswirt- (B) schaftlich begründete Maßnahme einer Optimierung des (D) Die Bundesregierung hat durch die in der letzten Le- Briefkastennetzes der Deutschen Post AG zu unterbin- gislaturperiode realisierte Unternehmenssteuerreform den. bereits deutliche Steuerentlastungen und strukturelle Verbesserungen insbesondere für mittelständische Un- Zu Frage 25: ternehmen erreicht, die geeignet sind, die Eigenkapital- ausstattung signifikant zu stärken. Mit dem Gesetz zur Die Bundesregierung wird auch weiterhin die flä- Fortentwicklung des Unternehmenssteuerrechts haben chendeckende Versorgung der Bevölkerung mit Brief- wir darüber hinaus gezielte mittelstandsorientierte Ak- kästen gewährleisten. Die Regulierungsbehörde für Tele- zente gesetzt, unter anderem durch die Einführung einer kommunikation und Post beobachtet sorgfältig die Reinvestitionsrücklage. Einhaltung der postrechtlichen Qualitätsvorgaben und würde bei konkreten Anhaltspunkten für eine Unterver- In den Jahren 2004 und 2005 werden weitere Reform- sorgung mit Briefkästen die ihr rechtlich möglichen stufen wirksam, durch die mittelständische Personenun- Maßnahmen einleiten, um den postalischen Gewährleis- ternehmen erneut steuerlich entlastet werden. Bei unver- tungsauftrag des Bundes sicherzustellen. Die Bundesre- ändertem Vorsteuergewinn erhöht sich somit der gierung begrüßt die Aussage der Deutschen Post AG, Nachsteuergewinn und damit die Möglichkeit, Eigenka- aus Gründen der sozialen Verantwortung an bestimmten pital zu bilden. Das Kleinunternehmerförderungsgesetz Standorten wie Altersheimen und Krankenhäusern in der wird für viele Kleinunternehmer und Existenzgründer Regel auch solche Briefkästen beizubehalten, die ihrer – bei weniger Bürokratie – zu einer steuerlichen Entlas- Auslastung nach nicht rentabel und nach den Qualitäts- tung führen und damit den Aufbau von Eigenkapital be- vorgaben nicht zwingend erforderlich wären. günstigen. Anlage 5 Anlage 4 Antwort Antwort der Parl. Staatssekretärin Marion Caspers-Merk auf die Fragen des Abgeordneten Matthäus Strebl (CDU/CSU) des Parl. Staatssekretärs Gerd Andres auf die Fragen der (Drucksache 15/901, Fragen 31 und 32): Abgeordneten Renate Blank (CDU/CSU) (Druck- Plant die Bundesregierung angesichts der Tatsache, dass sache 15/901, Fragen 24 und 25): jedes Jahr laut „pro Patient e.V.“ Medikamente im Wert von Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 42. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 7. Mai 2003 3479

(A) über 2 Milliarden Euro auf den Müll geworfen werden, bei Es liegen der Bundesregierung keine Unterlagen da- (C) den Pharmaunternehmen darauf hinzuwirken, dass Probier- rüber vor, welchen Anteil diese Arzneimittel innerhalb packungen eingeführt werden? der von den Krankenkassen erstatteten Arzneimittel ein- Entspricht es der Wahrheit, dass 40 Prozent der bei uns nehmen. von den Krankenkassen erstatteten Medikamente gar nicht ge- testet sind bzw. ihre Wirkung unklar ist, wie „pro Patient e.V.“ behauptet? Anlage 6 Zu Frage 31: Antwort Der Bundesregierung ist nicht bekannt, auf welche Erhebungen sich die Mitteilung des „pro Patient e.V.“ der Parl. Staatssekretärin Marion Caspers-Merk auf die stützt, dass Medikamente im Wert von über 2 Milliarden Fragen des Abgeordneten Dietrich Austermann (CDU/ Euro auf den Müll geworfen werden. CSU) (Drucksache 15/901, Fragen 33 und 34): Probierpackungen wurden und werden von den phar- Welche Konsequenzen zieht die Bundesregierung aus den mazeutischen Unternehmen vertrieben; sie entsprechen Ergebnissen der vom Bundesministerium für Gesundheit und der Größe N1. Sie erfüllen beispielsweise den Zweck, die Soziale Sicherung in Auftrag gegebenen Akzeptanzstudie Verträglichkeit des Arzneimittels beim Patienten zu tes- „Überprüfung von Schülerinnen im Alter von 10 bis 19 Jahren ten oder akute Krankheitszustände zu behandeln, die er- bezüglich Musikschallpegelbegrenzungen“? fahrungsgemäß von kurzer Dauer sind. Ärzte verordnen Beabsichtigt die Bundesregierung, verbindliche Grenz- sie etwa zur einleitenden Behandlung einer Infektion, werte für die zulässige Lautstärke in Diskotheken festzuset- während die Resistenzbestimmung der beteiligten Erre- zen? ger noch läuft oder wenn bei einem magenempfindlichen Patienten die Verträglichkeit überprüft werden muss. Um Zu Frage 33: die Verwendung kleiner Abpackungen zu fördern bedarf es nicht nur der Bereithaltung dieser Packungsgrößen durch Musikschall in Diskotheken, Clubs und bei Konzert- den pharmazeutischen Unternehmer, sondern auch einer veranstaltungen stellt eine Form des Freizeitlärms dar, der Therapie angepassten Verordnungsweise der Ärzte. die das Potenzial für bleibende Hörverluste bei den zu- meist jugendlichen Besuchern derartiger Orte in sich Einer bedarfsgerechten Bereitstellung von Arzneimit- trägt. Hauptziel der empirischen Studie „Akzeptanzüber- telpackungen und so auch von Probierpackungen dient prüfung von Schülerinnen im Alter von 10 bis 19 Jahren die Regelung in § 28 Abs. 2 Nr. 4 AMG, die vorsieht, bezüglich Musikschallpegelbegrenzungen“ war die Klä- „dass die Zulassungsbehörde anordnen kann, dass das rung der Frage, in welchem Maße Musikschallpegel- Arzneimittel in Packungsgrößen in den Verkehr gebracht (B) begrenzungen in Diskotheken und bei Konzerten von Ju- (D) wird, die den Anwendungsgebieten und der vorgesehe- gendlichen im Alter zwischen 10 und 19 Jahren nen Dauer der Anwendung angemessen sind“. Die An- akzeptiert werden und inwieweit Projekte, die eine Wis- wendung dieser Auflagenbefugnis ist in der Regel nicht sensvermittlung zum Thema: „Hörschäden durch Musik- erforderlich, da entsprechende Anforderungen bereits im lärm“ beinhalten, bei den Jugendlichen eine Bewusst- laufenden Zulassungsverfahren berücksichtigt werden. seinsänderung hervorrufen. Im Rahmen der Verlängerungsverfahren von Zulassun- gen nach § 31 AMG war in den letzten fünf Jahren bei Im Ergebnis zeigte sich, dass der Wissensstand bei ca. 50 von ca. 9 700 positiv abgeschlossenen Verlänge- den Schülern zum Thema Musik und Hörschäden unge- rungen eine Packungsgrößenänderung vorgenommen nügend ist. Weniger als 10 Prozent der Beteiligten gaben worden. Im Rahmen von Änderungsanzeigen nach § 29 an, umfassend informiert zu sein. 37 Prozent der Jugend- Abs. 2 a Satz 1 Nr. 5 AMG war keine Anordnung von lichen gaben vor dem Projekt an, sie würden beim Vor- therapiegerechten Packungsgrößen gemäß der Auflagen- handensein von Diskotheken mit begrenzter Lautstärke befugnis nach § 28 Abs. 2 Nr. 4 AMG notwendig. diese gegenüber anderen bevorzugen. Dieser Anteil er- höhte sich auf 50 Prozent nach erfolgter Wissensvermitt- Zu Frage 32: lung. Durch den Wissenszuwachs um mögliche Gefah- Es sind Arzneimittel in Verkehr, bei denen eine Über- renpotenziale hat der Meinungstrend der Schüler einen prüfung durch die nach dem Arzneimittelgesetz zuständi- Richtungswandel erfahren: Während vor dem Projekt gen Bundesoberbehörden nach den Maßstäben des Arz- mehr Schüler gegen als für Pegelbegrenzungen stimm- neimittelgesetzes und der Prüfrichtlinie nach § 26 des ten, kehrte sich das Verhältnis nach dem Projekt zuguns- Arzneimittelgesetzes auf pharmazeutische Qualität, ten einer Akzeptanz von Pegelbegrenzungen um. Wirksamkeit und Unbedenklichkeit gesetzlich nicht vor- gesehen oder noch nicht abgeschlossen ist oder die nicht Aufgrund der Projektergebnisse wurde im Rahmen im Rahmen der behördlichen Zulassung angewendet der Zuständigkeit des Bundesministeriums für Gesund- werden. Hierbei handelt es sich insbesondere um: Nach- heit und Soziale Sicherung für Aufklärung zum einen ein zulassungsarzneimittel, die aus Gründen des Bestands- neues Projekt zur Evaluation von Aufklärungsmaßnah- schutzes auf der Grundlage einer fiktiven Zulassung in men im Bereich Freizeitlärm ausgeschrieben. Die Frist Verkehr sind, Rezepturarzneimittel, die in Apotheken auf zur Einsendung von Projektanträgen endet am 19. Mai ärztliche Verordnung hergestellt werden, und Arzneimit- 2003. Ziel des Projektes ist es unter anderem, genauer zu tel, die nicht in den behördlich zugelassenen und in ihrer ermitteln, wie die Wirksamkeit solcher Aufklärungs- Wirksamkeit belegten Anwendungsbereichen eingesetzt kampagnen festgestellt werden kann. Dadurch können werden (off-label-use). Maßnahmen gezielter konzipiert und eingesetzt werden. 3480 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 42. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 7. Mai 2003

(A) Parallel dazu werden bei der Bundeszentrale für ge- tergewinnung und -schulung sowie Durchführung des Beitrags- (C) sundheitliche Aufklärung Materialien vorgehalten und einzuges) hinsichtlich der Entscheidung, den Beitragseinzug für alle geringfügig Beschäftigten zentral über die Minijob- entwickelt, die der Aufklärung von Kindern, Jugendli- Zentrale (Bundesknappschaft) abwickeln zu lassen, dar? chen und deren Eltern im Bereich Lärm dienen. Die Un- Wie wirkt sich die Zentralisierung und Verlagerung auf die terrichtsmaterialien richten sich an 6- bis 16-Jährige, Arbeitsplatzsituation in den bisher dafür zuständigen Kran- während die Elternmaterialien sich auch an Eltern von kenkassen aus? jüngeren Kindern (bis zum Alter von 10 Jahre) richten. Bislang wurden von den Unterrichtsmaterialien etwa Zu Frage 35: 100 000 Stück an die Schulen bzw. interessierte Leh- rerinnen und Lehrer abgegeben, wobei das Interesse an Voraussichtlich werden folgende Kosten der Einrich- der Thematik gleichbleibend groß ist. Aktuell wird eine tung der Minijob-Zentrale im Jahre 2003 entstehen: CD-ROM entwickelt, die besonders 11- bis 12-jährige 1. Personalkosten 43,778 Millionen Euro; 2. Sachkosten Jugendliche ansprechen und für die Problematik sensibi- 35,369 Millionen Euro; Gesamt 79,147 Millionen Euro. lisieren soll, da in diesem Alter potenziell problemati- Für die Minijob-Zentrale wurden die Büroräume nur sche Musikhörgewohnheiten aufgebaut werden. angemietet. Für die Bewirtschaftung, Mieten und Pach- ten und für die Unterhaltung der Grundstücke, Gebäude Zu Frage 34: und technische Anlagen werden in 2003 Kosten in Höhe Nach § 7 des neuen Jugendschutzgesetzes (JuSchG), von 7,923 Millionen Euro anfallen. das am 1. April 2003 in Kraft getreten ist, kann die zu- Hinsichtlich der Mitarbeitergewinnung werden Ausga- ständige Behörde (in der Regel das Jugend- oder das ben für Personalwerbung in Höhe von 866 000 Euro er- Ordnungsamt) anordnen, dass Veranstalter oder Gewer- wartet. Für die Schulung, Aus- und Fortbildung des Perso- betreibende Kindern und Jugendlichen die Anwesenheit nicht gestatten dürfen, wenn von einer öffentlichen Ver- nals sind Haushaltsmittel in Höhe von 1 306 000 Euro anstaltung oder einem Gewerbebetrieb eine Gefährdung vorgesehen. für das körperliche, geistige oder seelische Wohl von Kindern und Jugendlichen ausgeht. Zu Frage 36: Diese Anordnung kann neben Alters- und Zeitbe- Die Einrichtung einer zentralen Stelle für die Meldun- grenzungen (wie schon nach dem bis 31. März 2003 gen, Beitragsnachweise und Beitragsabführung für ge- geltenden Gesetz zum Schutze der Jugend in der Öf- ringfügig Beschäftigte geht auf das Drängen der deut- fentlichkeit – JuSchG) nun auch andere Auflagen ent- schen Wirtschaftsverbände zurück, die sich eine solche halten. Dadurch wurden mit dem Jugendschutzgesetz einheitliche Stelle für alle geringfügig Beschäftigten ge- wünscht haben. Diese Stelle erleichtert nicht nur die Be- (B) den zuständigen Behörden erweiterte Möglichkeiten ge- (D) geben; so können sie zum Beispiel bei öffentlichen Ver- arbeitung für alle Arbeitgeber, die nur geringfügig Be- anstaltungen oder Gewerbebetrieben im Einzelfall auch schäftigte haben, sondern trägt auch zur schnelleren Schallpegelbegrenzungen anordnen, wenn dadurch die Bearbeitung der Vorgänge geringfügig Beschäftigter im Gefährdung für Kinder oder Jugendliche ausgeschlos- Falle von Mehrfachbeschäftigungen bei. Dieser Zeitvor- sen oder wesentlich gemindert wird. teil ist bei der Entscheidung des Gesetzgebers für eine zentrale Stelle als wesentliche Vereinfachung für die Ar- Die Möglichkeit der Einführung darüber hinausge- beitgeber ausschlaggebend gewesen. Jede Verlagerung hender verbindlicher Grenzwerte für Jugendliche und von Aufgaben führt in dem einen oder anderen Fall auch junge Erwachsene über 18 Jahre bezüglich der zuläs- zu personellen Veränderungen bei den bisherigen Ein- sigen Lautstärke in Diskotheken auf Bundesebene ist zugsstellen. Genaue Zahlen sind bisher nicht bekannt, momentan aufgrund geltenden Rechts im Rahmen der konkurrierenden Gesetzgebung nicht gegeben. dürften aber nur in geringem Umfang auf die Aufgaben- verlagerung im Bereich der geringfügig Beschäftigten Die Thematik wurde im letzten Jahr von der LAUG zurückzuführen sein. (Länder-Arbeitsgemeinschaft Umweltbezogener Ge- sundheitsschutz) aufgegriffen. Es wurde innerhalb der Länder eine Abfrage zu Aufklärungsmaßnahmen und Anlage 8 rechtlichen Regelungen durchgeführt, deren Ergebnis in den nächsten Wochen vorliegen wird. Nach deren Aus- Antwort wertung durch die Länder wird gegebenenfalls zu prüfen des Parl. Staatssekretärs Achim Großmann auf die Fra- sein, ob eine gesetzgeberische Aktivität auf Bundes- gen des Abgeordneten Dr. Hermann Otto Solms (FDP) ebene erforderlich ist. (Drucksache 15/901, Fragen 37 und 38): Warum wird im Entwurf des Bundesverkehrswegeplanes 2003 die Erweiterung der Bundesautobahn A 5 vom Auto- Anlage 7 bahnkreuz Gambach bis zum geplanten Anschluss der A 49 bei Gemünden aufgrund des dort zu erwartenden Engpasses Antwort nicht zeitgleich mit der Erweiterung des Abschnittes Auto- bahnkreuz Bad Homburg bis Autobahnkreuz Gambach in den der Parl. Staatssekretärin Marion Caspers-Merk auf die Vordringlichen Bedarf aufgenommen? Fragen der Abgeordneten Barbara Lanzinger (CDU/ Wieso werden im Rahmen der geplanten „Abstufung der CSU) (Drucksache 15/901, Fragen 35 und 36): Bundesfernstraßen“ die bereits seit Jahren durchgeführten Wie stellen sich laut Bundesregierung die Kosten (insbe- Planungen und Verwaltungsverfahren nicht berücksichtigt sondere die Kosten für Gebäudeerwerb und -umbau, Mitarbei- und die Vorhaben vor einer solchen Abstufung nicht zu Ende Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 42. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 7. Mai 2003 3481

(A) geführt, und weshalb sind in diesem Zusammenhang die ur- desregierung zur Kleinen Anfrage der Fraktion Bünd- (C) sprünglich vorgesehenen Ortsumgehungen auf der Bundes- nis 90/Die Grünen – Bundestagsdrucksache 13/5380 – straße B 489 (Hungen) im Entwurf des Bundesverkehrswege- planes 2003 nicht mehr berücksichtigt, beziehungsweise die vom 1. August 1998 verwiesen. Ortsumgehung Reiskirchen an der B 49 nur noch im Weiteren Bedarf genannt? Mit Schreiben vom 12. Dezember 2000 wurde der Ausschuss für Verkehr, Bau- und Wohnungswesen des Zu Frage 37: Deutschen Bundestages von dem Urteil des Bundesver- fassungsgerichte vom 3. Juli 2000 dahingehend unter- Seit Anfang der 80er-Jahre – nach Fertigstellung des richtet, wonach der Bund Ländern keine Weisung zur sechsstreifigen Ausbaus im Abschnitt Gießen (Gambacher Abstufung von Bundesstraßen erteilen kann, sondern nur Kreuz) bis Frankfurt – erfolgt die rund 305 Millionen Euro im Konsens mit den Ländern eine Lösung herbeizufüh- teure grundhafte Erneuerung der Bundesautobahn (BAB) ren ist. Gleichzeitig wurde die Absicht des Bundesminis- A 5 im rund 73 km langen, vierstreifigen Abschnitt zwi- teriums für Verkehr, Bau- und Wohnungswesen schen dem Hattenbacher Dreieck (BAB A 5/BAB A 7) und (BMVBW) mitgeteilt, künftige Baumaßnahmen in den dem Gambacher Kreuz (BAB A 5/BAB A 45). Straßenbauplan erst dann aufzunehmen, wenn eventuelle Abstufungsfragen bei parallel laufenden Bundesstraßen Fertiggestellt wurde bis Mitte der 90er-Jahre bereits oder Ortsdurchfahrten bei neuen Ortsumgehungen mit der rund 29 km lange und 115 Millionen Euro teure Ab- dem künftigen Baulastträger geklärt sind. schnitt zwischen Hattenbacher Dreieck und Alsfeld. Von dem verbleibenden rund 44 km langen Abschnitt zwi- Der Rechnungsprüfungsausschuss hat in seiner 32. Sit- schen Alsfeld und Gambacher Kreuz sind bereits 13 km zung am 19. April 2002 das BMVBW einvernehmlich abgeschlossen. Zurzeit sind die Abschnitte Grünberg- aufgefordert, bei der anstehenden Fortschreibung des Be- Nord (4 km) und Pohlheim (8,6 km) in Bau, die gesamte darfsplans alle Bedarfsplanprojekte auf abzustufenden Strecke soll nach Erneuerung der beiden letzten Ab- Bundesstraßen zu streichen. In Umsetzung dieses Be- schnitte Fernwald (8,1 km) und Mücke (9,9 km) bis schlusses hat die Bundesregierung dem Deutschen Bun- 2006 vollendet sein. destag vorzuschlagen, im neuen Bedarfsplan für die Bundesfernstraßen alle Bedarfsplanprojekte auf abzustu- Vor dem Hintergrund der hier derzeit laufenden und fenden Bundesstraßen zu streichen und neu angemeldete bis Ende 2006 andauernden Arbeiten zum Ausbau in Maßnahmen auf autobahnparallelen Bundesstraßen nicht Form der Grunderneuerung mit Standstreifenanbau be- auszuweisen. absichtigt die Bundesregierung nicht, genau in diesem Abschnitt der BAB A 5 zwischen Gambacher Kreuz und Die Ortsumgehungen Hungen/lnheiden und Hungen/ Gemünden im Zeitraum bis 2015 auch noch sechsstreifig Utphe im Zuge der Bundesstraße B 489 gehören zur vor- (B) auszubauen, auch nicht in Verbindung mit dem Bau der genannten Kategorie der BAB-parallelen Bundesstraßen. (D) BAB A 49 zwischen Bischhausen und Gemünden. Im Unter Berücksichtigung einer erforderlichen Prioritä- Übrigen hat angesichts der bereits bestehenden erheb- tensetzung bis zum Jahr 2015 konnte das Projekt Bun- lichen Engpässe und Überlastungen der achtstreifige desstraße B 49 Ortsumgehung Reiskirchen nicht in den Ausbau der BAB A 5 zwischen dem Gambacher Kreuz Vordringlichen Bedarf des BVWP 2003 aufgenommen und dem Westkreuz Frankfurt gegenüber dem sechsstrei- werden. figen Ausbau der BAB A 5 zwischen Gambacher Kreuz und Gemünden eindeutig Priorität und ist deshalb Be- Daneben konnten neue Vorhaben im Rahmen des ver- standteil des Vordringlichen Bedarfs im Entwurf des bleibenden Volumens nur dann berücksichtigt werden, Bundesverkehrswegeplans 2003 (BVWP 2003). wenn ihre Realisierung zum einen dem Ausbau neuer bzw. der Komplettierung bereits in Ausbau befindlicher Zu Frage 38: für den Fernverkehr besonders relevanter Achsen (= netz- konzeptioneller Maßstab) dient bzw. zum anderen von Der Bundesrechnungshof (BRH) hat in seinen Bemer- hoher ökonomischer Relevanz ist oder besondere raum- kungen von 1986 zur Haushalts- und Wirtschaftsführung ordnerische Wirkung haben wird. Vorhaben mit höherem des Bundes das Bundesministerium für Verkehr aufgefor- Planungsstand hatten dabei Vorrang vor solchen Vorha- dert, bestimmte, parallel zur Bundesautobahn verlaufende ben, deren Planung gerade erst bzw. noch nicht aufge- Bundesstraßen in den alten Ländern gemäß § 3 Abs. 4 des nommen wurde. Das geschilderte Vorgehen wurde bun- Bundesfernstraßengesetzes in eine Straßenklasse nach desweit und länderübergreifend praktiziert. Landesrecht abzustufen, weil sie nicht mehr dem gesetz- lichen Kriterium für Bundesfernstraßen entsprechen. Im Mai 1987 wurden die alten Bundesländer vom Anlage 9 Bundesministerium für Verkehr (BMV) zur Abstufung Antwort von insgesamt rund 3 000 km autobahnparalleler Bun- desstraßen aufgefordert. des Parl. Staatssekretärs Achim Großmann auf die Frage des Abgeordneten Michael Kretschmer (CDU/CSU) Im Jahre 1995 wurden die Festlegungen des Jahres (Drucksache 15/901, Frage 39): 1987 anhand des aktuellen Bedarfsplanes überprüft, aktu- alisiert, komplettiert und die Länder mit Schreiben vom Welche konkreten Schritte unternimmt die Bundesregie- rung nach dem Gespräch des Bundesministers für Verkehr, 26. Juli 1995 zum Vollzug der Abstufungen aufgefordert. Bau- und Wohnungswesen, Dr. Manfred Stolpe, mit seinem In diesem Zusammenhang wird auf die Antwort der Bun- polnischen Amtskollegen, Infrastrukturminister Marek Pol, 3482 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 42. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 7. Mai 2003

(A) am 30. April 2003 in Görlitz, um – insbesondere im Hinblick Anlässlich bilateraler Gespräche am 30. April 2003 in (C) auf den bevorstehenden EU-Beitritt der Republik Polen – die Görlitz mit dem polnischen Infrastrukturminister Marek grenzüberschreitende Straßenverbindung der Bundesstraße B 178 mit der tschechischen Staatsstraße R 35 möglichst zeit- Pol, hat der Bundesminister für Verkehr, Bau- und Woh- nah zu erreichen? nungswesen, Dr. Manfred Stolpe, erneut die Notwendig- keit auf einer raschen Aufnahme der trilateralen Verhand- Auf der Grundlage der „Gemeinsamen Erklärung über lungen zu dem Abkommen betont. Der polnische die Straßenverbindung im Raum zwischen den Städten Infrastrukturminister stimmte der zügigen Aufnahme von Zittau (D), Bogatynia (PL) und Hradek nad Nisou (CZ) Vertragsverhandlungen zu und teilte mit, dass sich die pol- vom 9. April 2002“ soll ein trilaterales deutsch-pol- nische Seite noch im Mai 2003 zu dem deutschen Vertrags- nisch-tschechisches Abkommen über Bau, Erhaltung entwurf äußern werde. Erst nach Vorliegen des polni- und Finanzierung einer Straßenverbindung im Dreilän- schen Abkommensentwurf können weitere Maßnahmen dereck der Euroregion Neiße geschlossen werden. geplant werden.

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