„Formen des Krieges 1600-1815“ ist der Titel der 2019 neu eröffneten Räume des Bayerischen Armeemuseums im Neuen Schloss . Mit Stücken der Sammlung und einigen bedeutenden Leihgaben zeigen sie die Formen kriegerischer Gewalt in der Frühen Neuzeit. Schwerpunkte sind die Kämpfe auf freiem Feld in den 1815

großen Schlachten, die Belagerung und Verteidigung der Festungen und der so genannte Kleine Krieg, der im - Umkreis der großen Auseinandersetzungen Land und Leute schwer belastete.

Das Buch bietet eine Einführung in das Thema und informiert über die Neugestaltung der Museumsräume. Alle ausgestellten Stücke sind in Bild und Text dokumentiert, zum großen Teil werden sie hier erstmals publiziert. 1600 Formen Krieges

des des

Formen Krieges

ISBN 978-3-96049-067-8 ISBN 978-3-96049-067-8 1600-1815

9 783960 490678 Formen des Krieges 1600-1815

Formen des Krieges 1600-1815

Tobias Schönauer und Daniel Hohrath

mit einem Beitrag von Marian Füssel KatalogeKataloge desdes BayerischenBayerischen ArmeemuseumsArmeemuseums BandBand 1919

HerausgegebenHerausgegeben vonvon AnsgarAnsgar ReißReiß

DasDas Werk Werk ist ist in in allen allen seinen seinen Teilen Teilen urheberrechtlich urheberrechtlich geschützt. geschützt. JedeJede VerwertungVerwertung istist ohneohne Das Werk ist in allen seinen Teilen urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung ist ohne ZustimmungZustimmung des des Bayerischen Bayerischen Armeemuseums Armeemuseums unzulässig. unzulässig. Das Das gilt gilt insbesondere insbesondere Zustimmung des Bayerischen Armeemuseums unzulässig. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung in fürfür Vervielfältigungen, Vervielfältigungen, Übersetzungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen Mikroverfilmungen und und die die Einspeicherung Einspeicherung in in undund Verarbeitung Verarbeitung durch durch elektronische elektronische Systeme. Systeme. Die Umschlagabbildung basiert auf einem Foto aus der Ausstellung von Gert Schmidbauer. DieDie Umschlagabbildung UmschlagabbildungUmschlaggestaltung: basiert basiert auf auf einem einem malyma.Werbung Foto Foto aus aus der der Ausstellung Ausstellung Neumarkt von von Gert Gert Schmidbauer Schmidbauer Umschlaggestaltung:Umschlaggestaltung: malyma.Werbung malyma.Werbung Neumarkt Neumarkt

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7 Inhalt

8 Vorwort

11 Dank / Beirat

13 Impressum

Marian Füssel 15 Kriegstheater. Formen militärischer Gewalt in der Frühen Neuzeit

Daniel Hohrath und Tobias Schönauer 31 Eine Ausstellung entsteht – Überlegungen zur neuen Dauerausstellung

Katalog

51 Die Schlacht in der Frühen Neuzeit

52 1618-1648: 30 Jahre Krieg

100 1663-1792: „Türkenkriege“

130 1650-1792: Konkurrenz der Kronen

156 1792-1815: Revolution – Nation – Krieg

179 Belagerungen

221 Der „Kleine Krieg“

244 Literaturauswahl

248 Bildnachweis Vorwort

Thema dieses Katalogbandes ist das ge- Prof. Dr. Marian Füssel danke, beruht auf waltsame Kriegsgeschehen, wie es die der Rede, die er zur Eröffnung der Muse- Auseinandersetzungen der europäischen umsräume gehalten hat. Die von den Ku- Mächte im 17. und 18. Jahrhundert kenn- ratoren verfasste Einführung in die Aus- zeichnete. Es handelte sich um Kriege, die stellung spiegelt den Diskussions- und durchaus verschiedenartige Ursachen und Arbeitsstand an unserem Haus. Folgen hatten. Zwischen 1600 und 1815 Mit diesen Museumsräumen beginnt fand eine für die Zeitgenossen oftmals die als „Work in Progress“ konzipierte, kaum merkliche, aber doch grundlegende durchgehende Erneuerung der Ständigen Akzentverschiebung in den Machtstruk- Ausstellung des Bayerischen Armeemuse- turen Europas statt. Am Anfang standen ums. Es handelt sich dabei nicht nur um noch vor allem Personen, Familien und eine Neupräsentation dessen, was bis in bestimmte Korporationen oder Stände den Zweiten Weltkrieg im alten Armee- im Mittelpunkt, am Ende rückten immer museum in München und dann seit 1972 mehr Staaten und – zumindest im Fal- im Neuen Schloss in Ingolstadt zu sehen le Frankreichs – Nationen ins Zentrum. war. Die Neuaufstellung ist vielmehr ver- Bayerns Wandel vom Herzogtum zum bunden mit einer neuen Sichtung und konstitutionellen Königreich ist exemp- Erschließung der Objekte der Sammlung. larisch. Aber, und darauf kommt es hier Deshalb ist die begleitende Publikation an, die Mittel des Krieges blieben doch im sehr wichtig. Viele Dinge waren zwar Wesentlichen die gleichen. Die Konflik- schon in den vor 1914 erschienen Mu- te waren zwar vielleicht manchmal von seumsführern aufgelistet gewesen, und langer Hand vorbereitet, und sie bezogen noch eingehender sind manche Stücke in zum Teil große geographische Räume ein, den großen Ausstellungen „Kurfürst Max aber die eigentlichen gewaltsamen Ausei- Emanuel“ in Schloss Schleißheim 1976 nandersetzungen erfolgten doch gewisser- und „Wittelsbach und Bayern“ in der Re- maßen Aug‘ in Aug‘, und sie waren den sidenz und dem Museum für Völkerkun- vielfältigen Begrenzungen der vorindust- de in München 1980 vorgestellt worden. riellen Welt unterworfen. Darauf möchten Dennoch werden sehr viele Stücke jetzt die Museumsräume und der Katalog hin- erstmals publiziert. Damit setzt das Mu- führen. seum die Bemühungen fort, die auch die Der Katalog dokumentiert den Muse- vergangenen Ausstellungsprojekte und umsabschnitt „Formen des Krieges“, den Kataloge geprägt haben: Eben die Samm- wir 3. Juni 2019 im Neuen Schloss Ingol- lung zu erschließen und der Wissenschaft stadt eröffnen konnten. Das Konzept des ebenso wie der Öffentlichkeit zugänglich Buches ist einfach. Es fasst die Objekte zu machen. Deshalb wird auch dieser Ka- und Texte, die in der Ausstellung zu se- talog frei im Netz verfügbar sein. hen und zu lesen sind, in handlicher Form Für die Konzeption und Realisierung der zusammen, und es bietet fotografische Museumsräume und des Katalogs danke Einblicke in die Gestaltung der Räume. ich den Kuratoren Dr. Tobias Schönauer Die vorangestellte, eingehende Skizze des und Daniel Hohrath. Von Ihnen stammen historischen Zusammenhangs, für die ich auch die nicht im einzelnen gekennzeich- 9

neten Texte zu den Objekten. Das Konzept im Ganzen und in vielen Details durchlief z.T. intensive Diskussionen im Kollegium der Wissenschaftler des Hauses. In der Organisation der Ausstellung und in Satz und Redaktion des Katalogs hat sich Herr Schönauer mit Energie und Flexibilität besonders hervor getan. Ich danke allen Mitarbeitern des Museums für ihr Enga- gement und ihren Teamgeist beim Bau der Ausstellung, bei der Bereitstellung der Ob- jekte und in allen begleitenden Tätigkei- ten. Für ihre Dauerleihgaben, die sich z.T. seit langen Jahren bei uns im Haus befin- den, danke ich den Kollegen in den Part- ner-Museen im Freistaat ebenso wie dem Stadtmuseum Ingolstadt. Für vielseitige, eingehende und jederzeit konstruktive Besprechung unserer Pläne danke ich dem Wissenschaftlichen Beirat unter dem Vor- sitz von Prof. Dr. Günther Kronenbitter. Der Gestaltung der Ausstellung gelingt es, die Objekte angenehm und besucherorien- tiert zu präsentieren, und gleichzeitig die gotischen Räume in ihrer vollen Schönheit zur Geltung zu bringen. Für dieses Kunst- stück danke ich dem Ausstellungsbüro Janet Görner.

Dr. Ansgar Reiß Museumsdirektor

Ingolstadt, im Oktober 2019

11 Dank Beirat

Leihgeber Wissenschaftlicher Beirat Bayerisches Nationalmuseum zur Erneuerung der Ständigen Bayerische Staatsgemäldesammlungen Ausstellung Staatssammlung für Anthropologie und Paläoanatomie München Prof. Dr. Günther Kronenbitter, Augsburg Stadtmuseum Ingolstadt (Vorsitz) Prof. Dr. Stig Förster, Bern Prof. Dr. Marian Füssel, Göttingen Dank Dr. Markus Harzenetter, Wiesbaden Dr. Stefanie Berg, München Prof. Dr. Stephan Hoppe, München Dr. Alfred Geibig, Coburg Prof. Dr. Ferdinand Kramer, München Rebecca Güldenring, Bückeburg Prof. Dr. Bernhard Löffler, Regensburg Dr. Marcus Junkelmann, Oberempfenbach PD Dr. Wolfgang Meighörner, Innsbruck Christin Krischke, Bückeburg Prof. Dr. Kerstin Merkel, Eichstätt Kurbairisches Dragonerregiment Johann Prof. Dr. Jutta Nowosadtko, Hamburg Wolf e.V. Hofrat Dr. Christian Ortner, Wien Dr. George McGlynn, München Prof. Dr. Hermann Rumschöttel, München Dr. Gerd Riedel, Ingolstadt Holger Schuckelt, Dr. Mike Schweissing, München Dr. Eberhard Senckenberg, Ohlstadt Dr. Dieter Storz, Ingolstadt Dr. Frank Wernitz, Ingolstadt Bernd Windsheimer, Ortenburg

Repliken Leder Art & Design, Ulrike Brandstetter (Sattel) Wilhelm Knies (Holzskulpturen) Armin König (Pistolen)

Freie Restauratoren Peter Axer, München Eberhard Ludwig, München

13 Ausstellung Katalog

Veranstalter Kataloge des Bayerischen Bayerisches Armeemuseum Armeemuseums Bd. 19 herausgegeben von Ansgar Reiß Gesamtleitung Dr. Ansgar Reiß © 2019 Bayerisches Armeemuseum, Ingolstadt Idee und Grundkonzept und Autoren Dr. Ansgar Reiß, Dr. Tobias Schönauer, Daniel Hohrath M.A. Redaktion Dr. Tobias Schönauer Kuratoren Dr. Tobias Schönauer (Mittelalter bis 1650) Katalogtexte Daniel Hohrath M.A. (1650 bis 1815) Dr. Tobias Schönauer, Daniel Hohrath M.A.

Gestaltung Umschlaggestaltung Ausstellungsbüro Janet Görner, malyma.Werbung Neumarkt Luise Wagener, Berlin (Graphik) Satz Plakat Dr. Tobias Schönauer malyma.Werbung Neumarkt Fotos Werkstätten und Depots Erich Reisinger Tobias Baur, Matthias Gabler M.A., Gert Schmidbauer Roland Hopp, Kornelia Koch, Konstantin Tobias Schönauer (Bay. Armeemuseum) Miethig, Rudolf Pemsl, Anja Pilz, Franz Christian Stoye (Bay. Armeemuseum) Prummer, Hans-Peter Roth, Melita Luise Wagener, Berlin Schluttenhofer, Jakob Schwaiger, Christian Stoye, Heinz Weininger Druck und Verarbeitung Verlag PH. C. W. Schmidt, Neustadt/Aisch Haustechnik Konrad Mayer, Christina Thurn

Übersetzungen Karl Veltzé, Bad Cannstatt

Ausstellungsbau Biber GmbH & Co. KG, Ingolstadt Büchner Möbel GmbH, Reichnau Frank GmbH, Bad Kreuznach Pigmentpol Sachsen GmbH, Dresden

15

Marian Füssel Kriegstheater Formen militärischer Gewalt in der Frühen Neuzeit

Die Beschreibung des Krieges als Thea- und Capitulation und Ubergabe der Ves- ter oder als Zeremoniell kann sich leicht tungen, sonderlich aber bey Krieges Exer- dem Verdacht ideologischer Verharmlo- citiis und allerley andern Actionen.“2 sung ausgesetzt sehen. Geht es im Krieg Flemings Aufzählung enthält viele Prakti- doch ganz real um Leben und Tod, Angst ken, die auch heute noch ritualisiert sind, und Leid, Vernichtung und Zerstörung. er geht aber weit darüber hinaus und sieht In den europäischen Gesellschaften des selbst die Attacke als vom Zeremoniell dynastischen Fürstenstaates des 17. und geprägt. Als Theatrum belli, als Kriegs- 18. Jahrhunderts war Kriegsführung als theater bezeichnete man in der Frühen „Königskunst“ jedoch eine tragende Säu- Neuzeit zunächst den Kriegs-Schauplatz, le fürstlicher Machtrepräsentation.1 Die also den konkreten geographischen Raum Grenzen zwischen zivilem und militäri- des Kriegsgeschehens.3 Und als solcher schem Zeremoniell waren fließend. Im wird das Kriegstheater zum Namensge- frühen 18. Jahrhundert schreibt etwa der ber unzähliger Kartenwerke. Die Kom- kursächsische Jagd- und Militärschriftstel- munikationssituation von Zuschauer und ler Johann [Hans] Friedrich von Fleming Bühne bekommt im Bereich militärischer 1726 in seinem Handbuch vom „vollkom- Operationen jedoch noch eine weitere, we- menen teutschen Soldaten“: sentlich realere Dimension. Die Darstel- „Das Ceremoniel-Wesen ist zu unsern lung der eigentlichen Kampfhandlungen Zeiten auf das höchste gestiegen; auch in Form von Schlachten und Belagerun- der Krieg selbst hat einen sehr großen An- gen folgte seit dem 16. Jahrhundert häu- theil davon; Es äussert sich das Krieges fig einer Sprache der Inszenierung. Das Ceremoniel gar deutlich bey Werbungen, Schlachtfeld wurde zur Bühne, die Solda- Musterungen, Vorstellungen der Officie- ten zu „Acteuren“, eine Niederlage mit- rer; Ubergebung derer Fahnen bey Besat- unter zur Tragödie oder zum Trauerspiel zungen, Wachen, Marchen, in Quartieren, verklärt. Die Operationsfelder der zeitge- bey denen Honneurs gegen regierende nössischen Kriegsführung lassen sich grob Herrn, commandirende Generals, fremb- in die Schlacht, die Belagerung und den de Trouppen, eigen Officiers bey der Para- sogenannten kleinen Krieg unterteilen.4 In de, Besetzung der Posten, Formirung der allen drei Bereichen gab es eine spezifische Bataillen, Passagen, Gefangennehmung, Verbindung von Gewalt und Ästhetik, der Formirung der Cartelle, Auswechslung sich ganz wesentlich die Exponate der und Licentirung der Gefangenen, Abschi- neuen Dauerausstellung verdanken. ckung der Trompeter, Trommelschläger und Geisseln, Krieges Ankündigung, At- taquen und Bestürmung, Aufforderung 16 | Marian Füssel: Kriegstheater

Belagerung derts, ein neues, ungeahnt effektives Bela- gerungssystem zu entwickeln. Das schloss Für die Landkriegsführung ist die For- sowohl Angriff als auch Verteidigung ein. schung sich einig, dass eigentlich die Bela- Unter Ludwig dem XIV. baute Frankreich gerung die zentrale Kriegspraxis des 18. einen rund 50 Städte umfassenden Fes- Jahrhunderts darstellt. Schlachten sollten tungsgürtel vom englischen Kanal bis zur aus Sicht der Zeitgenossen die Ausnahme Schweizer Grenze aus. Seine grundlegen- bleiben. Belagerungen hatten innerhalb de, strategische Einschätzung des Fes- der Kriegsführung einen zentralen Stel- tungskrieges bringt Vauban 1678 wie folgt lenwert, obwohl einzelne zeitgenössische auf den Punkt: „Die Festungslinie ver- Strategen ihnen oftmals wenig entschei- schließt dem Gegner den Zugang zu unse- dende Bedeutung zumaßen. So urteilte rem Land und erleichtert uns den Zugang etwa Friedrich II. von Preußen: „Die Bela- zu seinem“.8 Das Wort Festung konnte gerungskunst ist zum Handwerk gewor- hier ebenso Festungsstädte wie befestigte den wie das Tischler- oder Uhrmacher- Städte meinen. handwerk. Bestimmte untrügliche Regeln Praktisch umgesetzt wurde diese Konzep- haben sich herausgebildet, nach denen al- tion unter anderem im Pfälzischen Erbfol- les stets denselben Gang geht. […] Das al- gekrieg von den französischen Festungen les ist genauer Berechnung unterworfen, am Oberrhein aus. Doch Vauban ging sodaß man, auch wenn man abwesend ist, nicht nur strategisch neue Wege, sondern ziemlich genau ausrechnen kann, an wel- vor allem in der konkreten Technik der Be- chem Tage etwa sich die Festung ergeben lagerung, die im Folgenden kurz exempla- wird.“5 Friedrich selbst war bei Belagerun- risch vorgestellt werden soll. Eine Belage- gen jedoch im Gegensatz zu seinen rung erforderte zunächst einmal einen Schlachten auch weniger erfolgreich. Ge- besonderen logistischen Aufwand. So soll- nau die beschriebene, berechenbare te idealerweise das Kräfteverhältnis von ‚Handwerkskunst‘ der Belagerung war es, Belagernden und Belagerten drei zu eins, die sie zu einer zentralen militärischen besser noch fünf zu eins oder zehn zu eins Operationsform des 18. Jahrhunderts wer- betragen. Wenn man eine mit 10.000 Mann den ließ. Zufälle sollten der herrschenden besetzte Festung angreifen wollte, hatte Militärtheorie zufolge möglichst vermie- man selbst mindestens 50.000 Mann auf- den werden, insofern fügt sich die tech- zubringen. Ein Hauptproblem der Vorbe- nisch-kalkulierbare Belagerung genau in reitung einer erfolgreichen und das heißt den herrschenden Denkrahmen ein. Be- kurzen Belagerung war jedoch Beschaf- reits 1677 kommentierte Roger Boyle, der fung und Transport der Belagerungsartil- Earl of Orrery (1621-1679): „Wir führen lerie, da zu deren Bewegung tausende Krieg mehr wie Füchse denn wie Löwen Fuhrwerke und Pferde von Nöten waren. und man hat zwanzig Belagerungen auf Kam ein feindliches Heer in den Umkreis eine Schlacht.“6 einer Festung, so begannen innerhalb die- Doch kommen wir zunächst zum eigentli- ser die Vorbereitungen für die Verteidi- chen Ablauf einer Belagerung, der im 18. gung, was einer Art Ausnahmezustand Jahrhundert in den meisten Fällen einem gleichkam. Als Vorhut der feindlichen Ar- ähnlichen Schema folgte, das nicht zu Un- mee fungierten leichte Truppen, denen recht mit dem Namen des französischen man von Seiten der Festungsarmee eben- Marschalls Sebastien le Prestre de Vauban falls leichte Truppen entgegensandte. So (1633-1707) verbunden wird.7 Vauban ge- kam es zu ersten Scharmützeln. Erreichte lang es im letzten Drittel des 17. Jahrhun- der Feind die Stadt, so schlug er sein Lager Marian Füssel: Kriegstheater | 17 außerhalb der Reichweite der Festungsge- Hinsichtlich des Bombardements ergab schütze auf und versuchte, die Stadt so gut sich dabei eine Problematik, die vergleich- wie möglich einzuschließen. Hierzu er- bar ist mit der Diskussion um den moder- richtete man sogenannte Circumvallati- nen Bombenkrieg aus der Luft. Folgte der onslinien, die, wenn Entsatz zu befürchten Beschuss der Batterien und der Militärbe- stand, wiederum durch sogenannte Cont- satzung unmittelbar militärischen Zwe- revallationslinien nach außen ergänzt cken, so richtete sich der Bombenbeschuss werden konnten. Die Belagerer versuch- direkt gegen die Zivilbevölkerung, um de- ten nun, Schwachpunkte der Verteidi- ren Durchhaltewillen zu schwächen. Ihre gungsanlagen ausfindig zu machen, und letzte Phase erreichte die Belagerung, begannen mit dem Bau von Batterien und wenn der äußerste Verteidigungsring, die Gräben, mit denen man sich soweit wie sogenannte „Contreescarpe“ erreicht wur- möglich an die Stadtbefestigung annähern de. Von hier war ein Unterminieren der konnte, sogenannten „Sappen“ oder „Ap- Stadtbefestigung möglich, und schweres prochen“. Vaubans Neuerung bestand da- Belagerungsgeschütz konnte in Stellung rin, zunächst eine lange Parallele in 500- gebracht werden. Durch dessen Feuer 800 Metern Entfernung zur Festung aus- bzw. die Explosion der unter die Mauern heben zu lassen, die als Operationsbasis und Wälle geführten Minen konnte diente. Von dieser Parallele aus wurden schließlich eine Bresche geschlagen wer- dann die Laufgräben in Zick-Zack-Form den, die einen Sturmangriff ermöglichte. angelegt, da sie so schlechter von der Stadt Die Minentechnik wurde beispielsweise aus beschossen werden konnten. bei der türkischen Belagerung von Wien Es folgte die Errichtung einer zweiten Par- im Jahre 1683 sehr erfolgreich eingesetzt. allele und im Zweifelsfall sogar einer drit- Dies führte dazu, dass man Gegenminen ten. Von Seiten der Festung reagierte man (sogenannte Kontre-Minen) einsetzte, die auf den Baubeginn mit Störfeuer. Erst jetzt in langen Gängen, welche aus den Befesti- begann die eigentlich heiße Phase der Be- gungsanlagen der Stadt hinausführten, lagerung. Während die Angreifer unter deponiert wurden, um im Angriffsfall ge- Feuer versuchten, immer näher mit ihren zündet zu werden. Gelang es den Belage- Gräben an die Stadt zu kommen, antwor- rern erfolgreich, eine Bresche zu schlagen, teten die Verteidiger mit Ausfällen und blieb im Grunde nur noch die Kapitulati- ständigem Beschuss. Die Angreifer schos- on. Auf deren Aushandlung wurde viel sen dabei jedoch nicht nur auf die Befesti- Mühe verwendet, und der Zeitpunkt der gungsanlagen, sondern zum Teil auch be- Kapitulation konnte für den feindlichen wusst in die Stadt hinein, was schnell zu Umgang mit der Stadt entscheidend wer- massiven Feuersbrünsten führen konnte. den. Je länger eine Belagerung dauerte, Bei der dabei verwendeten Belagerungsar- desto mehr erhöhte sich nicht nur der tillerie unterscheidet man drei Arten von Stress für die Belagerten, sondern auch für Geschützen: Kanonen, Mörser und Hau- die Belagernden, welche unter ständigem bitzen. Während die Kanonen aus langen Beschuss die Gräben anlegen mussten. Läufen Eisenkugeln verschossen, warfen Je nach Übergabemodus, es gab schließ- die extrem kurzläufigen Mörser ihre La- lich noch die Möglichkeit eines Hand- dungen in einem hohen Bogen in die Stadt. streichs, in dem eine Stadt durch militäri- Als Geschoss verwendete man Steine oder sches Geschick oder Verrat binnen kurzer sogenannte Bomben – hohle, mit Pulver Zeit eingenommen werden konnte, diffe- gefüllte Eisenkugeln. rierte auch die Behandlung der Zivilbevöl- kerung.9 Noch im 18. Jahrhundert fanden 18 | Marian Füssel: Kriegstheater angeordnete Plünderungen und Exzesse wohner des Umlands umgekehrt, Schutz seitens der Belagerer statt. In der Regel im Innern der Mauern zu finden. Insge- wurde aber in den Kapitulationsvereinba- samt war die Belagerung für die lokale Zi- rungen die Plünderung zunehmend aus- vilbevölkerung in jeder Hinsicht eine Be- geschlossen bzw. lediglich als Drohgebär- lastung, denn auch ihre Verteidiger de zur Erpressung von Schutzgeldern versorgten sich ja in der Regel aus den genutzt. Ein freies Plündern wollte man Ressourcen der Stadtbewohner, was nicht den Soldaten der stehenden Heere jedoch selten einer rechtlich sanktionierten Plün- nicht mehr zugestehen. Neben der Stadt- derung gleichkam. Manche Bürger profi- bevölkerung litt vor allem die ländliche tierten jedoch regelrecht von der Belage- Bevölkerung des Umlands schwer unter rung wie etwa Handwerker, die Repa- der Belagerung. Zu den Zerstörungsmaß- raturaufträge erhielten, oder Kaufleute, nahmen seitens der Verteidiger, wie dem die es schafften, angesichts der Ressour- Überfluten, waren es hauptsächlich die cenknappheit hohe Preise zu erzielen. Für Plünderungen durch das feindliche Foura- die ständisch strukturierten städtischen gewesen und der Zwang zu Schanzarbei- Gemeinwesen ergab sich somit schließlich ten in den Belagerungsgräben, welche die ein Auseinanderklaffen der sozialen Un- Landbewohner zu erdulden hatten. terschiede. Während die reichere Bevölke- Was bedeutete aber eine Belagerung für rung sich den gröbsten Zumutungen die betroffene Stadt? Nahte ein Krieg wur- durch Ausnahmen entziehen konnte, traf den die Bewohner der Städte und des Um- es die unterbürgerlichen Schichten, zumal lands zu Schanzarbeiten herangezogen, wenn sie in den Vorstädten jenseits der um die in Friedenszeiten weniger gepfleg- Mauern lebten, besonders hart. ten Fortifikationsanlagen in Stand zu set- Einen zeitlich enorm verdichteten Ausnah- zen. Wesentlich gravierender fiel dabei die mezustand stellte hingegen eine frühneu- fällige „Rasur“ des Schussfeldes der Fes- zeitliche Schlacht dar. tung aus. Ein bis zu einem Kilometer tiefer Cordon um die Stadt wurde von allen Schlacht Siedlungsformen, vom Gemüsegarten bis zur Gastwirtschaft, zu Lasten seiner Be- Bis heute haben Schlachten mehr Beach- wohner „befreit“. So wurden aus strategi- tung in der Forschung gefunden als Be- schen Gründen Brücken eingerissen oder lagerungen.10 Schlachten waren wesent- komplette Baumbestände fielen der Brenn- lich kürzer – ein Tag gegenüber den zum holzvorsorge zum Opfer. Auch die bela- Teil Wochen und Monaten währenden gerte Stadt selbst konnte buchstäblich zer- Belagerungen – und boten deutlich mehr legt werden. In zahlreichen belagerten Potential zur individuellen Profilierung. Städten wurden die Dächer abgedeckt Gestritten wird allerdings über den Ent- und die Straßenpflasterung aufgehoben. scheidungscharakter der Schlachten. Auf diese Weise sollten Flächenbrände Während die einen ein Zeitalter der Un- und Querschläge von Bomben und Ge- entschiedenheit beschreiben, sehen die schützkugeln verhindert werden. Das anderen die Schlacht in Analogie zum komplexe städtische Gemeinwesen wurde Rechtsverfahren als probates Entschei- der militärischen Logik unterworfen, und dungsmedium, das sogar noch Gräuel von der Belagerungszustand veränderte die der Zivilbevölkerung abgewendet habe.11 soziale Figuration einer Stadt. Während Doch was war eigentlich eine Schlacht? Es reiche Bürger aus der Stadt in sichere Ge- handelte sich dabei in der Frühen Neuzeit biete fliehen konnten, versuchten arme Be- um einen voraussetzungsvollen Ereignis- Marian Füssel: Kriegstheater | 19 typ. Um etwas Ordnung in die vielfältigen große Herausforderung dar. So wird bis Praktiken zu bringen, aus denen sich eine heute über die Abläufe mancher Schlacht Schlacht zusammensetzt, hat man Infante- gerätselt. rie-, Kavallerie- und Artillerieschlacht un- Vom 17. zum 18. Jahrhundert veränderten terschieden. Noch komplexer kann man sich die Formationen auf dem Schlacht- unterschiedliche Konfrontationsszenarien feld, wie man leicht einer Gegenüberstel- der drei Waffengattungen beschreiben, lung von Schlachtgemälden des Dreißig- also Infanterie vs. Kavallerie, Kavallerie jährigen und des Siebenjährigen Krieges vs. Artillerie etc.12 In den Darstellungen entnehmen kann. Die Linien wurden nun einer Schlacht hingegen können drei Er- immer länger. Der Aufmarsch erfolgte in zählmuster unterschieden werden: die Kolonnen, die sich dann auf dem Schlacht- Feldherrenperspektive, die das Stück wie feld in Linien umgruppierten. Eine der be- eine Schachpartie anhand von Zügen re- sonderen Herausforderungen lag darin, kapituliert, die Maulwurfsperspektive die Männer und Pferde zu versorgen und des einfachen Soldaten, der nur den Aus- korrekt zu positionieren. Die Aufstellung schnitt seines Gefechtsraumes wahrnimmt in langen Linien, daher der Begriff Linear- und eher auf Sinneswahrnehmung, Ge- taktik, erfolgte nach einer genau festgeleg- walt und Verletzung eingeht, sowie drit- ten „ordre de bataille“, die nach dem Anci- tens die anekdotische Verdichtung einer ennitätsprinzip strukturiert war, da rechts Schlacht zu bestimmten Schlüsselszenen. und links oder vorne und hinten als unter- So ist jede Schlacht in der Erinnerungskul- schiedlich prestigereich für Offiziere oder tur in bestimmten, meist entscheidenden Feldprediger galten und es wiederholt zu bzw. krisenhaften Momenten präsent. Rangstreitigkeiten deswegen kam. Hinter Die Schlacht stellte ein genau choreogra- der ersten Schlachtlinie folgte im Abstand phiertes, aber extrem kontingentes Er- von ca. 500 Metern eine zweite und nach eignis mit hohem Risiko für beide Seiten weiteren 200 Metern eine dritte Reserve- dar. Diese mussten sich einigermaßen formation; bei der Kavallerie ging man einig sein zu schlagen, sonst sprach man ähnlich vor. Als zentral wurde die Feu- gern von einem Treffen und maß Gewinn erkraft der in Pelotons, d.h. Gruppen in und Verlust damit eine andere Wertigkeit der Größe eines Achtels eines Bataillons, zu. Ihre Verabredung rückt die Schlacht aufgestellten Infanterielinien erachtet, wo- für manche Zeitgenossen wie heutige rauf sich daher die Aufmerksamkeit des Forscher in die Nähe eines juristischen Drills richtete und die auch den quanti- Entscheidungsverfahrens bzw. eines Du- tativen Aufwuchs der Heere wesentlich ells.13 Wiederholt ist explizit von einem motivierte.14 Im 18. Jahrhundert wurde rencontre die Rede. Im Unterschied zu besonders die Feuerkraft der preußischen Zweikampf und Duell konnten bei einer Armee gerühmt, doch muss realistischer Schlacht jedoch bis zu 120.000 Mann auf Weise davon ausgegangen werden, dass einem mehrere Quadratkilometer großen sie eher bei zwei als bei sechs Schuss pro Feld agieren. Dieses Massenereignis war Minute lag; an der Wirksamkeit hatte vor sowohl logistisch wie epistemologisch allem die materielle Qualität der Muske- eine gewaltige Herausforderung. Sich ten, Flintensteine und des Schießpulvers möglichst rasch in der geplanten Schlacht- einen wesentlichen Anteil.15 Schlachten ordnung aufzustellen, erforderte ein ho- wurden zu Massenspektakeln: In der hes Maß an Disziplin und Koordination; Schlacht am Weißen Berg 1620, der ersten den Überblick zu behalten und zu wissen, großen Schlacht des Dreißigjährigen Krie- was vor sich geht, stellte eine nicht minder ges, kämpften rund 50.000 Mann, in der 20 | Marian Füssel: Kriegstheater

Völkerschlacht von Leipzig 1813 während Schlacht waren räumliche, technische und der napoleonischen Kriege rund 500.000 kulturelle Faktoren. Im Idealfall fand die Mann. In einer der größten Schlachten der Schlacht in einer weiten Ebene statt, die Zeit auf bayerischem Boden standen sich ausreichend Möglichkeiten zum Manöv- 1704 bei Höchstädt rund 100.000 Mann ge- rieren bot. Bei einer Auflösung der Linien genüber. blieb so noch ausreichend Spielraum für Die ganze Aktion einer Schlacht muss- einen geordneten Rückzug. Immer dann, te im Idealfall dennoch überschau- und wenn räumliche Enge vorherrschte – ganz planbar bleiben. Beides war jedoch kaum gleich ob durch einen Berg, einen Fluss jemals der Fall. Schlachten waren quasi oder einen Sumpf –, kam es in der Regel ‚unsichtbar‘, da niemand sie ganz über- während des Kampfes zu einer massiven blicken konnte, und der kontingente Aus- Eskalation. Waren die Parteien dazu noch gang war das klassische Problem jeder in der Lage, ihre Artillerie besonders gut Militärtheorie. Die Militärtheoretiker des zu platzieren, kam ein weiteres Eskalati- 18. Jahrhunderts rieten daher im Zeichen onsmoment der Gewalt hinzu. Es konnte des Rationalismus durch die Bank, die jedoch kaum um eine vollständige phy- Schlacht lieber gänzlich zu vermeiden.16 sische Vernichtung des Gegners gehen. War die Sorge der Strategen, die Schlacht Das hätte weder dem ‚Komment‘ der könne von Zufällen bestimmt, aber den- adeligen Offizierskultur noch den techni- noch entscheidend sein, so war die Frage schen und logistischen Möglichkeiten der der Entscheidung in der Praxis gar nicht Zeit entsprochen. Eine Verfolgung nach so leicht zu beantworten. Manche Histori- der Schlacht blieb meist aus oder endete ker bezeichnen die Phase vom Dreißigjäh- zwangsläufig mit dem Einbruch der Dun- rigen Krieg bis zur Schlacht von Waterloo kelheit. Als potentielle Verfolger kamen gar als Ära der Unentschiedenheit.17 oft berittene Einheiten in Frage, deren Als oberstes Kriterium für den Ausgang Hauptgeschäft der ‚kleine Krieg‘ war. einer Schlacht galt in Europa seit dem Mit- telalter die Behauptung der Walstatt, also Kleiner Krieg des physischen Schlachtfeldes.18 Maßgeb- liches Ziel eines jeden Heerführers war es, Das Thema des kleinen Krieges und seiner die gegnerischen Truppen von der Walstatt Akteure hat durch die in den vergangenen zu verdrängen und das Feld zu behaup- Jahren intensiv geführte Diskussion um ten. Im Zeitalter der Lineartaktik ging das die so genannten „neuen Kriege“ wieder mit einem in Unordnung oder gar zur Auf- an Aktualität gewonnen. Sind letztere so- lösung Bringen der gegnerischen Linien ziologisch mit Schlagworten wie „Ent- einher. Wenn es in den Quellen heißt, die staatlichung“, „Asymmetrisierung“ der Aufstellung geriet in Unordnung, ist dies Gegner und „Autonomisierung“ para- meist ein festes Anzeichen für eine sich staatlicher Gewaltakteure gekennzeichnet abzeichnende Niederlage. Doch so einfach worden, so hat man gleichzeitig auch his- war es nicht. Es ließ sich darüber streiten, torische Parallelelen und Entwicklungsli- wo eigentlich das Schlachtfeld genau lag, nien in den Blick genommen.21 Die moder- denn davon hing ja die Frage seiner erfolg- ne historische Erforschung des Phänomens reichen Behauptung ab.19 So entwickelten des kleinen Kriegs hat bislang zwei Pha- Schlachten oftmals eine zweite Realität als sen besonderer Konjunktur erlebt. In den Medienereignisse, in denen die Geltungs- ausgehenden sechziger und siebziger Jah- behauptungen erneut aufeinandertrafen.20 ren kam es unter dem Eindruck der welt- Entscheidend für die Gewaltintensität der politischen Ereignisse zu einem verstärk- Marian Füssel: Kriegstheater | 21 ten militärgeschichtlichen Interesse an der oder umgekehrt durch Scheinmanöver Geschichte des Guerilla- und Partisanen- den Gegner zu irritieren bzw. die eigentli- krieges (Guerilla heißt auf Spanisch nichts chen Truppen zu „maskieren“. Ein weite- anderes als kleiner Krieg).22 Mit dem Auf- rer zentraler Aufgabenbereich der Irregu- kommen der sogenannten neuen asymme- lären lag in der Unterbrechung der trischen Kriege gab es seit dem Ende der gegnerischen Nachrichten- und Versor- neunziger Jahre ein erneutes Interesse an gungslinien. Einen merklichen Schritt der Geschichte des kleinen Kriegs. Die über solche Hilfsaufgaben hinaus ging der Kriege im ehemaligen Jugoslawien, am sogenannte „Detachements“-Krieg, mit Golf, in Afrika, oder Syrien dem man gezielte Kommandooperationen haben ein breites Echo in der Forschung bezeichnet, zu deren Ausführung zum Teil gefunden, das auch der Frage nach den reguläre und irreguläre Truppen kombi- historischen Vorläufern zu neuer Aktuali- niert wurden. Immer wieder kam es dabei tät verholfen hat. zu Übergriffen gegen die Zivilbevölke- Neben Belagerungen und Schlachten ge- rung, so dass vor allem die Akteure des wann der kleine Krieg im 18. Jahrhundert kleinen Kriegs für Formen der Kriegsgräu- als taktische Operationsform zunehmend el verantwortlich gemacht wurden.26 an Bedeutung.23 Große Schlachten waren Der Einsatz der leichten Truppen war von zu aufwendig und zu risikoreich und soll- einer grundsätzlichen Ambivalenz von ten wie gesagt durch geschicktes Manöv- Abhängigkeit und Unabhängigkeit ge- rieren möglichst vermieden werden. Den kennzeichnet. In materieller Hinsicht wa- Gegner etwa von seinen Versorgungslini- ren sie wesentlich unabhängiger als die en abzuschneiden, wurde so zu einem größeren Verbände und standen selten vor wichtigen Ziel, um ohne größere Feindbe- Versorgungsengpässen, im Hinblick auf rührung zum Erfolg zu kommen. die konkreten Kampfhandlungen blieben Besonders markant zeigte sich dies im sie jedoch von der Unterstützung regulä- bayerischen Erbfolgekrieg (1778/79), dem rer Einheiten abhängig. Aufgrund ihrer sogenannten „Kartoffelkrieg“, während leichten Bewaffnung waren sie zwar ext- dessen es zu überhaupt keinem größeren rem flexibel und zu schnellem Rückzug in Gefecht mehr kam.24 Die Notwendigkeit der Lage, hatten jedoch der massierten der Ausbildung zum kleinen Krieg wuchs Feuerkraft einer in Stellung gebrachten re- dabei in dem Maß, wie der maschinenmä- gulären Einheit wenig entgegen zu setzen. ßige Drill der Linientruppen ein flexibles Martin Rink fasst die Vorteile der leichten individuelles Vorgehen immer unwahr- Truppen schließlich wie folgt zusammen: scheinlicher machte. Die entscheidenden „personell durch die Möglichkeit, Frei- Schläge blieben jedoch weiterhin den re- truppen anzuwerben, die nicht für einen gulären Truppen vorbehalten: „Nicht Ge- festgelegten Sold kämpften, sondern ge- fechtsentscheidungen herbeizuführen, war gen die Beteiligung an der Beute; logis- demnach Aufgabe der kleinen Truppenab- tisch infolge der Unabhängigkeit durch teilungen, sondern die taktische Vorberei- das ‚Leben aus dem Lande’; räumlich tung, Unterstützung und Sicherung der durch die größere Beweglichkeit der leich- Operationen im Großen“ präzisiert Johan- ten Truppen im Gelände; organisatorisch nes Kunisch.25 Das hieß konkret, Vorpos- durch die Bildung von auf den Auftrag zu- ten- und Sicherungsdienste zu überneh- geschnittenen ‚Detachements’ oder ‚Par- men, mit Spähtrupps und Patrouillen teien’“.27 Informationen über den Gegner zu be- Die praktischen Anforderungen an Offi- schaffen, also Aufklärungsarbeit zu leisten ziere wie Mannschaften der leichten Trup- 22 | Marian Füssel: Kriegstheater pen hatten etwas tendenziell Wider- aus Grenzvölkern zusammen, die eine sprüchliches an sich. Während man hohe praktische Kompetenz in Fragen der erkannte, dass ein effektiver taktischer Kleinkriegsführung mitbrachten. Ihr Vor- Einsatz ein gewisses Maß an Autonomie gehen, vor allem gegenüber der Zivilbe- erforderte, standen diese Fähigkeiten doch völkerung, wurde dabei häufig mit Hilfe gleichwohl im Widerspruch zum grund- kultureller Vorurteile kommentiert, die sätzlichen Subordinationsgedanken des eine grundsätzliche unzivilisierte Anders- absolutistischen Heeres. Der herrschende heit der Völker der europäischen Periphe- rationalistische Zeitgeist des Jahrhunderts rie postulierte. der Aufklärung mit seinen Vorstellungen Für die Befürworter der leichten Truppen von der „Mathematisierung“ des Krieges war es umgekehrt gerade ihr „bis zur war nicht in der Lage, die nur als „chao- Schwärmerei getriebener Nationalstolz“, tisch“ registrierbare notwendige Autono- der sie im Vergleich zu den stets deserti- mie der Freitruppen in seinen Denkrah- onsanfälligen Linientruppen zu einer be- men zu integrieren. sonders zuverlässigen, weil durch lands- Neben seiner taktischen Funktion erfüllte mannschaftlichen Zusammenhalt moti- der kleine Krieg auch wichtige soziale vierten Einheit machte.30 Ließen sich mit- Funktionen. Er ermöglichte es, ähnlich der teleuropäische Freitruppen Übergriffe und Artillerie, bürgerlichen Soldaten in den Unregelmäßigkeiten zu Schulden kom- Freitruppen in höhere Ränge aufzusteigen men, wurde dies hingegen auf ihren un- und die sonst recht undurchdringliche terständischen sozialen Rekrutierungshin- Schranke zum Offizierskorps zu durch- tergrund zurückgeführt, der tendenziell brechen. Gerade aber die für solche außer- „kriminelles Gesindel“ anziehe. Tatsäch- gewöhnlichen Verdienste notwendige Au- lich stand die Sorgfalt der Auswahl der tonomie der leichten Truppen machte sie Freitruppen in einem gewissen Missver- auf der anderen Seite in den Augen der hältnis zu deren Bedeutung und vor allem hierarchiebewussten Militärs verdächtig. deren operativen Freiräumen. So wurden Aus ähnlichen Gründen wurden Husaren ohne Unterschied deviante Personen oder auch zu beliebten Helden bzw. Schurken Deserteure angeworben. Zudem ging die der zeitgenössischen Literatur und bevöl- unkontrollierbare Selbstversorgungspra- kerten die Theaterbühnen.28 Nur als Frei- xis der Freitruppen immer wieder zu Las- korpsoffizier konnte man im Guten wie im ten der Zivilbevölkerung. Neben den pa- Schlechten literarisch verwertbare Helden- radox anmutenden Vorstellungen von ihren taten – sprichwörtliche Husarenstücke – militärischen Eigenschaften gestaltete sich vollbringen, die dem regulären Liniensol- somit auch der soziale Status der Freitrup- daten verwehrt blieben. pen höchst widersprüchlich. Obwohl man Wer aber waren nun diese irregulären zunehmend ihre praktisch-operative Be- Truppen im Einzelnen? Hier standen eige- deutung für die gesamte Kriegsführung ne, speziell rekrutierte Regimenter eher zu würdigen begann, stand man ihrer so- ethnisch geprägten Verbänden gegenüber. zialen Anerkennung weiter im Weg. Die russische Armee etwa verfügte über Der kleine Krieg ist weder allein auf ein einen großen Anteil irregulärer Verbände Residuum älterer Gefechts- und Organisa- in Gestalt von Kosaken und Kalmyken, tionsformen (etwa der klassischen Söld- die Österreicher vor allem über die Kroa- nerheere) noch auf eine noch nicht entfal- ten und Panduren.29 Letztere hinterließen tete Keimzelle der Modernität zu gerade in Bayern ihre Spuren. Die ethnisch reduzieren, sondern eine spezifische Ant- bestimmten Truppen setzten sich meist wort auf die Widersprüche der absolutisti- Marian Füssel: Kriegstheater | 23 schen Kriegsführung. In der Folge der Re- In den anderthalb Jahrhunderten zwi- volutionskriege und insbesondere mit schen dem Ende des Dreißigjährigen dem Auftreten der Spanischen Guerilla Krieges und den französischen Revolu- teilte sich laut Martin Rink das Phänomen tionskriegen verging in Europa kaum kleiner Krieg in zwei Linien: „in eine mili- ein Jahr, in dem es nicht zu bewaffneten tärisch-taktische und eine politisch-pro- Konflikten kam. Rund sechs Millionen pagandistische Entwicklungsrichtung“.31 Soldaten fielen, wurden auf den Schlacht- Während es mit anderen Worten weiter- feldern Europas verwundet oder starben hin klassische Irreguläre gab, traten nun an Krankheiten.33 Es fällt daher schwer, die im öffentlichen Diskurs als Freiheits- von einer Zähmung des Krieges zu spre- kämpfer stilisierten Partisanen hinzu. chen. Was heute noch in Museen von den Kriegen der Frühen Neuzeit zeugt, sind Fazit meist Objekte, die der Logik der zeitge- nössischen Ästhetisierung gehorchen, ein Die Metaphorik des Theaters integrier- Schlachtengemälde, ein Festungsmodell, te den Krieg in die Welt der höfischen eine Uniform, ein Degen. Die Waffen las- Ästhetik und suggerierte eine räumli- sen ihren grausamen Einsatz nur erahnen, che Überblick- und Eingrenzbarkeit der und vieles was den Kriegsalltag von Mil- Kriegshandlungen, die einen zweifachen lionen Menschen prägte wie etwa Krank- ideologischen Effekt bewirkte. In der heit, Hunger oder Ängste entzieht sich Selbstdeutung des 18. Jahrhundert als ei- weitgehend der Repräsentation oder hat nes Zeitalters der „gezähmten Bellona“ kaum zur Musealisierung Anlass gebende scheint der Krieg so auf ein überschau- Zeugnisse hinterlassen. Die Besucher der bares Gefechtsfeld gebannt. Seine Gewalt Dauerausstellung des Bayerischen Armee- war damit jedoch ebenso wenig einge- museums sollten sich daher sowohl der hegt, wie die tatsächliche Sichtbarkeit der Macht der Ästhetisierung bewusst sein als einzelnen Operationen gewährleistet.32 auch des unendlichen Leidens, welches Die Bühnenmetaphorik nährte insofern die Formen des Krieges in der Geschich- in mehrfacher Hinsicht eine Fiktion von te hervorgebracht haben. Ich möchte da- Überblick und Kontrolle. her mit den Worten des Soziologen Pierre Mit der Perspektive auf die ‚Inszenie- Bourdieu zum Sinn historischer Erkennt- rung‘ des Kriegs tritt weit mehr zu Tage nis schließen, die gerade für die Militär- als „schöner Schein“. Gewinn und Verlust geschichte eine wichtige Mahnung von wurden selbst durch symbolische Hand- aktueller Relevanz darstellen: „Wenn man lungen nicht nur kommunikativ gerahmt, die Geschichte kennen muß, dann weniger sondern auch performativ hergestellt oder um sich daran zu nähren, sondern um sich bekräftigt. Die europäischen Kriege des von ihr zu befreien, um zu vermeiden, ihr 17. und 18. Jahrhunderts waren damit zu gehorchen, ohne es zu wissen, oder sie nicht nur politisch, sondern auch ästhe- zu wiederholen, ohne es zu wollen“.34 tisch, sozial und symbolisch-performativ tief von den Logiken der höfischen Gesell- schaft geprägt. Militärische und höfisch- zeremonielle Geltungsansprüche waren durch Begriffe der Ehre, des Ruhms und des decorum belli eng miteinander gekop- pelt. 24 | Marian Füssel: Kriegstheater

11 Marian Füssel, Die Krise der Schlacht. Das Problem der militärischen Entscheidung im 1 Der Vortrag wurde anlässlich der Eröffnung 17. und 18. Jahrhundert, in: Rudolf Schlögl der neuen Dauerausstellung ‚Formen des u.a. (Hg.), Die Krise in der Frühen Neuzeit, Krieges 1600-1815‘ im Bayerischen Armeemu- Göttingen 2016, S. 311-332; Russel F. Weigley, seum Ingolstadt am 3. Juni 2019 gehalten. Der The Age of Battles. The Quest for Decisive Vortagstext wurde weitgehend beibehalten Warfare from Breitenfeld to Waterloo, Lon- und um notwendige Anmerkungen ergänzt. don 1993; James Q. Whitmann, The Verdict Bruno Preisendörfer, Exkurs über den Krieg, of Battle. The Law of Victory and the Making in: Ders., Staatsbildung als Königskunst. of Modern War, Cambridge, MA, London 2012. Ästhetik und Herrschaft im preußischen 12 Vgl. grundlegend John Keegan, Das Antlitz Absolutismus, Berlin 2000, S. 327-344 und des Krieges, Düsseldorf [u.a.] 1978. S. 422-428. 13 Vgl. Whitmann, Verdict. 2 Hannß Friedrich von Fleming, Der Vollkom- 14 Vgl. anschaulich Sascha Möbius, Mehr Angst mene Teutsche Soldat, Leipzig 1726, S. 94. vor dem Offizier als vor dem Feind? Eine 3 Marian Füssel, Theatrum Belli. Der Krieg als mentalitätsgeschichtliche Studie zur preußi- Inszenierung und Wissensschauplatz im 17. schen Taktik im Siebenjährigen Krieg, Saar- und 18. Jahrhundert, in: Metaphorik 14 (2008), brücken 2007, S. 20-28. S. 205-230. 15 Luh, Kriegskunst, S. 142-143. 4 Einzelne Passagen der folgenden Ausführun- 16 Füssel, Krise der Schlacht, S. 322-326. gen finden sich auch in: Marian Füssel, Der 17 Weigley, Age of Battles. Preis des Ruhms. Eine Weltgeschichte des 18 Malte Prietzel, Blicke auf das Schlachtfeld. Siebenjährigen Krieges 1756-1763, München Wahrnehmung und Schilderung der Walstatt 2019. in mittelalterlichen Quellen, in: Das Mittelal- 5 Friedrich der Große, Generalprinzipien des ter 13 (2008), S. 28-45. Krieges (1748), in: Ders., Werke, hg. von 19 Marian Füssel, Das Undarstellbare darstellen. Berthold Volz, Bd. 6, Berlin 1913, S. 55. Das Bild der Schlacht im 18. Jahrhundert am 6 Zitiert nach Jürgen Luh, Kriegskunst in Euro- Beispiel Zorndorf (1758), in: Gabriela Signori / pa 1650-1800, Köln / Weimar / Wien 2004, S. 99. Birgit Emich (Hg.), Kriegs/Bilder in Mittelal- 7 Jamel Ostwald, Vauban under siege: Enginee- ter und Früher Neuzeit (ZHF Beiheft 42), ring Efficiency and Martial Vigor in the War Berlin 2009, S. 317-349. of the Spanish Succession, Leiden u.a. 2007; 20 Sebastian Küster, Vier Monarchien – vier Öf- Kurt Bohr / Benedikt Loew (Hg.), Vauban – fentlichkeiten: Kommunikation um die Baumeister, Offizier und Reformer: Festun- Schlacht bei Dettingen, Münster 2004; Bern- gen der Grossregion als Erinnerungsorte, hard Jahn, Die Medialität des Krieges. Zum Saarbrücken 2011. Zu seinen Schriften vgl. Problem der Darstellbarkeit von Schlachten Sébastien Le Prestre de Vauban, Les oisivetés am Beispiel der Schlacht bei Lobositz (1.10.1756) de Monsieur de Vauban, ou Ramas de plusi- im Siebenjährigen Krieg, in: Wolfgang Adam / eurs mémoires de sa facon sur différents Holger Dainat (Hg.), „Krieg ist mein Lied“. sujets. Éd. intégrale établie sous la dir. de Der Siebenjährige Krieg in den zeitgenössi- Michèle Virol, Seissel 2007, Albert de Rochas schen Medien (Schriften des Gleimhauses d’Aiglun (Hg.), Vauban. Sa famille et ses Halberstadt 5), Göttingen 2007, S. 88-110, écrits, ses oisivetés et sa correspondance, Thomas Weißbrich, Höchstädt 1704. Eine 2 Bde. Paris 1910 (ND Paris 1972). Schlacht als Medienereignis. Kriegsbericht- 8 Rochas d’Aiglun, Vauban, Bd.1, S. 190; dt. erstattung und Gelegenheitsdichtung im zitiert nach Luh, Kriegskunst, S. 95. Spanischen Erbfolgekrieg, Paderborn 2015. 9 Vgl. dazu Daniel Hohrath, Der Bürger im 21 Mary Kaldor, Neue und alte Kriege. Organi- Krieg der Fürsten. Stadtbewohner und Sol- sierte Gewalt im Zeitalter der Globalisierung, daten in belagerten Städten um die Mitte des Frankfurt a. M. 2000; Herfried Münkler, Die 18. Jahrhunderts, in: Bernhard R. Kroener / neuen Kriege, Reinbek bei Hamburg 2004. Ralf Pröve (Hg.), Krieg und Frieden. Militär 22 Werner Hahlweg, Guerilla. Krieg ohne Fron- und Gesellschaft in der Frühen Neuzeit, Pa- ten, Stuttgart 1968 und Johannes Kunisch, Der derborn u. a. 1996, S. 305-329; Hagen Haas, kleine Krieg. Studien zum Heerwesen des „Denn die Bombe, wann sie fällt ...“. Zum Absolutismus (Frankfurter Historische Ab- Schicksal von Einwohnern belagerter Städte handlungen 4), Wiesbaden 1973. im absolutistischen Zeitalter, in: Militär und 23 Martin Rink, Vom ‚Partheygänger’ zum Par- Gesellschaft in der Frühen Neuzeit 7 (2003), tisanen. Die Konzeption des kleinen Krieges in S. 41-59. Preußen 1740-1813, Frankfurt a. M. 1999 und 10 Für ausführliche Nachweise vgl. Marian Sandrine Picaud-Monnerat, La petite guerre Füssel / Michael Sikora (Hg.), Kulturgeschich- au XVIIIe siècle, Paris 2010. te der Schlacht, Paderborn 2014; Olivier Cha- 24 Jürgen Ziechmann, Der Bayerische Erbfolge- line, La Bataille comme objet d’histoire, in: Krieg 1778/1779 oder der Kampf der messer- Francia 32/2 (2005), S. 1-14. scharfen Federn, Südmoslesfehn 2007. Marian Füssel: Kriegstheater | 25

25 Kunisch, Der kleine Krieg, S. 17. Literatur 26 Marian Füssel, Panduren, Kosaken und Sepoys. Ethnische Gewaltakteure im 18. Jahr- Überblickswerke hundert zwischen Sicherheit und Stigma, in: Philippe Rogger / Benjamin Hitz (Hg.), Söld- nerlandschaften. Frühneuzeitliche Gewalt- Jeremy Black (Hg.), European Warfare 1453-1815, märkte im Vergleich (ZHF Beihefte 49), Berlin Basingstoke, Hampshire u.a. 1999 2014, S. 181-199. 27 Martin Rink, Der kleine Krieg. Entwicklun- Ders., European Warfare 1660–1815, London 1994 gen und Trends asymmetrischer Gewalt 1740 bis 1815, in: Militärgeschichtliche Zeitschrift Christopher Duffy, The Military Experience in the 65 (2006), S. 355-388, hier S. 369. Age of Reason, London/New York 1987 28 Vgl. Stephanie Schwarzer, Zwischen Anspruch und Wirklichkeit. Die Ästhetisierung kriege- Siegfried Fiedler, Kriegswesen und Kriegführung rischer Ereignisse in der Frühen Neuzeit, im Zeitalter der Kabinettskriege, Koblenz 1986 München 2006, S. 235-257. 29 Füssel, Panduren. Bernhard R. Kroener / Ralf Pröve (Hg.), Krieg und 30 Kunisch, Der kleine Krieg, S. 29 f. Frieden. Militär und Gesellschaft in der Frühen 31 Rink, Entwicklungen und Trends, S. 385. Neuzeit, Paderborn u. a. 1996 32 Zum Mythos der gezähmten Bellona vgl. zu- letzt Martin Wrede, „Zähmung der Bellona“ Bernhard R. Kroener, Kriegswesen, Herrschaft oder Ökonomie der Gewalt? Überlegungen und Gesellschaft 1300-1800, München 2013 zur Kultur des Krieges im Ancien régime, in: Irene Dingel u.a. (Hg.), Theatrum Belli – Jürgen Luh, Kriegskunst in Europa 1650-1800, Theatrum Pacis: Konflikte und Konfliktrege- Köln / Weimar / Wien 2004 lungen im frühneuzeitlichen Europa: Fest- schrift für Heinz Duchhardt zu seinem 75. Jutta Nowosadtko, Krieg, Gewalt und Ordnung. Geburtstag, Göttingen 2018, S. 207-237. Einführung in die Militärgeschichte, Tübingen 33 Luh, Kriegskunst, S. 1. 2002 34 Pierre Bourdieu, Schwierige Interdisziplina- rität. Zum Verhältnis von Soziologie und Geschichtswissenschaft, hg. von Elke Ohna- Armstrong Starkey, War in the Age of the Enligh- cker u. Franz Schultheis, Münster 2004, S. 115. tenment 1700-1789, Westport Conn. 2003

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28 | Daniel Hohrath und Tobias Schönauer: Eine Ausstellung entsteht Daniel Hohrath und Tobias Schönauer: Eine Ausstellung entsteht | 29 30 | Marian Füssel: Kriegstheater 31

Daniel Hohrath und Tobias Schönauer Eine Ausstellung entsteht Überlegungen zur neuen Dauerausstellung

Die Ausstellung „Formen des Krieges Das Museum und seine Sammlung 1600-1815“ stellt den ersten Abschnitt der neuen Dauerausstellung des Bayeri- Ein kurzer Blick auf die Geschichte des schen Armeemuseums im Neuen Schloss Museums und seiner Sammlungen ist an von Ingolstadt dar. Sie bildet ungefähr dieser Stelle sinnvoll, denn die historische die Hälfte der für das erste Stockwerk ge- Entwicklung dieser Institution, der Wan- planten Darstellung zur Militärgeschichte del ihrer Zielsetzungen und die histori- der Frühen Neuzeit. Hier werden die drei sche Bedingtheit ihrer Sammlungen setzen hauptsächlichen Erscheinungsformen der den Rahmen für unsere heutige Arbeit. Kriegsführung dieser Epoche thematisiert, Das Bayerische Armeemuseum wurde also die Schlacht, die Belagerung und der 1879 auf Betreiben führender Kreise der sogenannte „Kleine Krieg“. königlich bayerischen Armee in München Die südliche Hälfte des ersten Oberge- gegründet, der es bis 1919 als militärische schosses wird sich daran anschließend mit Dienststelle unterstand. Mit der Auflösung weiteren Themen der Geschichte des früh- der bayerischen Armee wurde das Armee- neuzeitlichen Militärwesens auseinander- museum zu einer zivilen Einrichtung im setzen. Aufgabenbereich des Kultusministeriums Im Erdgeschoss wird neben der bereits des neuen Freistaats Bayern. 1940 kam fertigen kleinen Übersicht zur Geschichte es zu einem erneuten Übergang auf die des Armeemuseums und der „Schatzkam- militärische Seite, indem das Museum mer“ in einem weiteren Schritt die Zeit dem Chef der Heeresmuseen der Deut- vom Mittelalter bis etwa 1600 thematisiert schen Wehrmacht unterstellt wurde. Nach werden. Das zweite Stockwerk wird die Kriegsende 1945 formal aufgelöst, über- Militärgeschichte Bayerns von 1815 bis dauerten die Reste der Sammlungen unter 1914 darstellen. der Obhut des Bayerischen Nationalmuse- Bevor im Folgenden auf die „Formen des ums. Die Neueröffnung als eigenständiges Krieges in der Frühen Neuzeit“ und ihre staatliches Museum in Ingolstadt erfolgte Darstellung in der neuen Ausstellung ein- im Jahr 1972. gegangen wird, sollen ein paar Grundge- Aus dieser wechselvollen Geschichte wird danken zur Konzeption und den Voraus- klar, dass Konzeptionen, Zielsetzungen setzungen der neuen Dauerausstellung und Darstellungsweisen einem histori- des Bayerischen Armeemuseums erläutert schen Wandel unterworfen waren und werden. sind. Diese Feststellung betrifft nicht nur die Ausstellungen, sondern bereits die Entstehung und Weiterentwicklung der Sammlungen. Allerdings bildet die his- 32 | Daniel Hohrath und Tobias Schönauer: Eine Ausstellung entsteht torisch gewachsene Sammlung auch in hier eine Ausnahme und übernahm noch gewisser Weise ein unverrückbares Fun- die überkommene Funktion eines militäri- dament. Die ständige Ausstellung eines schen Gedenkraums. Museums muss und soll auf ihr basieren und auch ihre Geschichte spiegeln. Neue Ansätze Solange das Armeemuseum gewisserma- ßen das historische Schaufenster der exis- Die neue Dauerausstellung, wie sie jetzt tenten königlich bayerischen Armee war, Stück für Stück im Neuen Schloss Ingol- repräsentierte es dessen Tradition und stadt verwirklicht wird, sieht sich vor Kontinuität und diente damit nicht zuletzt neuen Herausforderungen hinsichtlich der Selbstvergewisserung des Militärs. der Vermittlung von Geschichte und der Dem entsprach seine Ausrichtung auf eine gestalterischen Präsentation. Maßgeblich Darstellung der ruhmreichen Geschichte ist zum einen der Stand der militärhisto- des bayerischen Heeres, seiner Kriegs- rischen Forschung, die sich in den letzten taten und seiner Truppenteile mit ihren Jahrzehnten auf neuen Wegen entwickelt Wurzeln in einer bis vor die Errichtung hat; zum anderen aber muss auch der der ältesten noch existierenden Regimen- Stand an Interessen und Vorkenntnissen ter zurückreichenden Vorgeschichte. der Museumsbesucher berücksichtigt Mit dem Ende des Ersten Weltkriegs ver- werden, wenn der Auftrag des Museums schwand auch die bayerische Armee als erfüllt werden soll. Auf der Homepage des Institution, und das Armeemuseum wan- Museums wurde dies so formuliert: delte sich unausweichlich in einen Ort des „Das Bayerische Armeemuseum ist eines Gedenkens, der Rettung materieller Zeug- der großen militärhistorischen Museen in nisse sowie der Pflege der Erinnerung Europa. Der Schwerpunkt der Sammlun- und der Traditionen des untergegange- gen liegt auf Bayern in seinem europäi- nen Heeres. Das verband sich dann in den schen Kontext. Sie reichen vom Spätmit- 1930er Jahren und nach der Übernahme telalter bis in die Gegenwart. durch die Wehrmacht mit einer Identitäts- Die Aufgabe des Bayerischen Armeemuse- stiftung deutsch-bayerischen Soldaten- ums ist auf der Grundlage seiner Samm- tums auf der Grundlage der klaren ideolo- lungen die kritische und historisch genaue gisch-propagandistischen Zielsetzung der Reflexion von Militär und kriegerischer nationalsozialistischen Machthaber. Gewalt in der Geschichte und ihrer Aus- Die Neueinrichtung des Museums am wirkungen auf Mensch, Gesellschaft und neuen Ort in Ingolstadt als staatliches Staat.“ (Ansgar Reiß) Museum des Freistaats Bayern, das dem Das Bayerische Armeemuseum verbindet Ministerium für Wissenschaft und Kunst demnach eine landesgeschichtliche Pers- untersteht, war mit einem weitgehen- pektive mit einer dezidiert militärhistori- den Verzicht auf explizite geschichtliche schen Fragestellung, die den regionalen Aussagen zugunsten der Betonung des Aspekt in einen weiteren vergleichenden kunst- und kulturhistorischen Werts der Rahmen stellt. Sammlungsobjekte verbunden, die dem- Tatsächlich ist schon die Definition des lan- entsprechend in nüchternen Vitrinen als desgeschichtlichen Bezugsrahmens nicht kunsthandwerkliche Artefakte gezeigt so einfach, wie es auf den ersten Blick wurden. Allein die auf den emotionalen erscheinen mag: Sein räumlicher Gegen- Gesamteindruck zielende Hängung sämt- standsbereich als Museum eines Landes licher erhaltener Feldzeichen der königlich kann heute nur der moderne Freistaat Bay- bayerischen Armee im Fahnensaal machte ern sein, der freilich nicht mehr identisch Daniel Hohrath und Tobias Schönauer: Eine Ausstellung entsteht | 33 mit dem Königreich in seinen endgültigen gen Austausch von Personal und Wissen. Grenzen von 1816 ist. Namentlich die da- Kampftechniken, Bewaffnung und Aus- mals noch zu Bayern gehörende, wenn rüstung waren bis auf partielle Ausnah- auch von ihm räumlich getrennte Pfalz ist men peripherer ethnisch geschlossener heute Teil eines anderen Bundeslandes. Kriegerkulturen in ganz Europa ähnlich. Auch darin unterscheidet sich die Situati- Das änderte sich bis ins 19. Jahrhundert on das heutigen von der des „alten“ Ar- nur graduell. Die persönliche Mobilität meemuseums des 19. Jahrhunderts. der Soldaten sank bereits in den stehenden So besteht ein grundsätzliches Spannungs- Heeren des 18. Jahrhunderts, da diese oft verhältnis zwischen dem Gegenstand der mehrheitlich aus langfristig verpflichte- historischen Betrachtung und dessen Be- ten „Landeskindern“ bestanden. Auch bei gründung aus seiner regionalen Kontinu- Offizieren wurde der mehrfache Wechsel ität. Dies gilt in noch viel höherem Maße des Dienstherrn seltener und endete erst für die Frühe Neuzeit: Das alte Bayern mit den auf die Staatsbürger beschränk- als Herzog- und Kurfürstentum unter der ten Nationalheeren. Dies betraf aber nicht Herrschaft der Dynastie der Wittelsbacher die Ebene des Austauschs von Wissen. umfasste nur etwas mehr als Hälfte des Kriege führten zum (wenn auch meist un- Territoriums, das später das Königreich freundlichen und unfreiwilligen) Kontakt und schließlich den Freistaat Bayern bil- und Austausch mit anderen Kulturen, zur den sollte. gegenseitigen Anpassung, zur schnellen Wenn man, wie es für eine historische Übernahme und Adaption überlegener Betrachtungsweise unabdingbar ist, Ge- Waffen- und Kampftechniken. Generell schichte nicht als eine auf das Heute ziel- waren Militärs auch in Friedenszeiten an gerichtete, lineare Entwicklung konstru- genauen Kenntnissen der Zustände in iert, sondern die Perspektiven, Horizonte anderen Armeen und Staaten interessiert und Handlungsoptionen der Zeitgenos- wie kaum eine andere Gruppe der Gesell- sen ernst nimmt, hat dies Konsequenzen schaft. Dies belegt nicht zuletzt die baye- für die Darstellung: Noch um 1800 war rische Armeebibliothek mit ihrer interna- nicht abzusehen, dass die Vielfalt der Staa- tionalen Sammlung von Fachliteratur und ten und Herrschaften im Süden des Alten Zeitschriften in mehreren Sprachen. Das Reiches nach der krisenhaften Geschichte alles trug dazu bei, dass sich Armeen bis des wittelsbachischen Kurfürstentums im in ihre organisatorischen Strukturen hi- 18. Jahrhundert in einem starken König- nein deutlich ähnlicher waren als andere reich Bayern aufgehen würde. Eine heu- Bereiche der Gesellschaft. tige Landes-Militärgeschichte der Frühen Für die Realisierung der Ausstellung hatte Neuzeit wird auch die Militärgeschichten das zur Folge, dass es gerade im Bereich jener geistlichen und weltlichen Fürsten- der Frühen Neuzeit und insbesondere tümer sowie der Reichsstädte behandeln, im Abschnitt „Formen des Krieges“ dar- die sich heute auf bayerischem Boden auf ankam, typische und für die Kriegs- befinden. Zugleich wird man sie in einen führung und Kampfweise der jeweiligen größeren europäischen Rahmen stellen. Zeitabschnitte repräsentative Stücke zu Das liegt im Gegenstand begründet, denn zeigen und in den Zusammenhang ihres Militär war und ist eine „internationale“ praktischen Gebrauchs zu stellen. Eine Angelegenheit. Das gilt unübersehbar spezifisch „bayerische“ Herkunft der aus- für die Frühe Neuzeit, in der Kriege von gestellten Waffen und Ausrüstungsstücke einem überregionalen Söldnerwesen ge- ist durch die Sammlungsgeschichte ohne- führt wurden. Das führte zu einem ständi- hin mehrheitlich gegeben. 34 | Daniel Hohrath und Tobias Schönauer: Eine Ausstellung entsteht

Konzeptionelle Überlegungen von Raum und Zeit: Die Ernährung eines Heeres geschah in direkter Konkurrenz Eine wesentliche konzeptionelle Grund- zur Ernährung der ansässigen Bevölke- entscheidung gilt zunächst der neuen rung. Zugleich standen die regionale Be- zeitlichen Gliederung der Ausstellungs- völkerungsdichte und landwirtschaftliche abschnitte: Für eine militärgeschichtliche Produktivität in einem proportionalen Darstellung ist es sinnvoll, gebräuchliche Verhältnis. Das heißt, nur wo viele Men- Epochentitel der politischen Geschich- schen lebten, konnte auch eine Armee te infrage zu stellen: Daten wie „1648“, satt werden, auch Landschaftsgestalt und „1789“ oder „1806“ stellen keine Zäsuren Verkehrswege waren wesentlich. Deshalb dar, wenn wir nach den Strukturen und wurden Oberitalien und die Niederlan- der Art und Weise fragen, in denen kriege- de, aber auch bestimmte fruchtbare und rische Gewalt sich abspielte und wie dies dichtbesiedelte Regionen Deutschlands anhand von musealen Objekten sichtbar wie die Donauebene immer wieder zu den gemacht werden kann. wichtigsten „Kriegstheatern“ Europas. So haben wir uns entschlossen, den Man war zu Lande ausschließlich auf Zeitrahmen „Frühe Neuzeit“ nicht vor zwei Füßen oder vier Hufen unterwegs. der französischen Revolution oder Na- Die Marsch- und Transportstrecken, die poleon enden zu lassen, wie dies vielfach maximalen Geschwindigkeiten von Trup- üblich ist: Bewaffnung und Kampfweisen, penbewegungen und damit auch der Ope- Ausrüstung und Lebensbedingungen der rationsradius militärischer Einheiten und Soldaten änderten sich nicht schlagartig ganzer Heere hingen davon ab. Obwohl in durch den Westfälischen Frieden, die Fran- zwei Jahrhunderten erhebliche organisa- zösische Revolution oder die Erhebung torische Verbesserungen der Logistik und Bayerns zum Königreich. Vielmehr ist im Fortschritte in der Landeskenntnis erzielt Kriegswesen eine langsame evolutionäre wurden, blieben unverrückbare Grenzen, Entwicklung zu beobachten, deren Unter- die erst im Zuge der Industrialisierung im abschnitte sich anhand einiger technischer 19. Jahrhundert erweitert werden sollten. und organisatorischer Veränderungen be- „1600“ als Beginn des Abschnitts soll kein stimmen lassen, die sich jeweils über län- exaktes Datum fixieren. An der Wende gere Zeiträume vollzogen und sich nicht zum 17. Jahrhundert waren die Feuerwaf- an Stichdaten festmachen lassen. fen, deren Einsatz schon seit dem 15. und Hinsichtlich der natürlichen, sozialen und 16. Jahrhundert zunehmend an Bedeu- ökonomischen Rahmenbedingungen ha- tung gewonnen hatte, jedenfalls zur be- ben wir es in ganz Europa bis in das ers- herrschenden Waffenart geworden, schon te Drittel des 19. Jahrhunderts mit einer länger in Form schwerer Kanonen für die vorindustriellen, agrarisch basierten und Belagerungsartillerie und bald auch als daher wirtschaftlich stets labilen Man- Handfeuerwaffen auf dem Schlachtfeld. gelwirtschaft zu tun, welche die Gren- Seit etwa 1700 war dann die gesamte In- zen und Möglichkeiten der Gesellschaft fanterie ausschließlich mit Steinschloss- prägte. Technikgeschichtlich war es eine gewehren ausgestattet, die bis etwa 1830 Epoche der Handarbeit, ihre energetische nur noch in Details verbessert wurden. Basis war – abgesehen vom Explosivstoff So kann auch hier die Einheit eines Zeit- Schwarzpulver – fast ausschließlich die abschnitts postuliert werden: Die Waffen- Körperkraft von Menschen und Tieren. technik entwickelte sich zwar in diesen Auf das Kriegswesen bezogen bedeutete zwei Jahrhunderten kontinuierlich, wenn das einen nicht zu sprengenden Rahmen auch in langsamen Schritten, aber sie blieb Daniel Hohrath und Tobias Schönauer: Eine Ausstellung entsteht | 35 im Kriegswesen auf glattläufige Vorder- kurzfristigen internationalen Leihverkehr lader beschränkt, die mit Schwarzpulver der Museen verlangt den Mut zur Lücke: geladen wurden. Schussweiten und Feu- Mit den realen Objekten, die in der wech- ergeschwindigkeiten wurden nach und selvollen Geschichte einer Sammlung nach erhöht, blieben aber doch auf einen zusammengekommen sind, ist es kaum engen Rahmen begrenzt. Blanke Waffen möglich, eine perfekt durchkomponierte, behielten ihre Bedeutung, denn der Nah- umfassend ausgewogene Darstellung zu kampf wurde nur relativ seltener. Ob bei verwirklichen. der Bewaffnung, der Bekleidung oder Viele Objekte, die von den Kuratoren ger- dem Transportwesen: Erst die Industria- ne gezeigt würden, sind in einer Samm- lisierung ab dem zweiten Viertel des 19. lung eben nicht vorhanden, andere hin- Jahrhunderts sollte hier eine entscheiden- gegen im Überfluss. Die oft zufällige Er- de qualitative Zäsur darstellen. haltung von „Sachzeugen der Geschichte“ Die Entscheidung, in der Ausstellung das hat sich nicht nach unseren didaktischen Jahr 1815 als Endpunkt zu setzen, stellt ei- Wünschen gerichtet. So können Bildnisse nen pragmatischen Kompromiss dar: Mit wichtiger Protagonisten, bestimmte Waf- dem Wiener Kongress endete eine lange fentypen oder Ausrüstungsstücke durch Kriegsepoche, und es erscheint sinnvoll, den Zufall der Überlieferung zwar viel- die Entwicklung des Militärwesens im leicht in anderen Museen vorhanden sein, 19. Jahrhundert von hier aus zu beginnen, nicht aber in den eigenen Beständen. auch wenn die grundlegenden Verände- Ein weiteres Problem gerade einer mili- rungen erst in den folgenden Jahrzehnten tärgeschichtlichen Ausstellung zur Frühen anzusetzen sind. Neuzeit besteht darin, dass es viel wichti- ger ist, typische und alltäglich verwendete Das Gebäude, die Objekte Werkzeuge des Krieges zu zeigen als ein- zigartige Stücke von besonderem kunst- Diesen eher grundsätzlichen und theore- handwerklichem Wert, Reliquien berühm- tischen Überlegungen sollen nun noch ei- ter Persönlichkeiten oder Zeugnisse ein- nige eher museumspraktische Aspekte an zelner Ereignisse. So ist etwa eine einfache die Seite gestellt werden: Muskete, wie sie vieltausendfach benutzt Wie lässt sich die Militärgeschichte Bay- wurde, für die Darstellung der Kriegsrea- erns in einem Museum vermitteln, mit lität aussagekräftiger als der ziselierte De- einer zwar großartigen gewachsenen gen, den ein Feldherr in einer bestimmten Sammlung, die aber unter ganz anderen Schlacht bei sich trug. Voraussetzungen entstand, und in einem Solche militärischen „Alltagsgegenstän- Schloss, das nicht als modernes Museum de“ aus der Frühen Neuzeit sind aber oft erbaut wurde? die eigentlichen Raritäten: Nicht nur in Eine Dauerausstellung unterscheidet sich der Sammlung des Bayerischen Armee- schon dadurch von den zeitlich begrenz- museums sind beispielsweise Waffen und ten, thematisch orientierten historischen Ausrüstungsstücke von Offizieren stark Ausstellungen, wie sie etwa vom Haus der überrepräsentiert; von einfachen Solda- Bayerischen Geschichte an wechselnden ten ist dagegen viel weniger erhalten ge- Orten veranstaltet oder in fast allen Mu- blieben. Schon von den Zeitgenossen und seen als Sonderausstellungen gezeigt wer- späteren Sammlern sind vornehmlich den, dass sie fast vollständig auf den vor- wertvolle, seltene Repräsentationsstücke handenen Sammlungen des eigenen Hau- wertgeschätzt und aufgehoben worden. ses basieren muss. Ein Verzicht auf den Die Kriegsrealität des Kämpfens und 36 | Daniel Hohrath und Tobias Schönauer: Eine Ausstellung entsteht

Überlebens, gar die alltägliche Not und mittelalterlichen Bauwerks erhalten blei- das Elend des Krieges zeigen sich gerade ben. darin, dass sie keine Reliquien hinterlas- Allerdings sind die geschilderten Proble- sen haben. So sind die wahren, extrem me in mancher Hinsicht nicht als Hinder- seltenen Schätze des Museums oft die, de- nisse, sondern als Chancen zu sehen: Eine nen man es nicht ansieht, wie der schlichte Ausstellung ist kein in den Raum gestell- originale Filzhut aus dem Dreißigjährigen tes und mit 3D-Objekten illustriertes Buch. Krieg, der Holzbalken des Spanischen Rei- Sie kann auch keine enzyklopädische ters oder die Ledertasche eines Grenadiers Vollständigkeit beanspruchen. Eine wohl aus dem frühen 18. Jahrhundert. Diese Sel- durchdachte Abfolge von Objekten und tenheit ist übrigens auch das hervorragen- Texten ist zwar wichtig, man kann aber de Kennzeichen der Objekte, die im Turm- nicht voraussetzen, dass ihr gefolgt wird. raum des Erdgeschosses in einer eigenen Einem vielfältigen Museumspublikum Schatzkammer gezeigt werden. kann und soll keine feste Reihenfolge und Eine weitere Vorbedingung, die auf die vollständige Aufnahme der gebotenen Gestaltung der Ausstellung einen großen Informationen vorgeschrieben werden. Einfluss hat, ist der zur Verfügung stehen- So etwas wird mittels düsterer Ausstel- de Raum. Moderne Museumsbauten bie- lungslabyrinthe bisweilen zu erzwingen ten dafür große, leere, fensterlose Räume, versucht, in denen Besucher nicht von der die nach Wunsch mit Ausstellungsarchi- Führungslinie abweichen können. In den tektur gegliedert und unterteilt werden offenen Sälen des Neuen Schlosses dage- können. Im konkreten Falle des Neuen gen soll die Freiheit herrschen, der kon- Schlosses von Ingolstadt sind ganz ande- zipierten Anordnung zu folgen oder sich re Voraussetzungen gegeben. Angesichts einen eigenen Weg zu suchen. der Anordnung und der sehr verschieden großen Grundflächen der Räume des spät- Texte in der Ausstellung mittelalterlichen Gebäudes müssen inhalt- liche Konzeption und räumliche Gege- Die Ausstellung lebt von Objekten, die benheiten in einem komplizierten Wech- zum einen unmittelbare Eindrücke vermit- selverhältnis stehen. Eine sich nur an der teln und Interesse wecken, zum anderen beabsichtigten Geschichtserzählung ori- aber erklärt werden müssen. Gegenstände entierende Ausstellungsplanung wird nie einer vergangenen Epoche sprechen kaum dort den Raum, die freie Wand oder den je für sich selbst. Ihre Funktion bzw. ganz Durchgang finden, wo sie wünschenswert wörtlich ihr Funktionieren, aber auch ihre wäre. Auch die Reihenfolge und Gewich- praktische und symbolische Bedeutung tung der von der Ausstellung behandelten müssen entschlüsselt werden. Das gilt für Themen wird von der vorhandenen Ge- Waffen und Uniformen ebenso wie für bäudestruktur stark beeinflusst. Gemälde und Kupferstiche. Diese waren Auf der anderen Seite ist das Ingolstädter nicht einfach funktionale Gebrauchsge- Neue Schloss aber selbst ein Kunstdenk- genstände, sondern auch Ausdruck von mal, das unabhängig von seiner musealen kulturellen Prägungen, jene waren nicht Aufgabe besichtigt werden kann und soll. einfach Abbildungen der Wirklichkeit, Es war daher ein integraler Bestandteil sondern Repräsentationen zeitbedingter der Ausstellungsplanung durch die Ar- Vorstellungswelten und Absichten. Des- chitektin Janet Görner, dass die histori- halb sind Erläuterungen notwendig. Zwar sche Raumwirkung und der Eindruck der ist die Aufnahmefähigkeit bei einem Mu- Gewölbe, Säulen und Fensternischen des seumsbesuch nicht unbegrenzt, aber ohne Daniel Hohrath und Tobias Schönauer: Eine Ausstellung entsteht | 37

Texte blieben die Besucher orientierungs- Ausstellung steht, aber es werden auch los, die Neugierde unbefriedigt. Niemand besondere Informationen zu dem spezifi- ist zum Lesen gezwungen, aber wir laden schen historischen Artefakt selbst geboten, dazu ein. Das geschieht durch knappe, wobei keine genauen Textlängen festge- möglichst allgemeinverständlich formu- legt wurden. Es geht darum, allen – den ei- lierte und in sich hierarchisch abgestufte ligen wie auch den speziell interessierten Texte. Das Textkonzept der Ausstellung Besuchern – ein individuelles Angebot zu sieht ein gestaffeltes System von Infor- machen, das sie zufriedenstellt und neu- mationsangeboten vor. Ihre Realisierung gierig macht. Bei den Objektschildern sind geschah in enger Zusammenarbeit mit der aus Platzgründen nur die Überschrift und Graphikerin Luise Wagener. Sie sind dar- der hervorgehobene Absatz ins Englische aufhin verfasst und gestaltet, dass sie auch übertragen worden, aber der Katalog mit – hoffentlich gerne – angenommen wer- allen Texten erscheint auch in englischer den, also mit so wenigen und so einfachen Sprache. Worten wie möglich, ohne so zu vereinfa- Eine Ausstellung muss vor allem Möglich- chen, dass die Aussage nicht mehr stimmt. keiten anbieten. Eindrücke und Informati- Dieser Katalog enthält im übrigen alle Tex- onen können sowohl intellektuell als auch te, so dass sie bequem mit nach Hause ge- emotional wahrgenommen werden. Ein nommen werden können. Grundsatz bei der Gestaltung der Ausstel- In der Ausstellung bieten flache, hinter- lung ist es, die Perspektive des Besuchers leuchtete Stelen vor den Wänden Orien- mit der Perspektive der handelnden und tierung durch knappe Einführungen in leidenden Menschen der Vergangenheit in die thematischen Räume und Abschnitte enge Beziehung zu setzen: Das heißt: Ob- der Ausstellung. Die Texte sind in drei jekte sollen, wenn möglich, so im Raum Stufen (Überschrift, ein hervorgehobener und in der Vitrine gezeigt werden, wie sie Absatz von etwa fünf Zeilen und zwei bis von Menschen getragen und benutzt wur- drei weitere Absätze) aufgebaut. Einen den. Überblick über die Themen von einzelnen Musealisierte Gegenstände, auch Werk- Vitrinen oder Exponatgruppen bieten be- zeuge und Waffen, werden von ihrem leuchtete Pulte. Hier bestehen für beson- Funktionszusammenhang isoliert, wenn ders Interessierte auch Möglichkeiten zur sie gepflegt und gut ausgeleuchtet in Vit- vertieften Information durch herausnehm- rinen präsentiert werden. Das ist ganz un- bare Tafeln, die Details von Objekten und ausweichlich. Die brutale „Realität“ kann Bildern hervorheben oder etwa die Funk- und soll nicht rekonstruiert oder simuliert tionsweise von Waffen oder taktischen werden, auch nicht durch manipulative Formationen erläutern. Alle diese Texte Inszenierung oder den noch so perfekten sind durchgängig zweisprachig (deutsch Einsatz virtueller Medien. Die Begegnung und englisch) gehalten. mit den Dingen aus der Vergangenheit Das Prinzip hierarchisch gegliederter, verlangt – und fördert aber zugleich – eine übersichtlicher Betextung gilt auch für Auseinandersetzung mit der Geschichte. die Beschriftungen der einzelnen Expona- te. Sie sind im Katalogteil dieses Buches Die Ausstellung im Überblick vollständig wiedergegeben. Die Schrift- größe in der Ausstellung ist so gewählt, Damit sind wir jetzt bei dem ersten Teil dass Texte auch für ältere Brillenträger zu der Dauerausstellung „Formen des Krie- entziffern sind. Wichtig ist, dass bei jedem ges in der Frühen Neuzeit“ angekommen, Objekt nachvollziehbar ist, wofür es in der den Tobias Schönauer (für die Zeit bis 38 | Daniel Hohrath und Tobias Schönauer: Eine Ausstellung entsteht zum Ende des Dreißigjährigen Krieges) fen“. Im Abschnitt „Formen des Krieges“ und Daniel Hohrath (für die Zeit von 1650 begegnet dem Besucher die „Szene einer bis 1815) konzipiert haben. Wir haben uns Schlacht“ im Dreißigjährigen Krieg. Sie dafür entschieden, in drei Räumen das zu soll eine – natürlich nur vage – Vorstel- thematisieren, was letztlich Bestimmung lung davon vermitteln, was die Schlacht und Zweck des Militärwesens war: Den in der Frühen Neuzeit für die Beteiligten Krieg in seiner zentralen Ausprägung, bedeutete: Den brutalen Kampf auf kurze der unmittelbaren Gewaltausübung. Es Distanz. werden, um die historischen Ausdrücke Natürlich kann es nicht gelingen, eine der- zu verwenden, „Kriegskunst und Waf- artige Situation in einem musealen Rah- fenhandwerk“ in ihrer Entwicklung zwi- men auch nur annähernd realistisch dar- schen 1600 und 1815 dargestellt. Die sehr zustellen. Und das war auch von Anfang unterschiedliche Größe der drei Räume ist an nicht die Intention dieser Inszenierung. von der Architektur des Ingolstädter Neu- Vielmehr will man hier veranschaulichen, en Schlosses vorgegeben. Sie widmen sich wie die Ausrüstungsstücke „am Mann“ den Themen „Schlacht“, „Belagerung“ getragen und eingesetzt wurden. Vor al- und „Kleiner Krieg“. Auf den ersten Blick lem aber soll gezeigt werden, welche phy- ergibt sich ein scheinbares Übergewicht sische Gewalt mit diesen Objekten ausge- der „Schlacht“, die im großen Saal thema- übt wurde. tisiert wird. Würde man die Räume strikt So entstand nach monatelanger Detailar- nach der historischen Bedeutung dimensi- beit eine Gruppe aus drei Figurinen und onieren, könnte sich ein ganz anderes Bild einer Pferdeskulptur. Vor allem das Pferd ergeben, da der Belagerungskrieg und war dabei schwierig zu realisieren. Zu- erst recht der alltägliche „Kleine Krieg“ nächst musste eine Pferderasse gefunden nicht nur sehr viel mehr Zeit innerhalb werden, die den Tieren entsprach, die von der Kriegsjahre forderten, sondern oft der Reiterei zur Zeit des Dreißigjährigen auch in mehrfacher Hinsicht von größerer Krieges genutzt wurden. Die Entschei- Bedeutung waren. Allerdings werden am dung fiel auf einen Lusitano, da er mit sei- Beispiel der Schlacht auch allgemein die ner eher kleinen, aber kräftigen Statur den typische Bewaffnung und die sich wan- Züchtungen der damaligen Zeit sehr nahe delnden Kampfweisen der Heere im 17. kommt.1 Mit der Ausführung wurde der und 18. Jahrhundert erläutert. Holzbildhauer Wilhelm Knies aus Schlier- see beauftragt, der diese Aufgabe hervor- „Eine Inszenierung entsteht“ ragend löste. Nach mehreren detaillier- ten Vorgesprächen im Museum und dem Beim Betreten des Saals vom Treppenhaus Vermessen eines lebenden Pferdes auf ei- fällt der Blick unmittelbar auf eine Szene nem Gestüt in Bückeburg entstand so die des Nahkampfs aus dem Dreißigjährigen zentrale Figur der Gruppe. Die Figurinen Krieg: Ein geharnischter Reiter (ein „Pap- zeigen drei Soldaten dieser Epoche: einen penheimer“) kämpft zu Pferde gegen zwei gepanzerten Kürassier zu Pferd, einen Pi- Fußsoldaten. kenier und einen Musketier. Hände und Große Inszenierungen sind ein gestalte- Köpfe der beiden Fußsoldaten wurden risches Element der neuen Dauerausstel- ebenfalls durch Knies gestaltet. Hierfür lung. Auf jedem Stockwerk werden Origi- erhielt er aus dem Museum Abbildungen nalobjekte aus der Sammlung auf beson- von Gesichtern nach Barockgemälden so- dere Art und Weise präsentiert. Im Erdge- wie von Gesichtsrekonstruktionen, die schoss ist dies ein „Wald aus Stangenwaf- mit Hilfe von Knochenfunden aus Mas- Daniel Hohrath und Tobias Schönauer: Eine Ausstellung entsteht | 39 sengräbern angefertigt wurden.2 Diese die wir über die Schlacht von Alerheim (3. Details waren wichtig, um nicht nur das August 1645) haben. Daneben flossen Er- Pferd, sondern auch die „Menschen“ als kenntnisse aus einem Massengrab ein, das Zeitgenossen des Dreißigjährigen Krie- 2008 auf dem Schlachtfeld ausgegraben ges erkennbar zu machen. Als Körper wurde. Dort waren etwa 85 Tote bestattet der Söldner dienen lebensgroße, hölzerne worden, die bei einem Angriff der bayeri- Gliederpuppen, die durch die Werkstätten schen Kavallerie unter Jan van Werth ums des Museums verstärkt und in die richtige Leben kamen.6 Stellung gebracht wurden. Eine Fensternische neben der Inszenie- Bewaffnung und Ausrüstung der Figuri- rung ist genau diesem Massengrab gewid- nen stellen eine Mischung aus Originalen met. Sieben Knochenfragmente aus den (vor allem Waffen, Helme und Harnische) Überresten der dort bestatteten Gefallenen und Repliken (vor allem die Textilien und geben auf Grund der anthropologischen Teile des Lederzeuges) dar.3 Um den Ein- Untersuchungen Informationen zu Alter, druck der Authentizität zu verstärken, Vorerkrankungen, Verletzungen und To- wurden bereits getragene Kleidungsstücke desarten der Söldner, die in der Schlacht einer Reenactment-Gruppe verwendet.4 von Alerheim gefallen sind. Auf diese Wei- Besonders hervorzuheben ist unter den se korrespondiert die bewusst spektakulär Ausrüstungsstücken der Sattel, dessen gestaltete Inszenierung mit den spärlichen Nachbau mehrere Monate in Anspruch Überresten der brutalen Wirklichkeit. Da- nahm und die Handwerker vor große He- rüber hinaus flossen auch andere Quellen rausforderungen stellte. Er entstand mit (Stiche, Ego-Dokumente, Gemälde, topo- Unterstützung von Ulrike Brandstetter in graphische Untersuchungen etc.) in die den museumseigenen Werkstätten. Planungen mit ein. Die Darstellung gleicht einer eingefrore- Zusammen mit den Originalobjekten, die nen Momentaufnahme. Der Pikenier ist „obertägig“ in den Sammlungen des Ar- in Verteidigungsposition, wie man sie aus meemuseums erhalten geblieben sind, the- zeitgenössischen Darstellungen kennt.5 matisiert diese „Szene aus einer Schlacht“ Das anstürmende Pferd scheut vor der im Dreißigjährigen Krieg somit Ausrüs- über vier Meter langen Pike zurück. Der tung und Bewaffnung ebenso wie das Kürassier holt mit seinem erhobenen Ra- Leiden und den Tod der Söldner in dieser pier aus, um dem Musketier einen tödli- prägenden Epoche der bayerischen Ge- chen Hieb gegen den Kopf zu versetzen. schichte. Dieser kann dem Angriff nicht mehr aus- weichen, hat seine Muskete fallen gelas- Vom Dreißigjährigen Krieg bis sen, reißt in Panik die Musketengabel hoch zu und versucht noch, seine Seitenwaffe zu ziehen. Die Inszenierung ist von Vitrinen Als repräsentative Vermittlung der Ereig- umgeben, in denen die Originalstücke aus nisse des Kriegstheaters für eine zeitge- der Sammlung des Museums gezeigt und nössische privilegierte Oberschicht kön- ausführlich erklärt werden. Die Kampf- nen die großen Schlachtengemälde aus je- weisen von Kürassieren, Pikenieren und ner Epoche gelten. Oftmals bestimmen sie Musketieren werden zusätzlich an Pulten die Imagination der Kriegsrealität bis heu- erläutert, ebenso wie die Rekonstruktion te. So sind sie nicht nur von ihrem unbe- des Kavalleriepferds. streitbaren Schauwert her ein wichtiger Die Anordnung der Figurinen ist nicht Teil der Ausstellung. An dem berühmten zufällig gewählt. Sie basiert auf Berichten, Gemälde der Schlacht am Weißen Berg 40 | Daniel Hohrath und Tobias Schönauer: Eine Ausstellung entsteht

(1620) von Pieter Snayers, das am Ende päischen Heere – bei unseren Stücken han- des Abschnitts über die Zeit des Dreißig- delt es sich meist natürlich um deutsche, jährigen Kriegs hängt, lassen sich der oft nachweislich bayerische Exemplare – Reichtum an interessanten Details und zu- auch charakteristische osmanische Waf- gleich die Notwendigkeit einer kritischen fen. Bemerkenswert sind die wechselseiti- Interpretation solcher Kunstwerke zeigen. gen Einflüsse und Beziehungen: Die Mit weiteren bedeutenden Gemälden, von Helmform der Zischägge, wie sie die deut- Huchtenburgs Darstellung der Schlacht schen schweren Reiter trugen, hat osmani- von Höchstädt (1704) bis zu Kobells Mo- sche Vorbilder; das orientalische Ketten- numentalbild der Schlacht von Hanau hemd wurde in Venedig hergestellt. (1813), ist in diesem Raum des Museums Mehrere Gewehre mit verschiedenen eine kurze, aber eindrückliche Sequenz Zündmechanismen verweisen auf die von Schlachtengemälden zu sehen. wachsende Bedeutung der Infanterie in Die Veränderungen im Kriegswesen in Europa. Die Zahl der Musketiere wuchs den fünfzig Jahren nach dem Dreißigjähri- stark an, aber noch bis etwa 1700 mussten gen Krieg werden im nächsten Abschnitt Pikeniere sie mit ihren Spießen vor der Ka- gezeigt. Für die Zeit bis etwa 1700 werden vallerie des Gegners decken. Dieser Schutz hier besonders die sogenannten Türken- war besonders in den „Türkenkriegen“ ge- kriege thematisiert, auch wenn diese nur gen die starke osmanische Reiterei nötig. eine Variante der vielen Kriege im friedlo- Als Ersatz für Piken wurden Spundbajo- sen Europa jener Zeit waren. In unserem nette eingeführt, die im Lauf steckten und Zusammenhang, der Frage nach Waffe so zum Feuern entfernt werden mussten, und Waffengebrauch, ist dies gerechtfer- ein anderes Schutzelement bildeten die so- tigt, denn bis auf wenige Anpassungen an genannten „Spanischen Reiter“, eine mo- die osmanischen Taktiken unterschieden bile Verschanzung aus zusammengesteck- sich Bewaffnung und Kampfweisen der ten Spießen. Ein solcher ist in der Ausstel- europäischen Armeen hier nicht von de- lung aufgebaut. nen auf den westlichen Kriegsschauplät- Das große bekannte Bildnis des bayeri- zen. Außerdem spielen die Türkenkriege schen Kurfürsten Max Emanuel, der als in der Überlieferung der Bayerischen Ar- Fürst und Feldherr in einer Person mit ho- mee und des Bayerischen Armeemuseums hem persönlichen Einsatz seine Truppen eine wichtige Rolle. Kurfürst Max II. Ema- in den Türkenkriegen führte, leitet zu ei- nuel bewährte sich hier als Feldherr, und ner kleinen Galerie von Feldherrenport- kurbayerische Truppen sowie weitere räts über: Die Epoche von 1650 bis 1800 süddeutsche Kontingente hatten an den gilt als die Zeit der „großen Feldherren“. Auseinandersetzungen in Ungarn und auf Die Aufmerksamkeit der Öffentlichkeit dem Balkan besonderen Anteil. konzentrierte sich auf ihr Handeln. Einige Mit den Osmanen trafen die Soldaten der Fürsten führten ihre Armeen persönlich nunmehr zunehmend auf Dauer formier- an, wie außer Max Emanuel von Bayern ten stehenden Heere auf einen anders or- etwa Karl XII. von Schweden oder Fried- ganisierten, aber gleichstarken Gegner. rich II. („Friedrich der Große“) von Preu- Man sieht, dass hier noch keine technolo- ßen. gische Überlegenheit des „Westens“ den Viele Feldherren entstammten dem höchs- Sieg garantierte. Dies ist eine falsche Rück- ten Adel, was ihre Autorität sicherte. Es projektion von den Kolonialkriegen des gab aber auch, freilich selten, Soldaten, die späten 19. Jahrhunderts. Zwei Vitrinen im Krieg von unten bis in die höchsten zeigen neben typischen Waffen der euro- Ränge aufstiegen. Nicht selten wurden Daniel Hohrath und Tobias Schönauer: Eine Ausstellung entsteht | 41

Heerführer verwundet oder getötet, was Geschützmodelle stehen für die zuneh- den Verlauf des ganzen Krieges beeinflus- mende Bedeutung der Feldartillerie. sen konnte. Ihre Darstellung in Bildnissen Der letzte Abschnitt ist den Kriegen im Ge- suggeriert absolute Kontrolle über das Ge- folge der französischen Revolution gewid- schehen. Mit der Realität auf den Schlacht- met, die zum Auslöser einer neuen, 24 Jah- feldern hatte das meist wenig zu tun. re dauernden Kriegsepoche wurde, die Gleichwohl ist das Bild des Feldherrn als Europas politische Ordnung nachhaltig der entscheidenden Persönlichkeit auf verändern sollte. Durch die Revolution dem Schlachtfeld in der zeitgenössischen konnte der junge Artillerie-Offizier Napo- Selbstdarstellung und der historischen Er- leon Bonaparte zum General und „Kaiser innerung unverzichtbar für das Verständ- der Franzosen“ aufsteigen. Ob und wie- nis des zeremoniellen „Kriegstheaters“ weit die Kriegsführung in jener Zeit tat- der Frühen Neuzeit.7 sächlich revolutioniert wurde, ist immer Die Feldherrenbilder passen auf den gan- wieder diskutiert worden. Die Heere wur- zen Zeitraum der Kriege der dynastischen den größer, durch die gesellschaftlichen Fürstenstaaten, den man von 1650 bis 1792 Umwälzungen in Folge der französischen ansetzen kann: Die vielen mittleren Staaten Revolution wurden Soldaten leichter ver- – so auch das Kurfürstentum Bayern – fügbar und ersetzbar, denn die Wehr- konkurrierten um Macht und Rangstel- pflicht machte sie „billiger“. Nationale Be- lung. Sie schlossen sich den rivalisieren- geisterung sollte fehlenden Drill ausglei- den Großmächten in wechselnden Bünd- chen. Mit den massenhaft rekrutierten nissen an und stellten ihnen Truppen zur jungen Soldaten war die komplizierte Li- Verfügung, um sich als wertvolle Verbün- neartaktik nicht mehr möglich. Die Kriegs- dete zu positionieren. führung wurde beweglicher und aggressi- Militärgeschichtlich hebt sich die Zeit ver, so dass die kleineren und schwerfälli- nach 1700 nochmals deutlich von dem vo- gen Berufsheere alter Art sich häufig un- rausgehenden halben Jahrhundert ab, des- terlegen zeigten. halb ist dem 18. Jahrhundert ein eigener Die Vitrine mit den Waffen der „napoleo- Abschnitt gewidmet: Nun bestimmten nischen Zeit“ zeigt aber zugleich, dass es endgültig stehende Heere langdienender keine grundlegenden technischen Neue- Soldaten das Schlachtfeld, und die wich- rungen in Ausrüstung und Bewaffnung tigste Waffengattung wurde endgültig die gab. Allerdings wurde die Waffenherstel- Infanterie, dank zweier scheinbar unspek- lung rationalisiert, um die immer größe- takulärer Neuerungen: Dem Steinschloss- ren Heere auszustatten. Und vor allem gewehr und dem Tüllenbajonett, das die- wurde die Artillerie weiter vermehrt und ses zur Schuss- und Stichwaffe gleichzeitig beweglicher gemacht. Sie wurde in vielen machte. Mit gut ausgebildeten, diszipli- Schlachten zur entscheidenden Waffengat- nierten Berufssoldaten ließ sich die an- tung. Dafür steht der bayerische Sechs- spruchsvolle Lineartaktik ausführen, die Pfünder „Arco Carl“ in voller Größe im sehr viel mehr Feuerkraft auf dem Raum. Seine auf die Besucher gerichtete Schlachtfeld entfaltete, weil die in nur drei Mündung symbolisiert die tödliche Ge- Gliedern hintereinander in langen Linien walt des Geschützes. aufgestellten Soldaten nunmehr alle Als Bündnispartner wurde gleichzeitig bis zu drei Schüsse in der Mi- Bayern stark vergrößert und 1806 zum Kö- nute abgeben konnten. Eine große Vitrine nigreich. Dass es nach 1815 seinen Status zeigt die typischen Waffen der Infanterie halten konnte, verdankte es nicht zuletzt und Kavallerie des 18. Jahrhunderts, zwei dem rechtzeitigen Bündniswechsel von 42 | Daniel Hohrath und Tobias Schönauer: Eine Ausstellung entsteht

1813, für den das große Gemälde der die Verteidiger, dann unter Lebensgefahr Schlacht von Hanau am Ende des Saales für die Angreifer. steht. An die großen Opfer an Menschen- Weitere Vitrinen zeigen das Arsenal von leben, die jene Kriege, namentlich aber Artillerie und „Ernst-Feuerwerk“, das bei Napoleons gescheiterter Russlandfeldzug Belagerungen zum Einsatz kam. Die Band- forderten, erinnern einige der eindrucks- breite reicht von Mörsern und schwe- vollen Aquarelle des württembergischen ren Geschützen über allerlei Brand- und Offiziers und Augenzeugen Christian Wil- Sprenggeschosse (die heute nur noch sel- helm von Faber du Faur, ein besonderer ten erhalten sind) bis zu den Handgrana- Schatz der graphischen Sammlung des ten, die von Grenadieren beim Sturman- Bayerischen Armeemuseums. griff geworfen wurden.

„Der Krieg um die Festungen“ „Der Alltag des Krieges“

Kommen wir noch zu den beiden kleine- Der kleinere Turmraum auf der anderen ren Räumen: Im Fünfeckturm werden Be- Seite wirft ein Schlaglicht auf den „Klei- lagerungen thematisiert. Festungsstädte nen Krieg“, wie man die alltäglichen Ge- spielten in fast allen europäischen Kriegen waltaktionen im 18. Jahrhundert bezeich- der Frühen Neuzeit eine bestimmende nete. Schlachten und Belagerungen waren Rolle. Belagerungen von Festungen nah- ja nur einzelne Großereignisse in der lan- men in den meisten Kriegen der Epoche gen Zeit, über die sich Feldzüge hinzogen. nicht nur einen sehr viel größeren zeit- So umfasst der vielleicht harmlos klingen- lichen Raum ein als die wenigen großen de Begriff des „Kleinen Krieges“ letztlich Schlachten, tatsächlich war auch ihre stra- den gesamten Alltag der Kriegsgewalt, die tegische Bedeutung oft wesentlich höher kleinen Gefechte und Überfälle, die endlo- zu bewerten. Viele Feldzüge drehten sich sen Märsche, die verzweifelte Suche nach um den Besitz einzelner Festungsstädte. Verpflegung für die gefräßigen Heere, Auf den technischen Wettlauf zwischen Feldlager und Einquartierungen, Requisi- Angriff und Verteidigung verweisen Fes- tionen und Plünderungen und damit auch tungsmodelle. In der Mitte des Raumes all das, was den Krieg zur Katastrophe für ist das sensationelle Planungsmodell von die Bevölkerung (und ge­nauso auch für Ingolstadt aus der Zeit um 1570 zu be- die einfachen Soldaten) machte. wundern. Es ist eines der ältesten Modelle Für eine Ausstellung stellt der Kleine einer frühen bastionären Stadtbefestigung Krieg ein Problem dar, denn außer einigen überhaupt. Weniger spektakulär, aber Bildern, die sein Geschehen genrehaft, sei ebenso eindrucksvoll als Objekt ist eine in es verharmlosend oder auch mit allen Ver- Ingolstadt ausgegrabene Schubkarre aus satzstücken der Kunst möglichst gruselig dem Jahre 1537. Sie erinnert an die gewal- darstellen, gibt es kaum erhaltene Sach- tigen Erdbewegungen, die beim Bau und zeugnisse. Hunger, Elend und Grausam- der Belagerung einer Festung in kürzester keit können zwar beschrieben, aber kaum Zeit und mit primitivsten Mitteln ausge- anhand von musealen Objekten gezeigt führt wurden: von Soldaten, Stadtbürgern werden. So stehen exemplarisch für die und den Bauern des Umlandes. Während Hauptakteure bei uns die leichten Trup- die Bürger für den Schutz ihrer Stadt pen des Österreichischen Erbfolgekrieges, schanzten (davon kommt der Spitzname namentlich die Panduren des Obersten der Ingolstädter: „Schanzer“), mussten die Trenck, die 1742 bis 1744 im bayerischen Bauern für beide Seiten schuften, erst für Raum Angst und Schrecken verbreiteten. Daniel Hohrath und Tobias Schönauer: Eine Ausstellung entsteht | 43

Von ihnen fanden sich in der Sammlung des Armeemuseums neben bildlichen 1 An dieser Stelle herzlichen Dank für die Un- Darstellungen einige originale Waffen. terstützung durch Frau Christin Krischke (Bücke- Ansonsten symbolisiert eine geöffnete burg), Frau Rebecca Güldenring (Bückeburg), Herrn Eberhard Senckenberg vom Lehr-, Ver- Kriegskasse als begehrtes Beuteobjekt die suchs- und Fachzentrum für Pferdehaltung Bedeutung des Geldes für die Kriegsfüh- (Haupt- und Landgestüt Schwaiganger) sowie Herrn Dr. Marcus Junkelmann. rung, und das Modell eines Donaufloßes 2 Vgl. u.a. Sabine Eickhoff / Franz Schopper, verweist auf die Probleme des Transports 1636 – ihre letzte Schlacht. Leben im Dreißigjähri- von Truppen und Versorgungsgütern in gen Krieg, Berlin 2012, S. 160-163. 3 Als Grundlage für Rekonstruktionen vgl. Zeiten, als es an ausgebauten Straßen man- etwa Eduard Wagner, Tracht, Wehr und Waffen gelte. In einer Wandnische liegen Helme im Dreißigjährigen Krieg, Hanau 1980; Vladimir mit primitiven Reparaturen aus der Zeit Brnardic, Imperial Armies of the Thirty Years‘ War, Part 1. Infantry and artillery, Oxford 2009 des Dreißigjährigen Krieges. Sie wurden und ders., Imperial Armies of the Thirty Years‘ zusammen mit menschlichen Überresten War, Part 2. Cavalry, Oxford 2010. auf einem Feld nahe München gefunden. 4 Dank an das „Kurbairische Dragonerregi- ment Johann Wolf e.V.“ Vermutlich waren die Toten marodieren- 5 Vgl. u.a. Johann Jacob von Wallhausen, de Soldaten, die von Bauern umgebracht Kriegskunst zu Fuß (Bd. 2), Oppenheim 1615. 6 Vgl. Karlheinz Scheible, Die Schlacht von wurden. Sie werfen ein kleines Schlaglicht Alerheim – 3. August 1645. Ein Beitrag zur Ge- auf die alltägliche Gewalt und das Schick- schichte des Dreißigjährigen Krieges, Alerheim sal der unzähligen namenlosen Menschen, 2004; Alexander Lutz, Anthropologische Untersu- chungen an Massengräbern aus dem Dreißigjähri- die Täter oder Opfer jener Kriege und oft- gen Krieg (unveröffentlichte Diplomarbeit), Mün- mals beides zugleich waren. chen 2010; Kathrin Misterek, Ein Massengrab aus der Schlacht von Alerheim am 3. August 1645, in: Bayerisches Landesamt für Denkmalpflege (Hg.), Bericht der Bayerischen Bodendenkmalpflege, Band 53 (2012), S. 361-391. 7 Siehe den Beitrag von Marian Füssel in die- sem Band.

KATALOG

51 Die Schlacht in der Frühen Neuzeit

Schlachten zwischen ganzen Armeen In der Regel waren es große Ebenen, auf waren zweifellos die dramatischen Höhe- denen die geschlossenen Formationen punkte der Kriegsgewalt in der Frühen sich bewegen konnten. Da die Entfernun- Neuzeit. In der langen Zeitspanne zwi- gen, in denen die Geschosse der Handfeu- schen dem späten 16. und dem frühen erwaffen und selbst der Kanonen treffen 19. Jahrhundert blieben die physischen konnten, sehr gering waren, standen sich Rahmenbedingungen der Kriegsführung die Heere in Schlachten und Gefechten relativ konstant: Alle Bewegungen wurden „Auge in Auge“ gegenüber. Es kam immer zu Fuß oder zu Pferde ausgeführt, und die wieder zum Nahkampf mit Hieb- und Feuerwaffen funktionierten mit Schwarz- Stichwaffen. pulver. Auch wenn die Heeresstärken Allerdings gewannen die Feuerwaffen im und die Zahl der Truppen, die sich in Lauf der Zeit immer mehr an Bedeutung. Schlachten gegenüberstanden, in den zwei Zunehmend beherrschten Gewehre und Jahrhunderten kontinuierlich anwuchsen, Kanonen das Schlachtfeld. Sie wurden blieb die Ausdehnung der Schlachtfelder immer handlicher und einfacher zu bedie- begrenzt. Eine Schlacht fand auf einem nen, damit zahlreicher und langsam auch Raum von einigen Quadratkilometern wirkungsvoller. Doch erst im 18. Jahrhun- statt und dauerte in der Regel nur wenige dert war die gesamte Infanterie einheitlich Stunden, in denen die gegnerischen Heere mit Steinschlossgewehren mit Bajonetten direkt aufeinandertrafen. ausgestattet. Die taktischen Formationen, Der Ausgang einer Schlacht war von vie- in denen die Soldaten zu kämpfen hatten, len Zufällen und Einflüssen bestimmt und änderten sich mit dieser Entwicklung der bedeutete daher ein hohes Risiko. Deshalb Feuerwaffen. versuchten viele Feldherren, Schlachten Die Heere der Frühen Neuzeit bestanden nach Möglichkeit zu vermeiden. in der Masse aus Soldaten zu Fuß, der Trotz ihrer Anlage als „Zweikampf“ der Infanterie. Der Anteil der berittenen Trup- feindlichen Kriegsparteien waren Schlach- pen, der Kavallerie, schwankte im Lauf ten oft nicht kriegsentscheidend. Sieg und der Zeit, doch bildeten sie üblicherweise Niederlage waren manchmal gar nicht den kleineren Teil einer Armee. Immer klar zu bestimmen. In diesen kurzen, aber bedeutender wurde allerdings die Artil- überaus heftigen Auseinandersetzungen lerie, deren Geschütze beweglicher und wurden viele Tausende von Soldaten getö- effektiver wurden. Während im frühen 17. tet und verwundet. Nicht selten beliefen Jahrhundert nur recht wenige der schwe- sich die Verluste auf bis zu einem Viertel ren Kanonen auf dem Schlachtfeld einge- der eingesetzten Truppen, die am Abend setzt werden konnten, wurde eine immer auf der „Wahlstatt“ lagen. stärkere und beweglichere Artillerie bis Auf dem Schlachtfeld stießen die gegne- zur Wende zum 19. Jahrhundert zuneh- rischen Truppen in der planmäßig aufge- mend zur entscheidenden Waffengattung. stellten „Schlachtordnung“ aufeinander. 1618-1648 30 Jahre Krieg

Um 1600 verschärften sich im Heiligen Römischen Reich konfessionelle Gegen- sätze und politische Rivalitäten. Mit dem Prager Fenstersturz vom 23. Mai 1618 begann ein regionaler Konflikt in Böhmen, der sich zu einem europäischen Krieg aus- wuchs. Er sollte 30 Jahre dauern. Schauplatz des Krieges war das Reich. Hier war Herzog Maximilian von Bayern einer der wichtigsten Akteure. Das Herzogtum Bayern war um 1600 der einzige Flächen- staat in Süddeutschland. Mit seinem weit- gehend geschlossenen Territorium, in dem etwa eine Million Menschen lebten, war es das einwohnerstärkste Herrschaftsgebiet innerhalb des Deutschen Reiches mit sei- nen 17 Millionen Einwohnern. Durch seine zielgerichtete Finanzpolitik ge- lang es Maximilian, ein schlagkräftiges Heer aufzustellen. Viele Herrscher mussten aus Finanzmangel die Werbung von Söldnern an militärische Unternehmer übergeben. Bei den Habsburgern war dies ab 1625 der böhmische Adelige Albrecht von Wallen- stein. Maximilian dagegen war in der Lage, einen anderen Weg einzuschlagen, da er seine Armee bezahlen konnte. Dadurch behielt er die vollständige Kontrolle über seine Streitmacht und seinen Feldherrn Johann Tserclaes von Tilly (1559-1632), der 1610 in bayerische Dienste trat. Als 1609 das katholische Bündnis mit dem Namen Liga gegründet wurde, ernannten seine Mitglieder Maxmilian zum Bundes- obristen, da die 25.000 Mann umfassende

Ausschnitt aus: Herzog Maximilian I. von Bayern (1573-1651), Kupferstich, nach 1621, vollständiges Bild Höhe 23,7 cm, Breite 15,5 cm Bayerisches Armeemuseum, Inv.-Nr. 0051-1968 Die Schlacht – Der Dreißigjährige Krieg | 53

Armee der Liga überwiegend von ihm Von den 17 Millionen Menschen, die vor finanziert wurde. Mitte der 1630er Jahre dem Krieg im Reich gewohnt hatten, waren bestand sie fast ausschließlich aus baye- 1648 nur mehr etwa 10 Millionen übrig rischen Truppen. So hatte Bayern wäh- geblieben. Der Krieg und seine Begleit- rend des Dreißigjährigen Krieges militä- erscheinungen wie Hunger und Seuchen risch eine Bedeutung erlangt, das es weder führten dazu, dass am Ende in manchen vorher noch nachher je wieder erreichen Teilen des Reiches nur noch ein Drittel der sollte. Die Armee war letztlich auch die Bevölkerung lebte. Das Unvermögen der Voraussetzung dafür, dass Maximilian Staaten, die von ihnen geworbenen Solda- viele seiner politischen Ziele erreichen ten zu entlohnen und zu versorgen, hatte und behaupten konnte. zu einer Verschärfung der Kriegsführung Kaiser Ferdinand II. (1578-1637) war beim geführt. Der Krieg ernährte sich aus dem Ausbruch des böhmischen Aufstandes Land. Systematische Verwüstungen und finanziell nicht in der Lage, ein eigenes die Heereszüge führten zu Fluchtbewe- Heer aufzustellen. So bat er den Bayern- gungen und verbreiteten Seuchen. Es herzog um Unterstützung. Für seine Hilfe sollte mehr als ein halbes Jahrhundert erhielt Maximilian die Oberpfalz (1623 dauern, bis die Verluste durch Geburten bzw. dauerhaft ab 1628) und die bisherige und Zuwanderung wieder einigermaßen Pfälzer Kurwürde (offiziell 1623). Diese ausgeglichen werden konnten. Entscheidung sollte sich erheblich auf Erst der „Westfälische Friede“ von 1648 die Dauer des Krieges auswirken, da die setzte eine Ordnung, die zwar keinen protestantische Seite eine derartige Ver- dauerhaften Frieden, aber ein stabileres schiebung der Machtverhältnisse im Reich Mächtesystem in Europa installierte. Seine nicht akzeptieren wollte. Regelungen blieben bis zur Auflösung Nach der Niederschlagung des böhmi- des Heiligen Römischen Reiches Deut- schen Aufstandes traten bald auch andere scher Nation im Jahr 1806 Bestandteile der europäische Mächte wie Dänemark (1623- Reichsverfassung. Trotz seiner militärisch 1629), Schweden (ab 1630) und Frankreich schwachen Stellung am Ende des Krie- (ab 1635) in den Krieg ein. Der religiöse ges gelang es Maximilian, die Oberpfalz Charakter der Auseinandersetzungen trat zu behaupten. Auch die Kurwürde blieb zunehmend in den Hintergrund. Macht- seiner Linie erhalten. Allerdings zahlte politische Interessen bestimmten die Bayern einen hohen Preis, da es vor allem wechselnden Koalitionen. So verbündete durch Hungersnöte und Epidemien an die sich das katholische Frankreich zeitweise 35 Prozent seiner Einwohner verlor. mit dem protestantischen Schweden. 1600-1650 Mit Piken und Musketen

In den Söldnerheeren des Dreißigjährigen Krieges kämpften die Fußsoldaten zuerst noch in großen Gewalthaufen von bis zu 2500 Mann. Die Pikeniere mit ihren langen Stangenwaffen sollten einen schützenden Wall für die Musketiere bilden können, die eine Schützenreihe um diese so genann- ten Tercios formierten. So hielten sie den Gegner auf Abstand. Im Laufe des Krieges setzten sich jedoch kleinere und bewegli- chere Formationen durch. Immer mehr Handfeuerwaffen kamen zum Einsatz. Obwohl die Musketiere bald die Hälfte der Mannschaft ausmachten, prägten die Pikeniere mit ihren Langspießen weiter- hin das Erscheinungsbild der Heere. Die Reiterei stellte oft mehr als ein Drittel der Armee. Rüstungen boten zwar auf län- gere Distanz noch immer einigen Schutz vor den Bleikugeln der schwachen Hand- feuerwaffen, aber sie waren teuer und hinderten die Beweglichkeit. So kamen sie zunehmend außer Gebrauch und die leichte Kavallerie setzte sich immer mehr durch. Mit ihr konnte man auch immer größere Räume zur Nahrungsmittelbe- schaffung kontrollieren. Kanonen spielten auf dem Schlachtfeld nur eine geringe Rolle. Allerdings änderte sich das durch den Einsatz von leichte- ren Geschützen, mit denen ein Stellungs- wechsel im laufenden Gefecht leichter möglich wurde. Der Ablauf der Kämpfe wurde jedoch überwiegend durch das Zusammenspiel von Fußvolk und Reiterei bestimmt.

Ausschnitt aus: Johann Jacob von Wallhausen, Kriegskunst zu Fuß (Bd. 2), Oppenheim 1615 Die Schlacht – Der Dreißigjährige Krieg | 55

Johann Tserclaes Graf von Tilly

Der aus Brabant stammende Tilly war Nach der Entlassung Wallensteins über- neben Wallenstein und Gustav Adolf von nahm Tilly im November 1630 das Dop- Schweden der berühmteste Feldherr des pelkommando über die kaiserlichen und Dreißigjährigen Krieges. Er führte die bay- ligistischen Truppen. erische Armee und zeitweise in Personal- Fest verbunden mit seinem Namen ist die union auch die kaiserliche. weitgehende Zerstörung Magdeburgs im Tillys militärische Karriere begann um Mai 1631, bei deren Erstürmung mindes- 1578 in spanischen Diensten. So nahm er tens 20.000 Menschen den Tod fanden. an zahlreichen Feldzügen (u.a. am langen Tilly war tief religiös und kämpfte stets Türkenkrieg) teil. 1610 trat er als Gene- für die katholische Seite. Nach einer Ver- ralleutnant in bayerische Dienste. Bei der wundung bei Rain am Lech wurde er nach Schlacht am Weißen Berg führte er 1620 Ingolstadt gebracht, wo er am 30. April den Oberbefehl. Dort konnte er einen der 1632 starb. wichtigsten und nachhaltigsten Siege der katholischen Seite im gesamten Dreißig- jährigen Krieg erringen. In den folgenden Johann Tserclaes von Tilly, Kupferstich von Johann Alexander Böner nach dem Gemälde von Jahren festigte Tilly die Machtstellung Anthonis van Dyck, 28,3 x 17,2 cm Bayerns durch viele militärische Erfolge. Bayerisches Armeemuseum, Inv.-Nr. N 5122 56 | Die Schlacht – Der Dreißigjährige Krieg

Maximilian I. von Bayern

Maximilian I. (1573-1651) regierte Bayern Maximilian I. von Bayern war der wich- seit 1597. Er war einer der bedeutendsten tigste Verbündete des Kaisers während Fürsten seiner Zeit und wohl der einzige, des Krieges. Als Bundesoberst der katholi- dessen Regierungszeit den ganzen Drei- schen Liga (1609), eines Zusammenschlus- ßigjährigen Krieg umfasste. ses der katholischen Reichsstände, betrieb Dieses Gemälde zeigt ihn als jungen Mann Maximilian eine ehrgeizige Außenpolitik von etwa 25 Jahren mit Harnisch, Helm und bot eine starke Kriegsmacht auf. Doch und Degen. konnte er nicht verhindern, dass Bayern Während seiner Regierung gelang es durch mehrmalige Einfälle feindlicher Maximilian, das Staatsgebiet wesentlich Truppen schwer verwüstet wurde. zu erweitern und zum Kurfürsten zu wer- den. Bayern entwickelte sich in dieser Zeit Herzog Maximilian I. von Bayern, bayerisch, zu einem der am besten verwalteten Staa- vor 1600, Öl auf Leinwand, 139 x 101 cm ten Europas. Bayerisches Armeemuseum, Inv.-Nr. 0466-1966 Die Schlacht – Der Dreißigjährige Krieg | 57

Friedrich von der Pfalz

Friedrich V., Kurfürst von der Pfalz (reg. Burg. Mit diesem „Prager Fenstersturz“ 1610-1623), war von 1619 bis 1620 auch begann der Dreißigjährige Krieg. König von Böhmen. Diese kurze Regie- 1619 wählten die böhmischen Stände rungszeit brachte ihm den Spottnamen Friedrich zu ihrem König. Bereits 1620 „Winterkönig“ ein. setzte die Schlacht am Weißen Berg seiner Friedrich gehörte zur Pfälzer Linie der Herrschaft ein Ende. Friedrich musste flie- Wittelsbacher, die zum reformierten Glau- hen und verlor sowohl seine Kurwürde ben übergetreten war. Die Kurpfalz setzte als auch die pfälzischen Erblande. Eine sich aus Gebieten am Rhein, der „Unteren dauerhafte Folge dieser Ereignisse war Pfalz“, sowie der „Oberen Pfalz“ mit der die Angliederung der Oberpfalz an Bay- Hauptstadt Amberg zusammen. ern. Friedrich verbrachte den Rest seines Das Königreich Böhmen wurde seit 1526 Lebens im Exil. 1632 starb er in Mainz in Personalunion von den Habsburger wahrscheinlich an der Pest. Kaisern regiert. 1618 widersetzte sich der protestantische Adel Böhmens diesem Friedrich von der Pfalz, deutsch, um 1620, Herrschaftsanspruch. Am 23. Mai 1618 Öl auf Leinwand, 208,5 x 117 cm Leihgabe des Bayerischen Nationalmuseums, stürzten Aufständische die Statthalter Inv.-Nr. R 7331 des Kaisers aus einem Fenster der Prager Bayerisches Armeemuseum, Inv.-Nr. L 6204 58 | Die Schlacht – Der Dreißigjährige Krieg Die Schlacht – Der Dreißigjährige Krieg | 59 Der Pikenier

Die Hauptaufgabe der Pikeniere war es, eine Mauer aus langen Spießen zu bilden, die bei Kavallerieangriffen Schutz bie- ten sollte. Auch die Musketiere konnten sich bei Bedarf hinter diesen Schutzwall zurückziehen. In diesen Wald aus Piken konnte gegneri- sche Reiterei nicht eindringen und musste abdrehen. Dabei wurden sie zum Ziel für das Gewehrfeuer der Musketiere. Die bis zu 5 m langen Spieße war für den Einzelkampf zu unhandlich und sperrig, weshalb Pikeniere normalerweise in gro- ßen geschlossenen Formationen eingesetzt wurden. Um 1600 machten Sie etwa die Hälfte der Fußtruppen aus. Später sank ihre Zahl auf etwa ein Drittel ab. Pikeniere waren leicht gepanzert (Har- nisch und Helm). Im Laufe des Krieges legten sie diesen Schutz wegen der Beweg- lichkeit und der Kosten jedoch immer mehr ab.

Figurine eines Pikeniers Originalteile: Bayerisches Armeemuseum, Inv.-Nrn. A 953 (Pike), N 1323 (Birnhelm), A 1084 (Brust), A 1013 (Schwert), A 11729 (Rücken) Reproduktionen: Kopf (Wilhelm Knies), Schwertscheide, Hand- schuhe, Textilien und Schuhe (Kurbairisches Dragonerregiment Johann Wolf e.V.) 60 | Die Schlacht – Der Dreißigjährige Krieg

Harnisch für einen Pikenier

Pikeniere waren nur mit einer leichten Schutzausrüstung versehen. Sie bestand lediglich aus einer Schützen- haube oder einem Birnhelm und einem Pikenierharnisch und Sturmhaube, deutsch, um einfachen Harnisch aus Kragen, Brust- 1600, Stahl, Messing, Leder, und Rückenstück sowie kurzen Beinta- Harnisch mit Beintaschen (ohne Helm) Höhe 63 cm, schen. Die ganze Rüstung wog etwa 7,5 kg. Breite 62 cm Bayerisches Armeemuseum, Inv.-Nrn. A 1086 Sie hatte eine geringe Metallstärke und bot (Brust mit Beintaschen und Rücken), A 4375 somit nur relativ wenig Schutz. (Achselkragen), A 4520 (Helm) Die Schlacht – Der Dreißigjährige Krieg | 61

Spießeisen

Eine Pike besteht nur aus einer eisernen Hier sind beide Bänder abgebrochen, die Spitze mit einem vier bis fünf Meter lan- noch vorhandenen Reste wurden angelö- gen hölzernen Schaft. tet. Am Spießeisen wurden seitlich lange Eisenbänder angeschmiedet. Mit diesen wurde die Spitze am Schaft befestigt. Damit sollte verhindert werden, dass ein Spießeisen, deutsch, 16./17. Jahrhundert, Gegner das Eisen mit einem Schwerthieb Eisen, Holz, Länge 33,3 cm vom Schaft abtrennen konnte. Bayerisches Armeemuseum, Inv.-Nr. N 5286 62 | Die Schlacht – Der Dreißigjährige Krieg

Fußknechtsschwert

Pikeniere trugen für den Nahkampf ein Dieses Fußknechtsschwert ist relativ ein- Schwert oder einen Degen, um sich vertei- fach gestaltet und leicht (820 g). Die Hand digen zu können. wurde nur von einem Bügel und einer Die Qualität dieser Blankwaffen war sehr kurzen Parierstange geschützt. verschieden. Offiziere führten in der Regel Degen mit besser verarbeiteten Klingen. Fußknechtsschwert, deutsch, Ende 16. Jahrhundert, Jedoch konnten auch einfache Soldaten Stahl, Holz, Gesamtlänge 104 cm hochwertigere Blankwaffen erbeuten. Bayerisches Armeemuseum, Inv.-Nr. A 1021 Die Schlacht – Der Dreißigjährige Krieg | 63

Gefecht im Dreißigjährigen Krieg

Schlachten und Gefechte waren ein belieb- Bildes trägt ein Banner mit Blumenmuster. tes Motiv von Malern des 17. Jahrhun- Die Ähnlichkeit der Szene mit der Insze- derts. Diese fiktive Darstellung entstand nierung in der Raummitte ist ein Zufall. während des Dreißigjährigen Krieges. Das Gemälde wurde erst nach der Fertig- Die dargestellte Szene zeigt den Angriff stellung der Figurengruppe im Kunsthan- von Reiterei auf Pikenträger. Ein Küras- del erworben. sier setzt gerade zum Schwerthieb an. Die Fußknechte sind teilweise mit Helmen und Harnischen ausgerüstet. Einige sind bereits unter die Hufe der stürmenden Gefecht im Dreißigjährigen Krieg, Gemälde von Jan Martszen de Jonge, vor 1647, Öl auf Holz, Pferde geraten, andere wenden sich zur 56,5 x 72,5 cm Flucht. Der Fahnenträger in der Mitte des Bayerisches Armeemuseum, Inv.-Nr. 0195-2018 64 | Die Schlacht – Der Dreißigjährige Krieg Die Schlacht – Der Dreißigjährige Krieg | 65 Der Kürassier

Berittene Truppen machten zwischen einem Viertel und der Hälfte der Feldar- meen aus. Wegen ihrer größeren Beweg- lichkeit waren sie für die entscheidenden Bewegungen verantwortlich. Der Kürassier trug zu Beginn des Krieges noch einen Dreiviertelharnisch, der ihn bis zu den Knien schützte. Seine Panzerung nahm im Laufe des Krieges aber immer mehr ab, da sie teuer war, schwer ersetzt werden konnte und mit einem Gewicht von 25-30 kg unbequem war. Gegen feindliches Feuer bot sie jedoch durchaus noch einen gewissen Schutz. So waren das Brust- und das Rückenstück meist „schussfest“, d.h. sie konnte von einer Pis- tolenkugel aus einer Entfernung von 25 m nicht durchschlagen werden. Die Bewaffnung des Kürassiers bestand aus einem langen schwerem Degen und zwei Radschlosspistolen.

Figurine eines Kürassiers Originalteile: Bayerisches Armeemuseum, Inv.-Nrn. A 11631 (Helm), A 11768, A 791, A 11737, A 11696, N 5011, N 5012, N 5013 (Harnisch), A 11709 (Handschuhe), A 5415 (Schwert) Reproduktionen: Handschuhe (Leder), Stiefel (Replik aus dem Jahr 1886), Textilien 66 | Die Schlacht – Der Dreißigjährige Krieg

Radschlosspistolen

Zur Bewaffnung der Kürassiere gehörten malerweise nur für Schüsse aus einer Ent- neben dem Degen noch zwei Radschloss- fernung von weniger als 20 m. pistolen. Um das Schloss zu spannen, war ein spe- Da mit einer brennenden Lunte zu Pferde zieller Schlüssel nötig. Für den langwie- schlecht zu hantieren war, bot sich die rigen Ladevorgang mussten sich die Rei- Technik der Radschlösser für Reiterwaffen ter immer wieder aus der Reichweite des an. Sie waren jedoch teuer und sehr stör- Gegners zurückziehen. anfällig. Der Schwefelkies zur Erzeugung der Zündfunken rieb sich schnell ab. Eine zuverlässige Zündung war damit nicht Zwei Radschlosspistolen, deutsch, 1. Hälfte immer gewährleistet. Deshalb nahm man 17. Jahrhundert, Birnbaumholz, Eisen, Stahl, Länge je 64 cm ins Gefecht stets zwei Pistolen mit. Ver- Bayerisches Armeemuseum, Inv.-Nrn. A 852 (oben) wendet wurde die Radschlosspistole nor- und A 853 Die Schlacht – Der Dreißigjährige Krieg | 67

Holster für Radschlosspistolen

Radschlosspistolen wurden beiderseits Stoff oder Leder befestigt, um die Pistolen des Sattelknaufs in passenden Holstern vor Nässe zu schützen. mitgeführt. Die aus Leder gefertigten Futterale ermög- lichten es dem Reiter, die Waffe unkom- Holster für Radschlosspistolen, deutsch(?), 17. Jahrhundert, Rindsleder, Länge je 42 cm pliziert und schnell zu ziehen. Manchmal Bayerisches Armeemuseum, Inv.-Nrn. A 831 waren an den Holstern auch Klappen aus und A 832 68 | Die Schlacht – Der Dreißigjährige Krieg

Pappenheimer Harnische

Die Sammlung von Dreiviertelharnischen liehen ihnen ein bedrohliches Aussehen. aus der Frühzeit des Dreißigjährigen Krie- Das Gesamtgewicht einer derartigen Rüs- ges ist einzigartig im deutschsprachigen tung beträgt etwa 21 kg. Man bezeichnete Raum. diese Art von Harnisch auch als Pappen- Anders als die kunstvollen Rüstungen des heimer – nach dem Reitergeneral Gottfried 15. und 16. Jahrhunderts, stellen derartige Heinrich zu Pappenheim (1594-1632). Harnische nur noch ein roh gearbeitetes Massenprodukt dar. Zum besseren Schutz gegen Rost schwärzte Neun Dreiviertelharnische, deutsch, um 1620, Stahl, Eisen, Leder, Höhe mit Helm 137 cm man sie mit Leinöl. Die geschlossene (je nach Zusammenstellung der Stücke variierend) Sturmhaube und die schwarze Farbe ver- Bayerisches Armeemuseum, diverse Inv.-Nrn.

70 | Die Schlacht – Der Dreißigjährige Krieg

Feldbinde

Um die feindlichen Parteien auseinander- blaue, bei den schwedischen Einheiten halten zu können, nutzte man als Erken- kamen überwiegend blaue Feldbinden nungszeichen unter anderem farbige Feld- zum Einsatz. binden (Schärpen). Diese aus Wollstoff gefertigte Schärpe Eine einheitliche Uniformierung entstand wurde über die Schulter gelegt oder um in den Heeren der Frühen Neuzeit erst den Leib geschlungen. Sie war ursprüng- nach dem Dreißigjährigen Krieg. lich wohl grünblau. Kaiserliche Truppen trugen fast immer rote Schärpen. Bei den anderen Kriegspar- Feldbinde, deutsch(?), 17. Jahrhundert, teien war dies weniger einheitlich. Baye- Wollstoff, Länge 251 cm, Breite 32 cm rische Truppen nutzten mehrfach weiß- Bayerisches Armeemuseum, Inv.-Nr. N 5109 Die Schlacht – Der Dreißigjährige Krieg | 71

Stoßdegen

Diese Art von Stoßdegen, manchmal auch haus eingeschlagen. Somit ist diese Blank- als Rapier bezeichnet, war neben den Pis- waffe als alter bayerischer Zeughausbe- tolen die Hauptwaffe der Kürassiere. stand zu identifizieren. Allein im Depot Mit ihrem Gewicht von etwa 1,5 kg konn- des Armeemuseums haben sich Dutzende ten diese Waffen auch eine erhebliche solcher Stücke erhalten. Sie wurden mas- Schlagkraft entwickeln. senhaft produziert. Die Marke auf der Klinge kann dem Klin- genschmied Wolfgang Stantler zugeordnet werden. Die Stantlers waren über mehrere Generationen spezialisierte Handwerker in München. Stoßdegen, süddeutsch (München), 1600-1620, Neben der Herstellermarke wurden später Stahl, Eisen, Gesamtlänge 101,3 cm auch die Buchstaben „HZ“ für Hauptzeug- Bayerisches Armeemuseum, Inv.-Nr. A 11848 72 | Die Schlacht – Der Dreißigjährige Krieg Die Schlacht – Der Dreißigjährige Krieg | 73 Das Pferd

Um 1600 waren die Pferde kleiner als heute, aber sehr kräftig. Sie mussten neben dem Reiter auch seine schwere Ausrüs- tung (Sattel, Harnisch, Waffen) mit einem Gewicht von über 100 kg tragen. Für das hier gezeigte Tier stand ein „Lusitano“ Vorbild, eine Pferderasse, die den Pferden der schweren Kavallerie der damaligen Zeit entspricht. Es kamen jedoch bei weitem nicht nur reinrassige Pferdetypen zum Einsatz, denn im Ver- lauf des Dreißigjährigen Krieges wurde es immer schwieriger, in ausreichender Zahl geeignete Tiere zu finden oder zu requi- rieren. So griff man auf alle verfügbaren Pferde zurück. Auch das war ein Grund, weshalb die Pan- zerung der Reiter immer mehr abnahm, da untrainierte oder schwächere Tiere die Last nicht ausdauernd genug tragen konnten.

Skulptur eines Pferdes Originalteile: Bayerisches Armeemuseum, Inv.-Nrn. A 7614 (Trense), A 1183 (Steigbügel), A 1177 und A 1199 (Lederholster für Pistolen) Reproduktionen: Pferdeskulptur (Wilhelm Knies), Zaumzeug, Riemen für Steigbügel, Sattel und Sattelgurt (Werkstätten des Bayerischen Armeemuseums, Cornelia Koch, sowie Leder Art & Design Ulrike Brandstetter), Pistolen (Armin König) 74 | Die Schlacht – Der Dreißigjährige Krieg

Zaumzeug

Das mit Buntmetall verzierte Zaumzeug stammt aus der Sammlung des Münch- ner Historienmalers Frank Kirchbach. Die Zaumzeug, deutsch, um 1700 (teilweise ergänzt), zugehörige Trense ist an der Pferdeskulp- Leder, Buntmetall, Länge ca. 80 cm, Breite ca. 40 cm tur zu sehen. Bayerisches Armeemuseum, Inv.-Nr. A 7614 Die Schlacht – Der Dreißigjährige Krieg | 75

Dragonersattel

Die Sättel des 17. Jahrhunderts hatten zwei tert, der Aufbau mit Rosshaar gefüllt. An so genannte Galerien. Sie boten dem Rei- diesem Exemplar sind keine Spuren eines ter einen besseren Halt, wenn er sich seit- Gurtes oder Steigbügels erkennbar. Viel- lich zum Hieb herauslehnte. leicht wurden diese über die Sattelfläche Die Sitzfläche dieses Stückes ist für gepan- gezogen. zerte Reiter zu kurz. Es handelt sich um einen Sattel für Dragoner, die keine Panze- rung trugen. Dieser Sattel ist aus Rindsle- der gefertigt, das mit gegerbter Schweine- Sattel für Dragoner, deutsch, 17. Jahrhundert, Leder, Rosshaar, Schilf, Baumwolle, Metall, haut verstärkt wurde. Die Bodenfläche ist Länge 64 cm, Breite 80 cm, Höhe 40 cm mit Schilfhalmen und Baumwolle gefüt- Bayerisches Armeemuseum, Inv.-Nr. A 505 76 | Die Schlacht – Der Dreißigjährige Krieg

Piketpfahl

Piketpfähle, an denen die Pferde überall leicht angepflockt werden konnten, gehör- ten zum Gepäck der Truppen. Pferde waren in den alten Armeen eine extrem wichtige Ressource. Als Reit-, Zug- und Tragtiere kamen sie vielseitig zum Einsatz. Angeblich wurde dieser Pfahl bei Ingol- stadt gefunden. Dies könnte auf die Ver- wendung während der schwedischen Beschießung der Stadt im April/Mai 1632 hinweisen. Metallfuß und -öse legen die Vermutung nahe, dass dieses Stück län- gerfristig im Einsatz war. Das wertvolle Metall hätte man anderenfalls nicht für einen derartigen Zweck „verschwendet“.

Piketpfahl, süddeutsch(?), 17. Jahrhundert, Holz, Eisen, Länge 136 cm Bayerisches Armeemuseum, Inv.-Nr. N 5105

78 | Die Schlacht – Der Dreißigjährige Krieg Die Schlacht – Der Dreißigjährige Krieg | 79 Der Musketier

Die Musketiere mit ihren schweren Mus- keten führten den Feuerkampf. Die Waffe gab diesen Einheiten ihren Namen. Der Ladevorgang dauerte lange. Die Treff- genauigkeit und Durchschlagskraft nah- men bei steigender Distanz stark ab. Für die 4,5 bis 7 kg wiegenden Feuerwaffen war eine Stützgabel nötig, um sie abfeuern zu können. Im Laufe des Krieges wurden sie jedoch immer leichter. Im Nahkampf konnte der Kolben der Gewehre oder ein kurzer Säbel bzw. Schwert genutzt werden. Musketiere waren normalerweise unge- panzert und somit im Nahkampf der Kavallerie unterlegen, wenn sie ihre Mus- kete abgefeuert hatten. In diesem Fall zogen sie sich meist hinter die Pikeniere zurück, wo sie einigermaßen geschützt nachladen konnten. Löste sich die Forma- tion von Pikenieren und Musketieren auf, konnte die Reiterei unter ihnen ein Blut- bad anrichten.

Figurine eines Musketiers Originalteile: Bayerisches Armeemuseum, Inv.-Nrn. A 936 (Bandelier), A 8207 (Musketengabel), A 1099 (Muskete), A 1019 (Schwert) Reproduktionen: Kopf und Hände (Wilhelm Knies), Schwert- scheide und Textilien (Kurbairisches Dragonerre- giment Johann Wolf e.V.), Filzhut mit Feder, Schuhe 80 | Die Schlacht – Der Dreißigjährige Krieg

Filzhut und Hirnhaube

Fußsoldaten waren zu Beginn des Krie- wenn häufig Federn als modische Zutat ges manchmal noch mit einem Helm aus- verwendet wurden. gerüstet. Die Musketiere legten diesen Unter dem Hut wurden vereinzelt eiserne Schutz jedoch bald ab und trugen nur Hutkreuze oder Hirnhauben getragen. Mit mehr einen Filzhut. ihnen hoffte man den Kopf vor Schwert- Objekte aus Stoff sind aus dieser Zeit sehr hieben zu schützen. selten. Meist haben sie sich aufgrund von Schädlingsbefall nicht erhalten oder wur- Schlapphut, deutsch(?), Anfang 17. Jahrhundert, den aufgetragen. Filz, Durchmesser 42,5 cm Ein Hut bot keinen Schutz gegen Hiebe Bayerisches Armeemuseum, Inv.-Nr. A 1161 mit Blankwaffen oder gegen Beschuss, Hirnhaube, deutsch, 16. Jahrhundert, schützte aber vor Regen und Sonne. So Stahl, Höhe 11 cm, Breite 21 cm, Tiefe 23 cm überwogen praktische Überlegungen, auch Bayerisches Armeemuseum, Inv.-Nr. A 11598 Die Schlacht – Der Dreißigjährige Krieg | 81

Schwert

Um sich im Nahkampf verteidigen zu können, trugen die Musketiere leichte Schwerter oder Degen als Seitenwaffe. Nach dem Abfeuern der Muskete waren die Musketiere ungeschützt. Bis zum Nachladen konnten sie sich nur mit dem Kolben ihres Gewehrs oder mit der kurzen Schwert, deutsch, 17. Jahrhundert, Blankwaffe zur Wehr setzen. Dieses Stück Stahl, Holz, Leder, Gesamtlänge 94,5 cm ist mit 755 g sehr leicht. Bayerisches Armeemuseum, Inv.-Nr. A 1012 82 | Die Schlacht – Der Dreißigjährige Krieg

Muskete mit Stützgabel

Luntenschlossmusketen waren wie alle frühzeitig zünden, bei Regen die Lunte militärischen Feuerwaffen der Frühen verlöschen. Neuzeit Vorderlader. Das Gewicht einer Muskete lag zu Beginn Man schüttete das Schwarzpulver von des Krieges bei über 7 kg. Aus diesem vorne in den Lauf und verdämmte die Grund war ein Schuss nur möglich, wenn Bleikugel mit einem Papier oder Stoffläpp- eine Stützgabel verwendet wurde. In der chen. Um die Ladung im Lauf zu zünden, freien Hand konnte die Waffe nicht ruhig musste eine kleine Menge Pulver am genug gehalten werden. Später wurden Zündloch zur Explosion gebracht werden. die Gewehre leichter. Dazu diente der Hahn mit einer glimmen- den Lunte, die beim Abzug auf das Pulver Luntenschlossmuskete, deutsch, ca. 1600-1650, gedrückt wurde. Eisen, Buchenholz, Länge 140,5 cm Das Luntenschloss war zwar wenig stör- Bayerisches Armeemuseum, Inv.-Nr. A 1100 anfällig, jedoch nicht zuverlässig und Musketengabel, deutsch, um 1600, manchmal gefährlich. Funkenflug von Eisen, Holz, Länge 145,5 cm der glimmenden Lunte konnte das Pulver Bayerisches Armeemuseum, Inv.-Nr. A 414 Die Schlacht – Der Dreißigjährige Krieg | 83

Pulverflasche

Jeder Schütze führte in einer Pulverflasche ren, da hierfür die Qualität des Pulvers eine Reserve an Schwarzpulver mit sich. wesentlich war. Schwarzpulver sollte aus etwa 100 Teilen Da Schwarzpulver ein Naturprodukt ist, Salpeter, 15 Teilen Kohle und 12 bis 15 war jede Lieferung von unterschiedlicher Teilen Schwefel bestehen. Die Menge, das Qualität. So prüfte man im Feld die Güte Mischungsverhältnis und die Körnung jedes Fasses, um zu beurteilen, wie viel hatten Auswirkung auf das Schusser- Pulver für einen Schuss verwendet wer- gebnis. Für einen Schuss wurde etwa die den sollte. Hälfte des Gewichts des Projektils benö- tigt. Pulverflasche, deutsch, 1. Hälfte 17. Jahrhundert, Es ist heute schwer zu beurteilen, wie Holz, Eisen, Samt, Höhe 26,5 cm, Breite 21 cm effektiv die damaligen Schusswaffen wa- Bayerisches Armeemuseum, Inv.-Nr. A 6250 84 | Die Schlacht – Der Dreißigjährige Krieg

Bandelier

An einem Schulterriemen, dem Bandelier, gegossen wurden. Zudem führten sie ein führte der Musketier alles mit sich, was für kleines Fläschchen mit sich, in dem feines das Laden der Muskete nötig war: vorbe- Schwarzpulver, das Zündkraut, enthalten reitete Pulverladungen, einen Kugelbeutel war. Dieses „Mehlpulver“ war reaktions- und die Pulverflasche. schneller als das normale Schwarzpul- Bei schlechter Witterung mussten die ver. Es war somit für die Zündung besser Schützen diese Behältnisse unter der Klei- geeignet. dung vor Nässe schützen. In den klei- nen Holzbüchsen befand sich die genau abgemessene Pulverladung für jeweils Bandelier mit Kugelbeutel, süddeutsch, 1. Hälfte 17. Jahrhundert, einen Schuss. Im Kugelbeutel steckten die Leder, Holz, Länge ca. 85 cm Bleikugeln, die von den Schützen selbst Bayerisches Armeemuseum, Inv.-Nr. A 938 Die Schlacht – Der Dreißigjährige Krieg | 85

Lederkoller

Robuste Lederkoller aus dickem Leder hatten eine gewisse Schutzfunktion gegen Hiebe und Schnitte. Dieser aus Leder gefertigte Koller mit kur- zen angenähten Schößen stammt aus der Frühzeit des Dreißigjährigen Krieges. Die ursprüngliche Schnürung ist nicht mehr erhalten. Sie war aber nur eine modische Lederkoller, deutsch(?), um 1620, Zutat. Verschlossen wurde dieses Klei- Leder, Metall, Höhe ca. 56,5 cm, Breite ca. 57 cm dungsstück mit Haken und Ösen. Bayerisches Armeemuseum, Inv.-Nr. A 946 86 | Die Schlacht – Der Dreißigjährige Krieg

Offizier im Lederkoller

Dieses Portrait entstand 1634. Der Darge- des Museums handelt es sich bei dem Por- stellte war zu diesem Zeitpunkt 37 Jahre traitierten um Oberst Sebastian von Bauer. alt. Die rote Feldbinde über dem Wams Dies ist jedoch bislang nicht zu belegen. aus gelbem Leder könnte auf seine Zuge- Das Gemälde war im 19. Jahrhundert hörigkeit zu den kaiserlichen Truppen Bestandteil einer Privatsammlung in Bam- hindeuten. berg. 1923 kam es über das Bayerische Helm und Kommandostab auf dem Tisch Nationalmuseum in das Armeemuseum. weisen ihn als Offizier aus. Das aufwän- dig gearbeitete Hemd und der aufliegende Spitzenkragen zeugen von Reichtum und Standesbewusstsein. Oberst Sebastian von Bauer(?), 1634, Das Wappen konnte bislang nicht ent- Öl auf Leinwand, 60,5 x 45 cm schlüsselt werden. Nach den Unterlagen Bayerisches Armeemuseum, Inv.-Nr. A 6290 Die Schlacht – Der Dreißigjährige Krieg | 87

Schlacht bei Nördlingen 1634

Am 5. und 6. September 1634 fand bei lung des Kaisers im Reich und trat an der Nördlingen eine Schlacht statt, bei der die Seite Schwedens in den Krieg ein. So kam Schweden unterlagen. Dies hatte weit- es erst 13 Jahre später zu einem dauerhaf- reichende Folgen, führte jedoch nicht zu ten Friedensschluss. einem dauerhaften Frieden. Das Gemälde zeigt eine hügelige Land- Nach dem Tod des schwedischen Königs schaft, auf der die Kämpfenden weit Gustav Adolph in der Schlacht bei Lüt- verteilt in Gruppen aufeinandertreffen. zen 1632 war sein Heer immer mehr Im Vordergrund ist der unvermeidliche geschwächt worden. Die Schweden unter- Feldherrnhügel zu erkennen, von dem aus lagen bei Nördlingen den vereinigten eine Gruppe von Offizieren die Schlacht Heeren Kaiser Ferdinands II., des spani- verfolgt. Die roten Feldbinden könnten schen Königs Philipps IV. und des bayeri- auf kaiserliche Truppenführer hinweisen. schen Kurfürsten Maximilian I. Als Folge kam es zum Prager Frieden von 1635, der Hoffnung auf eine dauerhafte Schlacht bei Nördlingen, bayerisch(?), nach 1634, Beilegung der Kämpfe machte. Allerdings Öl auf Leinwand, 102 x 168 cm fürchtete Frankreich eine zu starke Stel- Bayerisches Armeemuseum, Inv.-Nr. A 6280 88 | Die Schlacht – Der Dreißigjährige Krieg

Schlacht am Weißen Berg

Vermutlich schuf Pieter Snayers (1597- Im Gegensatz zu Snayers großformatiger 1667) dieses Gemälde der Schlacht am Darstellung werden hier nicht verschie- Weißen Berg bei Prag (8. November 1620). dene Momente der Schlacht gezeigt. Der Das Bild zeigt eine Hügellandschaft mit Künstler stellt im Gegenteil den Wende- den aufeinander prallenden Gegnern. punkt des Geschehens dar, als die Trup- Die Schlacht zwischen den katholischen pen des Winterkönigs Friedrich von der Armeen und den aufständischen Böhmen Pfalz in Richtung Prag fliehen. war eines der bedeutendsten Gefechte des Krieges. Im Mittelgrund ist eine vierspännige Kutsche zu erkennen. Ihr voraus reitet in schwarzem Harnisch und mit rotem Federbusch Herzog Maximilian von Bay- Schlacht am Weißen Berg, Gemälde von Pieter Snayers(?), um 1620/1630, Öl auf Leinwand, ern. Er wird von Gardesoldaten zu Fuß 40,7 x 67,5 cm begleitet. Bayerisches Armeemuseum, Inv.-Nr. A 10756 Die Schlacht – Der Dreißigjährige Krieg | 89

Falkonett

Leichte Geschütze wie dieses Falkonett rechnet sich ein Pfundgewicht von 551,8 g, kamen ab etwa 1630 verstärkt zum Einsatz. was dem historischen bayerischen und Die Artillerie wurde dadurch beweglicher. österreichischen Pfund recht nahe kommt: Ein Stellungswechsel von schweren 560 g. Das legt eine Anfertigung des Roh- Geschützen war im laufenden Gefecht res in Bayern oder Österreich nahe. Es kaum möglich. Dagegen waren die leich- wird auf einer Lafette gezeigt, die für den ten Geschütze in der Lage, der Infanterie Einsatz in Festungen gedacht war. zu folgen. Das hier gezeigte Rohr verschoss Eisenku- geln mit einem Durchmesser von etwa 3,3 cm. Das Gewicht des 18,42 kg schweren Falkonett, deutsch, 1613, Stahl, Eisen, Holz, Rohrlänge 195 cm Rohres wurde schon bei der Herstellung Bayerisches Armeemuseum, Inv.-Nrn. D 199 (Rohr) eingraviert: 33 Pfund, 12 Loth. Daraus er- und D 40 (rekonstruierte Lafette) 3. August 1645 Die Schlacht von Alerheim

Am 3. August 1645 fand bei dem kleinen Dorf Alerheim in der Nähe von Nördlin- gen eine der blutigsten Schlachten des Dreißigjährigen Krieges statt. An diesem Tag kamen hier zwischen 5000 und 10.000 Soldaten ums Leben. Die bayerisch-kaiserliche Armee stand unter dem Oberbefehl Franz von Mercys, die gegnerischen französischen Truppen wurden vom Herzog von Enghien, dem „großen Condé“, befehligt. Trotz der guten Stellung der Bayern griffen die Franzosen an und erlitten schwere Verluste. Dennoch gelang es ihnen, die Schlacht für sich zu entscheiden. Der Tod Mercys hatte wohl die entscheidende Wendung herbeige- führt. Die hohen Verluste der Franzosen und ihrer Verbündeten (Weimar und Hessen) führten dazu, dass sie nicht nach Bay- ern eindringen konnten. Somit hatten die Kämpfe bei Alerheim nicht den gewünsch- ten Erfolg für die Franzosen.

Ausschnitt aus: „Abbildung des Haupt Treffens zwischen den Chur Bayrischen, vnd Französischen Armeen, bey Allerheim geschehen“, Kupferstich von 1645, vollständiges Bild: 28 x 36,6 cm Bayerisches Armeemuseum, Inv.-Nr. A 1290 2008 Das Massengrab von Alerheim

2008 wurde bei Ausgrabungen nahe Aler- heim ein Massengrab mit hunderten von Menschenknochen gefunden. Es handelt sich dabei um Tote aus der Schlacht vom 3. August 1645. Das Grab liegt in einem Bereich, in dem die bayerische Kavallerie unter Jan van Werth die französischen Fußtruppen angriff und überrannte. Die Toten der Schlacht wurden zunächst nicht bestattet, sondern lagen mehr als sechs Wochen in der heißen Augusthitze unter freiem Him- mel. Als sie schließlich von vier Freiwilli- gen beerdigt wurden, geschah dies wegen des Zustands der schon stark verwesten Leichen in mehreren Massengräbern ver- teilt über das Schlachtfeld. Wissenschaftliche Untersuchungen der Gebeine ermöglichen es heute, Aussagen zu Sterbealter, gesundheitlichen Belastun- gen und Verletzungen der Toten zu tref- fen.

Detail des Massengrabs bei der Ausgrabung (Foto: Grabungsfirma ADV) 92 | Die Schlacht – Alerheim 1645

Vorerkrankungen

Dieses Schienbeinfragment (Tibia) weist tige Erkrankungen gewesen sein. Denkbar großflächige entzündliche Auflagerun- wäre jedoch auch eine Verletzung oder gen durch eine Knochenhautentzündung Verwundung, die zu einer Geschwürbil- (Periostitis) auf. Sie hat sich zu einer mas- dung führte. Der Befund zeigt auf jeden siven Knochenmarkentzündung ausge- Fall, dass sich die Soldaten trotz Schmer- weitet (Osteomyelitis). zen in das Gefecht schleppten. Derartige Entzündungen sind äußerst schmerzhaft und führten vermutlich häufig dazu, dass die Bewegungsfähig- Schienbeinfragment mit Entzündungen (oben) keit stark gestört war. Entzündungen und gesunder Vergleichsknochen (unten), der Knochenhaut können beispielsweise 29 x 5 cm bzw. 38 x 6 cm durch Überbelastung oder eine bakterielle Leihgaben der Staatssammlung für Anthropologie und Paläoanatomie München Infektion hervorgerufen werden. Lange Bayerisches Armeemuseum, Inv.-Nrn. L 7086 und Märsche könnten eine Ursache für derar- L 7085 (Vergleichsknochen) Die Schlacht – Alerheim 1645 | 93

Altersbestimmung

An diesem rechten Oberschenkelfragment ren. Dies stützt die Erkenntnis aus schrift- ist zu erkennen, dass der Gelenkkopf (Epi- lichen Quellen, dass die Soldaten im Ver- physe) noch nicht verwachsen ist. Erst im lauf des Krieges immer jünger wurden. Alter von 16 bis 19 Jahren verwächst die- Man konnte in der Endphase des Krieges ser komplett. Dieses Individuum war bei auch auf Teenager als Soldaten nicht ver- seinem Tod also noch jünger. zichten. Bei den 61 untersuchten Skelettteilen aus dem Massengrab von Alerheim konnte festgestellt werden, dass über 50 von jun- Oberschenkelfragment eines Erwachsenen (oben) gen Männern unter 25 Jahren stammten, und eines Jugendlichen (unten), 17 sogar von Personen zwischen 13 und 20 5,5 x 5 cm bzw. 9 x 5,5 cm Leihgaben der Staatssammlung für Anthropologie Jahren. Damit lag das Durchschnittsalter und Paläoanatomie München der Toten dieses Grabes bei 21 bis 25 Jah- Bayerisches Armeemuseum, Inv.-Nr. L 7083 94 | Die Schlacht – Alerheim 1645

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Nichttödliche Hiebverletzung

Einige Soldaten weisen Verletzungen auf, An mehreren Skelettteilen wurden solche die deutlich früher entstanden und überlebt nicht vollständig verheilten Wunden ent- wurden. An diesem Schädelfragment sind deckt. Spuren einer unverheilten Hiebverletzung zu erkennen. Bei einigen Stücken ist auch Knochenwachstum um derartige Verwun- dungen identifizierbar, das auf einen Hei- Fragment eines Schädelknochens mit nichttödli- lungsprozess zurückzuführen ist. Derar- cher Hiebverletzung, Breite 17,5, Höhe 7 cm Leihgabe der Staatssammlung für Anthropologie tige Verletzungen waren also nicht immer und Paläoanatomie München tödlich und wurden manchmal überlebt. Bayerisches Armeemuseum, Inv.-Nr. L 7087 Die Schlacht – Alerheim 1645 | 95

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Tödliche Hiebverletzung

Es ist nur in wenigen Fällen möglich, auf- am Kopf auf, die teilweise tödlich waren. grund von Verletzungen an einem Kno- Die Art und Position der Hiebe stützt die chen auf eine Todesursache zu schließen. These, dass es sich bei den Toten um Opfer Häufig führten der Blutverlust oder die eines Reiterangriffs handelte. Verletzung lebenswichtiger Organe zum Tod. An diesem Schädel liegt eine sol- che massive Hiebverletzung vor (unten rechts). Sie führte zur Abplatzung eines Teils der Schädeldecke und bedeutete eine Verletzung des Gehirns, die mit Sicherheit Fragment eines Schädelknochens mit tödlicher tödlich war. Hiebverletzung, Breite 15 cm, Höhe 14 cm Leihgabe der Staatssammlung für Anthropologie Viele der Leichen aus dem Massengrab und Paläoanatomie München von Alerheim weisen Hiebverletzungen Bayerisches Armeemuseum, Inv.-Nr. L 7084 96 | Die Schlacht – Alerheim 1645

Tödliche Schussverletzung

Mit den Vorderladerwaffen des Dreißig- aus denkbar. Andererseits könnte es sich jährigen Krieges waren gezielte Schüsse in diesem Fall jedoch auch um Beschuss kaum möglich. Dennoch ist an diesem lin- durch eigene Truppen („friendly fire“) ken Schädelfragment eine tödliche Schuss- gehandelt haben. verletzung mit rundlichem Einschussloch deutlich zu erkennen. Falls der Schuss durch feindliche Mus- Schädelknochenfragment mit Einschussloch, ketiere oder Reiter abgefeuert wurde, Breite 17,5 cm, Höhe 16 cm Leihgabe der Staatssammlung für Anthropologie muss der Kämpfer sich im Nahkampf und Paläoanatomie München seitlich weggedreht haben. Das ist durch- Bayerisches Armeemuseum, Inv.-Nr. L 7088 Die Schlacht – Alerheim 1645 | 97

Johann von Werth

Johann Werth wurde 1591 als Sohn eines werden konnte. Der Kaiser erhob ihn 1634 Bauern im Niederrheingebiet geboren. zum Freiherrn, 1644 wurde er zum Gene- Während des Krieges gelang ihm der Auf- ral befördert. stieg zu einem der bekanntesten Reiterge- Werth überlebte das Kriegsende nur drei neräle seiner Zeit. Jahre und starb im Januar 1652 im böhmi- Werth war um 1610 als Söldner in die schen Benatek. Dienste der spanischen Armee unter Das Gemälde von 1635 zeigt ihn mit einem General Ambrosio Spinola eingetreten. Lederkoller und einer roten Schärpe. Die In der Kavallerie arbeitete er sich bis zum Silberborten an seinen Ärmeln und der Offizier hoch – eine für die damalige Zeit weiße Spitzenkragen deuten auf seinen außergewöhnliche Karriere. schon damals hohen Rang als Freiherr und Er nahm an vielen Gefechten des Krieges Feldmarschallleutnant hin. teil. So war er am Weißen Berg 1620, bei Nördlingen 1634, Jankau 1645 und Aler- heim 1645 dabei. Die Jahre 1638 bis 1642 verbrachte er in französischer Gefangen- Johann von Werth, bayerisch(?), 1635, schaft, bevor er gegen den schwedischen Öl auf Leinwand, 67,5 x 55 cm General Gustav Graf Horn ausgetauscht Bayerisches Armeemuseum, Inv.-Nr. A 6848

Die Schlacht am Weißen Berg

Am 8. November 1620 fand am Weißen Wie in vielen barocken Schlachtengemäl- Berg bei Prag eine der folgenreichsten den wird das Geschehen so gezeigt, als Schlachten des Dreißigjährigen Krieges würde es von einem steilen Hügel im Vor- statt. Die katholischen Armeen trafen hier dergrund aus beobachtet. Diese Gelände- auf die aufständischen Böhmen. erhöhung wird auch als Feldherrnhügel Im Vordergrund erkennt man die aufmar- bezeichnet. Es gab sie jedoch vielfach gar schierenden katholischen Armeen, im Mit- nicht. Auf dem realen Schlachtfeld vor telgrund prallen die gegnerischen Fronten Prag müsste hier eigentlich der tiefste aufeinander, während im Hintergrund die Punkt des Geländes sein. Gut erkennbar böhmischen Soldaten ungeordnet nach ist eine Figur mit ausgestrecktem Arm Prag flüchten. und blauer Feldbinde. Hier könnte es sich Das Gemälde von Pieter Snayers (1592- um Herzog Maximilian von Bayern han- 1667) zeigt somit mehrere Momente der deln. Schlacht gleichzeitig. Nach einem Gemälde- Über der Schlachtendarstellung schwebt inventar von 1770 malte Snayers nur die Fama, die römische Göttin des Ruhmes. Figuren, während die Landschaft von Jan Sie hält ein Blatt mit einer lateinischen Brueghel stammt. Inschrift. Sinngemäß wird hier Folgendes Interessant sind die Details des Gemäldes. berichtet: Kaiser Ferdinand II. besiegte am Wie in einem Wimmelbild entdeckt man 8. November 1620 den in Böhmen einge- immer neue Figuren, Szenen oder Objekte, drungenen Pfalzgrafen Friedrich auf den Schlacht am Weißen Berg, Gemälde von so etwa mehrere Mönche auf katholischer Feldern vor Prag. Dies geschah durch die Pieter Snayers, um 1620/1630, Öl auf Leinwand, 149 x 226 cm Seite oder tote Pferde und Soldaten, über Führung Herzog Maximilians von Bayern Leihgabe der Bay. Staatsgemäldesammlungen die die Schlacht hinweggezogen ist. und des Grafen Bucquoy. Bayerisches Armeemuseum, Inv.-Nr. L 6219 1663 – 1792 „Türkenkriege“

Das Osmanische Reich entwickelte sich seit dem Mittelalter zu einer expandieren- den militärischen Großmacht. Spätestens mit der Eroberung Konstantinopels im Jahre 1453 wurde es zu einem Konkurren- ten der europäischen Staaten im Mittel- meerraum und im südöstlichen und öst- lichen Europa, was zu einer langen Reihe von Kriegen führte. Seit dem 16. Jahrhundert stieß seine Expansion auf das Königreich Ungarn und die Länder der Habsburgerdynas- tie im Südosten des Heiligen Römischen Reiches. Dadurch wurden auch das Reich und die anderen deutschen Staaten in die Kriege gegen die Osmanen hineingezo- gen. Auch kurbayerische Truppen kämpften auf diesem Kriegsschauplatz. Kurfürst Max Emanuel erwies sich in mehreren Feldzügen als begabter und erfolgreicher Feldherr, was ihm bei seinen osmanischen Gegnern den Beinamen „der blaue König“ eintrug. Die Vorstöße osmanischer Heere wurden für Kaiser und Reich mehrfach zu einer ernsten Bedrohung. Die Abwehrkriege gegen die „Türken“ mussten oft gleich- zeitig mit anderen Konflikten im Westen geführt werden, denn König Ludwig XIV. von Frankreich versuchte die bedrängte Situation des Kaisers zu seinen Gunsten auszunutzen. Mit der vergeblichen Belagerung von Wien im Jahre 1683 erreichte die osmani- sche Expansion nach Westen zwar ihren Höhepunkt, doch kam es noch bis weit

Ausschnitt aus: Max Emanuel als Sieger über die Osmanen, Kupferstich nach 1683 Bayerisches Armeemuseum, Inv.-Nr. 0024-2017 Die Schlacht – Türkenkriege | 101

in das 18. Jahrhundert zu Auseinander- Die Konflikte wurden von beiden Seiten setzungen mit wechselnden Erfolgen und zum Religionskrieg zwischen Islam und Rückschlägen für beide Seiten. Erst nach Christentum erklärt, doch war dies mehr 1768 wurden die Osmanen von Österreich Propaganda als Realität. Die osmanischen und ihrem anderen großen Widersacher, Heere bestanden zum erheblichen Teil aus Russland, dauerhaft abgedrängt. christlich-orthodoxen Bewohnern der von Bis dahin blieben die Osmanen für die ihnen beherrschten europäischen Gebiete. „westlichen“ Armeen ein gleichwertiger In manchen Regionen, namentlich in Gegner. Zahlenmäßig waren ihre Heere Ungarn, erschien die eher lockere osma- den europäischen Truppen meist überle- nische Herrschaft keineswegs drückender gen. Ihre Logistik, also die Heeresversor- als eine habsburgische Regierung. gung und der Nachschub, war im osma- Zwischen den Kriegen florierten nicht nur nischen Reich weit besser organisiert als Handelsbeziehungen, sondern auch dip- in den europäischen Staaten der Frühen lomatische Kontakte. Es kamen Verträge Neuzeit. und sogar Bündnisse zustande. Die Stärke der europäischen Truppen lag in ihrer taktischen Geschlossenheit in der offenen Feldschlacht. Doch gin- gen diese Vorteile oftmals im weite- ren Kriegsverlauf verloren, wenn ihre Armeen sich durch Hunger und Krank- heiten geschwächt zurückziehen mussten. Auch hinsichtlich der Bewaffnung kann man nicht von einer entscheidenden tech- nischen Unterlegenheit der Osmanen spre- chen. In der Produktion von Geschützen und Handfeuerwaffen fielen sie erst im 18. Jahrhundert hinter die europäischen Staa- ten zurück. Außerdem zeigte sich, dass traditionelle Waffen wie Pfeil und Bogen, die hier teilweise noch verwendet wurden, in der Hand geübter Kämpfer sehr wir- kungsvoll waren. Es waren letztlich vor allem politische und strukturelle innere Probleme, die das Osmanische Reich seit dem späten 17. Jahrhundert langsam an militärischer Kraft verlieren ließen. 1650-1700 Berufssoldaten

Nach 1650 wurden Truppen zunehmend nicht mehr für einzelne Feldzüge, sondern auf Dauer aufgestellt („Stehende Heere“). Sie konnten nun länger ausgebildet und einheitlich bewaffnet werden. In Europa wuchs die Bedeutung der Infanterie. Bataillone aus einigen hun- dert Soldaten bildeten die Grundeinheit für den Einsatz in der Schlacht. Die Zahl der Musketiere wuchs stark an, aber noch bis etwa 1700 mussten Pikeniere sie mit ihren Spießen vor der Kavallerie des Geg- ners decken. Dieser Schutz war besonders in den „Türkenkriegen“ gegen die starke osmanische Reiterei nötig. Kavallerie und berittene Infanterie mach- ten einen großen Teil der Armeen aus. Ihre Beweglichkeit war auch für die Versor- gung der Truppen wichtig. Die Artillerie war noch immer sehr schwerfällig, so dass im Gefecht nur ganz leichte Geschütze zur Unterstützung der Infanterie mitgeführt werden konnten. Die europäischen Armeen waren einan- der sehr ähnlich. Mit den Osmanen trafen sie auf einen anders organisierten, aber gleichstarken Gegner.

Ausschnitt aus: Alain Manesson Mallet, Les Tra- vaux de Mars, troisième et derniere partie, Paris 1672, Kupferstich, 14,5 x 9,5 cm (Sammlung Daniel Hohrath) Die Schlacht – Türkenkriege | 103 Ein gleich starker Gegner

Bewaffnung und Taktik der osmanischen Heere wirken auf den ersten Blick rück- ständig. Dieser Eindruck täuscht: Sie waren ihren europäischen Gegnern in den meisten Bereichen gleichwertig. Da neben den Kriegen immer auch ein reger kultureller Austausch stattfand, waren die Feuerwaffen der Osmanen tech- nisch auf dem aktuellen Stand. Manches, wie der krumme Säbel und der leichte Rei- terhelm, wurden auch von europäischen Soldaten übernommen. Lanze, Pfeil und Bogen waren in der Hand geübter Reiterkrieger immer noch sehr wirksame Waffen. Die bewegliche osmanische Kavallerie wurde besonders gefürchtet. Die Infanterie kämpfte nicht in fest geschlossenen Formationen, sie war aber zahlenmäßig meist überlegen und im Nahkampf stark.

Streithammer

Neben Säbeln benutzten die osmanischen mer, dessen damaszierter Schlagkopf Reiter im Nahkampf auch Streithämmer in einem Rabenschnabel ähnelt, zeigt deutli- verschiedenen Formen. Mit ihnen konnten che Gebrauchsspuren. Helme und Panzer durchschlagen werden. Neben ihrer Funktion im Kampf dienten diese Schlagwaffen auch als Standesabzei- chen von Anführern und hochgestellten Personen. Vielfach waren sie besonders Streithammer / Streithacke, osmanisch, 17. Jahrhundert, Eisen, Silber, Leder, Holz, kostbar verziert und aus hochwertigen Länge 70,6 cm Materialien hergestellt. Dieser Streitham- Bayerisches Armeemuseum, Inv.-Nr. 0071-1976 104 | Die Schlacht – Türkenkriege

Osmanisches Panzerhemd

Schwere Körperpanzer wie die europäi- Dieses lange Panzerhemd für einen Reiter schen Harnische und Kürasse gab es bei wurde vermutlich aus Venedig impor- den Osmanen nicht. Die schon im Mit- tiert. Es zeugt von den engen Handelsbe- telalter verbreiteten Panzerhemden aus ziehungen im Mittelmeerraum, die von geflochtenen dünnen Eisenringen blieben Kriegen kaum unterbrochen wurden. Das bis in die Neuzeit gebräuchlich. Objekt kam 1904 aus der Kriegsschule der Das Kettengeflecht schützte zwar nicht bayerischen Armee in den Bestand des vor Geschossen, aber gut vor Schnittver- Armeemuseums. letzungen. Dafür blieb sein Träger sehr beweglich. Die osmanischen Reiter waren mit vielen unterschiedlichen Waffen aus- gestattet. So konnten sie mit Säbeln, Lan- Panzerhemd, osmanisch/venezianisch, zen, Wurfspeeren oder als reitende Bogen- 17. Jahrhundert, Eisen, Silber, Länge 110 cm schützen kämpfen. Bayerisches Armeemuseum, Inv.-Nr. A 1538 Die Schlacht – Türkenkriege | 105

Jatagan

Der Jatagan war eine verbreitete Waffe der osmanischen Fußtruppen. In europäi- schen Quellen wird sie manchmal auch als „Kopfabschneider“ bezeichnet. Die charakteristische Form der Schneide ist im hinteren Teil konkav und im vorde- Jatagan (Yatagan) mit Scheide, kaukasisch / ren konvex gebogen. Das erleichterte den türkisch, Ende 17. Jahrhundert, Eisen, Silbertauschierung, Ebenholz, Messing, Leder, „ziehenden Schnitt“ mit dieser gefürchte- Länge 81,7 cm ten Waffe. Bayerisches Armeemuseum, Inv.-Nr. E 7216 106 | Die Schlacht – Türkenkriege

Reflexbogen

Pfeil und Bogen gehörten bis um 1700 ditionelle Waffe den damaligen Feuerwaf- immer noch zur Bewaffnung der osmani- fen deutlich überlegen. Ihre Handhabung schen Heere. erforderte aber viel Kraft und langjährige Der Reflexbogen konnte mit eingelegter Übung. Sehne so stark gespannt werden, dass er Der original erhaltene Bogen ist hier ohne gegen seine natürliche Krümmung gebo- Sehne im entspanntem Zustand zu sehen. gen wurde. Damit erreichte er Schusswei- ten von über 800 Metern. Ein geübter Schütze konnte 20 Pfeile in der Reflexbogen (entspannt), osmanisch, 17. Jahrhundert, Holz, Horn, Tiersehne, Minute abschießen, und dies sogar vom Birkenrinde, Länge 82 cm Pferd aus. In dieser Hinsicht war diese tra- Bayerisches Armeemuseum, Inv.-Nr. A 1569 Die Schlacht – Türkenkriege | 107

Bogenköcher

Neben einem Köcher für die Pfeile war Dekor in Form von Blütenrispen, Tulpen ein spezieller Bogenköcher zum Transport und Weintrauben verzierte Köcher ist ver- des Reflexbogens unentbehrlich. mutlich tatarischen Ursprungs. Der Bogenköcher ist so geformt, dass ein gespannter Reflexbogen sicher hinein- gesteckt und schnell herausgenommen Bogenköcher, osmanisch/tatarisch, 17. Jahrhundert, Leder, Höhe ca. 55 cm, werden kann. Dieser aus verschiedenen Breite ca. 30 cm Lederstücken genähte und mit einem Bayerisches Armeemuseum, Inv.-Nr. A 8487 108 | Die Schlacht – Türkenkriege

„Türkensäbel“

Der gebogene Säbel war die typische Ereignisse des Jahres 1683 erinnern sollen: Blankwaffe der osmanischen Heere. Diese Zu sehen ist die Eroberung der Festung Form wurde auch bei ihren Gegnern Gran (auf der Rückseite die Belagerung beliebt. Wiens). Als Folge der Feldzüge gegen die Osma- nen kamen viele türkische Säbel als Han- delsware oder Beutestücke nach Europa. Bei diesem Exemplar handelt es sich um eine eindeutig im osmanischen Kultur- raum hergestellte Waffe. Säbel, osmanisch, 17. Jahrhundert, nach 1683, deutsch überarbeitet, Eisen, Stahl, Holz, Für ihren neuen Besitzer wurde die Klinge Länge 87 cm mit detaillierten Gravuren verziert, die an Bayerisches Armeemuseum, Inv.-Nr. A 11867 Die Schlacht – Türkenkriege | 109

Osmanische Flinte (Sisana)

Auch wenn Pfeil und Bogen anders als in Im osmanischen Raum war als Zündme- Europa weiter genutzt wurden, war der chanismus eine Variante des Steinschlos- Großteil der osmanischen Truppen auch ses verbreitet, das aus Spanien stammende mit Feuerwaffen ausgestattet. Miquelet-Schloss. Die Qualität osmanischer Handfeuerwaf- Typisch sind die Form des Kolbens und fen war recht hoch, da die Läufe vielfach die kleinteiligen Verzierungen. aus damasziertem Stahl geschmiedet wur- den, was bei europäischen Militärwaffen nicht üblich war. Dieser war gleichzeitig Steinschlossgewehr (Sisana), osmanisch, um 1700, damaszierter Stahl, Eisen, Messing, Holz, Bein, hart und elastisch. Dazu kam seine sehr Länge 120 cm dekorative Musterung. Bayerisches Armeemuseum, Inv.-Nr. A 1534 110 | Die Schlacht – Türkenkriege

Eroberung der Festung Belgrad

Am 6. September 1688 erstürmten Trup- Das Gemälde ist ein typisches barockes pen unter der Führung Max Emanuels Schlachtenbild ohne dokumentarischen Stadt und Festung Belgrad. Damit fand Anspruch. Außer der Darstellung Bel- der „Große Türkenkrieg“ (1683-1688) sei- grads im Hintergrund ist nur ein wilder, nen Abschluss. unspezifischer Reiterkampf zu sehen. Max Emanuel hatte am ganzen Türken- Sowohl die Osmanen mit ihren Turbanen krieg persönlich teilgenommen. 1688 war wie auch die europäischen (bayerischen?) ihm erstmals der Oberbefehl übertragen Soldaten sind nur als Typen dargestellt. worden. Beim Sturm auf die Donaufes- Das Bild entstand erst im frühen 18. Jahr- tung bewies der bayerische Kurfürst wie hundert, wie an der Bekleidung der Solda- schon so oft große persönliche Tapferkeit. ten im Vordergrund erkennbar ist. Belgrad war die letzte große osmanische Festung im ungarisch-serbischen Raum. Ihre Einnahme war das Hauptziel im Feld- zug des Jahres 1688. Belgrad sollte in der Eroberung der Festung Belgrad, deutsch, um 1710, Folgezeit noch mehrmals den Besitzer Öl auf Leinwand, 56 x 80 cm wechseln. Bayerisches Armeemuseum, Inv.-Nr. A 8101 Die Schlacht – Türkenkriege | 111 Europäisches Militär 1650-1700

In den auf Dauer formierten Stehenden Heeren wurden Ausrüstung und Bewaff- nung zunehmend vereinheitlicht. Es war eine Experimentierphase, in der die Feuer- waffen der Infanterie effektiver wurden. Die Gewehre der Infanteristen wurden leichter, so dass keine Gabeln zur Auflage mehr erforderlich waren. Verschiedene Zündmechanismen wurden erprobt, um die Waffen einfacher bedienen zu können und sie robuster zu machen. Ende des 17. Jahrhunderts wurden Bajonette in den Lauf gesteckt, damit die Musketiere sich im Nahkampf selbst verteidigen konn- ten; allerdings konnte dann nicht mehr geschossen werden. Helme und Panzer für den Oberkörper verschwanden nach und nach, aber gerade im Kampf gegen die osmanischen Reiter und Bogenschützen waren sie immer noch nützlich.

Reiterdegen

Diese Reiterdegen waren vor allem als „SOLI DEO GLORIA ANNO 1666“ (Ehre Stichwaffe geeignet, konnten aber auch dem alleinigen Gott im Jahre 1666). zum Hieb verwendet werden. Solche langen Degen mit ihrer relativ schmalen Klinge waren die typische Rei- terwaffe bis weit in die zweite Hälfte des 17. Jahrhunderts. Reiterdegen, deutsch, Klinge auf 1666 datiert, Die Klinge dieses Degens ist auf beiden Stichblatt fehlt, Stahl, Eisen, Holz, Länge 104,5 cm Seiten geschliffen und trägt die Inschrift Bayerisches Armeemuseum, Inv.-Nr. A 10960 112 | Die Schlacht – Türkenkriege

Kürass und Zischägge

Die schwere Reiterei trug in der zweiten Damit waren die europäischen Reiter, Hälfte des 17. Jahrhunderts nur noch einen die in enger Formation mit dem Pallasch schussfesten Brust- und Rückenpanzer. kämpften oder ihre Feuerwaffen einsetz- Als Helm setzte sich die Zischägge durch: ten, geschützt und trotzdem recht beweg- Ihr Vorbild war die in Asien gebräuchli- lich. che Reiterhaube (çisak), die auch bei den Osmanen getragen wurde. Unter dem Kürass, der eine Wandstärke von ca. 5 mm besaß, wurde zumeist ein schwerer Koller aus sehr starkem Leder Brust- und Rückenpanzer für Kürassiere, deutsch, getragen, der mit weiten Schößen bis zu um 1680, Stahl, Metall, Leder, Gewicht 14 kg, den Knien reichte. Höhe 41 cm Die Zischägge war trotz Augenschirm, Bayerisches Armeemuseum, Inv.-Nr. A 11777 Wangenklappen, Naseneisen und Nacken- Zischägge, deutsch, um 1680 schutz mit etwa 2 kg relativ leicht und Eisen, Stahl erlaubte freie Sicht. Bayerisches Armeemuseum, Inv.-Nr. N 5288 Die Schlacht – Türkenkriege | 113

Pallasch

Hauptwaffe der Reiterei wurde seit dem Darüber steht ein bayerischer Löwe mit späten 17. Jahrhundert ein schwerer Schwert. Die Scheide besteht aus Holz, ist Degen mit gerader Klinge (Pallasch), der mit Leder bezogen und mit Messingble- zum Hauen und Stechen geeignet war. chen beschlagen. Der schwere Reiterdegen erforderte große Kraft und Geschicklichkeit, war dann aber eine sehr wirkungsvolle Waffe. Die Klinge ist beidseitig geschliffen. Reiterdegen (Pallasch) mit Scheide, bayerisch, um Darauf findet sich die beliebte Ätzung 1690, Stahl, Messing, Leder, Holz, Länge 103,5 cm „OMNIA CUM DEO“ (Alles mit Gott). Bayerisches Armeemuseum, Inv.-Nr. H 17349 114 | Die Schlacht – Türkenkriege

Säbel der Grenadiere zu Pferde

Mit den Türkenkriegen verbreitete sich diers à Cheval“ (Grenadiere zu Pferde) die orientalische Form des Säbels auch in verwendet. Auf der Klinge sind das Her- den europäischen Armeen. stellungsjahr 1687 und der Passauer Wolf Der gebogene Säbel mit seiner auf einer eingeätzt. Seite scharf geschliffenen Klinge war eine sehr effektive Hiebwaffe. Durch die Krüm- mung der Schneide ermöglichte er einen „ziehenden Schnitt“ und verursachte damit besonders tiefe Fleischwunden. Säbel der kurbayerischen Grenadiers à Cheval, Dieser Säbel wurde von den Soldaten einer Passau, 1687, Stahl, Messing, Länge 95 cm kurbayerischen Elitetruppe, den „Grena- Bayerisches Armeemuseum, Inv.-Nr. A 11366 Die Schlacht – Türkenkriege | 115

Reiterpistole

Zwei Pistolen gehörten zur Ausstattung Die alten Radschlosspistolen wurden um jedes Reiters. Im 17. Jahrhundert waren sie 1670 durch Waffen mit dem neuen Stein- noch eine wichtige Waffe. schloss ersetzt, die zuverlässiger und bil- Es war lange üblich, dass Reiter langsam liger waren. gegen den Feind anritten, ihre Pistolen aus der Nähe abfeuerten und sich wie- der zurückzogen. Erst wenn der Gegner Militärische Reiterpistole mit Steinschloss, deutsch, um 1700, geschwächt war, griffen sie mit der blan- Eisen, Stahl, Nussbaumholz, Länge 25 cm ken Waffe an. Bayerisches Armeemuseum, Inv.-Nr. 0886-1986 116 | Die Schlacht – Türkenkriege

Luntenschlossmuskete

Die einfache Luntenschlossmuskete blieb recht lange. Viel mehr als ein Schuss pro bis ins späte 17. Jahrhundert die normale Minute war kaum möglich. Waffe der Infanterie. Die simple Mechanik war billig und stabil. Nachteil war, dass immer eine brennende Lunte bereitgehalten werden musste. Luntenschlossgewehr, deutsch, Suhl, um 1680, Eisen, Rotbuchenholz (Schaft), Nussbaumholz Auch wenn die Gewehre leichter und (Ladestock), Länge 158,5 cm handlicher wurden, dauerte das Laden Bayerisches Armeemuseum, Inv.-Nr. A 9477 Die Schlacht – Türkenkriege | 117

Muskete mit Kombinationsschloss

An diesem Infanteriegewehr wurde ein immer noch mit der Lunte gezündet wer- Radschloss mit einem Luntenschloss kom- den. biniert, das einfacher zu bedienen war. Mit einem Radschloss hatte der Soldat die Waffe ohne glimmende Lunte sofort zum Infanteriegewehr mit Radschloss und Lunten- schloss, deutsch, Suhl, um 1670, Schuss bereit. Wenn die Mechanik des Eisen, Buchenholz, Länge 151,5 cm Radschlosses versagte, konnte die Ladung Bayerisches Armeemuseum, Inv.-Nr. A 1102 118 | Die Schlacht – Türkenkriege

Muskete mit Kombinationsschloss

An dieser Waffe wurde ein Schnapp- Hahn für eine brennende Lunte ange- schloss durch einen zusätzlichen Lunten- bracht. hahn ergänzt. Das Schnapphahn-Schloss war eine Vor- stufe des Batterie- oder Steinschlosses. Es war einfacher konstruiert als das Rad- Muskete mit Schnappschloss und zusätzlichem Luntenhahn, deutsch, um 1650, schloss, aber auch noch recht störanfällig. Eisen, Stahl, Buchenholz, Länge 177,5 cm Deshalb wurde zur Sicherheit noch ein Bayerisches Armeemuseum, Inv.-Nr. A 1103 Die Schlacht – Türkenkriege | 119

Spundbajonette

Mit einem Bajonett wurde das Gewehr der vorne in den Gewehrlauf gesteckt wurden. Musketiere zur langen Stichwaffe. Damit Das hatte den Nachteil, dass der Soldat konnten sie sich im Nahkampf verteidi- nicht mehr laden und schießen konnte, gen und waren nicht mehr auf den Schutz wenn das Bajonett „aufgepflanzt“ war. durch Pikeniere angewiesen. Die ersten Bajonette kamen um die Mitte des 17. Jahrhunderts in Frankreich auf. Bis Spundbajonette, deutsch, um 1700, Stahl, Holz, Längen 65,5 cm, 64,5 cm, 58,5 cm um 1700 waren dies zumeist lange Dol- Bayerisches Armeemuseum, Inv.-Nrn. A 1743, che mit Holzgriff, die als Spundbajonette A 1758, A 11327 120 | Die Schlacht – Türkenkriege

Spanischer Reiter

Auch nach der Einführung des Bajonetts der Spieße („Schweinsfedern“) und der waren die Einheiten der Infanterie ver- erforderlichen Mittelbalken doch als wundbar, wenn sie ihre feste Formation recht lästig. Deshalb kamen die Spani- „Mann neben Mann“ nicht halten konn- schen Reiter immer seltener zum Einsatz. ten. Dieser „Spanische-Reiter-Balken“ wurde Dies galt besonders gegenüber Angrei- dem Armeemuseum 1904 vom Direktor fern, die schnell heranstürmten und zum des Kunsthistorischen Museums Graz Nahkampf bereit waren. Für solche Fälle geschenkt. Er dürfte also in den Kämpfen wurden die Soldaten ausgebildet, aus kur- gegen die Osmanen Ende des 17. Jahrhun- zen Spießen Barrieren aufzubauen. derts verwendet worden sein. Mit diesen sogenannten „Spanischen Rei- tern“ ließ sich schnell auf freiem Feld ein wirkungsvoller Schutzwall bilden, hin- ter dem die Infanteristen gedeckt waren Spanischer Reiter, bestehend aus einem Balken und 23 Spießen, Eisen, Holz, und das Feuergefecht führen konnten. Länge des Balkens 377 cm, Spieße je ca. 220 cm Allerdings erwies sich das Mitführen Bayerisches Armeemuseum, Inv.-Nr. A 1853 Die Schlacht – Türkenkriege | 121

Ein Spezialgeschütz

Leichte Kanonen dieser Größe konnten Die Inschrift am Rohr beschreibt die Ferti- von der Infanterie in der Schlacht mitge- gung: führt werden. Sie verstärkten die Feuer- „ALSO HAT MICH GESCHMIDT ABGE- kraft der Einheiten. DRET VND GEZOGEN GEORG MEM- Normalerweise hatten diese Geschütze aus MERSDORFER HAMMERMEISTER IN Bronze gegossene Rohre mit glattem Lauf. NURNBERG 1694“ Hier handelt es sich um eine Sonderanfer- Das Geschütz war vermutlich ein Schau- tigung: Das Rohr ist aus Eisen geschmie- stück, das die Fähigkeiten des Herstel- det und „gezogen“, wofür schraubenartig lers beweisen sollte. Es stammt aus den Rillen (Züge) eingeschnitten wurden, um Beständen des Zeughauses der Festung das Geschoss in Rotation zu versetzen. Rosenberg ob Kronach. Dies stabilisiert die Flugbahn und erhöht die Treffgenauigkeit. Der praktische Wert dürfte gering gewe- sen sein, denn gezogene Rohre verlang- Feldgeschütz auf Radlafette, Nürnberg, 1694, Eisen, Holz, Gesamtlänge 236 cm, Höhe 105 cm, ten einen komplizierten, zeitaufwendigen Breite 137 cm Ladevorgang und spezielle Geschosse. Bayerisches Armeemuseum, Inv.-Nr. D 261 122 | Die Schlacht – Türkenkriege

Max Emanuel als Türkensieger

Dieser Kupferstich verherrlicht Max Ema- Der Text lässt keinen Zweifel an der exis- nuel als siegreichen Feldherrn in den Tür- tentiellen Qualität der Konfrontation: kenkriegen. „Es zittert noch vor Ihm der Türckisch In der Pose eines römischen Feldherrn Höllen-Hund“. überreitet Max Emanuel seine Feinde, während die Siegesgöttin den Lorbeer- kranz über sein Haupt hält. Im Vorder- grund erkennt man symbolträchtige Aus- rüstungsstücke der Besiegten: Turban, Kurfürst Max Emanuel als Sieger über die Osma- nen, Kupferstich von Johann Haffner, 1683-1690, Krummschwert und Schild mit türki- 43,5 x 34 cm schem Halbmond. Bayerisches Armeemuseum, Inv.-Nr. 0024-2017

124 | Die Schlacht – Feldherren Die Schlacht – Feldherren | 125 Feldherren

Die Epoche von 1650 bis 1800 gilt als die Zeit der „großen Feldherren“. Die Auf- merksamkeit der Öffentlichkeit konzen- trierte sich auf ihr Handeln. Einige Fürsten führten ihre Armeen per- sönlich an, wie Max Emanuel von Bayern, Karl XII. von Schweden und Friedrich II. von Preußen. Viele Feldherren entstamm- ten zumindest dem höchsten Adel, was ihre Autorität sicherte. Es gab aber, wenn auch selten, Soldaten, die im Krieg von unten bis in die höchsten Ränge aufstie- gen. Nicht selten wurden Heerführer verwun- det oder getötet, was den Verlauf des gan- zen Krieges beeinflussen konnte. Ihre Dar- stellung in Bildnissen suggeriert absolute Kontrolle über das Geschehen. Mit der Realität auf den Schlachtfeldern hatte das meist wenig zu tun.

Max II. Emanuel (1662-1726)

Dieses repräsentative Gemälde zeigt Max zöge, Kurfürsten und Könige eine nam- Emanuel (reg. 1679-1726) in klassischer hafte Feldherrnlaufbahn vorzuweisen. Feldherrnpose, geharnischt, mit Helm Dieses Gemälde kam bereits 1886 ins und Kommandostab. Bayerische Armeemuseum. Weil das von 1710, als das Portrait entstand, hielt sich ihm 1682 aufgestellte Heer bis zu seinem Max Emanuel im französischen Exil auf Ende im Jahr 1919 nie mehr völlig aufge- und spielte keine aktive militärische Rolle löst wurde, galt Max Emanuel als Begrün- mehr im fortdauernden Spanischen Erb- der der modernen bayerischen Armee. So folgekrieg (1701-1714). An seine große spielte er in deren Traditionspflege eine Zeit als fürstlicher Feldherr erinnert das wichtige Rolle. Gemälde: Es zeigt ihn vor der Festung Namur, an deren Rückeroberung er 1695 Max II. Emanuel, Gemälde von Franz Joseph führend beteiligt gewesen war. Immerhin Winter, 1710, Öl auf Leinwand, 264 x 180 cm hatte er als einziger der Wittelsbacher Her- Bayerisches Armeemuseum, Inv.-Nr. A 1679 126 | Die Schlacht – Feldherren

Prinz Eugen von Savoyen

Eugen von Savoyen (1663-1736) galt in sei- die Osmanen als auch gegen Frankreich. ner Zeit als der bedeutendste europäische 1697 erhielt er den Oberbefehl im „Großen Feldherr. Türkenkrieg“ und wurde von da an zum Wie für jüngere Söhne von europäischen wichtigsten kaiserlichen Feldherrn. Dane- Hochadelsgeschlechtern durchaus üblich, ben gewann er auch großen politischen war Eugen für eine geistliche Laufbahn in Einfluss. der Kirche vorgesehen. Dagegen entschied er sich früh für eine militärische Karriere und trat in die Dienste Kaiser Leopolds I., weil er von Ludwig XIV. nicht gefördert wurde. Prinz Eugen von Savoyen-Carignan, Kupferstich Seit 1683 kämpfte Eugen als Offizier in von Georg Paul Busch, Berlin, um 1730, 36 x 19,5 cm allen Kriegen des Kaisers, sowohl gegen Bayerisches Armeemuseum, Inv.-Nr. 0161-1968 Die Schlacht – Feldherren | 127

Carl XII. von Schweden

Als „Krieger-König“ wurde Carl XII. seiner Soldaten wurden zum bewunder- (1682-1718) zur Legende: Er führte fast ten Vorbild. Seine Rücksichtslosigkeit seine gesamte Regierungszeit fern von gegen sich und andere sowie das Fehlen Schweden Krieg und wurde bei einer Bela- politischer und strategischer Planung gerung getötet. wurden aber auch als warnendes Beispiel Im Großen Nordischen Krieg (1700-1721) angesehen. versuchte Carl vergeblich, die Stellung Schwedens als Großmacht zu verteidigen. Er führte seine Truppen persönlich an und begab sich regelmäßig in höchste Gefahr. Carl XII., König von Schweden, Kupferstich von Seine Tapferkeit und sein bescheidenes Christian Fritzsch, 1743, 36,1 x 22,8 cm Auftreten in der schmucklosen Uniform Bayerisches Armeemuseum, Inv.-Nr. 0536-2018 128 | Die Schlacht – Feldherren

Friedrich der Große

Friedrich II., König von Preußen (1712- Krieg (1756-1763) trug sein Ruf als genia- 1786) war zu seiner Zeit der wohl erfolg- ler Stratege und Schlachtenlenker zu sei- reichste Herrscher und Feldherr in einer nem Erfolg bei, obwohl ihm auch mehr- Person. mals schwere Fehler unterliefen. Gleich nach dem Antritt der Regierung 1740 besetzte Friedrich das bis dahin zu Österreich gehörende Schlesien. Er ver- teidigte diese Eroberung in drei Kriegen. Preußen wurde damit zur europäischen Großmacht. Der König führte seine Armee im Krieg Friedrich II. von Preußen 1763, Kupferstich von George Bretzing nach dem Gemälde von Johann stets persönlich als „Roi Connétable“ Christoph Frisch, Berlin, 1812, 51,5 x 37 cm (König und Feldherr). Im Siebenjährigen Bayerisches Armeemuseum, Inv.-Nr. 0094-2019 Die Schlacht – Feldherren | 129

Gideon Ernst von Laudon

Die Karriere Laudons (1717-1790) bot und stieg schnell auf. Bereits 1759 führte er eines der eher seltenen Beispiele, dass selbständig ein größeres Korps und wurde auch im 18. Jahrhundert ein einfacher zu einem der wichtigsten und populärsten Offizier durch herausragende Leistungen österreichischen Heerführer. 1778 erhielt aufsteigen konnte. er die Ernennung zum Feldmarschall. Im Gideon Ernst von Loudon entstammte Jahre 1789 leitete er als Oberbefehlshaber einer adeligen Familie aus Livland. Mit gegen die Osmanen die Rückeroberung 15 Jahren trat er in die russische Armee Belgrads. ein, 1742 ging er als Hauptmann im Trenck’schen Panduren-Freikorps in österreichische Dienste. Gideon Ernst von Laudon, Mezzotinto von J. B. Pichler nach einem Gemälde von Paul Hauben- Im Siebenjährigen Krieg (1756-1763) lei- stricker, um 1780, 39 x 28 cm tete er erfolgreiche Kleinkriegsaktionen Bayerisches Armeemuseum, Inv.-Nr. 0218-2019 1650-1792 Konkurrenz der Kronen

Die Beziehungen der Staaten nach dem Westfälischen Frieden waren alles andere als friedlich, jedoch geriet keiner der vie- len Konflikte mehr so außer Kontrolle wie der Dreißigjährige Krieg. Gleichwohl wa- ren Kriege ein „normales“ Mittel der Po- litik. In fast allen Territorien strebten die Fürsten nach der Festigung ihrer Macht im Innern und einer Erweiterung ihrer Herrschaftsgebiete. Länder konnten abge- geben oder getauscht werden, wenn dies dem Aufstieg der Herrscherdynastie nütz- te. Kriegsanlässe waren oft Streitigkeiten der miteinander verwandten Dynastien, wenn Herrscher ohne direkte Nachkom- men starben. In „Erbfolgekriegen“ rangen ganze Bündnissysteme um die Verteilung von Ländern und das dadurch gefährdete europäische Gleichgewicht. Nach dem Dreißigjährigen Krieg versuch- ten die Herrscher, das Militärwesen neu zu organisieren. „Stehende Heere“ sollten schon im Frieden unterhalten werden, um jederzeit nach dem Willen der Potentaten einsetzbar zu sein. Die Sicherung ihrer Fi- nanzierung erwies sich als langwieriger und wechselvoller Prozess. Im Kurfürstentum Bayern gilt das Jahr 1682 als die Geburtsstunde des stehen- den bayerischen Heeres. Im süddeutschen Raum war Kurbayern das einzige Staats- wesen, das militärisch eine Rolle spielen konnte. Die viel kleineren weltlichen und geistlichen Staaten und Reichsstädte, vor

Ausschnitt aus: Alain Manesson Mallet, Les Tra- vaux de Mars, troisième et derniere partie, Paris 1672, Kupferstich, 14,5 x 9,5 cm (Sammlung Daniel Hohrath) Die Schlacht – Konkurrenz der Kronen | 131

allem in Franken und Schwaben, die heu- Max II. Emanuels große Ziele endeten im te zum modernen Bayern zählen, waren Spanischen Erbfolgekrieg schon 1704 in dazu kaum in der Lage. einer Katastrophe, und auch im Österrei- Die europäische Politik wurde zunehmend chischen Erbfolgekrieg war der Aufstieg von der Rivalität großer Mächte bestimmt: seines Nachfolgers zum deutschen Kai- Das Heilige Römische Reich unter dem ser Carl VII. nur von kurzer Dauer. Als er Habsburger Kaiser und die Monarchien 1745 starb, war sein Land von österreichi- Frankreich, Spanien, Schweden, England schen Truppen besetzt. Kurbayern wurde sowie die Vereinigten Niederlande wa- zwar jeweils in den Friedensverhandlun- ren um 1680 die wichtigsten Akteure. Im gen wieder in seinen vorherigen Grenzen Mittelpunkt der meisten Konflikte stand wiederhergestellt, aber eine selbständige lange der Gegensatz zwischen dem franzö- Rolle in der europäischen Politik spielte sischen Königtum der Bourbonen und der es nicht mehr. Im Bayerischen Erbfolge- österreichischen Habsburger Dynastie. krieg 1778-1779 zwischen Preußen und Einige Konflikte, wie der Spanische Erb- Österreich war Kurbayern nur noch Ob- folgekrieg (1701-1714), der Österreichische jekt, bayerische Truppen waren nicht be- Erbfolgekrieg (1740-1748) und der Sie- teiligt. Obwohl 1779 die Nachfolge der benjährige Krieg (1756-1763), griffen weit pfälzischen Wittelsbacher bestätigt wurde über Europa hinaus, wobei Frankreich und und durch die Vereinigung der Territorien Großbritannien zu Hauptgegnern wurden. Kurbayerns mit der Kurpfalz ein deutlich Die vielen kleineren und mittleren deut- größerer Staat entstand, nahm sein macht- schen Fürstenstaaten schlossen sich den politisches Gewicht kaum zu. Großmächten in wechselnden Bündnissen Nach Phasen extremer Kriegsverdichtung an. Durch die Stellung von Truppen betei- (1667-1715 und 1740-1763) kam Europa für ligten sie sich an deren Kriegen. Stehende knapp drei Jahrzehnte zur relativen Ruhe. Heere waren die Voraussetzung, um an Die Machtverhältnisse hatten sich um 1780 diesem „Spiel der Fürsten“ um Macht und erheblich verschoben. Fünf Großmächte Rangstellung teilnehmen zu können. waren nunmehr bestimmend: Frankreich, Für Bayern ergaben sich durch seine ex- Österreich und Großbritannien sowie die ponierte Lage zwischen den österreichi- Aufsteiger Russland und Preußen. Viele schen Territorien und dem französischen der einstigen Mitbewerber wie Kurbayern, Herrschaftsgebiet Chancen und Gefah- aber auch Kursachsen und andere mittel- ren. Mehrfach verbündeten die Wittels- große Fürstenstaaten, waren nun ‚aus dem bacher sich mit den Bourbonen. Kurfürst Rennen’. 1700 – 1792 „Kriegskunst“

Die disziplinierten Soldaten der Stehen- den Heere mussten in komplizierten For- mationen kämpfen. Sie sollten Bewegun- gen und Befehle wie Maschinen ausführen und trotz Todesgefahr standhaft bleiben. Die sogenannte „Kriegskunst“ verlangte immer exaktere Planungen. Doch der Ausgang einer Schlacht blieb ungewiss – sicher waren nur hohe blutige Verluste auf beiden Seiten. Schlachten zu vermeiden galt in der Theorie als höchste Kunst des Feldherrn. Seit etwa 1700 trugen alle Soldaten der Infanterie Gewehre mit Bajonetten. Pike- niere zum Schutz wurden nun nicht mehr gebraucht. Durch Drill sollte die Feuer- geschwindigkeit erhöht werden. In der „Lineartaktik“ standen die Infanteristen nur noch drei bis vier Mann tief in dün- nen, aber langen Linien. Die schwere Kavallerie sollte in der Schlacht die gegnerischen Linien im Galopp mit der blanken Waffe durchbrechen. Dane- ben wurde eine bewegliche leichte Reiterei eingesetzt. Die Artillerie nahm an Bedeu- tung zu: Die Zahl der Geschütze auf dem Schlachtfeld stieg weiter an.

Musketier beim Landes des Gewehrs, Ausschnitt aus dem Neujahrsblatt des Militari- schen Pförtner Collegiums in Zürich, 1753 (Sammlung Daniel Hohrath) Die Schlacht – Konkurrenz der Kronen | 133 Musketiere, Füsiliere, Grenadiere

Die Infanterie bildete die Masse der Armeen. Seit etwa 1700 trugen alle Fußsol- daten ein Steinschlossgewehr mit Bajonett. Dies blieb die Standardwaffe der Infante- rie bis um 1830. Das „Tüllenbajonett“ war ein langer spit- zer Dolch, der seitlich an der Mündung des Gewehrs aufgesteckt wurde. Damit war das Problem der Wehrlosigkeit der Schüt- zen gelöst. So konnte sich die Infanterie gegen Angriffe der Kavallerie wehren, ohne das Bajonett zum Schießen abneh- men zu müssen, und selbst im Nahkampf angreifen. Im Mittelpunkt stand das synchrone Sal- venfeuer ganzer Abteilungen. Für gezielte Schüsse waren die glattläufigen Gewehre kaum geeignet, aber durch ständiges Trai- ning konnten Infanteristen bis zu drei scharfe Schüsse in der Minute abfeuern.

Steinschlossgewehr um 1720

Seit 1690 setzte sich überall in Europa das den Hahn geklemmten Feuerstein erzeugt. Steinschloss als Zündmechanismus durch. Eine Schwachstelle war noch der hölzerne Die Steinschlossflinte wurde für fast 150 Ladestock, der leicht brechen konnte. Jahre zur Standardwaffe des Militärs. Das Stein- oder Batterieschloss war zuver- lässiger als das Luntenschloss und auch robuster und billiger als das Radschloss. Steinschlossgewehr mit Tüllenbajonett, Suhl, um 1720, Eisen, Holz, Länge mit Bajonett 189 cm Eine glimmende Lunte war nicht mehr Bayerisches Armeemuseum, Inv.-Nrn. A 1952 nötig, der Zündfunke wurde mit einem in und N 2088 134 | Die Schlacht – Konkurrenz der Kronen

Steinschlossgewehr um 1770

Im 18. Jahrhundert wurden die Gewehre damit schnelleres Laden erlaubte. Diese der Infanterie mit dem kurz vor 1700 neu Neuerung wurde 1718 erstmals in Preu- erfundenen Tüllenbajonett ausgestattet. ßen eingeführt. Das Bajonett wurde mit einer runden Tülle, also einer Hülse an die Laufmün- dung gesteckt. So konnte es zum Laden und Schießen aufgepflanzt bleiben. Steinschlossgewehr mit Tüllenbajonett, kurbayerisch, Fortschau, um 1770, Nussbaum- Dieses Gewehr hat außerdem einen eiser- holz, Eisen, Stahl, Länge mit Bajonett 184 cm nen Ladestock, der bruchsicher war und Bayerisches Armeemuseum, Inv.-Nrn. A 2551.a-b Die Schlacht – Konkurrenz der Kronen | 135

Steinschlossgewehr um 1790

Die Gewehre der Infanterie wurden vor schützte den Nebenmann vor Verletzun- allem dafür optimiert, den Ladevorgang gen durch die seitliche Stichflamme, die zu beschleunigen. Auf gezieltes Schießen beim Abfeuern entstand. wurde kein Wert gelegt. Der zylindrische Ladestock machte das Gewehr aufgrund seines dicken unte- ren Endes zwar etwas schwerer, aber er musste beim Ladevorgang nicht mehr umgedreht werden. Steinschlossgewehr mit Bajonett, deutsch, um 1780, Eisen, Stahl, Messing, Holz, Dieses Gewehr hat außerdem einen Feu- Länge mit Bajonett 190,5 cm erschirm an der Zündpfanne. Dieser Bayerisches Armeemuseum, Inv.-Nr. H 9243 136 | Die Schlacht – Konkurrenz der Kronen

Grenadiersäbel

Säbel für Grenadiere waren etwas länger Seitenwaffe von den anderen Infanteristen und schwerer als die der normalen Infan- ab. teristen. Diese aufwendig mit dem kurbayerischen Grenadiere fanden häufiger als Sturm- Wappen verzierte Waffe wurde wohl von truppe Verwendung und konnten in Nah- einem Offizier getragen. kämpfe verwickelt werden. Deshalb waren Säbel für sie noch durchaus sinnvoll. Sie hatten aber vor allem eine symbolische Grenadiersäbel für einen Subalternoffizier, kur- bayerisch um 1760, Funktion: Als ausgewählte Elitesoldaten Stahl, Messing; Holz, Länge 85,5 cm hoben sich die Grenadiere auch durch ihre Bayerisches Armeemuseum, Inv.-Nr. A 11354 Die Schlacht – Konkurrenz der Kronen | 137

Infanteriesäbel

Der kurze Säbel der Infanteristen hatte als Holz für Koch- und Biwakfeuer. Versuche, Waffe eigentlich keine Funktion mehr. den Säbel abzuschaffen, scheiterten aber Die Infanterie war darauf gedrillt, sich in oft auch am Widerstand der Soldaten. Sie fester Formation zu bewegen und so das verteidigten dieses Symbol ihrer Ehre. Feuergefecht zu führen. Das Bajonett am Gewehr sollte für den seltenen Nahkampf genügen. Als Waffe waren die zunehmend leichteren und kürzeren Säbel kaum zu brauchen. Infanteriesäbel, deutsch um 1750, Als Feldwerkzeug war der Säbel aber Stahl, Messing, Länge 60 cm unentbehrlich, etwa zum Zerkleinern von Bayerisches Armeemuseum, Inv.-Nr. A 1935 138 | Die Schlacht – Konkurrenz der Kronen

Kurbayerische Grenadier-Trommel

Bei den Grenadier-Kompanien wur- steht das kurfürstlich Bayerische Wappen. den häufig besonders große Trommeln Diese Grenadiertrommel kam 1904 aus geführt. der historischen Sammlung des bayeri- Die Grenadier-Tambours waren berech- schen Infanterie-Leibregiments in das tigt, besondere Grenadiermärsche zu spie- Armeemuseum. len. Der Trommelsarg ist mit weißen Flammen auf hellblauem Grund bemalt, dazwischen Grenadier-Trommel, Bayern um 1720, Holz, Kalbfell, Leder, Schnur, Höhe 63 cm, als Zeichen der Grenadiere Handgranaten Durchmesser 55 cm mit brennender Zündung. In der Mitte Bayerisches Armeemuseum, Inv.-Nr. A 2033 Die Schlacht – Konkurrenz der Kronen | 139

Kurbayerische Infanterie-Trommel

Das dumpfe laute Dröhnen der großen Diese Trommel hat einen Trommelsarg Trommeln gab den Takt für die Bewegun- aus Messingblech, darauf ist das versil- gen der Truppen. berte Wappen des Kurfürstentums Bayern Zu jeder Einheit der Infanterie gehörte aufgelegt. eine Anzahl Trommler (Tambours). In der Gefechtsformation standen sie rechts und links hinter der Infanterie-Linie. Im Lärm der Schlacht konnten mit Trom- melsignalen Kommandos übermittelt wer- den. Der Trommelschlag erleichterte das Kurbayerische Infanterie-Trommel, um 1770, Holz, Messing, Leder, Silberblech, Schnur, Marschieren im Gleichschritt, sollte aber Höhe 43,5 cm, Durchmesser 44,5 cm auch Mut machen. Bayerisches Armeemuseum, Inv.-Nr. A 2094 140 | Die Schlacht – Konkurrenz der Kronen

Flöte mit Futteral

Die Spielleute gaben mit „Trommeln und Diese Flöte kam aus dem Besitz des könig- Pfeifen“ den Marschrhythmus vor und lich bayerischen 3. Infanterie-Regiments in dienten außerdem zur Übermittlung von die Sammlung des Bayerischen Armeemu- Befehlen. Die hohen Töne der Flöten hörte seums. Das Futteral stammt angeblich aus man auch über den Schlachtenlärm hin- der Sammlung der Fürsten von Thurn und weg. Taxis. Diese Art von Flöte wird als Traversflöte bezeichnet und ist ein direkter Vorgänger heutiger Querflöten. Der Tonumfang die- ses Musikinstruments liegt bei drei Okta- ven. Zum Schutz vor Schmutz und Nässe wur- Traversflöte, bayerisch(?), 2. Hälfte 18. Jahrhun- den solche Pfeifen in einem speziellen dert, Buchsbaumholz, Messing, Kork, Länge 51 cm Futteral aus Blech getragen. Dieses Stück Bayerisches Armeemuseum, Inv.-Nr. E 4162 ist mit den weiß-blauen Rauten und dem Langfutteral für Grenadierpfeifen, 1729-1777, kurfürstlichen Wappen bemalt. Drei Flö- Blech, Ölfarbe, Länge 54,5 cm ten hatten darin Platz. Bayerisches Armeemuseum, Inv.-Nr. A 11578

Die Schlacht von Höchstädt

Am 13. August 1704 unterlag ein fran- schen Engländer und Holländer über die zösisch-bayerisches Heer den alliierten katholischen Franzosen und Bayern. kaiserlichen, niederländischen und eng- Für diese Szene hat der Maler einen Hügel lischen Truppen unter Prinz Eugen und erfunden, den es dort gar nicht gibt. Von Marlborough. dieser Tribüne ergibt sich ein Überblick Diese Schlacht entschied für zehn Jahre über das Schlachtfeld in der Donauebene über das Schicksal Kurbayerns, das unter mit dem umkämpften Dorf Blindheim, eine harte österreichische Besatzungsherr- nach dem die Schlacht in England benannt schaft kam. Max Emanuel konnte erst 1715 ist: „Blenheim“. in sein erschöpftes Land zurückkehren. Die Ebene ist topographisch recht zuver- Das Gemälde zeigt den Schlachterfolg lässig wiedergegeben, dagegen stammt aus englischer Sicht: Im Vordergrund, auf die Darstellung der taktischen Formatio- einem steigenden Pferd, übergibt Marl- nen wohl von deutlich älteren Vorlagen, borough die Siegesmeldung. Links ist die denn 1704 kämpfte die Infanterie bereits in Kutsche des gefangenen französischen langen Linien von Musketieren in nur vier Marschalls Tallard zu erkennen. Im Vor- Mann Tiefe. Quadratische Pikenierhaufen Schlacht von Höchstädt, Gemälde von Jan van Huchtenburgh, kurz nach 1704, dergrund kauern zwei Mönche, wohl als gab es nicht mehr. Öl auf Leinwand, 112 x 160 cm Sinnbild des Triumphs der protestanti- Bayerisches Armeemuseum, Inv.-Nr. 0496-1971 144 | Die Schlacht – Konkurrenz der Kronen Kürassiere, Dragoner, Husaren

Im 18. Jahrhundert wurde die Reiterei in mehrere Gattungen eingeteilt. Sie unter- schieden sich in der Größe der Pferde, in der Bewaffnung und in ihren Aufgaben im Gefecht. Die schwere Kavallerie („Reiter“ oder Kürassiere) trug starke Brustpanzer als Überbleibsel des früheren Harnischs. Sie sollte in enger Formation den Gegner nie- derreiten. Ihre Hauptwaffe war ein schwe- rer gerader Degen (Pallasch). Dragoner waren ursprünglich berit- tene Infanteristen, die zu Fuß kämpften. Zunehmend wurden sie aber wie Küras- siere eingesetzt. Husaren ritten auf kleinen schnellen Pferden: Sie waren nach unga- rischem Vorbild mit dem krummen Säbel ausgerüstet. Alle berittenen Soldaten hatten zur Selbst- verteidigung auch noch Pistolen und ein gekürztes Gewehr (Karabiner).

Kavallerie-Pallasch

Der „Pallasch“, ein gerader Reiterdegen Die Inschriften „Carolus VII, Römischer mit einer starken breiten Klinge, war die Kaiser“ (Rückseite) und „VIVAT Secken- Hauptwaffe der Kavallerie im 18. Jahrhun- dorff“ zeigen, dass sie vor 1745 ange- dert. bracht wurden, während der bayerische Mit der schweren Klinge konnten gewal- Kurfürst Karl Albrecht als Kaiser Karl VII. tige Hiebe geführt werden, aber sie war Oberhaupt des Reiches und Feldmarschall auch zum Stechen geeignet. Seckendorff der Befehlshaber der Armee Die Gravur auf der Klinge dieser Waffe waren. erlaubt eine genaue Zuschreibung und Datierung: Der Pallasch wurde bei dem von 1742 bis 1753 bestehenden bayeri- Pallasch des bayerischen Regiments Grenadiers à Cheval, 1742-45, Stahl, Messing, Holz, Leder, schen „Grenadiers à Cheval-Regiment der Länge 103,5 cm Kaiserin“ geführt. Bayerisches Armeemuseum, Inv.-Nr. A 2016 Die Schlacht – Konkurrenz der Kronen | 145

Karabiner

Karabiner waren Gewehre mit verkürztem Am Karabiner war eine „Reitstange“ mit Lauf. Sie waren für Reiter praktikabel und Ring angebracht. Mit einem Karabinerha- konnten auch vom Pferd aus eingesetzt ken war er am Bandelier des Reiters befes- werden. tigt, damit er nicht verlorengehen konnte. Nachteile waren die geringere Reich- weite und mangelnde Treffsicherheit. Die Feuerwaffe war im Kampf zu Pferde nur ein Notbehelf. Um schießen zu können, Kavallerie-Karabiner mit Steinschloss, deutsch, um 1780, Eisen, Stahl, Messing, Nussbaumholz, musste angehalten werden. Das nahm Länge 95,5 cm einem Angriff den Schwung. Bayerisches Armeemuseum, Inv.-Nr. N 2104 146 | Die Schlacht – Konkurrenz der Kronen

Kavallerie-Pistole

Ein Paar lange Pistolen gehörte auch noch einschüssig. An ein Nachladen war im im 18. Jahrhundert zur Ausrüstung jedes Gefecht kaum zu denken. Kavalleristen. Für den Kampf zu Pferde spielten Pisto- len nur noch eine geringe Rolle. Brauch- bar waren sie nur für Schüsse aus sehr kurzer Distanz, bevor es zum Kampf mit Steinschloss-Pistole Modell 1733, französisch, Saint-Étienne, um 1750, der blanken Waffe kam. Wie alle im Mili- Eisen, Messing, Nussbaumholz, Länge 49 cm tär verwendeten Vorderlader waren sie Bayerisches Armeemuseum, Inv.-Nr. 0439-1985 Die Schlacht – Konkurrenz der Kronen | 147

Pistolenholster mit Schabrunken

Schabrunken bedeckten die Holster für unbekannten Regiment. Die Farbkombi- die Pistolen vorne am Sattel. Sie waren vor nation rot mit weißer Borte war recht ver- allem Schmuckelemente. breitet. Die Schabrunken bildeten wie die Schab- racken (Satteldecken) die „Uniform“ des Pistolenholster mit Schabrunken, wohl deutsch, Pferdes. Dieses Paar stammt aus der 2. 1750-1780, Leder, Wolltuch, Länge 38 cm (Holster) Hälfte des 18. Jahrhunderts von einem Bayerisches Armeemuseum, Inv.-Nr. N 1840 148 | Die Schlacht – Konkurrenz der Kronen

Reiterstiefel

Soldaten der schweren Kavallerie trugen Wie alle militärischen Bekleidungsstücke Stiefel aus extrem dickem und hartem sind Schuhe und Stiefel äußerst selten Leder mit großen Stulpen. erhalten. Die schwere Kavallerie ritt beim Angriff in Dieses Paar kam aus der privaten Samm- enger Formation, Mann neben Mann. Sol- lung des Malers Angelo Jank (1868-1940) che Stiefel sollten die Beine der Reiter vor in das Armeemuseum. Es wiegt 6,6 kg. Hieb und Stich, Brüchen und Quetschun- gen schützen. Im 18. Jahrhundert wurden die Stiefel Reiterstiefel mit Anschallsporen, deutsch, nach und nach wieder etwas leichter, um ca. 1700-1740, Leder, Eisen, Höhe 58 cm die Kavalleristen beweglicher zu machen. Bayerisches Armeemuseum, Inv.-Nr. H 17373 Die Schlacht – Konkurrenz der Kronen | 149

Dragonergewehr

Die Feuerwaffe der Dragoner war ein Mit- Diese Waffe gehört ins erste Drittel des 18. telding zwischen dem langen Gewehr der Jahrhunderts. Sie hat noch einen hölzer- Infanterie und dem kurzen Karabiner der nen Ladestock. Kürassiere und Husaren. Da Dragoner auch für das Feuergefecht zu Fuß ausgebildet waren, wurden sie Steinschloss-Dragonergewehr, hergestellt in Suhl, um 1720, Eisen, Stahl, Nussbaumholz, mit etwas längeren und weiter tragenden Länge 145 cm Gewehren ausgestattet. Bayerisches Armeemuseum, Inv.-Nr. A 1842 150 | Die Schlacht – Konkurrenz der Kronen

Husaren-Säbel

Vor allem bei den nach ungarischem Vor- sie in Deutschland für den Export auf bild ausgerüsteten Husaren gehörte der den Balkan oder nach Ungarn hergestellt leichte Krummsäbel zum Erscheinungs- wurde. bild. Die vom Orient bis Osteuropa verbreitete Form des Säbels wurde auch in allen euro- päischen Armeen verwendet. Husaren-Säbel mit Lederscheide, deutsch, 18. Jahrhundert, Stahl, Messing, Leder, Holz, Bei dieser Waffe lässt die Inschrift „FRIN- Länge 103,5 cm GIA“ (Land der Franken) vermuten, dass Bayerisches Armeemuseum, Inv.-Nr. A 11369 Die Schlacht – Konkurrenz der Kronen | 151

Trompete der Kavallerie

Durch Trompetensignale konnten nicht deren Status in der Armee. Sie waren als nur Befehle im Gefecht übermittelt wer- Musiker zünftig organisiert und konnten den, sie dienten auch als Musikinstru- zum Beispiel als Parlamentäre verwendet mente für zeremonielle Anlässe. werden. Trompeten waren den Reiter-Regimentern vorbehalten. Die Kürassiere stellten inner- halb der Heere die vornehmste Waffen- Kavallerietrompete von Philipp Schöller, München, um 1750, Messing, Behang Wolle mit gattung dar. Die Trompeter selbst hatten Silbergespinst, Länge 73,5 cm auch noch im 18. Jahrhundert einen beson- Bayerisches Armeemuseum, Inv.-Nr. A 1990 152 | Die Schlacht – Konkurrenz der Kronen

Modell einer 10-Pfünder Haubitze

Haubitzen waren Steilfeuergeschütze. Sie gegen Flächenziele wie große Truppen- verschossen Hohlgranaten, die mit Pul- aufstellungen oder Ortschaften, die nach ver gefüllt waren und einen Brennzünder Granatbeschuss oft rasch in Brand gerie- besaßen, der wie eine Lunte arbeitete. ten. Bei Haubitzen war die Bezugsgröße für die Kaliberangabe eine Steinkugel. Die- ses Modell repräsentiert ein 10-pfündiges Geschütz, dessen Original eine Rohrweite von ca. 17 cm besaß. Geschützmodell, deutsch, um 1800, Maßstab 1 : 4, Bronze, Holz, Eisen, Länge 78 cm, Breite 54 cm, Die Treffgenauigkeit von Steilfeuerge- Höhe 38 cm schützen war gering. Wirksam waren sie Bayerisches Armeemuseum, Inv.-Nr. D 1151 Die Schlacht – Konkurrenz der Kronen | 153

Modell eines 3-Pfünders

Der „3-Pfünder“ war das leichteste Die Bestimmung des Maßstabs eines Geschütz der Feldartillerie. Die Haupt- Modells ist meist nur mit bekannten, munition solcher Kanonen waren massive wenig schwankenden Größen wie dem Eisenkugeln. Raddurchmesser oder dem Radstand Es war üblich, bei Kanonen das Kaliber möglich. im Gewicht einer Eisenkugel anzugeben, Das Geschütz besitzt große Ähnlichkeit deren Durchmesser dem des Rohres ent- mit dem preußischen 3-Pfünder des Jahres sprach. 1717, trägt aber keine Kennzeichen. Beim 3-Pfünder wären das ca. 75 mm gewesen. Das Hauptgeschütz der Feldartillerie war der 6-Pfünder, das schwerste im Feldge- brauch ein 12-Pfünder. Sie unterschieden Geschützmodell, deutsch, 1. Hälfte 18. Jahrhun- dert, Maßstab 1 : 3, Messing, Holz, Eisen, sich nur in der Größe, nicht aber in ihrer Länge 100 cm, Breite 58 cm, Höhe 45,5 cm Konstruktion. Bayerisches Armeemuseum, Inv.-Nr. D 287 154 | Die Schlacht – Konkurrenz der Kronen

Regiment in Linie angetreten

Die Formationen zur Schlacht und zur für die Prinzen kleinerer Fürstentümer Parade unterschieden sich im 18. Jahrhun- nicht ungewöhnlich, boten sie doch stan- dert kaum. Die Bataillone der Infanterie desgemäße Lebensführung und politische bildeten lange Linien, in denen nur drei Verbindungen. Mann hintereinander gestellt wurden. Seit 1752 war Prinz Karl August von Pfalz- Das Bild zeigt eine Feldparade des franzö- Zweibrücken Regiments-Inhaber. 1770 sischen Infanterie-Regiments d’Alsace im löste ihn sein jüngerer Bruder Max Joseph Jahre 1768. Drei Bataillone sind nebenein- ab. Dass er vom französischen Offizier ander angetreten. Links stehen die Grena- zum pfalz-bayerischen Kurfürsten und dier-Zimmerleute sowie die Musiker und später Bayerns erstem König werden Trommler. sollte, war 1768 noch nicht abzusehen. Das Régiment d’Alsace war eine deutsche Einheit in den Diensten des Königs von Frankreich. Es wurde seit 1667 von Prinzen aus dem Parade des Régiment d’Alsace, Gemälde von Richard Schauwenbourg, 1768, Tempera auf Haus Wittelsbach geführt. Militärkarrie- Papier, 48,5 x 182,5 cm ren in den Armeen der Großmächte waren Bayerisches Armeemuseum, Inv.-Nr. A 2296 Die Schlacht – Konkurrenz der Kronen | 155

Plünderung von Gefallenen

Die Leichen der Gefallenen wurden auf mit dem Titel „Wahlstatt“. Es gibt keinen den Schlachtfeldern der Frühen Neuzeit Hinweis auf ein bestimmtes Ereignis. Die vollständig ausgeplündert. In der Mangel- weiß-blaue Fahne im Hintergrund stellt gesellschaft war alles verwertbar. vielleicht einen bayerischen Bezug her, Wertgegenstände, Waffen und Ausrüs- der sich jedoch nicht genauer bestimmen tung, aber auch die gesamte Kleidung lässt. Das Bild gehört zu den typischen waren schon Stunden nach dem Kampf Darstellungen kriegerischer Genreszenen, verschwunden. Funde von Massengrä- wie sie in der Barockzeit beliebt waren. bern bestätigen dies noch heute. Auf dem Bild durchsuchen Soldaten (hier leichte Truppen in ungarischer Tracht) einen toten oder schwerverletzten gegne- rischen Offizier. Ob die ankommenden Reiter dies verhindern oder selbst Beute Plünderung nach der Schlacht, Gemälde, deutsch, machen wollen, ist nicht zu erkennen. um 1750, nach einer Vorlage von Georg Philipp Rugendas (1666-1742), Öl auf Leinwand, Das Gemälde entstand offenbar um 1750 52 x 67,5 cm nach einem etwa 40 Jahre früheren Druck Bayerisches Armeemuseum, Inv.-Nr. N 2125 1792 – 1815 Revolution – Nation – Krieg

Die Französische Revolution wurde zum Auslöser einer neuen, 24 Jahre dauernden Kriegsepoche, die Europas politische Ord- nung und das Gesicht des Krieges nach- haltig verändern sollte. Das revolutionäre Frankreich zeigte sich in der Lage, Menschen und Material in einer neuen Größenordnung zu mobilisieren. Durch die Aufhebung der traditionellen Standesprivilegien wurden alle Einwoh- ner zu Staatsbürgern der französischen „Nation“ mit gleichen Rechten und Pflich- ten. Dies verband sich mit einer bürokrati- schen Zentralisierung, durch die der neue Staat auf die gesamte Bevölkerung zugrei- fen konnte. Frankreich entwickelte so ein militärisches Potential, dessen Größenord- nung bisher völlig unbekannt war. Während die „alten“ europäischen Mächte von den revolutionären Ereignissen eine Schwächung der Großmacht Frankreich erwarteten, fühlte sich die neue französi- sche Führung bedroht. Frankreich begann einen Krieg, der Europa überrollen sollte. Aus der erfolgreichen Abwehr wurde eine Expansion, die nicht aufzuhalten war. Durch die Revolution konnte ein jun- ger, begabter und ehrgeiziger Artillerie- Offizier in kurzer Zeit zum General, zum Staatsmann und schließlich zum „Kaiser der Franzosen“ aufsteigen: Napoleon Bonaparte. Als genialer Feldherr nutzte

Ausschnitt aus: Buonaparte, Radierung von Ph. A. Hennequin, 1797/98, nach einem Gemälde von Andrea Appiani, Druck, 1797/1798, vollständiges Bild: Höhe 57 cm, Breite 39 cm Bayerisches Armeemuseum, Inv.-Nr. 0436-2010 Die Schlacht – Revolution Nation Krieg | 157

er die Mittel seiner Zeit rücksichtslos und nunmehr durch schwäbische und frän- siegte in wenigen Jahren in rasanten Feld- kische Gebiete stark vergrößern und ein zügen und blutigen Schlachten über die geschlossenes Territorium bilden. 1806 viel schwerfälliger und vorsichtiger agie- wurde es zum Königreich. Der Preis der renden Heere der europäischen Mächte. neuen Krone war die militärische Aufrüs- Der französische Machtbereich dehnte tung und Teilnahme an Napoleons Krie- sich schnell von Oberitalien über die links- gen gegen Österreich, Russland und Preu- rheinischen Gebiete des Reiches bis nach ßen. Holland aus. Nachdem Napoleons Russlandfeldzug, bei Das komplexe Staatsgebilde des Heiligen dem auch rund 30.000 bayerische Soldaten Römischen Reiches brach in dieser Krise umkamen, im Jahre 1812 gescheitert war, zusammen: Von 1803 bis 1806 löste sich verbündeten sich Europas Staaten erneut das Alte Reich regelrecht auf. Die Masse gegen Frankreich. König Max Joseph der kleineren und kleinsten Staatswe- gelang es, im entscheidenden Moment die sen ging unter, die kleineren Territorien, Seiten zu wechseln. Das Königreich Bay- Reichsstädte und geistlichen Herrschaften ern wurde zum stärksten Mittelstaat im wurden mediatisiert bzw. säkularisiert Deutschen Bund. und größeren Staaten zugeschlagen. Neue Die französischen Siege hatten Gegner Staaten entstanden von Napoleons Gna- und Verbündete zu weitreichenden Refor- den. Einige wenige der alten Fürstenstaa- men in Staat und Militär gezwungen. Im ten blieben erhalten, wuchsen enorm und Wiener Kongress 1815 entstand eine rela- wurden als Königreiche und Großher- tiv stabile Ordnung, die über rund fünfzig zogtümer souverän. Dafür wurden sie zu Jahre größere Kriege in Europa verhin- Vasallen Frankreichs, die mit ihren Heeren derte. die Grande Armée Napoleons verstärken mussten. Bayern wurde mit Glück und Geschick einer der großen Gewinner dieser Entwick- lung. Obwohl das seit 1777 vereinigte Kur- fürstentum Pfalz-Bayern zunächst durch den Verlust seiner linksrheinischen Gebie- te geschwächt worden war, konnte es sich 1792 – 1815 Revolution der Kriegsführung?

Durch die gesellschaftlichen Umwälzun- gen in Folge der französischen Revolution wurden Soldaten leichter verfügbar und ersetzbar: Die Wehrpflicht aller Staatsbür- ger machte sie „billiger“. Die Heere wur- den größer, hohe Verluste konnten ausge- glichen werden. Nationale Begeisterung sollte fehlenden Drill ausgleichen. Mit den massenhaft rekrutierten jungen Soldaten war die komplizierte Lineartaktik aber nicht mehr möglich. Die Infanterie sollte in tiefgestaf- felten Kolonnen mit dem Bajonett angrei- fen. Feldherren wie Napoleon suchten die schnelle Entscheidung in der Schlacht. Die Kriegsführung wurde beweglicher und aggressiver, so dass die kleineren und schwerfälligen Berufsheere alter Art sich häufig unterlegen zeigten. Grundlegende technische Veränderun- gen in Ausrüstung und Bewaffnung gab es kaum, aber die Waffenherstellung wurde rationalisiert. Vor allem die Artil- lerie wurde weiter vermehrt und bewegli- cher gemacht, so dass auch großkalibrige Geschütze auf dem Schlachtfeld effektiv eingesetzt werden konnten. Sie wurde in vielen Schlachten zur entscheidenden, „tödlichsten“ Waffengattung.

Ausschnitt aus: Christian von Mechel, Soldaten und Plotons-Schule für die Infanterie aus dem französischen Reglement vom 1. August 1791 übersetzt, Basel 1799, Platte IV, Figur 7 Kupferstich, Gesamtmaße: 20 x 33,5 cm, Höhe der Darstellung 11 cm Bayerische Armeebibliothek, Sign. FDv 48 Die Schlacht – Revolution Nation Krieg | 159 Alte Waffen – Neue Taktik

In den Napoleonischen Kriegen blieb die Bewaffnung der Soldaten noch fast die gleiche wie zuvor. Innovationen beschränkten sich auf kleine technische Verbesserungen. Seit dem späteren 18. Jahrhundert wurde neben der „Linien-Infanterie“ eine soge- nannte „Leichte Infanterie“ aufgestellt. Sie kämpfte beweglich und in aufgelöster Ordnung statt in starrer Formation. In eini- gen Armeen wurden solche Soldaten als „Jäger“ oder „Schützen“ mit gezogenen Gewehren ausgerüstet, die zum gezielten Schießen geeignet waren. Bei der Kavallerie entstanden neue Gat- tungen wie Jäger zu Pferde, Chevauxlegers (Leichte Dragoner) und Lanzenreiter (Ula- nen). Bei der schweren Kavallerie wurden erneut Helme, Brust- und Rückenpanzer eingeführt.

Füsilier-Säbel

Obwohl er als Waffe bedeutungslos war, Die Säbel waren bei den Soldaten beliebt, gehörte ein Säbel als „Seitengewehr“ zur auch wenn die Armeeführung sie gerne Ausrüstung jedes Soldaten. eingespart hätte. Solche Füsiliersäbel wurden in dieser Form 1794 bei der bayerischen Infanterie eingeführt und bis 1838 getragen. Seit 1806 war auf der Klinge der gekrönte Namens- Füsiliersäbel Modell 1794, bayerisch, nach 1806, zug „MJK“ (Maximilian Joseph König) Eisen, Messing, Tombak, Länge 73 cm eingraviert. Bayerisches Armeemuseum, Inv.-Nr. E 1581 160 | Die Schlacht – Revolution Nation Krieg

Gewehr Modell 1801

Das Steinschlossgewehr war bis 1830 die Dieses Gewehr nach französischem Vor- Standardwaffe der Infanterie. Seit der Zeit bild wurde seit 1801 einheitlich für die um 1700 wurden einige Details verbessert, bayerische Armee in der neu gegründeten doch blieb es im Prinzip ohne große Ver- staatlichen Gewehrfabrik Amberg produ- änderungen. ziert. Neuerungen gab es in der Herstellung: Die Bauteile wurden nach genaueren Normen gefertigt, so dass beschädigte Elemente nun leichter zu ersetzen waren. Neu war Steinschloss-Infanteriegewehr mit Bajonett, auch die stabilere Form des Hahns mit Modell 1801, bayerisch, Amberg, 1801-1804, Eisen, Stahl, Messing, Nussbaumholz, herzförmigem Ausschnitt, die zuerst 1777 Länge mit Bajonett 193,5 cm in Frankreich eingeführt worden war. Bayerisches Armeemuseum, Inv.-Nr. H 6977.1-2 Die Schlacht – Revolution Nation Krieg | 161

Patronentasche

Das wichtigste Ausrüstungsstück des chen Papierhülle mit der nötigen Portion Infanteristen war die Patronentasche, die Schwarzpulver, in der vorne die Kugel an einem breiten Bandelier über der linken eingewickelt war. Schulter getragen wurde. Solche Patronentaschen wurden in Preu- Eine Patronentasche fasste üblicherweise ßen ab 1809 verwendet. Auf dem ovalen 60 Patronen. Damit konnte ein Soldat auch Messingblech ist der preußische Adler ein längeres Feuergefecht bestehen. Wei- geprägt. tere Patronen wurden den Truppen auf Wagen in die Schlacht nachgeführt. Diese Menge zeigt, welche Bedeutung die Hand- feuerwaffen seit etwa 1700 gewonnen hat- ten. Patronentasche, preußisch nach 1809, Die vorgefertigten Patronen für das Stein- Rindsleder, Messing, ca. 23 x 14 cm schlossgewehr bestanden aus einer längli- Bayerisches Armeemuseum, Inv.-Nr. 0589-2018 162 | Die Schlacht – Revolution Nation Krieg

Rumford-Säbel

Schwere, lange Säbel wurden immer mehr Auf der Klinge ist die Devise: „Für Den zur Standardwaffe der Kavallerie. Sie wa- Vater Des Vaterlandes“ unter dem Kurhut ren einfach zu handhaben und verursach- und dem Namenszug CT (Carl Theodor) ten schwere Verletzungen beim Gegner. eingraviert. Dieser Säbel wurde seit 1788 bei der gan- zen bayerischen Reiterei eingeführt. Das aus eisernen Bügeln geformte eckige Gefäß zum Schutz der Hand war typisch für diese nach dem bayerischen Militärre- Kavalleriesäbel Modell 1788, kurbayerisch, former als „Rumford-Säbel“ bezeichnete vor 1799, Stahl, Holz, Leder, Länge 97,5 cm Waffe. Bayerisches Armeemuseum, Inv.-Nr. A 2393 Die Schlacht – Revolution Nation Krieg | 163

Bayerische Pistole Modell 1804

Die Pistolen der Kavallerie wurden um Dieses Exemplar ist ein gesiegeltes Mus- 1800 handlicher. Das entsprach ihrer ter, das als Vorbild für die Serienfertigung Funktion als Waffe für den Notfall. diente. Mit ihrer geringen Treffsicherheit und Schussweite waren Reiterpistolen nur auf kurze Entfernung wirksam. Sie dienten vor allem zur Selbstverteidigung, bevor Steinschloss-Pistole Modell 1804, bayerisch, Amberg, Eisen, Stahl, Messing, Nussbaumholz, es zum Nahkampf mit Säbel oder Pallasch Länge 38,5 cm kam. Bayerisches Armeemuseum, Inv.-Nr. B 300 164 | Die Schlacht – Revolution Nation Krieg

Kavallerie-Karabiner Modell 1804

Das verkürzte Gewehr der Kavallerie cherheit durch den verkürzten Lauf gerin- hatte im Vergleich zur Pistole eine deutlich ger. An der linken Seite des Schafts ist eine höhere Reichweite. so genannte Reitstange angebracht. Das Die Karabiner waren weniger für den Ein- Bandelier des Reiters besaß einen Kara- satz in einer Schlacht, als für den alltägli- binerhaken, der dort eingehängt wurde, chen Dienst der Reiterei von Bedeutung. um den Verlust der Waffe zu verhindern, Bei ihren Erkundungsritten, Patrouillen wenn der Reiter zum Säbel griff. und Überfällen kam es häufig zu Feuerge- fechten. Dieser von der bayerischen Reiterei seit 1804 verwendete Karabiner hatte das glei- Karabiner Modell 1804 für die bayerische Kaval- lerie, Suhl, um 1810, Eisen, Stahl, Messing, che Kaliber wie das Infanteriegewehr, Nussbaumholz, Länge 95 cm doch waren seine Reichweite und Treffsi- Bayerisches Armeemuseum, Inv.-Nr. B 531 Die Schlacht – Revolution Nation Krieg | 165

Infanterie-Trommel

Die Trommeln der Infanterie wurden um Diese bayerische Infanterietrommel trägt 1800 zumeist etwas kleiner und leichter. den geprägten Namenszug von König Sie blieben aber unentbehrlich. Max I. Joseph „MJK“ unter der Königs- Der Trommelschlag bestimmte den Takt krone. des Marschierens. Im Lärm der Schlacht sollten die Trommeln durch bestimmte Signale Befehle übermitteln und den Infanterie-Trommel, bayerisch ab 1806, Messing, Holz, Kalbfell, Schnur, Leder, Soldaten durch ihren lauten Klang Mut Tiersaiten, Höhe 39 cm, Durchmesser 40 cm machen. Bayerisches Armeemuseum, Inv.-Nr. B 382 166 | Die Schlacht – Revolution Nation Krieg

Schützenhorn

Bei der Leichten Infanterie wurden Sig- In Bayern waren für die Schützenkom- nale mit Jagdhörnern übertragen. panien 16 verschiedene Signale vorge- Signalhörner konnten mit ihrem varia- schrieben. Diese Form der Schützenhörner blen und gut hörbaren Klang viele ver- wurde von 1804 bis 1856 verwendet. schiedene Befehle übertragen. Dies war besonders bei der Leichten Infanterie von Bedeutung, die in aufgelöster Ordnung Schützenhorn für leichte Infanterie, bayerisch, München, nach 1804, hergestellt durch G. Otten- kämpfte. Trommeln waren hier kaum steiner, Messing, Wolle; Höhe 28, Breite 37,5 cm brauchbar. Bayerisches Armeemuseum, Inv.-Nr. N 1416 Die Schlacht – Revolution Nation Krieg | 167

6-pfündige Feldkanone „Arco Carl“

Von etwa 1750 bis 1860 waren Kanonen Auf dem Bodenstück wurden die Initia- dieses Kalibers die wichtigsten Geschütze len der technischen Leiter des Gieß- und der Feldartillerie. Mit sechs Pferden Bohrhauses Augsburg eingraviert: IR und bespannt, waren sie auf dem Schlachtfeld CN. Sie stehen für Ignaz Reißer und Cas- gut beweglich und sehr wirkungsvoll. par Nietzl. Das Kaliber wurde im Gewicht einer Reißer war der Stückgießer. Von 1801 bis Eisenkugel (Nürnberger Pfund = 509,5 g) 1830 goss er 295 Rohre, davon 128 Sechs- angegeben. Der Durchmesser der Kugel Pfünder. Nietzl war als Stückbohrer für entsprach dem des Rohrs. die mechanische Bearbeitung der gegosse- Die Lafette ist nicht zeitgenössisch. Ihre nen Rohre zuständig. Bauart unterscheidet sich allerdings kaum vom Muster der napoleonischen Zeit. Diese Lafette wurde 1866 hergestellt und entspricht einem Modell von 1836. 6-pfündige Kanone, bayerisch, Gieß- und Bohr- Wie alle bayerischen Bronzerohre trägt haus Augsburg, 1814, Bronze, Eisen, Ulmenholz Raddurchmesser 143 cm, Rohrlänge 175 cm, das Rohr einen individuellen Namen: Gesamtlänge ca. 320 cm ARCO CARL. Bayerisches Armeemuseum, Inv.-Nr. 0378-1988 168 | Die Schlacht – Revolution Nation Krieg

Napoleon Bonaparte

Mit dem Feldzug in Norditalien zeigte Gorgonenhaupt auf der Brust des Pferdes Napoleon Bonaparte (1769-1817) seine unterstreichen die aggressive Energie der Fähigkeiten, die Verhältnisse in Europa Revolution. Der Reiter aber wendet den militärisch neu zu bestimmen. Blick in überlegener Ruhe zurück. Durch den erfolgreichen Feldzug in Nord- Das Bild signalisiert, dass der Anbruch italien gegen die österreichischen Trup- einer neuen Zeit nicht mehr aufzuhalten pen sicherte er sich den Ruf als wichtigster ist. Es handelt sich um eines der frühesten General der jungen Französischen Repub- Porträts des späteren Kaisers der Franzo- lik. sen. Napoleon inszenierte sich mit Nachrich- ten und Bildern in neuartiger Weise. Aus den Alpen herab stürmt der Reiter in Buonaparte, Radierung von Ph. A. Hennequin, 1797/98, nach einem Gemälde von Andrea Appi- wildem Galopp in die Ebene Italiens. Ein ani (1754-1817), 55,5 x 37,5 cm Leopardenfell als Satteldecke und das Bayerisches Armeemuseum, Inv.-Nr. 0436-2010 Die Schlacht – Revolution Nation Krieg | 169

Erzherzog Carl von Österreich

Erzherzog Carl (1771-1847), der Bruder rohr des Feldherrn. Im Hintergrund weist Kaiser Franz II., war der erste Feldherr, eine kleine Gefechtsdarstellung auf seine der gegen Napoleon erfolgreich war. militärischen Leistungen hin. Erzherzog Carl war Österreichs bedeu- Auf dem Portrait wirkt er wie eine Gegen- tendster Heerführer, der seit 1796 zahlrei- figur Napoleons, nicht wie ein Vertreter che Erfolge gegen die französischen Heere der „alten“ Mächte. Die lässig-aggressive errang. Zuletzt schlug er die Armee Napo- Pose ist ebenso neu wie die Hervorhebung leons 1809 in der Schlacht bei Aspern. der Artillerie. Obwohl er wenig später bei Wagram geschlagen wurde und den Oberbefehl niederlegen musste, wurde Erzherzog Carl seither als „Retter Germaniens“ gefei- Erzherzog Carl von Österreich, Gemälde von ert und verehrt. Moritz Kellerhoven, 1795/1800, Öl auf Leinwand, 218 x 149,5 cm In Generalsuniform lehnt er an einem Leihgabe der Bay. Staatsgemäldesammlungen Geschütz, in der Rechten hält er das Fern- Bayerisches Armeemuseum, Inv.-Nr. L 7090 170 | Die Schlacht – Revolution Nation Krieg

Bilder des Leidens und Grauens

Der Artillerieoffizier Christian Wilhelm Vorstellungswelt Europas eingeprägt hat. von Faber du Faur (1780-1857) gehörte zu Nach dem Krieg verarbeitete er seine dem württembergischen Kontingent, das Studien in Zeichnungen und Aquarellen. 1812 an Napoleons Russlandfeldzug teil- Diese Originale konnten in den 1920er nahm. Von dem, was er dort sah, fertigte Jahren für das Bayerische Armeemuseum er fast täglich Skizzen an. angekauft werden und stellen heute einen Faber du Faur überlebte als einer von einmaligen Schatz der graphischen Samm- Wenigen. lung dar. Sie sind die unmittelbaren Vor- Er gilt bis heute als einzigartiger Chronist lagen der 100 Lithographien, die von 1831- jener militärischen Katastrophe bislang 1846 publiziert wurden. unbekannten Ausmaßes, die sich tief in die

Schlacht bei Krasnoj

Der Rückzug der geschlagenen „Großen Motive, die sich später auf den Vorlagen Armee“ Napoleons entwickelte sich von für die Lithographienserie finden. Tag zu Tag mehr zur Katastrophe. Der frühe Wintereinbruch traf die ge- schwächten Truppen unvorbereitet. Gegen „Zwischen Smolensk und Krasnoj am 15. Novem- die Angriffe der russischen Armee konn- ber 1812“, Temperagemälde von C.W. von Faber du Faur, 1814, Wasserfarben auf Papier, ten sie sich nur noch mit Mühe behaup- 52,2 x 88,3 cm ten. Dieses große Blatt vereinigt mehrere Bayerisches Armeemuseum, Inv.-Nr. 0492-1997.c Die Schlacht – Revolution Nation Krieg | 171

Gefallene französische Soldaten

Die Brücke über den Fluss Kolotscha bei derten Leichen gaben Zeugnis von dem Borodino war am 17. September 1812 blutigen Gefecht. Der Heereszug hatte sie Schauplatz eines blutigen Kampfes. wie Abfall auf seinem Wege zurückgelas- Beim Versuch der Franzosen, über die sen. Brücke gegen die Höhen von Gorki vor- zugehen, wurden sie von überlegenen russischen Kräften mit einem mörderi- „Die Brücke über die Kolotscha bei Borodino, schen Feuer empfangen und mussten sich den 17. September 1812“, Aquarell von C.W. von Faber du Faur, 1827/30, Wasserfarben auf zurückziehen. Nur die weithin sichtbaren Papier, 28 x 35,8 cm Pferdekadaver und die teilweise gefled- Bayerisches Armeemuseum, Inv.-Nr. 0064-1967.57 172 | Die Schlacht – Revolution Nation Krieg

Zurückgelassene Verwundete

Schon auf dem Vormarsch erlitt die Umgang mit Feuer ab, wobei die zumeist „Grande Armee“ Napoleons schwerste bettlägerigen Patienten Opfer der Flam- Verluste. Nach der blutigen Schlacht bei men wurden. Die wenigen Überlebenden, Borodino am 7. September 1812 mussten oftmals selbst durch das Feuer schwer ver- bei ihrem Weitermarsch auf Moskau zahl- letzt, überließ man ihrem Schicksal. reiche Verwundete zurückgelassen wer- den. Die nach Moskau vorrückende Armee ließ ihre Kranken und Verwundeten in ver- schiedenen Siedlungen entlang der Straße „An der großen Straße von Moshaisk nach zurück. Krymskoje, den 18. September 1812“, Aquarell von C.W. von Faber du Faur, 1827/30, Viele dieser provisorischen Lazarette Wasserfarben auf Papier, 20 x 27,2 cm brannten aber durch den sorglosen Bayerisches Armeemuseum, Inv.-Nr. 0064-1967.59 Die Schlacht – Revolution Nation Krieg | 173

Die Letzten

Die Reste der Grande Armée versuchten Versorgung war schon im Sommer zusam- nur noch, so schnell wie möglich Russland mengebrochen. zu verlassen und über den Grenzfluss Auf dem Bild schleppen sich württember- Memel nach Ostpreußen zu gelangen. gische Offiziere durch den Schnee. Jeg- Von über 600.000 Soldaten kehrten weni- liche militärische Ordnung hatte schon ger als 10 Prozent zurück. Bei der bayeri- lange aufgehört zu bestehen. schen Armee überlebten weniger als 3000 von 30.000 Mann. Die meisten der Solda- ten waren nicht durch Kampfhandlun- gen ums Leben gekommen, sondern an „Bei Eve, den 11. Dezember 1812“, Aquarell von C.W. von Faber du Faur, 1827/30, Wasserfarben Krankheiten, Hunger, Erschöpfung oder auf Papier, 19 x 29,9 cm Erfrierungen zu Grunde gegangen. Die Bayerisches Armeemuseum, Inv.-Nr. 0064-1967.97

Erfolg trotz Niederlage: Hanau 1813

In der Schlacht bei Hanau (29.-31. Oktober 1813) führte der bayerische General Graf Wrede ein aus Österreichern und Bayern bestehendes Heer. Dieses stellte sich der Hauptarmee Napoleons entgegen. Die französische Streitmacht war den Ver- bündeten deutlich überlegen und setzte sich schließlich durch, doch erlitten beide Seiten schwerste Verluste. Über 10.000 Tote und Verwundete blieben auf dem Schlachtfeld. Trotz ihres Sieges war die französische Armee sehr geschwächt und zog sich wei- ter nach Frankreich zurück. Politisch war die Schlacht ein Erfolg für Bayern: König Max Joseph hatte sich erst drei Wochen vorher von Napoleon losgesagt. Mit die- sem militärischen Einsatz bewährte sich Schlacht bei Hanau, Gemälde von Wilhelm von Kobell, 1814, Öl auf Leinwand, 206 x 323 cm die bayerische Armee als wertvolles Mit- Leihgabe der Bay. Staatsgemäldesammlungen glied der Koalition gegen Frankreich. Bayerisches Armeemuseum, Inv.-Nr. L 7075

179 Belagerungen

Festungen spielten in fast allen europä- dafür dar. Der technische Wettlauf zwi- ischen Kriegen der Frühen Neuzeit eine schen Angriff und Verteidigung erforderte bestimmende Rolle. Viele Feldzüge dreh- laufend Erweiterungen und Modernisie- ten sich um den Besitz einzelner Festungs- rungen. Gegen die immer aufwendigere städte. Es gab deutlich mehr Belagerungen Befestigungsweise mit Bastionen, Wällen als große Schlachten. und Gräben entwickelte sich seit etwa Befestigte Städte waren die am härtesten 1670 eine systematische Angriffstechnik umkämpften Objekte. Wenn sie am Rande mit Laufgräben und Geschützbatterien. eines Herrschaftsgebietes lagen, bestand Die Zeit, bis eine Festung kapitulieren ihre strategische Rolle darin, das Eindrin- musste, erschien berechenbar. Dennoch gen feindlicher Armeen zu erschweren dauerten Belagerungen oft lange. Die und gleichzeitig als Ausgangspunkt für Angreifer benötigten für viele Wochen eigene Angriffe dienen zu können. Als Lebensmittel, die ebenso wie schwere „Schlüssel des Landes“ sperrten sie die Geschütze und Munition über große Dis- Verkehrswege und beherrschten einen tanzen antransportiert werden mussten. weiten Umkreis. Aber auch größere Städte Nicht selten wurden Belagerungen aufge- im Innern des Landes konnten als Festun- hoben, weil diese Versorgung nicht gelang gen von großer Bedeutung sein. Gerade oder eine Armee die Belagerer vertrieb. große und wohlhabende Städte, die als Manche Stadt lag dann aber schon in Wirtschafts- und Handelszentren an wich- Trümmern. Für die Bevölkerung einer tigen Straßen und Flüssen lagen, waren Stadt verkehrte sich der Schutz, den die für die Kriegsführung der Frühen Neu- Befestigung im Kriegsalltag gegen durch- zeit von entscheidender Bedeutung. Denn ziehende und plündernde Truppen bot, hier waren auch die Ressourcen vorhan- ins Gegenteil: Nun stand die Stadt selbst den und lagerten die Vorräte, die als Ver- im Mittelpunkt des Kriegsgeschehens. sorgungsbasis der Armeen unersetzlich Brand, Zerstörung und Tod drohten nicht waren. nur durch den Beschuss; eine längere Nachdem die Durchsetzung der schweren Belagerung konnte auch zum Zusam- Feuerwaffen dazu geführt hatte, dass hohe menbruch der Lebensmittelversorgung Mauern keinen Schutz mehr boten, hatte führen, zumal die militärische Besatzung sich seit dem 16. Jahrhundert eine neue Art oft viel zahlreicher war als die Einwohner- von Festungsbau entwickelt, der weitaus schaft. Wenn eine Festung nicht rechtzeitig größere Flächen benötigte und viel höhere von ihrer militärischen Besatzung überge- Kosten verursachte als die Stadtmauern ben wurde, was allerdings relativ selten des Mittelalters. Dies konnten fast nur vorkam, war die Bevölkerung dem Wüten die fürstlichen Potentaten großer Herr- der plündernden und mordenden Sieger schaftsgebiete finanzieren, so dass nur schutzlos ausgeliefert. noch einzelne Städte zu immer stärkeren Festungen ausgebaut wurden. Ingolstadt stellt als Hauptfestung des Kurfürsten- tums Bayern geradezu ein Musterbeispiel 180 | Belagerungen Belagerungen | 181 Wälle, Gräben und Bastionen

Seit etwa 1550 setzte sich in Europa eine dehnten sich weit in das Vorgelände aus. neue Art des Festungsbaus durch. An die Komplizierte, geometrisch berechnete Sys- Stelle der hohen Mauern der Burgen und teme von Wällen, Gräben und Bastionen Stadtbefestigungen traten niedrigere, aber wurden angelegt, um die Annäherung des massive Erdwälle. Belagerers zu erschweren. Es sollte keine Die schweren Kanonen der Artillerie toten Winkel geben, in denen ein Angrei- konnten senkrechte Mauern leicht durch- fer sich vor dem Beschuss aus der Festung brechen. Schräg ansteigende Wälle waren decken konnte. Dies machte den Bau und nicht so leicht zum Einsturz zu bringen. Erhalt von Festungen immer aufwendiger Immer tiefer gestaffelte Festungsbauten und teurer.

Planungsmodell für die Erweiterung der Festung Ingolstadt 1566

1537 begann man mit Ingolstadts Ausbau werke (Bastionen) verstärkt werden. Sie zur Festung. Kaum waren die Festungsan- hatten sich gegenseitig zu decken. Davor lagen um 1565 fertiggestellt, wurde bereits wurden ein breiter Graben und ein weite- geplant, Ingolstadt weiter auszubauen rer niedrigerer Wall geplant. und die Stadt mit einer größeren und Dieser für seine Entstehungszeit sehr moderneren Umwallung zu versehen. moderne Entwurf wurde so nicht ausge- Um dem Feuer der Artillerie zu wider- führt. Das Modell beweist aber, welche stehen, gegen das hohe Mauern keinen Bedeutung der Befestigung Ingolstadts Schutz mehr boten, mussten gewaltige zugemessen wurde. Befestigungen mit Erdwällen und Gräben Das verwendete Fichtenholz wurde 1566 vor die mittelalterliche Stadtmauer gesetzt oder wenig später geschlagen. Es ist damit werden. eines der ältesten derartigen Modelle in Das Modell zeigt, wie mächtig die neuen ganz Europa. Anlagen im Verhältnis zur mittelalterli- chen Stadt geplant waren. Der Verlauf der alten Stadtmauer ist noch durch eine (nur teilweise erhaltene) schmale Leiste erkenn- Planungsmodell der Festung Ingolstadt, bayerisch, um 1570, Fichtenholz, bar. Der davor gelegte Hauptwall sollte an Maßstab ca. 1:640, 194 x 202 cm den Ecken durch große, fünfeckige Boll- Bayerisches Armeemuseum, Inv.-Nr. N 5104 182 | Belagerungen

Bauweisen von Festungen

Die hier gezeigten Reliefmodelle sind 1828 bis 1854 herausgab. Sie zeigen immer dreidimensionale Beigaben zu einem einen Ausschnitt, an dem die technischen Handbuch der Befestigungskunst, das der Prinzipien erkennbar sind. Von den ins- preußische Offizier Alexander von Zast- gesamt 16 Modellen der Serie werden hier row (1801-1875) in mehreren Auflagen von neun gezeigt.

Festungsbau nach Albrecht Dürer

Der heute fast nur noch als Maler und Innern waren Kasematten mit Schieß- Graphiker berühmte Albrecht Dürer scharten untergebracht, von denen aus der (1471-1528) veröffentlichte 1527 das erste Graben verteidigt werden sollte. deutschsprachige Buch über den Fes- tungsbau. Der mauerbrechenden Artillerie setzte er massive Wälle entgegen. Auf riesigen Reliefmodell nach Zastrow: Manieren von Albrecht Dürer, 1828, Holz, Ölfarbe, Gips, gerundeten Bollwerken (Basteien) waren 32 x 38,5 cm Plattformen für Kanonen angelegt. Im Bayerisches Armeemuseum, Inv.-Nr. C 3273 Belagerungen | 183

Italienische Befestigungsweise

In Italien wurden im 16. Jahrhundert poly- Das Modell zeigt unten die ältere Variante gonale Bastionen entwickelt, die an den mit sehr kleinen Bastionen und oben die Flugbahnen von Artilleriegeschossen aus- „neu-italienische Manier“: Hier sind die gerichtet waren, um tote Winkel gänzlich Bastionen größer und der dazwischen lie- auszuschließen. gende Wall (Kurtine) wird durch ein Vor- Das Prinzip der meist fünfeckigen Bas- werk gedeckt. tionen, die vom Hauptwall aus mit zwei schrägen Flanken nach vorne gerichtet waren, setzte sich bald in ganz Europa Reliefmodell nach Zastrow: Manier der Italiener, durch und bestimmte den Festungsbau 1828, Holz, Ölfarbe, Gips, 32 x 38,5 cm der gesamten Frühen Neuzeit. Bayerisches Armeemuseum, Inv.-Nr. C 3274 184 | Belagerungen

Entwurf von Daniel Speckle

Der Straßburger Festungsbaumeister Charakteristisch für Speckle ist der wie Speckle (1536-1589) machte auch Ent- eine Säge gezackte „gedeckte Weg“ als würfe für die Befestigung von Ingolstadt. erste Verteidigungslinie. Speckle entwarf u.a. große Bastionen mit erhöhten Plattformen für Geschütze (Kavaliere). Dabei ging es darum, die Reliefmodell nach Zastrow: Manier von Speckle, Möglichkeiten zum Waffeneinsatz für die 1828, Holz, Ölfarbe, Gips, 32 x 38,5 cm Verteidiger zu erhöhen. Bayerisches Armeemuseum, Inv.-Nr. C 3283 Belagerungen | 185

Altniederländische Manier

Adam Freitag (1608-1650) war einer der mit niedrigen Erdwällen und nutzte den Ingenieure, die den neuen Festungsbau hohen Grundwasserstand aus, um ein Sys- auf die Verhältnisse der Niederlande über- tem von breiten Wassergräben anzulegen. trugen. Die Ausdehnung der Festung ins Vorfeld Die massiven Steinbauten mit ihren hohen wurde dabei erweitert. Wällen und tiefen trockenen Gräben, die in Italien und Süddeutschland möglich Reliefmodell nach Zastrow: Manier von Freytag, waren, konnten in den Niederlanden 1828, Holz, Ölfarbe, Gips, 32 x 38,5 cm nicht gebaut werden. Hier arbeitete man Bayerisches Armeemuseum, Inv.-Nr. C 3275 186 | Belagerungen

Neu-Niederländische Manier

Menno van Coehoorn (1641-1704) entwi- Festung mit Ziegelsteinen gemauert und ckelte das niederländische Befestigungs- zahlreiche geschützte Stellungen angelegt, system konsequent weiter. aus denen Angreifer beschossen werden Coehoorn verbesserte die Verteidigungs- konnten. fähigkeit der niederländischen Festungen erheblich. Dies erreichte er zum Teil durch noch breitere und tiefere Gräben, welche Reliefmodell nach Zastrow: 1te Manier von die Annäherung des Feindes erschwer- Coehorn, 1685, Holz, Ölfarbe, Gips, 32 x 38,5 cm ten. Außerdem wurden größere Teile der Bayerisches Armeemuseum, Inv.-Nr. C 3276 Belagerungen | 187

Tenaillensystem nach Landsberg

Der deutsche Ingenieur Hermann Lands- besser schützen konnten. Es wurde viel berg d. J. (1670-1746) reduzierte die Fes- diskutiert, aber an keiner größeren Fes- tung auf ein System gestaffelter spitzwin- tung ganz verwirklicht. keliger Flanken. Das 1712 entwickelte System der Tenaillen Reliefmodell nach Zastrow: System von Lands- (deutsch: Zangen) war darauf angelegt, berg, 1828, Holz, Ölfarbe, Gips, 32 x 38,5 cm dass die Festungswerke einander noch Bayerisches Armeemuseum, Inv.-Nr. C 3277 188 | Belagerungen

Vaubans Festungsbau

Sébastien le Prestre de Vauban (1633-1707) wurden die Bastionen durch einen Gra- war der berühmteste Erbauer und Belage- ben vom Hauptwall getrennt. Seine hier rer von Festungen in seiner Zeit. Er passte gezeigte „Dritte Manier“ verwirklichte seine Konstruktionen genial an die örtli- Vauban 1699 beim Bau der kreisförmigen chen Voraussetzungen an. Idealstadt Neuf-Brisach (Elsass). Ein wichtiges Element aus der Erfahrung mit Belagerungen war die Einfügung von Reliefmodell nach Zastrow: 3te Manier von Abschnitten, um jedes einzelne Festungs- Vauban, 1828, Holz, Ölfarbe, Gips, 32 x 38,5 cm werk je für sich verteidigen zu können. So Bayerisches Armeemuseum, Inv.-Nr. C 3280 Belagerungen | 189

Schule von Mézières

In der Nachfolge Vaubans entwickelten wurden. Dieses Modell bezieht sich auf der Ingenieur Cormontaigne (1695-1752) ein Konzept von 1764. und nach ihm die Ingenieur-Schule in Mézières den französischen Festungsbau weiter. Reliefmodell nach Zastrow: Manier von Die Verteidigungslinie wurde noch weiter Cormontaigne nebst den Zusätzen der Schule von Mézières, 1828, Holz, Ölfarbe, Gips, vorgeschoben, indem vor die Bastionen 32 x 38,5 cm noch große Vorwerke (Lunetten) gesetzt Bayerisches Armeemuseum, Inv.-Nr. C 3281 190 | Belagerungen

Das System von Montalembert

Gegen das allgemein anerkannte System Seine Vorschläge, die er seit 1776 in der Bastionärfestung rebellierte der fran- umfangreichen Bänden publizierte, wur- zösische Kavallerieoffizier de Montalem- den zumeist erst im 19. Jahrhundert auf- bert (1714-1800). gegriffen. Grundprinzip seiner sehr zahlreichen Entwürfe war die Stärkung der Abwehr. Diese wollte er durch eine Vielzahl von fest gemauerten Kasematten und Tür- Reliefmodell nach Zastrow: System von Monta- men mit Stellungen für Geschütze und für lembert, 1828, Holz, Ölfarbe, Gips, 32 x 38,5 cm Infanterie zur Nahverteidigung fördern. Bayerisches Armeemuseum, Inv.-Nr. C 3282 Belagerungen | 191 Mit Schweiß und Spaten

Der Bau einer Festung, ihre Vorbereitung zur Verteidigung, aber auch die Belage- rung erforderten gewaltige Erdbewegun- gen. In der Frühen Neuzeit bedeutete das menschliche Schwerstarbeit. Als Arbeiter wurden nicht nur die Solda- ten verpflichtet, sondern auch die Bürger einer Festungsstadt und die Bauern aus den Dörfern der Umgebung. Während die Bürger für den Schutz ihrer Stadt schanz- ten (davon kommt der Spitzname der Ingolstädter: „Schanzer“), schufteten die Bauern für beide Seiten: erst für die Vertei- diger, dann für die Angreifer. Während der Belagerung wurde die Arbeit lebensgefährlich, da auf alles geschossen wurde, was sich zeigte. Der Bau von Lauf- gräben und Stellungen für die Artillerie fand daher meist in der Dunkelheit der Nacht statt.

Spaten

Die wichtigste „Waffe“ im Festungskrieg tungsbau und bei der Belagerung waren war nicht das Geschütz, sondern der Spa- im Wesentlichen das Werk menschlicher ten. Muskelkraft. Die Leistungen der Schanz- Die Annäherung an eine Festung war nur arbeiter, die mit diesem einfachen Werk- durch mühsames Vortreiben von Laufgrä- zeug in kurzer Zeit verrichtet wurden, ben möglich. Aber auch der Verteidiger sind erstaunlich. bedurfte solcher Schanzwerkzeuge, sei es, um Schäden nach Beschießungen auszu- bessern, oder bei Ausfällen, um die Grä- Spaten, deutsch, Ende 18. Jahrhundert, ben des Belagerers wieder zuzuschütten. Eisen, Holz, Länge 146 cm Die gewaltigen Erdarbeiten beim Fes- Bayerisches Armeemuseum, Inv.-Nr. A 10710 192 | Belagerungen

Parade-Axt der Sappeure

Sappeure führten die gefährlichsten Mittel der Repräsentation bei Paraden und Schanz- und Erdarbeiten vor Festungen zeremoniellen Anlässen. durch. Ihr Name ist vom französischen „la Die Sappeure der französischen Fremden- sape“ (Laufgraben) abgeleitet. legion tragen ihre Äxte und Lederschür- Auch zu den Grenadierkompanien gehör- zen noch heute alljährlich bei den Paraden ten einige Sappeure (auch als Pioniere zum 14. Juli, dem französischen National- oder Zimmerleute bezeichnet). Mit ihren feiertag. Äxten mussten sie beim Sturmangriff höl- zerne Verschanzungen zertrümmern. Die hier gezeigte, dekorativ ausgeschmie- Paradeaxt, deutsch, Ende 18. Jahrhundert, dete Axt diente nicht als Werkzeug, son- Eisen, Holz, Länge 98,5 cm dern war als Symbol dieser Spezialtruppe Bayerisches Armeemuseum, Inv.-Nr. A 2343 Belagerungen | 193

Schubkarre

Der Bau der großen Festungswerke war plare in Europa. Sie wurden bei archäo- Handarbeit, für die Erdbewegungen logischen Grabungen gegenüber dem waren Schubkarren das wichtigste Trans- Neuen Schloss an der ehemaligen Eselbas- portmittel. tei entdeckt. Das Holz ist auf das Jahr 1537 Die Festungen der Frühen Neuzeit bestan- datiert. den nur zum Teil aus Steinen und Ziegeln, Aus dem gleichen Jahr stammen auch die vor allem aber aus aufgeschüttetem Erd- ältesten erhaltenen Rechnungen für den reich. Erdwälle waren nicht nur billiger als Ausbau der Festung Ingolstadt. Mauerwerk, sondern oft auch besser, da Kanonenkugeln in ihnen einfach stecken blieben. Schubkarren sind seit dem Hochmittelal- ter auf Bildern nachweisbar. Die 2013/14 Schubkarre, deutsch, 1537, Holz, Eisen, Länge 151 cm, Breite 41 cm, Höhe 39 cm in Ingolstadt gefundenen Schubkarren Leihgabe des Stadtmuseums Ingolstadt sind die bisher ältesten erhaltenen Exem- Bayerisches Armeemuseum, Inv.-Nr. L 7089 194 | Belagerungen

Belagerung von Mainz 1689

Mainz war eine der größten Festungs- Das Bild zeigt die kurbayerische Perspek- städte am Rhein. 1688 wurde sie von fran- tive in zwei getrennten Szenen: Erhöht im zösischen Truppen Ludwigs XIV. besetzt. Vordergrund ist das bayerische Lager zu Bei der Belagerung führte Kurfürst Max sehen. Als zentraler Akteur rechts vorne Emanuel von Bayern einen Hauptangriff. steht Max Emanuel (im blauen Rock und Das zur Rückeroberung zusammenge- mit Hut) bei der Besprechung mit seinen stellte Reichsheer unter dem Kommando hohen Offizieren. des Herzogs von Lothringen bestand aus Im Hintergrund ist der Sturm der bayeri- etwa 60.000 Mann, darunter ein großes schen Truppen auf die Bastionen im Süden kurbayerisches Kontingent unter Max der Festung dargestellt. Zu erkennen sind Emanuel. Artilleriestellungen und die planmäßig bis Nach einer sieben Wochen währenden an den Rand der Festung vorgetriebenen Belagerung gelangen den Angreifern am 6. Laufgräben. Aus ihnen heraus gehen die September 1689 Sturmangriffe an der süd- Sturmkolonnen vor. lichen und westlichen Front der Festung. Zwei Tage später kapitulierte die franzö- sische Besatzung gegen freien Abzug und übergab die Stadt. Die Verluste der Bela- gerer betrugen etwa 5.000 Tote und Ver- Belagerung von Mainz 1689, Gemälde von Franz Joachim Beich, um 1720, Öl auf Leinwand, wundete, die der Verteidiger etwa 2.200 246,3 x 219,8 cm Mann. Bayerisches Armeemuseum, Inv.-Nr. A 11356 Belagerungen | 195 196 | Belagerungen Belagerungen | 197 Angriff und Verteidigung

Zwischen den Techniken der Verteidigung und des Angriffs gab es einen ständigen Wettlauf. Je effektiver die Artillerie wurde, desto mehr wurden die Festungen ver- stärkt und ausgedehnt. Von den Belagerern wurde ein ausgeklü- geltes System von Gräben und Stellun- gen angelegt, um die Verluste durch den Beschuss aus der Festung gering zu halten. Von beiden Seiten wurden spezielle Waf- fen für den Belagerungskrieg verwendet: Wallgewehre mit hoher Reichweite und Treffgenauigkeit waren eine Gefahr für jeden, der sich aus der Deckung wagte. Dazu gab es ein großes Sortiment an Explosiv- und Brandgeschossen, die aus Mörsern im hohen Bogen hinter die Stel- lungen (und auf die Häuser der Stadt) geschossen wurden. Im Nahkampf wur- den auch Handgranaten geworfen.

Belagerungsharnisch

Harnische und Helme, die bei Belagerun- sind nur außerordentlich selten überlie- gen zum Einsatz kamen, waren besonders fert. schwer. Nur eine sehr starke Panzerung Helm und Kürass entstammen der Rüst- bot bei der Annäherung an Festungen kammer der Fürsten von Braunschweig ausreichenden Schutz gegen das gezielte und sind mit 6,3 kg (Helm) bzw. über 22 Gewehrfeuer der Verteidiger. kg (Harnisch) extrem schwer. Die Samt- Bei Belagerungen waren besonders die bespannung des Helmes, die Silbertressen in den Laufgräben arbeitenden Spezial- und das Innenfutter aus gesteppter Seide truppen (Sappeure) gefährdet. Sie wur- zeigen, dass sie für eine hochgestellte Per- den deshalb mit Harnischen ausgestattet, sönlichkeit gefertigt wurden. die Schüssen aus der Festung standhalten konnten. Auch höhere Offiziere trugen bei Belage- rungen solche schweren Harnische, da Belagerungsharnisch mit Helm, Braunschweig(?), um 1680, Stahl, Leder, Samt, Messing, sie sich bei der Beobachtung exponieren Höhe ca. 47 cm mussten. Derartige Spezialausrüstungen Bayerisches Armeemuseum, Inv.-Nr. 0277-2017 198 | Belagerungen

Wallgewehr mit Luntenschloss

Wallgewehre waren Spezialwaffen für den einer Brüstung aufgelegt, um den Rück- Festungskrieg. stoß des schweren Gewehrs aufzufangen. Der Festungskrieg verlangte Waffen von Bis 1868 befand sich dieses Gewehr im größerer Reichweite, Durchschlagskraft Zeughaus der Festung Rosenberg in Kro- und Treffgenauigkeit als das Gefecht im nach. Feld, wo Beweglichkeit wichtiger war. Wallgewehre besaßen daher einen län- geren Lauf und ein größeres Kaliber als Wallgewehr, deutsch, um 1600, gewöhnliche Infanteriegewehre. Der am Eisen, Ulmenholz, Länge 182 cm, Kaliber ca. 22 mm Lauf angeschmiedete Haken wurde an Bayerisches Armeemuseum, Inv.-Nr. A 412 Belagerungen | 199

Wallgewehr mit Steinschloss

Seit dem ausgehenden 17. Jahrhundert Friedenszeiten waren sie in Zeughäusern wurde das Luntenschloss vom Stein- eingelagert, und dies oft für Jahrzehnte. schloss abgelöst. Dieses Gewehr gelangte 1880 aus dem Während für das Luntenschloss zur Zeughaus Würzburg in das Armeemuseum. Schussabgabe eine glimmende Lunte bereitgehalten werden musste, funktio- nierten Steinschlösser wie ein Feuerzeug, waren also jederzeit schussbereit. Wallgewehr, deutsch, 1690-1700, Eisen, Stahl, Buchenholz, Länge 184 cm, Wallgewehre gehörten zur Ausrüstung Kaliber 22,5 mm von Festungen und Belagerungsparks. In Bayerisches Armeemuseum, Inv.-Nr. D 229 200 | Belagerungen

Österreichisches Wallgewehr

Eine kleine Marke macht es möglich, die- kann dieses Gewehr noch im 19. Jahrhun- ses Steinschloss-Wallgewehr als österrei- dert für den Ernstfall bereitgelegen haben. chisches Produkt zu identfizieren. Als es 1868 aus der Festung Rosenberg Auf der Laufoberseite dieser Waffe zeigt abgegeben wurde, war es allerdings schon der Schlagstempel ein gekröntes „L“. Die- lange veraltet. ser Stempel wurde im 18. Jahrhundert als Prüfzeichen für Waffen verwendet, die in Wiener Neustadt hergestellt wurden. Wallgewehr, österreichisch, um 1700, Eisen, Stahl, Buchenholz, Länge 168 cm, Kolbenform und eiserner Ladestock spre- Kaliber 22,5 mm chen für eine Anfertigung um 1750. Indes Bayerisches Armeemuseum, Inv.-Nr. A 1597 Belagerungen | 201

Granatgewehr

Granatgewehre dienten dazu, kleine von Hand in Brand gesetzt werden. Beides Explosivkörper über eine weite Distanz war recht unsicher und für den Schützen verschießen zu können. gefährlich. Ein als kleiner Mörser aufgebauter Becher An diesem Stück ist der Kolben wegen des wurde an die Basis eines Steinschlossge- starken Rückstoßes gepolstert. Das Kali- wehrs angesetzt. Mit einer starken Pulver- ber beträgt 72 mm. ladung konnte eine kleine Handgranate bis zu 250 Meter weit geworfen werden. Die Brandröhre der Granate wurde ent- Granatgewehr, deutsch, um 1720 bis 1730, weder bei der Explosion der Treibladung Eisen, Bronze, Holz, Länge 67 cm gezündet oder musste vor dem Schuss Bayerisches Armeemuseum, Inv.-Nr. A 1833 202 | Belagerungen

Grenadier

Grenadiere waren erfahrene Soldaten große Hut dabei störte, das Gewehr über der Infanterie, die für den gefährlichen den Rücken zu hängen, wenn beide Hände Umgang mit Handgranaten ausgebildet für das Zünden der Granate gebraucht waren. wurden, hatten sie zuerst eine kleine Zip- Grenadierkompanien galten als Elitetrup- felmütze getragen. Daraus wurden immer pen, die besonders bei Sturmangriffen prächtigere, aber auch unpraktischere auf Befestigungen eingesetzt wurden. Sie Mützen aus Fell oder Stoff und Blech, die waren mit Handgranaten bewaffnet, deren den Elitestatus ihrer Träger zeigen sollten. innen liegender Brennzünder mit einer glimmenden Lunte angesteckt wurde. Diese Lunte war in einem Metallbehälter untergebracht, der am Bandelier befestigt war. Preußischer Grenadier beim Zünden einer Hand- granate, Radierung von J. M. Mannert, um 1750, Auffälligstes Kennzeichen war ihre Kopf- ca. 15 x 8,5 cm bedeckung, die Grenadiermütze. Weil der Bayerisches Armeemuseum, Inv.-Nr. G 1979 Belagerungen | 203

Handgranaten

Handgranaten wurden im Kampf um handlicher und wirkungsvoller als Grana- Befestigungen eingesetzt. Sie konnten hin- ten aus billigerem Ton. ter die Deckung des Gegners geschleudert werden, wo sie explodierten. Handgranaten waren Hohlkugeln aus verschiedenem Material, die mit Schwarz- Handgranate aus Gusseisen, deutsch, 1670-1770, pulver gefüllt wurden. Über eine darin Durchmesser ca. 8 cm Bayerisches Armeemuseum, Inv.-Nr. A 1704.a steckende Brandröhre oder kurze Zünd- schnur wurden sie verzögert zur Explo- Zwei Handgranaten aus Glas, deutsch, 1670-1770, sion gebracht. Ihre Splitter verursachten Durchmesser ca. 8,5 cm schwere Verwundungen. Der Grenadier Bayerisches Armeemuseum, Inv.-Nrn. A 1704 zündete sie mit einer glimmenden Lunte, und A 3059 die er mit sich führen musste. Handgranate aus Ton, deutsch, 1600-1800, Zumeist bestanden Handgranaten aus Durchmesser ca. 11 cm Gusseisen oder dickem Glas. Sie waren Bayerisches Armeemuseum, Inv.-Nr. 0288-1976 204 | Belagerungen

Handgranatentasche für Grenadiere

Grenadiere trugen größere Taschen für Sie dürfte vermutlich von einem kurbay- die Munition, in denen neben Gewehrpa- erischen oder kurpfälzischen Grenadier tronen auch mehrere Handgranaten Platz getragen worden sein, da sie dem Altbe- fanden. stand des Armeemuseums entstammt. Diese voluminöse Tasche wurde an einem breiten Bandelier über der linken Schul- ter getragen. Die flammende Granate aus Handgranatentasche, deutsch, um 1700-1730, Leder, Messing, Höhe 23 cm, Breite 37 cm, Messingblech verweist auf eine Grena- Tiefe 18 cm diereinheit. Bayerisches Armeemuseum, Inv.-Nr. N 3241 Belagerungen | 205 Artillerie und „Ernst-Feuer- Werck“

Im Festungskrieg spielte die Artillerie die Hauptrolle. Schwere Kanonen standen auf den Wällen der Festungen. Belagerer mussten Geschütze und Munition heran transportieren. Hier kam es nicht auf Beweglichkeit an wie im Feldkrieg. Nur schwere Kanonen konnten auf weite Entfernungen wirken und ihre Kugeln hatten eine große Durch- schlagskraft. Mit Haubitzen und Mörsern wurden mit Pulver gefüllte Granaten und Bomben, Steinkörbe und Brandsätze in steilem Bogen auf das Ziel geworfen. Dies erforderte spezialisiertes Perso- nal. Artilleristen mussten den gefährli- chen Umgang mit Explosivstoffen sicher beherrschen. Sie versuchten Entfernun- gen und die Flugbahnen der Geschosse zu berechnen, was mit den Methoden der Epoche noch sehr schwierig war.

Luntenspieß

Mit dem Luntenspieß konnte man schwere Dieses Exemplar kam 1868 aus dem Zeug- Kanonen und Mörser aus einem sicheren haus der Würzburger Festung Marienberg Abstand zünden. in das Bayerische Armeemuseum. Unter der Klinge befinden sich geschwun- gene Halter für Zündschnüre. Diese Stangenwaffe in Form einer Parti- Lunten-Partisane, deutsch, Ende 17. Jahrhundert, sane war zugleich ein Rangabzeichen für Stahl, Holz, Länge 214 cm Offiziere und Unteroffiziere der Artillerie. Bayerisches Armeemuseum, Inv.-Nr. D 65 206 | Belagerungen

Geschützaufsätze

Solche Messgeräte (Setzwaagen) wurden Löwen zeigt, dass solche Präzisionsgeräte zum Ausrichten und Visieren auf das Ge- oft auch der Repräsentation dienten. schützrohr aufgesetzt. Mit einem Pendel-Lot konnte das Instru- ment genau waagerecht ausgerichtet wer- Quadrant mit Pendel und Lochvisier, deutsch, den. 1700-1750, Höhe 11,5, Breite 10,5 cm Bei dem Quadrantenaufsatz links wird Bayerisches Armeemuseum, Inv.-Nr. D 1192 ein Ziel durch das vertikal verschiebbare Lochvisier angepeilt. Pendelquadrant mit zwei symmetrischen Skalen, kurbayerisch, 18. Jahrhundert, Die kunstvolle Ausführung des rechten Messing, Eisen, Höhe 11 cm, Breite 12,2 cm Aufsatzes mit den gravierten bayerischen Bayerisches Armeemuseum, Inv.-Nr. A 9676 Belagerungen | 207

Kaliberstab

Ein Kaliberstab diente dazu, Durchmesser Bei diesem Stück ist das damals weit ver- von Geschossen aus verschiedenen Mate- breitete Nürnberger Maßsystem „NIE- rialien zu bestimmen. RENBERGER GEWIGT“ eingraviert. Auf den vier Seiten des Metallstabes sind Skalen für Eisen, Blei und Stein sowie eine für die damals gebräuchliche Maßeinheit Zoll angebracht. Da es noch keine ein- heitlichen Maße und Normen gab, waren Kaliberstab, süddeutsch, 1752, solche Hilfsmittel in der Praxis unentbehr- Messing, Länge 31 cm lich. Bayerisches Armeemuseum, Inv.-Nr. E 741 208 | Belagerungen

Libellenquadrant

Bei diesem Geschützaufsatz ersetzte eine Libelle (Wasserwaage) das Pendel. Damit konnte der gewünschte Erhöhungs- winkel für das indirekte Anpeilen von Zie- Libellenquadrant, J. C. Voigtländer, Wien 1790, len mit Mörsern und Haubitzen eingestellt Messing, Glas, Länge 42,5 cm werden. Bayerisches Armeemuseum, Inv.-Nr. E 716 Belagerungen | 209

Pulverflasche der Artillerie

Kanoniere trugen eine Pulverflasche mit bei der kurfürstlich-bayerischen Artillerie sich, aus der das Zündloch der Vorderla- verwendet. dergeschütze befüllt wurde. Sie enthielt ein mit Schwefel angereicher- tes feines Schwarzpulver („Zündkraut“), das sich leichter entzündete. Zündkrautflasche, kurbayerisch, um 1700, Diese Pulverflasche ist mit den bayeri- Holz, Eisen, Durchmesser ca. 15 cm schen Rauten bemalt, wurde also sicher Bayerisches Armeemuseum, Inv.-Nr. A 1181 210 | Belagerungen

Modell einer Belagerungskanone

Die schwere Belagerungsartillerie hatte und weniger) sollten sie eine Bresche in vor allem zwei Aufgaben: Niederkämpfen den Festungswall schießen. Danach war der Festungsartillerie („Demontieren“) die Festung „sturmreif“. und Durchbrechen („Breschieren“) des Das Modell im Maßstab 1:6 gibt einen Walls. 24-Pfünder wieder. Bei dem originalen Belagerungsgeschütze hatten Lafetten Vorbild hatten die Räder einen Radius von und große Räder wie Feldgeschütze, um etwa 1,60 m, das Rohr war etwa 3,5 m lang. sie vor der Festung gut in ihre Stellungen Als Munition dienten eiserne Vollkugeln manövrieren zu können. Für die Schlacht mit einem Durchmesser von 15 cm. waren sie aber auf Grund von Größe und Gewicht zu unbeweglich. Solche Geschütze sollten zuerst aus gro- ßer Distanz (ab ca. 600 Meter) die Artille- Modell einer 24-pfündigen Belagerungskanone, riestellungen der Verteidiger bekämpfen. französisch um 1780, Maßstab 1 : 6; Bronze, Holz, Eisen, Länge 86 cm, Breite 39 cm, Höhe 31 cm Später spielten sie die entscheidende letzte Bayerisches Armeemuseum, Inv.-Nrn. E 477 Rolle: Auf eine kurze Distanz (100 Meter (Rohr), E 478 (Lafette) Belagerungen | 211

25-pfündiger Mörser

Mörser waren kurzläufige Steilfeuerge- In das Rohr sind das Hohenzollernwap- schütze, die nur im Festungskrieg Verwen- pen und die Buchstaben C.E.M.Z.B. einge- dung fanden. gossen: Christian Ernst Markgraf zu Bran- Mörser „warfen“ pulvergefüllte Eisenku- denburg-Bayreuth. Das Geschütz gehörte geln, sogenannte Bomben, aber auch Stein- also zur Artillerie der Markgrafschaft kugeln und Brandsätze. Die Geschosse Brandenburg-Bayreuth in Oberfranken. wurden aus verdeckter Position in steilem Der Mörser gelangte 1880 aus dem Artille- Bogen geworfen. So konnten Ziele getrof- riedepot Augsburg in das Armeemuseum. fen werden, die im direkten Beschuss unerreichbar waren. Ihre Treffgenauigkeit war allerdings gering. Das Kaliber von Mörsern wurde im Gewicht einer Steinkugel angegeben: Die Mörser, gegossen von Johann Conrad Roth in Forchheim, 1687, Bronze, Eisen, Kiefernholz, Rohrweite von 22 cm entspricht einem Höhe 75 cm, Breite 66 cm, Länge 133 cm 25-Pfünder. Bayerisches Armeemuseum, Inv.-Nr. C 14 212 | Belagerungen

Traubenhagel

Solche Geschosse wurden aus Kanonen Geschützrohrs und diente als Treibspiegel oder Haubitzen abgefeuert. Sie sollten für das Geschoss. eine Streuwirkung gegen „weiche Ziele“ entfalten. Auf einer hölzernen Scheibe sind rund Traubenhagel, deutsch, 17. Jahrhundert, um eine senkrechte Stange etwa 30 kleine Holz, Eisen, Textil, Schnur, Durchmesser ca. 6,5 cm, Höhe ca. 21 cm Kugeln in einer textilen Hülle befestigt. Bayerisches Armeemuseum, Inv.-Nrn. D 1116 Die Bodenplatte hatte das Kaliber des und D 1117 Belagerungen | 213

Pechsack

Dieses zylindrisch geformte Brandge- erst später angebracht wurde, um das schoss konnte von einem Mörser oder Objekt auszustellen. Es kam 1914 aus der einer Haubitze verschossen werden. Sammlung der Artillerie- und Ingeni- In einem textilen Sack befindet sich ein eurschule der Bayerischen Armee in das Brandmittel. Außen herum ist er mit Pech Armeemuseum. bestrichen und netzartig mit einer Schnur umspannt. Bei der Eisenkonstruktion, in die der Pechsack, deutsch 1600-1800, Eisenblech, Holz, Textil, Pech, Schnur, Pechsack eingefügt ist, handelt es sich Höhe ca. 18,5 cm, Durchmesser ca. 12 cm möglicherweise um eine Halterung, die Bayerisches Armeemuseum, Inv.-Nr. D 1153 214 | Belagerungen

Feuerballen

Feuerballen konnten zu verschiedenen Sie besteht vermutlich aus einer Mischung Zwecken verwendet werden: Sie dien- aus Pech, Holzkohle und Schwarzpulver. ten je nach Füllung als Brandgeschosse, In die Sammlung des Bayerischen Armee- Sprengbomben oder Leuchtkugeln. museums kam das seltene Objekt 1907. Dieser Feuerballen besteht aus einem ova- len Sack aus Textil, der in ein Gerüst aus Eisenblech eingefügt wurde. Eisenbänder verbinden die oben und unten angebrach- Feuerballen, deutsch, 17. Jahrhundert, Eisenblech, Textil, Pech, Holzkohle, ten Kalotten. Der Ballen ist aufgebrochen, Durchmesser ca. 16,5 cm, Höhe ca. 20 cm so dass Reste der Füllung erkennbar sind. Bayerisches Ameemuseum, Inv.-Nr. D 132 Belagerungen | 215

Pechkränze

Pechkränze dienten dazu, brennbare Teile schiedene Mischungen aus flüssigem Pech von Stellungen und Verschanzungen, aber und Schießpulver. Sie brannten explosi- auch Gebäude oder Fahrzeuge in Brand onsartig oder auch langsam ab und konn- zu setzen. Sie wurden von Verteidigern ten nicht gelöscht werden. und Angreifern gleichermaßen verwen- det. Ein Pechkranz bestand aus einem gefloch- Pechkränze, deutsch, 16. bis 18. Jahrhundert, tenen Ring aus Schnur oder Weiden, die Schnur, Werg, Stoff, Pech, Durchmesser 19,5 cm und 30 cm zuvor meist mit Salpeter behandelt wur- Bayerisches Armeemuseum, Inv.-Nrn. D 177 und den. Anschließend tauchte man sie in ver- 0408-2005.a,b 216 | Belagerungen

Bombardement von Geldern, 1703

Festungen wurden oft nur durch die Artil- Der Zeichner Jean de Bodt (1670-1745) lerie beschossen, um Belagerungen zu nahm als preußischer Militäringenieur an beschleunigen. Meistens entstanden dabei der Belagerung teil. Die Batteriestellungen aber mehr Schäden an den Häusern der sind genau dargestellt. Zu sehen sind u.a. Stadt als an den Festungswerken. die Reparatur von Geschützlafetten, das So wurde die Festung Geldern am Nie- Glühendmachen von Kugeln als Brandge- derrhein vom 3. bis 15. Oktober 1703 aus schosse und die abgedeckten Pulverlager. 40 Kanonen und 29 Mörsern beschossen. Das brutale Bombardement richtete zwar schwerste Zerstörungen in der Stadt an, Das Bombardement von Geldern durch preußi- blieb aber militärisch ohne Ergebnis. Die sche Truppen 1703, Kupferstich von Jan van Hug- tenberg nach einer Zeichnung von Jean de Bodt, Festung kapitulierte erst zwei Monate spä- 1704, 47 x 142 cm ter. Bayerisches Armeemuseum, Inv.-Nr. 1279-1983

221 Der „Kleine Krieg“

Schlachten und Belagerungen waren seits dem Gegner zu schaden, wurden nur einzelne, zeitlich und regional eng zunehmend leichte Truppen eingesetzt: begrenzte Ereignisse in den oft langen Leicht bewaffnete Reiter und sogenannte Zeiträumen, über die sich die Feldzüge Freikorps oder „Partisanen“ schwärmten und ganze Kriege hinzogen. Der Alltag durch das Land. Sie waren viel schneller des Krieges war nicht von diesen Großak- und beweglicher als die „regulären“ Trup- tionen geprägt. Er bestand für die Solda- pen, die bei Schlachten und Belagerun- ten und Armeen aus endlosen Märschen gen eingesetzt werden sollten. Außerdem und dem Leben in Feldlagern. Die tägliche waren sie billiger für die Kriegsherren, da Sorge galt der Beschaffung von allem, was sie sich selbst aus dem Lande versorgen die gefräßigen Heere brauchten. So waren und weitgehend von der gemachten Beute die Truppen ständig unterwegs, um sich leben sollten. zu versorgen. Für diese Form der Kriegsführung wurde In der frühneuzeitlichen Mangelgesell- um 1750 der Begriff „Kleiner Krieg“ schaft stellte die Erhaltung der Armeen geprägt. Er umfasste die Angriffe auf das größte Problem dar. Heere konnten Nachschubtransporte und Depots, Über- sich nur da aufhalten, wo Nahrung für fälle auf kleine Abteilungen feindlicher Menschen und Tiere zur Verfügung stand. Truppen und häufig auch die Einschüch- Unter den Bedingungen der vorindust- terung der Bevölkerung. Auch die Nach- riellen Zeit bedeutete das für die Kriegs- richtenbeschaffung und die Erkundung führung, dass sich die Feldzüge immer des Kriegsgebiets, für das häufig noch wieder in den gleichen fruchtbaren und keine Karten existierten, gehörten zu den dichtbesiedelten Regionen abspielten. Aufgaben der leichten Truppen. In der Zeit des Dreißigjährigen Krieges Häufig handelte es sich bei ihnen um splitterten sich die Armeen zunehmend Verbände, die im Kleinkrieg gegen die auf und waren nur noch mit ihrer eige- Osmanen geübte Kampfweisen und Be- nen Versorgung beschäftigt. Das führte waffnungen mitbrachten, wie die ungari- zu weiträumigen Verwüstungen in all den schen Husaren, Kroaten und Panduren Gebieten, die von den Heeren und ihrem im Dienst der Habsburger Herrscher oder gewaltigen Tross aus Soldatenfamilien, die russischen Kosaken. Sie waren auch Händlern und Mitläufern immer wieder Vorbild für entsprechende Einheiten und aufs Neue durchzogen und ausgeplündert Freikorps, die von allen anderen Armeen wurden. So ernährte der Krieg den Krieg. aufgestellt wurden Später und im 18. Jahrhundert bemühte Unter diesem „Kleinen Krieg“ litt die man sich um eine besser organisierte Ver- Zivilbevölkerung am meisten; sie wurde sorgung der Truppen. Die Armeen sollten beraubt, ausgeplündert und terrorisiert. besser einsetzbar sein und dafür mussten Dabei machte es kaum einen Unterschied, die Kampftruppen zusammengehalten ob es die Soldaten des eigenen Landes- werden. Für die Aufgabe, einerseits die herrn, die des Feindes oder Banden von Vorratslager und Transporte zur eige- „Marodeuren“ waren, die sich selbständig nen Versorgung zu sichern und anderer- gemacht hatten und so vom Krieg lebten. 222 | Der „Kleine Krieg“

Futterbeschaffung

Heere waren immer hungrig. Wo immer Wenn die Erntezeit noch nicht gekommen sich größere Massen von Soldaten und war, wurde rücksichtslos auch unreifes Pferden aufhielten, gerieten sie schnell in Korn als Pferdefutter abgemäht. Damit Nahrungskonkurrenz mit der Bevölke- wurde nicht nur das Brotgetreide für den rung. Winter, sondern auch die Aussaat des Wenn Truppen durchmarschierten, vor nächsten Frühjahrs vernichtet. allem aber, wenn sie längere Zeit an einem Die Darstellung zeigt eine Episode aus der Ort lagerten und die Versorgung nicht Umgebung von Augsburg im Spanischen langfristig geplant war, gab es Probleme: Erbfolgekrieg im Juli 1704. nun wurde auf die Vorräte der Einwohner zugegriffen. Besonders schwierig war die Versorgung der Pferde. Jedes Pferd benötigte ohne „Die feindliche Fouragierer schneiden weit und Zufütterung von getrocknetem Getreide breit die noch unzeitige Feldfrüchten ab und führen sie in das Lager“, Radierung von Georg etwa 25 kg Grünfutter pro Tag, das frisch Philipp Rugendas, Augsburg, 1705, 26 x 40 cm gemäht werden musste. Bayerisches Armeemuseum, Inv.-Nr. G 2825 Der „Kleine Krieg“ | 223

Wassertransport

Da das Straßensystem in der Frühen Neu- Das Modell zeigt ein Donaufloß, auf dem zeit noch wenig entwickelt war, behielten kurbayerische Dragoner mit ihren Pferden die Wasserwege überragende Bedeutung befördert werden. Die Donau und ihre für Transporte über weite Entfernungen. Nebenflüsse dienten in den Kriegen gegen Flüsse und Kanäle waren die Haupt- die Osmanen auch zum Transport von schlagadern des Krieges. Alles, was nicht Truppen an die weit entfernten Kriegs- von Menschen und Pferden getragen schauplätze in Südosteuropa. werden konnte, war zu Lande nur sehr mühselig und langsam zu transportieren. Wagen waren schwerfällig, und die Zug- tiere brauchten große Mengen an Futter. Floßmodell mit Zinnfiguren, Maßstab ca. 1 : 32, Vor allem für Versorgungsgüter, Munition Werkstätten des Bayerischen Armeemuseums, 2004, Holz, Leinen, Zinnlegierung, Ölfarbe; und schwere Artillerie wurden die Flüsse Länge 100 cm genutzt, wann immer es möglich war. Bayerisches Armeemuseum, Inv.-Nr. 0171-2004 224 | Der „Kleine Krieg“

Kriegskasse

Das Geld für den Sold der Soldaten führ- der. Vorne ist sie mit einem Scheinschloss ten die Heere in eisernen Truhen mit sich. verziert. Das richtige Schloss sitzt verdeckt Sie waren eine begehrte Beute, die beson- im Deckel. Es ist ein so genanntes Spin- ders geschützt werden musste. nenschloss mit Riegeln nach drei Seiten. „Frage jemanden, was er zum Kriegführen Sie schnappen mittels Federn zu, wenn nötig hat, so wird er antworten, es sind der Deckel zufällt. Viele Beschädigungen diese drei: Geld, Geld, Geld!“ – so lautet zeigen, dass die Kasse intensiv verwendet ein berühmtes Zitat aus dem 17. Jahrhun- wurde. Die hohe, schmale Form ist unge- dert. wöhnlich. Ein Verlust der Kriegskasse mit den Gel- dern für Sold und Verpflegung konnte schnell zum völligen Zusammenbruch der Disziplin und zur Auflösung ganzer Trup- penteile führen. Truhe, süddeutsch, 17. Jahrhundert, Die Truhe besteht aus einem Geflecht Eisen, Höhe 58 cm, Breite 74 cm, Tiefe 42 cm dicker, miteinander vernieteter Eisenbän- Bayerisches Armeemuseum, Inv.-Nr. A 8393 Der „Kleine Krieg“ | 225

Franz von der Trenck

Oberst Franz von der Trenck (1711-1749) freiwilligen Kämpfern aus dem Balkan- gilt bis heute als Verkörperung eines raum auf, mit der er 1741-43 in Schlesien „Warlords“, dessen brutales Vorgehen im und Bayern operierte. Das Trencksche Kleinen Krieg den Terror gegen die Bevöl- Pandurenkorps wurde wegen seiner Bru- kerung bewusst einschloss. talität gefürchtet, erwies sich aber zugleich Franz von der Trenck entstammte einer als sehr effektive Truppe. Adelsfamilie aus Pommern. Sein Vater Kurzfristig hoch geehrt, brachte seine diente aber als österreichischer Offizier. Skrupellosigkeit ihn nach Kriegsende Trenck begann die militärische Laufbahn schnell wieder in Konflikt mit der Füh- in einem ungarischen Regiment, wurde rung. 1749 starb Trenck in Festungshaft. aber wegen seines Verhaltens entlassen. Obwohl er sich in russischen Diensten im Kampf gegen die Osmanen auszeichnete, hielt er sich auch hier nicht lange. Franz von der Trenck, Gemälde eines unbekann- ten Meisters, deutsch, 1742, Öl auf Leinwand, 1740 stellte er für die Habsburger Herr- 57,5 x 45 cm scherin Maria Theresia eine Truppe von Bayerisches Armeemuseum, Inv.-Nr. A 6129 226 | Der „Kleine Krieg“

Johann Daniel von Menzel

Menzel war neben Franz von der Trenck Als Kamerad und Konkurrent Trencks der bekannteste Führer der irregulären kommandierte er zeitweise dessen Pan- Truppen, die 1742/43 in Bayern Schrecken durenkorps. Ab 1743 führte er eine eigene verbreiteten. Husarentruppe. Der Sohn eines Leipziger Barbiers und Im Juni 1744 wurde er als Generalleutnant Feldschers trat 1711 mit 13 Jahren in rus- bei Stockstadt am Rhein durch die Kugel sische Kriegsdienste. Nachdem er in säch- eines französischen Scharfschützen getö- sischen, schwedischen, polnischen und tet. dann nochmals in russischen Sold gestan- den hatte, wurde er im Jahre 1741 von Johann Daniel von Menzel, Schabkunstblatt von Königin Maria Theresia als ungarischer Gabriel Bodenehr, Augsburg, 1743, 41 x 28 cm Oberstleutnant angestellt. Bayrisches Armeemuseum, Inv.-Nr. 0095-2019 Der „Kleine Krieg“ | 227

Offizier der Menzelschen Freihusaren

1743 stellte der berüchtigte Panduren- mobil waren und für Erkundungen und Offizier Oberst Johann Daniel von Menzel Überfälle eingesetzt werden konnten. auch ein eigenes Husarenkorps auf. Husaren waren auf ungarische Weise bewaffnet und ausgerüstet, auch wenn die Einheiten oft gar nicht aus ungarischen „Ein Hußaren Officier von neu aufgerichten Soldaten bestanden. Menzlischen Regiment“, Kupferstich und Radie- rung von Martin Engelbrecht, Augsburg, 1743, Solche leichten Reiter dienten als Haupt- ca. 30,5 x 19 cm akteure des Kleinen Krieges, da sie sehr Bayerisches Armeemuseum, Inv.-Nr. G 2162 228 | Der „Kleine Krieg“

Grenadier der Trenck-Panduren

Viele der „irregulären“ Truppen für den Ihr fremdländisches Aussehen und ihre Kleinen Krieg stammten aus den Grenzge- von den Osmanen übernommene Kampf- bieten zum Osmanischen Reich. Sie wur- weise machten die Panduren besonders den allgemein als „Panduren“ bezeichnet. gefürchtet. Das hauptsächlich aus Kroaten, Serben, Rumänen und Ungarn gebildete Frei- korps des Obristen Franz von der Trenck „Ein Granadier von dem Trenkischen Corpo aus verbreitete während des Österreichischen Schlawacken“, Kupferstich und Radierung von Martin Engelbrecht, mit Aquarellfarben koloriert, Erbfolgekrieges 1742-1744 Angst und Augsburg, 1743, ca. 31 x 20 cm Schrecken in Bayern. Bayerisches Armeemuseum, Inv.-Nr. 0008-2014 Der „Kleine Krieg“ | 229

Panduren im Lager

Die Angehörigen irregulärer Verbände Die Genügsamkeit der südosteuropäi- wurden oft kaum besoldet. Dafür stand schen Kämpfer erzeugte auch eine gewisse ihnen die während ihrer Streifzüge Faszination, die sich in der Bildunter- gemachte Beute zu. schrift des dekorativen Blattes zeigt. Ob Ihre tägliche Versorgung holten die „Pan- sie die Realität wiederspiegelt, sei dahin- duren und Kroaten“ und andere Freitrup- gestellt. pen unmittelbar von und aus dem Land. Die Art und Weise wie dies geschah, machte sie oft zu einer Geißel für die Bevölkerung. Von den Heerführern wurde dies aus- „Der bey geringer u. schlechter Kost, vergnügte drücklich gebilligt und geduldet. Der Pandur u. Croat“, Kupferstich und Radierung von Martin Engelbrecht, mit Aquarellfarben kolo- schmutzige „Kleine Krieg“ sollte die riert, Augsburg, 1743, ca. 31 x 21 cm Hauptarmeen entlasten. Bayerisches Armeemuseum, Inv.-Nr. 0011-2014 230 | Der „Kleine Krieg“

Ein bayerisches Freikorps

Als Reaktion auf die Bedrohung durch die Der fantasievolle Stich zeigt einen der ver- leichten österreichischen Truppen wurden wegenen Angehörigen des Gschray’schen auch in Kurbayern seit 1740 Freitruppen Korps. Obwohl er als Husar bezeichnet aufgestellt, die auf eigene Rechnung den wird, trägt er keine ungarische Tracht und Kleinen Krieg führen sollten. Bewaffnung. Johan Michael Gschray (1692-1763), ein bayerischer Strafvollzugsbeamter („Eisen- amtmann“) aus Deggendorf, stellte 1741 eine kleine Truppe zusammen, die bis 1744 auf 600 Mann anwuchs. Als Spezia- „Ein Husar von des Herrn von Gschrey Frey list des Kleinkriegs fand Gschray später Compagnie“, Kupferstich und Radierung von Martin Engelbrecht, Augsburg, 1743, noch in französischen und preußischen ca. 29,5 x 18,5 cm Diensten Verwendung. Bayerisches Armeemuseum, Inv.-Nr. A 7515 Der „Kleine Krieg“ | 231

Osmanische Pistole

Die Kämpfer aus den südosteuropäischen „Amil Kücük Muzzaffar“ (Erzeugnis von Grenzgebieten brachten ihre eigenen Waf- Kücük Mustafa). fen mit, vielfach stammten sie aus dem Die Zündvorrichtung, ein sogenanntes osmanischen Raum. Miquelet-Schloss, war im osmanischen Bei Waffen aus dem Orient spielten deko- Kulturraum weit verbreitet. Mit 12,6 mm rative Verzierungen eine große Rolle. Die ist das Kaliber recht klein. Beschläge dieser Pistole sind aus Silber gearbeitet, ihre Ornamente tragen Vergol- dungen. Eine Kugel aus Elfenbein schließt Pistole mit Miquelet-Schloss, osmanisch, um 1800, Eisen, Stahl, Silber, Gold, Holz, Leder, Elfenbein, den Kolben ab. Auf dem Lauf ist der Her- Länge ca. 42 cm steller genannt: Bayerisches Armeemuseum, Inv.-Nr. 0691-1972 232 | Der „Kleine Krieg“

Säbel für einen Pandurenoffizier

Die Offiziere von irregulären Einheiten wirst du siegen), auf der anderen findet trugen oft besonders prächtige Waffen. sich eine Darstellung der Gottesmutter Dieser gewaltige Säbel soll aus dem Besitz Maria über dem königlich ungarischen eines Panduren-Offiziers stammen, dessen Wappen. Truppe am 3. April 1742 von bewaffneten bayerischen Bauern überfallen wurde. Auf einem gebläuten Abschnitt der Klinge findet sich auf einer Seite ein Ungari- Säbel eines Panduren-Offiziers, ungarisch um sches Kreuz mit der Überschrift „IN HOC 1742, Stahl, Eisen, Gold, Leder, Länge 101 cm SIGNO VINCES“ (unter diesem Zeichen Bayerisches Armeemuseum, Inv.-Nr. A 11203 Der „Kleine Krieg“ | 233

Gehenk des Pandurenoffiziers- Säbels (Fragment)

Zu dem Prunksäbel des Panduren-Offi- ziers gehören noch diese Kordeln und Quasten des Koppels, an dem er getragen Säbelkoppel zum Offiziers-Säbel, ungarisch um 1742, Kamelhaar, Metallgespinst wurde. Von ihm ist aber nur ein Fragment Länge der Quasten ca. 17 cm erhalten. Bayerisches Armeemuseum, Inv.-Nr. A 11204 234 | Der „Kleine Krieg“

Pandurensäbel

Säbel verschiedener Formen waren die Der längere Säbel ist eine typische typische Waffe der Kämpfer aus dem süd- Gebrauchswaffe ungarischer Herkunft. osteuropäischen Raum, die teilweise ihre Auf ihm ist der Name „MICHAEL eigenen Ausrüstungen mitbrachten. ZACHII“ eingeätzt. Der einfache, kurze Säbel wurde von Fuß- kämpfern getragen, manchmal als Zweit- Säbel (oben), ungarisch, ca. 1650-1750, waffe. Die Gravur mit dem typischen Bild Stahl, Eisen, Messing, Holz, Leder, Länge 90 cm eines Panduren ist nach einer deutschen Bayerisches Armeemuseum, Inv.-Nr. A 10963 Vorlage aus der Zeit um 1740 gestaltet Pandurensäbel (unten), ungarisch (?), um 1740, worden. Dazu trägt der Säbel die Inschrift Stahl, Messing, Holz, Länge 59 cm „V(ivat) PANDUR“. Bayerisches Armeemuseum, Inv.-Nr. A 11555 Der „Kleine Krieg“ | 235

Schützenhauben von Marodeuren

Als Marodeure bezeichnet man Solda- (heute Stadtteile von München) gefunden. ten, die sich von ihrer Truppe entfernen Vermutlich wurden die Soldaten von Bau- und jenseits der Schlachtfelder plündern, ern erschlagen und verscharrt. Die primi- stehlen, vergewaltigen und morden. Die tiven Reparaturen an den Helmen lassen Bevölkerung litt extrem unter diesem vermuten, dass ihre letzten Träger ent- unkontrollierten Kriegsvolk. laufene Soldaten waren, die beschädigte Immer wieder wehrten sich die Bauern Beutestücke zum weiteren Gebrauch grob gewaltsam. Kurfürst Maximilian von Bay- geflickt haben. ern war über die Ausschreitungen der Schweden auf dem Lande so erzürnt, dass er am 20. Mai 1632 seine Untertanen sogar dazu aufforderte, jeden Schweden totzu- schlagen, den sie erwischen konnten. Zwei Schützenhauben, deutsch, um 1630/1640, Eisen, Höhe je 18 cm Diese Schützenhauben wurden mit zwei Bayerisches Armeemuseum, Inv.-Nrn. A 7302 und Skeletten bei Forstenried oder Grünwald A 7646 236 | Der „Kleine Krieg“ Die Schrecken des Krieges

Der aus Lothringen stammende Jacques In gewisser Hinsicht stehen Callots Bil- Callot (1592-1635) schuf 1633 eine Folge der den Illustrationen eines Gleichnisses von 18 Radierungen über die Schrecken aus der Bibel oder einer Heiligenlegende des Krieges, die so genannte „Große nahe. Das Soldatenleben wird wie eine Kriegsfolge“. Diese Graphiken gehören Prüfung gezeigt. Die Radierungen sollen zu den bekanntesten Darstellungen von dem Soldaten vor Augen führen, dass es Kriegsgräueln aus dieser Zeit. auch einen tugendhaften und ehrenvollen Die dargestellten Szenen folgen dem „All- Weg gibt, den er einschlagen kann. Tut er tag“ des Soldatenlebens. Zunächst ist die es nicht, drohen drakonische Strafen. Anwerbung dargestellt, anschließend die In einigen Bildern wählt Callot verschie- Schlacht, gefolgt von den Grausamkeiten dene Perspektiven, so dass der Blick des des Kleinen Kriegs mit Plünderungen, Betrachters auf unterschiedliche Punkte Raub, Mord und Brandschatzungen. Hie- im Vorder- und Hintergrund gelenkt ran schließt sich die exemplarische Dar- wird, womit der Eindruck eines disziplin- stellung der Strafen an, die das Militär losen Geschehens entsteht. bei Verstößen vorsah, denn die Aufrecht- Die Bildunterschriften sind Verse, die das erhaltung der Disziplin war wesentlich Geschehen erklären, den Krieg jedoch für den Zusammenhalt der bunt zusam- nicht verurteilen. Vielmehr richtet sich der mengewürfelten Söldnerheere. Aber auch moralische Appell gegen die Verantwort- Elend, Krankheiten und Aufstände, die lichen der Armeen und an die Soldaten mit dem Krieg einhergingen, werden the- selbst. matisiert. So zeigt ein Bild die Armut und 2014 konnte das Armeemuseum eine voll- Not der Kriegsinvaliden, ein weiteres die ständige Serie der „Großen Kriegsfolge“ Rache der Bauern an den Soldaten, die mit im Kunsthandel erwerben, von denen hier Knüppeln und Dreschflegeln erschlagen 12 gezeigt werden. werden.

Les misères et les malheurs de la guerre, 12 Radierungen von Jacques Callot (insgesamt 18), 1633, je ca. 9,5 x 19,5 cm Bayerisches Armeemuseum, Inv.-Nr. 0003-2014 Der „Kleine Krieg“ | 237 238 | Der „Kleine Krieg“ Der „Kleine Krieg“ | 239 240 | Der „Kleine Krieg“ Der „Kleine Krieg“ | 241

Überfall auf einen Trosswagen

Manchmal setzte sich die Bevölkerung Obwohl das Gemälde erst 1918 entstand, gegen die Ausbeutung und Unterdrü- stellt es eine solche Szene des Kriegs- ckung durch feindliches Militär zur Wehr. alltags in der Frühen Neuzeit anschaulich Hier ist der Überfall bayerischer Bauern dar. Der Maler Anton Hoffmann (1863- und Milizsoldaten auf einen österreichi- 1938) bemühte sich mit größter Akribie schen Transport dargestellt. Die Szene um militärhistorische Genauigkeit. Seine spielt um 1705 im Spanischen Erbfolge- Genreszenen und Schlachtenbilder haben krieg, als das Kurfürstentum Bayern unter das Bild der bayerischen Armee und ihrer einer österreichischen Besatzungsherrschaft Geschichte nachhaltig geprägt. stand. Ein Kürassier und ein Husar wehren sich zu Pferde mit Pallasch und Säbel gegen die Angreifer. Weitere Reiter nahen von hinten. Die Aufständischen tragen teils Bauerntracht, teils Uniformstücke. Sie Angriff auf einen Trosswagen, Gemälde von Anton Hoffmann, 1918, Öl auf Leinwand, sind mit Sturmsensen, Dreschflegeln und 39,6 x 60 cm Gewehren bewaffnet. Bayerisches Armeemuseum, Inv.-Nr. 1159-2002

244 Literaturauswahl

Die folgende Auswahl bietet grundlegen- Richard Brzezinski / Richard Hook, Die de und weiterführende Literatur zu den Armee Gustav Adolfs. Infanterie und „Formen des Krieges in der Frühen Kavallerie, Königswinter 2006 Neuzeit“ Klaus Bußmann / Heinz Schilling (Hg.), 1648. Krieg und Frieden in Europa (26. Europaratsausstellung), Münster 1998 Gabor Agoston, Empires and warfare in east-central Europe, 1550-1750: the David Chandler, The Art of Warfare in Ottoman-Habsburg rivalry and military the Age of Marlborough, London 1976 transformation, in: Frank Tallett / D. J. B. Trim (Hg.), European Warfare 1350-1750, Martin van Creveld, Supplying War. Lo- Cambridge 2010, S. 110-134 gistics from Wallenstein to Patton, Cam- bridge 1977 Ders., The Impact of the Habsburg- Ottoman Wars: A Reassessment, in: Karin Hans Delbrück, Geschichte der Kriegs- Sperl / Martin Scheutz / Arno Strohmeyer kunst im Rahmen der politischen Ge- (Hg.): Die Schlacht von Mogersdorf/St. schichte, Bd. 4: Neuzeit, Berlin 1920 Gotthard und der Friede von Eisenburg/ Vasvár 1664. Eisenstadt, 2016, S. 89-100 Christopher Duffy, The Fortress in the Age of Vauban and Frederick the Great Christian Beaufort-Spontin, Harnisch und 1660-1789, London 1985 Waffe Europas. Die militärische Ausrüs- tung im 17. Jahrhundert, München 1982 Sabine Eickhoff / Franz Schopper, 1636 – ihre letzte Schlacht. Leben im Dreißigjäh- Jeremy Black (Hg.), European Warfare rigen Krieg (Ausstellungskatalog), Berlin 1453-1815, Basingstoke, London 1999 2012

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Erich Reisinger S. 10

Gert Schmidbauer S. 14, 50, 56-58, 60-64, 66 f., 70-72, 74, 76- 78, 80-89, 97, 100, 103-122, 124, 133-140, 142, 144-156, 159-169, 174, 178, 180, 182- 193, 195 f., 198-201, 203-215, 223, 225 f., 231-235, 241

Tobias Schönauer (Armeemuseum) S. 30

Christian Stoye (Armeemuseum) S. 68, 75, 92-96, 98, 170-173, 203, 216, 224

Luise Wagener S. 12, 28 f., 44 f., 48 f., 69, 176 f., 217-219, 242 f.