Netzkultur: Zukunft Computerspiele , € Mai/ Juni 3 

Zeitung des Deutschen Kulturrates www.politikundkultur.net In dieser Ausgabe: Linda Breitlauch Amelie Deufl hard Musikpreis ECHO Kulturpolitik aktuell Erinnerung: . Juni  Naher Osten Helmut Holter Haltung zeigen gegen Anti- Quo vadis, Bundeskultur?: Was Totgeschwiegen: Zum . Jah- Verschwindendes Kulturerbe, Christophe Knoch semitismus: Drei Vorschläge steht auf der kulturpolitischen restag des Arbeiteraufstandes Machtkämpfe und Stipendien- als Reaktion auf die vergeigte Agenda der neuen Bundesregie- bedarf es einer aktiven Erinne- programme: Drei Blickpunkte Neil MacGregor ECHO-Verleihung  rung in dieser Legislaturperiode? rungskultur in ganz Deutschland auf eine Weltregion im Umbruch und viele andere Seite  Seiten  und  Seite  Seiten  und  Gerechtigkeit Ich bin in meiner Schulzeit absolut ungerecht behandelt worden. Mei- ne Noten in der Hauptschule waren mies, mein Arbeitseifer beschränkt. Und trotzdem gab es Lehrer, die mir sagten, aus dir wird etwas. Mach nach dem Hauptschulabschluss wei- Freie Szene Kultur ter. Keine Lehre, weiter zur Schule gehen. Wenn ich mir meine Zeug- Wie frei ist sie wirklich? Seiten  bis  nisse von damals anschaue, muss ich selbstkritisch eingestehen: Aus den Noten können die Lehrer ihre Gewissheit nicht gewonnen haben. Ohne diese Ermutigung wäre ich wohl Schreiner geworden. Meine Mutter hatte mir vorsorglich eine Lehrstelle im Ort besorgt. Die entscheidenden Jahre mei- ner Schulzeit waren die er Jahre. Pädagogischer Aufbruch, Reformen, Bildung für alle. Noten waren nicht das Nonplusultra, Menschen soll- ten gefördert werden. Eine zutiefst ungerechte Zeit. So ein schwacher Schüler wie ich, nicht nur in Deutsch mangelhaft, bekam eine Chance. Und heute, Gerechtigkeit ist die Devise. Die Noten in der Schule sind zum Fetisch mutiert. Der pädagogi-

sche Aufbruch der er Jahre ist MÜLLER MARTIN FOTO: mit einer Schmalspurgerechtigkeit erstickt worden. Vergleichbarkeit durch Noten ersetzt die individuelle Beurteilung. Das ist aber nur schein- bar gerechter. Denn die Potenziale eines Menschen lassen sich eben nicht in Noten fassen. Wichtige Weichenstellung Und diejenigen, die den Eintritt in Die Zukunft des öff entlich-rechtlichen Rundfunks die vermeintlich gerechte gymnasi- ale Schulwelt, sehr oft wegen ihrer ULRICH WILHELM tueller Nutzung ausgesprochen hat, ist ein wichtiges mündig befassen kann, um sie für sich zu bewerten. Herkunft, nicht schaff en, müssen Signal für unabhängigen Qualitätsjournalismus – über Dabei arbeiten die verschiedenen Landesrundfunk- erkennen, dass die neue Bildungs- er öff entlich-rechtliche Rundfunk steht vor die Schweiz hinaus. anstalten eng mit den Mitgliedgemeinschaften des gerechtigkeit in der Regel nur für die wichtigen Weichenstellungen. Nicht nur Auch in Deutschland trägt der öff entlich-rechtliche Deutschen Kulturrats zusammen. Der Deutsche Mu- Elite in unserem Land gilt. in Deutschland, in weiten Teilen Europas Rundfunk zum gesellschaftlichen Zusammenhalt sikrat beispielsweise ist Partner bei Musikvermitt- Ich möchte aber eine positive D gibt es derzeit eine grundsätzliche Diskus- bei und ermöglicht einen breiten gesellschaftlichen Entwicklung nicht unterschlagen. sion zu Stellenwert, Finanzierung und Zukunft des Diskurs. Ihm kommt zusammen mit anderen Quali- Seit fast zehn Jahren existiert über öff entlich-rechtlichen Journalismus. In der Schweiz tätsmedien eine zentrale Rolle in einer Gesellschaft den sogenannten dritten Bildungs- haben sich die Bürger nach Wochen und Monaten zu, in der der digitale öff entliche Raum durch Fil- Einen breiten gesellschaftlichen weg überall im Bundesgebiet die heftiger Debatten Anfang März in einer Volksabstim- terblasen und Echokammern zerfällt und in der die Möglichkeit, sich auch über Berufs- mung schließlich sehr klar für den Erhalt des »Service Polarisierung wächst. Denn das in einer Demokratie Zusammenhalt und Diskurs praxis für ein Studium zu qualifi zie- Public« ausgesprochen. Dem war in den Wochen vor so wichtige Ringen um Konsens kann nur in einer ermöglichen ren. Das ist eine gute Möglichkeit, der Abstimmung ein beachtliches gesellschaftliches Gesamtöff entlichkeit funktionieren und nicht, wenn mehr echte Gerechtigkeit entstehen Engagement vorausgegangen – von jungen Menschen, jeder in seiner eigenen Welt lebt. zu lassen, doch sind bislang nur , dem Sport, den Kirchen und gerade auch von Kunst- Dabei hat die solidarische Finanzierung des öff ent- Prozent der Studienanfänger Nutz- und Kulturverbänden. lich-rechtlichen Rundfunks gerade auch aus Sicht der lungsprojekten für Schüler wie in diesem Jahr dem nießer dieses Programmes. Auch in der Schweiz stand letzten Endes die Fra- Kultur wichtige Vorteile: Hochwertige Kultur-, Litera- »Händel-Experiment«, für das der Mitteldeutsche Mein Plädoyer ist einfach: Schaff t ge im Mittelpunkt: Sollte man für Qualitätsinhalte tur- und Bildungssendungen, Hör- und Fernsehspiele, Rundfunk die Federführung hat. Mit der Stiftung Le- mehr echte Gerechtigkeit durch nicht allein auf die Kräfte des Marktes vertrauen? Klangkörper und Klassikprogramme würde es in einer sen sind wir Teil der Deutschen Literaturkonferenz. mehr individuelle Beurteilung. Ja, Ich sage: Mit einer Vielzahl an Marktlösungen und Welt der rein kommerziellen Finanzierung in dieser Und für die Mitglieder des Deutschen Medienrats sie kann ungerecht sein, ja, sie ist Bezahlmodellen würde es nicht gelingen, für die Vielfalt nicht geben. Das ist neben der Unabhängigkeit sind wir Partner insbesondere in der Filmwirtschaft. nicht vergleichbar, ja, man kann unterschiedlichsten Interessen ein Gesamtpaket in ein ganz entscheidender Vorteil des öff entlich-recht- Viele Fernsehfi lme, die »Tatort«-Produktionen, in- sie als Eltern natürlich auch nicht dieser Qualität und regionalen Vielfalt zu liefern. So- lichen Rundfunks. Der öff entlich-rechtliche Rundfunk novative Serien oder hochwertige Kinofi lme könnten einklagen, aber sie ist ein Weg zu lidarisch fi nanziert bietet der öff entlich-rechtliche »lebt« nicht zuletzt von den kreativen Inhalten aus ohne die öff entlich-rechtlichen Auftraggeber oder mehr Gerechtigkeit im deutschen Rundfunk allen Menschen – unabhängig von ihrer Musik, Theater, Film und Kunst – und fördert diese unsere Ko-Finanzierung nicht gedreht werden. Die Bildungssystem. Und die Lehrer, da zugleich. Vor allem: Er erreicht als Plattform auch die Dokumentarfi lmlandschaft sähe anders aus, auch der bin ich mir sicher, werden dann ih- Menschen, die kein Kino oder Theater vor Ort haben Hörspielmarkt wäre ein völlig anderer. ren Beruf auch mehr lieben. und die sich kein Netfl ix- oder Spotify-Abo leisten Literatur ist in allen Kulturwellen der ARD ein Die Bildungspolitik der letzten Allen Menschen barrierefreien können oder wollen. fester Bestandteil: Wir senden Lesungen aktueller Jahrzehnte hat sich dem (Zeit-)Geist So verfügen alle ARD-Anstalten über eigene Kul- Literatur und der Klassiker und sind bei der Hörbuch- der Ökonomie hingegeben. Dazu Zugang zu umfassenden turwellen. Mit ihren Programmen zu Kunst, Kultur produktion ein verlässlicher Partner. Mit unseren gehört auch der Glaube, den Men- Inhalten bieten und Klassik nehmen sie eine Rolle in der Gesellschaft Experten sind wir bei den großen Literatur-Ereig- schen in ihrer Vielfältigkeit durch wahr, die kaum eine andere Institution leisten kann. nissen in Deutschland vertreten, auf den Buchmes- ein ausgeklügeltes Notensystem Nehmen Sie z. B. den Bayerischen Rundfunk – ein sen in Frankfurt und Leipzig mit eigenen Studios gerecht werden zu können. Diese Haus, das zu den größten Kulturinstitutionen des und Sonderberichterstattung, beim Literaturfest statische Berechenbarkeit von Er- fi nanziellen Leistungsfähigkeit – barrierefreien Zu- Freistaates Bayern gehört. Allein im Hörfunk leisten in München mit eigenen Diskussionsforen und im folg in der Schule ist in ihrem Kern gang zu umfassenden Angeboten. In den USA ist das wir mit den verschiedenen Programmen und Wel- Austausch mit den großen Autoren dieser Welt. Wo ungerecht, sie ist ein im Durchschnitt erforderliche Budget pro Haushalt für len einen wichtigen Beitrag zur kulturellen Bildung sonst in den audiovisuellen Medien hat Literatur bildungspolitischer Medienangebote deutlich höher als in Deutschland und damit auch zur Demokratie in Deutschland. Die diesen Stellenwert? Irrweg! mit dem starken öff entlich-rechtlichen Rundfunk. Auseinandersetzung mit Kultur ist ein Wert an sich, Fortsetzung auf Seite  Dass sich in allen Schweizer Kantonen letztlich die Beschäftigung mit Kunst, Literatur, klassischer Olaf Zimmermann eine so große Mehrheit im Lichte dieser Argumen- Musik, aber auch mit Philosophie, Schauspiel und Nr. / ist Herausgeber te für eine solidarische Finanzierung und gegen die Film, gehört zu den Essentialia für einen wachen Geist, ISSN - von Politik & Kultur Alternative von reinen Bezahlmodellen nach punk- der sich mit den gesellschaftlichen Entwicklungen B   02 SEITE  www.politikundkultur.net

EDITORIAL INTERNATIONALES

Gerechtigkeit Klimaschutz: Naher Osten: Hase und Igel Nordrhein-Westfalen: Games-Standort Deutschland: Olaf Zimmermann 01 Keine Ausreden mehr Reinhard Baumgarten 15 Mut zum Paradigmenwechsel Langer Atem Petra Pinzler und Günther Wessel 07 Harald Redmer 24 Felix Falk 31 HOPES: Eine Hoff nung für Syrien LEITARTIKEL Europäisches Kulturerbejahr: Christian Hülshörster 15 Gutes Schuhwerk, beidseitig! Computerspielpolitik: Bei Deinem Namen genannt – Peter Grabowski 25 Der kulturelle Ausdruck einer Wichtige Weichenstellung Maria und Nikolaus Türkei: Hasankeyf jungen Generation Ulrich Wilhelm 01 Klaus-Martin Bresgott 08 Constanze Letsch 16 Hamburg: More Than Elphi Linda Breitlauch 32 Amelie Deufl hard und Line Spellenberg 25 Grevens Einwurf: Computerspielförderung: KULTURMENSCH Mit der Sprache fängt es an KULTURELLES LEBEN München: Überlebenskämpfe Runter von der Blacklist Ludwig Greven 08 Niels Klaunick 26 Malte Behrmann 33 Hartmut Dorgerloh 02 Kinder- und Jugendbildung: Erinnerungskultur: Jugendgerechtigkeit – was ist das? München: Überzeugungsarbeit Panzer gegen die Freiheit Ulrike Plüschke im Gespräch mit Hans-Georg Küppers 26 MEDIEN AKTUELLES Regine Möbius 09 Tom Braun 17 Hamburg: Aufbruch Digitale Nachrichten: ECHO oder wie man mit 1968er: Schreibt kaputt, Gott & die Welt: Jonas Leifert 26 Was wäre eine Welt ohne Lokal- widerlichen Inhalten sehr viel Geld was Euch kaputt macht Was alles dazugehört journalismus? verdienen kann Birgit Dankert 09 Christian Stäblein 18 Hamburg: Das wird gut! Manuel Conrad 34 Olaf Zimmermann und Gabriele Schulz 03 Carsten Brosda 26 Kirche und Erster Weltkrieg: Architekturen und künstlerische Theologischer Expressionismus Positionen – Stephanie Rosenthal Stuttgart: Ideenkessel und DOKUMENTATION INLAND Sigurd Rink 10 im Porträt kultureller Motor Andreas Kolb 18 Birgit Schneider-Bönninger 27 Vorhaben und Ziele des Koalitions- Quo vadis, Bundeskultur? Kino: Ablenkungsgesellschaft vertrages jetzt zügig umsetzen Lars Henrik Gass 11 Stuttgart: Positiv in die Zukunft Stellungnahme des Deutschen Kulturrates 35 Dorothee Bär: Digitalisierung und Kultur 04 FREIE SZENE KULTUR blicken Laura Oppenhäuser 27 Monika Grütters: Demokratie zuerst 04 EUROPA Überblick: Freie Szene DAS LETZTE Olaf Zimmermann 19 Frankfurt am Main: Pulsierend Michelle Müntefering: Freiheit stärken 04 Europawoche: Das europäische international Kurz-Schluss Comeback Kontinuierlicher Dialog zwischen Ina Hartwig 27 Theo Geiẞler 36 Marco Wanderwitz: Zwischen den Stühlen 04 Richard Kühnel 12 Freier Szene und Politik Lena Krause 20 Bildende Künstler: P&K-Nachrichten 36 Annette Widmann-Mauz: Kultur des Dialogs 05 Brexit und Bildung: »Gemalt habe ich immer gern« Keep calm and carry on! Freies Theater heute Dagmar Schmidt 28 Karikatur 36 Humboldtforum: Entgrenzung und Helmut Holter 12 Janina Benduski 21 Teilhabe Jazz: Off ene Ohren für den Jazz Impressum 36 Neil MacGregor 05 Schottlands Kreative und der Koalition der Freien Szene: Theresa Brüheim im Gespräch mit Brexit Berlins »Unique Selling Point« Anette von Eichel 29 »Erklärung 2018«: Eine Erklärung, Janet Archer 13 Theresa Brüheim im Gespräch mit DER AUSBLICK die viel erklärt Christophe Knoch 22 4  Christian Wolff 06 Literatur in Litauen: NETZKULTUR Europa ist Rückhalt, Richtung Leipzig: Frei und in der Initiative Die nächste Politik & Kultur Verbotskultur: Es ist untersagt und Traum mit dabei Computerspielpreis: Einigkeit erscheint am . Juli . Frank Überall 06 Detlef M. Gericke 14 Sven Scherz-Schade 23 Felix Zimmermann 30 Im Fokus steht das Thema »Politische Bildung«.

Fortsetzung von Seite 

Beim Thema Aktualität in der Kultur Dass insbesondere künstlerische ist das internationale Korresponden- Produktionen und die kulturelle Be- Kulturmensch tennetz der ARD, aber besonders auch richterstattung fi nanziell wesentlich das breite Netz der Kultur-Journalis- aufwändiger sind als andere Produk- ten der Landesrundfunkanstalten in tionen, ist kein Geheimnis. Der Baye- Hartmut Dorgerloh Deutschland von unschätzbarem Wert. rische Rundfunk etwa verwendet mehr Die aktuellen Kulturmagazine in den als  Prozent seiner Mittel für den Über Erfahrungsreichtum als Gründungsbeauftragter für das Haus dritten Fernsehprogrammen machen Kulturauftrag im weiteren Sinne. Das »Schlossherr« verfügt Hartmut Dor- der Brandenburgisch-Preußischen das deutlich, darüber hinaus natürlich ist es uns wert – doch ohne eine an- gerloh ohne Zweifel. Nachdem er Geschichte – die erste Ausstellung »ttt – Titel, Thesen, Temperamente« im gemessene Finanzierung des öff ent- fast  Jahre lang als Generaldirektor »Marksteine« wird ein Erfolg. Als Ersten, das seit mittlerweile  Jahren lich-rechtlichen Rundfunks ist das die Stiftung Preußische Schlösser der Genrealdirektor, Hans-Joachim Kulturberichterstattung auf höchstem nicht möglich. Seit Jahren bleiben die und Gärten Berlin-Brandenburg lei- Giersberg, vorzeitig in den Ruhe- Niveau bietet und längst zu einer Ins- verwendbaren Einnahmen hinter den tete, wird Kulturmensch Dorgerloh stand geht, übernimmt Dorgerloh titution geworden ist. jährlichen Preissteigerungen zurück zum Ende des kommenden Jahres schließlich die Leitung der Schlös- Dabei ist heute entscheidend, dass – weitere Jahre solcher Einsparungen berufl ich in das Berliner Schloss serstiftung. Seitdem konnte er Zu- wir die Chancen der Digitalisierung würden das Programm massiv treff en. umziehen, um dort die Generalin- wendungen in einer Höhe von ins-

aufgreifen. Gerade junge Menschen WILSCHEWSKI RALF / BR FOTO: Denn Sparen kann man auf kurze Frist tendanz des Humboldtforums zu gesamt  Millionen Euro für den nutzen häufi g lieber unsere Online- Ulrich Wilhelm nur bei wenigen Posten im Haushalt, übernehmen. Damit löst er die drei Erhalt des nationalen Kulturerbes Angebote als die traditionellen linea- den beweglichen, sogenannten »frei- Gründungsintendanten Neil McGre- mobilisieren. Alles Gute für den Um- ren Sendungen. Wenn wir auch ihnen »ARD Audiothek« steht beispielhaft en« Mitteln. Davon wären gerade wert- gor, Hermann Parzinger und Horst zug von den Preußischen Schlössern kulturell wertvolle Programme bieten für die neuen Nutzungswege. Binnen volle und teure Programme betroff en, Bredekamp ab und stellt sich einer und Gärten ins Berliner Schloss! wollen, brauchen wir dazu mehr Gestal- kürzester Zeit haben mehrere hundert- wie Dokumentarfi lme, Hörspiele, die neuen herausfordernden Aufgabe. tungsspielraum, insbesondere durch tausend Menschen diese App auf ihre Klassik oder Spielfi lme. Vor diesem Mit  Jahren leistete Dorgerloh einen neuen Telemedienauftrag. Mir mobilen Geräte heruntergeladen und Hintergrund bin ich dankbar dafür, seinen ersten kleinen Beitrag zum ist bewusst, dass bei dieser Thema- hören die hochwertigen Audio-Ange- dass uns viele Kulturschaff ende in Erhalt unseres Kulturerbes: Einen tik viele Interessen berührt werden, bote der ARD Radiowellen. Wir bieten den öff entlichen Debatten schon seit Sommer lang arbeitete er als Auf- auch die Interessen der Kreativwirt- hier unter anderem den gesammelten Langem unterstützen. sicht in der Orangerie in Potsdam. schaft – doch ohne eine Anpassung Fundus an Hörspielen und Features. Diese Unterstützung wird in den Später, parallel zum Abitur, er- an die Gewohnheiten, Medien zeitlich Zudem müssen wir die Digitalisie- kommenden Jahren noch wichtiger wirbt er Lizenzen, um Führungen und örtlich fl exibel und auf den un- rung in ihrer gesamtgesellschaftlichen sein als heute. Wir erleben – nicht nur durch die Potsdamer Schlösser terschiedlichsten Geräten nutzen zu Dimension betrachten. Wir Europäer in der Schweiz –, dass die Kritiker des geben zu dürfen. Nach dem Studi- können, werden wir nicht attraktiv blei- haben den digitalen Wandel bislang zu öff entlich-rechtlichen Rundfunks laut- um der Kunstgeschichte und der ben. Ich plädiere daher für verbesserte zögerlich mitgestaltet. Wir sollten un- stark auftreten, auch wenn es sich um Klassischen Archäologie an der Verweildauerregelungen, die Nutzung sere Stärken selbstbewusst einbringen. eine Minderheit handelt. Viel zu sehr Humboldt-Universität, wo er  von Drittplattformen und wo sinnvoll An den aktuellen Entwicklungen in einer prägen sie die Debatte, selbst wenn die auch promoviert wird, arbeitet er auch Online-Only-Angebote. Außer- Reihe von Ländern mit erschreckender täglichen Nutzungszahlen einer gro- unter anderem als Konservator am dem setze ich mich dafür ein, dass in Zunahme von Desinformation und Fake ßen Mehrheit für uns sprechen. Wenn Institut für Denkmalpfl ege der DDR. angemessenem Rahmen Textbeiträge in News zeigt sich, dass die Regeln, die wir Kulturverbände hier gegenhalten, kann Im wiederbegründeten Land Bran- unseren Online-Angeboten enthalten aufgrund unserer geschichtlichen Er- das die Debatte in eine andere Richtung denburg übernimmt Dorgerloh nach sein dürfen, ohne dass wir damit an die fahrungen entwickelt haben, auch und bringen – so wie wir es in der Schweiz der Wende die Leitung des Referates Stelle der Verlage treten würden. gerade für die digitale Welt Bedeutung erlebt haben. Denn klar ist: Auf Dauer für Denkmalschutz im Ministerium Selbstverständlich nehmen wir be- haben. Wir sollten den Mut haben, die- können wir nur so stark sein, wie die für Wissenschaft, Forschung und reits heute im – rechtlich und fi nanziell sen neuen öff entlichen Raum nach un- Gesellschaft bereit ist, uns zu tragen. Kultur. Dort kann er innerhalb von – gegebenen Rahmen unsere Möglich- seren europäischen Werten zu gestalten nur wenigen Monaten ein Denk-

keiten im Digitalen wahr. Die gerade und der Vielfalt unserer Kulturen und Ulrich Wilhelm ist BR-Intendant und malschutzgesetz durchsetzen. Ende SPSG KOROLL ANNETTE FOTO: im vergangenen Herbst neu aufgelegte Meinungen dort Raum zu verschaff en. ARD-Vorsitzender der er Jahre wird Dorgerloh Politik & Kultur | Nr. /  | Mai — Juni  AKTUELLES 03

ECHO oder wie man mit widerlichen Inhalten sehr viel Geld verdienen kann Drei Vorschläge als Reaktion auf die vergeigte ECHO-Verleihung 

OLAF ZIMMERMANN UND Manch einer nennt es Kommerz, wir derjährige können etwa ein Werk an- dass eine Nominierung untersagt wer- geklingelt zu haben. Nach dem Eklat GABRIELE SCHULZ nennen es Erfolg. Und wir fi nden, Mu- ders verstehen, als Erwachsene es tun.« den muss. Das große Missverständnis kommen halbherzige Ansätze von BMG, siker sollen für ihren Erfolg belohnt dabei ist, dass sich der Beirat auch in dass die Zusammenarbeit überdacht m . April dieses Jahres er- werden, alles andere wäre brotlos und seiner öff entlichen Erklärung lange mit werden soll. Großes Missverständnis hielten die Gangsta-Rapper von Luft & Liebe allein wird niemand Kunstfreiheit auseinandersetzt, statt Besonders zynisch ist, dass die Stif- Kollegah und Farid Bang satt.« Der Bundesverband Musikindustrie klipp und klar ein Qualitätsurteil zu tung des Mutterkonzernes von BMG, A den »ECHO-Deutscher Mu- D. h., beim ECHO ging es nie darum, hatte beim ECHO bereits im Jahr  fällen. Wäre dies geschehen, würden Bertelsmann, den Niedergang der kul- sikpreis« in der Kategorie Hip-Hop/ besonders interessante neue popkul- gemerkt, dass kommerzieller Erfolg im kommenden Frühjahr voraussicht- turellen Bildung wortreich bedauert, Urban National für ihr Album »Jung turelle Entwicklungen auszuzeichnen, nicht mit gesellschaftlicher Akzeptanz lich wieder die gleichen erfolgreichen um dann im Konzern diesen Nieder- Brutal Gutaussehend «. Seither fi n- sondern darum, was den meisten Men- gleichzusetzen ist. Als die Gruppe Frei- Künstler um die ECHO-Auszeichnung gang zum Geschäftsmachen zu nutzen. det eine Diskussion darüber statt, wo schen gefällt. Das kann einfältig oder wild auftreten sollte, drohten andere »fi ebern«. Die eigentlich interessante und ge- die Grenzen der Kunstfreiheit sind geschmacklos, aber auch musikalisch Künstler, nicht zur ECHO-Verleihung Es sind nämlich, um es klar zu sagen, sellschaftlich auch äußerst relevante und wie weit Kunst gehen kann. Im spannend sein. Es sollte daher nicht zu kommen. Dies wirkte: Freiwild zwei ganz verschiedene Paar Schuhe, Frage ist, warum mit widerlichen In- Mittelpunkt der Auseinandersetzung verwunderlich sein, dass sich bei eini- über Kunstfreiheit zu sprechen, die halten off enbar sehr viel Geld verdient steht dabei eine Zeile aus dem Song gen erfolgreichen Künstlerinnen wie teilweise äußerst schwer auszuhalten werden kann? »«, in der die Musiker singen, dass Helene Fischer, Andrea Berg oder bis Es gilt, im Musik- ist, oder ob es um die Auszeichnung ihr Körper defi nierter sei als der von vor Kurzem Marius Müller-Westernha- eines Werkes geht. bereich Haltung zu Fazit Ausschwitz-Insassen. gen die ECHOs bereits stapeln. Um es gleich am Anfang zu sagen, zeigen, und dies auch Es gilt endlich auch im Musikbereich Gesellschaftliche Akzeptanz dieser Vergleich ist geschmacklos und von den Unternehmen durchgängig, also in allen Genres, Hal- Kunstfreiheit widerlich. Er verhöhnt die Opfer, die einzufordern Ein Gutes hat die verunglückte ECHO- tung zu zeigen, gegen Antisemitismus, Überlebenden und die Nachkommen Fragen der Kunstfreiheit spielen bei der Auszeichnung allerdings: Sie hat eine gegen Rassismus, gegen Frauenfeind- von Überlebenden. Geradezu perfi de Nominierung überhaupt keine Rolle. Diskussion um gesellschaftliche Akzep- lichkeit. ist, dass die Auszeichnung auch noch Sollte ein Titel über die Grenzen der trat nicht auf und wurde auch nicht tanz speziell von Musik angeregt. Denn Diese Haltung muss auch von Un- am israelischen Holocaust-Gedenktag Kunstfreiheit hinausgehen, könnte ge- ausgezeichnet. Der Bundesverband das eigentlich Skandalöse ist doch, dass ternehmen eingefordert werden, die vergeben wurde. An diesem Tag ertönen richtlich dagegen vorgegangen werden Musikindustrie richtete einen Beirat sehr viele Menschen eine Musik kau- fragwürdige künstlerische Inhalte prä- für eine Minute alle Sirenen in Israel und er würde gar nicht erst den kom- ein, der in Zweifelsfällen entscheiden fen, die nicht nur Holocaust-Opfer ver- sentieren. und die Menschen verharren schwei- merziellen Erfolg haben können, der für sollte. Dieser Beirat hatte am . April höhnt, sondern ebenso zutiefst frauen- Radio- oder Fernsehinhalte, Filme gend im Gedenken an die Opfer. eine ECHO-Nominierung erforderlich die Entscheidung zu treff en, ob die No- feindlich, rassistisch, sexuelle Gewalt und Computerspiele werden durch die Dennoch darf bei der Diskussion um ist. Das letzte bekannte Beispiel einer minierung von Kollegah und Farid Bang verherrlichend und anderes mehr ist. jeweiligen Selbstkontrollen der Bran- die Verleihung des »ECHO-Deutscher gerichtlichen Auseinandersetzung um aufrechterhalten bleiben soll und sie Und zur Wahrheit gehört ebenfalls, chen streng mit einer Alterskennzeich- Musikpreis« an Kollegah und Farid die Grenzen der Kunstfreiheit war das damit gegebenenfalls mit dem ECHO dass sich mit dieser Musik off enbar nung versehen. Das muss es auch für Bang nicht alles in einen Topf geworfen Verfahren um den Roman »Esra« des ausgezeichnet werden. Der Bundes- sehr viel Geld verdienen lässt. Ansons- Musik geben. und kräftig verrührt werden, sondern Autoren Maxim Biller. verband Musikindustrie gab also den ten hätte ein Label wie BMG, Musiker, eine diff erenzierte Auseinanderset- Das verfassungsrechtliche Gut der »Schwarzen Peter« an den sieben- deren erste Alben indiziert wurden, Olaf Zimmermann ist Geschäftsführer zung ist erforderlich. Kunstfreiheit spielt auch eine wesent- köpfigen Beirat und dieser traf mit nicht unter Vertrag genommen. Hier des Deutschen Kulturrates. Gabriele liche Rolle bei der Arbeit der Bun- Mehrheit die Entscheidung, dass die scheinen weniger die Alarmglocken als Schulz ist Stellvertretende Geschäfts- desprüfstelle für jugendgefährdende Kunstfreiheit nicht so weit verletzt ist, vielmehr zu erwartende Einnahmen führerin des Deutschen Kulturrates ECHO Medien: kurz Bundesprüfstelle. Rund Zunächst zum »ECHO-Deutscher Mu-  Stellen in Deutschland können bei sikpreis«: Seit  wird der ECHO der Bundesprüfstelle eine Indizierung von der Deutschen Phono-Akademie, von Medien als jugendgefährdend be- dem, wie es auf der Webseite heißt, antragen. Ausgenommen hiervon sind »Kulturinstitut des Bundesverbandes Radio- oder Fernsehinhalte, Filme oder Musikindustrie« verliehen. Der Begriff Computerspiele. Sie müssen mit einer »Kulturinstitut« legt die Vermutung Alterskennzeichnung versehen werden. nahe, dass mit dem ECHO kulturell Zuständig sind die jeweiligen Selbst- besonders interessante oder wertvol- kontrollen der Branchen. le Musik ausgezeichnet werden soll. Eine Indizierung hat zur Folge, dass Das ist beim ECHO Pop mitnichten der ein Medium Kindern und Jugendli- Fall. Bis auf den ECHO-Kritikerpreis, chen nicht zugänglich gemacht wer- der von einer Jury aus Musikkritikern den darf. Dazu zählen auch ein Verbot verliehen wird, und dem ECHO für des Kioskverkaufs, Einschränkungen soziales Engagement, sind das ent- im Versandhandel sowie ein Werbe- DAS scheidende Kriterium, um für einen verbot. Indizierte Titel werden auf ECHO überhaupt infrage zu kommen, diff erenzierten Listen geführt. Dabei die Verkaufszahlen. Dieses wird von wird unterschieden zwischen jugend- gefährdenden und strafrechtlich rele- vanten Inhalten von Trägermedien und KULTUR ausschließlich jugendgefährdenden Beim ECHO Pop ist das Inhalten. Trägermedien, die strafrecht- entscheidende Kriteri- lich relevante Inhalte haben, droht die Beschlagnahmung. RADIO um nicht die Qualität, Die Bundesprüfstelle muss in ih- sondern die erreichten ren Entscheidungen sehr genau ab- Verkaufszahlen wägen zwischen Kunstfreiheit sowie KLASSISCHE MUSIK, Meinungsfreiheit und Jugendschutz. Nicht alles, was einem persönlich JAZZ, HÖRSPIELE, nicht gefällt, was als widerlich oder der Deutschen Phono-Akademie auch abstoßend empfunden wird, kann AKTUELLE KULTUR JETZT gar nicht verschwiegen. Im Gegenteil, indiziert werden. Aufgrund der soge- off ensiv wird unter »Q & A« auf der nannten Tendenzschutzklausel dürfen ECHO-Webseite geschrieben: »Wir alle z. B. Medien »nicht allein wegen ihres WDR 3 bestimmen als musikliebende Fans das politischen, sozialen, religiösen oder GENIESSEN Ergebnis: Die Menschen, die Musik hö- weltanschaulichen Inhalts« indiziert ren, mit Musik arbeiten oder auch über werden. Mit Blick auf die Kunstfreiheit sie schreiben. Kriterium für die Einstu- muss beachtet werden, dass Kunst so- fung der Wichtigkeit ist die nationale wohl in der Rechtsprechung als auch und internationale Aufmerksamkeit & in der Rechtswissenschaft off en aus- Honorierung, die Künstlern und Bands gelegt wird. Hierzu schreibt die Bun- geschaff en werden. Der ECHO bleibt desprüfstelle: »… Kunst das ist, was ein genuin demokratischer Preis, ein der Künstler als Kunst bezeichnet und Stimmungsbarometer, das widerspie- worüber andere streiten, ob es Kunst gelt, was uns hier in Deutschland mu- ist.« Und weiter: »Der künstlerische sikalisch gerade bewegt. Punkt.« Und Wille der Urheberin/des Urhebers, die weiter: »Unsere Gewinner und Nomi- Gesamtkonzeption des Werkes und nierten sprechen die breite Masse an seine Gestaltung im Einzelnen sind – die deutsche Mehrheit, um genau zu zu beachten. Allerdings sind dane- sein. Das bringt sie an die Spitze der ben auch die realen Wirkungen eines Charts und damit in unsere Shortlist. Kunstwerkes zu berücksichtigen: Min- 04 INLAND www.politikundkultur.net

Quo vadis, Bundeskultur? Die kulturpolitische Agenda der neuen Bundesregierung FOTO: ??? FOTO: CHRISTOPH RIEKEN CHRISTOPH FOTO: FOTO: DOROTHEE BÄR DOROTHEE FOTO: FOTO:SUSIE KNOLL FOTO:SUSIE FOTO: MARCO WANDERWITZ MARCO FOTO: Dorothee Bär Monika Grütters Michelle Müntefering Marco Wanderwitz Digitalisierung Demokratie Freiheit Zwischen den und Kultur zuerst stärken Stühlen

DOROTHEE BÄR MONIKA GRÜTTERS MICHELLE MÜNTEFERING MARCO WANDERWITZ

m Jahre  hat es der Kurzfi lm »Sunspring« m Dezember  bekam der Künstler Florian m Jahr  wird die Kulturabteilung des rst vor Kurzem habe ich in einem Beitrag beim Sci-Fi-London-Festival in die Top  der Mehnert Post von der Polizeidirektion Frei- Auswärtigen Amtes  Jahre alt – das Amt für diese Zeitung unsere Schwerpunkte I Jury geschaff t. Der Film handelt von einer I burg. Der Anlass: ein Ermittlungsverfahren I der Staatsministerin für Internationale Kul- E für die Legislaturperiode als kultur- und Gruppe junger Menschen, die ihr Blut verkaufen wegen Verletzung der Vertraulichkeit des Wortes. turpolitik gerade einmal zwei! Das Junge und das medienpolitischer Sprecher der CDU/CSU-Bun- müssen. »Sunspring« wurde von »Benjamin« ge- Mehnert hatte für ein Kunstprojekt Waldwege ver- Alte, Tradition und Moderne zusammenzubringen destagsfraktion benannt. Nun habe ich als Parla- schrieben. Und Benjamin ist kein gewöhnlicher wanzt und Gespräche der Spaziergänger als »Wald- und Gesellschaft im Wandel zu gestalten – das ist mentarischer Staatssekretär für Bau und Heimat Drehbuchautor. Er ist ein Roboter, eine Maschi- protokolle« veröff entlicht. Er wollte Fragen zum bereits heute unsere zentrale Aufgabe. beim Bundesminister des Innern neue Aufgaben ne basierend auf künstlicher Intelligenz, die ihre Leben in der digitalen Gesellschaft aufwerfen und In dieser Welt verschieben sich zunehmend die übernommen. Ich bleibe der Kulturpolitik aber Dialoge mithilfe eines Algorithmus verfasst. Eine bekam als Antwort der analogen Welt eine Anzeige. Koordinaten, Autokratie und Nationalismus sind jedenfalls eng verbunden und freue mich, dass es Maschine als Autor, ein Roboter, der uns vielleicht In dieser nur allzu verständlichen Reaktion off en- auf dem Vormarsch, der Populismus hat seinen auch im neuen Amt große inhaltliche Schnittmen- eines der bisher unbestrittensten Merkmale strei- bart sich die Widersprüchlichkeit unserer Haltung Höhepunkt vermutlich noch nicht erreicht. In gen gibt. In meine Zuständigkeit fallen nun z. B. tig macht, die uns Menschen auszeichnet: Den als User im Internet und als Bürger eines demokra- einer solchen Welt ist die internationale Kultur- die Themen Baukultur und Kulturbaumaßnahmen. Sinn für Kunst und Poesie. Ist das unsere geistige tischen Rechtsstaats. Online – im Netz – können politik »Hoff nungsarbeit«, so hat es der heutige Der Wiederaufbau des Berliner Schlosses verläuft Zukunft? wir bei keiner Google-Suche, keinem Facebook- Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier formu- erfreulicher Weise sichtbar nach Plan. Mit dem Gemach, gemach. Dass wir in Zukunft nicht Like, keinem WhatsApp-Chat mit Vertraulichkeit liert. Außenminister Heiko Maas steht in dieser »Inhalt« des Schlosses, dem Humboldtforum, habe mehr Goethe und Schiller, sondern nur noch rechnen. Offl ine – im Wald – fi nden wir schon ein Tradition. ich mich in den letzten Jahren bereits ausgiebiger Alexa und Echo zitieren, ist unwahrscheinlich. einziges Mikrofon befremdlich. Während hier die Die internationale Kulturpolitik setzt auf Zu- befasst. Nun begleite ich gern den Bauabschluss Aber ja: Die Digitalisierung spielt eine nicht zu bewährten Mechanismen der Rechtsdurchsetzung sammenarbeit, die Grenzen überschreitet, auf der »Hülle«. Weiterhin werde ich mich, untermau- unterschätzende Rolle in unserem Kulturleben. greifen, ist die Durchsetzung unserer Rechte im mehr Off enheit, Dialog und gemeinsame Schaf- ert durch ein klares Bekenntnis im Koalitionsver- Es sind vor allem zwei Aspekte, die wichtig sind: Netz alles andere als selbstverständlich. Off en- fensprozesse, statt auf Abschottung und Natio- trag und die bevorstehenden Jubiläumsjahre, für Die Digitalisierung schaff t neuen Zugang zu und sichtlich ermöglicht das Internet derzeit mehr nalismus. Internationale Kulturpolitik bedeutet die zeitnahe Errichtung des Freiheits- und Ein- sie schaff t neue Formen von Kultur. Neuen Zu- Freiraum, als die Demokratie vertragen kann: die nicht den Export von Kultur, sondern Begegnung heitsdenkmals einsetzen. Das wichtige Thema gang, weil Kultur durch völlig neue Kommunika- Möglichkeit, Daten zu missbrauchen, Deutungs- mit anderen – und den Schutz derjenigen Räume, Denkmalschutz begleitet mich weiterhin, nun eher tions- und Beteiligungsmöglichkeiten vermittelt monopole aufzubauen, Lügen, Hass und Hetze in denen die Freiheit zur kritischen Auseinander- aus der städtebaulichen Perspektive. Hier geht es werden kann. Kunst wird überall und für nahezu zu verbreiten, sich künstlerischer und geistiger setzung möglich ist. Internationale Kulturpolitik um den Erhalt unseres kulturellen Erbes und die alle Menschen an jedem Ort erlebbar. Leistungen zu bedienen, ohne dafür zu bezahlen. hat die Aufgabe, diese Freiheit zu stärken. Lebendigkeit von Orten, wie z. B. unserer über  Kulturschaff ende und Kulturliebende fi nden Damit stellt die Digitalisierung die Demokratie Wir werden deswegen Programme für verfolgte Welterbestätten. Wir sind eine Kulturnation und so leicht zusammen wie nie zuvor und Kunst fi n- und den Rechtsstaat auf eine Bewährungsprobe: Künstler, Wissenschaftler und Journalisten fort- unser kultureller Reichtum wirkt in alle Politik- det Orte im Alltag der Menschen, die früher nicht Wenn zivilisatorische Errungenschaften wie die setzen und weiter ausbauen. Wir werden eine jun- bereiche hinein. erreichbar waren. Durch die Digitalisierung sind Freiheit der Kunst, die kulturelle und mediale ge Generation dabei unterstützen, einen aktiven Schließlich wird ein politischer Schwerpunkt Literatur, Musik und Malerei, wo sie früher nie wa- Vielfalt, die Sicherung geistigen Eigentums, der Zugang zu unserer Erinnerungskultur zu fi nden der nächsten Jahre auch bei sogenannten weichen ren. Trivial erscheinende Selbstverständlichkeiten Schutz persönlicher Daten, das Recht auf freie und das historische Bewusstsein zu schärfen. Wir Themen, wie gesellschaftlichem Zusammenhalt wie der E-Book-Reader, der eine ganze Bibliothek Meinungsbildung und die Grundprinzipien einer werden unsere Arbeit auf dem afrikanischen Kon- und gleichwertigen Lebensverhältnissen, liegen. in den eigenen Reisekoff er packt oder der Strea- demokratischen Kultur der Verständigung wei- tinent intensivieren, um Menschen eine Perspek- Hier gibt es neben der sozialen und wirtschaftli- mingdienst, der einem eine schier grenzenlose terhin Bestand haben sollen, brauchen die ent- tive, Frauen eine Stimme zu geben und Teilhabe chen vor allem auch eine kulturelle Dimension. Menge an Hörbüchern, Podcasts, Serien und Fil- sprechenden Regeln ein politisches Update. Dazu an Bildung zu ermöglichen. Auch der Umgang In Zeiten von Globalisierung und einem »großen« men wortwörtlich an die Hand gibt, sind doch in gehört z. B. ein starkes Urheberrecht: Künstler mit unserem kolonialen Erbe wird uns bei unserer Europa entsinnen sich viele Menschen stärker Wirklichkeit nicht weniger als eine Revolution der müssen auch künftig von ihrer Arbeit leben kön- Arbeit mit diesem vielfältigen Kontinent begleiten. ihrer kulturellen, regionalen Verwurzelung. Dabei kulturellen Erfahrbarkeit. nen. Deshalb werde ich mich weiterhin für den Wir werden unser weltweites Netzwerk der Mitt- geht es nicht nur, aber auch um Sprache, Tradi- Kultur war schon immer unendlich vielfältig, Schutz des geistigen Eigentums einsetzen. lerorganisationen im Kultur- und Bildungsbereich tion und Brauchtum. In meiner Heimat spricht und doch begrenzt in ihrem Zugang. Durch Ver- Ebenso wichtig ist es, die Meinungs- und ausbauen, digital fi t machen und mit europäischen man den Dialekt des Erzgebirges, geht zu den netzung können Schätze gehoben werden, die frü- Medienvielfalt zu sichern. Dafür braucht es u. a. und internationalen Partnern fl exibel und koope- traditionellen Bergparaden im Advent und isst her verborgen blieben. Die Digitalisierung schaff t faire Wettbewerbsbedingungen. Nicht hinneh- rativ zusammenarbeiten – auch, um die Idee des zu Weihnachten »Neinerla«. Das ist kulturelle Orte für Experiment und Spezialinteresse fernab men dürfen wir außerdem, dass Kulturgüter zur Zusammenhalts in Europa und der europäischen Identität. Das ist ein Stück Heimat. Das verbindet. vom Geschmack der Allgemeinheit. Es werden bloßen Handelsware degradiert werden. Mit der Integration zu festigen. So sollen etwa europäi- Zugleich schaff t Kultur eine Verbindung zwischen neue Formen geschaff en, weil sich durch die Tech- Buchpreisbindung zum Schutz der verlegerischen sche Kulturinstitute stärker als bislang zusammen- den Kulturen. nologie bisher nicht gekannte Gestaltungsmög- und der literarischen Vielfalt oder auch mit den arbeiten, angefangen mit zehn gemeinsamen Ins- Das vielfältige kulturelle Leben in unserem lichkeiten ergeben. Besonders deutlich wird dies von mir ausgelobten Preisen für Kulturorte in den tituten des Goethe-Instituts und Institut français. Land muss künftig stärker gemeinschaftlich er- im Bereich der Computerspiele. Konsumenten Regionen wenden wir uns gegen die Bewirtschaf- Kultur macht an Grenzen nicht halt, sie ist lebbar und erfahrbar werden. Und zwar als gleich- verschmelzen mit dem Werk. Die Vielseitigkeit tung einer geistigen Monokultur, in der nur das kritisch und frei, speist sich in der Auseinander- wertiges Angebot für Jung und Alt, für bereits von Games und die Notwendigkeit, diesen Zweig überlebt, was sich gut verkauft. Wo Algorithmen setzung mit anderen, sie ist längst global, und länger hier lebende Menschen und Migranten, kulturellen Reichtums weit über den Deutschen die Macht übernehmen, beginnen die geistige und verbindet durch wechselseitigen Austausch. Unser in Städten und in Dörfern. Das bleibt ein enor- Computerspielpreis hinaus zu fördern, ist aber kulturelle Verarmung unserer Gesellschaft und kulturelles Erbe, die Kraft der Kultur, kann dabei mer Kraftakt, aber wir können es (uns) leisten. In eine wichtige Aufgabe. die Erosion der Grundlagen unserer Demokratie. helfen, Menschen wieder Orientierung zu geben. über . Vereinen sind die Menschen bereit, Die Digitalisierung ist für unser kulturelles Le- Statt »Digital fi rst« sollten wir uns den Anspruch Eine Orientierung, die der französische Präsident sich ehrenamtlich zu engagieren und politische ben und die Lebensqualität ein großer Gewinn. »Demokratie zuerst« auf die Fahnen schreiben. Emmanuel Macron folgendermaßen formuliert Entscheidungen mitzutragen. Darauf können wir Nie war sie vielfältiger und lebendiger als heute, Eine Politik, die Menschen nicht nur als User be- hat: »Die Antwort ist nicht die autoritäre Demo- bauen. Darauf wollen wir politische Konzepte nie hatten mehr Menschen Zugang zu den Küns- trachtet, sondern als Bürger ernst nimmt, muss kratie, sondern die Autorität der Demokratie.« aufsatteln. ten. Das allein ist ein großer Wert an sich. diesem Anspruch gerecht werden. Michelle Müntefering MdB ist Staatsministerin Marco Wanderwitz MdB ist Parlamentarischer Dorothee Bär MdB ist Staatsministerin für Monika Grütters MdB ist Staatsministerin für für Internationale Kulturpolitik im Auswärtigen Staatssekretär im Bundesministerium des Innern, Digitalisierung im Bundeskanzleramt Kultur und Medien im Bundeskanzleramt Amt für Bau und Heimat Politik & Kultur | Nr. /  | Mai — Juni  INLAND 05

Entgrenzung und Teilhabe Geschichte und Aktualität im Humboldtforum

NEIL MACGREGOR können. Um dies zu ermöglichen, Kurzfi lme, die Kinder der Ye‘kuana für den Aufbau des Programms im werden derzeit mit unterschiedli- aus Venezuela produziert haben Humboldtforum wichtige Leitbil- n der Mitte der politischen chen Partnern die Voraussetzungen – in Eigenregie, unterstützt vom der. Sie haben uns folgendes klar- Bühne steht heutzutage welt- für ein fest integriertes Residency- indigenen Filmemacher Kuujani gemacht: Über die partizipative weit die Geschichte. Überall Programm geschaff en. López Núñez, gemeinsam initiiert und kollaborative Zusammenarbeit I wird sie für nationale Identi- Wie aktuell kann das Humboldt- von der indigenen Organisation lässt sich – wie bei den Ye’kuana täten und damit verbundene politi- forum sein? Die historischen Samm- Kuyujani und Mitarbeitenden des – zukünftig gemeinsam entschei- sche Interessen sinnstiftend. Schon lungsbestände der Staatlichen Mu- Ethnologischen Museums. Nicht den, was und wie gesammelt wird. die Idee der Nation ist mit Legenden seen, die ins Humboldtforum ziehen, der Blick von außen, sondern die In diesem Sinne versteht sich eine und mit Mythen, aber auch mit Ge- dokumentieren meistens ein spezifi - eigene Jetzt-Perspektive prägen Kuratorin bzw. ein Kurator oder schichte – häufi g selektiv, ab und sches, fokussiertes Sammelinteresse diese Beiträge. Sie geben Einbli- das Humboldtforum als Instituti- zu irreführend oder einfach falsch zu einer bestimmten Zeit. Der Groß- cke in die Lebenswirklichkeiten der on in der Rolle eines Ermöglichers. – verwoben. Dies lässt sich derzeit teil der ethnologischen Sammlun- Kinder und erzählen über das, was Es ist wünschenswert, dass diese im politischen Diskurs auf ganz gen aus Afrika, Amerika, Asien und ihnen wichtig ist. Am Kollaborationen zum unterschiedliche Weise in Großbri- Ozeanien kam im letzten Drittel des . Januar  wurden größten Teil direkt aus tannien und Frankreich, in Indien, . und Anfang des . Jahrhunderts die Kurzfi lme in einer dem Museums- und Deutschland, der Türkei, in Grie- nach Berlin. Diese Begrenzungen Premierenauff ührung Ausstellungsbudget chenland, in China, Russland oder müssen sichtbar gemacht werden. im Rahmen der Ver- fi nanziert werden. So in den USA verfolgen. Es ist unmöglich, die Totalität einer anstaltung des Hum- können sie unabhän- Warum sind diese Geschichts- Kultur zu sammeln und umfassend boldtforums »Kind giger, ergebnisoff ener bilder so einfl ussreich und langle- zu repräsentieren. Was geben die sein in Amazonien« und vor allem inte-

FOTO: BUNDESREGIERUNG / STEFFEN KUGLER STEFFEN / BUNDESREGIERUNG FOTO: big? Kreieren sie wirklich gemein- Objekte in ihrer Zusammenstellung vorgestellt, anschlie- grativer Bestandteil Annette Widmann-Mauz schaftliche Erfahrungsräume? Und preis über den interessegeleiteten ßend liefen sie auf dem des Programms wer- welche Funktion haben historische Anspruch des Sammelns, der wis- Kinderrechte Filmfes- den. Sie lassen sich Mythen für die heutige politische senschaftlichen Untersuchung und tival in Brandenburg und stießen institutionell vertreten und direkt Weltwahrnehmung? Inwiefern der musealen Präsentation? Welche dort weitere Initiativen für einen anbinden. Die Zusammenarbeit Kultur des tangieren sie die Zukunft? Wes- Geschichtsbilder – historisch oder direkten Austausch an. mit Institutionen wie Schulen sen Geschichte setzt sich durch aktuell – verkörpern sie? Wie kann Zum anderen ist es die Ausstel- oder Nichtregierungsorganisatio- Dialogs und wer darf sie erzählen? Darf die Verbindung zur heutigen Welt lung »[laut] Die Welt hören« derzeit nen erlaubt einen sehr viel engeren der Staat allein entscheiden, wel- über solche Objekte und Zeitzeug- in der Humboldt-Box zu sehen – die Austausch mit den Communities ANNETTE WIDMANNMAUZ che Geschichten erzählt werden nisse hergestellt werden? Wie und dritte und letzte große Ausstellung, und ihren Belangen und stellt auf dürfen? Dies sind spannende – und auf welchen Wegen lässt sich mit bevor Ende  das Humboldtfo- direktem Weg den Kontakt zur einrich und Thomas hatten es in ihrer wichtige – Fragen, denen sich das den Kollegen, Kuratoren und Com- rum eröff nen wird. Sie verdankt zeitgenössischen Kultur her. Ein Kindheit nicht immer leicht. Ihr Lehrer Humboldtforum zukünftig widmen munities aus den Herkunftsländern sich einer Kooperation zwischen großes Handicap der meisten gro- H sprach von »Elenden, die in der Schule nur kann; und genau hierin liegt seine zusammenarbeiten? drei wichtigen Institutionen: dem ßen Museen weltweit ist, dass sie Ärger bereiten«. Ihre Mutter stammte aus Brasilien Expertise. Denn die Wirkung der Zwei Projekte in Vorbereitung Lautarchiv der Humboldt-Univer- überwiegend mit akademischen, und die Kaufmannsfamilie aus Lübeck war damit Mythen und Geschichten, die Teil auf das Humboldtforum stehen sität, dem Phonogramm-Archiv d. h. universitären und musealen, Ende des . Jahrhunderts irgendwie anders als der nationalen Identitäten werden, beispielhaft für den Versuch, eine des Ethnologischen Museums und Fachkreisen kooperieren – die in alle anderen. Erst als die beiden Söhne der Familie entfaltet sich nicht nur über die Er- polyphone Erzählung vieler, ganz der Foundation for Arab Music Ar- den meisten Ländern staatliche In- Mann später weltberühmte Autoren wurden, spielte zählungen, sondern insbesondere unterschiedlicher Geschichten zum chiving and Research (AMAR) aus stitutionen sind. Damit ist häufi g ihr brasilianischer Migrationshintergrund oder die über die Bilder und Riten. Histori- Klingen zu bringen, aber auch Ge- Beirut. Diese libanesische Privat- nur ein kleiner elitärer Kreis par- schulischen Probleme keine Rolle mehr. sche Objekte werden als Zeitzeug- genwärtiges und Zukünftiges mit stiftung hat sich der Bewahrung tizipativ beteiligt. Nicht nur in der Literatur, sondern in der gesam- nisse ganz besonders wichtig. Aus ihnen zu verbinden. Zugleich de- und Verbreitung traditioneller ara- Deshalb sollte es sich das Hum- ten Geschichte unseres Landes sind Einwanderung diesem Grund müssen, können und monstrieren sie die Möglichkeiten bischer Musik verpfl ichtet. Derzeit boldtforum zum Anspruch machen, und kulturelle Vielfalt stete Begleiter. Einwande- sollen die Museen – und vor allem und das Entwicklungspotenzial konzen triert sie sich darauf, die Menschen und Gemeinschaften ge- rung ist nichts Neues, auch wenn einige das bis das Humboldtforum – in der Aus- einer prozesshaft verstandenen Tonzeugnisse der durch die poli- nauso zu Wort kommen zu lassen, heute nicht wahrhaben wollen. Heute haben , einandersetzung mit diesen Fragen Kooperation, sowohl mit Commu- tische Situation im Nahen Osten die keine Stimme haben. Um eine Prozent unserer Bevölkerung eine familiäre Ein- eine wichtige Rolle spielen. nities als auch mit privaten Stif- gefährdeten Communities zu sam- Multiperspektivität zu erzeugen wanderungsgeschichte und die Vielfalt unserer Denn die materiellen Zeugnisse tungen. meln und zu bewahren. Als eine der und Lebenswirklichkeiten abzubil- Gesellschaft wird auch künftig wachsen. Das birgt aller Kulturen sind das Erbe aller Zum einen ist es die Zusammen- größten und wichtigsten Archive den, werden die Kooperationspartner Chancen wie auch Konfl ikte. Darum ist es Aufgabe Menschen. Sie bewahren ihre eige- arbeit des Ethnologischen Muse- besitzt sie über . Aufnahmen, nicht ausschließlich Teil akademi- der Politik, die gesellschaftliche Vielfalt zu gestal- nen Geschichten, und diese müssen ums mit der indigenen Gruppe der hauptsächlich aus der »Nahda«-Ära scher, elitärer Kreise sein, sondern ten und den Zusammenhalt zu stärken. Integration erzählt werden. Alle gemeinsam Ye‘kuana aus dem Amazonasgebiet: (von  bis ) sowie ungefähr die Communities als Stakeholders und Teilhabe sind Schlüsselthemen unserer Zeit. prägen sie Weltkulturgeschichte. Zu Beginn des . Jahrhunderts kam . Stunden Aufzeichnungen auf einbinden. Nicht das Ergebnis oder Gelungene Integration ist dabei immer auch Wer sich planetär verortet, seinen eine bedeutende Sammlung von Magnetbändern. die Präsentation der Projekte ste- kulturelle Integration. Hier sind Respekt, Toleranz Blick weitet und Denkschwellen Objekten der Ye‘kuana nach Ber- Zusammen mit den Tonaufnah- hen im Fokus, sondern der »open und kulturelle Off enheit auf Basis unserer freiheit- überwindet, kann die Herausfor- lin. Ausgangspunkt der jetzigen men des Phonogramm-Archivs, end«-Prozess der Zusammenarbeit lich-demokratischen Grundordnung unverzichtbar. derungen vor dem Hintergrund Zusammenarbeit war das ethno- des Lautarchivs und den Schätzen selbst, dessen Verlauf nicht vorher- Diese Aufgeschlossenheit geht mit einem gesell- eines globalisierten, dynamischen logische Forschungsprojekt »Sha- historischer Ägyptisch-Syrisch- bestimmt werden kann. Auf diese schaftlichen Selbstbild einher, das sich durch die Weltgeschehens annehmen. Es gilt ring Knowledge«, gefördert von der Libanesisch-Arabischer Musikauf- Weise können bestehende Vertrau- Bereitschaft zur Integration und durch Selbstverge- für das Humboldtforum, Lebens- Volkswagenstiftung, aus dem sich nahmen entwirft die Ausstellung ensverhältnisse gestärkt und ausge- wisserung über die eigene kulturelle Identität aus- nähe herzustellen über ein neues, eigenständig weitere Kooperationen ein vielschichtiges Klangbild durch baut werden und Freiräume entste- zeichnet. Der kulturellen Integration kommt somit sensibilisiertes Selbstverständnis entwickelten. Die Impulse kamen die Geschichten und auch der Pro- hen. Wichtig wäre zudem, auch im eine enorme Bedeutung bei der gesellschaftlichen im Umgang mit den Objekten aus von den Vertretern der Ye‘kuana blematiken dieser ersten Archive. Humboldtforum einen »community Integration zu, wenngleich eine erfolgreiche Inte- anderen Kulturen, aber auch der selbst, die weitere, zu erwerben- Sie off enbart die komplexen Zu- curator«, wie er im angelsächsischen grationspolitik alle Lebensbereiche berücksichtigen eigenen. Es muss sich für sein Pu- de Objekte für das Ethnologische sammenhänge, die sich in diesen Bereich längst Realität geworden ist, muss – etwa gleiche Chancen auf Teilhabe im Bil- blikum interessieren und im besten Museum vorschlugen. So entstand Archiven verdichten, wie etwa die von Anbeginn als Teil des Ausstel- dungswesen oder Integration in den Arbeitsmarkt. Sinne populär sein. Diese Leitlinien in eigener Regie und Umsetzung Entwicklung der Techniken, aber lungsteams zu integrieren. In den aktuellen Diskussionen über Chancen und werden nur dann zu einem Selbst- der Animationsfi lm »Dij aawa Wo- auch der Bedingungen und Ziele Weil es hier so oft um politisch Risiken der kulturellen Vielfalt ist nicht selten zu verständnis, wenn sie sich tief in die tunnöi«. Er wurde im Rahmen der der Aufzeichnung von Sprache sensible Themen geht, ist es beson- beobachten, dass soziale Probleme durch kulturelle Ausstellungs-, Vermittlungs- und Ausstellung »Vorsicht Kinder!« in und Musik, die Entstehung eines ders wichtig, dass sich das Hum- oder religiöse Konfl ikte überlagert werden. Umso Programmpraxis hineinpfl anzen. der Humboldt-Box gezeigt. Erzählt Weltmusikmarktes und die Begeg- boldtforum von jedem eventuellen wichtiger ist ein demokratischer Dialog, wie ihn Umso wichtiger ist es, am Haus wird eine Episode der Ursprungsle- nungen von Klängen und Kulturen. politischen Einfl uss distanziert. Um sich auch die Initiative kulturelle Integration des die Strukturen zu schaff en, in denen gende der Ye‘kuana, die mündlich Wem gehört der Klang in Aufnah- diese notwendige Unabhängigkeit Deutschen Kulturrates zum Ziel gesetzt hat. An solche Konzepte umsetzbar sind. von Generation zu Generation wei- men? Wie verbreiten sich Klänge zu verteidigen und zu proklamie- diesem Dialog sollten sich alle gesellschaftlichen Die beiden richtungsweisenden tergegeben wird und sich nun über und Musikstile weltweit? Wie geht ren, sollte der Stiftungsrat idealiter Akteure beteiligen, auch die kulturellen Institutio- Aspekte für die zukünftigen Aus- die bewegten Bilder bis nach Berlin man mit Klang als immateriellem nicht exklusiv politisch besetzt sein. nen in ihren jeweiligen Sparten und Formaten. Die stellungs- und Programmformate verbreitet hat. Es ist die Geschichte Kulturgut um? Wer darf wessen Wenn sich das Humboldtforum als Bundesregierung wird diesen Prozess unterstützen des Humboldtforums sind Entgren- der grausamen und blutrünstigen Klänge aufzeichnen, aufbewahren Ermöglicher diese Vorgehensweisen und hat sich im Koalitionsvertrag dazu bekannt, ein zung und Teilhabe. Das Humboldt- Betrügerin Dij aawa, erzählt in der und weiterverwenden? Beispielhaft zu seiner Haltung macht, wäre es, gesamtstaatliches Bündnis für kulturelle Bildung forum ist eine deutsche Institution, Sprache der Ye‘kuana. Der Film ist für ethische Problematiken werden der Idee Alexanders von Humboldt und Vermittlung zu schließen, das den Zugang zu es kann aber nur in enger Zusam- nun Teil des Schulunterrichts bei die Tonaufnahmen von Kriegsge- gemäß, eine lebendige Plattform Kunst, Kultur, Bildung und Medien stärken möchte. menarbeit mit Kolleginnen und Kol- den Ye‘kuana, um Kindern und fangenen im Ersten Weltkrieg, aber für den Austausch von Ideen, ein Das ist ein wichtiger Schritt, denn kulturelle Teilha- legen aus aller Welt Antworten auf jungen Erwachsenen das Lernen in auch die der Rituale der Navaho Treffpunkt der Kulturen und Le- be und eine Kultur des Dialogs wirken der Spaltung solche Fragen fi nden. Und so wird es der eigenen Sprache und Kultur zu thematisiert. Die Bereicherung um bensformen. Es könnte, wie es der unserer off enen, integrativen und demokratischen für den Erfolg des Hauses entschei- ermöglichen und diese Mythen und klangliche Dimensionen, um die kenianische Museumsmann und Gesellschaft entgegen. Heinrich Mann formulier- dend sein, wie die Inhalte zukünf- Traditionen zu bewahren. erlebbare Vielfalt von Sprache und Mitglied unserer internationalen te es übrigens so: »Demokratie ist im Grunde die tig gemeinsam mit den Akteuren Diese Filmproduktion, die von Musik wird das Humboldt Forum Expertenkommission, George Ab- Anerkennung, dass wir, sozial genommen, alle für- Staatliche Museen, Stadtmuseum der Stiftung Humboldtforum im einzigartig machen – die Ausstel- ungu, so treff end formuliert hat, »in einander verantwortlich sind.« Berlin und Humboldt-Universität Berliner Schloss fi nanziert wurde, lung »[laut] Die Welt hören« zeigt die Zukunft zielen!«. sowie mit internationalen Koope- gab den Anstoß für zwei weite- bereits jetzt das große Potenzial Annette Widmann-Mauz MdB ist Staatsministerin rationspartnern, insbesondere mit re Filmprojekte, die das mögliche – und dessen Herausforderungen. Neil MacGregor ist Leiter der für Migration, Flüchtlinge und Integration im den Communities der Herkunfts- Potenzial für das Humboldtforum Beide experimentell und pro- Gründungsintendanz des Bundeskanzleramt gesellschaften, erarbeitet werden aufzeigen: Es entstanden sechs zessoff en angelegten Projekte sind Humboldtforums 06 INLAND www.politikundkultur.net

Eine Erklärung, die viel erklärt

Die »Erklärung « – wendigkeiten; nur so kann kulturelle Mit der Aussage »illegale Massenein- terstellt, dass die Verfasser Demonstra- bedient man sich nicht der Hass ge- nur zwei Sätze, aber viel Identität gewahrt werden. Gleichzei- wanderung« wird sowohl das Handeln tionen wie die in Cottbus im Blick haben, tränkten Sprache von Pegida, skandiert tig inszenieren sich diejenigen, die das der Regierungsorgane als auch das von der Initiative »Zukunft Heimat«, ge- auch nicht die genannten Schlachtrufe. Zündstoff wollen, in dem Moment als Opfer eines Hiersein der Gefl üchteten als gesetz- gen die Asyl- und Flüchtlingspolitik der Man unterstellt aber den Demonstrati- angeblichen Mainstreams, wo ihre Äu- widrig bezeichnet – und zwar pauschal Bundes- und Landesregierung gerichtet, onen in Dresden, Cottbus, Kandel das CHRISTIAN WOLFF ßerungen öff entlich kritisiert werden. und ohne jede Ausnahme. Selbst wenn organisiert – was wurde skandiert? Das hehre Ziel, die »rechtsstaatliche Ord- Dann sehen sie die Meinungsfreiheit ich unterstelle, dass in der Sondersitua- übliche: »abschieben«, »Merkel muss nung« wiederherzustellen. So dient die ie besteht nur aus zwei Sätzen, bedroht, weil sie sich in die rechte Ecke tion des Herbstes  das Handeln der weg«, »Widerstand«, »Volksverräter«, »Erklärung « nur dem Zweck, zwi- die »Erklärung «: »Mit wach- gestellt sehen. Doch was verbirgt sich Bundesregierung rechtlich fragwürdig »Wir sind das Volk«. Wer trat als Redner schen den intellektuellen Beobachtern S sendem Befremden beobachten hinter den beiden Sätzen? war, so kann spätestens seit Anfang auf? Unter anderem Götz Kubitschek, und den Akteuren vor Ort eine Einmü- wir, wie Deutschland durch die illegale Die Unterzeichner erklären sich  von »illegaler Masseneinwande- einer der führenden Rechtsradikalen. tigkeitsverbindung herzustellen. So wie Masseneinwanderung beschädigt wird. zu »Beobachtern« – so, als hätten sie rung« keine Rede mehr sein. Also wird sich AfD und Pegida verbündet haben, Wir solidarisieren uns mit denjenigen, nichts mit der gesellschaftspolitischen hier ein Kampfbegriff kreiert. kommen jetzt die Intellektuellen und die friedlich dafür demonstrieren, dass Entwicklung der vergangenen Jahre zu In der Erklärung wird behauptet, die Brandstifter zusammen. Bei aller die rechtsstaatliche Ordnung an den tun. Diese Selbsteinschätzung ist – si- dass »Deutschland durch die illegale Gewalttätige Scheinheiligkeit, die an den Tag gelegt Grenzen unseres Landes wiederherge- cher ungewollt – weitgehend zutreff end. Masseneinwanderung beschädigt wird«. Fremdenfeindlichkeit wird – die wahren Absichten sind leicht stellt wird.« Denn die wenigsten der inzwischen Wie der »Schaden« aussieht, darüber soll durch die durchschaubar: Grenzen dicht, Islam Zu den Erstunterzeichnerinnen und über . Bürgerinnen und Bürger, erfahren wir nichts. Wieder reden die Erklärung intellektuell verbieten, Flüchtlinge abschieben, eu- -unterzeichnern gehören unter anderem die bei Redaktionsschluss dieser Zei- Verfasser der Erklärung aus dem beque- ropäische Einigung beenden, deutsch- Henryk M. Broder, Uwe Tellkamp, Thi- tung ihre Unterschrift unter die zwei men Ohrensessel. Denn sonst hätten sie legitimiert werden völkische Kultur aktivieren. Außerdem lo Sarrazin, Matthias Matussek, Vera Sätze gesetzt haben, werden sich von – ein Mindestmaß an intellektuellem soll der demokratische Rechtsstaat als Lengsfeld, Uwe Steimle, Eva Herman – Angesicht zu Angesicht mit Menschen Niveau unterstellt – berücksichtigen untätig und unfähig vorgeführt werden, alles Leute, die sich in den vergangenen beschäftigt haben, die in Deutschland müssen, dass auf dem Höhepunkt der Bleibt die Frage: Warum diese »Erklä- um langfristig die Axt an seine Grund- Jahren und Monaten als rechtskonser- als Gefl üchtete leben. Flüchtlingsbewegung hunderttausen- rung « und warum wird diese jetzt festen legen zu können. Dass das mit vative Publizisten hervorgetan haben Die Flüchtlingsbewegungen der ver- de Bürgerinnen und Bürger – übrigens als Petition an den Bundestag gerichtet, dem Grundgesetz, christlichen Grund- und als AfD- oder Pegida-Sympathi- gangenen Jahre werden mit dem Begriff bis heute – sich für menschenwürdige damit dieser den »Kontrollverlust« des werten und einem humanen, pluralisti- santen aufgetreten sind. Die »Erklärung »Masseneinwanderung« belegt. Damit Aufnahme und Integration der Gefl üch- Staates feststellen soll? Die Antwort schen Zusammenleben wenig zu tun hat, « ist ein weiterer Mosaikstein in wird zum einen suggeriert, dass es sich teten eingesetzt haben. Damit wurde ist relativ einfach: Mit intellektuellem ist den Verfassern der »Erklärung « einem gesellschaftspolitischen Szena- bei Gefl üchteten um Einwanderer han- weltweit ein Deutschland sichtbar, das Anspruch soll all das legitimiert und aus durchaus bewusst. Genau deswegen be- rio, das mit dem Erscheinen von Thilo dele. Das ist nicht der Fall. Zum anderen durch humanitäres Engagement Scha- der rechten Schmuddelecke gezogen lassen sie es bei zwei Sätzen, um sich Sarrazins Buch »Deutschland schaff t wird mit dem Begriff »Einwanderung« den abgewendet hat. werden, was seit  an gewalttätiger an anderer Stelle austoben zu können. sich ab« im Jahr  systematisch auf- die Ursache verschwiegen, warum Men- Die Verfasser und Unterzeichner so- Fremdenfeindlichkeit, an Islamphobie, gebaut wurde: Deutschland droht die schen Zufl ucht suchen: Sie fl üchten vor lidarisieren sich mit allen, »die friedlich an Demokratieverachtung aufgebro- Christian Wolff ist Pfarrer im Ruhe- »Umvolkung«; dabei dient der Islam der Krieg, vor religiöser und politischer dafür demonstrieren, dass die rechts- chen ist. Dazu gehören die von Pegida stand. Er arbeitet aktuell als Blogger Zersetzung des deutschen Volkes und Verfolgung, vor weiterer Verarmung. staatliche Ordnung an den Grenzen … und AfD off en propagierte humanitäre und Berater für Kirche, Politik und seiner abendländischen Traditionen; Aus diesen Gründen haben sie sich zur wiederhergestellt wird.« Man fragt sich: Kälte gegenüber Fremden, nationaler Kultur Menschenrechte dürfen nicht höher Flucht entschlossen, ohne zu ahnen, wo Wer ist hier gemeint? Wo haben solche Egoismus, Europafeindlichkeit, Sympa- bewertet werden als Ausgrenzungsnot- sie landen werden. Demonstrationen stattgefunden? Un- thie für autokratische Systeme. Dabei Mehr unter: www.wolff -christian.de Es ist untersagt Die deutsche Verbotskultur

FRANK ÜBERALL Soziologisch gesehen ist der »Verbote- men. Das eine oder andere Verhalten Haushalt« einer Gesellschaft immer kann dann als unerwünscht etikettiert bgeordnete des Deutschen ein Spiegel der Zeit. Natürlich gibt werden: Z. B. auf dem Kölner Rhein- Bundestages haben wenig es unverhandelbare Untersagungen, boulevard, auf dessen Betontreppen Zeit. Deshalb werden sie wohl die dauerhaft gelten – dass man sich der Tabak von Wasserpfeifen Verun- A auch kaum in Versuchung gegenseitig nicht töten sollte bei- reinigungen verursacht hat. Deshalb kommen, gegen die Verbote zu versto- spielsweise. Andere Restriktionen gibt es dort jetzt ein offi zielles Shisha- ßen, die in direkter Sichtweise ihres Ar- unterliegen dem Zeitgeist und können Verbot. Wenn öff entlicher Raum von beitsplatzes verhängt wurden. Auf der bald schon Geschichte sein. So ist die Wirtschaftsunternehmen unterhalten Wiese vor dem Reichstag geben Schilder Strafbarkeit für Homosexualität längst wird, können die Untersagungen sehr darüber Auskunft, was hier alles un- abgeschaff t, und über eine Aufhebung viel weiter gehen. Dann ist oft sogar tersagt ist: Fußballspielen, Radfahren, der Prohibition für »weiche« Drogen der konsumfreie Aufenthalt oder das Hunde und Grillen. Solche eindringli- wie Cannabis wird derzeit kontrovers Verteilen politischer Flugblätter ver- chen Hinweise aus Metall oder Plastik diskutiert. boten. Gibt es zu viele solcher Regeln, sind die häufi gste Erscheinungsform, Für die Akzeptanz von Verboten ist kann ein Ort restriktiv werden, die in der uns Verbote im Alltag begegnen. es wichtig, dass diese einleuchtend bürgerlichen Freiheiten werden allzu Sie strukturieren unser Leben und vor sind. Niemand will vom Staat, von sehr eingeschränkt. allem unser Verhalten. Sie stellen ein Unternehmen oder von Privatleuten Deshalb ist es wichtig, den ständi- Kulturgut dar, das den gesellschaftli- gegängelt werden. Verbote, deren Sinn gen Aushandlungsprozess in Sachen chen Zusammenhalt stärken soll, indem man einsieht, wird man in aller Regel »Verbote« zu pfl egen. Gesellschaftlich es ihn reglementiert. Manche meinen, auch nicht übertreten. Ein Beispiel da- wie politisch müssen wir darüber dis- wir hätten in Deutschland zu viele sol- für ist die »rote Ampel«, die im fl ießen- kutieren, welche Einschränkungen der cher Untersagungen, seien längst eine den Straßenverkehr großen Respekt persönlichen wie kollektiven Freiheit »Verbote-Republik« oder ein »Nanny- genießt, auf völlig freier Straße zur wir brauchen und welche nicht. Das Staat«. »Hinter der Verbotswelle steckt Nachtzeit dagegen eher selten. Vie- Verhaltenskorsett, das wir uns damit ein pessimistisches Menschenbild«, hat le Kommunen sind deshalb und auch ständig geben, macht unsere Kultur Alexander Neubauer dazu im Spiegel aus Gründen des Stromsparens dazu aus. Deshalb sollten unsere Volksver- geschrieben. übergegangen, auf Nebenstraßen die treter neue Verbotsforderungen wie Lichtsignalanlagen zu verkehrsarmen alte Untersagungen stets auf einen Zeiten abzuschalten. besonders intensiven Prüfstand stel- Es gibt aber auch »ungeschriebe- len. Ein guter, ruhiger Ort dafür könnte Für die Akzeptanz ne« Verbote, für deren Übertretung in diesem Sommer die Wiese vor dem von Verboten ist es keine formalen Sanktionen vorgese- Reichstag sein: Da kann man die Ge- wichtig, dass diese hen sind. Wer aus der Rolle fällt, wird danken in aller Ruhe kreisen lassen, einleuchtend sind anders bestraft: mit gesellschaftlicher ganz ohne Fußball, Radfahrer, Hunde Missachtung. Oder mit einer refl exiv oder Grillgeräte. wirkenden Eigensanktion wie etwa Scham. »Subtile Verbote führen mehr Frank Überall ist freier Journalist in

Neubacher spielte damit auf politische und mehr in eine Art Selbstverskla- ÜBERALL FOTO:FRANK Köln, Professor an der HMKW Hoch- Diskussionen an, in denen besonders vung«, beschreibt der Psychologe Ste- Bei vielen Verbotsschildern fragt man sich, was überhaupt noch erlaubt ist ... schule für Medien, Kommunikation laute und schrille Verbotsforderungen phan Grünewald diese Haltung. Wenn und Wirtschaft, Bundesvorsitzender immer gerne aufgegriff en werden. Ob Menschen ihren Alltag beispielsweise Geschriebene wie ungeschriebene Ge- haben, darüber nachdenken, ob sie sie des Deutschen Journalisten-Verbands ein temporäres Fleischverbot in Kan- mithilfe elektronischer Datenaufzeich- setze sind notwendig, wenn wir kein besser propagieren und erklären kön- (DJV) und Autor-Mitglied des tinen, der verordnete Verzicht auf zu nung in Bezug auf die eigene Fitness archaisches Recht des Stärkeren ak- nen – oder ob diese Vorschriften reif deutschen PEN Zentrums viel Zucker oder Fett in Lebensmitteln strukturieren, ist das schon ein tiefer zeptieren wollen. Wenn wir den Sinn für die Abschaff ung sind. oder der Wunsch, schmutzige Autos von Einschnitt in die eigenen Freiheiten. von Untersagungen aber nicht kennen, Manchmal aber überkommt Verant- Soeben erschienen: »Es ist untersagt – den Straßen zu verbannen – Verbots- Ähnlich ist das bei Diäten, bei denen nicht verstehen oder nicht akzeptie- wortliche ein regelrechter Regelungs- Wie Verbote uns verwirren und warum wir gedanken beschäftigen unsere Politiker man der Einstellung folgt: »Das habe ren, verwirren sie uns. Dann müssen wahn, vor allem an den Orten, wo zeit- sie trotzdem brauchen« von Frank Überall, ständig. ich mir verboten«. diejenigen, die die Verbote »gemacht« weise viele Menschen zusammenkom- Verlag New Business, Hamburg . Politik & Kultur | Nr. /  | Mai — Juni  INLAND 07

Keine Ausreden mehr Beim Klimaschutz belügen wir uns oft selbst

PETRA PINZLER UND GÜNTHER WESSEL

ass wir die Guten sind, da- von waren wir überzeugt. Wir versuchten Plastik zu D vermeiden, trennten ordent- lich unseren Müll, fuhren gelegentlich, nein, eigentlich schon häufi g, Fahrrad. Wir kauften im Bioladen das Schnitzel vom ehemals glücklichen schwäbisch- hällischen Landschwein, auch mal Tofu und Ziegenkäse. Der Wein durfte aus ökologischem Anbau sein. Jedenfalls, wenn er gut war. Und natürlich lasen wir immer mal wieder voller Empörung ei- nen Artikel über den Klimawandel und die mutlosen Versuche der Regierungen, etwas dagegen zu tun. Danach schüt- telten wir dann immer die Köpfe über die Politik und die Politiker und kauften einmal mehr Biotomaten. Wir leben im Anthropozän, einem neuen geochronologischen Zeitalter: Sogar das wussten wir schon lange, auch wenn wir natürlich nicht jeden Morgen mit dem Gedanken daran aufwachten, dass in dieser Epoche, wir, die Men- schen, zu den wichtigsten Einfl ussfak- toren für die biologischen, geologischen und atmosphärischen Prozesse auf der Erde geworden sind. Dieses »wir«, die Menschen, hatte nämlich etwas wun- derbar Exkulpierendes, es schloss uns als Individuen zwar ein, aber eben dann doch nur, wenn es uns passte. In vielen anderen Situationen erlaubt es uns unbewusst das Verstecken – hinter der Gesellschaft oder dem Staat. Und so führte unsere persönlich durchaus

hohe Kenntnis über den Klimawandel, HERMANNSEN SANDRA FOTO: seine Ursachen und seine Folgen nicht Familie Pinzler/Wessel schützt aktiv das Klima beim Radfahren automatisch zu verändertem Handeln, jedenfalls nicht grundsätzlich – nicht gut aufessen. Und wir bestellten den hört. Aber hat das was mit mir zu tun? ren. Das ist hochgerechnet mehr als setzt: Treibhausgase produzieren. Nein, so, wie es der Dimension des Problems Energieberater. Das kostete  Euro und Wegducken: Erst mal muss die Politik die Hälfte der Weltbevölkerung – aber wir haben in dem Jahr, in dem wir die angemessen gewesen wäre. bewirkt gleich einiges. Er erklärte uns die anderen, die Reichen und vor al- laut WWF und Germanwatch haben Treibhausgase reduzieren, nicht gelit- Unsere Selbstgewissheit erschütter- beispielsweise, dass der zweite Kühl- lem Konzerne in Haftung nehmen. Man nur fünf Prozent der Weltbevölkerung ten. Wir haben viel gelacht und gelernt te der Ethik-Unterricht unserer Tochter; schrank im Keller unnötige Energiever- selbst sei schließlich nur ein kleiner überhaupt jemals ein Flugzeug betre- – auch über uns. Und unsere Tochter gut, dass es den an den Berliner Schulen schwendung sei, was wir wussten, aber Fisch. Und dann sollen die Politiker ten. Es fl iegt also nur ein winzig kleiner Franziska sagte nach einem Jahr mög- gibt. Denn aus dem kam unsere damals bis dahin tapfer ignoriert hatten, und selbst mal was machen, Gesetze oder Teil der Weltbevölkerung, quasi die Elite lichst klimaneutralem Leben über ihren -jährige Franziska eines Tages nach lobte uns dafür, dass der in der Küche internationale Abkommen. Gern wird der globalisierten Welt – auch wenn die Alltag: »Es sind nur Bequemlichkeits- Hause, setzte sich an den Computer und auf sieben Grad eingestellt ist. Dass wir diese Haltung mit einer Verachtung für sich bei einem Flug mit Ryanair eher probleme. Wenn das Wetter eklig ist, rechnete gemeinsam mit dem Vater die nur noch mit  Grad waschen, kürzer den Markt kombiniert: Die Idee, dass wie globales Proletariat vorkommt. will man halt mit dem Auto gebracht familiäre CO-Bilanz aus: Sie trugen duschen und kaputte Glühbirnen durch der Bürger durch sein Verhalten als Ver- Doch dieser Eindruck ist falsch. Wer werden. Jetzt muss ich mir überlegen, die Reisen, die Einkäufe und die Größe LEDs ersetzen sollten. Außerdem müss- braucher die Welt verändern könne, sei fl iegt, ist ungeheuer privilegiert – und was mir wichtiger ist. Früher hätte ich unseres Hauses ein. Unsere Autokilo- ten wir die Fenster abdichten. ein Auswuchs neoliberaler Ideologie. tut das auf Kosten der großen Mehr- nicht darüber nachgedacht, und inso- meter. Den Stromverbrauch und wie Der Energieberater half uns dabei, Durch die werde alle Verantwortung in- heit der Menschen. Denn Fliegen ist mit fern wünsche ich mir manchmal: Och, wir heizen. Das war die Hausaufgabe etwas zu tun, was, seitdem die »schwä- dividualisiert und damit entpolitisiert. Abstand das klimaschädlichste Verhal- hätte es das Jahr doch nie gegeben. und das Ergebnis eine mittlere Kata- bische Hausfrau« als Klischee Eingang Dabei müsse man erst einmal die Sys- ten der westlichen Mittelschicht. Und Dann wäre man unschuldiger. Für die strophe –  Tonnen CO für uns vier. in die politische Debatte gefunden hat, temfrage stellen: Sei die beantwortet, ausgerechnet das wird trotz der fast Welt macht es keinen Unterschied, ob Damit lagen wir zwar geringfügig unter positiv besetzt ist: Geld sparen. Ent- löse sich auch das Ökoproblem. jährlichen neuen Klimaversprechen man Bescheid weiß, ob etwas Mist ist dem bundesdeutschen Durchschnitt, sprechend positiv waren die Reaktio- In die Zukunft fl iehen: Grüne Tech- der Regierungen noch staatlich geför- fürs Klima oder nicht. Für einen selbst aber wesentlich höher als wir vermu- nen unserer Freunde. Mit Gesprächen nologie wird das Problem schon für alle dert: durch gigantische Steuererleich- schon.« tet hätten. Die meisten Familien ihrer über Energiesparen im Haus konnten lösen. Verzicht ist nicht nötig, oder wie terungen und Dumpingpreise bei der Franziska hat das Anthropozän Mitschüler lagen übrigens noch höher. wir mehrere Essen füllen. Doch in der es der baden-württembergische Minis- Flughafennutzung. verstanden und ganz nebenbei auch Was uns zunächst beruhigte: Die waren Regel folgten nach den Fragen über terpräsident Winfried Kretschmann Fliegen? Ich brauche einfach die noch den Kantschen Imperativ. Dass schließlich schlimmer als wir. den Sinn von abgedichteten Fenstern einmal formulierte: »Verzicht hat noch kurze Erholung vom Stress durch den es keine Entschuldigungen mehr gibt. Beim Abendessen dachten wir und den freundlichen Reaktionen ein nie funktioniert«. Hört sich irgendwie Kurztrip nach ... Alle anderen tun es Keine Ausfl üchte. Und auch, dass dann nach: Kann eine vierköpfi ge Familie Befremden. Und zwar, wenn wir davon gut an. Und lebenslustig. Stimmt aber doch auch. Nur wer die Welt gesehen das individuelle Handeln bedeutsam ist. in Deutschland so leben, dass es dem erzählten, dass das allein nicht reicht. nicht. hat, kann sie auch verstehen. Der mo- Nachdem wir ein Jahr versucht ha- Klima nicht schadet? Was müssten Dass es auch noch andere, weiterrei- Denn diese Behauptung ist nicht derne Mensch muss heute globale Er- ben, möglichst klimaneutral zu leben wir dafür ändern? Unser Sohn Jakob chende Veränderungen des eigenen nur ahistorisch, sie widerspricht auch fahrungen sammeln ... und dabei stressfrei unseren Fußab- ist strikter Vegetarier. Isst er besser, Verhaltens braucht, um wirklich CO einem Prinzip, dass viele Religionen Die Liste der Entschuldigungsstrate- druck um  Prozent – von  Tonnen rein klimatechnisch? Wie sieht es mit einzusparen. Dass wir beispielsweise vereint. Denn diese verkünden: Nicht gien – nicht nur fürs Fliegen – lässt sich auf  Tonnen CO – verkleinert haben, dem Urlaub aus: Sind die Alpen und nicht mehr Fliegen. das Schlaraff enland, die dauernde Völ- beliebig verlängern. Natürlich steckt wissen wir: Politisches Versagen ent- Griechenland noch erlaubt? Wo und Spätestens zu dem Zeitpunkt hatten lerei sorgen für zufriedene Menschen. in allen ein Körnchen Wahrheit. Na- schuldigt nicht private Faulheit. Und: wie müssen wir unser Leben ändern? nicht alle, aber viele Gesprächspart- Sondern Mäßigung und, ja, Verzicht. türlich wäre es leichter, ökologischer Wer privat etwas verändert, wird auch Wo müssten wir uns der herrschenden ner vor allem ein Ziel: Sie wollten sich Wir wollen hier nicht dem Pietismus zu leben, wenn die Nachbarn es auch politischer. Wir wollen jetzt mehr denn Alltagskultur widersetzen, wo würde weiter grün fühlen, ohne ihr Verhalten das Wort reden, ebenso keine asketi- täten – wenn alle weniger fl ögen. Si- je eine andere Politik. Aber wir wissen sie das unterstützen. Können wir das? ändern zu müssen. Idealtypisch fanden sche Verzichtsideologie propagieren. cher brauchen wir deswegen für eine auch, dass wir manches schon jetzt Die ersten Wochen waren einfach: wir drei Ausweichstrategien. Aber zu einem erfüllten Leben können klimaneutrale Gesellschaft technologi- tun können und damit unseren Alltag Günther kaufte einen Fahrradanhän- Ignorieren: Natürlich hat man vom das Fasten, die Bescheidenheit und der sche Innovationen, ressourcenschonen- verändern. Ohne ein schlechtes Gewis- ger für den wöchentlichen Großeinkauf, Klimawandel gehört. Aber dass der auch bewusste Verzicht gehören, und sei es dere Verkehrspolitik und eine ökologi- sen zu bekommen, wenn es mal wieder und wir lernten von Agrarwissenschaft- etwas mit dem eigenen Verhalten zu nur, um danach intensiver genießen schere Agrarpolitik. Natürlich müsste nicht klappt. Aber mit dem Vorsatz, es lern, wie welches Obst gelagert und tun hat – das lässt sich leicht igno- zu können. »die« Politik das umsetzen. zukünftig besser zu machen. transportiert wird. Kauften keine ein- rieren. Oft garniert mit dem Vorwurf, Und was ist eigentlich Verzicht? Drei Denn allein (aus dem Flugzeug) aus- gefl ogenen Mangos mehr und stellten Klimaschützer seien eh nur verbildete Wochenendtrips per Flugzeug im Jahr zusteigen, ist nicht einfach. Wir sind Petra Pinzler ist Redakteurin im Haupt- den chilenischen Rotwein zur Dispo- Wohlstandsbürger aus der Großstadt. ausfallen lassen? Unsere erste Klima- Bürger einer Gesellschaft, in der das stadtbüro der ZEIT. Günther Wessel ist sition. Ernährten uns meist fl eischlos, Die sich das leisten können, weil sie so- bilanz, die mit den  Tonnen, hatte Reisen ein Statussymbol ist und die Journalist und Autor und wenn es denn ein Braten sein soll wieso mit dem Fahrrad oder der U-Bahn gerettet, dass wir in den Jahren zuvor Urlaubsfotos aus dem Süden Zugehö- – das Brandenburger Wildschwein ist überall hinkommen. Die anderen, die solche Ausfl üge zufällig ließen. Heu- rigkeit dokumentieren. Und wer will das Soeben erschienen: Petra Pinzler / Gün- eine gute Wahl: Es ist bio und regio- echten Menschen hingegen, brauchen te tun wir das bewusst. Wir gehörten nicht? Dazugehören aber bedeutet in ther Wessel: Vier fürs Klima. Wie unsere nal, es gibt zu viele, und wenn es denn das Auto und den Billigfl ug zweimal im nicht zu den , Milliarden Menschen, einer immer mobileren Konsumgesell- Familie versucht, CO-neutral zu leben. geschossen wird, kann man es auch Jahr. Anthropozän? Ja, schon mal ge- die  in ein Flugzeug gestiegen wa- schaft: Reisen und Kaufen. Oder über- Droemer Verlag, München . 08 INLAND www.politikundkultur.net

Mit der Sprache fängt es an Gehirnwaschmittel totalitärer Herrscher, demokratischer Politiker, voreingenommener Journalisten, Begriff skünstler und Netz-Nutzer

LUDWIG GREVEN der Wehrpfl icht. Sie erfand auch die »marktkonforme Demokratie« als Er- George Orwell war gleich mehrfach satzbegriff für die weithin verhasste gebrannt – als Ex-Kommunist, frühe- neoliberale Lehre, der sie bis zu ihrer rer britischer Kolonialbeamter sowie nur knappen Kanzlerinnen-Werdung armer Journalist und Schriftsteller –  selbst anhing. Vor allem aber als er  seinen Weltroman »« prägte sie in verheerender Weise die schrieb. Darin beschreibt er, wie tota- demokratiefeindliche Behauptung ei- litäre Herrscher mittels Gehirnwäsche ner »alternativlosen Politik«, nämlich und »Neusprech« die Beherrschten zu ihrer. Dabei lebt Politik vom Ringen willenlosen Werkzeugen machen. Als und Machtkampf um alternative Ziele abschreckende Vorbilder dienten ihm und Wege dorthin. sowohl die Propaganda-Apparate der Noch verheerender ist, dass ihr heute Nazis wie der Stalinisten: Das »Wahr- auch Leute nachplappern, die lange heitsministerium« defi niert Begriff e zu ihren Kritikern und Gegnern zähl-

FOTO:EKD / BEI DEINEM NAMEN GENANNT NAMEN DEINEM BEI / FOTO:EKD neu und um und gibt sie als Losungen ten. Alle nennen die Migranten, die aus, denen die Menschen blind folgen. durch ihre einsame Entscheidung seit Heute bedient sich die Werbung dieser Herbst  in großer Zahl ins Land Methode: »Raider heißt jetzt Twix kamen, unterschiedslos »Flüchtlinge«, heißt jetzt wieder (manchmal) Rai- obwohl strenger genommen nur ein Bei Deinem Namen genannt: der.« Aber auch die Politik nutzt gerne Teil von ihnen das wirklich ist. Und die Mittel des Neu-Linguistischen selbst Linke und Grüne kleben an Programmierens. So wurden in den ihrer Leimrute der »Willkommenspo- Maria und Nikolaus er Jahren aus Atomreaktoren litik« und »-kultur«, obwohl der Be- Kernkraftwerke, weil das kerniger und griff ursprünglich von der Gegenseite Eine Impuls-Ausstellungsreihe im Europäischen Kulturerbejahr harmloser klang und nicht mehr an stammt, nämlich den Arbeitgebern, die verwandten Atombomben erinner- die wiederum in Wahrheit die Arbeit KLAUSMARTIN BRESGOTT bendigen Gebrauch befi ndliches bau- und Ural. So ist die Thematik auch te. Atommülldeponien und -anlagen der Beschäftigten »nehmen«. Denn kulturelles Erbe Europas sind. Auch sie geografi sch fassbar aufbereitet. wurden von den Betreibern euphe- die haben früh erkannt, dass da neue as Europäische Kulturerbejahr tragen Namen, die unserer Tradition Der Impuls in der Form bezieht sich mistisch »Entsorgungspark« genannt, Billigstarbeitskräfte kamen und kom-  »Sharing Heritage« lenkt ein Gesicht geben und bis heute gang auf das ökologische Material – anstel- bis nach trotzdem heftigen Protesten men, die sie noch günstiger ausbeuten D den Blick auf die Schätze und und gäbe sind: Maria, Katharina und le umweltfeindlicher Einwegaufsteller von Atomkraftgegnern die fast fertig können angesichts des »Arbeitskräf- die Schönheit der kulturellen Vielfalt Elisabeth, Andreas, Martin, Nikolaus kommen weiter und wiederverwendba- gebaute atomare Wiederaufberei- Europas. Die größte Vielfalt und der und Thomas … Damit strahlen sie re Mehrwegkartons zum Einsatz. Ge- tungsanlage in Kalkar tatsächlich zum besondere Reichtum dieses europäi- doppelt in ihre Region hinein – als wöhnliches Verpackungsmaterial wird Vergnügungspark wurde. schen Erbes liegt in seinen Menschen. bauliches und als ideelles Kulturerbe. zu einem ungewöhnlichen Informati- Ein Großmeister politischer Sprach- Wie können sie sich selbst als solches Seit Jahrhunderten vermitteln sie mit onsträger. Die ästhetisch klare Form verdrehung war der verstorbene GREVENS begreifen? Wie werden diese Bande ihren Namen Werte und Wünsche. Für des fl exibel zu handhabenden Baukas- Kanzler Helmut Kohl. Die bis heute EINWURF zwischen den Menschen und ihrer unsere Impuls-Ausstellung haben wir erhobene Ergänzungsabgabe auf die Region, zwischen Geschichte und uns beispielhaft für die wohl bekann- Einkommenssteuer zur Finanzierung Gegenwart sichtbar? Um hierfür ein testen entschieden: Maria, die Mutter der zunächst von ihm verleugneten temangels« und des »demografi schen Verständnis zu entwickeln und die des Christkindes, und Nikolaus, den Die Wahrnehmung hohen Kosten der Einheit taufte Knicks«. Nur die Kosten und Mühen eigenen Erfahrungsräume zu öff nen, Gabenbringer des . Dezember. Bei- von Ort, Geschichte er »Solidaritätsabgabe« – wer kann der Integration der Millionen Einwan- geht der Weg dieser Impuls-Ausstel- des sind Namen, die teilweise schon und Namen als Teil schon dagegen sein? Weshalb sich bis derer sollen Bitteschön andere tragen, lung über Namen, denn wir wissen: über . Jahre alt sind und heute heute bei Steuerzahlern im Westen nämlich hilfsbereite Bürger. Namen sind nicht Schall und Rauch dennoch so aktuell wie damals – nur, der eigenen Identität der Irrglaube hält, nur sie würden Es lohnt sich halt immer, hinter – im Gegenteil: Nomen est omen. Sag dass sie sich in ihrer immerwähren- den Soli entrichten, obwohl die Zu- solch noch so unschuldig wirkende mir deinen Namen und ich sage dir, den Lebendigkeit gewandelt haben satzsteuer selbstverständlich auch in Wortschöpfungen zu schauen, um zu wer du bist. An Namen binden sich und Maria heute genauso Maja oder tenprinzips der Ausstellung orientiert den »neuen« Ländern erhoben wird erkennen, welche Interessen dahinter Bilder und Botschaften, individuelle Mia, Nikolaus heute ebenso Nico oder sich an architektonischen Prinzipien und wie alle Steuern nicht speziell stecken. So wurde die nicht nur be- Eigenschaften und Merkmale. Unser Niklas heißt und beide überall in Euro- und übernimmt damit auch immanente dem »Aufbau Ost« und der Schaff ung griffl ich verpönte »Homo-Ehe« von ih- Gedächtnis speichert alles Individuelle pa zuhause sind als Manon, Mary oder Formen der Sakralarchitektur. »blühender Landschaften« im Osten ren Verfechtern im vergangenen Jahr unter Namen – auch wenn wir unse- Mieke, als Claas, Nikita oder Nils. Das Die inhaltlichen Impulse zielen auf – noch solche verkohlenden Wortprä- fl ugs in »Ehe für alle« umgeschminkt, rerseits heute oft nur eine Nummer zeigt schlagartig deutlich, wie wir mit eine Wahrnehmung von Ort, Geschich- gungen – dient, sondern der allgemei- obwohl längst nicht alle heiraten unseren Namen tief in der Kultur und te und Namen als Teil der eigenen Iden- nen Staatsfi nanzierung. Nachfolger wollen, weder Hetero- noch Homose- ihrer Geschichte verwurzelt sind und tität ab. Dieses Bewusstsein erweitert Schröder hatte nicht so gute PR-Leute. xuelle. Und obwohl die Ehe nach dem diese Geschichte nicht an der Stadt- die Wahrnehmung für das Allgemeine Hätten sie die zusammengelegte Willen der Gleichen, die ihre Öff nung Der besondere Reich- oder Landesgrenze halt macht. An un- und stellt Fragen nach »Kultur und Arbeitslosen- und Sozialhilfe nicht für Schwule und Lesben durchgesetzt tum des europäischen serer Impuls-Ausstellung beteiligen Identität«, nach »Name und Erbe« technokratisch Hartz IV, sondern haben, für andere versperrt bleibt. Für Kulturerbes liegt in sich exemplarisch je eine Marienkirche sowie nach »Heimat und Mensch«. schon damals z. B. solidarisches Minderjährige z. B. (»Kinderehe«), ob- und eine Nikolaikirche pro Bundesland Gleichzeitig stellt sich die Frage nach Grundeinkommen genannt, wäre der wohl sie früher jungen Frauen über  seinen Menschen – so heißt es deutschlandweit insge- Konkretion – nach der eigenen Ge- Widerstand vermutlich weit geringer erlaubt war. Oder für Geschwister und samt  Mal: »Bei Deinem Namen ge- schichte, dem eigenen Ort und dem ausgefallen. Wenn nicht ausgeblieben. andere Verwandte (»Blutschande«). nannt: Maria und Nikolaus«. eigenen Namen. Damit wird das Erbe Kohls Epigonin Merkel steht ihrem In einer Demokratie kann man so sind: bei der Telefongesellschaft, als Die beiden Module der zweispra- Aller zum Erbe der Einzelnen – wird das großen Vorbild dagegen kaum nach. ziemlich für und gegen alles sein. Man Käufer, als Antragsteller, beim Friseur chig – deutsch und englisch – gehal- individuelle Erlebnis zum »Sharing He- Nicht nur, dass sie häufi g politische sollte es nur ehrlich beim richtigen und oft selbst als Patient. Auch Firmen tenen Ausstellungsreihe »Bei Deinem ritage« eines ganzen Kontinents. Spitzkehren vollzog – erst Verlän- Namen nennen. wie die Autobauer von VW achten auf Namen genannt: Maria und Nikolaus« gerung der Reaktorlaufzeiten/dann Namen. Früher bekamen ihre Autos verstehen sich in erster Linie als Im- Klaus-Martin Bresgott ist Germanist über Nacht kompletter Atomausstieg Ludwig Greven ist Journalist und die Namen von ihren Fahrern – Käfer puls: Sie sind schnell zu fassen und und Kunsthistoriker. Er ist im Kul- inklusive »Energiewende«; gegen Autor. Er schreibt unter anderem für oder Bulli. Heute werden sie nach ele- gut überschaubar. Sie ermöglichen turbüro des Rates der Evangelischen Finanzhilfen für Pleite-Banken und Die Zeit, Cicero, Publik-Forum und ganten Sportarten wie Polo bzw. Golf eine leichte, unmittelbare Aneignung Kirche in Deutschland (EKD) tätig und EU-Krisenstaaten/dann deren Vor- unterrichtet Politischen Journalismus oder kraftvollen Winden wie Passat des Themas als Anreiz zur Selbst- und Initiator sowie Kurator der Impuls- reiterin; Verteidigung/Abschaff ung in Hamburg bzw. Scirocco benannt. Der Name soll Weiterbeschäftigung. Maria steht ex- Ausstellung Bilder erzeugen. Er schaff t Beziehung emplarisch für einen Frauennamen. und Kontakt. Aber wir können Namen Aus der Ikonografi e heraus sind alle Das Projekt »Bei Deinem Namen ge- nicht defi nieren wie ein Haus oder ei- Informationen über sie in der Farbe nannt: Maria und Nikolaus« wurde EUROPÄISCHES KULTURERBEJAHR  nen Tisch. Wir erleben, dass Namen Blau gehalten. Nikolaus steht für initiiert vom Kulturbüro des Rates der eine oder sogar mehrere Bedeutungen einen Männernamen, die ikonogra- EKD, Berlin und fi ndet in Kooperati- Mit diesem Themenjahr fordert die und Verbindende der europäischen haben. Und sie haben mit jedem Men- fi sche Farbe Rot verweist auf alles on mit der Guardini-Stiftung statt. Es Europäische Kommission auf, dazu Kultur. In Deutschland koordiniert die schen ein Gesicht. Wissenswerte über Nikolaus. Allge- wird vom Deutschen Nationalkomitee beizutragen, Europa den Europäern Geschäftsstelle des Deutschen Nati- Das hat uns zum steinernen Ge- meine Informationen und Einfüh- für Denkmalschutz (DNK) getragen und wieder ein Stück näherzubringen. onalkomitees für Denkmalschutz die sicht der Geschichte und zu unserem rungen sind in neutralem Weiß. Eine maßgeblich von Der Beauftragten der Gemeinsam soll ein Blick auf das Durchführung dieses Themenjahres in religiös-baukulturellen Erbe geführt Karte Deutschlands zeigt die jeweils Bundesregierung für Kultur und Medien kulturelle Erbe und die gemeinsame Abstimmung mit Bund, Ländern und – zu den Kirchen, die mit das älteste am Projekt beteiligten Kirchen, eine (BKM) gefördert. Die Schirmherrschaft europäische Geschichte geworfen Kommunen. Politik & Kultur begleitet und bis heute in beinahe jedem Dorf Karte Europas die Verbreitung der Na- für die deutsche Beteiligung hat Bun- werden. Im Fokus des Kulturerbe- das Europäische Kulturerbejahr  und jeder Stadt ein im regen und le- men und Kirchen zwischen Atlantik despräsident Frank-Walter Steinmeier. jahres steht das Gemeinschaftliche seit Jahresbeginn intensiv. Politik & Kultur | Nr. /  | Mai — Juni  INLAND 09

Panzer gegen die Freiheit . Juni : Aufstand In der DDR wollte man die Macht in die Lebensmittelkarten versorgt werden. Am Morgen des . Juni brach der Auf- höher oder tiefer gestellt wurde. Vom gegen den totalitären Hände der Arbeiter und Bauern legen Politbüromitglieder kritisierten Walter stand in der gesamten DDR aus. Die Bil- Schreibtisch aus regulierte er stärkere – demokratisch und antifaschistisch Ulbrichts Führungsstil und forderten der auf den Straßen und die Aktionen und schwächere Stromstöße, die völlig Staat DDR selbstverständlich – und vereinte erst eine Verbesserung der Leitungsarbeit. der Demonstranten glichen sich fast unvermutet kamen. Rechts stand ein einmal KPD und SPD mit dem auf das Die Hetzkampagnen gegen die Junge überall: Die verhassten Symbole der Mann mit Gummiknüppel, und links REGINE MÖBIUS Parteiabzeichen gebannten Händedruck Gemeinde machten vorübergehend ei- SED, ihre Fahnen, die Bilder der Spit- stand einer mit Pistole. Wenn man nicht zur SED. Diese defi nierte sich als die ner stillen Duldung Platz. Noch im April zenfunktionäre, Losungen und Plaka- gleich antwortete, schlug der mit dem ie im Zweiten Weltkrieg Gebore- Trägerin der revolutionären, fortschritt-  hatte man in einer Extraausgabe te wurden heruntergerissen, verbrannt Knüppel in den Rücken. Der andere nen waren in ihrer Kindheit von lichen Traditionen in Deutschland und der Zeitung »Junge Welt« lesen können: und zerstört. stieß die Pistole entweder an den Hals, D den Nachwirkungen des Krie- sah sich deshalb legitimiert, politisch »›Junge Gemeinde‹ – Tarnorganisation in die Rippen oder in das Schulterprofi l, ges geprägt. Von Not, von Knappheit und ideologisch alle zu bekämpfen und für Kriegshetze, Sabotage und Spionage so dass man furchtbaren Schmerzen in allen Dingen, von im Krieg gebliebe- zu eliminieren, die ihr im Weg standen. im USA-Auftrag...«. ausgesetzt war. Versprachen sich die nen Familienvätern. Wir, die Deutschen, Sie wurden als Feinde und als Agenten Wenige Wochen später der »Neue Dieser Teil der Folterknechte noch irgendeine Aussa- standen vor dem Nichts. In den frühen des Imperialismus stigmatisiert. Die Kurs«. Er öff nete im Juni  ein Ventil, Geschichte wurde ge, wurde man in einen sogenannten Jahren nach dem Krieg – in denen es Partei glaubte über eine ideologisch das schon lange unter Überdruck stand. in Ost- und West- Dunkelbottich geworfen, , Meter nichts als Trümmer, zerstörte Städte, unterfütterte Erziehung, die im Kinder- Die Verschlechterung der Lebensver- deutschland lange tief, ohne Fenster und mit einer Stahl- entwurzelte, hungernde Menschen garten begann, in der Schule fortgeführt hältnisse hatte die Arbeiterschaft in der tür. Der Bottich war mit Wasser gefüllt, gab – bot die Geschichte zwei grund- wurde, an den Universitäten, den Be- DDR aufgebracht und die Erhöhung der Zeit totgeschwiegen das beliebig hochgetrieben wurde, so legend unterschiedliche Ansätze des trieben und selbst in den Ferienheimen Normen bedeutete weitere Lohneinbu- dass sich eine Wahnsinnsangst vorm deutschen Neuanfangs: In der eben eine spezielle Ausformung hatte, einen ßen. Am . Juni kam es auf zwei Berli- Ertrinken einstellte. Nach  Stunden gegründeten Bundesrepublik forcier- sozialistischen Menschen heranziehen ner Großbaustellen zu ersten Protesten In den Mittagsstunden griff en die sow- wurde man rausgeholt und erneut zur ter Aufbau durch den Marshallplan, in zu können. Immer den Ersten Vorsit- und Arbeitsniederlegungen. Die De- jetischen Truppen ein. Das Kriegsrecht Vernehmung geführt. Die Kette der der DDR Reparationszahlungen an die zenden der Kommunistischen Partei monstranten skandierten vor dem Re- wurde verhängt. Panzer rollten. Dort, Erpressungsmöglichkeiten erschien verbündete sowjetische Besatzungs- der Sowjetunion vorm geistigen Auge. gierungsgebäude soziale Forderungen, wo sich Demonstrationen nicht auf- endlos.« macht, die das neue Staatsgebilde fast Unser »Generalissimus«, unser »Väter- die über die noch vor Stunden verlangte lösten, wurde scharf geschossen. Unter In dieser – lange Zeit totgeschwie- ausbluten ließ. Die Menschen, die nicht chen Stalin«, wurde er genannt. Der al- Rücknahme der Normerhöhungen weit den Schüssen der sowjetischen Truppen genen Geschichte – lebten wir in Ost im Krieg geblieben waren, versuchten, lerdings war am . März  gestorben. hinausgingen. Schließlich verlangten und der dann eingesetzten Kasernier- und West. Günter Grass erinnerte in ihre Existenz zu sichern und mussten Die sowjetische Führung hatte da- sie die Bestrafung und den Rücktritt ten Volkspolizei brach der Aufstand seinem Erzählband »Mein Jahrhundert« sich gleichzeitig eingestehen, ihr Le- nach über einige Fehler des »großen der Regierung. Der Ruf nach General- zusammen. Zur Abschreckung ließen der distanzierten, vielleicht auch hilfl o- ben, ihre Gesundheit, häufi g ihre besten Stalin« Rauchzeichen aufsteigen lassen streik ertönte. Einige Arbeiter fuhren die sowjetischen Kommandanten einige sen Haltung im westlichen Deutschland Jahre, einer Lüge unerhörten Ausmaßes und verordnete der SED den »Neuen zum RIAS, dem Rundfunk im ameri- Demonstranten standrechtlich erschie- gegenüber dem . Juni und spricht von geopfert zu haben. Mit beginnendem Kurs«. In den ersten Juni-Tagen  kanischen Sektor, nach Westberlin und ßen. Etwa . Bürger wurden in den »einem verregneten Arbeiteraufstand, westlichen Wirtschaftswunder wurden wurden Walter Ulbricht, damals stell- baten um Verbreitung ihrer Forderun- folgenden Monaten festgenommen, der, kaum war er niedergeschlagen (...) Freiheit, Chancengleichheit und Plu- vertretender Ministerpräsident der gen. Der Sender berichtete umgehend, teilweise gefoltert. Über . wurden zum Feiertag verklärt wurde, wobei es ralismus als neue Errungenschaften DDR, und seinem damaligen Vorge- sodass schon am späten Nachmittag zu mehrjährigen Gefängnisstrafen ver- im Westen bei jeder Abfeier mehr und postuliert. Trotzdem gab es eine tief- setzten Otto Grotewohl darüber un- fast überall in der DDR die Streiks be- urteilt. mehr Verkehrstote gab. Die Toten im sitzende Angst vor dem Kommunismus, terrichtet. Notgedrungen beschloss kannt wurden. Der Görlitzer Pfl anzenschutztechni- Osten jedoch waren erschossen, ge- die die politische Szene der Bundesre- der Ministerrat Verordnungen, die die Die SED ergriff Gegenmaßnahmen. ker Werner Herbig berichtete: »Bei den lyncht, hingerichtet worden«. publik prägte. schlimmsten Unterdrückungsmecha- Die Volkspolizei wurde in Alarmzustand Verhören wurden einem an einem Stuhl Auf der anderen Seite stand in der nismen abmildern sollten: Rückkehren- versetzt, die Grenzüberwachung in Ber- Hände und Füße an den Gelenken ange- Regine Möbius ist Vizepräsidentin DDR das Motto »Auferstanden aus Rui- de West-Flüchtlinge sollten unbehelligt lin verstärkt und mit der »Sowjetischen schnallt. Hinten, über dem Kopf stellte des Deutschen Kulturrates und nen«, ein Slogan, der gleichzeitig Titel bleiben und ihr Eigentum zurückbe- Kontrollkommission« Maßnahmen ab- der Vernehmer eine Quarzlampe von ver.di Bundesbeauftragte für Kunst der ostdeutschen Nationalhymne war. kommen, Selbstständige wieder mit gesprochen. mehreren tausend Watt an, die dann und Kultur Schreibt kaputt, was Euch kaputt macht Die sozialistische und antiautoritäre Kinder- und Jugendliteratur der er

BIRGIT DANKERT Jugendliteratur. Ebenso wie der Ober- für ein repressionsfreies Schülerleben. baum Verlag mit Hermynia zur Müh- »…dann geh‘ doch nach drüben!« – inderbücher sind ebenso pri- lens proletarischen Märchen »Die rote das war die gängige Antwort auf Kritik vat wie politisch. Das erleb- Fahne« () versuchte der Basis Ver- an bundesrepublikanischen Verhält- ten die er in den (Nach-) lag mit Büchern wie »Ede und Unku« nissen. Sie griff daneben, denn die er K Kriegsjahren ebenso wie in (/) von Alex Wedding die Variante sozialistischer und antiautori- der trügerischen Sicherheit des Wirt- kommunistische Kinderliteratur der tärer Kinderliteratur wurde in der DDR schaftswunders. Nicht wenige erin- Weimarer Republik wiederzubeleben. bestenfalls belächelt. Das (kultur-)po- nerten sich daran, als sie im Studium Friedrich Karl Waechters »Anti- litische Tauwetter der frühen er politisch aktiv wurden. Struwwelpeter« (), A. S. Neills »Die Jahre ermöglichte eine vorsichtige Rote Zellen in Berlin, Göttingen und grüne Wolke« (/) oder Heinz Liberalisierung, die man in der gut or- Frankfurt entwarfen Kinderbücher für Edelmanns Kinderbuch-Illustrationen ganisierten DDR-Kinderliteraturszene den politischen Kampf gegen natio- zu Texten von Peter Hacks machten sich durch BRD-Experimente nicht gefähr- nalsozialistisches Erbe, Vietnamkrieg, die Respektlosigkeit und Leichtigkeit den wollte. Machtkartelle, Restauration und falsche der US-Flower-Power-Bewegung zu Angesichts des Verdrängungswett- Autoritäten. In Tübingen und Hamburg eigen, um der bald »antiautoritär« ge- bewerbs auf einem jährlich ca. . beharrten Studenten in endlosen De- nannten Pädagogik und Ästhetik auf neue Kinder- und Jugendbücher pro- batten mit der selbstzufriedenen Kin- die Sprünge zu helfen. duzierenden Buchmarkt –  waren

derbuch-Szene auf der Notwendigkeit Analysen betonen die Internationali- es . – erscheint märchenhaft, wie DIOGENES FOTO: neuer Kinderbücher und repressions- tät der er Bewegung, die Gemeinsam- es gelang, die Produktion der studen- Der »Anti-Struwwelpeter« von Friedrich Karl Waechter erschien  freier Literaturpädagogik. keiten der Ereignisse in Deutschland, tischen Verlage in die Buchhandlungen »Fünf Finger sind eine Faust« (), Frankreich, Italien, der Tschechoslo- zu bringen. Die neuen Kinderläden, Re- nach produktiven Jahren auf der Stre- derläden- und Reformpädagogik, von »Martin, der Mars(x)mensch« () wakei, den USA und Südamerika. Die formpädagogen, öff entlichen Büche- cke. Selbst wer dabei war, kann schwer sozialistischer Utopie und sozial enga- und »Krach auf Kohl’s Spielplatz« () Internationalität der »roten« Kinder- reien gehörten zu den Käufern, nicht entscheiden, ob die sozialistischen gierter problemorientierter Jugendlite- – das waren die programmatischen Ti- bücher lässt sich anders defi nieren. Be- aber das »proletarische« Publikum, für und antiautoritären Kinderbücher der ratur, von Flower-Power-Ästhetik und tel des Berliner Basis-Verlages für so- stimmten nach  vor allem angel- das man zu revoltieren glaubte. Die Bü- er zu den Aktionsfeldern einer gro- selbstbewusster Kinderbuch-Graphik zialistische Kinderbücher. Autoren und sächsische und skandinavische Importe cher wirkten bestenfalls als Ferment ßen politischen Revolte oder zu den einigermaßen gelungen. Als Astrid Illustratoren traten hinter dem »Kin- den westdeutschen Kinderbuchmarkt, für Veränderung. Ihr Einfl uss lief eher Zeugnissen einer kurzen zugespitzten Lindgren  den Friedenspreis des derbuchkollektiv« zurück. Einige von so suchte man auch dort nach Titeln, über Autoren, Illustratoren, Verleger Epoche ohnehin fälliger gesellschaft- Deutschen Buchhandels erhielt, begann ihnen waren wie Brigitte Wengoborski die ins politische Programm passten. und Vermittler. Die trugen ihr litera- licher Entwicklungen gehörten. In den eine neue Ära. ausgebildete Kreative, also keineswegs Für den angestrebten proletarischen risches, ästhetisches und auch politi- Auswahllisten des Deutschen Jugendli- ideologisch aufgeheizte Dilettanten. Sozialroman gab der in seinem Land sches Programm weiter und setzten teraturpreises / wird deutlich, Birgit Dankert lehrte von  bis  Wieder gelesen off enbaren sich diese respektierte Schwede Sven Wernström es mit wachsendem Einfl uss um. Das dass die bundesrepublikanische Kinder- an der Hochschule für angewandte Bücher als Befreiungsschlag für die Ge- mit seinen Büchern »Die Fabrik gehört  gegründete Programm »Beltz und Jugendliteratur gerade ihr eigenes Wissenschaften (HAW) Hamburg. Sie neration der Autoren, nicht für deren uns« () und »Der Schatz im Dorf der und Gelberg« und die  begonnene Profi l ausbildete. Hans-Joachim Gel- gehört zu der Generation, die das Kinder. Die er konstruierten darin Armen« () ein Beispiel. »Das klei- Taschenbuch-Reihe »rororo-rotfuchs« berg, Frederik Hetmann, Ursula Wölfel, Gedankengut der er in die Biblio- eine von politischen Irrtümern unbe- ne rote Schülerbuch« () der Dänen öff neten die Tür zur sanktionierten lite- Herbert Heckmann und Günter Bruno theken trug.  erschien ihre erste schädigte Ersatz-Kindheit. Bo Dan Andersen, Soeren Hansen und rarischen Infrastruktur. Andere für das Fuchs machten sich auf den Weg. Zehn Untersuchung der Kinderbücher mit Verschüttete literarische Tradi- Jesper Jensen bot einen bis heute viel- neue Kinderbuch engagierte Verlage Jahre später und um viele Illusionen sozialistischem und antiautoritärem tionen ordneten die Geschichte der fach variierten politisierten Ratgeber wie Anrich, Parabel und Alibaba blieben ärmer war der Schulterschluss von Kin- Programm 10 INLAND www.politikundkultur.net

Nun drohte »Gott«, mit in den mora- damals noch nichts sagen. Sein rück- lischen Abgrund gezogen zu werden. sichtsloses Aufräumen war keine Posi- Seine Auseinandersetzung mit dem tion, in der verweilt und gelebt werden Gott-Mensch-Problem beginnt in einer konnte. Da keimte noch kein Trost. Ein fulminanten Exegese des paulinischen Durchgang aber war es – geistige Not Römerbriefs, von der  und  zwei wendend: Absage an jede bettelnde Fassungen erschienen. Besonders die Apologetik, jedes Andienen des christ- zweite Auflage macht das dahinge- lichen Gottes vor Welt und Kultur. Gott schmetterte »totaliter aliter« zu Barths ist anders und auf uns nicht angewiesen Markenzeichen. – darum allein könnte bei ihm Hilfe zu Später blickte Barth mit Zweifeln fi nden sein. auf seine jugendliche Bilderstürmerei Barth schaff t sich Raum, um später zurück: »Wie wurde da aufgeräumt, wie den von Gott in Christus selbst gegan- wurde da spöttisch gelacht…!«. genen Weg zu den Menschen erkennen Unter dem akuten Eindruck der zu können und zum Verkünder einer Katastrophe der europäischen Kultur die Vielfalt des Lebens bejahenden, bi- ist der theologische Expressionismus blisch fundierten, sozialethisch kons- des »Römerbriefs« für Barth jedoch die truktiven Theologie zu werden. Dabei Rettung: Radikale Reduktion auf das rettet er zentrale Anliegen der huma- eine Motiv des »Gott ist anders!«. Grobe, nistisch geprägten liberalen Ethik über keine Vermittlung zulassende Schnitte den Bankrott der liberalen Theologie. zwischen menschlichem Wollen und Aber es bleibt auch dabei, dass Gott in Können einerseits, ewiger Wahrheit seiner Souveränität herabkommt, dass andererseits. nicht das religiöse Gefühl ihn holt. Der junge Barth schockiert die From- Denn das wäre Anmaßung.  schaff t

FOTO: PICTURE ALLIANCE / IMAGNO / ALLIANCE PICTURE FOTO: men mit dialektischem Salto mortale: dies die Basis für Barths Widerstand Bildpostkarte als Propaganda zum Ersten Weltkrieg, Lithografi e um  aus dem Verlag Richard Völkel, Leipzig »Der religiöse Mensch ist der Sünder gegen die Überhöhung der »deutschen im anschaulichsten Sinn des Wortes«, Stunde«. sei Religion doch der menschliche Ver- Barths Theologie wird einen frei- such eines Brückenschlages zu Gott und heitlichen, antitotalitären Impuls be- Theologischer Expressionismus so zwangsläufi g auf dem Sprung zum halten – aus der Krise der Weltkriegs- Götzendienst. erfahrung heraus. Regimekritische Kirchliche Impulse aus dem Ersten Weltkrieg »An den äußersten Rand« alles Den- Theologen im Ostblock, Wolf Krötke kens zu treten, wo »der Mensch am oder Richard Schröder in der DDR, SIGURD RINK ner Hochschullehrer Reinhold Seeberg, Viele deutsche Theologen hatten den Ende ist«, nur noch »Hohlraum«: Ein- Ervin Vályi Nagy in Ungarn, werden später Doktorvater Dietrich Bonhoef- Feldzug gegen Frankreich gutgeheißen zig das könnte die Anerkennung Gottes sich als selbständig weiterdenkende n verbaler Militanz entfesselte fers, tönte im Juni : »Mit der fran- und den Krieg als »ewige Bewährung« als Gott bedeuten. In »einem unheim- Theologen auf Barths Grundlage be- Theologen: Einer jubiliert über zösischen Gefahr wollen wir ein für alle ins Göttliche hinauf interpretiert. Em- lichen Crescendo« hämmerte Barth der ziehen. So berechtigt manche Kritik seine Schreibmaschine, die einem Mal aufräumen.« Er war kein Einzelfall. pört schrieb Barth: »Die absoluten Ge- Christenheit »in die Ohren«, dass Gott an einer gewissen Naivität Barths ge- I Maschinengewehr gleiche; andere Hier soll der Blick auf Karl Barth danken des Evangeliums werden ein- Gott sei, souverän und menschlichem genüber dem realen Sozialismus sein überbieten sich im Austüfteln chauvi- gerichtet sein, den namhaftesten der fach bis auf weiteres suspendiert, und Verstande unzugänglich. mochte, seine Theologie wurde östlich nistischer Kriegsziele. Ein Dritter ergeht jungen »Theologen der Krise«, dessen unterdessen wird eine germanische Mehr als Durchgang konnte diese des »eisernen Vorhangs« als geistige sich in Bildern von göttlicher Wucht, die Todestag sich  zum . Mal jährt. Kampftheologie in Kraft gesetzt.« »dialektische Theologie« nicht sein – Befreiung rezipiert und zertrümmerte alles Irdische zertrümmere. Als Schweizer war der  geborene Was für Barth zusammenbrach, für Barth und viele seiner Generation Götzenbilder. In die Urkatastrophe unserer Epoche, Barth objektiv ein Außenseiter. Mit war die liberal-bürgerliche Synthe- war sie ein nötiger Durchgang, um ein den Ersten Weltkrieg, waren evange- Deutschland und der deutschen Theo- se aus Kultur und Christentum. Das neues Fundament zu fi nden, auf dem Sigurd Rink ist Evangelischer lische Theologen tief verstrickt, mehr logie empfand er tiefe Solidarität – ohne »Christliche« hatte in diesem Amal- Glaube möglich ist. Militärbischof der Evangelischen noch: Sie hatten am großen Verhängnis auf eigenes Urteil zu verzichten, was ihn gam nicht die Kraft besessen, die Völ- Christus am Kreuz, Gottes solida- Kirche in Deutschland (EKD) mit Sitz geistig wesentliche Anteile. Der Berli- zunächst schier verzweifeln ließ. ker vom großen Gemetzel abzuhalten. rische Erniedrigung, das konnte Barth in Berlin

cornelia funke 2 /2018 andrzej stasiuk laura bispuri lizzie doron Helden serhij zhadan Warum Zeitschrift für internationale Perspektiven sie uns nicht loslassen alte Version

Heft 2/2018 Herausgegeben vom Institut für Auslandsbeziehungen

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lizzie doron 4:V;n oder bei [email protected] 7 Euro Deutschland / 8 Euro Österreich (pro Ausgabe 7 Euro zzgl. Versandkosten) serhij zhadan Politik & Kultur | Nr. /  | Mai — Juni  INLAND 11

dessen Reproduktion sowie dem Ort der Auff ührung. Nur so wird Film erlebbar. Ablenkungsgesellschaft Was Kulturstaatsministerin Monika Grüt- ters unter »Digitalisierung des nationalen Kulturpolitik überlässt das Kino dem Markt Filmerbes« versteht, ist kein Geheimnis, auch wenn es noch keine Folgen hatte, LARS HENRIK GASS Ausstellung kann ich in mein beschäftigtes Höchste Zeit, über eine geregelte Museali- Das . Jahr- und kann in der Praxis der Filmförde- Leben darum besser integrieren als zwei sierung des Kinos nachzudenken, endlich rungsanstalt längst nachvollzogen wer- iemals hatte die documenta Stunden Literatur, Theater oder Kino. Li- einen kulturellen Auftrag einzulösen, den hundert hat den. Es handelt sich nicht um die Rettung schlechtere Kritiken, niemals teratur, darstellende Künste, Musik, aber Politik für die bildende und darstellen- das Kino von Kinematografi e und Filmgeschichte N mehr Eintritte. Besucher mussten auch Kino, die auf Dauer beruhen, also Zeit de Kunst oder »ernste« Musik freimü- hervorgebracht; – nicht-deutsche Produktionen in deut- zum Teil mehrere Stunden Wartezeiten in verlangen, haben gegenüber Ausstellun- tig, wahrscheinlich im Interesse eigener das . Jahrhun- schen Filmarchiven sind ausgeschlossen Kauf nehmen. Ich selbst wartete im Herbst gen, die jederzeit individuelle Freiheit las- Darstellung, von jeher annimmt. Nicht –, sondern um die Ertüchtigung deutscher während der Skulpturenausstellung in sen, einen Nachteil, off enbar besonders so für das Kino: In Deutschland gibt es dert droht Spielfi lme für eine erneute Kinoauswer- Münster  Minuten vor einer ausgemus- die Literatur. gerade einmal vier, fünf Kinematheken, davon nichts tung: ein Geschenk an die deutsche Film- terten Eissporthalle in einer Schlange mit Allein in den vier Jahren  bis  die Filmgeschichte regelmäßig präsentie- übrig zu lassen wirtschaft als Teil einer streng nationalen anderen, die sich mit Gesellschaftsspielen gingen dem Buchhandel über sechs Mil- ren, mindestens zwei davon in trostlosem Agenda »kultureller Identität«. Eigentlich die Zeit vertrieben, um dann zehn Minuten lionen Buchkäufer verloren, im Jahr  Zustand. Jede Großstadt leistet sich ein sollten ab  durch Bund, Länder und in ein Loch zu schauen, das mir freund- sieben Prozent gegenüber dem Vorjahr, Museum für zeitgenössische Kunst und Filmförderungsanstalt bis zu zehn Mil- liche Kunstvermittler vor Ort erklärten. in den vergangenen  Jahren die Hälfte. ein Theater, auch wenn dies kaum irgend- lionen Euro jährlich dafür bereitgestellt Wie ist diese Nachfrage zu erklären? Der Vielleicht lesen wir im Internet, auf dem wo »wirtschaftlich« vernünftig ist. In Bau werden. Auf Anfrage teilte die Staatskanzlei Kunstbetrieb bietet Identifi kations- und Smartphone oder dem E-Reader sogar und Sanierung von Philharmonien, Opern- Nordrhein-Westfalen (NRW) im März  Darstellungsfl ächen, die Literatur, Theater mehr als früher, aber wir lesen ständig und Schauspielhäusern werden hunder- mit, das fragliche Konzept sei noch nicht oder Kino nur noch schwerlich erzeugen etwas anderes und das weniger tief; darin te Millionen investiert. Die öff entlichen fi nal abgestimmt, es bestehe »aktuell noch können. Vor allem aber hat der Kunstbe- ist sich Kognitionsforschung anscheinend Haushalte stellten zuletzt , Milliarden Klärungsbedarf«. Ein Jahr später besteht trieb eines voraus: dass ich gleichzeitig einig: Das vertiefte Lesen, das Erinnern Euro allein für Theater und Musik zur Ver- »nach wie vor weiterer Abstimmungsbe- etwas anderes tun kann, als Kunst zu des Gelesenen, die emotionale Beteiligung fügung, die Errichtung von Kulturbauten darf«. Man hat es nicht sonderlich eilig, ei- betrachten. Ich kann mich mit anderen nehmen ab. Das Problem ist nicht so sehr nicht eingerechnet. Was haben wir gelacht, lig aber damit: Die neue Landesregierung unterhalten, ich kann andere anschauen, die Technik selbst, der Bildschirm, son- als der türkische Präsident Erdoğan den meldete im Januar, die Film- und Medien- und andere können mich anschauen, ich dern die Ablenkung durch Plattformen und Bau eines Kulturpalastes in Istanbul an- stiftung NRW erhalte  fast , Milli- kann mein Smartphone nutzen und Fotos Netzwerke. Was im Literaturbetrieb noch kündigte. Wir selbst bauen uns in Berlin onen Euro, , Millionen Euro mehr als im FOTO: KURZFILMTAGE / DANIEL GASENZER DANIEL / KURZFILMTAGE FOTO: Das Publikum vor dem Festivalkino Lichtburg Filmpalast während der . Internationalen Kurzfi lmtage Oberhausen der Ausstellung posten und die Reaktion geht, sind Lesungen mit Stars. Spektakulär gerade ein Stadtschloss. Das Humboldtfo- Vorjahr bei einem Gesamtetat von weit über darauf verfolgen, ich kann mich jederzeit geht immer. Theaterinszenierungen auf rum, das darin beheimatet sein soll, wird  Millionen, die höchste Landesförderung mit einem Latte-to-go in der Sonne erho- stillgelegten Flugplätzen oder in nunmehr über mindestens  Millionen Euro Jah- seit Gründung. Der Zuwachs geht gänzlich len, ich kann den Rhythmus, meine Zeit als pittoresk geltender Industriearchitek- resetat verfügen. in die Games-, Serien- und Produktions- individuell bestimmen. Der Kunstbetrieb tur erregen Aufmerksamkeit. Versunkene, Währenddessen überlässt Kulturpolitik förderung für Kino- und Fernsehfi lme und ist also nicht nur überaus anschlussfähig, selbstvergessene Wahrnehmung, Zwang das Kino, das gewerblich gesehen seinem internationale Koproduktionen. Filmkultur sondern weist einen hohen Grad möglicher zur Wahrnehmung, wie sie das Kino ein- Ende entgegengeht, dem Markt. Anderswo, in NRW, seit Jahren mit kläglichen knapp , Selbstbestimmung und Selbstdarstellung fordert, gesellschaftliche Konventionen, etwa in Schweden, hat man längst verstan- Millionen Euro gefördert, geht leer aus und auf. Er diktiert mir keine Dauer; er ist Teil die uns Theater und Oper auferlegen, sind den, dass Kino nur zu retten ist, wenn man bleibt Medien- und Standortpolitik unter- einer neuen Ablenkungsgesellschaft. damit schlecht kompatibel. Folglich wer- die kinematografi sche Praxis – nicht nur geordnet. Allein die Kulturstaatsministerin Wir alle dachten, das Internet könne den es Künste, die Zeit verlangen, künftig Filme – rettet und Kopierwerke in staatli- bringt  Millionen Euro in den Deutschen die Nachfrage nach Kultur nicht schmä- schwieriger haben. che Obhut übernimmt. Unlängst wurde mit Filmförderfonds (DFFF) ein – pro Jahr. Of- lern, weil Internet den sozialen Kontakt Vielleicht sind wir daher gut beraten, Mehrheit der Großen Koalition ein Antrag fensichtlich steht den politischen Entschei- und die sinnliche Erfahrung nicht erset- den Errungenschaften der neuen Techno- abgelehnt, das Kopierwerk des Bundesar- dungsträgern das wirtschaftliche Wohler- zen kann. Das stimmt, aber nicht ganz; logien den fast berührenden Atavismus des chivs nicht zu schließen. Auf Nachfrage gehen einer Filmbranche, die kommerziell was wir übersahen: Wir investieren im- Kinos, den Effi zienzmaschinen die Folter war im Haus der Kulturstaatsministerin sein will und kommerziell nicht kann, näher mer mehr Lebenszeit ins Internet. Die einer Fremdwahrnehmung entgegenzu- zu erfahren, man hoff e, durch Förderung als der künstlerische Erfolg oder der eigene Kommunikationsfrequenz nimmt derart stellen, die Zumutung, dass etwas dauert. auch analoge Techniken des Films erhal- kulturpolitische Auftrag, für die man längst zu, dass für Austausch kaum Zeit bleibt. Verstehen ist auch eine Frage von Dauer. ten zu können. Gleichzeitig spricht man jedes Kriterium aufgegeben hat. Austausch stört. Sprachtelefonie auf dem Die kulturpolitische Herausforderung be- nur von »Digitalisierung«, wenn es um Das . Jahrhundert hat das Kino her- neuen Apple iPhone X ist off enbar nur steht darin, Kulturtechniken, die sich wirt- das sogenannte »Filmerbe« geht. Meine vorgebracht; das . droht davon nichts noch schwerlich möglich und belegt an- schaftlich nicht mehr behaupten können, Kollegen in den deutschen Filmmuseen übrig zu lassen. Es geht daher nicht allein geblich generell nur noch Rang fünf aller und dies triff t zunehmend auch für das wirken als Erfüllungsgehilfen solcher um Filmgeschichte, deren Überlieferung Aktivitäten auf dem Smartphone. In den Kino zu, als alternative Wahrnehmung ge- Politik mit. Niemand aber käme auf die bedroht ist, oder Kinoerfahrung, die sich letzten sieben Jahren ist Sprachtelefonie sellschaftlich präsent zu halten. Unter den Idee, dass die Sicherung von Handschrif- nicht mehr auf dem Markt halten kann. in Deutschland von  auf  Milliarden Künsten hat längst ein Verdrängungswett- ten deutscher Dramen und ihre Druckle- Es geht mindestens um die Frage, ob wir Minuten gesunken. Das klassische Lap- bewerb der Aufmerksamkeitsökonomie gung hinreichend wäre, um Theater als uns noch die Zeit nehmen wollen, die Welt top ist mittlerweile ein Ladenhüter, denn eingesetzt, wer besser in den neuen Deal Kunstform zu erhalten. Die »Kulturtech- anders zu sehen. viel haben wir nicht zu sagen. Überdies hat hineinpasst. Wer Zeit kostet, hat verloren. nik Kino«, also eine kulturelle Praxis, die uns das Internet auch eine neue Wahrneh- Kunst aber verlangte einmal den bewuss- allein technisch herzustellen ist, besteht Lars Henrik Gass ist Leiter der mung von Wirklichkeit beigebracht. Eine ten Rückzug aus dem Alltag, Untätigkeit. aus dem Bildträger Film, der Technik zu Internationalen Kurzfi lmtage Oberhausen 12 EUROPA www.politikundkultur.net

auch wirklich europäischen Mehrwert, gibt es aber nicht. Und: Das ist auch europäische öff entliche Güter schaf- gut so. Denn Europa ist eine tagtägli- Das europäische Comeback fen können: etwa bei grenzüberschrei- che Aufgabe, ein tägliches Zusammen- tenden Investitionen, Förderung von prallen der Kräfte, ein tägliches Ringen Die Europawoche bietet den Vormarsch anti-europäischer Po- etwas. Europa ist dabei der Katalysator. Innovation und Kreativität, oder der um Kompromisse und Lösungen, ein Anlass zur Diskussion über pulisten in die Schranken gewiesen. Das Das ist es, womit anti-europäischen gemeinsamen Sicherung unserer Au- tägliches Schließen der Kluft zwischen Bekenntnis zu Europa wurde wieder Populismen die Luft genommen wird. ßengrenzen. Und wenn wir in zentra- Erwartungen und Erreichbarem. unsere europäische kräftiger. Nach einer Eurobarometer- Denn nationalistische Parolen leben len Fragen, wie unserer Gemeinsamen Also: Diskutieren und streiten wir Gemeinschaft Umfrage vom Dezember  sehen drei davon, dass man Ängste und Skepsis Außen- und Sicherheitspolitik, den weiter, und nutzen wir konkret die Eu- Viertel aller Europäer die EU positiv. In schürt. Und eben nicht miteinander Schritt vom Einstimmigkeitsprinzip ropawoche im Mai dafür. Die Wochen RICHARD KÜHNEL Deutschland sind es sogar  Prozent. redet, einander zuhört, voneinander zu Mehrheitsentscheidungen gehen, rund um den Europatag am . Mai bie- lernt. Die Kraft des Zusammenhalts um mit einer Stimme zu sprechen und ten eine wunderbare Möglichkeit für as machen Sie, wenn die Eu- ist stark und lebendig. Das sollte uns »weltpolitikfähig« zu werden. einen angeregten, aufgeschlossenen, Blaues Fahnenmeer ropäische Union scheitert?« Selbstvertrauen für die anstehenden kritisch-konstruktiven Austausch rund statt dunkle Wolken Ich erinnere mich noch gut Herausforderungen geben. um das Thema der Zukunft Europas. W Wind in den Segeln nutzen an diese Frage, die mir im Jahr  im- Besonders viel Mut macht, dass die Deutschlandweit werden in dieser Zeit mer wieder gestellt wurde. Es war eine Bürgerinnen und Bürger Europas selbst Im Herzen der Debatte steht die Frage: zahlreiche Debatten-Events, Konzerte, Den Mehrwert im Gemeinsamen fordernde Zeit für Europa. , das war aktiv geworden sind. Aus den dunklen Sind wir stark genug, um zusammen- Schulprojekte und Ausstellungen zu erkennen: eine Reifeprüfung das Jahr, in dem mehrere EU-Länder auf- Wolken von  ist in der Zwischenzeit zuhalten? Sind wir geduldig genug, um Europa veranstaltet. Ab dem Frühsom- grund der Migrationskrise ihre Grenz- ein blaues Fahnenmeer auf den Markt- Nun, ein Jahr vor den Europawahlen die zentrifugalen Kräfte wieder in die mer können alle Europäerinnen und zäune hochzogen. Das Jahr, in dem die plätzen Europas entstanden. Organi- , müssen wir in Europa die Fra- Mitte Europas zu holen? Sind wir wei- Europäer sich auch online an der Zu- Mehrheit der Briten »Nein« zu Europa sationen wie »Pulse of Europe« haben ge beantworten: Wohin soll unsere se genug, um zu unterscheiden, was kunftsdebatte beteiligen. Die Euro- sagte. Ein Jahr, in dem nationalistische eine starke Gegenkraft zur EU-Skepsis gemeinsame Reise weitergehen? Als Europas Verantwortung ist – und was päische Kommission wird dafür eine und populistische Stimmen Misstrauen begründet. Zehntausende von Europä- Europäer müssen wir selbst bestimmen, nicht? Dafür brauchen wir ein Europa, spezielle Plattform einrichten – weitere unter europäischen Nachbarn streuten. ern, unter ihnen viele junge Leute, gin- wohin wir steuern. So alt die Idee »Eu- in dem man frank und frei debattiert, Informationen unter www.eu-kommis- Es entstand bei einigen das Gefühl: Es gen in Deutschlands Städten, aber auch ropa« ist, so jung ist die Europäische sich auch treffl ich streiten kann. Und sion.de. Bis zu den Europawahlen im dauert nicht lange, bis der Zerfallspro- Union mit ihren  Jahren als politische Europa kann wahrlich streiten. Wir sind Mai  wollen wir noch  Bürger- zess auch andere Länder erreicht. Für Gemeinschaft. Wir durchlaufen gerade richtig gut darin. dialoge europaweit veranstalten, um manche war die EU gescheitert. jetzt, wo uns das transatlantische Fa- Wir sind aber auch gut im Kompro- Ideen zu wälzen, wie wir unser Europa Heute, nicht mal zwei Jahre später, Das europäische milienverhältnis solche Sorgen bereitet, misse fi nden. Die Europäische Union besser machen können. feiert Europa sein Comeback. Der Op- Projekt ist unser unsere Reifeprüfung. Wir brauchen da- ist eigens dafür gebaut: Die EU, das Damit wir den Sprung zur Überwin- timismus ist zurückgekehrt, die Wirt- bestes Instrument her einen Sprung über unseren eigenen sind letztendlich Institutionen und dung der Schatten unserer Vergangen- schaft brummt. Alle EU-Länder profi - zur Gestaltung im Schatten zur Überwindung nationaler Verträge, die unser Gegeneinander in heit schaff en, müssen wir den Wind in tieren vom Aufschwung und steigern Egoismen. Wir müssen das Gemein- ein Miteinander wandeln. Dieses Gerüst den Segeln des europäischen Projekts ihre Wettbewerbsfähigkeit und Kauf- . Jahrhundert same vor das Nationale stellen, den ist – aus unserer leidvollen Geschichte jetzt nutzen. Nur wenn wir gemeinsam kraft. Griechenland kann hoff entlich Mehrwert im Gemeinsamen erkennen. heraus – darauf angelegt, dass wir um im Miteinander agieren, und damit bald an den Kapitalmarkt zurückkehren, Das Gleichgewicht zwischen Souverä- die beste Idee ringen, und nicht um ein sind nicht nur Regierungen, sondern dann sind auch alle sogenannten »Pro- in  weiteren europäischen Ländern für nität, Legitimität und Subsidiarität neu paar Meter Raumgewinn an Frontlinien. vor allem auch die Bürger unserer Uni- grammländer« aus dem Schlimmsten Europa auf die Straße. Die schweigen- defi nieren, sodass Europas Lebensmo-  Jahre nach Ende des Ersten Welt- on gemeint, wird Europa alle Hürden heraus. Die Beschäftigung hat einen de pro-europäische Mehrheit schweigt dell erfolgreich weiterentwickelt und krieges muss uns immer noch bewusst überwinden und wieder Großartiges Rekordstand erreicht. Das gilt für Eu- nicht länger. im globalen Wettbewerb der Systeme sein: Lieber monatelang um einen erreichen können. Das geeinte Euro- ropa im Großen wie für Deutschland Am Ende sind es diese Zusam- bestehen kann. Verordnungsentwurf streiten, als eine pa war vielleicht die beste Idee des . im Kleinen. Alle Prognosen lassen er- menkünfte unter den Menschen, die Die ersten Schritte in diese Richtung Minute Krieg. Jahrhunderts. Es ist sicher unser bes- warten, dass sich diese Entwicklung den Sinn und Kern des europäischen gehen wir bereits. Der Vorschlag der Die Europäische Union ist natürlich tes Instrument zur Gestaltung im . fortsetzt. Projekts ausmachen. Bei jeder dieser Kommission für den zukünftigen EU- nicht perfekt. Sie wird es auch niemals Jahrhundert. Das Comeback Europas spüren wir Begegnungen, bei Wind und Wetter, Haushaltsrahmen ab  – ohne Groß- sein. Perfekt hieße, dass etwas abge- auch in der Politik. Im europäischen entstehen Gespräche, Bekanntschaf- britannien – zeigt, dass wir EU-Gelder schlossen ist – Ziel erreicht, sagt uns Richard Kühnel ist Vertreter der Euro- Superwahljahr  haben die Bürger ten und Ideen für etwas, nicht gegen nur noch dort ausgeben wollen, wo wir das Navi. Diesen ultimativen Zielpunkt päischen Kommission in Deutschland

Keep calm and carry on! Europäische Bildungsprogramme nach dem Brexit

HELMUT HOLTER teraturwissenschaftlerin, sie und ihre Die EU-Kommission jedenfalls setzt auf die Briten immer vorne. Zudem waren eine stabile Brücke bilden, über die sich Freunde wären geschockt gewesen über einen harten Verhandlungskurs. Das und sind britische Teilnehmerinnen das Vereinigte Königreich und Europa ornwall im Sommer . Die den Ausgang des Referendums vom . wird auch in einem Bereich deutlich, und Teilnehmer auf europäischen Ver- weiter intensiv austauschen. So wie im Sonne scheint in diesem Jahr Juni , keiner hätte dafür gestimmt der sicherlich nicht im Zentrum der po- anstaltungen unverzichtbar. Sie sind Forschungsbereich ist Erasmus+ ohne nicht ganz so glänzend vom und so würden jetzt die jungen Leute litischen Agenda steht, der allerdings quasi das Salz in der Suppe, fachlich die Briten nicht vorstellbar, und alle C blauen Himmel wie in der um ihre Zukunft in einem vereinten Eu- für die EU und auch für das Vereinigte auf der Höhe der Zeit und für die gesel- Beteiligten scheinen zu wissen, was Sonntag-Abend-Serie von der Insel, in ropa gebracht. Nichts beschreibt den Königreich einen hohen symbolischen ligen Abende ein »must have«, sodass hier auf dem Spiel steht. Aus informel- der unglücklich Getrennte wieder zu- existenziellen Riss, der sich seit dem Wert hat. europäische Kooperation im Bildungs- len Quellen heißt es, die britische Seite sammen- oder frisch Verliebte ihr neues EU-Referendum durch die britische Im Rahmen des EU-Bildungspro- bereich ohne die Briten einfach nicht würde selbstverständlich sicherstellen, Glück fi nden. Aber hier im Süden Eng- Gesellschaft zieht, besser als diese real gramms Erasmus+ ( bis ) denkbar ist. dass alle fi nanziellen Verpfl ichtungen lands ist nicht nur die Küste und Natur erlebte Szene. veröffentlichte die EU-Kommis sion Die Ankündigung der EU-Kom- britischer Einrichtungen an Erasmus+ ursprünglich und achtungseinfl ößend, Obwohl David Cameron mit der An- Ende Oktober den »Aufruf zur Einrei- mission, die Beteiligung britischer bis zum Ende der Programmlaufzeit hier weht noch der erhabene Wind des kündigung des Referendums nur seine chung von Anträgen« für die Antrags- Einrichtungen infrage zu stellen, soll-  übernommen werden. Offi zielle British Empire, hier ist Großbritannien parteiinternen Widersacher beruhigen runde . Und hier heißt es ohne Vor- ten die Austrittsverhandlungen nicht Informationen dazu gibt es bislang je- immer noch »Britain at its best«. wollte, führte seine Strategie zu einem ankündigung für Antragsteller aus dem fi rstgerecht abgeschlossen sein, führt doch nicht. Nicht weit von Cornwalls Küste ent- innenpolitischen Desaster. Europa be- Vereinigten Königreich in einem sehr jedoch zu erheblicher Unsicherheit Vielleicht hilft in dieser nebulösen fernt, in einem alten herrschaftlichen fi ndet sich seit jenem denkwürdigen knapp gehaltenen Absatz: »Sollten die bei deutschen und europäischen Part- Situation auch ein bekanntes britisches Anwesen aus der Tudor Zeit – Heinrich Datum in einer gefährlichen Krise. Es Austrittsverhand- nern. Wie dieser Sprichwort: »Keep calm and carry on«. der VIII. soll hier auch mal abgestiegen bleibt weitgehende Ratlosigkeit über lungen nicht ord- Passus genau zu Anträge mit britischen Partnern oder sein – serviert der National Trust, der die tatsächlichen Konsequenzen für nungsgemäß vor interpretieren ist, Koordinatoren sollte man in Erasmus+ sich in ganz Großbritannien um den Europa und das Vereinigte Königreich, Ende März  ab- beantwortet die deshalb durchaus stellen. Die deutsch- Erhalt alter Gebäude und Gärten küm- da helfen weder starke Worte der Pre- geschlossen wer- EU-Kommission britische Zusammenarbeit im Bildungs- mert, im alten Schweinestall »cream mierministerin noch die Charmeoff en- den können, kön- bislang auch auf bereich und die britisch-europäische tea« und lokale Kuchenspezialitäten. sive der königlichen Familie. Seit der nen britische Ein- Arbeitsebene Zusammenarbeit im Rahmen der EU- Alles vorzüglich britisch, sodass sich am . März  rechtlich wirksam richtungen nicht nicht. Es über- Bildungsprogramme haben sich über ein Gespräch mit den beiden englischen ausgesprochenen Kündigung der EU- mehr an Erasmus+ wiegt deshalb der Jahrzehnte hinweg bewährt und werden Damen hinter dem Kuchenbuff et ergibt. Mitgliedschaft sind die Verhandlun- teilnehmen und Eindruck, dass bis  und hoff entlich auch darüber Nach einigen ausgetauschten Höfl ich- gen mit der EU um einen geordneten entfällt die Finan- hier Druck auf- hinaus im Rahmen der nächsten Gene- keiten, »Where are you from?«, »Oh yes, Rückzug des Vereinigten Königreichs zierung für britische Einrichtungen in gebaut werden soll, um die britische ration der europäischen Bildungspro- is a powerful woman …«, aus der Staatengemeinschaft der Euro- EU-Projekten«. Ist das wirklich vorstell- Seite zu mehr Bewegung in den Ver- gramme eine gute Zukunft haben. Das wollen sie wissen, wie in Deutschland päischen Union kaum vorangekommen. bar, Erasmus+ ohne die Beteiligung des handlungen zu zwingen. Denn der Wert Interesse an Kontakten mit britischen der Brexit bewertet wird, und da be- Es sieht vielmehr so aus, dass bis zum Vereinigten Königreichs? der Teilnahme an Erasmus+ auch nach Bildungseinrichtungen im Schulbereich kommt die Harmonie zwischen dem Austrittstermin, dem . März , alle Ein Blick zurück auf die Anfänge einem erfolgten Brexit ist für britische ist in Deutschland auf jeden Fall nach partnerschaftlich agierenden Team hin- zu regelnden Aspekte kaum noch in ei- der bildungspolitischen Kooperation Einrichtungen nicht zu unterschätzen. wie vor ungebrochen. Hier jetzt vor- ter dem Kuchen-Buff et plötzlich einen nem geordneten Verfahren rechtzeitig in Europa in den er Jahren ruft Dass hier nicht von beiden Seiten eine schnell langjährige Partnerschaften sichtbaren Riss. Die Mittsiebzigerin er- abschließend beraten werden können. in Erinnerung, dass damals gerade Lösung gefunden wird, ist deshalb letzt- und Kontakte aufzugeben, wäre aus zählt von der guten alten Zeit, als alles Wie sich die weitere Kooperation die Briten besonders aktiv waren. Die lich kaum vorstellbar. Das hohe Ansehen, meiner Sicht ein fataler Fehler. noch seine Ordnung hatte: »We used zwischen den  verbleibenden EU- meisten Anträge unter den »zentralen das sich Erasmus+ und Erasmus in seiner to buy our butter from New-Zealand, Staaten und dem Vereinigten König- Aktionen«, die direkt in Brüssel von -jährigen Erfolgsgeschichte bei jun- Helmut Holter ist Präsident der Kultus- but we turned our back on the friends reich in den Bereichen Politik, Finanz- der EU-Kommission verwaltet wurden, gen und mittelalten Europäern erworben ministerkonferenz  und Minister from the Commonwealth!«. Dagegen wirtschaft, Industrie und Kultur entwi- legten britische Einrichtungen vor. Und hat, darf nicht achtlos infrage gestellt für Bildung, Jugend und Sport des formuliert die frisch examinierte Li- ckeln wird, scheint insofern völlig off en. auch bei den Bewilligungsquoten lagen werden und muss auch nach dem Brexit Freistaates Thüringen Politik & Kultur | Nr. /  | Mai — Juni  EUROPA 13

Schottlands Kreative und der Brexit Creative Scotland blickt in die Zukunft

JANET ARCHER Schottland ist seit  kontinuierlich angestiegen und liegt in den aktuell as Vereinigte Königreich für  vorliegenden Berechnungen Großbritannien und Nord- bei etwas über  Milliarden Pfund, mit irland bewarb sich  einer Bruttowertschöpfung von , Mil- D erstmalig um den Beitritt liarden Pfund. zur Europäischen Wirtschaftsgemein- Unternehmen des Kreativsektors schaft.  gab es dann grünes Licht und der digitalen Wirtschaft gehören für Verhandlungen über eine britische zu einer ausgesprochen international Mitgliedschaft. Am . Januar  trat ausgerichteten Branche. Nach jüngsten das Vereinigte Königreich der Europä- Zahlen der schottischen Regierung aus ischen Wirtschaftsgemeinschaft (EWG) dem Jahr  exportiert die schotti- bei. sche Kultur- und Kreativwirtschaft Seit ich erwachsen bin, habe ich Produkte im Wert von  Millionen somit – genau wie viele andere Bür- Pfund in andere EU-Mitgliedstaaten; gerinnen und Bürger des Vereinigten in Höhe von  Millionen Pfund in in- Königreiches meiner Generation – stets ternationale Märkte außerhalb der EU innerhalb der Europäischen Gemein- und in Höhe von , Milliarden Pfund in schaft gelebt. Für uns war das eine das übrige Vereinigte Königreich. Diese positive Einfl ussgröße für unsere Zu- Zahlen unterstreichen, dass Europa für kunft und eine zuverlässige Plattform, die schottische Wirtschaft nach wie vor die für Stabilität sorgte. Und da ich im eine bedeutende Rolle mit Wachstums- Ausland aufgewachsen bin, war mir die potenzial spielt. Zugehörigkeit zu dieser Gemeinschaft In diesem Zusammenhang geben besonders wichtig. mögliche Barrieren in Form von Zöllen, Das Votum Großbritanniens für den unterschiedlichen Bestimmungen nach Brexit war zugleich ein Schock und eine dem EU-Austritt und einer dann feh-

Überraschung. Das Abstimmungser- lenden Möglichkeit, sich an kooperati- FOTOLIA.COM / KIEVITH DE PETER FOTO: gebnis in Schottland unterschied sich ven, von der EU fi nanzierten Projekten Die schottische Stadt Edinburgh ist ein Magnet für Touristen – besonders zum Edinburgh International Festival grundlegend von den übrigen Teilen des zu beteiligen, Anlass zu großer Sorge. Vereinigten Königreiches –  Prozent Außerdem ist eine Gesetzesfolgen- des Pfundkurses berichteten: »Auf- geheißen. Gleichzeitig arbeiten und ko- einen Empfang für die Filmbranche aus. stimmten mit »Remain«, und in jeder abschätzung wichtig und notwendig: grund langer Vorlaufzeiten handelt operieren schottische Künstlerinnen Ferner haben wir die Teilnahme einer Kommune sprach sich eine Mehrheit Die EU bietet einen starken Schutz für das Edinburgh International Festival und Künstler sowie Führungspersön- schottischen Künstlergruppe an der für den Verbleib in der EU aus. geistiges Eigentum, eine gemeinsame üblicherweise die Verträge mit auf- lichkeiten im Kultursektor mit großer Tanzmesse in Düsseldorf unterstützt. Unternehmenskultur – und sie ist preis- tretenden Künstlern in Pfund Sterling Leichtigkeit und Selbstverständlichkeit In anderen Teilen Europas sind wir werter und schneller zu erreichen als aus, um sich gegen Währungsschwan- auf europäischer Ebene. ebenfalls vertreten, beispielsweise bei andere Zielorte. Der Kreativsektor in kungen auf internationalen Märkten Ich schöpfe Zuversicht daraus, dass der Kunst- und Architekturbienna- Es gilt, die äußerst Schottland profi tiert derzeit von Ver- zu schützen. Seit dem Referendum hat unsere europäischen Beziehungen sich le in Venedig und alljährlich bei den wichtigen und ordnungen zum Copyright, zum geis- sich diese Vorgehensweise mehrheitlich über viele Jahre gefestigt haben. In den Internationalen Filmfestspielen von tigen Eigentum, zu Folgerechten von als nicht mehr praktikabel erwiesen, da er und er Jahren brachte der Cannes. Weiterhin haben wir  als bereichernden Künstlern, zur Umsatzsteuerbefreiung die Künstler auf eine Bezahlung in ihrer einfl ussreiche, in Edinburgh ansässige Ehrengastland in Zusammenarbeit mit Bündnisse im Kultur- und zum Arbeitsrecht. jeweiligen eigenen Währung beharren. Künstler und Kurator Richard Demarco dem Festival Interceltique de Lorient sektor zu wahren Die Einschränkung der Freizügigkeit Dadurch sind sowohl Budgets als auch Künstlerinnen und Künstler aus ganz in Frankreich  traditionelle gäli- stellt ein erhebliches Problem dar, da erzielbare Gewinne größeren Risiken Europa nach Schottland, um dort aus- sche und keltische Künstlerinnen und es schwer werden wird, Talente sowohl durch Schwankungen unterschiedlicher zustellen und zu arbeiten, und jene Künstler präsentiert. saisonbedingt als auch für eine dauer- Währungen ausgesetzt«. Künstlerinnen und Künstler haben Vor diesem Hintergrund werden wir Es ist viel über die Gründe dafür ge- hafte Festanstellung anzuwerben. Wei- Während der Wertverlust des briti- wiederum einen unmittelbaren Einfl uss einen Weg fi nden, weiterhin mit Regie- schrieben worden, und einer der Beweg- tere Problemstellungen ergeben sich für schen Pfundes zu einer beträchtlichen auf eine neue Generation schottischer rungen in ganz Europa zusammenzuar- gründe ist wohl, dass Schottland über die Präsentation schöpferischer Arbeit Zunahme des Tourismus in Schottland Kunstschaff ender ausgeübt. beiten und Lösungen für einige dieser viele Jahrhunderte eine international in einem internationalen Rahmen und und somit auch zu einem Anstieg der Andere Initiativen haben in der Zwi- Probleme fi nden, um die kreative Ko- orientierte Nation war und ist, die stets für internationale Gastspiele. Publikumszahlen geführt hat, stellt uns schenzeit diese Arbeit weiterentwickelt. operation auf europäischer Ebene zu über den eigenen Tellerrand geblickt Insgesamt gesehen ist jedoch laut die Gesamtsituation trotzdem vor gro- Vor  Jahren war die Organisation UZ schützen – und damit alle gesellschaft- hat. Die Einwohnerzahl Schottlands Aussage der meisten im britischen Kul- ße Herausforderungen. Arts aus Glasgow an der Entstehung von lichen, wirtschaftlichen und kulturellen liegt bei , Millionen Menschen. Neue tursektor arbeitenden Menschen der In den vergangenen  Jahren hat IN SITU beteiligt – einem europaweiten Vorteile, die dieses Zusammenwirken wirtschaftliche Möglichkeiten ergeben wichtigste Grund für die internationa- der Kultursektor in Schottland und Netzwerk für Kunstschaff ende und Or- mit sich bringt. Creative Scotland setzt sich in erster Linie aus dem internati- le Ausrichtung ihrer Arbeit die künst- im gesamten Vereinigten Königreich ganisationen, die im öff entlichen Raum sich dafür ein, Möglichkeiten zum Dia- onalen Handel. Die meisten Beschäf- lerische Weiterentwicklung. Werden zunehmend von Anreizen profi tiert, arbeiten. Viele im Team von Creative log zu eröff nen, während der Countdown tigten in der Kultur- und Kreativwirt- unsere Fähigkeiten beeinträchtigt, un- die es uns ermöglicht haben, zügig auf Scotland arbeiten sowohl national als zum Brexit läuft. Unser Engagement gilt schaft – hierzu zählen Film, Theater, sere Arbeitspraxis über Landesgrenzen kreative Ideen mit einer Kooperation auch international, unterstützen die der Zusammenarbeit in Schottland, im Musik, Tanz, Literatur, Fernsehen, die hinweg miteinander zu teilen und von- im europäischen Rahmen zu reagieren. Arbeit von Kulturschaff enden und Or- gesamten Vereinigten Königreich und bildenden Künste und Computerspiele einander zu lernen, könnte dies dazu Die künstlerische Arbeit, die in diesem ganisationen im Kultursektor in Schott- in Europa, um unseren Weg durch die- – sind sowohl international als auch im führen, dass es für Kulturschaff ende Zeitraum entstanden ist, war zukunfts- land im globalen Umfeld, arbeiten mit se schwierige Phase der Geschichte zu eigenen Land tätig. Schottlands Kultur weniger Gründe gibt, im Vereinigten weisend und transformativ. Motiviert anderen Kulturorganisationen in ganz fi nden und unsere äußerst wichtigen und Traditionen sind außerdem starke Königreich zu bleiben. von dem Bedürfnis, die Hand nach Eu- Europa und außerhalb Europas zusam- und bereichernden Bündnisse im Kul- Einfl ussfaktoren für den Tourismus. Die Unsere künftige Tätigkeit wird durch ropa auszustrecken und die Anbindung men. tursektor zu wahren, die über lange Zeit weltberühmten Festivals von Edinburgh fi nanzielle Überlegungen zweifelsohne zu suchen, hat Schottland europäische Unsere Beziehungen zu Deutschland aufgebaut worden sind. bringen jährlich über  Millionen Be- verkompliziert. Das Edinburgh Festival Bürgerinnen und Bürger zur Mitarbeit sind sehr solide. Creative Scotland ist sucher nach Schottland. Der Umsatz gehört zu jenen, die von unmittelba- in den schottischen Kultureinrichtun- jedes Jahr bei der Berlinale vertreten Janet Archer ist Chief Executive Offi cer der Kultur- und Kreativwirtschaft in ren Auswirkungen durch den Absturz gen und zu deren Leitung willkommen und richtete in diesem Jahr erstmalig bei Creative Scotland

KULTURBERATUNG

QBegleitung von Entwicklungsprozessen QBeratung und Begleitung von Führungskräften QEvaluation von Kulturprojekten und Kulturinstitutionen Claus Harten, Thomas Rietschel, QMediation und Konfl iktmanagement Barbara Haack, Peter Landmann www.takepart-kulturberatung.de Telefon 07934 9131-0 14 EUROPA www.politikundkultur.net

Europa ist Rückhalt, Richtung und Traum Literatur in Litauen ihren Weg. Geschmuggelt wurden erst tigen Kenntnisse von Ost und West Institutionen wie Kunstmuseen, Na- Den litauischen Theaternachwuchs fas- religiöse Texte und Liederbücher, dann wachsen langsam. Zu wissen, was die tionaltheater und Nationalbibliothek, ziniert das dokumentarische Theater. DETLEF M. GERICKE Handbücher, Romane, philosophische jeweils andere Seite liest und anschaut, Oper und Philharmonie, öff entlicher Wie man gesellschaftliche Transforma- Traktate, Gedichtbände – jedoch alles was sie prägt und begeistert, wovon sie Rundfunk und Fernsehen können über tionen mit Experten der Wirklichkeit uropa ist Rückhalt, Richtung in litauischer Sprache. So wurde das Li- träumt und was sie langweilt, kann Eintrittsgelder und Tourneehonorare abbildet, wird gerne und gemeinsam und Traum«, schrieb der li- tauische durch die Zeit der Okkupation man nicht anordnen, aber man kann es frei verfügen, erhalten auch Grundbud- mit deutschen Theaterleuten diskutiert tauische Schriftsteller und hindurch am Leben erhalten und an die ermöglichen. Investitionserleichterun- gets für Gehälter und Gebäudeunterhalt, und in Koproduktionen bearbeitet. Die E Regisseur Marius Ivaškevičius nächste Generation weitergegeben.  gen für Verlage bei verlegerischen Ri- müssen aber für die einzelnen Insze- litauischen Theater haben eine Auslas- in einem Essay am . Februar  in heimliche Schulen hatte Bischof Motie- siken spielen eine wichtige Rolle. Was nierungen und Ausstellungen einzeln tung zwischen  und  Prozent und der Frankfurter Allgemeinen Zeitung. jus Valančius ins Leben gerufen, um ge- das litauische Kulturinstitut mit sei- beantragen. Zu den Ergebnissen einer sind international erfolgreich. Ein Re- In diesem Frühjahr feierte Litauen zu- gen Analphabetismus und Langeweile ner Übersetzungsförderung leistet, ist gisseur wie Oskaras Koršunovas tourt sammen mit Lettland und Estland den anzugehen und damit auch gegen den grandios.  litauische Buchtitel wer- mit seinen Inszenierungen durch die . Geburtstag seiner Unabhängigkeit grassierenden Alkoholismus, denn das den jährlich in andere Sprachen über- Liegt es an der Welt, darunter einmal jährlich nach – mit Staatsakten, Fahnen, Feuerwerk eine stand in ursächlicher Verbindung setzt, davon die Hälfte mit Überset- China. Die Traumata von Holocaust und hunderten Programmen. Passen mit dem anderen. Motiejus Valančius, zungsförderungen bis zu  Prozent. Schwierigkeit der und Deportation, die aus verbotener nationales Pathos und landesweit ze- dem Gründer der Bewegung, sind Denk- Übersetzt wird in fast  Sprachen, Sprache(n), dass man Trauerarbeit resultierenden seelischen lebrierter Patriotismus mit dem euro- mäler gesetzt, Straßen sind nach der allen voran ins Polnische, Russische, im Westen Europas Verletzungen, die Fragen von Identität, päischen Gedanken zusammen? Wi- Bücherschmuggel-Bewegung benannt Englische, Lettische und Deutsche. Zur Heimat und Heimatverlust, aber auch derspricht nicht das eine dem anderen? und der . März wird in Litauen als Frankfurter Buchmesse  wurden wenig vom baltischen der Irrwitz gesellschaftlicher Trans- Wie problemlos sich nationaler und Tag der Bücherschmuggler gefeiert. Be- fünf litauische Bücher von deutschen Osten versteht? formationsprozesse werden auf den europäischer Patriotismus in Litauen sucht man die litauische Buchmesse in Verlagen herausgegeben, zur Leipziger Bühnen mit einer Insistenz und Inten- und seinen angrenzenden baltischen Vilnius, zu der alljährlich rund . Buchmesse  – beide Male war Li- sität bearbeitet, die es so nur noch im Nachbarländern ineinanderfügen, ver- Menschen anreisen, so fallen einem die tauen Gastland – waren es bereits  langfristig kulturpolitischen Setzung deutschen und polnischen Theater gibt. steht man mit einem Blick in die litau- Bücherberge mit ihren litauischen und Titel. Zur Londoner Buchmesse  gehört, dass sich Litauen eines der welt- Was hier das Goethe-Institut beiträgt? ische Geschichte. Als am . Februar internationalen Neuerscheinungen werden  litauische Titel in englischen weit dichtesten Bibliotheksnetze erhal- Theater-Kooperationen befördern, äs-  die Unabhängigkeitserklärung ins Auge, alles in litauischer Sprache. Verlagen erscheinen, allen voran Kin- ten hat. Es kommt in Litauen auf . thetisch wegweisende Inszenierungen Litauens unterzeichnet wurde, war dies Wer wird das alles lesen?, fragt man derbuchautor und -illustrator Kestutis Einwohner eine Bibliothek, in Deutsch- ins Land holen, den Themen Heimat auch ein Sieg der litauischen »Bücher- sich unwillkürlich und bekommt die Kasparavčius sowie die Schriftsteller land müssen sich . Einwohner eine und Heimatverlust in Film, Literatur schmuggler« und Schlusspunkt unter Antwort am Ausgang, wo Litauer Ein- Tomas Venclova und Grigori Kano- Bibliothek teilen. und Bildender Kunst nachspüren, das einem -jährigen Kulturkampf gegen kaufswagen voller Bücher in ihre Autos witsch. Die in Litauen kulturpolitisch »In den vergangenen  Jahren«, Thema Arbeit dokumentarisch ver- zaristische Okkupation. Seit dem Jahr verfrachten – auf der Buchmesse gibt wichtigste Entscheidungsinstanz ist schreibt der eingangs genannte Mari- tiefen und zum Thema Europa solche  und dem gescheiter- es hohe Kaufrabatte. Bei das Kulturministerium. Es setzt die us Ivaškevičius, »hat Litauen ungefähr Denker einladen, die es an entschei- ten litauisch-polnischen . neuen Buchtiteln kulturpolitischen Prioritäten etwa die zwanzig Prozent seiner Einwohner ver- dender Stelle diskutieren. Navid Ker- Aufstand hatte die zaristi- in litauischer Sprache für wichtige Förderung von Kultur in der loren, ungefähr so viele Menschen sind mani, Claus Leggewie und Alexander sche Polizei die Bestände eine Einwohnerschaft von Provinz, es formuliert Programmlinien aus Litauen emigriert. Ein Fünftel. Das Kluge waren schon da. »Europa verkör- litauischer Museen und , Millionen erscheinen wie Beiträge zu » Jahre Litauen« und ist im Alltag spürbar. Das ist so, als wür- pert Menschenwürde, den Dienst der Bibliotheken nach Mos- in Litauen – proporti- es organisiert zentral die Zuteilung der den plötzlich  Millionen Menschen Staatsmacht am Menschen (und nicht kau und St. Petersburg onal betrachtet – rund Gelder. Die Zuwendungen sind projekt- aus Deutschland weggehen oder je  umgekehrt), eine saubere Justiz, eine geschaff t, hatte den Ge-  Prozent mehr Neuer- basiert, zweimal im Jahr können sich Millionen aus Frankreich oder Groß- Politik, die nicht korrupt ist«, schrieb brauch der litauischen scheinungen als auf dem die nationalen Institutionen in Kon- britannien«. Sich der Abwanderung Marius Ivaškevičius  in der Frank- Sprache und die Anwen- deutschsprachigen Buch- kurrenz untereinander und gegen freie der Menschen entgegenzustemmen, furter Allgemeinen Zeitung. Und endete dung der lateinischen markt. Litauer haben eine Gruppen um Anteile des Budgets be- ist eine der obersten kulturpolitischen mit den Worten: »Ich wüsste nicht, wie Schrift untersagt und Druck und Be- besondere Beziehung zu ihrer Sprache, werben. Das zu verteilende Geld stammt Zielsetzungen. »Was bezeichnet ihr als ich ohne Europa weiterleben sollte«. sitz litauischer Bücher bei Strafe ver- wohl weil man so lange versuchte, sie aus der Tabak- und Alkoholsteuer und Heimat?«, fragen die Frauen von She boten. Daraufhin ließ Bischof Motiejus ihnen wegzunehmen. Liegt es an der betrug zwischen  und   Mil- She Pop, Berlin in ihrem semidokumen- Detlef M. Gericke leitet das Valančius litauischsprachige Bücher in Schwierigkeit der Sprache(n), dass man lionen Euro. Der Verteilungsprozess ist tarischen Stück »Schubladen«. »Heimat Goethe-Institut Litauen einer Königsberger Druckerei des be- im Westen Europas so relativ wenig mit Bedacht aus der Tages- und Par- ist da, wo die Rechnungen ankommen, nachbarten Preußen drucken und in vom baltischen Osten kennt und ver- teipolitik herausgenommen. Die Ent- es ist da, wo der Briefkasten ist.« Das li- Gemüsefuhren, Särgen und Schnaps- steht? Es ist ganz Mittelosteuropa, von scheidung liegt bei einem gewählten tauische Durchschnittseinkommen, aus GOETHES WELT kanistern über die Grenzen schmug- dem man wenig weiß, angefangen mit überparteilichen Kulturrat aus Persön- dem man seine Rechnungen bezahlt, geln. Schmuggler, die man erwischte, Polen. Der soeben erschienene, tief in lichkeiten des Kulturlebens. Bei jährlich beträgt  Euro, das durchschnittliche Die Beitragsreihe »Goethes Welt« wurden ausgepeitscht, verbannt oder die mittelosteuropäischen Grenzländer über . Projektanträgen müssen Einkommen in der EU liegt bei . entsteht in Zusammenarbeit mit erhielten fünf Jahre Gefängnis. Nicht vorstoßende Reisebericht Navid Ker- diese entscheidungsfähig aufbereitet Euro. Was Litauen mehr braucht, sind dem Goethe-Institut. In jeder Ausga- wenige wurden erschossen, insgesamt manis »Entlang den Gräben« schreibt werden, Teams von wechselnden Ex- vernünftig bezahlte Jobs. Dass die Trup- be berichtet eines der europäischen . Buchschmuggler wurden bestraft. am Anfang in entwaff nender Ehrlich- perten arbeiten die Anträge durch und pe She She Pop nach Litauen kommen Goethe-Institute über aktuelle Kul- Aber fünf Millionen Bücher gingen keit: »Peinlich es zu gestehen, aber ich bewerten sie entsprechend den kultur- möge, steht auf der Wunschliste junger tur und Kulturpolitik im jeweiligen Dank dieser »Graswurzelbewegung« war noch nie in Polen«. Die gegensei- politisch gesetzten Kriterien. Nationale litauischer Theatermacher ganz oben. Gastland. FOTO: LITEXPO FOTO: Blick von oben auf die Ausstellungshalle der Buchmesse in Litauen Politik & Kultur | Nr. /  | Mai — Juni  INTERNATIONALES 15

Hase und Igel Der Machtkampf zwischen Saudi-Arabien und dem Iran

REINHARD BAUMGARTEN bel beschriebenen Wettlauf zwischen mehr Geld, mehr Waff en und starke Milliarden Dollar in dem achtjährigen Huthi-Rebellen. Saudi-Arabien bom- Hase und Igel. Die Islamische Repub- Freunde. Der iranische Igel muss aus Krieg gegen den Iran. Diese Erinnerung bardiert seit mehr als drei Jahren den er Iran und Saudi-Arabien lik Iran verkörpert dabei die Rolle des der Not eine Tugend machen und ge- hat sich tief in das kollektive Gedächt- Jemen. Der Krieg kostet Riad täglich kämpfen um die Vorherrschaft Igels – oder besser: der beiden iden- rissener, subversiver und vorausschau- nis der Iraner eingebrannt. Genauso wie bis zu  Millionen Dollar, hat tiefe Lö- D im Nahen Osten. Die Rivalität tisch aussehenden Igel. Wann immer ender agieren. die Erinnerung von auf iranische Städ- cher in den saudischen Staatshaushalt zwischen Teheran und Riad hat strate- der saudische Hase glaubt, den irani- Die Rivalität zwischen beiden Staa- te niedergehenden irakischen Raketen, gerissen und  Millionen Jemeniten gische und wirtschaftliche Gründe. Sie schen Igel am Ende der Rennstrecke ten reicht zurück ins Jahr . Damals denen Teheran nichts entgegensetzen zu Hilfsbedürftigen gemacht. Außer wird zusätzlich dadurch befeuert, dass hinter sich gelassen zu haben, streckt wurde der monarchistische Herrscher konnte. Denn  erwirkten die USA Zerstörung hat Riad im Jemen bislang beide Staaten den Anspruch erheben, der zweite, verborgene Igel den Kopf Irans gestürzt. Schah Mohammad Reza auf Betreiben Bagdads ein weltweites nichts erreicht. Gleichzeitig verpulvert Führungsmacht der islamischen Welt aus der Furche und ruft: »Bin schon Pahlavi hatte den Iran mit Washingtons Waff enembargo gegen den Iran. die saudische Führung viel Geld, das für sein zu wollen. Das Ringen zwischen da.« Teheran hat Oberwasser im Irak; Segen und Hilfe zur Ordnungsmacht am Ein direkter Kräftever- den wirtschaftlichen Um- den beiden Schwergewichten am Per- iranische Unterstützung hilft den Persischen Golf erhoben. Irans Kleriker gleich der beiden Rivalen bau des Landes dringend sischen Golf zieht zahlreiche Länder in Huthi-Rebellen im Jemen, dem saudi- gelangten an die Macht. Sie wollten ih- am Golf zeigt die jewei- gebraucht würde. Denn Mitleidenschaft. Interne Konfl ikte in schen Bombardement zu widerstehen; ren revolutionären Furor exportieren. ligen Schwächen und ebenso wie der Iran, lebt arabischen Staaten haben sich durch von Teheran angeheuerte Söldner aus Die arabischen Monarchien am Golf Stärken: Riad gibt mehr Saudi-Arabien als soge- die Einmischung der Rivalen Teheran dem Irak, aus Afghanistan und Pakistan sollten durch islamische Republiken als  Milliarden Dollar nannter Rentier-Staat und Riad zu blutigen Stellvertreterkrie- sowie iranische Revolutionswächter nach iranischem Vorbild ersetzt werden. jährlich für Rüstung und weitgehend vom Öl- und gen entwickelt. Der Libanon, Katar und sichern Diktator Assad die Macht in  sah Riad die Chance gekommen, Verteidigung aus. Nur die Gasverkauf. Hierbei kom- Bahrain stehen vor inneren Zerreiß- Syrien. Riad hat in all diesen Konfl ikten den Spuk im Iran zu beenden. Iraks Dik- USA und China haben men sich Teheran und proben. In Syrien, Jemen und Irak sind die schlechteren Karten. Riad fühlt sich tator Saddam Hussein hatte den von einen höheren Wehre- Riad nur bedingt in die Millionen Menschen als Kriegsopfer, von Teheran nicht nur herausgefordert, revolutionären Wirren gebeutelten Iran tat. Teheran wendet nur Quere. Wichtiger ist die Flüchtlinge und Vertriebene betroff en. Riad fühlt sich vom Iran eingekreist. völkerrechtswidrig überfallen. Die Golf- etwa  Milliarden Dollar auf. Saudi- Frage: Wer schaff t wie den Übergang Der Machtkampf zwischen Iran und Der saudische Hase kann eigentlich staaten – allen voran Saudi-Arabien – Arabien verfügt über mehr als  zu einer diversifi zierteren Wirtschaft? Saudi-Arabien gleicht dem in einer Fa- schneller rennen – will heißen: Er hat unterstützten den Irak mit Dutzenden hochmoderne Kampffl ugzeuge. Irans Beide Länder haben eine sehr junge Be- Luftwaff e besteht aus Flugzeugen, die völkerung, für die sie Millionen neue zumeist vor  angeschaff t wurden Arbeitsplätze schaff en müssen. Beide und technologisch veraltet sind. Saudi- Länder setzen auf High Tech und Pet- Arabien besitzt doppelt so viele Fre- rochemie. Es wird dem Iran nur dann gatten, Zerstörer und Hubschrauber gelingen, internationale Investoren wie der Iran. Teheran versucht, diesen anzulocken, wenn international gel- Nachteil durch wendige Patrouillen- tende Sanktionen auch weiterhin ab- boote auszugleichen. Die saudischen gebaut werden. Das weiß Riad, weshalb Streitkräfte sind technologisch auf dem die Saudis ein großes Interesse daran modernsten Stand. haben, den Iran als Schurkenstaat, Bei einer direkten militärischen Kon- Terrorunterstützer und Troublemaker frontation wäre der Iran aber bestrebt, erscheinen zu lassen. den saudischen Vorsprung durch eine Für die iranische Führung dient die sogenannte asymmetrische Kriegsfüh- Einmischung in Belange arabischer rung wettzumachen. Hier greift wieder Staaten der Ausdehnung ihres Ein- der Vergleich des Wettlaufs zwischen fl usses wie auch der Vorbereitung ei- Hase und Igel. Teheran hat bereits im ner möglichen asymmetrischen Kriegs- ersten Golfkrieg mit dem Irak ( bis führung. Teheran geht dabei insofern ) gelernt, Kriege mit militärisch geschickt vor, als es marginalisierten und technologisch überlegenen Geg- Gruppen und Minderheiten Unterstüt- nern zu führen. Entscheidend dabei zung anbietet. Die Unterstützung für sind die Kapazitäten zur asymmetri- Schiiten im Libanon, im Irak, in Bah- schen Kriegsführung. Konkrete Beispie- rain sind dafür ebenso gute Beispiele le: Teheran alimentiert im Libanon die wie die Hilfe für die Huthi-Rebellen im schiitische Hisbollah als Druckmittel Jemen. ge gen Israel; der Iran hat im Irak die schiitischen Milizen al-Haschd asch- Reinhard Baumgarten ist langjähriger

FOTO: PICTURE ALLIANCE / AA / ALLIANCE PICTURE FOTO: Scha’bi aufgebaut; im Jemen unter- ARD-Nahost-Korrespondent und Stellvertreterkrieg Jemen: Saudi-Arabien bombardiert das Land, während der Iran die Huthi-Rebellen unterstützt stützt die Islamische Republik die zurzeit tätig für SWR FS-Ausland Eine Hoffnung für Syrien Das Stipendienprogramm mit Mitteln aus dem MADAD-Trustfund for Syrians (HOPES, www.hopes-madad. len wenig gefragt sind. Alle im Libanon feunterricht geben wollen. Dabei wird HOPES ermöglicht Ge- entsprechende Unterstützung an. Der org) federführend mit seinen europä- von HOPES geförderten Studierenden es nicht nur um die Vermittlung von MADAD-Fund wurde im Jahr  als ischen Schwesterorganisationen Bri- streben einen Masterabschluss an, der Wissen gehen, sondern auch darum, fl üchteten die Fortsetzung direkte Antwort auf die Krise in Syrien tish Council, Campus France und Nuffi c. das Verfassen einer umfangreichen den Schülern durch das eigene Bei- ihres Studiums ins Leben gerufen. Ziel ist es, die Folgen Entsprechend beträgt das Gesamtvo- Masterarbeit zur Voraussetzung hat. spiel Mut zu machen, höhere Bildung des Bürgerkriegs auf die Gefl üchteten lumen zwölf Millionen Euro. Ziel des Da wissenschaftliche Methodik und anzustreben. Deren Wert ist nämlich CHRISTIAN HÜLSHÖRSTER sowie die Aufnahmeländer der Region Programms ist es, jungen gefl üchteten Praxis im Schulunterricht keine und im unter gefl üchteten Jugendlichen in zu mindern. Der Fund bündelt die An- Syrerinnen und Syrern, aber auch be- Grundstudium meist nur eine unterge- Zweifel geraten, wie die geringe Ab- or dem Hintergrund einer strengungen und die humanitäre Unter- dürftigen jungen Menschen aus den ordnete Rolle gespielt haben, bedeutet solventenquote der Abiturstufe und die Zahl von gut  Millionen stützung der EU, ihrer Mitgliedstaaten Gastgesellschaften durch einen verbes- die Forderung, ein Forschungsthema rückläufi gen Studierendenzahlen bele- Gefl üchteten weltweit spricht und der Türkei. Das Volumen des Funds serten Zugang zur Hochschul- und Wei- zu defi nieren und zu bearbeiten, eine gen. Die unterrichtenden Absolventen V der ehemalige Generalse- umfasst derzeit fast , Milliarden Euro, terbildung, Qualifi kationsperspektiven enorme Herausforderung für die Stu- würden sich zum einen ein gewisses kretär der Vereinten Nationen, Ban Ki aus denen Projekte zu Bildung, Gesund- zu eröff nen. Dies soll durch ein Bündel dierenden. Drei syrische HOPES-Mas- Einkommen sichern und könnten zum Moon, von »the biggest refugee and heit, Grundversorgung und Integration von Aktivitäten sichergestellt werden: terstudenten in Tripolis, die sich dieser anderen ihr im Studium erworbenes displacement crisis of our time«. Und fi nanziert werden. Bildungsberatung vor Ort, Individual- Aufgabe erfolgreich gestellt haben und Wissen anwenden und wertvolle Pra- auch wenn die Diskussion in Deutsch- stipendien inklusive Studiengebühren, kurz vor Abschluss ihres Studiums ste- xiserfahrungen sammeln. Eine Projekt- land und Europa eher das Gegenteil Sprachkurse, Fachkurse und innovative hen, haben zusammen mit einem ihrer schule und ein akademischer Berater vermuten ließe, so sucht ein Großteil Bedürftigen jungen Bildungsangebote lokaler Institutionen, Professoren nun einen Kurs entworfen, wurden schon gefunden, nun bedarf der Flüchtlinge Schutz in den Nach- Menschen verbesser- Politikdialog und Netzwerkbildung. in dem sie an vier Wochenenden  ih- es nur noch eines Sponsors. barlä ndern der Krisenregionen. Im ten Zugang zur Hoch- Die Studierenden und Studieninte- rer Mitstudierenden das nötige Hand- Auch wenn diese Vorhaben von der Falle der Syrer, die derzeit die größte schul- und Weiter- ressierten aus Syrien stehen in ihren werkszeug vermitteln werden. Aber die Eigenverantwortung der Flüchtlinge Gruppe von Gefl üchteten bilden, sind Gastländern vor großen Herausfor- drei haben sich auch Gedanken über und ihrer enormen Einsatzbereitschaft etwa , Millionen innerhalb des Lan- bildung ermöglichen derungen. Sie treff en auf ein Hoch- ein noch viel komplexeres Problem zeugen, ihr Schicksal zu meistern, wer- des auf der Flucht. Mehr als , Millio- schulsystem, dass sich stark vom dem gemacht. Zum einen erlangen Schul- den sie dafür bis auf Weiteres die Un- nen haben in den Nachbarländern, vor Zur Förderung der Hochschulausbil- in ihrer Heimat unterscheidet. So sind kinder aus Flüchtlingsfamilien häufi g terstützung durch Projekte wie HOPES allem in Jordanien, dem Libanon und dung in der Region – Türkei, Libanon, die Unterrichtssprachen meist Englisch nicht die nötige Hochschulreife, zum benötigen. Und dies bedarf wiederum der Türkei, Zufl ucht gesucht. Ein nicht Jordanien, Ägypten, kurdische Regi- oder Französisch, während in Syrien anderen bestehen für syrische Uni- der fortgesetzten Förderung solcher unerheblicher Teil dieser Flüchtlinge on des Iraks – stehen aus Mitteln des alle Fächer in Arabisch gelehrt werden. versitätsabsolventen derzeit keinerlei Initiativen durch die europäischen hat entweder einen akademischen MADAD-Funds aktuell  Millionen Lehrmethoden und -inhalte orientieren Möglichkeiten, einen adäquaten Beruf Staaten, allen voran der EU. Hintergrund oder bringt zumindest Euro bereit. Der Deutsche Akademische sich meist stark an westlichen Vorbil- auszuüben. Beiden Problemen soll ein die Voraussetzungen für ein Hoch- Austauschdienst (DAAD) implemen- dern, sodass von den Studierenden ein Pilotprojekt begegnen, in dem syrische Christian Hülshörster ist Leiter des schulstudium mit. Um zu verhindern, tiert in diesem Rahmen das regionale hohes Maß an Eigenständigkeit und Hochschulabsolventen gegen ein klei- Bereiches Stipendienprogramme Süd dass hier eine »verlorene Generation« Großvorhaben Higher and Further Edu- kritischem Denken gefordert wird – Fä- nes Honorar jugendlichen Flüchtlingen beim Deutschen Akademischen Aus- entsteht, bietet die Europäische Union cation Opportunities and Perspectives higkeiten, die an syrischen Hochschu- regelmäßigen, strukturierten Nachhil- tauschdienst (DAAD) 16 INTERNATIONALES www.politikundkultur.net

fragt Tekin verärgert. »Wo sollen wir in einer leeren Stadt Kundschaft fi nden?« Hasankeyf Viele Menschen in Hasankeyf, so Te- kin, müssten sich für den Kauf eines Eine Stadt verschwindet unter dem Wasser TOKI-Hauses oder für die Investition in einen neuen Laden gegenüber auf Jahre CONSTANZE LETSCH nicht nur dringend nötige Energie liefern, Gehen will niemand, sagt Murat Tekin, der Zahlreiche verschulden. »Aber keiner weiß, wie das sondern auch die Bewässerungsmöglich- in Hasankeyf einen Laden für Gasfl aschen Leben nach der Flutung hier aussehen wird, er seit  geplante Ilisu- keiten für die Landwirtschaft verbessern betreibt. »Neu-Hasankeyf ist ein Ort wie Kulturschätze ob wir unseren Lebensunterhalt hier noch Damm, eines der größten Stau- und Investoren in den Südosten des Lan- mitten in der Wüste, ein Ort ohne Seele. und mehr als bestreiten können. Aber wer seine Raten dammprojekte in der Türkei, ist des locken. Technokraten in Ankara haben diese Ein-  zum Teil nicht zahlen kann, muss gehen.« D Teil des Südostanatolienpro- Im Sommer des letzten Jahres began- heitshäuser entworfen, unser Hasankeyf ist noch nicht Eine weitere Folge des umstrittenen jekts (GAP), in dem Euphrat und Tigris nen Baufi rmen mit der Sprengung von viel schöner.« Doch selbst wenn er wolle, Staudamms, dessen Lebensdauer zwi- mehrfach gestaut werden sollen. Durch Felsvorsprüngen rund um die Zitadelle könne er nicht in das Betondorf auf der erschlossene schen  und  Jahren liegt – ein Au- Ilisu wird der Wasserspiegel in Hasan- von Hasankeyf, um die Flutung vorzube- anderen Seite des Flusses ziehen, erklärt er. historische genblick im Leben des jahrtausendealten keyf um  Meter ansteigen. Zahlreiche reiten. Die Felsbrocken, so die offi zielle »Weil ich nicht verheiratet bin.« Ein Erlass Stätten Hasankeyf – ist der unwiederbringliche Kulturschätze und mehr als  zum Begründung, müssten wegen der Stein- von  erlaubt nur »Familien« den Um- werden unter Schaden, den er im Ökosystem der ge- Teil noch nicht erschlossene historische schlaggefahr zerstört werden. Mehr als zug in die Satellitenstadt – Unverheiratete samten Region anrichten wird. Zahlreiche Stätten werden unter den Wassermassen  der insgesamt . von Menschen- haben demnach kein Recht auf Umsiedlung den Wasser- Tier- und Pfl anzenarten, einige von ihnen verschwinden. hand in den Kalkstein geschlagenen Höh- nach Neu-Hasankeyf. massen noch gänzlich unerforscht, werden dem »Hasankeyf schaut auf eine zwölftau- len – Wohn- und Kultstätten, von denen Murat Batihan, Dorfvorsteher in Ha- verschwinden hungrigen Riesenprojekt zum Opfer fallen. sendjährige Geschichte zurück und steht die ältesten bis in die Jungsteinzeit zu- sankeyf, ist außer sich: »Was ist das für »Das Flussgebiet des Tigris ist eines der jetzt kurz vor der Zerstörung«, warnt der rückreichen – sollen ebenfalls aufgefüllt eine Regelung? Hier wohnen Dutzende letzten Regionen in der Türkei, in denen Dokumentarfi lmer Ali Ergül, dessen Film werden, um Erosion durch den Stausee Menschen, die nie geheiratet haben. Da- ein Fluss bis jetzt frei und ungedämmt »Der Tod des Wassers« – ein Versuch, alles zu verhindern. »Es bricht mir das Herz, runter sind auch Leute, die sonst keine An- fl ießen kann«, erklärt der Umweltinge- das einzufangen, was in Hasankeyf verlo- dabei zusehen zu müssen«, sagt Ahmet, gehörigen mehr haben, aber ihr Leben lang nieur Ayboga. »Aber der Damm wird die renzugehen droht – gerade durch Europa der sein Leben lang in Hasankeyf wohnt in Hasankeyf leben und arbeiten. Es gibt Flussufer vollständig zerstören.« Auch das tourt. »Es geht hier nicht nur um die Ge- und seinen wirklichen Namen lieber nicht auch einige ältere Frauen, die nie einen Mikroklima wird sich damit verändern – schichte der Kurden, sondern um das Erbe nennen will. »Es ist, als schaue ich dabei Ehemann hatten. Was soll aus ihnen wer- mit möglicherweise fatalen Konsequenzen der gesamten Menschheit«, sagt er der tür- zu, wie sie unser Grab schaufeln.« den? Sollen sie auf der Straße schlafen?« für die Artenvielfalt in der Region. Zahl- kischen Zeitung Gazete Duvar. »Auch die Bilder von krachend zu Boden gehen- Auch Menschen, die nicht in Hasankeyf reiche seltene und gefährdete Tiere sind UNESCO trägt die Verantwortung dafür, den Felsbrocken machten in sozialen Me- gemeldet sind, dürfen sich nicht um ein vom Bau des Staudamms bedroht, darunter dass dieser Ort gefl utet werden soll.« dien die Runde und sorgten für Empörung. Haus in Neu-Hasankeyf bewerben – doch die Euphrat-Weichschildkröte, der Rotlap- Das fast  Jahre alte und mit kufi scher »Kriminell« nannte die Denkmalschützerin das betriff t Händler aus den unmittelbar penkiebitz und viele andere seltene Vögel, Schrift verzierte Grabmal des Kriegsher- Ahunbay das brachiale Vorgehen der Be- umliegenden Dörfern, die in Hasankeyf Fledermausarten und Säugetiere. ren Zeynel Bey, Sohn des turkmenischen hörden. Mittlerweile gleicht der postkar- arbeiten oder Familien, die aufgrund von Die Umweltschäden, die der Damm Herrschers Uzun Hasan, wurde bereits im tenschöne Ort mehr und mehr einer Rie- schulpfl ichtigen oder kranken Kindern anzurichten droht, betreff en auch den Mai letzten Jahres mittels einer fahrbaren senbaustelle. Bagger und LKWs schnaufen zwar in der Provinzhauptstadt Batman benachbarten Irak. Toon Bij nens, inter- Plattform zu seiner neuen Bestimmung über aufgeschüttete Straßen und hastig gemeldet sein müssen, aber in Hasankeyf nationaler Koordinator der Kampagne gebracht, einem nördlich von Hasankeyf errichtete Brücken, die Baumaschinen gra- wohnen. zum Schutz des Tigris und des irakischen errichteten archäologischen Kulturpark. ben sich immer tiefer in die Seitentäler des Während im Vordergrund eine neue Marschlandes in Sulaimaniyya, befürchtet Die Vorbereitungen für die Umsetzung Tigris. Auf der gegenüberliegenden Seite Stadt aus dem Boden gestampft wird, rei- ein Abnehmen der Wassermenge fl ussab- acht weiterer bedeutender Denkmäler des Flusses entsteht Neu-Hasankeyf, die ßen Baumaschinen und Dynamit Stein- wärts um fast die Hälfte: »Das bedeutet, laufen, darunter auch das Minarett der Neubauwohnsiedlung, in die die Bewoh- brocken aus dem Gebirge dahinter – Füll- dass sich die Wasserqualität des Tigris ver-  von den Ayyubiden errichteten Al- ner der zum Ertrinken verurteilten Stadt material für den Damm. Die Explosionen schlechtert und dass das Wasser zusehends Rizk-Moschee, das Mausoleum des Imam umziehen müssen. Wie von Riesenhand hätten bereits Risse in den Neubauten versalzt. Damit ist es dann nicht mehr zur Bewässerung oder als Trinkwasser geeig- net.« Einmal in Betrieb genommen bedroht der Ilisu-Staudamm auch das Fortbestehen des irakischen Marschlandes und damit den Lebensraum der dortigen Marsch- Araber. »Der Damm wird einen Großteil des Marschlandes austrocknen«, so Bij nens. Das  zum UNESCO-Weltkulturerbe er- nannte Marschland, eine fruchtbare Kul- turregion zwischen Euphrat und Tigris, hatte bereits in den er Jahren unter Saddam Hussein großen Schaden erlitten, als er die Sümpfe trockenlegen ließ. Die türkische Regierung verspricht, das gesamte Stauwasser über die Turbi- nen fl ussabwärts fl ießen lassen zu wollen. Kein Tropfen, so Ankara, gehe bei einem hydroelektrischen Damm verloren. Doch Ankara hat die  in Kraft ge- tretene UN-Gewässer-Konvention, die die Zusammenarbeit von Vertragsstaaten be- züglich grenzüberschreitender Wasserläu- fe regelt, noch immer nicht unterzeichnet. Aus diesem Grund liegt die Entscheidung, wieviel Wasser die Türkei in den Irak OLIA.COM weiterfl ießen lässt, bei der Regierung in Ankara, warnt Bij nens. »Der Staudamm . / FOT wird damit auch zu einem potenziellen politischen Druckmittel«, sagt er. Ayboga unterstreicht, dass Proteste

FOTO: STUIDO FOTO: gegen den Damm unter dem nach dem Nach den Plänen der türkischen Regierung soll die Region um Hasankeyf unter einem gigantischen Staudamm verschwinden Putschversuch  ausgerufenen Aus- nahmezustand innerhalb der Türkei fast Abdullah und ein frühmittelalterliches gegen die Felswände des Raman-Gebirges verursacht, so Batihan, und die Kinder in unmöglich geworden sind. »Die Regierung Hamam. gewürfelt baut die staatliche Wohnungs- der nur  Meter entfernten Schule sei- nutzt den andauernden Konfl ikt in der Re- Die türkische Professorin für Archi- baubehörde TOKI dort  identische en durch den Lärm verängstigt. »Warum gion und den Ausnahmezustand, um das tekturgeschichte und Denkmalschutz Einfamilienhäuser, eine Marktstraße, ein muss die Baufi rma dort arbeiten? Warum Voranschreiten des Projekts zu beschleu- Zeynep Ahunbay kritisiert die Umsetzun- Krankenhaus, eine Tourismusschule. »Es nicht in sicherer Entfernung? So geht das nigen und um jedwede Opposition zum gen: »Denkmäler umzustellen und in einer ist schrecklich«, sagt Ahmet. »Dort gibt es doch nicht.« Doch die Behörden bleiben Schweigen zu bringen. Viele Menschen neuen Umgebung aufzubauen entspricht nichts als Beton.« den besorgten Anwohnern verbindliche haben jetzt Angst, zu demonstrieren«, so nicht internationalen Schutzkriterien, um Die türkischen Behörden rechnen damit, Antworten schuldig. »Keiner gibt uns Aus- der Ingenieur. »Das macht es für die Regie- kulturhistorisches Erbe zu bewahren«, sagt ungefähr . Menschen in der Region kunft, keiner hört uns zu, keiner fragt uns, rung einfacher, umstrittene Maßnahmen sie. umsiedeln zu müssen, doch Ercan Ayboga, was wir wollen«, sagt der Dorfvorsteher durchzudrücken.« Deutschland, Österreich und die ein deutsch-türkischer Umweltingenieur, verbittert. »Sie behandeln uns wie Vieh, Murat Tekin will sich nicht einschüch- Schweiz hatten Kreditbürgschaften für welcher der »Initiative zur Rettung Hasan- nicht wie Bürger der Türkei.« tern lassen. »Natürlich haben viele Men- den umstrittenen Ilisu-Damm im Juli keyfs« angehört, hält diese Zahl für viel zu Ende März haben die Ladenbesit- schen Angst – wir wissen ja, was in der  gestoppt, weil die geforderten Auf- niedrig. »Mindestens . Menschen zer der historischen Marktstraße einen Türkei gerade passiert.« Er lacht. »Aber wir lagen für den Umweltschutz, den Erhalt müssen ihre Häuser und Felder verlas- Aufschub erstritten, »Bedenkzeit« für haben Recht. Wir haben so sehr Recht, dass von Kulturgütern und die Umsiedlung von sen«, sagt er. » Dörfer werden zerstört. die Wasserbehörde, erläutert Murat Te- wir das Risiko in Kauf nehmen.« Betroff enen nicht erfüllt waren. Die türki- . weitere Menschen werden ihr Land kin. Während die Wohnhäuser bis Ende sche Regierung hat die Finanzierung  und damit ihre Lebensgrundlage verlie- Juni gebaut werden sollen, ist die neue Constanze Letsch war bis  Türkeikor- jedoch sichern können und treibt das Pro- ren, sie können also nicht bleiben. An die Markthalle, die den Großteil der fast respondentin für The Guardian. Gerade jekt trotz anhaltender Proteste im In- und . Nomadenfamilien sind ebenfalls  geplanten Geschäfte beherbergen promoviert sie zu Gentrifi zierung an der Ausland weiter voran. Das GAP-Projekt soll betroff en.« soll, bereits fertig. »Was sollen wir da?«, Europa-Universität Viadrina Politik & Kultur | Nr. /  | Mai — Juni  KULTURELLES LEBEN 17

Jugendgerechtigkeit – was ist das? Der Geschäftsführer der Bundesvereini- gung kulturelle Kinder- und Jugend- bildung Tom Braun im Gespräch

Tom Braun ist Geschäftsführer der Bundesvereinigung kultu- relle Kinder- und Jugendbildung (BKJ), dem Dachverband der au- ßerschulischen und schulischen kulturellen Bildung von Kindern und Jugendlichen. Die BKJ setzt sich für jugendgerechte Ausge- staltung von Kultur und Bildung ein. Ulrike Plüschke fragt nach, was darunter zu verstehen ist.

Ulrike Plüschke: Was verstehen Sie unter Jugend- gerechtigkeit? Tom Braun: Der Begriff ba- siert auf zwei Säulen. Die erste Säule besteht darin, dass Jugend eben nicht mehr aus- schließlich als eine Übergangs- phase, als eine Vorstufe zum Erwachsensein verstanden wird, sondern dass ganz klar eine Gegenwartsperspektive

auf die Lebensphase Jugend FOTOLIA.COM / WILLIAM FOTO: eingenommen wird – d. h. eine Jugendliche haben Anspruch auf die Berücksichtigung ihrer spezifi schen Perspektiven Lebensphase mit eigenständi- gen Bedürfnissen, Herausfor- Teilhabe von Jugendlichen gestalten – und zwar unter das darauf schaut, inwiefern Interessen von Jugendlichen der kulturellen Bildung, wie derungen und Aufgaben. Die an sozialen, kulturellen und Einbeziehung und Beteiligung bei Gesetzgebungsverfahren an Mitbestimmung öff nen. Für etwa die Jugendkunstschule zweite Säule bezieht sich auf ökonomischen Ressourcen der zivilgesellschaftlichen die Positionen von Jugendli- den gesamten Kulturbereich Vorpommern-Rügen, gehen die Frage: Inwiefern werden wie auch die Möglichkeit der Fachstrukturen. Die Orga- chen berücksichtigt sind und liegt eine große Chance darin, über Projekte hinaus an struk- die lebensphasenspezifi schen gesellschaftlichen Mitbestim- nisationen der kulturellen welche Auswirkungen das auf sich stärker und engagierter turelle Veränderungen ran. Bedürfnisse, Bedarfe und In- mung von Jugendlichen. Die Kinder- und Jugendbildung das Verwaltungshandeln hat. als bisher so weiterzuent- Dort wird Organisationsent- teressen von Jugendlichen im Voraussetzungen für die Teil- sind solche Strukturen. Sie Ganz wesentlich ist aber auch wickeln, dass Kunst- und wicklung für eine off ene und politischen Handeln und der habe junger Menschen sind ja orientieren sich an der Vielfalt vor dem Hintergrund, Jugend Kultureinrichtungen für Ju- innovative Jugendkunstschule Steuerung von Verwaltungs- allen schon längst bekannt: von Lebenslagen und -orten als eine gleichberechtigte und gendliche Orte sein können, nicht nur durch erwachsene handeln auch anerkannt. Es geht natürlich um Fragen von Jugendlichen. Ihre Reich- auch gleichrangige Lebens- an denen sie Möglichkeiten Fachkräfte, sondern von und einer umfänglichen Bildung weite, ihre Relevanz und ihre phase anzuerkennen. D. h., wir bekommen, sich selbst zu po- mit Jugendlichen umgesetzt. Könnten Sie bitte auch kurz für alle Kinder und Jugend- Nachhaltigkeit muss die Bun- unterstützen den Gedanken, sitionieren. Das bedeutet dann Innovative Impulse können etwas zur Genese des Be- lichen in der Balance von despolitik stärker als bisher auf den verschiedenen Ebenen auch, sich in die Gesellschaft auch anhand der Praxis des griff s sagen? Qualifi zierung und Persön- anerkennen, einbeziehen und der Verwaltungen von Bund, einzumischen. Damit kommen Jugendkunst- und -kulturzen- Das Bundesjugendkurato- lichkeitsbildung. Dies setzt die unterstützen. Ländern, Kommunen, bis auf die Kunst- und Kulturein- trum Schlesiche  in Berlin rium hat als Sachverständi- Zugänglichkeit von Bildungs- die Ebene von Kultur- und richtungen einer wichtigen verfolgt werden, das sich als gengremium bereits  und Kultureinrichtungen von Kurze Zwischenfrage, Bildungseinrichtungen die Funktion nach, die sie eben »Bildungsmanufaktur« oder betont: »Nehmt die Jugend der Kita über die Schule bis was sind Jugend-Checks Interessen, Bedarfe, Bedürf- auch haben: Orte gesell- kooperativer Campus mit noch einmal stärker in den hin zum Musikverein oder oder was ist ein Jugend- nisse von Jugendlichen zu schaftlicher Aushandlung zu Kunst, Stadtentwicklung und Blick«. Gefordert wurde eine dem Theater voraus. Es sind Mainstreaming? berücksichtigen und auch In- sein. Jugendgerechtigkeit ist Jugend weiterentwickelt. Auch kohärente und ressortüber- aber auch ganz grundlegende Wenn wir früher von einem strumente zu entwickeln, wie eine unverzichtbare Voraus- im Bereich der Stadttheater greifende Orientierung auf infrastrukturelle Fragen. Denn Gender-Mainstreaming ge- eine Überprüfung stattfi nden setzung in der strukturellen gibt es natürlich Entwicklun- die Lebensphase Jugend. Das Zugänglichkeit setzt auch sprochen haben, kann man kann. Ein ganz großes Anlie- Organisation von Kultur- und gen, wenn es darum geht, den hat man in der Bundesjugend- geografi sche Erreichbarkeit heute eigentlich von einer gen, das wir natürlich auch Kunsteinrichtungen, in ihren Kunstort zum Ort des Lebens politik in Form einer »Allianz voraus. Das muss verbunden Anforderung an das Handeln vertreten, ist, dass Jugend we- Angeboten und in ihrer Kom- werden zu lassen. Etwa im Pro- für Jugend« aufgegriff en und mit Fragen ökonomischer der verschiedenen Akteure im sentlich durch das Bedürfnis munikationsarbeit, wenn sie jekt »Schule des Lebens« des dort beginnend in  die Ini- Ressourcen diskutiert werden. Sinne eines Jugend-Mainstrea- nach Selbstpositionierung und tatsächlich Gelegenheiten bie- Schauspiels Köln. tiative zu einer sogenannten Welche Infrastrukturen sind mings sprechen. Auch wenn Freiräumen geprägt ist. Vor ten wollen, um kulturellen und Was uns also sehr wichtig eigenständigen Jugendpolitik für Jugendliche, da, wo sie der Begriff des Mainstreamings dem Hintergrund einer ganz- gesellschaftlichen Konsens ist, ist Kultureinrichtungen umgesetzt, die  bis  leben, verfügbar? Wie können nicht überall beliebt ist, so ist tägigen Bildung setzen wir uns kontinuierlich gemeinsam zu bei einer jugendgerechten unter dem Leitspruch »Han- sie erreicht werden? Wie wird doch eine Ähnlichkeit z. B. mit gemeinsam mit den Partnern erarbeiten und zu leben. Wenn Organisationsentwicklung zu deln für eine jugendgerechte die Mobilität von Jugendli- den Fragen der Geschlechter- in Bildung, Kultur und Kin- ihnen das gelingt, schaff en sie unterstützen. Das ist ein ganz Gesellschaft« verfolgt wurde. chen gewährleistet? Die Frage gerechtigkeit gegeben, weil der- und Jugendhilfe dafür ein, eine wichtige Basis für Demo- wesentlicher Ansatz. Dabei Im Rahmen der ersten Phase ökonomischer Ressourcen ausgehend von Fragen der Konzepte zu entwickeln, die kratie und Zusammenhalt. müssen wir immer auch die der eigenständigen Jugend- beinhaltet auch, dass wir nach Jugendgerechtigkeit wie auch genau dieses Bedürfnis nach aktuellen Anforderungen be- politik ( bis ) wurden wie vor in Deutschland eine der Geschlechtergerechtigkeit Freiräumen von Jugendlichen Könnten Sie hierfür bitte rücksichtigen, mit denen sich entsprechende Leitziele und skandalöse Situation haben, natürlich querlaufende Fra- berücksichtigen. Gleichzeitig Beispiele nennen? Jugendliche auseinanderset- Grundsätze erarbeitet. Das in der kulturelle Teilhabe gestellungen entstehen. Die ereignen sich auch Bildungs- Es fi nden sich viele Beispiele, zen. Dazu gehören ganz klar ist sozusagen die Genese. Wir und Bildungserfolg von den Perspektive der Gerechtigkeit und kulturelle Teilhabegerech- wie sich Kultureinrichtungen die Digitalisierung, die Ökono- sind jetzt sehr froh, aber auch fi nanziellen Möglichkeiten der lenkt den Blick auf strukturel- tigkeit nicht im Selbstlauf. für neue Beteiligungsmög- misierung der Lebenswelten mit entsprechenden Forde- Elternhäuser abhängen. Wie le Fragen. Inwiefern fördern lichkeiten öff nen und Jugend- und die Auseinandersetzung rungen ausgestattet, wenn wir kann dies bei der Planung von Strukturen, Steuerungsverfah- Was heißt das konkret? lichen auch eine strukturelle mit Diversität. Teil sind aber im Koalitionsvertrag lesen, es Kultur- und Bildungsangebo- ren und Organisationsformen Sollen alle Kultur- und Bil- Mitverantwortung geben. Es auch Aspekte wie Radikalisie- soll eine Jugendstrategie der ten berücksichtigt werden? in Bund, Ländern, Kommunen dungseinrichtungen prüfen, lohnt sich etwa ein Blick auf rung. Die muss man genauso Bundesregierung mit all ihren Das allein reicht natürlich sowie der Praxis vor Ort die inwiefern sie Jugendliche als das Projekt MADE BY: SELF berücksichtigen, wenn man Ressorts auf den Weg gebracht nicht. Es geht hierbei auch um Beteiligung von Jugendli- Zielgruppe im Blick haben des soziokulturellen Veran- über Jugendgerechtigkeit werden. Interessant ist, wie Fragen der Sozialpolitik für chen? Inwiefern stehen sie oder was meinen Sie mit Bil- staltungszentrums Pavillon spricht. Das sind für Jugendli- diese Handlungsstrategie junge Menschen. Deshalb ist einer Berücksichtigung und dungs- und Teilhabegerech- Hannover. Thematischer Hin- che konkrete Lebensrealitäten, querlaufend zu den Ressorts Jugendgerechtigkeit ganz aus- Einbeziehung der Bedarfe und tigkeit? tergrund des Projektes sind die die hinter diesen sperrigen umgesetzt und in diese hinein- drücklich mit der Kritik und Bedürfnisse von Jugendlichen Jugendliche sind eben nicht im klassischen Kulturbereich Worten stehen. Und das sind getragen werden kann. Weiterentwicklung der recht- womöglich entgegen? Welche nur das Publikum von morgen. häufi g fehlenden Beteiligungs- eben Herausforderungen und lichen Grundlagen verbunden. Ressourcen werden bereitge- Sie haben jetzt Anspruch auf möglichkeiten bei Veranstal- Anforderungen an Kulturein- Welche konkreten Forderun- Auch deshalb unterstützen wir stellt? Jugendgerechtigkeit ist die Berücksichtigung ihrer tungsformaten. Spannende richtungen jeglicher Art. gen hat die BKJ in Bezug auf den Gedanken des »Jugend- deshalb ein Thema, das alle spezifi schen Perspektiven, Impulse kommen auch aus diese Jugendstrategie der Checks« oder eines Jugend- Bereiche des gesellschaftlichen Fragen und Interessen. Teil- den Bibliotheken, die Wege Tom Braun ist Geschäftsführer Bundesregierung? Mainstreamings. Lebens betriff t. Deshalb gibt es habegerechtigkeit braucht beschreiten, um sich als Orte der Bundesvereinigung kultu- Eine Jugendstrategie der Bun- Wir fordern die Bundesre- z. B. auch das Kompetenzzent- Planung und Gestaltung. Wir kultureller Beteiligung auszu- relle Kinder- und Jugendbildung desregierung muss sich vor gierung ausdrücklich dazu rum »Jugend-Check«. Der »Ju- machen uns dafür stark, dass gestalten. So z. B. Stadtbiblio- (BKJ). Ulrike Plüschke ist Refe- allem an der Frage der Teilha- auf, ihre Jugendstrategie gend-Check« ist ein Prüf- und sich Kultureinrichtungen aller theken in München oder Köln. rentin für Kultur und Bildung begerechtigkeit orientieren. ressortübergreifend auszu- Sensibilisierungsinstrument, Couleur viel stärker für die Auch weitere Einrichtungen beim Deutschen Kulturrat 18 KULTURELLES LEBEN www.politikundkultur.net

Architekturen und künstlerische Positionen Was alles dazu- Stephanie Rosenthal, aus dem Jahr  stand bis vor Kur- Neben der Architektur des Martin- klar, dass sie etwas Anderes machen Direktorin des Martin- zem leer, denn exakt zum Zeitpunkt Gropius-Bau ist für Rosenthal daher wollte. Sie hatte einen ungewöhnli- gehört der Übergabe der Direktion von Ge- auch die Geschichte des Gebäudes chen Traum: »Ich möchte einmal eine Gropius-Bau in Berlin, Gott & die Welt reon Sievernich an die Nachfolgerin »Gesprächspartner«:  als Kunst- Galerie haben«. Als ihr die Erwachse- im Porträt mussten . Feuermelder im Haus gewerbemuseum gegründet und Hei- nen klar machten, dass ohne eigenes CHRISTIAN STÄBLEIN ausgewechselt werden. »Es war eine mat einer Kunstgewerbeschule, kamen Geld und ohne entsprechendes Kapital ANDREAS KOLB glückliche Fügung«, sagt Stephanie die Künstler hierher, um Vorlagen zu von Seiten des Elternhauses in dieser Zum Frühsommer gehört der Fußball. Rosenthal. »Aus diesem Grund hat- studieren. Diese Historie greift die Branche nichts zu reißen war, fand sie Für viele Menschen, für mich auch. ie wird man Kuratorin?«, ten wir den Luxus, durch das leere Ge- Direktorin durch ein Artist-in-Resi- das damals unerträglich. »Das hat mir Die Meisterschaften gehen in die Ent- wurde Stephanie Rosenthal bäude, durch leere Räume wandern zu dence-Programm auf. Der erste Gast damals schon zugesetzt, aber ich habe scheidungen. Alle zwei Jahre wartet W  von der Reporterin können, was unglaublich schön und ist die Multimediakünstlerin Wu Tsang. trotzdem während des Studiums an- ein Fest der Nationalmannschaften. einer Karriere-Beilage des Handels- inspirierend ist.« Sie wird sich in der oberen Etage nie- gefangen, in einer Galerie zu arbeiten. Dieses Jahr wieder WM. Dazu gehören- blatts gefragt. Damals war sie  Jah- Den Lebenslauf von Rosenthal vor derlassen und ihr Atelier auch dem Schnell habe ich festgestellt, dass das de Begleiterscheinungen künden aller- re alt, arbeitete bereits acht Jahre als Augen wird es schnell off ensichtlich, Publikum zugänglich machen. Aber nicht wirklich das meine ist.« orten davon: Sticker unter Deckeln mit Kuratorin am Haus der Kunst in Mün- welche Rolle Ausstellungsarchitektur auch an die Geschichte des Martin- Während ihres Studiums der Kunst- süßem Brotaufstrich, Sammel- und chen und hatte bereits zehn große für sie schon immer gespielt hat. Ihre Gropius-Bau als einstiges Museum für geschichte, kombiniert mit BWL und Tauschbörsen von Klebebildern, in- Ausstellungen kuratiert. Seit Februar ersten großen Ausstellungen machte Vor-und Frühgeschichte will Rosenthal Psychologie in München, Bonn und zwischen vorzugsweise auch online.  ist Stephanie Rosenthal die neue sie im Haus der Kunst, einem Gebäude anknüpfen – im renovierten Lichthof Köln, jobbte Rosenthal in Galerien in Zum Frühsommer gehört der Fußball Direktorin des Martin-Gropius-Bau von Hitler für die Kunst gebaut – Fa- und dem Haus soll künftig auch die Ar- München, London und Paris. Irgend- – zum Glück immer noch auch einfach in Berlin. Anlass für Politik & Kultur- schismus pur. Danach ging Rosenthal chäologie auf Gegenwartskunst treff en. wann interessierte sie das Kaufen und auf der Wiese oder der Sandfl äche im Redakteur Andreas Kolb, die erfolgrei- zur Hayward Gallery in London, einem Stephanie Rosenthal freut sich da- Verkaufen nur noch am Rande. Ihr Ju- Freibad: Kicken zum Erfrischen. Weil che Kuratorin und Museumsleiterin Gebäude, das  unter dem Einfl uss rauf, nach den Stationen im Haus der gendtraum war erwachsen geworden: es Spaß macht, die eigene Physis zu zu fragen: »Wie wird man Gropius- der »Brutalistic Architecture« gebaut Kunst München, in der Hayward Gal- »Kuratorin wollte ich werden, mich in erleben, miteinander. Das Schöne am Chefi n?« Das Interview für das folgen- wurde. »Es ist nicht so, dass ich das lery London und bei der Sydney Bien- einem Museum um Sammlungen und Fußball: Der Fuß ist nicht unser ge- de Porträt fi ndet telefonisch statt und Gefühl habe, ich gehe irgendwohin nale nun auch die Geschichte des tra- Ausstellungen kümmern. Natürlich war schicktestes Körperteil, was Fein- und Rosenthal nutzt die Zeit zwischen zwei und ziehe dort meine Ideen durch. ditionsreichen Berliner Museumsbaus mir klar, dass die Stellen rar und sehr Grobsteuerung angeht. Können und Terminen für dieses Gespräch und Im Gegenteil ist meine Arbeit von für die nächsten Jahre mitzuprägen. begehrt sind.  bekam ich aber mei- Unberechenbarkeit bleiben geschwis- nimmt den Interviewer sozusagen tele- den jeweiligen Gebäuden her klar defi - Begonnen hatte ihre Kuratorenkar- ne Chance als kuratorische Assistentin terlich verbunden. Das macht den fonisch mit auf einen Gang durchs Haus. niert, weil ich der Auff assung bin, dass riere schon in Teenagerjahren. Aus und dann als Kuratorin am Münchener Sommer, gehört zu seinem Glück. Der Museumsbau mit seinen . auch Künstlerinnen und Künstler sich einer süddeutschen Medizinerfami- Haus der Kunst zu arbeiten. Mein Stu- In diesem Sommer, in dem uns so Quadratmetern Ausstellungsfl äche stark von diesen inspirieren lassen.« lie stammend, war ihr schon immer dium der Kunstgeschichte und meine viele »Gehört dies oder das zu …«-De- Erfahrungen gaben den Ausschlag.« batten begleiten, gehört zum Fußball Während dieser Tätigkeit am Haus auch der Hinweis: Er ist ein Spiegel der Kunst promovierte sie dann über unserer Gesellschaften. In ihm sehen die »Black Paintings« von Robert Rau- wir nicht nur sportive Kunst und auf schenberg, Ad Reinhardt, Mark Roth- berauschende Weise universal Verbin- ko, Frank Stella und Barnett Newman. dendes, in ihm erleben wir auch Gier, Eine wesentliche Inspiration kam vom Manipulation, Gewalt, Zerstörerisches. damaligen Hauptkurator Hubertus Die WM wird wohl leider auch wieder Gaßner, ein Malewitsch-Spezialist. vorführen, wie Fußball von den Mäch- Von dem Zeitpunkt an wollte Rosen- tigen instrumentalisiert, missbraucht thal eine Ausstellung über Black Pain- werden kann. Schließlich zieht Fuß- tings machen. Dann kam Chris Dercon ball schrecklich an, was da so gar nicht nach München und sagte: »Go for it«, hingehört: Rassismus und Hetze. Das und diese bedeutende Ausstellung muss aufhören, sagen wir. Aber wie? war eine elementare Erfahrung für Wer hört auf die Zwischenrufe? die junge Kuratorin: »Es braucht viel In diesem Sommer, in dem mich so Mut, ausschließlich schwarze Bilder manche »Gehört dies oder das zu…«- auszustellen. Für mich ist die Promo- Debatte anfängt zu nerven, denke ich: tion und die Auseinandersetzung mit Erinnert sich noch jemand, woher das der Vielfalt in der Reduziertheit im- Wort »gehören« kommt? Vom Hören. mer noch ein ganz wichtiges Feld, in Elementar formuliert: Zueinander ge- das ich in meinen eigenen Konzepten hört, wer aufeinander hört. Wer zuhö- immer wieder zurückkehre.« ren kann. Wer aufhört, auszugrenzen. Eine Zusammenarbeit mit Chris Hören kommt vor gehören. Dercon wird Rosenthal in Berlin Im Fußball – keine neue These – spie- nicht mehr erleben – er nahm an der gelt sich auch Religiöses. Menschen Volksbühne seinen Hut. Die kultur- erleben Verbindendes, erfahren politischen Verwerfungen, die dazu Zugehörigkeiten, die weit über sie geführt haben, sind hinlänglich be- selbst hinausgreifen. Darin liegt der kannt. Rosenthal und ihr neues Team Reiz von Public Viewing oder Stadi- sind im Februar in Berlin herzlich und onbesuch. Dort kann ich nicht zuletzt mit off enen Armen empfangen wor- hören, wie viele Lieder gerade junge den. Obwohl sie erst  als Direkto- Menschen heute können. An der Al- rin am Haus des Martin-Gropius-Bau ten Försterei von Union Berlin etwa: angefangen hat, konnte sie bereits  Minuten Dauergesang – nicht ver- bedeutenden Einfluss auf das Pro- letzend, fröhlich, bisweilen ironisch gramm nehmen. »Ich habe versucht, humorvoll. Da lohnt Hinhören. Oder, die Energie des Anfangs mitzunehmen, wenn die Mannschaften vorgestellt bestimmte Weichen zu stellen und werden: Jeder Spieler wird hier von zum existierenden Programm Akzente den Fans mit einem Beiwort versehen zu setzen. Ein Hauptpunkt ist es aber, – »Fußballgott«. Ein breites Lächeln den Lichthof als das Herz des Gebäu- dazu, alle wissen: klar, kein Gott, des für die Besucher frei zugänglich keine Götter, natürlich nicht. Aber zu machen.« ich denke: jeder ein Gotteskind – mit Drei künstlerische Positionen eröff - allem Geschick der Füße und der nen das neue Jahr unter ihrer Leitung: bleibenden Unberechenbarkeit des die amerikanischen Künstlerinnen Fußballs. Der so viel verbinden kann, Wu Tsang und Ana Mendieta sowie wenn wir aufeinander hören. Zum die Südkoreanerin Lee Bul. Ein star- Fußball gehört: Spiel über Grenzen ker femininer Dreiklang, obwohl sich hinweg, Menschen als Menschen in Stephanie Rosenthal nicht mehr zu der der Lust am Leben verbunden, alle Generation zählt, die Frauen zeigt, um Kinder Gottes. Auf dem Platz mit dem Frauen zu zeigen. Rosenthal will Po- Ball, neben dem Platz mit den Liedern, sitionen zeigen: »Wenn man überlegt, die noch klingen, wenn das Spiel vor- was noch nicht gezeigt wurde und da- bei ist. Das gehört zum Frühsommer, her noch einmal gezeigt werden muss, auch zu diesem hoff entlich. dann sind das eben einfach mehr Frau- enpositionen als Männerpositionen.« Christian Stäblein ist Propst der

Evangelischen Kirche Berlin-Branden- VÖLSKE MATTHIAS FOTO: Andreas Kolb ist Redakteur von burg-schlesische Oberlausitz Stephanie Rosenthal Politik & Kultur Politik & Kultur | Nr. /  | Mai — Juni  FREIE SZENE KULTUR 19 FOTO: LICHTHELDEN / STEFFEN KAUFMANN STEFFEN / LICHTHELDEN FOTO: Freie Szene Ort der Kunstinnovation und der Armut

OLAF ZIMMERMANN gelte Arbeitszeiten, sofern davon am öff entlich geförderten Theatern bzw. einmal, von einigen Ausnahmen abge- noch lange nicht das Nonplusultra Theater überhaupt gesprochen werden Stadt-, Landes- und Staatstheatern sehen, Ausstellungshonorare. für bildende Künstler oder Literaten. ein Kulturpolitiker, keine kann, und ein arbeitsteiliger Produk- letztlich in die Irre führt. Es muss Bildende Künstler, Literaten und Genauso ist die Freie Szene gefordert, Kulturpolitikerin kommt tionsprozess mit unterschiedlichen vielmehr um einen dritten Weg gehen, freiberufl iche Musiker sind zumeist klarzustellen, was für wen gefordert ohne ein Lob für die Freie Zuständig- und Verantwortlichkeiten der es etablierten Akteuren der Freien Einzelkämpfer. Sie arbeiten in der Re- wird bzw. welche Förderinstrumen- K Szene aus. Die Freie Szene gehören dazu. Szene ermöglicht, sich längerfristig zu gel nicht mit anderen zusammen und te für wen vonnöten ist. Die lokalen steht für Innovation, für künstlerische Die Freie Szene ist vor allem frei entwickeln, der Newcomern Chancen müssen sich zumeist selbst managen. Zusammenschlüsse der Freien Küns- Freiräume und Experimente, für die davon. Tarifvertragliche Absicherung: mit begrenzten Projektförderungen Stipendien, Kunst am Bau, Stadtschrei- te sind dabei wichtige Gegenüber der Verbindung von kultureller Bildung und Fehlanzeige. Feste Finanzierung: eröff net und der ehrlich ausspricht, berämter, Festivals und anderes mehr kommunalen Kulturverwaltung. Glei- künstlerischer Exzellenz, für Vielfalt Nichts da, außer immer wieder zu be- dass die Akteure in einer Konkurrenz bieten die Möglichkeit, außerhalb des ches gilt für die Zusammenschlüsse und vieles andere mehr. Und kein Kul- antragenden Projektförderungen. Ar- um Aufmerksamkeit und Ressourcen Kunst- oder Buchmarktes, der haupt- auf Landesebene bzw. die Allianz der turpolitiker und keine Kulturpolitikerin beitsteilung: kaum umsetzbar. Feste stehen. Dass dies ein Drahtseilakt sächlich nach rein ökonomischen Re- Freien Szene als bundesweiter Zusam- kommt aus, ohne zu betonen, mehr für Häuser: kaum anzutreff en. zwischen notwendiger Solidarität und geln funktioniert, zusätzliche fi nanziel- menschluss. Die Durchsetzungsstär- die Freie Szene tun zu wollen. Und den- Beim Vergleich dieser Arbeitsbedin- erforderlicher Konkurrenz ist, ist mir le Quellen zu erschließen. Den meisten ke von Forderungen wird auch davon noch sind die Einkommen in der Freien gungen drängt sich schon die Frage auf, bewusst. Ich bin mir dennoch sicher, bildenden Künstlern, Literaten und abhängen, klar zu kommunizieren, für Szene gering, hangeln sich die Künst- warum Künstlerinnen und Künstler den dass die Chancen für freie darstellen- Jazzmusikern ist bewusst, dass sie sich wen gesprochen wird. Dann wird die lerinnen und Künstler von Projekt zu Weg in die Freie Szene gehen? de Kunst nicht schlecht stehen. Das in einem harten Wettbewerb befi nden. Förderung der Freien Szene auch mehr Projekt und versuchen tagtäglich den Die Freie Szene ist ein Ort, in der gilt auch mit Blick auf Anpassungen Als soziale Absicherung ist die als schöne Worte werden. Drahtseilakt, mehrere Berufe gleich- Kunst unmittelbar, ohne übergroßen in den Verwaltungsvorschriften, um Künstlersozialversicherung unver- Und die Akteure der Freien Szene zeitig auszuüben: Künstler, Manager, Verwaltungsdirigismus, aufgeblähte den Übergang von selbständiger Tätig- zichtbar. Dank ihr sind freiberufl iche sollten dabei nicht vergessen zu be- Pädagoge. Also, alles nur schöne Worte? Hierarchie und unbewegliche große keit und Versicherung in der Künstler- Künstler zumindest kranken-, pfl ege- tonen, dass gerade die Freie Szene ein Ich denke, nein. Mitarbeiterstäbe geschaff en werden sozialversicherung sowie abhängiger und rentenversichert. wichtiger Ort der Kunstinnovation ist. Eines der großen Probleme, wenn kann. Das ist der Grund, warum trotz Beschäftigung und sozialversiche- Politik für die Freie Szene zu machen, man sich mit der Freien Szene befasst, der oftmals problematischen Arbeitsbe- rungsrechtlicher Absicherung ein- heißt aus meiner Sicht, klarzustellen, für Olaf Zimmermann ist Geschäftsführer ist zuerst, was darunter zu verstehen ist. dingungen die Freie Szene gerade in der facher zu gestalten. Das Anliegen ist wen was gemacht wird. Dass, was den des Deutschen Kulturrates und Heraus- Am klarsten ist es noch im Bereich der darstellenden Kunst in vielen Städten bei der Politik angekommen und im freien darstellenden Künstlern hilft, ist geber von Politik & Kultur darstellenden Künste, also dem Schau- wächst und immer mehr Akteure um Koalitionsvertrag von CDU, CSU und spiel- und Tanztheater. Die Freie Szene, die bestehenden – und teilweise auch SPD wurde zugesagt, sich des Themas also freie Ensembles und Einzelperso- wachsenden – Fördermittel konkurrie- anzunehmen. nen, die sich für bestimmte Projekte ren. Denn das gehört zu einer ehrlichen Ganz anders sieht es in der bilden- ZU DEN BILDERN DES SCHWERPUNKTS zusammenfi nden, hat ein Gegenüber: Bilanz auch dazu. Die Förderung der den Kunst, Literatur oder Jazzmusik die Stadt-, Landes- und Staatstheater. Freien Szene hat sich verändert. För- aus. Hier gibt es das Pendant der Fest- Die Fotografien im Schwerpunkt sind die Sophiensæle heute eine der Sie, die öff entlich geförderten Kultur- derkriterien wurden überarbeitet. För- anstellung gar nicht. Wer den Weg als »Freie Szene Kultur« stammen von wichtigsten Produktions- und Spielor- einrichtungen, führen aus Sicht einiger dermittel wurden aufgestockt. Honorar- bildender Künstler, als Literat oder als der renommierten Berliner Spielstätte te für die freien darstellenden Künste Akteure der Freien Szene ein kommodes untergrenzen wurden teilweise einge- Jazzmusiker geht, wird freiberufl ich der Freien Szene, den Sophiensælen. im deutschsprachigen Raum. Theater, Dasein. Ihre Existenz ist gesichert. Das zogen. Expertenbasierte Förderungen tätig sein – mit Ausnahme der weni- Sie zeigen Szenen aus aktuellen Pro- Tanz, Performance, Musiktheater, bil- Gebäude steht. Die Gehälter werden gewinnen an Bedeutung. Und dennoch gen Jazzmusiker in den Big Bands der duktionen, die in den Sophiensælen dende Kunst und diskursive Formate meist von Gewerkschaften und Arbeit- liegt die Absicherung des Gegenübers, öff entlich-rechtlichen Rundfunkan- aufgeführt werden, unter anderem aus ergänzen sich gleichberechtigt im gebern ausgehandelt. Die abhängige der Stadt-, Landes- und Staatstheater stalten. der Musiktheaterserie »Schwarz-Rotz- Programm und treten in einen pro- Beschäftigung ist die Regel und mit noch in weiter Ferne. Es bedeutet, vom Verkauf der Werke, Gold-Sturm« von Hauen-und-Stechen, duktiven Dialog. Die Sophiensæle sind Erreichen des Rentenalters winkt zu- Ich denke, dass die direkte Gegen- von Auftritten, von Lesungen leben zu »Cassandra has turned « von Kareth Teil eines Netzwerks international mindest eine kleine, in einigen Fällen überstellung von Freier Szene in der müssen. Bildende Künstler erhalten für Schaff er und »Die Umschülerinnen« orientierter, freier Theaterhäuser, zu auch eine auskömmliche Rente. Gere- darstellenden Kunst mit den gesichert Ausstellungen ihrer Werke noch nicht von Vanessa Stern.  gegründet dem auch Kampnagel Hamburg zählt. 20 FREIE SZENE KULTUR www.politikundkultur.net

versicherungssystem. Es ist ein positives Zeichen, dass der Koalitionsvertrag hierzu Kontinuierlicher Dialog zwischen endlich konkrete Zahlen benennt: »Um kleine Selbstständige zu entlasten, wer- den wir die Bemessungsgrundlage für die Freier Szene und Politik Mindestkrankenversicherungsbeiträge von heute ., Euro auf . Euro nahe- Die Arbeit der Allianz der Freien Künste zu halbieren.« Die Senkung der Bemes- sungsgrundlage ist jedoch nur ein Schritt. LENA KRAUSE die Akteure der freien Künste arbeiten, anderen Bereichen nicht marktorientiert Nicht wenige Zu klären sind dringend auch, wer diese werden weder ihrer spezifi schen, hybriden arbeiten, fi ndet ebenso keine Berücksich- »kleine(n) Selbständige(n)« sind, wie die ie Allianz der Freien Künste Arbeitspraxis, noch ihrem bedeutenden tigung wie die Schutzwürdigkeit der Kunst, Forderungen Bemessungsgrundlage nachzuweisen ist (AFK) ist ein off enes, auf der gesellschaftlichen Beitrag gerecht. die an anderer Stelle im Koalitionsvertrag der Allianz der und wann mit einer Umsetzung der Re- Bundesebene agierendes, spar- Der Koalitionsvertrag von CDU, CSU und hervorgehoben wird. Der freischaff ende Freien Künste form gerechnet werden kann. Wir fordern D tenübergreifendes Bündnis von SPD greift einzelne Themenfelder dezidiert Künstler beauftragt sich selbst und schaff t haben mittelbar hier eine zeitnahe Erarbeitung neuer und Interessenvertretungen privatrechtlich auf, die die AFK in ihrem Positionspapier etwas, er bedient in der Regel keinen Mas- bürokratisch unkomplizierter Regelungen. organisierter Kunst- und Kulturschaff en- zur Diskussion gestellt hat. Dies kann als senmarkt. Hier gilt es zu diff erenzieren oder sogar Das Mindestlohngesetz greift bei der. Die AFK will mit ihrer Arbeit die Auf- erstes Anzeichen dafür gesehen werden, und die Vorsorgemöglichkeiten entspre- direkt ihren selbstständigen Kunst- und Kulturschaf- merksamkeit von Politik und Gesellschaft dass die Bedürfnisse der privatrechtlich or- chend weiterzuentwickeln. Weg in den fenden nicht. Zahlreiche Interessenver- auf den Arbeitsbereich der Freien Szene ganisierten Kunst- und Kulturschaff enden Zur sozialen Lage von Künstlern und tretungen haben aus diesem Grund Hono- lenken und die Arbeits- und Lebensbe- stärker in das Blickfeld der politisch Ver- Kreativen heißt es im Koalitionsvertrag: Koalitions- raruntergrenzen und -standards defi niert, dingungen für die in diesem Arbeitsfeld antwortlichen rücken und ein Bewusstsein »Weil es diejenigen braucht, die Kunst vertrag die jedoch nicht verbindlich sind. Denn tätigen selbstständigen Akteure ebenso für den besonderen Erwerbsstatus und die und Kultur schaff en, erarbeiten wir wei- gefunden in einem Bereich, wo keine Tarifpartner grundlegend wie nachhaltig verbessern. eklatanten Missstände in der Arbeitsreali- tere Lösungen für die besondere soziale existieren, fehlt die Verbindlichkeit eines Dafür wurden spartenübergreifend acht tät der freien Kultur entsteht. Schutzbedürftigkeit der Künstlerinnen Tarifvertrages. Erstaunlicherweise geht gemeinsame, übergeordnete Kernforde- Einem Großteil der privatrechtlich or- und Künstler und Kreativen. Deshalb der Koalitionsvertrag auf diesen Umstand rungen gebündelt und im Sommer  ganisierten Kunst- und Kulturschaff enden setzen wir uns für die verbesserte soziale nicht ein. Dabei ist es dringend notwen- in einem Positionspapier veröff entlicht. droht Altersarmut. Oft sind die Einnahmen Absicherung von Künstlerinnen, Künstlern dig, verbindliche Honoraruntergrenzen Die Initiative zu diesem Zusammen- aufgrund fehlender, verbindlicher Hono- und Kreativen ein.« Und weiter: »Wir set- und -standards zu berücksichtigen. Eben schluss ging  vom Bundesverband rarstandards so gering, dass es gerade zen uns für den Erhalt der Künstlersozial- jener Themenkomplex bringt eine weitere Freie Darstellende Künste (BFDK), der Uni- einmal für den Grundbeitrag zur gesetz- versicherung ein und werden prüfen, wie Problematik zutage: Die eklatante Unter- on Deutscher Jazzmusiker (UDJ) und dem lichen Altersvorsorge reicht. In ihrer aktu- dort der wechselnde Erwerbsstatus vieler ausstattung der Bundeskulturförderfonds. Verein für Freie Ensembles und Orchester ellen Statistik vom . Januar  hat die Akteure des Kultur- und Medienbereichs Dazu ein Beispiel: In den zwei Ausschrei- in Deutschland (FREO) aus. Gründungs- Künstlersozialkasse ein durchschnittliches besser berücksichtigt werden kann.« Mit bungsrunden des Musikfonds im Förderjahr mitglieder waren neben den genannten Jahreseinkommen der bei der KSK-Versi- der Formulierung »wechselnde(r) Erwerbs-  gingen insgesamt  Anträge mit ei- Verbänden außerdem der Bund der Sze- cherten von . Euro ermittelt. Daraus status« greift der Koalitionsvertrag erst- nem Antragsvolumen von , Millionen nografen, der Bundesverband Theater im ergibt sich ein monatliches Einkommen mals die besondere, hybride Arbeitspraxis Euro ein. Gefördert wurden lediglich  öff entlichen Raum, der Verband Deutscher von ., Euro – an eine private Al- der selbstständigen Kunst- und Kultur- Projekte mit einem Fördervolumen von Puppentheater und die Vereinigung Alte tersvorsorge ist damit nicht zu denken; schaff enden auf und bezieht sich damit , Millionen Euro. Ähnlich zeigt sich die Musik. Den sieben Gründungsverbän- die Wahrscheinlichkeit, in die Grundsi- auch direkt auf das Positionspapier der Situation bei den anderen Fonds. Die Zah- den haben sich mittlerweile acht weitere cherung zu rutschen, ist sehr hoch. Die AFK. Die Künstlersozialversicherung ist len belegen, dass der tatsächliche Bedarf Verbände angeschlossen: Damit treten Anerkennung für den harten Arbeitsalltag ein einzigartiges und schützenswertes Si- nicht einmal annähernd gedeckt werden  Interessenvertretungen mit einer ge- und den großen gesellschaftlichen Bei- cherungssystem, das in der Theorie frei- kann. Es bleibt zu hoff en, dass die Koalition meinsamen Agenda auf und sprechen für trag der Kunst- und Kulturschaff enden schaff enden Künstlern und Publizisten ihr Versprechen im Koalitionsvertrag zeit- hunderttausende selbstständige Akteure lässt eindeutig zu wünschen übrig. Zur vereinfachten Zugang zur gesetzlichen nah angeht und in der Förderpraxis eine in der Freien Szene. Rentenproblematik heißt es im Koaliti- Kranken-, Pfl ege- und Rentenversicherung »Vereinfachung und Entbürokratisierung erwirken (und) bewährte Förderinstru- mente, wie die Bundeskulturförderfonds, entsprechend ausbauen (…)« wird. Nicht wenige Forderungen der Allianz der Freien Künste haben mittelbar oder so- gar direkt ihren Weg in den Koalitionsver- trag gefunden. Es gilt nun, diese – aber auch die weiteren, nicht benannten Forderungen der AFK – zügig umzusetzen um die längst überfällige Verbesserung der Arbeits- und Lebensbedingungen der privatrechtlich or- ganisierten Kunst- und Kulturschaff enden zu erreichen. Eine zentrale Frage jedoch bleibt: Wie werden unsere politischen Ver- treter diese Vorhaben angehen? Wir sehen dafür nur einen einzigen Weg: Den off e- nen, konstruktiven und kontinuierlichen Dialog zwischen Interessenvertretungen und Politik. Die Allianz der Freien Künste steht hierfür als Ansprechpartner mit den entsprechenden Kenntnissen und umfas- sender Expertise bereit und wir werden uns aktiv in den Diskurs einbringen.

Lena Krause ist Sprecherin der Allianz der Freien Künste

ALLIANZ DER FREIEN KÜNSTE FOTO: THILO MÖSSNER THILO FOTO: Szene aus der Musiktheaterserie »Schwarz-Rotz-Gold-Sturm« von Hauen-und-Stechen In der Allianz der Freien Künste sind folgende Interessenvertretungen Mit- Ein maßgeblicher Teil der Kunst- und Kul- onsvertrag: »Um den sozialen Schutz von gewähren soll. In der Praxis sieht es jedoch glied: Bundesverband Freie Darstellen- turproduktion in Deutschland wird von der Selbstständigen zu verbessern, wollen unter Umständen ganz anders aus, da auf de Künste, Union Deutscher Jazzmu- Freien Szene und den darin privatrechtlich wir eine gründerfreundlich ausgestaltete den typischen Wechsel der Erwerbsformen siker, Verein für Freie Ensembles und organisierten Kunst- und Kulturschaff en- Altersvorsorgepfl icht für alle Selbststän- in der Bürokratie der KSK häufi g nur mit Orchester in Deutschland, Bund der den erbracht. Die Freie Szene hält die Kul- digen einführen (…). Grundsätzlich sollen einer gewissen Infl exibilität und Trägheit Szenografen, Bundesverband Theater tur lebendig, facettenreich und hat einen Selbstständige zwischen der gesetzlichen reagiert werden kann. So ist z. B. der Wie- im öff entlichen Raum, Verband Deut- stilprägenden Einfl uss auf ästhetische Dis- Rentenversicherung und – als Opt-out- dereintritt eines Selbstständigen, der we- scher Puppentheater, Vereinigung Alte kurse. Sie ist Motor für Innovation sowie Lösung – anderen geeigneten insolvenzsi- gen eines sozialversicherungspfl ichtigen, Musik, Bundesverband Tanz in Schulen, Entwicklung und trägt damit substantiell cheren Vorsorgearten wählen können, wo- kurzfristigen Beschäftigungsverhältnisses Dachverband Tanz Deutschland, Hans- zur zivilgesellschaftlichen Entwicklung bei. bei diese insolvenz- und pfändungssicher aus der KSK ausgetreten war, von bürokra- Flesch-Gesellschaft – Forum für akusti- Die Arbeits- und Lebensrealität in der sein und in der Regel zu einer Rente ober- tischen Hürden gesäumt, die den Prozess sche Kunst, Verband der HörspielRegie, Freien Szene ist geprägt von sich häufi g än- halb des Grundsicherungsniveaus führen häufi g unnötig kompliziert machen und Deutsche Gesellschaft für Elektroakusti- dernden, fl exiblen Arbeitssituationen wie müssen.« Diese Formulierungen fi nden in die Länge ziehen. Diese bürokratischen sche Musik, Deutscher Komponistenver- der Projektarbeit und dem typischen Wech- sich jedoch nicht im Kapitel zur Kultur, sie Hürden gilt es abzubauen und wir fordern band, Deutscher Textdichter-Verband, sel zwischen selbstständiger Tätigkeit und beziehen sich also nicht dezidiert auf die die Politik auf, die Zugangsvoraussetzun- Gesellschaft für Neue Musik. Sprecher kurzfristiger Beschäftigung. Darin besteht Selbstständigen im Kunst- und Kulturbe- gen im Hinblick auf den wechselnden Er- der Allianz der Freien Künste sind Ste- ein starker Unterschied zur unbefristeten, reich, sondern auf Selbstständige im All- werbsstatus der Solo-Selbstständigen zu phan Behrmann und Lena Krause. sozialversicherungspfl ichtigen Beschäf- gemeinen. Der gewichtige Umstand, dass evaluieren und anzupassen. tigung. Die sozialen und wirtschaftlichen Selbstständige im Kunst- und Kulturbe- Ein weiteres zentrales Anliegen der Mehr unter: Rahmenbedingungen jedoch, unter denen reich im Vergleich zu Selbstständigen aus AFK sind zügige Reformen im Kranken- www.allianz-der-freien-kuenste.de Politik & Kultur | Nr. /  | Mai — Juni  FREIE SZENE KULTUR 21

Freies Theater heute Die freien darstellenden Die einzigartige künstlerische Arbeit Künste prägen die Theater- der Freien Szene entsteht dabei im- mer noch unter größtenteils prekären und Tanzlandschaft Bedingungen. Das durchschnittliche Jahreseinkommen von . Euro JANINA BENDUSKI laut Künstlersozialkasse (KSK) und eine prognostizierte Rente von  reie darstellende Künste arbei- Euro im Durchschnitt sprechen eine ten mit alternativen, aber gleich- deutliche Sprache. Die Hauptursachen F wertigen Formen ästhetischen dafür sind mit Sicherheit die nach wie Produzierens für Bühnensituationen. vor mangelhafte Ausstattung vieler Dieses geschieht nicht aus der Not- Förderinstrumente und die hybriden wendigkeit heraus, ein institutionel- Erwerbsbiografi en der Künstlerinnen les System zu bedienen, sondern folgt und Künstler. Denn eine Überschnei- dem Prinzip der Selbstermächtigung, dung mit dem Stadt- und Staatstheater indem künstlerische Ideen am Anfang fi ndet vor allem durch die individuellen von Prozessen stehen. Landesverbände Arbeitsbiographien statt. Immer mehr und Bundesverband ermöglichen da- Menschen arbeiten mal in einem Stadt- bei ein gemeinsames kulturpolitisches theater und mal sind sie an einer frei- Handeln, um bestmögliche Bedingun- produzierten Inszenierung beteiligt gen für freie Akteurinnen und Akteure oder realisieren ihre eigene künstleri- zu schaff en. sche Idee als freies Projekt. Der Bundesverband Freie Darstellen- Seit seiner Gründung widmet sich de Künste vertritt seit  als Dach- der Bundesverband daher zunächst und verband die  Landesverbände der vor allem der Verbesserung der sozia- len Lage und der Arbeitsbedingungen der Szene. Zusammen mit dem Fonds Die einzigartige künst- Darstellende Künste hat der Verband bereits  eine groß angelegte Stu- lerische Arbeit der die zur sozialen Lage freier Tanz- und Freien Szene entsteht Theaterschaff enden durchgeführt. Die dabei immer noch Ergebnisse fl ossen ein in den »Report Darstellende Künste« () sowie in unter größtenteils ein zweitägiges Symposium. Im Okto- prekären Bedingungen ber  haben wir dann erstmals eine Empfehlung zu einer Honorarunter- grenze für freiberufl iche Tanz- und Freien Darstellenden Künste sowie drei Theaterschaffende ausgesprochen. assoziierte Fachverbände bundesweit. Damit wurde ein wichtiges Zeichen für Insgesamt sind so über . Mitglieder die Politik gesetzt: Den langjährigen organisiert: freie Gruppen, Ensembles Diskussionen um die prekären Lebens- sowie Künstlerinnen und Künstler, die und Arbeitsbedingungen vieler profes- eigene Projekte und Strukturen initiie- sioneller Tanz- und Theaterschaff ender ren, freie Produktionshäuser und Spiel- folgt nun ein konkreter Vorschlag zur stätten und viele weitere Formen künst- Verbesserung. Die Honoraruntergren- lerischer Zusammenschlüsse. Über ze soll als Richtschnur für Politik und . Kunst- und Kulturschaff ende, Verwaltung dienen, liefert aber auch die in diesem frei produzierenden Be- den Akteuren selbst Anhaltspunkte für reich tätig sind, formen die Freie Szene die Kalkulation eines fairen Honorars. – oder eben besser die vielen Szenen der Ein weiteres Schwerpunktthema für freien darstellenden Künste in vielen den Verband sind die Förderstrukturen unterschiedlichen Regionen, Städten für freies Arbeiten. Wir beauftragten und Metropolen. daher das Institut für Kulturpolitik der Die freien darstellenden Künste Kulturpolitischen Gesellschaft mit ei- bringen neue künstlerische Arbeits- ner Studie, die Ende  erschienen ist. weisen hervor. In der Freien Szene Mit der Studie »Aktuelle Förderstruk- entsteht etwas Neues und die Stich- turen der freien darstellenden Künste worte dazu sind schon lange bekannt. in Deutschland – Ergebnisse der Be- Kollektives Arbeiten, selbstbestimmtes fragung von Kommunen und Ländern«

Arbeiten, der Aufbruch des Bühnen- ist die erste systematische Darstellung SCHMIDT DIETMAR FOTO: raums, Stückentwicklung, Recherche, der Förderung der Freien Darstellenden Szene aus »Die Umschülerinnen« von Vanessa Stern Performance, Dokumentationstheater, Künste in Deutschland entstanden, ein, partizipative Formate, installatives wie wir hoff en, wichtiges Nachschlage- ausgeprägte Wunsch nach mehr Aus- erhöhtes Interesse, sich zu organisie- Wir hoff en, dass in Zukunft über das Arbeiten, die Überwindung der Genre- werk und Arbeitsinstrument. tausch zu Themen wie z. B. Jurypro- ren und füreinander stark zu machen. freie Produzieren – das Zusammen- und Spartengrenzen und vieles mehr; Anschließend haben wir  eine zessen, Antragsverfahren, der Wunsch Die Solidarität nimmt zu. Auch kultur- spiel der Künstlerinnen und Künstler eine einzigartige künstlerische Praxis Gesprächsreihe im Rahmen von Fes- nach mehr Wissen zu neuen oder lange politische Entscheidungen, bei denen sowie Gruppen mit den Häusern und aus vielen künstlerischen Praxen. Alle tivals der freien darstellenden Küns- schon erfolgreich praktizierten Förder- Überlegungen zum frei produzieren- unterstützenden Strukturen – als Akteurinnen und Akteure eint jenseits te in ganz Deutschland durchgeführt. instrumenten, zu Förderkriterien und den Bereich eine Rolle spielen, nehmen selbstverständlicher, eigenständiger der unterschiedlichen Strukturen und Vergabeverfahren. zu. Auf der europäischen Ebene gilt Teil der Tanz- und Theaterlandschaft Arbeitsweisen das Primat der künstle- Und es besteht die klare Notwen- es die Zusammenarbeit mit anderen in Gelassenheit geredet werden kann rischen und inhaltlichen Ideen. Es besteht die klare digkeit, kontinuierliche künstlerische europäischen Verbänden der frei pro- – ohne permanente Abgrenzung zu an- Die freien darstellenden Künste Tätigkeit auch überjährig und langfris- duzierenden darstellenden Künste zu deren Strukturen. Als Bundesverband arbeiten in heterogenen und vielfälti- Notwendigkeit, tig zu unterstützen. Denn wenn freie verstärken, gerade im osteuropäischen Freie Darstellende Künste wollen wir gen Formationen. Als zweite Säule der kontinuierliche künst- Theater-, Tanz- oder Performance- Bereich, wo im Lichte der jüngsten Ent- dazu beitragen, dass diese einzigartige Theaterlandschaft haben sich viele der lerische Tätigkeit auch Gruppen sowie Häuser vertrauensvoll wicklungen die Defi nition von »Inde- und immer wieder neue Arbeitsweise freien Häuser und Spielstätten in ihren längerfristig unterstützt und gefördert pendent Theatre« eine neue politische erhalten und ausgebaut werden kann Städten und der dortigen Stadtgesell- überjährig und lang- werden, können sie sich in der selbst- Dimension annimmt. In Deutschland und hoff en, dass Politik und Verwaltung schaft etabliert und ein eigenes konti- fristig zu unterstützen bestimmten gemeinsamen Arbeit über hat die von uns initiierte Allianz der auf die neuen Anforderungen reagieren. nuierliches Publikum ausgebildet. Viele Jahrzehnte künstlerisch entwickeln. freien Künste, ein Zusammenschluss der freien Gruppen und Ensembles sind Inszenierungsansätze können über von  Verbänden aus allen künstleri- Janina Benduski ist Vorsitzende des weltweit auf den renommierten Theater- Die Gesprächsreihe »Was wir wollen« lange Zeiträume hinweg vorbereitet, schen Sparten, ein erstes Positionspa- Bundesverbandes Freie Darstellende und Tanzfestivals vertreten und aner- lud Kunst- und Kulturschaff ende ein, ausprobiert, pausiert und wieder auf- pier verabschiedet. Künste kannte Katalysatoren neuer künstleri- gemeinsam über ihre Bedarfe und genommen werden. Die Aufgabe des scher Entwicklungen. Ein Gefl echt aus Anforderungen an eine zeitgemäße Bundesverbandes Freie Darstellende Kooperation, aus Zusammenschlüssen Fördersystematik zu sprechen. Aus Künste wird es auch in Zukunft sein, und Netzwerken, im ländlichen Raum den Ergebnissen der Studie und den diese Arbeitsform zu unterstützen und FREIE SZENE  BEGRIFFSKLÄRUNG oder in den Metropolen, im Bereich der Erkenntnissen aus der Gesprächsreihe ihre Bedürfnisse weiter und verstärkt kulturellen Bildung genauso wie auf resultierten für uns zahlreiche Aufträge. nach außen zu vertreten. Die Gesamtheit aller professionellen tektur, bildende Kunst, darstellende den großen internationalen Festivals, So besteht hoher Gesprächsbedarf bei Die freien Künste schließen sich freien Kunstschaff enden, Künstlerin- Kunst, Musik, Neue Medien, Litera- in regionalen kulturellen Strukturen zahlreichen der Fördermittel verteilen- weiter zusammen. Alle Landesver- nen und Künstler, Ensembles, Ein- tur sowie aller spartenübergreifenden genauso wie in überregionalen und den Institutionen genauso wie bei den bände freuen sich aktuell über deutlich richtungen und Strukturen in freier und transdisziplinären künstlerischen internationalen Netzwerken. Geförderten. Es besteht bundesweit der gewachsene Mitgliedszahlen und ein Trägerschaft aus den Bereichen Archi- Arbeiten. 22 FREIE SZENE KULTUR www.politikundkultur.net

etwas mache oder nicht. Ein Schau- zur Folge gehabt, dass auch die Po- spieler am Stadttheater hingegen litik gemerkt hat, dass sie unbedingt macht das, was der Intendant ange- Räume zur Verfügung stellen muss. ordnet hat. Wie der bildende Künstler Wir, Bürger der Stadt, kennen die entscheidet auch der darstellende Teuerung der Stadt. Das betriff t umso Künstler der Freien Szene selbst, was mehr künstlerische Produktionen, er wann künstlerisch tun will. Das ist die sich ohnehin im sehr prekären ein riesen Unterschied. Bereich ohne Finanzpolster befi nden, Ich glaube, es ist uns gelungen, einen sehr, sehr viel stärker. Begriff zu defi nieren. Zumindest aus Geändert hat sich auch, dass heute dem Gesichtspunkt, dass heute alle die Freie Szene ein Begriff ist. Kein von Freier Szene sprechen – und nicht Politiker kann heute von Kulturpolitik mehr von der alternativen Szene oder sprechen, ohne die Freie Szene zu der Off -Szene. erwähnen. Das ist unter Klaus Wowe- Als zweite Aufgabe haben wir ver- reit und André Schmitz noch deutlich sucht, eine Art Austauschplattform anders gewesen. zwischen den verschiedenen künst- lerischen Sparten zu bilden, um uns Inwiefern hat sich in dieser Zeit gegenseitig zu informieren: Was läuft Ihre kulturpolitische Arbeit mit- bei euch? Wie funktioniert das bei samt Ihren Forderungen geändert? euch? Interessant war, dass oft Be- Ein paar Sachen, die vor sechs Jah- griffl ichkeiten zum Förderverständnis ren aussichtslos erschienen, sind der künstlerischen Praxis in den verwirklicht. Es gibt z. B. Honorarun- verschiedenen Sparten ganz unter- tergrenzen. Es ist mittlerweile völlig schiedlich waren. Das hatte auch zur klar in der darstellenden Kunst, dass Folge, dass z. B. die Kommunikation sich kein Künstler mehr einen Vorteil mit der öff entlichen Hand zum Teil bei seinem Antrag verschaff t, indem nicht richtig funktioniert hat. Bei- er ohne Honorar arbeitet. Genauso spielsweise gab es eine Basisförde- haben sich in der bildenden Kunst die rung in der darstellenden Kunst. Da Ausstellungshonorare durchgesetzt. wurden Gruppen oder Orte in ihrer Vorher hat man gesagt: »Du stellst in Struktur fi nanziert. Es gab keinen lo- einem öff entlich geförderten Ort aus. gischen Grund, warum dasselbe in der Freu dich darüber, das ist eine Frage

FOTO: LENA MODY LENA FOTO: bildenden Kunst nicht funktionieren der Ehre. Und du bist dadurch am Szene aus »Cassandra has turned  « von Kareth Schaff er sollte. Aber das bedurfte erst einige Markt präsent, dann kannst du dich Jahre der Diskussion zwischen den vielleicht besser verkaufen.« Damit verschiedenen Sparten. ist alles, was aus der öff entlichen Als dritte Aufgabe wurden die Forde- Hand in die bildende Kunst gefl ossen rungen der gesamten Freien Szene ist, nichts anderes als Marktanschub- Berlins »Unique Selling Point« zusammengetragen, die sehr poin- fi nanzierung gewesen. Das hat sich tiert auf zehn Punkte und dezidiert geändert. Und das ist sehr gut so. Die Koalition der Freien projektbasiert oder ganz ohne För- Museen in Berlin auch sind, sie sind an Haushaltstiteln orientiert an die Wie gesagt, nichts geändert hat sich Szene tritt für freie Künst- derung arbeitet, ist die Freie Szene. nicht der »Unique Selling Point« – Politik herangebracht werden sollten – an der Dramatik der Raumsituatio- um ein Wort, das Tim Renner immer mit einer Stimme. nen. Vor allem angesichts der neuen lerinnen und Künstler in Sie waren  bei der Entstehung wieder benutzt hat, zu verwenden. Regierung fi nde ich es eher erschre- der Hauptstadt ein der Koalition der Freien Szene da- Sondern das, was Berlin besonders Dieses Spartenübergreifende der ckend, wie in dieser Frage zusammen- bei. Wieso wurde sie gegründet? auszeichnet, ist eben diese Freie Koalition der Freien Szene ist eine gearbeitet wird. Die neue Regierung Berlins weltweiter Ruf als Kreativme-  kam eine Situation in der Kunst Szene, ihre Akteure und ihre künst- Besonderheit. Wie gelingt es, diese aus rot-rot-grün hat Partizipation als tropole rührt vor allem aus der leben- auf, bei der zum ersten Mal deutlich lerische Produktion, die nicht wegen doch sehr unterschiedlichen Sze- Methode ihrer neuen Politik in ihren digen Freien Szene. Doch steigende wurde, dass dieses Versprechen der staatlicher Förderung, sondern eher nen unter einen Hut zu bringen? Koalitionsvertrag mit reingeschrie- Mieten und mangelnde Förderungen Freiheit, das Berlin seit der Wende trotz staatlichen Handelns entstan- Das ist die leidvolle Erfahrung aus ben. Davon spüren wir gar nichts. Das bereiten den freien Künstlerinnen und versprüht hat, nicht mehr existiert. den sind. dem ersten Jahrzehnt dieses Jahrhun- ist fast sogar ein Rückschritt. Das Künstlern immer mehr Probleme. Die Denn nicht nur die Räume, auch Der Gründung der Koalition der Frei- derts, als die Sparten eher gegenein- Etatistische in der Art und Weise, wie Koalition der Freien Szene hat sich die Lebenskosten waren bis dahin en Szene sind in den unterschied- ander gearbeitet haben: Man kannte Politik gemacht wird, im Kunstbe-  gegründet, um dieser Situation sehr günstig. Aber damit war es nun lichen Kunstsparten jahrelange sich nicht, hatte keinen Begriff vonei- reich jedenfalls, ist deutlich stärker Abhilfe zu schaff en und der Freien Sze- off ensichtlich vorbei. Gleichzeitig Entwicklungen vorangegangen. In nander. Da konnte die Kultursenats- geworden. Die Verwaltung hört sich ne auch in Zukunft ihre Schlüsselrolle sah man deutlich, dass die Stadt der darstellenden Kunst haben sich verwaltung eine kleine Krume in eine an, was die Leute zu sagen haben, sagt im Kulturleben der Hauptstadt zu si- ihre Kunstszene immer mehr als zuvor z. B. Organisationen wie der Sparte werfen und dann sind die an- Dankeschön und entscheidet dann chern. Christophe Knoch gibt Theresa Identifi kations- und Werbemerkmal Landesverband freie darstellende deren wie die Hackvögel übereinander komplett selber. Das sind in der kul- Brüheim Auskunft über die Arbeit der nutzt. Die Tourismusorganisationen Künste Berlin gebildet. Es entstan- hergefallen und haben gesagt: »Ich turpolitischen Zusammenarbeit eher Koalition der Freien Szene und ihre der Stadt haben mit ihrer Kampag- den immer mehr Spartenvertretun- will auch, ich will auch.« Man hat da- Rückschritte. Das ist sehr bedauerlich. kulturpolitischen Forderungen. ne »Be Berlin. Be Creative« mit der gen, die sich untereinander ausdiff e- bei gar nicht gemerkt, dass es immer künstlerischen Produktion für Berlin renziert haben. Das war nicht immer absurd wenig Geld war, um das man Haben diese Rückschritte Sie dazu Theresa Brüheim: Herr Knoch, geworben. Der furchtbare Satz von konfl iktfrei. kämpfte. Stattdessen hätte man um bewogen, als Sprecher der Koaliti- was tut die Koalition der Freien Klaus Wowereit – »Arm, aber sexy«  war dann der richtige Zeitpunkt, neue strukturelle Fördermodelle und on der Freien Szene zurückzutre- Szene? – hat auch sehr viel damit zu tun um sich zusammenzutun und end- weitere Strukturen kämpfen sollen. ten? Christophe Knoch: Die Koalition der gehabt. Während die Welt Berlin als lich mit einer Stimme zu sprechen, Der wesentliche Punkt, der es mög- Ja, für mich ist das ein deutlicher Freien Szene versucht, die Produk- einen Hotspot der künstlerischen die von der Politik fordert, aber sie lich machte, alle unter einen Hut Grund. Es soll auch ein deutliches tionssituation der verschiedenen Produktion entdeckt und anerkannt auch berät und ihr Gesprächspartner zu bringen, war, dass es in jeglicher Zeichen sein. Nicht, dass ich mich künstlerischen Praxen, die wir als hat, ist gleichzeitig das Geld, das ist. künstlerischer Arbeit bestimmte hier überschätzen will; aber das, was Freie Szene bezeichnen, in Berlin zu damit verdient wurde, nicht wieder Phasen der Produktion gibt. Es gibt wir bisher angeboten haben als Koa- verbessern. Es ist ein kulturpoliti- zurückgefl ossen an die Leute, die die Basierend auf dieser Ausgangs- immer eine vorbereitende Recherche- lition der Freien Szene, nämlich mit scher Ansatz, um die Voraussetzung Kunst produziert haben. Da ist ein lage: Welchen Aufgaben hat sich phase, eine produzierende Phase und einer Stimme zu sprechen und einen künstlerischer Produktion zu schaf- immer größeres Ungleichgewicht die Koalition der Freien Szene eine präsentierende Phase – auch mit Ansprechpartner zu haben, ist für die fen oder zu verbessern. Das Ganze aufgetreten. Wir haben dann ange- verschrieben? einer Form des erweiterten Zugangs Politik und Verwaltung wahnsinnig funktioniert so: Vier- bis fünfmal im fangen, nachzuschauen, was passiert Zuerst sollte ein Begriff von sich zum Publikum. Das sind abstrakte praktisch gewesen. Wenn irgendwas Jahr kommt ein Plenum aus freien hier? Wie wird in Berlin konkret für selbst gebildet werden. Lange Zeit Schritte, die es überall in der künst- war, hatten sie meine Telefonnum- Berliner Künstlerinnen und Künst- die gesamte Freie Szene Geld aus- ist nur von der alternativen Kunst, lerischen Produktion gibt. Dafür hat mer und man konnte anrufen. Das ist lern zusammen, um punktuell drän- gegeben? Besteht die Möglichkeit, einem Begriff aus dem Deutschland aber ein gemeinsamer Begriff oder intensiver genutzt worden, als man gende Fragen zu besprechen. Die dass wir, Akteure der Freien Szene der er Jahre, oder der Off -Szene, ein gemeinsames Verständnis sehr sich das denken mag. Dadurch ist die regelmäßige Arbeit wird von einem aller verschiedenen Kunstsparten, geprägt vom New Yorker Jargon des lang gefehlt. Dieses gemeinsame komische Situation entstanden, dass Sprecherkreis weitergeführt, der aus zusammen hinter bestimmten For- On- und Off -Broadway, gesprochen Verständnis hat geholfen, das kul- die Verwaltung in der neuen Regie- mandatierten Vertretern spezifi scher derungen stehen, die wir der Politik worden. Das passte eben gut auf turpolitische Engagement zu formen, rung gedacht hat: »Ach, wenn wir da Spartenverbände oder spartenun- gegenüber klarmachen können? darstellende Kunst, Tanz, teilweise damit die künstlerische Produktion in mal telefoniert haben, dann haben wir gebundene Menschen wie z. B. mir Ein Ergebnis war die Gründung der auch auf Musik, vor allem auf die Freiheit arbeiten kann. doch im Grunde genommen das We- selbst besteht. Als off ene Aktions- Koalition der Freien Szene. Gemein- klassische Musik. Das passt aber sentliche besprochen, und damit hat plattform ist das ein Versuch, jedem sam und solidarisch wollte man sich überhaupt nicht auf die bildende Auf Ihrer Webseite heißt es, dass es sich.« Die gesamte Kommunikation einzelnen Künstler die Chance zu hinter Forderungen stellen. Denn Kunst und Literatur. Es gibt kein Mu- die Koalition der Freien Szene sich geschieht immer unordentlicher. Das geben, gehört zu werden. Fakt war,  Prozent des Geldes geht seum, das ein Ensemble an bilden-  als Reaktion auf die eklatante kann nicht sein. Dafür ist die Stadt zu in institutionell geförderte Kunst den Künstlern angestellt hat. Oder Fehlentwicklung im Berliner Kul- groß und die Aufgabe zu wichtig. Was versteht die Koalition unter und fünf Prozent oder weniger geht kein Verlagshaus, das Schriftsteller turhaushalt gegründet hat. Was dem Begriff »Freie Szene«? Was in das, was wir »Freie Szene« nennen. fest beschäftigt. Ein wichtiger Punkt hat sich denn seitdem getan? Christophe Knoch war Sprecher der umfasst diese? Auch wenn dort wahrscheinlich  in dieser Begriff sfi ndung war die Finanziell gesehen, in absoluten Zah- Koalition der Freien Szene. Er erklärte Freie Szene – das ist ein schwieri- Prozent der Künstler Berlins arbei- Selbstbestimmtheit. Amelie Deufl - len, sehr viel. Finanziell gesehen, in am . April  seinen Rücktritt. The- ger Begriff . Wir können es einmal ten. Das Ungleichgewicht ist einfach hard vom Kampnagel hat z. B. als De- relativen Zahlen, überhaupt nichts. resa Brüheim ist Chefi n vom Dienst von abgrenzen, indem wir sagen, Freie sehr krass – auch heute noch. Auch fi nition für die Freie Szene einen in- Und wenn man dann sieht, was die Politik & Kultur Szene ist alles, was nicht institutio- andere Städte haben besondere teressanten Begriff genommen: die Förderung im Verhältnis zu den ge- nell gefördert wird. Z. B. Stadttheater, Kulturinstitutionen z. B. hat Köln Selbsteingesetzten bzw. die Selbst- stiegenen Lebenshaltungskosten in Das Gespräch fand kurz vor dem Rücktritt Opernhäuser oder Museen werden eine großartige Oper, München tolle ermächtigten. Denn ich entscheide Berlin betriff t, könnte man sogar von von Christophe Knoch als Sprecher der institutionell gefördert. Alles, was Museen. So gut aber die Opern und als bildender Künstler selbst, ob ich einem Rückschritt sprechen. Das hat Koalition der Freien Szene statt. Politik & Kultur | Nr. /  | Mai — Juni  FREIE SZENE KULTUR 23

Frei und in der Initiative mit dabei Leipzigs Freie Kulturszene und ihre kulturpolitische Mitgestaltung

SVEN SCHERZSCHADE die Freie Szene zählt momentan , samkeitsanalyse in Auftrag gegeben. sichtigen wird – wenn ... ja, wenn sie in Etat. Oder es wird nur noch halb so viele Millionen Euro. Es knirscht aber fi nan- Kulturpolitisch sieht die Kulturbür- Zukunft einmal beschlossen würden, Projekte geben. »Ich glaube, letzteres edes Jahr beantragt Steff en Birn- ziell dennoch sehr bei den Freien. Und germeisterin vor allem die Festivals beispielsweise in der darstellenden will in Leipzig niemand«, so Elstermann. baum Fördergelder für den Leip- jene Fünf-Prozent-Forderung ist für und die soziokulturellen Zentren als Kunst vom Landesverband für Darstel- Im Gegenteil. Kulturpolitischer ziger Literarischen Herbst. Zum die Verwaltung passé.  beschloss absicherungswert, die für Jennicke »Da- lende Kunst. Wunsch ist, dass es mehr und besser J zehnten Mal organisiert er das der Stadtrat, dass der Topf für die Freie seinsfürsorge und Infrastruktur-Siche- Das Problem: Aus Sorge, abgelehnt wird. Die Stadt will, dass Freie Szene jetzt. Das Festival entstand zur Wen- Szene jährlich um , Prozent anzuhe- rung in besonderem Maße« darstellen. zu werden, rechnen viele Freie ihre Pro- und große Einrichtungen wie Schau- dezeit, hat Tradition. Es ist städtisch ben ist. »Das gilt und wird gemacht«, Leipzig hat zehn freie soziokulturel- jektkosten in den Anträgen herunter. spiel oder Gewandhaus miteinander fi nanziert. »Es fi ndet regelmäßig statt, sagt Jennicke, die über diese Dynami- le Zentren. Ein elftes – das KOMM-Haus kooperieren. Bislang beruhten der- ist aber nicht institutionalisiert«, sagt sierung froh ist. »Mir ist keine andere in Grünau, im Westen der Stadt – ist artige Kooperationen auf Einzelini- Birnbaum. Auf die Frage, ob kulturpoli- Kommune bekannt, wo ein Fördertopf in städtischer Hand. Der Übergang in Leipzig kann sich tiativen und persönlichen Kontakten. tisch nicht endlich mal eine Institutio- automatisch anwächst.« Das erkennt freie Trägerschaft wird gerade vorbe- glücklich schätzen, Jetzt geht es aber generell darum, dass nalisierung angebracht wäre, reagiert er die Initiative an. Elstermann fügt aber reitet. Ob das begrüßenswert ist, ist beide Lager sich annähern. Seit  verhalten. Das käme darauf an, ob »den hinzu, dass die Gelder für die städti- umstritten. Zwar hat sich die freie eine vernetzte und gibt es dafür eine Arbeitsgruppe mit anderen« dadurch was fehlen würde. schen Kulturinstitutionen regelmäßig Trägerschaft für die inhaltliche Arbeit politisch organisierte Intendanten und Initiative-Sprechern. Birnbaum kennt praktisch alle Leipzi- wegen der steigenden Betriebskosten der soziokulturellen Zentren bewährt. Freie Szene zu haben Ein Zwischenergebnis: Alle Beteiligten ger Autoren. Er ist Vorsitzender im VS und der Tariferhöhungen angehoben Man ist fl exibler, unterliegt weniger wünschen solche Kooperationen. Man Sachsen, dem Verband der Schriftsteller würden. Für die Freie Szene gelten sol- Vorschriften, erhält leichter Drittmit- kann sie aber nicht »erzwingen«. Die innerhalb der ver.di, und er ist Spre- che Bezugspunkte leider nicht. tel. »Aber wir haben in den soziokultu- »Das machen wir, solange ich zurück- freien Theatergruppen hatten sich et- cher der Literatur-Sparte innerhalb der rellen Zentren auch das Problem, dass denken kann«, benennt Falk Elster- was mehr erhoff t. Sie wünschten sich Initiative »Leipzig plus Kultur«, dem die Bezahlung der Angestellten nicht mann die selbstbetrügerische Praxis, feste Produktionsplätze, wo sie zu den Erneuerungen der Richtlinien kommunal-kulturpolitischen Schul- dem selben Standard entspricht wie in die es der Politik unmöglich macht, Bedingungen der Großen arbeiten terschluss der Freien Szene. Die Ini- Ein Erfolg der Initiative war, dass im der kommunalen Einrichtung«, warnt die tatsächlichen Defi zite überhaupt könnten. »Die Häuser und auch ich tiative ist auch ein e.V., aber die freien letzten Jahr wie gefordert die alte Fach- Falk Elstermann. Bislang sei das Rabet wahrzunehmen. Immerhin haben die haben dazu aber ›nein‹ gesagt«, so die Künstler müssen nicht Vereinsmitglied förderrichtlinie geändert wurde. Es gibt in städtischer Trägerschaft ein »Ver- Freien nun aufgrund der neuen, er- Kulturbürgermeisterin. Würde eine von sein, um sich inhaltlich einzubringen. nun verschiedene Förderinstrumente, gleichs-Zentrum«, an dem man ermes- kämpften Transparenz einen Einblick, x Produktionen am Haus für die Freien Anfangs gab es fünf Spartensprecher, zwei Antragsverfahren pro Jahr. Die sen könne, wie Techniker, Hausmeister, was »so üblich« ist. Elstermann: »Die freigeräumt, so wäre dies der Einstieg jetzt sind es sieben. Einmal im Jahr ist Fachbeiräte, die über die Anträge in Programmdirektor etc. bezahlt werden Förderanträge weisen zum Großteil zu in die Erosion des Ensemble-Prinzips, Vollversammlung, jeden Monat off ene ihrer künstlerischen Qualität entschei- können. Die Position der Initiative niedrige Honorarsätze auf oder setzen lautet die Befürchtung. »Dann könnte Sitzung. Da kommt einiges an Arbeit den, sind transparent besetzt. Dass es »Leipzig plus Kultur« lautet deshalb: zu wenig Arbeitsstunden an.« Die Ini- man auch sagen, wir können drei Stel- zusammen für das Ehrenamt. Aber die mehrere Kulturvorhaben gibt, die – wie Defi niert die Standards für alle freien tiative kann von den eigenen Leuten len im Schauspielbereich streichen, Freien würden nur so politisch legiti- z. B. der Literarische Herbst Leipzig – soziokulturellen Zentren. Danach kön- nur schwer einfordern, der Solidarität weil ja eine Produktion für die Freie miert wahrgenommen, sagt Birnbaum: als Projekt gefördert, eigentlich aber ne dann auch das letzte in die Freiheit wegen beim Antrag alle Kosten wahr- Szene zur Verfügung gestellt ist«, sagt »Vor dem Kulturamt spreche ich für die mit einer institutionellen Förderung entlassen werden. heitsgemäß zu kalkulieren. Man riskiert, Jennicke. Ihr Argument sei das nicht. Literaturvereine und für die Autoren, abgesichert werden müssten, ist ein Das Problem der Honorare besteht dass man ganz durchfällt. »Aber im Aber andere könnten so argumentieren, auch vor dem Kulturausschuss der Stadt, strukturelles Problem, mit dem auch in allen Sparten. In der Literatur ver- Nachhinein, in einem zweiten Durch- und zwar andere, die der Kultur gene- wo ich vertretungsberechtigt bin«. Sei- ne Meinung ist bei Stadträten gewichtig, weil man weiß, dass da die Initiative dahintersteht. Leipzig kann sich glücklich schät- zen, eine vernetzte und politisch gut organisierte Freie Szene zu haben. Das hat die Stadt insbesondere der Initia- tive »Leipzig plus Kultur« und ihrem Sprecher, Falk Elstermann, zu verdan- ken – freier Regisseur, Schauspieler, Kulturmacher – der seit je bei allen Eigeninteressen solidarisch an »die anderen« gedacht hat. Elstermann ist heute Geschäftsführer des soziokul- turellen Zentrums »die naTo«, das in freier Trägerschaft kommunal gefördert wird. Seine künstlerische Arbeit müsse gerade etwas ruhen, sagt er. Die Arbeit für die Initiative spannt ihn sehr ein. Gegründet wurde »Leipzig plus Kultur« , kam aber erst  richtig in Fahrt, als die Fördermittel für die Freie Sze- ne drastisch gekürzt wurden. Mehrere Häuser mussten schließen, traditions- reiche Projekte konnten nicht stattfi n- den. Damals entstand die Kampagne »Fünf für Leipzig«, d. h. fünf Prozent vom Kulturetat sollte die Freie Szene erhalten. Der Anteil lag in diesen Jahren bei , Prozent. Die Freien strukturier- ten sich. »Ein ungeheurer Aufwand, der sich aber lohnt«, sagt Elstermann im Rückblick, auch wenn das mit den fünf Prozent nie geklappt hat. Zwar gab es  einen Stadtratsbeschluss, dass bis  die Fördermittel auf fünf Prozent hätten angehoben werden sollen. Es wurde aber nie erreicht. Elstermann spricht von Haushaltstricksereien. Mal seien städtische Einrichtungen als Ver- gleichsgröße weggefallen, mal seien ohnehin feste Posten als Freie Szene gewertet worden, um es hinzubiegen.

Dass diese »hochanfällige Regelung« WEINRICH PHILIPP FOTO: ständiger Streitpunkt war, bestätigt Szene aus »Lust« von Anna Aristarkhova Skadi Jennicke (Die Linke), damals Stadträtin und seit Juni  Leipzigs Skadi Jennicke nicht so recht zufrieden tritt Steff en Birnbaum für eine Lesung lauf, wenn die Anträge bereits ange- rell nicht so wohlgesonnen sind. Zur Kulturbürgermeisterin. Jennicke ver- ist. Etwa  Prozent aus dem Fördertopf mit anschließender Diskussion den nommen und abgelehnt wurden, wäre Erfolgsgeschichte der Initiative gehört, sucht, den Forderungen und Zahlen gehen an die institutionelle Förderung, Mindestsatz von  Euro. So die ver. so etwas möglich.« Dann hätte die Stadt dass Leipzigs Freie Szene solche Bös- bestmöglich gerecht zu werden:  der Rest an Projektförderung. Würde di-Vorstellung. Er weiß, dass das nur eine Richtgröße: So viel hätte unsere willigkeiten nun auch mitdenken muss. Millionen Euro Kulturbudget hat Leip- noch mehr an die institutionelle För- Literaturhäuser oder -vereine bezah- Kultur eigentlich gekostet. Elstermann Das macht kulturpolitisch zwar schlau, zig, worin auch die  Millionen Kul- derung fallen, gäbe es nur noch wenig len können, die Fördermittel erhalten. schätzt, dass Leipzigs Freie Szene ei- aber leider nicht unbedingt frei. turraumgelder des Freistaats Sachsen Geld für Innovationen, d. h. für wirklich Komplexer sind die Preisgestaltungen nen Aufwuchs von  Prozent bräuchte. sowie die Einnahmen der Einrichtun- neue Kulturvorhaben in der Stadt. Um bei größeren Projekten der Bühnen- Weil qua Fachförderrichtlinie angemes- Sven Scherz-Schade ist freier Journalist gen stecken. Die kommunalen Kultur- zu evaluieren, wie eff ektiv die Gelder kunst. In der Fachförderrichtlinie für sene Honorare vorgeschrieben sind, und arbeitet unter anderem zu den aufwendungen betragen demnach etwa der institutionellen Förderung einge- die Freie Szene ist festgeschrieben, dass blieben der Stadt in Zukunft nur zwei Themen Kultur und Kulturpolitik für  Millionen Euro. Der große Topf für setzt werden, hat Jennicke eine Wirk- die Stadt Honoraruntergrenzen berück- Möglichkeiten. Entweder sie erhöht den den Hörfunk SWR 24 FREIE SZENE KULTUR www.politikundkultur.net

»Miss Yellow and Me« von Olivia Hyunsin Kim

HARALD REDMER

ordrhein-Westfalen, kurz NRW, hat bundesweit neben Berlin die am weitesten ent- N wickelte Förderlandschaft für die Freie Szene – ohne Zweifel ein hohes Verdienst bisheriger Landespoli- tik. Für die freie Tanz- und Theatersze- ne war hier die deutliche Aufstockung der Fördermittel, die vor ca. acht Jahren erfolgte, und die damit einhergehende Einführung neuer Förderformate wie etwa der Spitzenförderung wegweisend. Als Meilenstein für die Freie Szene kann dann das Ende  vom Land- tag verabschiedete Kulturfördergesetz angesehen werden, das von vielen Ak- teuren – gerade auch den Freien – un- terschätzt wurde, weil seinerzeit die Verabschiedung des Gesetzes katego- risch an die Einfrierung des gesamten Kulturhaushaltes gebunden war. Erstmals wurde jedoch in einem Ge- setz die Bedeutung der Freien Szene als »ein Feld spezifi scher künstlerischer Produktions-, Präsentations- und Ver- mittlungsformen« für die Kulturland- schaft festgeschrieben. Es unterstrich damit zum einen explizit den genuin künstlerischen Wert und die Leistungs- kraft der Freien Szene. Das Gesetz hob darüber hinaus auch die Leistungen der Freien etwa in der kulturellen Bildung, z. B. in Programmen wie Kultur und Schule, Jekits, Kulturrucksack sowie ihre Impulse für die Kultur- und Kre-

ativwirtschaft und den gesellschaftli- KIM SANG MOO FOTO: chen Wandel – aktuell etwa die viel- fältigen interkulturellen Arbeiten –, und nicht zuletzt ihre Beiträge zum Strukturwandel, z. B. mit Arbeiten im und für den öff entlichen Raum, hervor. Um es einfach auszudrücken: Die Freie Mut zum Paradigmenwechsel Szene bringt Kunst in nahezu alle ge- Die Förderung der Freien Szene in Nordrhein-Westfalen sellschaftlichen Bereiche und eröff net Chancen zur Partizipation an Kunst und Kultur für alle gesellschaftlichen Arbeit über Wasser halten – ein fata- Aktuell geht es in NRW also nicht um und Akteure als noch vor zehn Jahren. Präsentation orientierten Ausrichtung, Gruppierungen. Dies geschieht trotz ler, die Szene instrumentalisierender ein neues Gesetz, sondern um eine kon- Gute Förderpolitik ist nicht zuletzt hin zu mehr konkreter Arbeits- und durchweg prekärer Arbeitsverhältnis- Irrtum. Denn: Jede Arbeit z. B. in der sequente Umsetzung des bestehenden Verzicht auf zu viel Regulierung durch Produktionsorientierung. Dies gilt be- se, mangelnder sozialer Absicherung kulturellen Bildung braucht die qua- Gesetzes. Gefordert sind neue Förder- Politik und Verwaltung. Das Stichwort sonders für die kleinen und mittleren und unklarer Lebensperspektiven lifi zierte künstlerische Basis. Sie ist strukturen, die dem Anspruch der Szene dazu ist: Vertrauen. Nicht auszuden- Spielstätten, die zu wenig Möglichkei- der Akteure. Geschuldet ist dies einer fundamentale Voraussetzung für jede entsprechen, einer Szene, die es seit  ken, wenn deutlich mehr Künstlerinnen ten haben, den veränderten Arbeits- kleinteiligen Projektförderstruktur, »Sekundärverwendung«. Jahren schaff t, sich trotz schwieriger und Künstler nicht einen Großteil ihrer weisen der Freien gerecht zu werden. die historisch als Gegenmodell zur Die Arbeit in und für die kulturel- ökonomischer Arbeitsbedingungen Arbeit darauf verwenden müssen, zu Zuversicht scheint auch angebracht, Hochkultur entstand. Nun aber kurz le Bildung wird im Übrigen gerade von und teilweise absurder Förderrichtli- überlegen, wie sie das nächste halbe dass eine mehr auf das Potenzial der vor einem nicht minder historischen den freien darstellenden Künsten mit nien nicht nur zu behaupten, sondern Gesamtszene ausgerichtete Förderpra- Overkill steht. Immer neue kurzfristige großer Leidenschaft und auf hohem herausragende künstlerische und ge- xis des Landes richtungsweisend für die Förderungen sind weder aus künstleri- fachlichen Niveau vorangetrieben. sellschaftliche Impulse zu setzen. Es kommunale Förderung wäre. Es gibt scher noch aus kulturpolitischer Sicht In diesem Zusammenhang muss nun braucht Förderstrukturen, die dem Ent- Ein Feld spezifi scher einige Kommunen, die entsprechende sinnvoll. Das Wort »Projektitis« sorgt die aktuelle Diskussion um die Freie wicklungsstand der Szene entsprechen: künstlerischer Förderformate in bescheidenem Rah- für ratloses Kopfschütteln nicht zuletzt Szene in NRW gesehen werden. Es gibt Das Bundesforum markierte das Spekt- Präsentations- und men bereits anbieten. in der Verwaltung, wo man die Masse an mehr Geld für die Kultur, immerhin  rum der freien darstellenden Künste so: Natürlich gibt es Risiken. Es ist nicht Anträgen kaum noch bewältigt. Prozent mehr im Vergleich zum letzten »Kollektives Arbeiten, selbstbestimmtes Vermittlungsformen garantiert, dass sich mit einer weniger Dies kann nicht so weitergehen, will Haushalt, wenn auch auf relativ niedri- Arbeiten, Aufbruch des Bühnenraums, regulierten, breiten Förderung der Sze- man nicht das wertvollste Potenzial, das gem Gesamtniveau. Die neue Ministe- Stückentwicklung, Recherche, Perfor- ne größerer Erfolg auf überregionaler, die Szene auszeichnet, aufs Spiel setzen, rin Isabel Pfeiff er-Poensgen hat ihren mance, Dokumentationstheater, parti- Jahr überleben. Gemeinsames Ziel von bundesweiter und internationaler Sicht nämliche ihre eigentliche künstlerische Willen zur Stärkung der Freien Szene zipative Formate, installatives Arbeiten, Förderern und Geförderten sollte sein, als bisher einstellt. Es ist nicht sicher, Kraft, ihre Fähigkeit, mit im besten Sin- erklärt. Das kann nur begrüßt werden. die Überwindung der Genre- und Spar- dem längst nicht ausgeschöpften Po- ob die freischaff enden Akteurinnen und ne freiem künstlerischen Engagement Sie gilt gemeinhin als eine Frau mit tengrenzen, neue Formate in der kul- tenzial der Szene die verdiente Chance Akteure mit neu gewährtem Vertrau- abseits des kulturellen Mainstreams großem Engagement für die Arbeit von turellen Bildung und vieles mehr. Eine zur Weiterentwicklung zu geben. en in ihr Potenzial verantwortungsvoll, ihre Arbeit für eine Gesellschaft der Künstlerinnen und Künstlern. Bis zum zeitgemäße einzigartige künstlerische Die Förderung der freien Akteure klug, kreativ und nachhaltig agieren Zukunft zu machen. Sommer soll nun das teilweise unweg- Praxis aus vielen künstlerischen Praxen in NRW sollte mit der Verbesserung werden. Jahrelang an eine Bittsteller- Der Landeskulturbericht NRW aus same Feld der Förderung neu bestellt – die zweite tragende Säule der Kultur- der Ausstattung der freien Spielstät- haltung gewöhnt, könnte es eine Weile dem Jahr  zählt ca. . freibe- werden. Zur Diskussion um geeignete landschaft neben den traditionellen ten einhergehen. NRW verfügt über dauern, bis die Akteure sich daran ge- rufl iche Künstlerinnen und Künstler, Mittel und Werkzeuge wird zurzeit die Theatern.« Das ist mit der bisherigen rund  freie Spielstätten. Nur we- wöhnen werden, die nächste Förder- die in der Künstlersozialkasse (KSK) Expertise der Verbände, zu denen auch Förderpraxis nicht zu schaffen. Ein nige bekommen eine einigermaßen deadline auch mal gelassen übersehen sind, davon rund ., die unter das NRW Landesbüro Freie Darstellen- Paradigmenwechsel in der Förderpo- auskömmliche institutionelle Absi- zu dürfen. Zuversicht, dass die Freien . Euro pro Jahr verdienen. Vor de Künste gehört, und nicht zuletzt von litik ist daher überfällig. Die Stichworte cherung. Eine bessere konzeptionelle neue Freiheiten verkraften und damit  Jahren wurde in diesem Zusam- Künstlerinnen und Künstlern selbst in dafür sind Kontinuität und Breite. Die und nachhaltige Anbindung von freien verantwortungsvoll umgehen, scheint menhang noch zuweilen das Boheme- verschiedenen Runden eingeholt. Auch Freie Szene braucht mehr Planungs- Ensembles und Gruppen an die freien jedoch unbedingt gerechtfertigt. Klischee – »arm gleich besonders krea- das ist unbedingt begrüßenswert. Die sicherheit und freie Gestaltungsmög- Arbeits- und Spielstätten erscheint NRW könnte mit dem Mut zu einer tiv« – bemüht, um sich der politischen freien darstellenden Künste stehen lichkeiten ihrer Arbeits- und Entwick- sinnvoll, um einerseits das Potenzial neuen Förderstruktur für die Freie Sze- Verantwortung zu entziehen. Dieser exemplarisch für eine insgesamt stark lungsprozesse und eben auch mehr der Szene auch dem lokalen bzw. re- ne auch ein Zeichen für andere Bundes- Zynismus gehört wohl der Vergangen- expandierende Freie Szene. Sie sind kontinuierliche Förderung für deutlich gionalen Publikum mehr zu öffnen länder setzen. heit an. Wir fi nden ihn jedoch in einer nicht erst seit dem Bundesforum vom mehr Akteurinnen und Akteure. Es gibt und zudem für die überregionale bzw. Art Kuschelvariante in der Behauptung November letzten Jahres, das von über auf Landesebene eigentlich nur ein ge- internationale Arbeit eine gute Basis Harald Redmer ist Geschäftsführer des wieder, die Künstlerinnen und Künstler  Vertretern quer durch alle Sparten, lungenes Beispiel entsprechender För- zu liefern. Hier wäre auch eine an die NRW Landesbüros Freie Darstellende könnten sich doch fabelhaft mit den Verbände und Institutionen besucht derformate: in der Spitzenförderung. lokalen Gegebenheiten angepasste Künste und Vorstandsmitglied des vielfältigen Arbeitsmöglichkeiten ab- wurde, ein Schwergewicht der Freien Dies reicht nicht aus. Es gibt einfach Überprüfung der Konzeption der Häu- Bundesverbandes Freie Darstellende seits der eigentlichen künstlerischen Szene. viel mehr qualifi zierte Akteurinnen ser zu bedenken, weg von der nur auf Künste sowie des Kulturrates NRW Politik & Kultur | Nr. /  | Mai — Juni  FREIE SZENE KULTUR 25

More Than Elphi Impulse von Kampnagel »Locals« hinter sich lässt. Dazu kom- stellte an dem vorhandenen Potential len. Nur so kann eine wachsende Freie auf unterschiedlichen Levels, lokal men eine Reihe von gewachsenen klei- orientierte neue Förderpolitik, die die Szene auch international erfolgreich wie international, ermöglicht, die ent- AMELIE DEUFLHARD UND neren Theaterhäusern wie das Hambur- Freie Szene endlich, neben den festen sein. Dazu kommt die Forderung nach scheidenden Forderungen. Die riesige LINE SPELLENBERG ger Sprechwerk, Lichthof Theater oder Häusern und den Privattheatern, als günstigen Arbeitsräumen, Unterstüt- fi nanzielle Kluft zwischen Staatsthea- die HipHop Academy, die eine beein- real existierende dritte Säule der städ- zung von Gastspielen, Aufstockung der tern und international produzierenden eutschland hat eine der reichs- druckende strukturelle Arbeit leisten. tischen Theaterlandschaft anerkennt: Konzeptionsförderung, systematische Häusern, zwischen Gehältern von ange- ten Theaterlandschaften der So hat sich die hiesige Landschaft der Neben der erheblichen Erhöhung der Nachwuchsförderung und vieles mehr. stellten Schauspielern bzw. Technikern D Welt. Gleichzeitig betreiben wir freien darstellenden Künste in den letz- Fördermittel insgesamt und ausdiff e- Die Einführung der Künstlersozialkas- und Honoraren von Freischaff enden, eine interessante Monokultur. Theater ten Jahren qualitativ und quantitativ renzierteren Fördermodulen gehört se (KSK)  war ein bahnbrechender sind mit keinem Argument mehr dar- ist in Deutschland weitgehend syno- enorm entwickelt. Trotz alledem, und dazu vor allem die Stärkung von Struk- Schritt für die Künstler in Deutsch- zustellen. Einige Bundesländer packen nym mit Stadt- und Staatstheater, auch hierin besteht die erwähnte Schiefl age, turen, durch die ein kontinuierliches land – jetzt muss der nächste folgen. diese Frage bereits an. Wenn Hamburg wenn diese sich untereinander stark fehlt nach wie vor das kulturpolitische Produzieren für die Künstler*innen erst Das Ausmaß des prekären Arbeitens in der Kulturlandschaft weiterhin vorne unterscheiden. Wir können sagen: Eine Bewusstsein für eine entsprechende möglich wird.« Konkret heißt das, dass von freischaff enden Künstlern ist in mitspielen will, müssen diese Proble- Institutionsform hat das Medium fast Förderung bzw. selbst da, wo das Be- die Produktionsbudgets für künstleri- Zeiten von Mindestlohn und immer me jetzt angegangen werden – es ist monopolisiert. Das gilt vor allem für die wusstsein da ist, muss daraus konkretes sche Arbeiten erheblich erhöht werden näher rückenden Forderungen eines höchste Zeit! Ressourcen und damit für die öff entli- Handeln erwachsen. In einer aktuel- müssen, dass professionelle Künstler- Grundeinkommens nicht mehr hin- che Wahrnehmung. Mein Ausgangs- len Kampagne des Dachverbandes gruppen mit interessanten Konzepten nehmbar. Für ein Haus wie Kampnagel Amelie Deufl hard ist Intendantin von punkt ist die These, dass in den letzten für Freie Darstellende Künste heißt wenigstens jährlich in die Lage versetzt sind Tarifangleichungen der Mitarbei- Kampnagel Hamburg. Line Spellen- Jahren die wichtigen ästhetischen Im- es hierzu: »… braucht Hamburg eine werden müssen, zu produzieren, aber ter, aber auch die Aufstellung eines Pro- berg ist Dramaturgin von Kampnagel pulse im Theater fast alle von außer- ernsthaft überarbeitete, breit aufge- auch große Bühnenarbeiten herzustel- duktionsetats, der Eigenproduktionen Hamburg halb des Stadttheaters gekommen sind. Außerhalb heißt: von Künstlern oder Arbeitsweisen außerhalb des Systems oder aus dem Ausland«, sagte Matthi- as von Hartz. Was der Festivalmacher und ehemalige Kampnagel-Kurator  feststellte, gilt auch heute, sieben Jahre später, noch. Was damals unter dem Stichwort »Stadttheater-Debatte« diskutiert wurde, ist  mit Blick auf die gescheiterte Intendanz Chris Der- cons an der Berliner Volksbühne und die Nicht-Verlängerung Matthias Li- lienthals an den Münchner Kammer- spielen wieder hochgekocht. Die Ham- burger Verhältnisse diesbezüglich sind weit weniger aufgeregt, wenn auch die grundsätzliche Schiefl age die gleiche ist: Über die letzten Jahre war die hiesi- ge Freie Szene Teil einer historisch ein- maligen Professionalisierungsentwick- lung, die sich aus einem nationalen und internationalen Produktionsnetzwerk aus Künstlern und Institutionen he- raus aufgebaut hat. Starke künstlerische Handschriften, die Entwicklung eigener transdisziplinärer Arbeitsweisen und

Theater ist in Deutsch- land weitgehend synonym mit Stadt- und Staatstheatern

Diversifi zierung nicht nur der repräsen- tierten Inhalte, sondern der beteiligten Akteure und Zuschauer stehen für eine

Repräsentation von Zeitgenossenschaft, TUCH DOROTHEA FOTO: wie sie »das Stadttheater« selten leistet. Szene aus »Die Umschülerinnen« von Vanessa Stern Neben Kampnagel Hamburg, das zuletzt als eine von sieben internationalen Produktionshäusern im gleichnami- gen Bündnis vom Bund ausgezeichnet wurde, sind es die M. A. Performance Studies an der Universität Hamburg Gutes Schuhwerk, beidseitig! und das auf Kampnagel angesiedelte K-Tanzplan Hamburg, die neben der EIN KOMMENTAR VON ten bekommt man in aller Regel nie den Klassen  bis  oder an Volks- elle gesellschaftliche wie fachliche Hochschule für bildende Künste Ham- PETER GRABOWSKI mehr einen Cent zur Weiterentwick- hochschulen unterrichten. Zu Recht Entwicklungen reagieren. Sie sind burg (HfBK) oder der Hochschule für lung oder Fortführung – geschweige scheint das eine absurde, weil inef- der Nukleus des künstlerischen Fort- Musik und Theater Hamburg (HfMT) Die nordrhein-westfälische Landes- denn für eine Wiederaufnahme im fi ziente Idee zu sein – bei den nicht schritts. für einen starken künstlerischen Nach- regierung hat mit der deutlichen nächsten oder übernächsten Jahr. weniger spezialisierten, im Schaf- Dafür ist es aber nicht förderlich, in wuchs sorgen. Dazu, vielleicht als eine Erhöhung des Kulturetats auch mehr Gleichzeitig verhindert die unaus- fensprozess aber noch viel fragileren ständiger fi nanzieller Unsicherheit Hamburger Besonderheit, gibt es unter Geld für die Freie Szene angekündigt. gesprochene Querfi nanzierung der Künstlerinnen und Künstler stört zu leben – von so exotischem Luxus anderem mit der Probebühne Gänge- Das ist eine gute Nachricht – noch Freien Szene durch oft ebenfalls pre- diese Idiotie off enbar niemanden. wie Familie mal ganz zu schwei- viertel, den Aktivitäten rund um Park besser wäre, sie würde vorher ganz käre Beschäftigungsmöglichkeiten Warum? Der Staat und seine führen- gen. Auch werden Kreativität und Fiction oder Gruppen wie Recht auf in Ruhe zwei grundlegende Problem- im Bereich der kulturellen Bildung den Köpfe in Parlamenten und Re- Engagement nicht wirklich gestärkt, Stadt und Schwabinggrad Ballet, eine kreise überdenken. die eigentlich geforderte Professi- gierungen haben immer noch nicht wenn größere Teile der Arbeitskraft besonders enge Verbindung von politi- Die fast ausschließliche Projekt- onalisierung. Und zwar auf beiden verstanden, dass Künstlerinnen und in einer Endlosschleife aus Förder- schem Aktivismus und künstlerischer förderung der Freien Szene hat Seiten: Künstlerinnen und Künstler Künstler nicht durch die permanente anträgen und Verwendungsnachwei- Arbeit. Einige der Hamburger freien einen Systemfehler: Den paradoxen können sich wegen ihrer Zweit- oder Drohung mit der Armutskeule zu sen verloren gehen. Gruppen wie Ligna, die Geheimagen- Zwang zu einer quasi-industriellen gar Drittjobs nicht mit voller Auf- kreativem Schaff en bewegt werden, Die Freie Szene ist, ob in einer tur oder Antje Pfundtner haben längst Produktlogik! In allerkürzesten Ab- merksamkeit dem schöpferischen eher im Gegenteil. Zudem haben Hauptstadt oder im ländlichen Raum, international Karriere gemacht, andere, ständen müssen Künstlerinnen und Prozess widmen, während die gesell- die Akteure der Freien Szene noch nicht nur eine Säule des deutschen wie das transnationale Kollektiv Hajus- Künstler sowie Ensembles immer schaftlich wichtige Heranführung eine ganz besondere Aufgabe im Kulturbetriebs, sondern sogar einer om, haben über mehr als  Jahre eine neue Inszenierungen, Installationen breiter Bevölkerungsschichten aller kulturellen Gesamtgefüge: Weil der beiden Füße, auf denen unser wachsende künstlerische Plattform ge- oder Auff ührungen auf den Förder- Altersklassen an künstlerisches Den- sie – vor allem in den originären Kulturstaat steht. Es wird deshalb baut, die national beachtet wird und mittelmarkt werfen, um sich wenigs- ken und Produzieren statt an qualifi - Bereichen darstellende Kunst und dringend Zeit, dass der nicht länger vorbildlich für Arbeit mit Gefl üchteten tens einigermaßen stabil fi nanzieren zierte Pädagogen an die Produzenten Musik – nicht in Repertoire- und Un- immer nur einen festen Schuh an- ist. Erwähnenswert ist auch das  zu können. Neben den individuell oft selbst delegiert wird. Man stelle sich terhaltungsaufgaben großer Kunst- hat – und am anderen Fuß bloß eine gegründete Projekt Migrantpolitan, prekären Bedingungen wird dabei mal vor, theoretische Physiker der produktionstanker der öff entlichen löchrige Socke baumelt. ein Labor und Produktionsort auf dem auch die vermeintlich so wichtige Technischen Universitäten sollten Hand eingebunden sind, können sie Kampnagel-Gelände, das gesellschaft- Nachhaltigkeit verhindert: Schon neben ihrer Hochschultätigkeit noch fl exibler, innovativer, kleinteiliger Peter Grabowski ist kulturpolitischer liche Zuordnungen wie »Refugees« und für ein Projekt von vor sechs Mona- ein Drittel oder mehr ihrer Zeit in arbeiten und so schneller auf aktu- Reporter 26 FREIE SZENE KULTUR www.politikundkultur.net

Überlebens- Überzeugungs- Das wird gut! kämpfe arbeit Politik-Perspektive: Hamburg Praxis-Perspektive: München Politik-Perspektive: München CARSTEN BROSDA NIELS KLAUNICK HANSGEORG KÜPPERS ie Kunst ist frei. So steht es im Grundge- setz. Das ist gut. Er sollte verankert sein: ünchen ist eine schöne Stadt, in der es unächst scheint mir eine Defi nition wichtig: D in allen Köpfen. Das wäre besser! sich gut leben lässt – sogar als Künst- Worauf beziehen wir uns eigentlich, wenn Kunst und Kultur schaff en jene wertvollen Mo- M lerin. Man darf nur nicht von der Kunst Z wir von Freier (Kultur-)Szene sprechen? mente, die reale gesellschaftliche Impulse geben, leben wollen! , Euro – das gibt der Stadtrat, Ich beziehe mich explizit auf alle Einzelakteure, die keinem Vermarktbarkeitsanspruch unterliegen, pro Kopf der .. Einwohnerinnen, jährlich Gruppen, Initiativen und Bewegungen sämtlicher die das Chorische brechen, das Blöken verstum-

aus, um ihnen freies professionelles Theater an- künstlerischer Bereiche auf professioneller Ebe- MÖSSNER THILO FOTOS: men lassen. Das ist die seltene Möglichkeit der zubieten. , Euro, das ist auch in etwa die Hälfte ne – wobei zur gesamten Kulturszene natürlich Zweckfreiheit, die oftmals die Freiheit im eigent- einer Latte macchiato, von denen täglich gefühlt z. B. auch die vielen ehrenamtlich Tätigen in der lichen Sinne meint. so viele getrunken werden, wie es Bewohnerinnen Stadtteilkulturarbeit gehören –, die das vielfältige Unser politisches Ziel ist es, diese Freiheit in dieser Stadt gibt und deren kultureller Wert von kulturelle Leben in München jenseits der großen Aufbruch auch tatsächlich allen Bürgerinnen und Bürgern manchen wohl höher geschätzt wird, als der des Kultureinrichtungen mitgestalten und mitprägen. Praxis-Perspektive: Hamburg unserer Gesellschaft zu eröff nen. Deshalb ist es freien Theaters. In der größten deutschen Kommune blicken die wesentliche Aufgabe der Kulturpolitik, Kunst Nun gibt es noch kein Bürgerrecht auf den Ge- wir auf eine traditionsreiche, qualitätsvolle, breit JONAS LEIFERT und Kultur zu ermöglichen. Die im genreübergrei- nuss Espressobefl eckter Heißmilch, sehr wohl aber gefächerte, auch überregional und internatio- fenden Sinne Freie Szene muss dabei als Selbst- ein in der Verfassung verankertes Recht auf kultu- nal agierende und sehr kooperative Szene. Diese ereits  wurde die Freie Szene in Ham- verständlichkeit in der Kulturförderarchitektur relle Teilhabe, das mehr bedeutet als punktuelle Szene fi ndet ein stabil und konstant gewachse- burg ausführlich evaluiert und ihr Potenzial etabliert werden. Dabei hat es die Freie Szene oft Minimalversorgung. Kulturelle Teilhabe benötigt nes sowie vernetzt wirkendes Fördersystem vor, B durchleuchtet. Eine von der Kulturbehörde schwer, neben den großen strukturell etablierten kulturelle Vielfalt, welche kulturelle Akteurinnen das die Entwicklungen der einzelnen Bereiche in Auftrag gegebene Studie leistete eine Bestands- Tankern des Kulturbetriebes, ihren Rahmen zur benötigt, die faire Arbeitsbedingungen benötigen, stets berücksichtigt und turnusmäßig refl ektiert. aufnahme der freien Theater- und Tanzszene und Entfaltung zu fi nden, ohne die ihr immanente um den vielfältigen Interessen des Publikums ad- Entsprechend der Vielfalt seiner Sparten und unterbreitete Vorschläge zu einer Reform der För- Freiheit zu verlieren. äquate Produkte entgegenzusetzen. Akteure ist die Lage in München zu bewerten. derstruktur und Aufstockung der Fördermittel. Der in jüngster Zeit lauter werdende Ruf nach »Wir wollen nicht die Gießkanne«, lautete das Grundsätzlich profi tieren viele Bereiche beson- In den darauff olgenden Jahren wurden einige mehr Regulierung im Förderkontext ist für sich ge- Credo der städtischen Förderung, das in der Ver- ders in den letzten Jahren von einer überdurch- wenige Vorschläge dieser Studie umgesetzt. Von nommen ebenso verständlich wie potenziell prob- gangenheit künstlerische Leuchtturmprojekte schnittlich und vornehmlich aus inhaltlichem einer Reform des Fördersystems sind wir jedoch lematisch. Wenn der Wunsch nach mehr Sicherheit favorisierte. Drumherum eine wässrige Ödnis, Interesse motivierten Kooperationsbereitschaft bis heute weit entfernt. Nach wie vor beruht die nämlich zu einer Einschränkung der Freiheit führt, wo den Künstlerinnen das Wasser bis zum Hals Förderung fast ausschließlich auf der Finanzie- dann haben wir nur vordergründig etwas erreicht. steht. Leuchttürme eignen sich aber nicht zur rung von einzelnen künstlerischen Projekten. Die kulturpolitische Kunst besteht folglich da- fl ächigen Beleuchtung, so steht die Mehrheit der Durch die Berücksichtigung von Honorarunter- rin, die materiellen Grundlagen künstlerischen Münchnerinnen im Dunkeln. Es gilt Räume zu grenzen in den Finanzierungsplänen können wir Arbeitens so geschickt zu legen, dass unnötige öff nen, zwischen dem Schwall der Gießkanne auf zudem in den letzten Jahren einen Rückgang der Prekarität verschwindet, die Freiheit zum Risi- der einen und punktueller Beleuchtung auf der Anzahl von geförderten Projekten feststellen. ko aber erhalten bleibt. Eigenverantwortlichkeit anderen Seite, für eine gesunde, breite, vielfältige Diese kulturpolitische Unbeweglichkeit der und ein klares Selbstbildnis müssen gerade im und verschiedensten Formen gegenüber off ene Hamburger Bürgerschaft bzw. der Regierungspar- öff entlichen Förderkontext ihren Platz bewahren. Förderung der freien darstellenden Künste. So teien der Freien Szene gegenüber, entspricht schon Um zwischen diesen antagonistischen Erwar- wird ein Leben über das Überleben hinaus für seit Langem nicht mehr deren Wachstum und Ent- tungen den für alle besten Weg zu fi nden, sind Künstlerinnen unterschiedlichster Couleur in wicklungen. Die Landschaft der freien darstellen- die kontinuierliche Evaluation und Entwicklung dieser schönen Stadt möglich. den Künste in Hamburg hat sich in den letzten der Förderstruktur für die Freie Szene und der Bei der gegenwärtigen Situation in München Jahren qualitativ und quantitativ enorm verändert. ständige Dialog mit den Künstlerinnen und Künst- muss das Glas jetzt vollgemacht werden. Die gan- Neben Kampnagel, als größtes Produktionshaus der lern über partnerschaftliche Kooperationen und ze Latte macchiato soll her: Die sofortige und Freien Szene in Deutschland, zieht der Spielstät- im bundesweiten thematischen Austausch ent- kompromisslose Verdoppelung der Ausgaben tenverbund »Hamburg off « und damit die kleineren scheidend. Ganz konkret geht es dabei beispiels- für die freien darstellenden Künste – als erster Spielstätten der Stadt Aufmerksamkeit auf sich. Das weise um eine Entbürokratisierung des gesamten Schritt! Um Luft zu holen, und um auszuholen. Festival der Hamburger Freien Szene »Hauptsache Förderverkehrs, die Sicherung der sozialen Lage Auszuholen für einen großen Wurf: Was ist Kunst, Frei« hat im Bereich bundesweiter Vernetzungen freischaff ender Künstler im Hinblick auf eine faire was ist Kultur, wer kann das defi nieren und wer Vorbildcharakter. Absolventen der Hochschule für Bezahlung und Einführung einer Altersabsiche- hat ein Recht darauf. Ein neues Verständnis der Musik und Theater sowie des Masterstudiengangs rung, um eine größere Diff usion der geförderten Kulturförderung, entworfen an einem gemein- »Schwarz-Rotz-Gold-Sturm« von Hauen- Performance Studies an der Universität Hamburg Projekte bundesweit und international und das samen Tisch, an dem sich Stadt, Kulturreferat und-Stechen fi nden ihren Berufseinstieg vermehrt in der Freien Schaff en von Vernetzungen und Strukturen. Neben und Vertreterinnen der Freien Szene die nächs- Szene. Darüber hinaus bieten Arbeitsstipendien wie den Projektfördermitteln, die per Juryempfehlung ten drei Jahre auf Augenhöhe begegnen können aller Beteiligter, von den Institutionen über Ver- das Residenzprogramm von K – Tanzplan Ham- an die lokale Szene vergeben werden, braucht es und dessen Ergebnisse verpfl ichtend sind. Faire eine und Verbände bis hin zu den Freischaff enden. burg, dem Fleetstreet Theater und interdisziplinär deshalb zusätzlich diverse dauerhafte Maßnah- Honorare, angemessene Produktionsumstän- Bekanntermaßen ist München allerdings beson- ausgerichteten künstlerischen Graduiertenkollegs, men im Förderportfolio. de, weniger Bürokratie, mehr Transparenz und ders stark von steigenden Lebenshaltungskos- nationalen und internationalen Künstlern Anlässe, Selbstbestimmung, nebst einer Aufstockung der ten und Mietpreisen betroff en, was sich bei allen in Hamburg zu wirken. Die aktuelle Förderstruktur Mittel auf zehn Millionen Euro bis  – das ist freien Kunst- und Kulturschaff enden als zuneh- bietet allerdings den in Hamburg lebenden Künst- der Auftrag, dem sich das Netzwerk freie Szene mend existentielles Problem bemerkbar macht, lern keine Chance, kontinuierlich zu arbeiten und München zusammen mit dem Verband der freien besonders in den Bereichen der bildenden und sich langfristig zu etablieren. Kinder- und Jugendtheater in München verschrie- insbesondere der darstellenden Künste. Trotz Aufgrund der brachliegenden Potenziale haben ben hat. dieser angespannten Situation zeichnet sich in wir als Interessenvertretung der Freien Szene im den letzten Jahren eine erfreuliche Entwicklung März dieses Jahres dem Senator der Behörde für Niels Klaunick widmet seine künstlerische Arbeit ab. Neben den bewährten Akteuren, deren künst- Kultur und Medien ein Konzeptionspapier zur Neu- der compagnie nik und ist Mitglied der Vorstände lerisches Wirken insbesondere in jenen Zeiten die ausrichtung des Fördersystems vorgelegt. Darin des Netzwerks freie Szene München und des Ver- größte Entfaltung bot, als sie das experimentelle empfehlen wir, neben einer Erhöhung der Förder- bandes der freien Kinder- und Jugendtheater Defi zit der Stadt- und Staatstheater klassischer töpfe und Ausdiff erenzierung der Fördermodule Ausprägung kompensierten und auch damit den auch die Förderung von Arbeitsstrukturen. Um Dieser Artikel ist einer selbstverständlichen Ausgewo- freien Status legitimieren konnten, hat sich Mün- diese Umstrukturierung umzusetzen, wären nach genheit verpfl ichtet und verzichtet aus Gründen der chen mittlerweile als attraktiver Standort für vie- unserer Einschätzung eine Erhöhung der Mittel auf besseren Lesbarkeit auf die zusätzliche Benennung le neue Akteure etabliert. Einerseits bemerken insgesamt ca. , Millionen Euro erforderlich – die der männlichen Form. Das Netzwerk freie Szene Mün- wir eine Tendenz der zahlreichen Absolventen bisherige Förderung beträgt ca. eine Million Euro. chen möchte deshalb darauf hinweisen, dass die aus- der hiesigen Ausbildungsstätten, in München zu Seit der glänzenden Eröff nung der Elbphilhar- schließliche Verwendung der weiblichen Form explizit bleiben und bewusst eine Position in der Freien monie entdeckt die Hansestadt ein neues kultu- als geschlechtsunabhängig verstanden werden soll. Szene anzustreben, andererseits – und dies ist relles Selbstbewusstsein. Geprägt wurde dieses In der Arbeit vor Ort sind Fachjurys eine wichtige neu – wählen auswärtige Gruppen München als insbesondere durch das Wirken der  verschie- Voraussetzung für eine kompetente Förderung. Zentrum ihres Schaff ens aus. Das wiederum führt denen Kultursenatorin Barbara Kisseler. Sie hat Indem Expertinnen und Experten zu fördern- zu einem stärkeren Wettbewerb um die bestehen- gezeigt, wie man mit großem Sachverstand, einem de Projekte und Konzeptionen auswählen, sind den Fördermittel, die zwar kontinuierlich erhöht off enen Interesse an den Künstlern der Stadt und größtmögliche Chancengleichheit, Objektivität wurden, aber durch den zusätzlichen Aspekt der ansteckender Leidenschaft eine breite Öff entlich- und Transparenz gesichert. Auf diese Weise holen angemessenen Honorierung freier Kunstschaf- keit für Kunst und Kultur begeistern kann. Lokale wir den großen Erfi ndungsreichtum, die hohe Ex- fender nicht ausreichen werden. Künstler dürfen nicht im Schatten der Elbphil- perimentierfreudigkeit und die immense Professi- Zusammen mit dem vor einem Jahr gegründe- harmonie verblassen. Das kulturelle Flaggschiff onalität unserer Freien Szene mit in den Prozess. ten Netzwerk freie Szene wird das Kulturreferat im Hafen ist ein Versprechen: Kulturförderung Kultur zu ermöglichen heißt, nicht nur Sender, daher versuchen, seine Fördermodelle den sich endet nicht im Stadtmarketing, sondern strahlt sondern auch Empfänger kultureller Angebote zu verändernden Herausforderungen anzupassen. bis in die Hamburger Gesellschaft. adressieren. Eine freie und off ene Gesellschaft lebt Hier wird im Stadtrat dahingehend Überzeugungs- Momentan formiert sich trotz widriger Um- von ihrer grundsätzlichen Off enheit und Neugier- arbeit zu leisten sein, dass die Freie Szene kein stände eine aktive und solidarische Freie Szene. de auch in der Kunst- und Kulturrezeption. Sie Ornament in der Kulturarbeit ist, sondern ein Wird das Fördersystem nicht nachhaltig ausgebaut, braucht die Inspiration und die Irritation, die aus Grundpfeiler des (kulturellen) Lebens in der Stadt. wird es auf lange Sicht nicht möglich sein, das freier Kunst heraus erwächst. Kunst und Kultur Potenzial zum Leuchten zu bringen. sind frei. Das wird gut! Hans-Georg Küppers ist Kulturreferent der Lan- deshauptstadt München und Vorsitzender des Jonas Leifert ist Vorsitzender des Dachverbandes Carsten Brosda ist Senator für Kultur und Medien Kulturausschusses des Deutschen Städtetages freie darstellende Künste Hamburg e.V. der Freien und Hansestadt Hamburg Politik & Kultur | Nr. /  | Mai — Juni  FREIE SZENE KULTUR 27

Ideenkessel und kultureller Motor Politik-Perspektive: Stuttgart

BIRGIT Vergabe in allen Bereichen von Interkul- Dance stärken soll. Drei Häuser in Stutt- Kulturbürgermeister Dr. Fabian Mayer es, gemeinsam Stadt zu machen«, so SCHNEIDERBÖNNINGER tur über Philosophie bis hin zu Atelier- gart befl ügeln dieses Ziel: Das Produk- (CDU) initiierte den Fördertopf »Kultur drückte es Andreas Hofer, Intendant der mietzuschüssen. Darüber hinaus wird tionszentrum – Tanz + Performance e.V. im öff entlichen Raum«, der insbesonde- Internationalen Bauausstellung (IBA) ir (kulturellen) Akteu- die Arbeit ausgewählter Kulturakteure dient bereits als Trainings- und Proben- re die Freie Szene aller Sparten inspi-  kürzlich im Arbeitsgespräch »Kul- re möchten produktiv in die institutionelle Förderung aufge- ort und damit der Professionalisierung rieren soll, den öff entlichen Raum als turelle Stadtentwicklung« mit Akteuren werden, Stadt produ- nommen.  erreicht der Gesamtetat der Tanzschaff enden Stuttgarts. Das Begegnungsraum und Diskursarena zu der Freien Szene aus, an der auch Ober- W zieren.« Dieses Zitat von der Kulturförderung damit ca.  Mil- Theater Rampe arbeitet regelmäßig mit erobern. Mit der Einbindung der Frei- bürgermeister Fritz Kuhn (Bündnis / Winfried Stülzl, Kurator der Off -Space- lionen Euro. Kompanien der Freien Szene zusammen en Szene in die Gestaltung des künfti- Die Grünen) teilnahm und noch einmal Galerie AK , steht für die aktuelle Auf- Im besonderen Fokus steht die Ver- und defi niert bei Festivals wie » Tage gen Rosensteinquartiers löst Stuttgart mehr den Stellenwert der Freien Szene bruchsstimmung und Gestaltungslust besserung der Produktionsbedingungen. frei« die Grenzen performativer Praxis eine zentrale Forderung aus der bür- für den dynamischen Kulturstandort in der Freien (Kultur-)Szene Stuttgarts. Im geplanten Ergänzungsbau des Thea- neu. Das Figuren-Theater FITZ kuratiert gerschaftlichen Bewegung »Kultur im Stuttgart bekräftigte: als Ideenkessel Diese hatte in den letzten Haushalts- terhauses soll neben einer Spielstätte für ein Programm, das die Palette dieser Dialog« ein, nämlich Künstler, Kreative für künstlerische Avantgarde und Motor beratungen eine deutliche Aufwertung die Ballettkompagnie Gauthier Dance interdisziplinären Kunstform zwischen und Kulturschaff ende zum Kern- und für neue kulturelle Prozesse. und Stärkung durch den Gemeinderat auch eine Spielstätte für die freien Thea- Tradition und Avantgarde auff ächert. Ausgangspunkt aller Strategien zur Fazit: Die Freie Kulturszene in Stutt- erfahren: Die Projektförderung wurde in ter- und Tanzensembles entstehen. Im Im Gemeinderat ist ein grundsätz- Entwicklung des Kunst-, Kultur- und gart kann sich ihrer Zukunft gewiss sein, den letzten acht Jahren verdoppelt und Interim bis zur Fertigstellung begleitet licher Kulturkonsens mit hoher Wert- Kreativstandorts Stuttgart zu ma- nicht zuletzt, weil sie selbst aktiv daran erreicht  , Millionen Euro. Zeit- das Kulturamt die Freie Szene bei der schätzung der Freien Szene wahr- chen. In diesem Sinne nutzt die Freie mitwirkt. gleich wurde die Fördermittelvergabe Entwicklung eines programmatischen nehmbar. Nicht zuletzt unterstreicht Szene Stuttgart als eine Art Reallabor, für die Freie Szene zunehmend trans- Profi ls, das den freien zeitgenössischen eine lebendige Freie Szene Stuttgarts fordert Freiraum für Entwicklung und Birgit Schneider-Bönninger ist parenter gestaltet: Zehn statt vormals Tanz neben den Blockbustern Stuttgar- Image als »kreative (Werk)Stadt, als ur- bietet im Gegenzug Utopie und identi- Direktorin des Kulturamtes der vier Expertenjurys entscheiden über die ter Ballett (Staatstheater) und Gauthier banes Labor, als Stadt der Experimente«. tätsstiftendes Moment. »Letztlich gilt Landeshauptstadt Stuttgart Positiv in die Zukunft blicken

Praxis-Perspektive: der Stadt zugesagt und ist in Planung. Stuttgart Eine gemeinnützige Unternehmerge- sellschaft, die Freie Tanz- und Thea- LAURA OPPENHÄUSER terszene Stuttgart, wurde gegründet, die als Betreiber der zukünftigen Spiel- ie Freie Stuttgarter Tanz- und stätte fungieren wird. Bis zu deren Theaterszene arbeitet vorwie- geplanter Eröff nung in ca. fünf Jahren D gend in den Bereichen Tanz, wurde eine Vollzeitstelle bewilligt, die Schauspiel, Performance, Sprechkunst in Kürze ausgeschrieben und zur Spiel- und Figurentheater. Die Szene orga- zeit / die Arbeit aufnehmen wird. nisiert sich im Verein Freie Theater Diese soll die Freie Szene nach außen Stuttgart (FTS), dem Produktionszen- vertreten und Strukturen schaff en, die trum für Tanz und Performance e.V. (PZ) den Künstlern in ihrer Diversität eine und der Vereinigung freier darstellen- gemeinsame Arbeitsbasis bietet, um der Künstlerinnen und Künstler für gestärkt in die Spielstätte einziehen Stuttgart und die Region e.V. (VfdK). zu können. Wer kulturpolitisch etwas Gemeinsam zählen sie rund  Mit- bewegen will, triff t in Stuttgart zurzeit glieder und Gruppen. Darüber hinaus auf off ene Ohren. Darüber herrscht ge- gibt es eine Anzahl nicht organisierter nerelle Erleichterung. Dennoch bleibt, Künstler. Während das PZ institutionell solange viele Künstler weiterhin durch durch eine Geschäftsführung vertreten das Finanzierungsraster fallen und die ist, sind FTS und VfdK in ihrer kultur- Arbeitsbedingungen insgesamt prekär politischen Interessenvertretung auf bleiben, eine gewisse Skepsis bestehen. ehrenamtliches Engagement angewie- Nah liegt die Forderung: Die freie Kunst sen, was eine kontinuierliche Arbeit und Kultur als selbstverständlichen und

erschwert. So heterogen die Szene, so unverzichtbaren Teil der gesellschaftli- GLENN MARTHA FOTO: unterschiedlich sind die Bedürfnisse chen Entwicklung anzuerkennen! Statt Szene aus »Highness« von Melanie Jame Wolf der Künstler und die Vorstellungen da- kurzfristig wirtschaftlich zu denken, von, was es bedeutet, sich als Teil der muss das Potenzial von Bewegung Freien Szene zu begreifen. Trotz einer und Begegnung, die der künstlerische Dichte an Ausbildungsstätten und ei- Diskurs mit sich bringt, noch ernster ner vielfältigen Theaterlandschaft in genommen werden. Begrüßenswert ist, Pulsierend international Stuttgart und der Region gibt es Ten- dass etablierte Künstler seit  ver- denzen zur Abwanderung, vor allem stärkt institutionell gefördert werden. Politik-Perspektive: Frankfurt am Main des Nachwuchses. Anhaltendes Dau- Künstler, die langfristig in Stuttgart erthema ist der Mangel an bezahlbaren verortet tätig sind, müssen dauerhaft INA HARTWIG lionen mehr als im Jahr zuvor. Dieses zeitig wurde ein Konzept entwickelt, Probe- und Auff ührungsräumen. und projektunabhängig gefördert wer- Geld kommt Projekten zugute, die auf das leerstehende Immobilien saniert Seit Jahren engagiert sich die den! Weiterhin halten wir eine Aufsto- rankfurt ist eine pulsierende einem hohen künstlerischen Niveau, zu kleinen Mieten an freischaff ende Szene für eine freie Spiel- und Pro- ckung der Projektfördermittel, ohne internationale Stadt. Das triff t oft ehrenamtlich und mit viel Engage- Künstler vergibt. Dieses Programm fi n- duktionsstätte. Es gab verschiedene allzu einschränkende Zielvorgaben, nicht nur auf ihre wirtschaft- ment, wertvolle Arbeit leisten. Insge- det deutschlandweit Beachtung und Interimsnutzungen, nie aber die kon- für dringend erforderlich. Vorstellbar F liche Bedeutung, sondern samt stärkt die Stadt damit bestehende Nachahmer, und seit seinem Beginn krete Aussicht auf eine angemessen wären bei deren Vergabe auch mal ex- auch ihre vielfältige Kulturszene zu. Strukturen und Ensembles aus den Be- vor sieben Jahren sind mehr als , finanzierte, dauerhafte Spielstätte. perimentellere Modelle wie beispiels- Das kulturelle Rückgrat Frankfurts, die reichen Literatur, Film, Musik, Theater Millionen Euro in die Instandsetzung Zwar gibt es mit dem FITZ ein renom- weise eine jährliche »carte blanche«, Leuchttürme wie Museen, Schauspiel- und bildende Kunst. Frankfurt steht je- von über hundert Immobilien gefl os- miertes Produktions- und Gastspiel- die nach dem Zufallsprinzip unter den und Opernhaus, sind über die Jahre doch, wie andere deutsche Großstädte sen. Diese Investitionen sind ein Beleg haus für Figurentheater und auch das Antragstellern verlost wird. eine Symbiose mit der Freien Szene auch, vor der Herausforderung, neben für die Anerkennung der Freien Kultur- Theater Rampe versteht sich als Pro- Die Einsicht, dass der Wert freier eingegangen und bilden einen star- dem immer knapper werdenden Wohn- szene als Plus für die Stadt. Geförderte duktions- und Spielstätte der freien darstellender Arbeit angemessen be- ken kulturellen Zusammenhalt. Diese raum Flächen zur kulturellen Nutzung Austauschprogramme, die zur Bildung darstellenden Künste. Beide Häuser zahlt werden muss, ist vonseiten der Vernetzung von kleinen und großen bereitzustellen. Viele Räume sind für eines internationalen Künstlernetz- haben jedoch eigene künstlerische Politik in Stuttgart zurzeit spürbar. Institutionen kommt nicht nur den Künstler unerschwinglich. Um nun die werkes beitragen, erweitern die Freie Profi le und Schwerpunktsetzungen Wenn die Freie Szene bei der Vertei- Bürgern zugute, sondern stärkt den Zu- Kreativen, wie die Studierenden der Szene über die Stadt- und Landesgren- und nicht die Kapazität, der Menge lung der Gelder auch weiterhin stärker sammenhalt und die Identität. Sie trägt international anerkannten Städelschu- zen hinaus. Es ist die künstlerische In- an Anfragen gerecht zu werden. Um bedacht wird, kann sie durchaus positiv die Attraktivität Frankfurts weit über le und der HfG Off enbach, nicht nur dividualität, die als lebendige, kreative diesem Verortungsdefi zit entgegenzu- in die Zukunft blicken. die Stadtgrenzen hinaus und sorgt für auszubilden, sondern darüber hinaus Basis unser Zusammenleben ausmacht. wirken, hat sich  ein neuer Arbeits- eine internationale und zugleich un- zu halten, fördert die Stadt das Ateli- Indem die Kulturpolitik die Rahmenbe- kreis aus Vertretern der Freien Szene Laura Oppenhäuser arbeitet als freie verwechselbare bodenständige Strahl- erfrankfurt, das größte Künstlerhaus dingungen für die Freie Szene schaff t, formiert. Zeitgleich gab es im Stutt- Figurenspielerin. Sie ist Vorstands- kraft. Die Kommunalpolitik Frankfurts Hessens.  Ateliers auf . Qua- trägt sie maßgeblich zur Identität der garter Kulturamt personelle Umstruk- mitglied im Verein Freie Theater hat nicht nur den Stellenwert der gro- dratmetern Fläche bieten Künstlern Stadt bei, sowohl nach innen als auch turierungen. Die Bereitschaft beider Stuttgart (FTS) und Teil des Arbeits- ßen Häuser im Blick. Sie weiß auch um einen Ort, zu vertretbaren Mieten ar- nach außen. Seiten, erneut miteinander in einen kreises, der die Interessen der freien die enorme Bedeutung der Freien Sze- beiten zu können. Im Bahnhofsvier- Dialog zu treten, hat Veränderungen Tanz- und der Theaterszene gegenüber ne. Im vergangenen Jahr wurden für die tel liegt das zweite große geförderte Ina Hartwig ist Dezernentin für Kultur bewirken können. Die lang geforderte den politischen Vertretern der Stadt Freie Kulturszene insgesamt  Milli- Kunstzentrum der Stadt, das Atelier und Wissenschaft der Stadt Frankfurt Spielstätte wurde mittlerweile seitens Stuttgart vertritt onen zur Verfügung gestellt, vier Mil- Basis mit  Arbeitsräumen. Gleich- am Main 28 FREIE SZENE KULTUR www.politikundkultur.net FOTOS: PARKSANG YUN (LINKS) / THILO MÖSSNER (RECHTS) MÖSSNER THILO / (LINKS) YUN PARKSANG FOTOS: »Your East, my Ghost« von Jee-Ae Lim Musiktheaterstück »Schwarz-Rotz-Gold-Sturm« von Hauen-und-Stechen »Gemalt habe ich immer gern« Bildende Künstler zwischen ungebundener Kreativität und ökonomischen Zwängen

DAGMAR SCHMIDT das »Richtige« im rechten Moment – sein, Haben oder Nichtbekommen. Sich schung betreiben kann, sollte es mehr und Leistungen niedrig oder gar nicht auf dem »Rechteck des Malgrundes« selbst und der eigenen Kunstprodukti- Stipendien ohne Altersbeschränkung honoriert. Wie viel ist der Gesellschaft rst kürzlich in einer zufälligen und in der Selbstvermarktung. Welches on treu zu bleiben und trotzdem von der geben. Davon würden insbesondere die freie Kunst wert? Plauderrunde über die ausge- Projekt nehme ich als nächstes in An- Kunst – von Förderungen, Aufträgen auch Künstler profi tieren, deren Vita E übten Berufe der Anwesenden griff ? Bewerbe ich mich noch heute für und eigenen Ressourcen – zu leben, ist durch Kinderbetreuungszeiten unter- Dagmar Schmidt ist freischaff ende war er wieder, dieser introvertierte das Stipendium XY? Oder vertiefe ich der eigentliche Spagat. brochen wurde. Doch das grundsätzli- Bildende Künstlerin und Kuratorin; Blick einer Endvierzigerin über den das künstlerische Konzept AB? Bleibe Doch wie geht das – Leben von der che Dilemma ist, dass die Gesellschaft, Bundesvorsitzende und Sprecherin des nicht erfüllten Berufstraum bildende ich heute Abend im Atelier oder gehe Kunst? Unverzichtbar ist die soziale Si- noch schlechter als in den Sozial- und BBK Bundesverband Bildender Künstle- Künstlerin. »Das hätte ich auch gern ich auf ein, zwei Glas Wein zur Vernis- cherung über die Künstlersozialkasse. Pfl egeberufen, künstlerische Produkte rinnen und Künstler gemacht.« Und natürlich kommt auch sage des Kollegen CD in der Galerie Ohne sie würden sich deutlich mehr noch »gemalt habe ich immer gern, aber EF? Vielleicht werde ich dort Herrn Künstler keine Kranken-, Pfl ege- und ich musste mich für eine Ausbildung GH treff en, um das Vorhaben in IJ doch Rentenversicherung als Selbständi- ORGANISIERTE FREIE SZENE mit Verdienstaussichten entscheiden. noch befördern zu können? Wie viel ge leisten können. Und dennoch sind Und dabei bin ich dann geblieben.«: So Geld sollte ich in das Material für das die nur gering verdienenden Künstler  AUSWAHL ist der Spagat der Künstler zwischen Formexperiment im Werkthema KL ste- später von Altersarmut bedroht. Ohne ungebundener Kreativität und ökono- cken? Muss ich mir einen D-Drucker familiären oder angesparten fi nanziel- • Allianz der Freien Künste (AFK, • Freie Szene unterwegs (Stuttgart), mischen Randbedingungen in  Se- für die Realisierung meiner Idee leisten, len Background ist ein Leben in Armut deutschlandweit): www.allianz- Plattform der Freien professio- kunden beschrieben. Wie komplex der wenn der Auftrag der Firma MN für ih- für Künstler der Freien Szene die Regel, der-freien-kuenste.de nellen Tanz- und Theaterszene Künstleralltag in der Praxis ist, zeichnet ren Neubau wirklich kommt? Welche nicht die Ausnahme. Das sollte dem Pu- • Bundesverband Freie Darstellende aus Stuttgart: www.freie-szene- diese Aussage jedoch nicht. Künstlerkollegen spreche ich für das blikum bewusst sein, wenn es wieder Künste e.V. (deutschlandweit): unterwegs.de Unabhängig von langjähriger Be- Ausstellungsvorhaben in der Stadt OP eine Ausstellung, ein Straßentheater www.darstellende-kuenste.de • Netzwerk Freie Szene München rufsausübung, damit einhergehender in RS an? Wie viel Zeit müssen wir für oder einen Kunstkatalog kostenlos mal • DACH Musik (Freie Musikszene e.V. (Darstellende Künste): www. Erfahrung und wenigen konstanten die Vorbereitung einplanen? Würde so mitnimmt. Berlin), Interessenverband von freieszenemuc.de/netzwerk/ Kollaborationen erfi nden sich Künst- Frau TU wieder die Eröffnungsrede Mit dem Blick über gute  Jahre als freischaff enden Berliner Musikern • Off Dresden (freie Szene, Tanz, ler der Freien Szene immer wieder neu: halten? Können wir den Logistiker VW freischaff ende Künstlerin wünschte ich und Klangkünstlern: www.dach- Theater, Performances): www.off - Es werden Projektanträge geschrieben, dazu gewinnen, den Transport in und mir die erworbene Berufserfahrung musik-berlin.de dresden.de Ausstellungen organisiert, Vereine ge- aus dem Ausland zu übernehmen? Und ganz am Anfang, bereits während der • Koalition der freien Szene (Berlin), • IFM e.V. (Initiative Freie Musik gründet, Blogs gefüllt, Aktionen gepos- so weiter und so fort … Ausbildung an der Kunstakademie. Den alle Künste: www.koalition-der- Köln), Dachverband der freien tet, Vernissagen absolviert, mitreißende Doch es ist dieses Off ene, zeitgleich Berufsanfängern den Weg zum wirt- freien-szene-berlin.de Musikszene in Köln: www.musik- Workshops durchgeführt, Kunstwerke zwischen Scheitern und Erfolg, das den schaftlich leistbaren Erfolg abzukür- • LAFT Berlin – Landesverband freie in-koeln.de produziert, dokumentiert und transpor- Reiz und den Fluch der freien Arbeit zen, könnten Mentoring-Programme darstellende Künste Berlin e.V.: • Kölner Theaterkonferenz e.V., tiert, Material gekauft, Sponsoren ge- ausmacht. Die glücklichsten Momente helfen; die Jüngeren würden durch Er- www.laft-berlin.de Interessenvertretung städtischer worben, Räume zwischengenutzt, Kon- sind gelungene Kooperationsprojekte fahrenere begleitet. Nach einigen Pro- • Freie Szene Düsseldorf (vorrangig und freier Theatergruppen in takte geknüpft, Allianzen mit wechseln- mit Kollegen, faszinierte Betrachter der jektstipendien erlebe ich gerade mein Tanz und Theater): www.freiesze- Köln: www.theater.koeln den Kooperationspartnern geschmiedet, Kunstproduktion und ein inspiriertes erstes Beispiel, bei dem auch künstle- ne.de/die-szene • Freie Tanzszene Köln – Tanz.Köln: Lehraufgaben ausgefüllt, Vorträge gehal- Publikum, das angeregt den Faden auf- rische Leistungen des durchführenden • Initiative Leipzig Plus Kultur, www.tanz.koeln ten, Kataloge besprochen, Abrechnun- nimmt und seinerseits weiterspinnt. Es Künstlers abgerechnet werden können. Interessenvertretung aller Kultur- • Dachverband freie darstellende gen erstellt, Auslobungen bearbeitet ... ist dieser Zauber, der in der Freien Sze- Kein Projekthonorar für den Künstler initiativen, Projektgruppen und Künste Hamburg e.V., Zusam- und nur wenig davon ist von Dauer. Mit ne hält. In jeder Phase des Schaff ens ist ist leider eher die Regel, die geändert Kultureinrichtungen in nicht öf- menschluss professioneller freier jedem Werk und jedem Projekt beginnt alles möglich. Das Pendel des Risikos gehört. Die Freie Szene sehe ich als das fentlicher Trägerschaft sowie aller darstellender Künstlerinnen und quasi alles wieder von vorn. bewegt sich durch die Kunstprodukti- Experimentierfeld für die Kunst – das freischaff enden Künstler der Stadt Künstler: www.dfdk.de Die »Kunst« besteht in der richtigen on genauso, wie es über den Finanzie- ganze Künstlerleben lang. Damit man Leipzig: www.leipzigpluskultur. • Union Deutscher Jazzmusiker Prioritätswahl, der Entscheidung für rungswegen schwingt: Sein oder Nicht- immer wieder künstlerische Feldfor- de/initiative (UDJ): www.u-d-j.de Politik & Kultur | Nr. /  | Mai — Juni  FREIE SZENE KULTUR 29

Offene Ohren für den Jazz Deutschlands Freie Rolle gespielt hat. Mit Klassik wird zu brechen. Wir als Jazzmusiker, und nur da, auch Lehrbeauftragte an Mu-  Prozent. In den jüngeren Gene- Jazz-Szene – Theresa sich in Deutschland sehr identifi ziert, auch das Genre an sich, haben uns als sikhochschulen werden im Grunde rationen entwickelt es sich bereits daher macht das auch Sinn. Gesellschaft viel zu bieten. prekär bezahlt. Daran müssen wir als besser. Ich glaube, dass diese Bilder Brüheim im Gespräch mit Gesellschaft arbeiten. Denn für uns in den Köpfen der Menschen über Anette von Eichel von der Klassik ist das eine, Rock/Pop das Kommen wir auf einen anfäng- alle ist es wichtig, dass Künstlerinnen spezifi sche Qualitäten eines Ge- Union Deutscher Jazzmu- andere – neben dem Jazz. Wie wür- lichen Punkt zurück: Sie haben und Künstler adäquat belohnt werden schlechtes sehr lange Zeit brauchen, den Sie die Freie Szene im Jazz im angedeutet, dass die Situation von für ihre Arbeit. um sich zu verändern. Nehmen Sie siker Vergleich zu der Freien Szene im Jazzmusikern auf lange Sicht pre- das Cello als Vorbild. Es ist noch gar Rock/Pop einordnen? kär sein kann. Es fi el das Wort Al- Sie sind wie erwähnt UDJ-Vor- nicht so lange her, da war es für eine Jazzmusik ist in Deutschland zwar Ich glaube, der Rock/Pop-Bereich tersarmut. Schaut man mal auf die standsmitglied. Welche politischen Frau verpönt, das Cello zwischen die eine Nische auf dem Musikmarkt, aber hat viele ähnliche Probleme wie der Jahreseinkommen von Jazzmusi- Forderungen, aber auch Wünsche Beine zu nehmen und es zu spielen. eine mit enormer politischer und ge- Jazzbereich. Es gibt vielleicht eine kern, die in der Künstlersozialkas- und Ziele ergeben sich aufgrund Heutzutage haben wir im klassischen sellschaftlicher Strahlkraft, denn sie größere Bandbreite von musizieren- se (KSK) versichert sind, bestätigen dieser Realität für die Arbeit der Sektor eine Vielfalt von international ist wohl die demokratischste aller Mu- den Amateuren bis zum Millionär. die Zahlen dies: Männer verdienen UDJ? anerkannten Cellistinnen. Überhaupt sikrichtungen. Als Vorstandsmitglied In Deutschland gibt es einige Pop- im Durchschnitt um die . Wir wollen daran arbeiten, die Situ- das Sprechen über die Musik hat sich der Union Deutscher Jazzmusiker ver- Millionäre, aber Jazz-Millionäre in Euro und Frauen etwa . Euro ation der Musikerinnen und Musiker verändert. Da wird jetzt über den fe- sucht Anette von Eichel den deutschen der Freien Szene, würde ich mir mehr im Jahr. Welche Herausforderun- im Jazz und in der improvisierten mininen Klang gesprochen. Das Cel- Jazzmusikerinnen und -musikern in der wünschen. Popmusik macht insge- gen bringen solche Jahreseinkom- Musik in Deutschland zu verbessern. lo wird heutzutage mit Weiblichkeit Kulturpolitik eben jenes Gehör zu ver- samt einen höheren Umsatz. Was men für freie Musikerinnen und Dabei sollen die Gagenzahlungen für assoziiert. Das fi nde ich faszinierend. schaff en, das sie verdienen. Theresa aber das Institutionelle angeht, ist Musiker mit sich? die Musikerinnen und Musiker besser Da haben wir im Jazz einfach noch Brüheim spricht mit ihr über die Freie der Jazz besser organisiert als der Erstmal: Die KSK in Deutschland ist werden. Daher haben wir uns z. B. viel zu schaff en. Und dem Pop geht Jazzszene, prekäre Arbeitsbedingungen, Rock/Pop-Bereich. Z. B. an den deut- eine einzigartige Organisation für beim Spielstättenpreis APPLAUS sehr es da genauso. Geschlechtergerechtigkeit und vieles mehr.

Theresa Brüheim: Sie sind Vor- standsmitglied der Union Deut- scher Jazzmusiker, dem Sprachrohr der deutschen Jazzszene. Was denken Sie, wie ist es aktuell um die Freie Jazzszene in Deutschland bestellt? Anette von Eichel: Im Grunde sehr gut, wir haben wichtige Meilensteine erreicht. Als ich nach einem längeren Aufenthalt in den Niederlanden An- fang der er Jahre wieder zurück nach Deutschland gekommen bin, war die Clubszene im Jazz am Bo- den. Z. B. hier in Köln hat sich in den letzten  Jahren viel verändert. Die Szene der Jazzclubs ist sehr lebendig. Zentren wie Berlin und Köln ziehen viele internationale Musiker an. Es gibt immer mehr exzellent ausgebil- dete Musikerinnen und Musiker, die Hochschulszene hat sich qualitativ entwickelt. Wir Jazzmusiker fangen auch immer mehr an, uns zu organi- sieren. Das Wachstum der UDJ zeigt das sehr gut. Auf der anderen Seite haben wir zu wenig professionelle Veranstaltungs- orte. Es gibt gerade in der Freien Szene oft prekäre Arbeitssituationen, die auf längere Sicht Altersarmut bedeuten könnten. Aber die Förde- rung hat sich in den letzten Jahren stark verbessert. Z. B. gibt es jetzt den Spielstätten-Förderpreis APPLAUS oder den Musikfonds, an dessen Entstehung und Arbeit wir von der UDJ maßgeblich beteiligt sind. Wenn man aber die öff entliche Förderung von Jazzmusik mit der Förderung in anderen Bereichen vergleicht, dann gibt es wahnsinnig viel zu tun. Auch

in unserer Exportförderung können KRANS KIRSTEN FOTO: wir noch besser werden, da vermark- »The Players« von Edan Gerlick ten die skandinavischen Länder oder die Schweiz ihre sehr guten Musiker schen Musikhochschulen wird Jazz freischaff ende Künstlerinnen und engagiert. Wir haben eine Mindestga- Zum Abschluss noch eine Frage: international viel besser. Deutschland in den Fachbereichen angeboten. Für Künstler. Aber zu Ihrer Frage: Mich genempfehlung gegeben, also keine Wie sehen Sie die Zukunft der Frei- hinkt da – trotz einer Vielzahl an gu- den Pop ist das noch nicht so wahr. haben nicht nur die geringen Jah- Honoraruntergrenze. Die soziale Ab- en Jazzszene? ten Jazzmusikern – hinterher. reseinkommen beschäftigt, sondern sicherung wird auch im Rahmen der Ich wünsche mir, dass sich die Bleibt Jazz trotz der institutionel- auch der Einkommensunterschied. Allianz der Freien Künste diskutiert. Freie Szene inhaltlich weiter so viel- Woran liegt es, dass Deutschland len Verankerung eine Nische auf Der Unterschied zwischen männli- Wir fi nden es auch sehr wichtig, dass fältig entwickeln kann, wie sie das in da hinterherhinkt? dem deutschen Musikmarkt? chen und weiblichen Einkommen Jazz eine größere Rolle in der Schul- Deutschland tut. Ich wünsche dem Ich glaube, das liegt zum einen an Im Jahr  hat Jazz einen Anteil dieser KSK-Übersicht betriff t nicht bildung spielt – besonders aufgrund Jazz besonders mehr Hörer. der Größe Deutschlands und an den von , Prozent an den Plattenver- nur den Jazz, der zieht sich durch der gesellschaftlichen Wertigkeit des Und mehr off ene Ohren – auch bei föderalen Strukturen. Denn Kultur käufen in Deutschland gehabt. Schaut alle Sparten. Das ist wirklich erschre- Jazz, die ich vorhin dargestellt habe. jungen Menschen und Kindern. Denn ist Ländersache. Wenn man sich die man diese Zahlen an, ist Jazz in der ckend. gerade die sind für die spielerische institutionelle Förderung der klassi- Musikwirtschaft, in der Plattenin- In einer Jazzstudie der UDJ sind wir Wir haben eben schon den Art, wie wir Jazzmusiker mit Musik schen Musik ansieht, wird deutlich: dustrie eine Nische und viel kleiner bei  Prozent der Befragten auf ein Gehaltsunterschied zwischen umgehen, total off en. Und ich wün- Viel läuft über Förderprogramme der als Rock, Pop oder auch Klassik. Aber durchschnittliches Einkommen unter Frauen und Männern in der Kunst sche uns als Gesellschaft, dass wir Städte, nicht der Länder. Ich komme man muss den Jazz in seinen Mög- . Euro gekommen. Das ähnelt im Allgemeinen und im Jazz im das, was wir im Jazz praktizieren z. B. aus Kassel. Die Stadt hat etwa lichkeiten betrachten. Jazz könnte den KSK-Zahlen. Wir haben keine Speziellen thematisiert. Eine – das Zuhören, miteinander Reden . Einwohner – und ein voll- gesellschaftlich eine viel größere Be- Unterscheidung zwischen männli- andere Sache fällt bei den KSK- und Spielen – gesellschaftlich mehr fi nanziertes Dreispartenhaus, ein deutung haben, die nicht an den Ver- chen und weiblichen Einkommen Zahlen auch auf: In der KSK sind nutzen können. A-Orchester sowie eine Reihe von kaufszahlen gemessen werden kann. gemacht. Die Zufriedenheit unter . Jazzmusiker und  Jazz- kommunalen Kulturveranstaltungen. Denn Jazzmusik ist eine sehr demo- Jazzmusikerinnen und Jazzmusikern musikerinnen versichert. Woran Anette von Eichel ist Professorin für Das ist viel für eine Stadt mit . kratische Musikform. Da geht es viel ist erstaunlich hoch dafür, dass sie liegt das? Jazz-Gesang und Ensembleleitung an Einwohnern. Aber die Förderung um Kommunikation und Interkultu- so wenig verdienen. Mit Bezug auf Das hat mich auch sehr überrascht. der Hochschule für Musik und Tanz dreht sich hauptsächlich um Klassik. ralität. Es geht um das Umgehen mit Altersarmut versuchen viele, selbst Klar ist, Jazz ist im Moment tat- Köln sowie Vorstandsmitglied der Geschichtlich gesehen hat die klas- Regeln und Improvisation – gemeint privat vorzusorgen. Aber das Prob- sächlich noch eine Männerdomäne. Union Deutscher Jazzmusiker (UDJ). sische Kultur in Deutschland immer ist das UMgehen, aber auch das Um- lem bleibt einfach: Gerade im freien Insgesamt sehen wir als UDJ den Theresa Brüheim ist Chefi n vom Dienst eine sehr große gesellschaftliche GEHEN von Regeln, ohne das Ganze Sektor wird prekär bezahlt. Aber nicht Anteil der Frauen bei momentan von Politik & Kultur 30 NETZKULTUR www.politikundkultur.net

Einigkeit Der Deutsche Computerspielpreis 

FELIX ZIMMERMANN anerkennen, dass sich in den Monaten Digitale Infrastruktur im kommenden preis. Gewiss ist das ob der starken fi eld (…), um den Entwicklerstandort nach der gamescom einige erfreuliche Jahr hinter sich lassen wird. Konkurrenz überraschend, doch es Deutschland zu stärken und internati- as Jahr  war für den Entwicklungen ergeben haben, die die Dann gab sich auch noch der neue passt ins Bild des diesjährigen Preises. onal wettbewerbsfähig zu machen«. Die Deutschen Computerspiel- Branche nun in Aufbruchstimmung bayerische Ministerpräsident Markus Der deutsche Markt für Compu- Erwähnung einer solchen Förderung im preis ein Jahr der Forde- schwelgen lassen. Nachdem das brau- Söder die Ehre, der den Standortfaktor terspiele wächst seit Jahren und hat Koalitionsvertrag gab und gibt der Bran- D rungen und der Kritik. Das ne Monster bei der Bundestagswahl aus Computerspiel mit Blick auf die Land- nach Zahlen des Verbandes game nun che – auch am Abend der Preisverlei- Entwicklerstudio Mimimi Productions der dunkelsten Höhle der Geschichte tagswahlen in diesem Jahr natürlich erstmals einen Gesamtumsatz von drei hung – Rückenwind. hatte mit der Ablehnung des Preises gekrochen war, mussten die alten und nicht verschmähen wollte. Schlussend- Milliarden Euro überschritten. Riesige Was aus dieser Förderung schluss- für das Beste Gamedesign eine noch neuen Regierungsparteien zwar erst lich überreichte Söder dann auch den Geldmengen werden umgesetzt, doch endlich wird, muss sich zeigen, doch das kaum verheilte Wunde wieder aufge- einige Monate Schockstarre überwin- Preis für das Beste Deutsche Spiel an der Großteil dieses Geldes fl ießt ins Signal ist klar. Der Preis nahm in diesem rissen. Die Juryarbeit wurde kritisiert den, konnten sich dann aber doch zu- den Abräumer des Abends: »Witch It!«. Ausland zu den großen Entwicklerstu- Jahr den Ball auf und spielte ihn weiter. und man bediente sich hierfür dem eng sammenraufen. Schon im Januar die- Auch in den Kategorien Bestes Ju- dios und Publishern. Als Ralf Wirsing So ist die Auszeichnung von »Witch It!« mit der Geschichte des Computerspiel- ses Jahres waren der Verband GAME gendspiel und Bestes Internationales stellvertretend für Ubisoft die Aus- vor allem auch als Signal zu verstehen. preises verbundenen Instrument des und der Bundesverband Interaktive Multiplayer-Spiel konnte »Witch It!« zeichnung als Bestes Internationales Der Kampf um die Anerkennung der Skandals. Etwas weniger reißerisch, Unterhaltungssoftware (BIU) vorbild- – nicht nur zur Überraschung des sym- Spiel für »Assassin’s Creed Origins« Computerspiele in Deutschland scheint doch durchaus auch eindeutig hatte lich vorangeschritten und hatten der pathischen Entwicklerteams Barrel Roll entgegennahm, da wies er darauf hin, zumindest vorläufi g gewonnen. Jetzt Dorothee Bär – damals noch Parlamen- zukünftigen Bundesregierung gezeigt, Games – gewinnen und somit insgesamt dass dieses Spiel federführend in Mon- kann der Blick auf die Märkte dieser Welt tarische Staatssekretärin beim Bundes- wie schön Einigkeit doch sein kann, als . Euro an Preisgeldern einfahren. treal und mithilfe vieler »Satellitenstu- gerichtet werden. Und »Witch It!« soll minister für Verkehr und Digitale Inf- sie sich zum Verband game zusammen- Mit diesem Geld kann nun sicherlich dios« auf der ganzen Welt produziert nun zeigen: »Wir können da mithalten!« rastruktur – zu Beginn der Verleihung schlossen. das aktuell noch unfertige, aber bereits wurde. Als Vorstandsvorsitzender des Ob diese Selbsteinschätzung auch noch gefordert, sich im Angesicht der Und die guten Nachrichten hörten als sogenannter »Early-Access«-Titel Verbandes game äußerte er dann al- der Realität entspricht, muss zumin- nahenden Koalitionsverhandlungen of- gar nicht mehr auf. Dorothee Bär stieg verfügbare Spiel fertiggestellt werden. lerdings auch den Wunsch, in wenigen dest zum jetzigen Zeitpunkt bezwei- fensiv und gemeinsam einzubringen, in der neu gegründeten Regierung zur Wer nun die Foren einschlägiger Jahren einen Preis annehmen zu kön- felt werden. »Shadow Tactics: Blades um die Positionen der Spieleindustrie Staatsministerin und Beauftragten der deutscher Computerspielemagazine nen für eine Produktion von diesem of the Shogun«, dessen Entwickler den in der neuen Regierung starkzumachen. Bundesregierung für Digitalisierung auf betritt, der ertrinkt fast in der schier Kaliber, die dann aber federführend in Preis im letzten Jahr ablehnten, ist si- Sowohl die Preisverleihung wie auch – eine Position, die sie sich wohl auch endlosen Flut an Schmähschriften Deutschland entwickelt sein würde. cherlich ein Spiel von internationalem die Koalitionsverhandlungen verliefen als Vorkämpferin für den Computer- und Berichten über die Unfähigkeit Ein Fördersystem wie in Kanada Format. »Witch It!« ist möglicherweise dann durchaus anders als erwartet. spielpreis erarbeitet hat. An der dies- aller Beteiligten an diesem Preis ob bräuchte es, um diesen Wunsch Wirk- noch nicht so weit, doch ist die Ent-  könnte nun ein Jahr der Erfolge jährigen Preisverleihung im Münchener der Auszeichnung von »Witch It!«. Be- lichkeit werden zu lassen. Und tatsäch- wicklung dieses Spiels auch noch nicht werden, sofern die diesjährige Preisver- Kesselhaus und Kohlebunker konnte sie sonders überraschte, dass »Witch It!« lich reift die Hoff nung – nicht zuletzt abgeschlossen. Zumindest begibt sich leihung ein Indikator sein kann. Zumin- zwar nicht teilnehmen, doch als sie sich mit dem undotierten Preis als Bestes wegen des noch jungen Koalitionsvertra- »Witch It!« als Multiplayerspiel auf für dest konnten Branchenvertreterinnen per Videobotschaft meldete, da konn- Internationales Multiplayer-Spiel aus- ges –, dass ein ähnliches Fördersystem deutsche Entwicklerinnen und Ent- und Branchenvertreter ihr wiederer- te man spüren, wie die Seriosität des gezeichnet wurde und sich dabei ge- bald in Deutschland installiert werden wickler eher ungewohntes Terrain und starktes Selbstbewusstsein kaum ver- Kanzleramtes auf den Preis danieder gen fi nanzstarke und hocherfolgreiche könnte. So ist auf Seite  dieses Ver- ist wohl auch gerade deshalb als Bestes stecken. Beseelt von der Merkel’schen ging. Ganz die Digitalministerin be- Produktionen wie »Monster Hunter: trages zwischen Union und SPD von Deutsches Spiel ausgezeichnet worden. Segnung der Branche – sie hatte im stätigte Dorothee Bär dann auch per World« und »Splatoon « durchsetzte. der »Einführung von Games-Förderung Dem breiten Publikum bleiben die – August  die gamescom in Köln Twitter mit einem vielsagenden »So Dass ein deutsches Spiel in dieser in- auf international wettbewerbsfähigem von mir vermuteten – Nuancen dieser eröff net – scheint nun einfach alles ist das!«, dass der Computerspielpreis ternationalen Kategorie gewinnt, ist Niveau« die Rede, auf Seite  dann Auszeichnung im Kontext allgemeiner möglich. Auch der größte Zyniker muss das Bundesministerium für Verkehr und ein Novum für den Computerspiel- detaillierter von einem »level playing Aufbruchstimmung verborgen. Viele sprechen Produktionen wie »Witch It!« ab, ein ernsthaftes Spiel zu sein, nur weil da am Horizont irgendwo ein Mil- liardenprojekt wie »Overwatch« steht. Diese Einschätzung ist natürlich ab- solut verfehlt, doch könnten die Jurys des Computerspielpreises gewiss mehr dafür tun, ihre Entscheidungen ver- ständlicher zu machen, indem sie bei- spielsweise ganz besonderen Wert auf aussagekräftige Begründungstexte le- gen. Der Computerspielpreis fühlt sich seit jeher und auch in diesem Jahr wie ein Preis der Branche für die Branche an, bei dem Spielerinnen und Spieler nur zugucken dürfen. Natürlich ist der Preis auch als Förderpreis für die Branche angelegt, doch Akzeptanzprobleme in der breiten Öff entlichkeit bleiben auch bei dieser zehnten Verleihung bestehen und müssen angegangen werden. Dabei haben genau diese kritischen Spielerinnen und Spieler in diesem Jahr auch erstmals ein deutsches Spiel mit dem Publikumspreis ausgezeichnet: das von Piranha Bytes entwickelte »Elex«. Es gibt also gewiss keine unüberwind- bare Feindschaft zwischen den Spieler- innen und Spielern in diesem Land, die zu den Milliardenumsätzen beitragen, und den Entwicklerinnen und Entwick- lern. Die Spiele werden gespielt und Qualität wird – siehe »Elex« – durch- aus auch wertgeschätzt. Vielfach gehen vielversprechende Spiele aus Deutsch- land aber an dieser Zielgruppe vorbei, die dann beim Computerspielpreis nur ungläubig vor dem Livestream sitzt. Es geht also auch darum, Vorurteile gegen- über deutschen Produktionen abzubau- en und die Stärken der Spiele transpa- renter zu machen. Dazu kann und muss der Computerspiel preis beitragen. Der Kampf um die politische Füh- rungsriege dieses Landes mag vielleicht gewonnen sein, jetzt gilt es, die Mil- lionen Menschen zu überzeugen, die in Deutschland spielen. Dann glaubt nicht nur die Branche selbst daran, dass deutsche Entwicklerstudios zu Global Playern werden können, sondern bald vielleicht auch das ganze Land. FOTO: GETTY IMAGES QUINKE NETWORKS QUINKE IMAGES GETTY FOTO: Die Gewinner in der Kategorie »Witch it – Bestes Deutsches Spiel« mit der Moderatorin Barbara Schöneberger, dem Geschäftsführer des game Felix Falk und den Felix Zimmermann ist Journalist Vorstandsvorsitzenden des game Ralf Wirsing und Linda Kruse während des Deutschen Computerspielpreises  und Historiker aus Köln Politik & Kultur | Nr. /  | Mai — Juni  NETZKULTUR 31 FOTO: GETTY IMAGES/HANNES MAGERSTAED IMAGES/HANNES GETTY FOTO: Deutscher Computerspielpreis  am . April  im Kesselhaus in München

Unterstützung der Games-Entwick- Von einer Umsetzung des »Deutschen ße Potenziale selbst DAX-Schwerge- ler in anderen Ländern, sind Spiele- Games-Fonds« profi tiert nicht nur der wichte wie Mercedes-Benz oder BMW Langer Atem Produktionen in Deutschland um bis Games-Standort Deutschland, son- längst nutzen. International vollzieht zu  Prozent teurer als andernorts. dern sogar der Finanzminister. Ein sich der Wandel sogar noch schneller: Die Zukunft des Games- und Hochschulen bis zu Dienstleistern Diese Wettbewerbsnachteile müs- Blick nach Frankreich zeigt, welche Bereits bei den Asienspielen  in Standort Deutschland und weiteren Akteuren. Der game ist sen wir dringend abbauen. Denn die volkswirtschaftlichen Hebelwirkungen Hangzhou soll der digitale Sport of- nicht nur Träger der gamescom, dem Folgen dieser Fehlentwicklung sind durch die gezielte Förderung möglich fi zielle Disziplin werden. Und auch weltgrößten Event rund um Compu- gravierend: Deutschland spielt kaum sind: Für jeden Förder-Euro werden für die Olympischen Spiele zwei Jah- FELIX FALK ter- und Videospiele, sondern auch Ge- eine Rolle auf dem weltweiten Games- zusätzliche , Euro an Steuern sowie re später in Paris wird über eine Be- sellschafter der Unterhaltungssoftware Markt, der bereits seit vielen Jahren weitere acht Euro an Investitionen ge- rücksichtigung diskutiert. Zwar wird as lange währt, wird endlich Selbstkontrolle (USK) und der Stiftung sehr dynamisch wächst und andere neriert. Für das Modell des »Deutschen eSports auch im aktuellen Regierungs- gut – so ähnlich könnte man Digitale Spielekultur. Das Konzept des Kultur- und Kreativbranchen längst Games-Fonds« in Höhe von  Mil- programm eine olympische Perspek- W den Start in die neue Legis- gemeinsamen Verbandes fand dabei hinter sich gelassen hat. Doch nicht lionen Euro würde dies ein erhöhtes tive eingeräumt. Allerdings kann das laturperiode für die deutsche Games- nicht nur in der Games-Branche viel nur wirtschaftlich sind die Schäden Steueraufkommen von  Millionen Bundeskabinett hierüber nicht allein Branche zusammenfassen. Auch wenn Zuspruch – über  Unternehmen immens: Computer- und Videospiele Euro sowie zusätzliche Investitionen entscheiden, sondern braucht den or- die Regierungsbildung mehr Zeit in An- sind von Anfang an Mitglied im game haben sich längst zu einem kulturell in Höhe von  Millionen Euro be- ganisierten Sport. Und genau hier gibt spruch genommen hat, als jemals zuvor –, sondern auch darüber hinaus. Ob di- prägenden Medium entwickelt – leider deuten. es immer noch Vorbehalte, wie zuletzt in der Geschichte der Bundesrepublik rekt aus der Politik, von anderen Ver- jedoch ohne deutsche Beteiligung. Das Auf unserer Agenda für die neue die gestrigen und wenig glücklichen Deutschland, ist der dabei entstandene bänden oder aus der internationalen muss sich schnellstmöglich ändern! Legislaturperiode steht auch die Wei- Worte von DFB-Präsident Reinhard Koalitionsvertrag zwischen CDU, CSU Games-Branche – uns erreichten von Zumal die Innovationen der Games- terentwicklung des Deutschen Com- Grindel zeigten, der die Beschäftigung und SPD für die Games-Branche ein überall zahlreiche Glückwünsche! Die Branche und ihre Fachkräfte auch in puterspielpreises. Dieser hat sich in mit digitalen Medien als »absolute wichtiger Meilenstein: Erstmals wird deutsche Games-Branche startet daher vielen anderen Wirtschaftsbereichen den vergangenen Jahren im Bundes- Verarmung« bezeichnete. Hier muss in dem Programm die Förderung der deutlich gestärkt in die neue Legisla- dringend gebraucht werden. ministerium für Verkehr und digitale weiter Überzeugungsarbeit geleistet Games-Entwicklung genannt. Um zu turperiode. Hinzu kommt: Dorothee Die Gefahr ist groß, dass wir wei- Infrastruktur sehr gut entwickelt. Un- werden. Ansonsten drohen wir aber- international deutlich erfolgreicheren Bär, frischgebackene Staatsministerin ter den Anschluss an den internatio- serem Ziel, mit dem Preis die heraus- mals von der internationalen Entwick- Produktionsstandorten aufzuschlie- für Digitalisierung im Bundeskanzler- nalen Games-Markt verlieren, wenn ragenden Leistungen der deutschen lung überholt zu werden. ßen, wird die Einführung eines Fonds amt, gab während der Gala des Deut- die Förderung auf Bundesebene nicht Games-Branche weithin sichtbar zu Diese Legislaturperiode ist ent- in Aussicht gestellt. Doch damit nicht schen Computerspielpreises bekannt, zeitnah eingeführt wird. Daher haben machen, kommen wir jedes Jahr ein scheidend für den Games-Standort genug: Auch das Thema eSports fand dass sie in der neuen Regierung für alle wir bereits wenige Wochen nach unse- gutes Stück näher. Wegen des Deut- Deutschland. Bisher laufen wir der seinen Weg in das Regierungspro- Games-Themen zuständig ist. Damit rem Zusammenschluss zum game und schen Computerspielpreises berich- internationalen Entwicklung zumeist gramm. War der digitale Sport bei der ist eine ausgewiesene Digital- und nach Verabschiedung des Regierungs- ten nicht nur Fachmedien über Titel hinterher – sowohl bei den Rahmen- vorherigen Regierungsbildung vor vier Games-Expertin in den kommenden programms ein konkretes Modell für aus Hamburg, München oder Berlin, bedingungen für die Entwicklung von Jahren noch ein Nischenthema, hat es Jahren die Verantwortliche für Games einen Games-Fonds präsentiert. Den sondern eben auch Sendungen wie das Computer- und Videospielen als auch sich insbesondere in den vergangenen in der Bundesregierung. »Deutschen Games-Fonds« haben ZDF Morgenmagazin. Doch trotz dieser beim Thema eSports. Die Ausgangsla- zwei Jahren zu einem wichtigen Trend An erster Stelle unserer Agenda für wir gemeinsam mit unseren Mitglie- Erfolgsgeschichte gibt es eine große ge in dieser Legislaturperiode ist je- entwickelt. Und so ist es nur folgerich- die neue Legislaturperiode steht die dern sowie EU-Beihilfe- und Förder- Baustelle: Bisher zahlen die Preisträ- doch besser als jemals zuvor: Endlich tig, wenn eSports nicht nur als Sport- Einführung der Games-Förderung in rechtsexperten entwickelt. Kern des ger immer noch anteilig ihr eigenes werden die großen Potenziale erkannt. art anerkannt werden soll, sondern im Deutschland. Ob Frankreich, Großbri- Vorschlags ist ein Fonds in Höhe von Preisgeld. Ein einmaliger Vorgang bei Erstmals haben es die Games-Förde- Regierungsprogramm auch direkt von tannien oder Kanada – international zunächst  Millionen Euro jährlich, den Kulturpreisen der Bundesregie- rung und eSports in ein Regierungs- einer olympischen Perspektive gespro- haben viele Länder ihre heimische dessen Zuschüsse automatisiert nach rung. Wir werden uns zwar weiter stark programm geschaff t, mit Dorothee chen wird. Games-Branche systematisch unter- einem festen Mechanismus vergeben für den Deutschen Computerspielpreis Bär ist eine ausgewiesene Games- und Der Start in die neue Legislatur- stützt. Die Folgen sehen wir heute beim werden sollen. Mit dem Fonds soll die engagieren, aber mit dieser Ungleich- Digital-Expertin für unsere Themen periode war für die deutsche Games- Blick auf die Verkaufscharts: Spiele Entwicklung von Prototypen und Pro- behandlung muss endlich Schluss sein! zuständig und mit dem game haben Branche auch aus anderer Perspektive aus Deutschland fi nden sich weder in duktionen kleiner, mittlerer und gro- Nur dann bleibt der Deutsche Compu- wir einen Verband, der sich kompetent ereignisreich: Ende Januar, als CDU, Deutschland noch international auf den ßer Entwicklungsstudios gleicherma- terspielpreis ein politisch glaubwürdi- und handlungsstark für die gesamte CSU und SPD noch miteinander ran- vorderen Rängen. Der Anteil deutscher ßen unterstützt werden. Unser Modell ges Bekenntnis für die Games-Branche deutsche Games-Branche einsetzt. gen, schlossen sich die beiden Verbän- Spieleentwicklungen auf dem heimi- ist einfach, transparent und planbar; und kein Zeichen der Ungleichbehand- Daher sind wir sehr zuversichtlich, de der Games-Branche in Deutschland schen Markt befi ndet sich bereits seit der Mechanismus ist mit europäischen lung aus alten Zeiten. dass auch für den Games-Standort zusammen. Mit dem neuen game ist Jahren im mittleren einstelligen Pro- Standards kompatibel. Es bildet die Auch beim Thema eSports müssen Deutschland am Ende gilt: Was lange ein Verband entstanden, der alle Ak- zentbereich. Wesentlicher Grund für Grundlage, Deutschland zu einem in- wir in dieser Legislaturperiode Fakten währt, wird endlich gut! teure der deutschen Games-Branche diese Entwicklung sind die schwie- ternational starken und innovativen schaffen: Der digitale Sport hat sich in vertritt – vom Spiele-Entwickler und rigen Finanzierungsbedingungen in Standort für die Spieleentwicklung zu kürzester Zeit aus der Nische heraus zu Felix Falk ist Geschäftsführer Publisher über eSports-Veranstalter Deutschland. Durch die zielgerichtete machen. einem Trend entwickelt, dessen gro- des game 32 NETZKULTUR www.politikundkultur.net

Der kulturelle Ausdruck einer jungen Generation Ihr Musik-Kultur-Videoangebot auf www.nmz.de Die Zukunft der nen letztlich nicht möglich ist, dann maßen Clusterwirkung entfalten und im Spannende Musikdokus in voller Länge Computerspielpolitik vermittelt das Spiel die Botschaft, dass Zusammenspiel mit kleinen und mittle- Über die Jahre hat sich auf unserer Homepage ein Schatz von es im Krieg nur Verlierer gibt. Wenn in ren Unternehmen (KMU) Forschung und »Spec Ops the Line« Spielern keine echte Innovationen stärken und gesamtgesell- hunderten von Filmen zu den verschiedensten Themen des LINDA BREITLAUCH Wahl gegeben wird, ob sie sich moralisch schaftlich vorantreiben. Musiklebens angesammelt. Von kurzen Clips und Trailern bis eit mehr als einer Dekade ver- gut verhalten können, selbst wenn sie es Wie kein anderes Medium sind Com- hin zu kompletten Dokumentarfilmen für die Fernsehausstah- kennt die deutsche Kulturpoli- erbittert versuchen, vermittelt das die puterspiele sowohl im Zusammenspiel lung. Wir haben für Sie diesen Monat im Archiv gestöbert und S tik den Stellenwert von Com- Botschaft, dass Krieg ein vollkommen aus Interaktivität und aus ästhetischem empfehlen Ihnen hier einige der vielen Dokumentationen im puterspielen als Kulturgut. Trotz der sinnloses Unterfangen ist. sowie narrativem Blickwinkel Kultur- Fernsehformat, die Sie dort in voller Länge anschauen können entsprechenden Anerkennung durch Computerspiele sind Kunst und als gut und gleichzeitig aufgrund ihrer Be- – kostenlos und ohne jede Anmeldung. den Bundestag im Jahr  wird der solche einzigartig, insofern sie als Me- deutung für Technologie- und Kompe- deutsche Beitrag zur globalen Kultur- dium die Möglichkeiten der narrativen, tenztransfer für viele andere Bereiche politik in diesem Wachstumssegment ästhetischen und interaktiven Aus- zukunftsweisend. Technologie ist dabei gebremst. Damit einhergehend wurden drucksformen nutzen, um Spiegel der nicht nur ein Teil, sondern ebenso Trei- maßgebliche gestaltende Impulse zur Gesellschaft zu sein. ber von Kulturschaff ung. Wichtige Zu- gesellschaftlichen Auseinandersetzung Computerspiele haben ihr größtes kunftsthemen wie Big Data, künstliche mit der Digitalisierung unterlassen. Ein Publikum bei überwiegend jüngeren Intelligenz, prozedurale Generierung Ausklammern der kulturellen Bedeutung Menschen – der kommenden, die nach- sowie neuartige Kommunikations- und und damit eine auf wirtschaftliche und folgende Gesellschaft gestaltende Gene- Lernformen, darüber hinaus Themen technologische Bedeutung reduzierte ration. So wie für frühere Generationen wie Zugänglichkeit und Teilhabe werden Sicht auf Computerspiele führt zu einem junge Medienformate wie Comics oder von Spieleentwicklern wie Spielekon- unvollständigen Blick auf den Paradig- Rock ’n’ Roll gleichzeitig Identifi kation sumenten gleichermaßen selbststän- Ihr Link zum menwechsel durch die Digitalisierung. und Abgrenzung gegenüber der Eltern- dig mitgedacht und gestaltet. Dies sind Dies gilt insbesondere im Hinblick auf generation waren, sind dies heute Com- Kompetenzen, die für eine digitale Ge- gesellschaftlichen Zusammenhalt so- puterspiele. Sie sind Ausdruck der Kultur sellschaft maßgeblich sind. „Auch Wochen später steigt das Adrenalin” wie den damit einhergehenden disrup- einer jungen Generation. Die Zukunft Aus diesem Grund ist es begrüßens- Artist‘s Comment mit dem Geiger Christian Ostertag tiven gesellschaftlichen Veränderungen. der nächsten Generation wird durch wert, dass es nun neben einer Staatsmi- Deutschland hat dadurch eine schlech- Technologie, Digitalisierung und ihren nisterin für Kultur auch eine Staatsmi- Bei einem Konzert des SWRSinfonieorchesters Baden-Baden tere Startposition um den Wettbewerb Ausdrucksmitteln maßgeblich beein- nisterin für Digitales gibt. Die Staatsmi- und Freiburg im Jahr 2016 trat der Konzertmeister Christian für eine zukunftsfähige Gesellschaft. fl usst. Diese Generation will nicht nur nisterin Dorothee Bär ist eine profunde Ostertag aus den Reihen seiner Kollegen heraus und spielte Es bedarf dringend einer gesellschaft- konsumieren, sondern auch gestalten Kennerin der deutschen Gamesbranche. den Solopart in Leonard Bernsteins „Serenade für Solo-Violine, lichen Diskussion, die durch Unterstüt- – wie sich auch an den ständig wach- Die Förderung dort anzusiedeln, ist der Harfe, Schlagzeug und Streicher“. Sehen und durchleben Sie zung der Kulturwissenschaft auf eine senden Angeboten und der Nachfrage richtige Weg, sie zu einem Schulter- in einem „Artist‘s Comment” das gesamte Werk zusammen mit Ebene gehoben werden muss, die dem nach Studienplätzen im Bereich Spiele- schluss von Digitalisierung und Kultur seinem Solisten: Hier kommentiert er seinen Auftritt, spricht Kulturgut Computerspiele angemessen entwicklung ablesen lässt: Allein mehr einzusetzen. über das Werk, aber auch über seine Gedanken und Gefühle ist. Denn Computerspiele werden die als  staatliche Angebote rund um die Entwicklung unserer kulturellen und Entwicklung von Computerspielen ha- Computerspiele als Vorreiter der beim Musizieren mit dem ‚eigenen‘ Orchester. ethischen Werte immer stärker prägen. ben sich in den letzten gut zehn Jahren Digitalisierung und Multiplikator in Deutschland etabliert. Immer häufi - technischer Innovationen Computerspiele sind ger entstehen kleine Teams mit eigenen Digitalisierung ist eine gesellschaftspo- Kulturgut und Kunst kreativen und künstlerischen Projekten, litische Gestaltungsaufgabe, in der der Computerspiele sind nicht nur dann die sich als Grundlage für die Gründung Mensch im Mittelpunkt steht. Schnel- Kulturgut, wenn sie in Deutschland von Entwicklerstudios eignen. ler und besser als jede andere Branche hergestellt wurden oder es Schauplatz Wenn aber junge Gründer ihre Spiel- adaptiert die Computerspielindustrie ihrer Geschichten ist. Schwerpunkte der ideen und kreativen Konzepte realisie- die technische Fortentwicklung und kulturellen Begegnung sind die Com- ren wollen, stehen sie vor der großen reagiert auf den digitalen Wandel. Die munities, in denen Spieler vor allem Herausforderung, dass ihre künstleri- wachsende Bedeutung von Gamestech- miteinander interagieren. Als kürzlich schen Ambitionen nachvollziehbarer nologie zur Digitalisierung sämtlicher Stephen Hawkings verstarb, haben Weise nicht von denen fi nanziert wer- Wirtschaftsbereiche können noch immer Ihr Link zum sich Spieler von Eve Online – einem den, die ausschließlich in voraussicht- nicht ausreichend genutzt werden und Online-Multiplayer Universum – zu- lich ökonomisch erfolgreiche Projekte wirken somit negativ auf die Zukunfts- Dortmund ist ganz Chor sammengeschlossen und den Himmel investieren. Die Publisherfi nanzierung fähigkeit des Standortes Deutschland. dieses virtuellen Universums ihm zu ist jedoch bisher die nahezu einzige Sowohl die internationale als auch oder: Was sind das für Menschen, die in einem Chor singen? Ehren erhellt. In diesen oftmals globa- Möglichkeit, eine Finanzierung für eine die nationale Bedeutung von deutschen 2011 stellte der Deutsche Chorverband in Dortmund zum ersten len und für prinzipiell jeden zugängli- teilweise mehrjährige Entwicklung zu Computerspielentwicklungen hat sich Mal ein großes Highlight der Chorszene auf die Beine: die chor.com, chen Communities werden Menschen realisieren. Aber selbst wenn eine Pub- in der letzten Dekade erheblich ver- die erste Chormesse Deutschlands. In diesem Rahmen entstand zu Freunden, sie unterstützen einander lisherfi nanzierung glückt, bedeutet es, ringert, auch deshalb, weil gleichzeitig das Feature „Dortmund ist ganz Chor“, das nicht nur Laien und und entwickeln Projekte oder spenden dass die IP und somit die Marke an den die international führenden Standorte Profis bei ihrem ganz persönlichen Weg durch das Großevent gemeinsam für gemeinnützige Zwecke. Publisher übergehen. Kreative lassen ihre Industrien durch massive Förde- über die Schulter schaut, sondern das vor allem einer Frage Hier werden gemeinsame Werte entwi- sich in der Regel darauf ein, da sie nur rung erheblich gestärkt haben. Diese ckelt und ausgetauscht, auch hier fi ndet so ihr Projekt überhaupt beenden und profi tieren dementsprechend von ei- nachgeht: Was sind das für Menschen, die in einem Chor singen? gesellschaftlicher Diskurs statt. der Öff entlichkeit zugänglich machen ner wachsenden globalen kulturellen Ein anderer Schwerpunkt kulturel- können. Nach Beendigung des Projektes Bedeutung. Der weltweit viertgrößte ler Bedeutung, der für viele oft gar nicht stehen sie folglich wieder am Anfang, Absatzmarkt Deutschland ist entspre- sichtbar ist, liegt in der grundsätzlichen häufi g sogar mit weniger als vorher, da chend geprägt durch den kulturellen Im- Systematik von Computerspielen – näm- sie in den Aufbau der Marke zumeist port von Angeboten aus den USA, Japan lich, dass sie fair sein müssen. Der gera- mit eigenen Mitteln investiert haben. und zunehmend auch China. Aber auch dezu wichtigste Bereich des Game De- Gleichzeitig werden die von ihnen ent- der technologische und wirtschaftliche signs liegt deshalb im sogenannten »Ba- wickelten Marken nicht mehr von ihnen Vorsprung gegenüber dem deutschen lancing« – was nichts anderes aussagt, selbst betrieben und weiterentwickelt Standort wurde dadurch signifi kant er- als dass Spieler sich weder vom Spiel werden können. höht bei einem gleichzeitig stetig weiter selbst noch von Mitspielern betrogen Künstler und Kreativschaff ende fra- sinkenden Anteil deutscher Produktio- Ihr Link zum fühlen möchten und dass es gerecht zu- gen sich, warum ihre Werke in anderen nen an diesem Gesamtmarkt. geht. Fairness in einem Spiel herzustel- Kunstbereichen gefördert werden kön- Um der drohenden internationalen len, ist somit eine zentrale Aufgabe der nen, nicht aber in dem Bereich, der auf- Bedeutungslosigkeit des Kulturguts Jugend musiziert – der Film Spieleentwicklung. Fairness ist für die grund der einzigartigen Verschmelzung deutsche Computerspiele entgegen- 2014 jährte sich der einflussreichste und bedeutendste deutsche Spieler so essenziell wichtig, weil dies von Interaktivität, Narration, Ästhetik zuwirken, ist deshalb ein nachhaltiges Nachwuchswettbewerb „Jugend musiziert“ zum 50. Mal. in einem System, was auf Regeln basiert, und Technologie eine der heutigen Zeit Förderkonzept erforderlich, dass sowohl Zu diesem Jubiläum hat das Team von die einzige verbindliche Verabredung ist. angemessene Rezeption und Refl ektion Neugründungen als auch den Marken- Fairness als Grundprinzip gesellschaft- gesellschaftlicher Herausforderungen aufbau von Entwicklern unterstützt und nmzMedia einen Film lichen Zusammenlebens zu begreifen, ermöglicht. dabei die umfangreichen Kompetenzen gedreht, der viele neue wird in Computerspielen gelebt und im Eine Förderung, wie sie im Koaliti- aus der Forschung einbezieht. Facetten dieser span- wahrsten Sinne des Wortes kultiviert. onsvertrag in Form eines Fonds jetzt an- Wer aber bei der Entwicklung kultu- nenden Konkurrenz Um zu verdeutlichen, wie wichtig die- gekündigt wurde, ist deshalb notwendig reller Werte weder national noch inter- zeigt. ser Aspekt ist, lohnt sich ein Blick auf und auch überfällig. Zentrales Anliegen national eine Rolle spielt, überlässt das Spiele, die aus künstlerischer Absicht dieser Förderung muss es deshalb sein, Feld der kulturellen Auseinandersetzung dem Spieler ein faires Spiel verweigern. Gründungen deutlich zu unterstützen anderen. alle Filme für Sie kostenlos unter Die Einzigartigkeit der Kunstform Com- sowie bestehende deutsche Entwickler- puterspiele zeigt sich genau dann, wenn unternehmen zu stärken, damit sie eige- Linda Breitlauch ist Professorin für Exklusiv und kostenlos unter www.nmz.de in dem Spiel »This war of Mine« – wel- ne IPs entwickeln und behalten können. Game Design an der Hochschule Trier www.nmzmedia.de ches das menschliche Leiden in Kriegs- Dabei müssen auch Hochschulstandorte und Jurymitglied des Deutschen gebieten zum Thema hat – ein Gewin- gestärkt werden, die nachgewiesener- Computerspielpreises Politik & Kultur | Nr. /  | Mai — Juni  NETZKULTUR 33

mehr betrieben werden. Man könnte tiert France – also der französi- sagen, die Verlage haben ihre Chance sche Arm des Senders – immer wieder gehabt, sie wollten sie aber nicht wahr- beträchtliche Summen in interaktive nehmen. Chance gehabt, Chance vertan. Games- Produktionen, denn in Frank- In diesen von den Verlagen freigehal- reich gibt es diese engen Regeln nicht. tenen Bereich sind vor allem interna- Das müsste aber auch von der deut- tionale Player eingedrungen. Von den schen Seite mit einem substanziellen drei Milliarden, die in Deutschland mit Budget »gematched« werden – die Rede Games umgesetzt werden, gehen nur ist von etwa  Millionen Euro im Jahr. etwa sechs Prozent an deutsche Ent- Insofern sollte Deutschland gleich- wickler. Der Rest der Erlöse wird ins ziehen und aus den  Milliarden Euro Ausland »abgepumpt« – still und leise, Gebühreneinnahmen im Jahr einen Jahr für Jahr. entsprechenden Betrag nur für Game- Vielleicht sollten wir jetzt Compu- sproduktionen bei ARTE zur Verfügung terspiele einfach mal von der Blacklist stellen, um damit Online und Mobile herunternehmen und dem öff entlich- Games nicht nur programmbegleitend rechtlichen Rundfunk erlauben, auch in diesem Bereich zu investieren. Er erfüllt auch die Aufgabe, eine gewisse Basis Vielleicht sollten von einheimischen Produktionen zu wir dem öff entlich- fi nanzieren – Produktionen, die auch rechtlichen Rundfunk nach meritorischen Kriterien funkti- onieren müssen. Zugleich besteht die einfach erlauben, in Gefahr, dass dem deutschen öff entlich- Computerspiele zu rechtlichen System der Zuschauer in investieren der Mitte der Gesellschaft abhanden- kommt: Der Durchschnitt (!) hat mitt-

FOTO: PICTURE ALLIANCE / JOKER / ALLIANCE PICTURE FOTO: lerweile das Renteneintrittsalter er- zu generieren. Die Games könnten arte france investiert immer wieder beträchtliche Summen in interaktive Games-Produktionen reicht. Gerade kleinere Entwickler, die dann zweisprachig in Deutschland kulturell riskantere Projekte realisieren und Frankreich zugleich veröff entlicht wollen, könnte man so unterstützen werden, was einen erheblich größeren und zugleich dem Demografi e-Problem Markt darstellt und die Fragmentierung des Rundfunks entgegenwirken. – eine der wichtigsten Herausforderun- Geplant ist für die Novellierung des gen auf europäischen Content-Märkten Runter von der Blacklist Rundfunkstaatsvertrags lediglich eine – zu überwinden hilft. Zugleich wür- enge Ausnahmeklausel für den - de die Verankerung bei ARTE einen Computerspielförderung durch den öff entlich-rechtlichen Rundfunk Kanal und auch das nur programmbe- Qualitätsbegriff bedeuten, der den gleitend – viel zu wenig. Natürlich kön- kommerziellen Anbietern, die Geld MALTE BEHRMANN Computerspielpreis. Computerspiele sehr kommerzielle und eher kulturelle nen die Games-Importeure damit gut verdienen, aber auch Geld verdienen gehören dazu und der neue Koalitions- Ansätze nicht zwingend immer in die leben, denn Ihnen ist vor allem wichtig, müssen, wenig in die Quere kommen omputerspiele kommen auch vertrag möchte sie mit einem eigenen Quere, aber die Verlage wollten tatsäch- dass der breite Markt für ihre Impor- würde. Diese Projekte könnten dann mit im Rundfunkstaatsvertrag vor. Förderprogramm weiter aufwerten. lich mehr machen in diesem Bereich: te keine lokale Konkurrenz bekommt. Spieleentwickler-Firmen aus beiden Obwohl seit rund zehn Jahren Nicht zuletzt unterstützt der Deutsche Und in der Tat haben sie dann auch als Letztlich gibt sich hier die deutsche Ländern zusammen entwickelt werden C als Kulturgut anerkannt, sind Kulturrat diese Entwicklung. Konsequenz eigene Unternehmungen Verlagsindustrie mit ihrer Blockade- – ähnlich wie bei Fernsehauftragspro- sie in der letzten Runde der Novellie- Warum sind Computerspiele also auf aufgebaut. Gamigo wurde von Springer haltung für das Geschäft der Games- duktionen. Es könnte ein wichtiger Bei- rung des Rundfunkstaatsvertrags auf der Backlist? In der letzten Legislatur- übernommen und betrieben, Burda hat Importeure her. Sehr schade. Mein trag zu einem grenzüberschreitenden die sogenannte Blacklist geraten. Das periode bzw. der letzten Verhandlungs- ebenfalls versucht, Fuß zu fassen. Auch Eindruck ist aber, dass die Blockade- Kulturraum sein, der alle Generationen ist eine Anlage zum Rundfunkstaats- runde für den Rundfunkstaatsvertrag Bertelsmann tauchte manchmal auf Haltung der Verlage vor allem andere und Schichten erreicht. Zugleich wäre vertrag, in dem diejenigen Verwer- haben sich die Verlage auch schon deut- Games-Messen auf. Bastei Lübbe hat Bereiche des Rundfunkstaatsvertrags es großes politisches Symbol unserer tungsmöglichkeiten stehen, die der lich gegen den öff entlich-rechtlichen sich bei Daedalic engagiert. Aber: Ab- betrifft. Vielleicht haben sie ja ein »inter-aktiven« deutsch-französischen öff entlich-rechtliche Rundfunk nicht Rundfunk positioniert. Schon damals gesehen vom letzten Fall hat sich kei- Einsehen, dass hier ihre Vorstellungen Freundschaft – als Nucleus einer mo- umsetzen darf. Pornofi lme, Glücksspiel ging es um das Internet der Zukunft. nes dieser Unternehmen mit deutscher einfach in der Praxis gescheitert sind dernen europäischen interaktiven Me- und ähnliche Dinge passen sicher nicht Die Verlage erklärten, sie würden sich Spieleentwicklung beschäftigt, sondern und es deshalb keinen Grund mehr gibt, dienpolitik. zum meritorischen Charakter des öf- für das Thema Online Games und Mo- ausnahmslos Computerspiele aus dem den öff entlich-rechtlichen Rundfunk fentlich-rechtlichen Rundfunks. Aber bile Games interessieren; es wäre ein Ausland, in der Regel aus Fernost, hier- fernzuhalten. Jüngere Beitragszahler Malte Behrmann ist Rechtsanwalt und gilt dies auch für Computerspiele? Ich Eingriff in die verlegerischen Freiheiten, hergeholt und veröff entlicht. Aber das würden das Angebot wahrscheinlich Hochschullehrer. Er verantwortet an würde sagen keinesfalls, denn sie sind wenn in diesem Bereich der öff entlich- war nicht unbedingt erfolgreich. Nach nutzen und begrüßen, da es kostenlose der bbw Hochschule die Studiengänge heute nicht nur rechtlich, sondern rechtliche Rundfunk mit Gebührengel- und nach sind alle großen deutschen Qualität wäre. Wirtschaftskommunikation und Crea- auch gesellschaftlich als Kulturgut an- dern aufrüste. Das war zwar schon da- Verlage wieder aus dem Computerspiel- Am besten wäre es wahrscheinlich, tive Industry Management. Behrmann erkannt. Goethe-Institute verbreiten mals sehr eindimensional, denn wie im bereich ausgestiegen. Grosso modo die Aktivitäten des öff entlich-rechtli- war Gründungsgeschäftsführer des deutsche Computerspiele als deutsches linearen Bereich gibt es auch bei Games können wir also feststellen, dass heu- chen Rundfunks gemeinsam mit dem Game e.V. und Generalsekretär des Kulturgut im Ausland und es gibt ei- viele unterschiedliche Märkte und te Computerspielaktivitäten von der französischen Counterpart bei ARTE EGDF (European Game Developer nen kulturell motivierten Deutschen Zielrichtungen und da kommen sich Verlagswirtschaft in Deutschland nicht zu konzentrieren. Schon heute inves- Federation)

Vorwort und Einleitung – Olaf Zimmermann: – Klaus Stern: Eine Kulturstaatsklausel für das Zweite Moderne / S. 23 – Gabriele Schulz: Von der Leitkulturdiskussion Grund gesetz. Verfassungsrechtliche Überlegungen zur kulturellen Integration aus aktuellem Anlass Schwergewichte! / S. 25 / S. 122 Das Leid mit der Leitkultur – Jan-Hendrick Olbertz: Kultur als Staatsziel – Olaf Zimmermann: Die Kunst ist frei / S. 125 af Zimmerm Leitkulturstandardskulturstandards  / S. 37 – Norbertbert Lammert: Lammert: Nachdenken über Leitkultur. – Peter Peter Raue: Wie frei darf Kunst sein? Wo liegen Welchehe Verbindlichkeiten brauchen wir? die rechtlichen GGrenzen der Kunstfreiheit und wie Jetzt bestellen Wertedebatte: / S. 39 Mit jeweils mehr als  Seiten sind zwei neue »Schwerge- – Klaus von Beyme: werden sie defindefiniert? Eine unnötige Debatte oder / S. 129 www.kulturrat- wichte« in der Buchreihe »Aus Politik & Kultur« erschienen. wass gehört zur Kultur? Kulturpolitik sollte sich nicht – Olaf Zimmermann: Kunstfreiheit ist ein Kernbestand- mit der DiskussionDiskussion um um Leitkultur Leitkultur belaste belasten teil der Demokratie. Jeder unrechtmäßigenun Einschränkung shop.de / S. 42 Die Bücher »Wertedebatte: Von Leitkultur bis kulturelle – Max VonFuchs: Fuchs: Leitkultur, kulturelle Leitkultur Vielfalt und die derer Kunstfreiheit bis muss entgeentgegengetreten werden Politik. Über Containerbegriffe – York-Gothart Mix:Mix: / S. 132 ontai / S. 45 Schließt Demokratie Zensur nicht aus? Integration« und »Die dritte Säule: Auswärtige Kultur- und – Hermannmann Glaser:Glaser: Deutsche Leitkultur und deutschedeu Kunstfreiheit und Zensur in der Bundesrepublik / S. 134 Unkultur.ultur. Im Im Nachgang Nachgang zum zum Schillerjahr Schillerjahr   – Regine Möbius:Möbius: Bis hierher und nicnicht weiter! Bildungspolitik« liefern einen umfassenden thematischen / S. 48 – Georgrg Ruppelt:Ruppelt: Verordnete Leitkultur: Politik Oder Kunstfreiheit in der DDR kulturelle Integration / S. 13713

Überblick über die Debatten zu den Themen Werte und Aus- und Literatur. Vor  Jahren ließ Adolf Hitler Friedrich – Petra Bahr:Bahr: Verletzte Gefühle. Was darf die Kunst Schillers Wilhelm Tell verbieten im Umgang mit Religion? / S. 52 it R / S. 140 – Herfried Münkler: – wärtige Kultur- und Bildungspolitik, der bis zu anderthalb Imperiale Leitkultur. Kultur alsVorwort und JakobEinleitung Johannes Koch: Differenzieren. Versachlichen. Mittel der politischen Integration Gebrauchsanleitung für das Spannungsfeld Kunst- und / S. 55 – Olaf Zimmermann: – Patrick Kurth: Tragende Säule in der Außenpolitik. Jahrzehnte zurückreicht und zugleich neue Kontexte er- – Claudia Roth: InnenAußenKulturpolitik Deutsche Begriffskrankheit. – Johannes Ebert:Religionsfreiheit / S. 143 / S. 25 Zur Auswärtigen Kulturpolitik Globale Debatte / S. 27 / S. 113 Die Leitkulturdebatte offenbart – Theresa Brüheim:– Olaf Zimmermann: – schließt. Sie werden herausgegeben von Olaf Zimmermann konservative In  Seiten um Kunst- die Welt und Meinungsfreiheit: Lukrezia Jochimsen: Versprechen gebrochen. Konzeptlosigkeit / S. 58 AKBP – zwischenÜber diePropaganda Grenzen der und grenzenlosen Kulturdialog?/ S. 29 Freiheit? Auswärtige Kulturpolitik unter Schwarz-Gelb: – Bassam Tibi Ein Kommentar zur Kunst- und Meinungsfreiheit und Theo Geißler. : Über Bürgerrechte und Bürgerpflichten.– Max Fuchs: Deutschlands Bild in der Welt. Anmerkungen Ein Trauerspiel / S. 147 / S. 115 Die Leitkulturdebatte ist wieder entfacht zur Auswärtigen– Elke Kultur- Monssen-Engberding: und Bildungspolitik – : / S. 61 Wie weit muss Jugend- Quo vadis? Zur Auswärtigen Kultur- – Petra Bahr: Bewegung im Werden. Zehn Thesen zur– Horst Harnischfeger:schutz gehen? Was hat Vorrang: /Jugendschutz S. 41 oder und Bildungspolitik Leitkultur in der Die Europadritte stärken, Frieden sichern. Säule: / S. 116 Einwanderungsgesellschaft Ziele AuswärtigerKunstschutz? Kultur- und / S. 149 Bildungspolitik – Monika Grütters: Bestellen Sie die Bücher für jeweils , Euro / S. 66 Künstler als Schrittmacher – Max Fuchs: Kein Vertrauen in die eigene Kultur? – Daniel Gad:Die Diskussion um einen Kanon / S. 46 moderner Gesellschaften. Die Auswärtige Kultur- Möglichkeitsraum für Vernetzung, Offenheit inkl. Versand unter www.kulturrat-shop.de oder Leitkultur oder Wertedebatte: eine problematische und Interdisziplinarität.– Jörg-Dieter Zur Gauger: Bedeutung Ohne der Fakten Auswärtigen geht es nicht. und Bildungspolitik Alternative Warum kulturelle Bildung einen Kanon braucht / S. 117 / S. 70 Kultur- und Bildungspolitik in Deutschland – Max Fuchs: Deutsche auswärtige Kulturpolitik im – Thomas de Maizière im Gespräch mit Hans Jessen: Beiträge– / S. 49 zur / S. 153 Aus - per E-Mail an [email protected]! – Erik Bettermann: Birgit Jank: Ist ein Werke-Kanon heute zeitgemäß? europäischen Kontext. Themen und Trends Deutschland im Wettbewerb um »Und weil wir dies Land verbessern, Lieben und die WeltöffentlichkeitEinige Gedanken zum Kanon und zu seiner Vergangen-– Ronald Grätz: / S. 119 Glaubwürdigkeit und Vertrauen als beschirmen wir’s« heit in der / S. 53DDR / S. 73 – Monika Grütters: Brücken zwischen/ S. 157 den Menschen. Währung. Zum Verhältnis von Auswärtiger Kultur- und – Burkhard Blienert und Kamilla Schröder: Zur Funktion– Gabriele von Kunst Schulz: und Kultur Viel Lärm um nichts?! Die Bildungspolitik und Außenwirtschaftspolitik Wertedebatte: Die dritte Säule: (vermeintliche) deutsche Leitkultur. Der Wahlkampf- wärtigen / S. 55 Kultur- und Die Diskussion um einen Kanon / S. 124 Ein Diskurs entsteht: AKBP im Laufe der /Jahre S. 160 – Ronald Gr ätz und Olaf Zimmermann: Von Leitkultur bis Beiträge zur Aus wärtigen stand des Bundesinnenministers – Claudia Schwalfenberg: Paradigmen- / S. 78 – Wilfried Grolig: Zur Lage der Auswärtigen Ohne Kultur- Mut zur und Beschränkung wechsel in der Kulturpolitik. Deutscher Kulturrat – Ludwig Greven im Gespräch mit Olaf Zimmermann: geht es nicht. Frei zur Bildung – Plädoyer für einen Bildungspolitik. Internationaler Kulturdialog in der und Institut für Auslandsbeziehungen kooperieren kulturelle Integration Kultur- und Bildungspolitik »Man darf sich vor einer fremden Kultur fürchten« offensiven Kulturkanon Verantwortung für unsere gemeinsame / S. 163 Zukunft – : / S. 129 – Michael Wolffsohn im Gespräch mit Hans Jessen: / S. 82 Bildungspolitik– Auswärtige Kulturpolitik in – Kurt-Jürgen Hermann Maaß: Wilske: Pro Kanon: Kultur / S. 59 weitergeben Zeiten der Globalisierung ISBN: ---- ISBN: ---- Was ist deutsch? – Auf der Suche nach der Aus- / S. 167 / S. 131 / S. 87 wärtigen Kulturpolitik. Christian Höppner:Zu drei zentralen Contra Fragen Kanon: der Kanon ist – Monika Grütters, Ulla Schmidt, Harald Leibrecht,  Seiten für € ,  Seiten für € , – Thomas de Maizière: Außenkulturpolitikdidaktische Steinzeit »Das Grundgesetz kann nicht / S. 63 / S. 169 Lukrezia Jochimsen, Claudia Roth: ein gutes Miteinander definieren.« Was ist deutsch? Was ist Heimat? Zur Zukunft / S. 92 – Wilfried Grolig: Gedanken zur multilateralen der Auswärtigen Kulturpolitik Kulturstaat – Staatsziel Kultur – Olaf Zimmermann: / S. 134 Kultur politik. Dynamik der Globalisierung Heimat / S. 173als Heraus – Ronald Grätz: Weil das Wünschen wieder helfen – Paul Raabe: – Katrin Göring-Eckardt: Von der Kulturnation zum Kult t forderung Heimat wir su h h- muss Konzeptionelle V hlä mermann und Theo Geißler / S66 34 MEDIEN www.politikundkultur.net

Was wäre eine Welt ohne Lokaljournalismus? Die Plattform für digitale Nachrichten »Der Merkurist«

MANUEL CONRAD Reporter« (FAZ, . September ), Emanzipation durchlaufen hat. Auf Fa- Informationen aller Art haben sich Die Aufgabe von Journalismus, Wirk- die Neue Zürcher Zeitung (NZZ, . Mai cebook, YouTube, Instagram oder dem durch das Internet vom ausschließ- lichkeit abzubilden, muss digital wei- anchmal höre ich ) von Lokaljournalismus als Welt- eigenen Blog hat heute nicht nur die baren Klubgut zum öff entlichen Gut tergedacht werden. im kulturerbe und das Magazin journalist Presse, sondern jedermann Zugang zu entwickelt. Der Ansatz, Zeitungen Journalistisches Arbeiten ist nicht Auto. Das Laufband auf ist überzeugt, dass der Zug längst abge- einem Millionenpublikum. Diese digital mittels PayWalls in die digitale Welt das Kuratieren von öff entlicher Mei- M dem Display vom Radio fahren ist (Ausgabe /). Emanzipierten können es immer weni- zu überführen, gestaltet sich aus heu- nung. Die kommunikative Einbahn- erklärt mir, was ich da höre: Alles von Ja, es ist in der digitalen Welt zwei- ger akzeptieren, wenn sich Journalisten tiger Sicht als schwierig. Und das ist straße gehört der Vergangenheit an. Relevanz, steht da. Aber was ist Rele- fellos schwerer geworden, das zu ma- online wie offl ine als eine überlegene, nicht nur schlecht: Freier Zugang zu So sehr Information zum öff entlichen vanz, was macht sie aus? Ist Relevanz chen, was jahrzehntelang für nahezu Relevanz normierende Klasse geben. Information, unabhängig von gesell- Gut geworden ist, so sehr müssen sich dort, wo der Verkehrsminister die »Er- jede Gemeinde in Deutschland selbst- Dem müssen sich die Journalisten stel- schaftlichem Status und fi nanziellen Informations- bzw. Nachrichtenplatt- höhung von Infrastrukturmitteln für verständlich war: Lokaljournalismus len. An dem Anspruch muss sich neuer Mitteln, ist einer demokratisch organi- formen gleichfalls zur öffentlichen das nächste Haushaltsjahr« verkündet? mit Leidenschaft. Lokaljournalismus Lokaljournalismus orientieren. sierten und lebendigen Öff entlichkeit Diskurs-Plattform entwickeln. Es wird Oder dort, wo sich genervte Menschen von Redakteuren, die für ihren Ort Wir bei Merkurist glauben nämlich: eigentlich nur zuträglich. schon versucht, es wird aber auch als kilometerlang über eine defekte Rhein- brennen und berichten, was berichtet Lokale Berichterstattung ist nicht nur Solange Zeitung bzw. Nachrichten quälend empfunden. brücke quälen? Ist für mich relevant, werden muss; damit alle wissen, was gesellschaftspolitisch betrachtet von noch Klubgutcharakter hatten, ließen Die Digitalisierung von öff entlicher was vor meiner Haustür passiert oder vor der Haustür passiert, was diskutiert, enormer Bedeutung. Lokaljournalismus sie sich leicht durch die Bepreisung Information bietet aber besondere was Trump twittert? Die Antwort lautet: debattiert und politisiert werden muss. ist essentiell für das Zusammenleben. ihres Zugangs fi nanzieren. Dieser An- Chancen: Noch nie war es so einfach, beides. Benjamin Piel von der Elbe-Jeetzel-Zei- »Die Leute sprechen über unsere Inhalte, satz, auf dem die Geschäftsmodelle aller Vielfalt einzufangen und journalistisch Doch die Herablassung, mit der vie- tung macht deutlich: Eine Welt ohne sie streiten darüber«, schreibt Benjamin klassischen Zeitungsverlage basieren, ist abzubilden. Das versuchen wir bei Mer- le Journalisten lokale Nachrichten be- Lokaljournalismus »wäre eine andere Piel in der Zeit. Gerade das Internet – heute hinfällig. Der Zugriff auf ein öf- kurist mit dem »o-ha!«-Button, den trachten, stört mich seit Langem. Sie Welt und sie wäre schlechter« (DIE ZEIT, der erklärte Feind vieler traditioneller fentliches Gut ist nicht mehr ausschließ- Snips und der »Materialfunktion«. Wir vermitteln gerne, die fehlende Postfi - . Oktober ). Journalisten – schaff t Potenzial für die bar und deshalb funktioniert die rein versuchen, den Leser in den journalis- liale im Ort, die dauernden Staus auf Wo sind sie, die lokalen Digitalzei- Gestaltung von Öff entlichkeit im lokalen marktwirtschaftliche Logik nicht mehr. tischen Prozess miteinzubeziehen. Das der Hauptstraße seien doch alles bloß tungen, die den Anspruch ihrer Print- und ländlichen Raum im Besonderen. Was wir also brauchen, sind neue schaff t Vertrauen, das schaff t Bindung Lappalien. Wen interessiert das schon?! Vorfahren einlösen wollen? In den regi- Wenn wir dieses Potenzial, das durch Geschäfts- bzw. Finanzierungsmodelle, und stärkt den Diskurs innerhalb loka- Mich ärgert diese Einstellung, weil onalen Verlagen herrscht eine analoge Digitalität geschaff en wird, jedoch nut- um die Verbreitung lokaler Informa- ler Communities. sie eine Gesellschaft widerspiegelt, die Lethargie: Immer mehr Gemeinden und zen und eine zeitgemäße, digitale und tionen – gerade auch als neuerdings Mit einem »New Deal« schaff en wir: wir im Zuge der Digitalisierung doch Bürger müssen seit Jahren ohne eigene inklusive Informationsinfrastruktur öff entliches Gut – wirtschaftlich trag- Eine neue Wertschätzung von Leserin- FOTO: MERKURIST GMBH MERKURIST FOTO: Aktiv für den Lokaljournalismus: das Team von Merkurist

eigentlich längst zurückgelassen haben; Zeitung auskommen. Die sogenannten schaff en möchten, brauchen wir einen fähig abzubilden. Dies sind auch die teraktion, die sich in der Behandlung eine Gesellschaft, in der sich eine recht »Mäntel« werden hunderte von Kilome- »New Deal« im Lokaljournalismus. Er Erfahrungen aus mittlerweile fast vier von Leserbeiträgen widerspiegelt. Die kleine Gruppe von Menschen durch ihre tern entfernt hergestellt. Die Produk- könnte die Finanzierung von Journa- Jahren Merkurist. Einbindung von Leserinteraktionen Berufswahl – Journalist – auch gleich te werden angestaubt, einseitig, dünn. lismus ins digitale Zeitalter überführen Dafür sind in unseren Augen die fol- und -feedbacks in die Bewertung von die Kompetenz miterworben hat, Be- Die Konsequenzen davon sind nicht nur, und sicherstellen, dass auch Bürger jen- genden Schritte erforderlich: Relevanz. Technologie zur Abbildung deutsames von Unbedeutsamem zu un- aber auch: ein wachsendes Gefühl des seits der städtischen Ballungsgebiete • Eine radikale Dezentralisierung der von Interaktion und Vielfalt an Meinun- terscheiden. Und die off ensichtlich der Abgehängt- und Nichtbeachtet-Seins Antworten bekommen auf die Fragen, Nachrichtenproduktion und eine gen, Wirklichkeiten, um nicht nur Kom- Meinung ist, dass Lokales im Vergleich im ländlichen Raum und eine quasi die ihr Alltag aufwirft. gleichzeitige Spezialisierung, sodass mentarfriedhöfe zu schaff en, sondern einfach unbedeutsamer sei. alternativlose Hinwendung zu »alter- Da muss sich nicht nur die Verlags- jeder einzelne Journalist die Verant- die Interaktion zum Teil des digitalen Deshalb habe ich Merkurist ge- nativen« Nachrichtenquellen. welt neu sortieren, sondern es muss auch wortung für eine Gemeinde und ein Nachrichtenprodukts zu machen. gründet, mit dem wir eine technisch Schuld ist für viele das Internet. Aber die Politik der kommenden Jahre die Thema übernimmt. Was nun? Für eine transparente- wie gesellschaftlich konsequent digi- das ist zu einfach. Vielmehr ist die ak- Weichen stellen. Aber was bedeutet das • Diese Einzelkämpfer werden auf ei- re, vielfältigere Öff entlichkeit muss tale Lösung für Nachrichtenberichter- tuelle Situation des Lokaljournalismus nun konkret? In unseren Augen muss ner partnerschaftlich organisierten man bereit sein, neue Wege zu gehen. stattung geschaff en haben. Merkurist Ergebnis diverser Fehlentwicklungen. ein »New Deal« für Lokaljournalismus Plattform vernetzt, wo die Bericht- Dem Rationalisierungs- und Zentra- bricht bewusst mit so manchen Regeln Dazu gehören auch: Inhalte, die das zwei Aspekte adressieren: Zum einen erstattung aller Netzwerkmitglieder lisierungstrend in den Medien sollte der klassischen Zeitungen: Wir setzen Interesse der Leser nicht mehr treff en, die Finanzierung von Journalismus in abgerufen werden kann. ein Ende gesetzt werden. Wir brauchen auf Interaktion, Partizipation und ein fehlende Ideen für wirklich digitale einer Welt, in der sich Information vom • Die Realisierung von Netzwerkeff ek- mehr Vor-Ort-Reporter und mehr In- journalistisches Selbstverständnis des Nachrichtenprodukte. Und wo die Ideen Klubgut zum öff entlichen Gut entwickelt ten und der Austausch von Wissen. teraktion mit den Lesern, Hörern und Community-Managers. Unser Ziel ist fehlen, setzt sich der Sparzwang durch. hat. Zum anderen die Digitalisierung des • Es braucht eine Start-up-Finanzierung Zuschauern, um demokratische Pro- eine digitale Kultur, die schaff t, was Und so kuschelt man gerne wieder handwerklichen Selbstverständnisses von unternehmerischen Einzeljourna- zesse auf lokaler Ebene zu retten. Es heute vielfach ungewiss scheint: die mit dem journalistischen Selbstver- von Journalisten – weg vom normati- listen für eine nachhaltig operierende ist Zeit für einen »New Deal« im Lo- Rettung des Journalismus im Lokalen, ständnis der Vergangenheit: Journa- ven Sprachrohr der Wenigen, hin zum Mikro-Redaktion. Natürlich geht das kaljournalismus. Das zu schaff en, ist an der Front. listen empfi nden sich auch im Jahre inklusiven Relevanz-, Community- und auch mit Sponsorings oder gemein- unsere Mission; hierfür suchen wir Es ist mittlerweile längst »Main-  überwiegend noch als die Kura- Plattform-Manager für alle. nütziger Förderung. Aber auch die Mitstreiter. stream« geworden, eine Zukunft ohne toren von öff entlicher Meinung und Aber der Reihe nach: Finanzierung Politik muss sich Gedanken machen, Lokaljournalismus für unabwendbar zu »Alles von Relevanz« – ich habe den von Information und Nachrichten auf lo- wie sie die Rahmenbedingungen für Manuel Conrad ist Gründer halten: Die Frankfurter Allgemeine Zei- Eindruck, mehr als früher –, während kaler Ebene muss neu gedacht und mög- digitalen Lokaljournalismus der Zu- und Geschäftsführer der Merkurist tung (FAZ) redet bereits vom »Letzten ihre Leserschaft längst eine digitale licherweise vergesellschaftet werden. kunft – gerade auf dem Land – schaff t. GmbH Politik & Kultur | Nr. /  | Mai — Juni  DOKUMENTATION 35

Vorhaben und Ziele des Koalitionsvertrags jetzt zügig umsetzen Stellungnahme des Deutschen Kulturrates

Der Deutsche Kulturrat, der Spitzen- stärker mit der Frage zu befassen, wie seine Forderung nach einer besseren . Gesetzliche Regeln zum Urhe- les Angebot vorhalten können. Neue verband der Bundeskulturverbände, Nachhaltigkeit kulturell gefasst werden Absicherung der Infrastruktur kultu- berrecht konsequent anwenden Finanzierungssysteme sind erforderlich, fordert die Bundesregierung auf, die kann, und zum anderen wie Nachhaltig- reller Bildung, die eine unerlässliche Der Deutsche Kulturrat mahnt dringend damit Bundesmittel im Rahmen von im Koalitionsvertrag vereinbarten keit im Kultur- und Medienbereich mit Voraussetzung für erfolgreiche Projekte an, dass den positiven Aussagen zur Programmen an die kommunale Ebene kulturpolitischen Vorhaben und Zie- Leben erfüllt werden kann. Der Deut- ist. Ferner betont der Deutsche Kultur- Verlegerbeteiligung bei gesetzlichen ausgereicht werden können. le jetzt schnell umzusetzen und dabei sche Kulturrat sieht sich selbst in der rat, dass kulturelle Bildung, die sich auf Vergütungsansprüchen schnell Taten den Dialog mit der organisierten Zivil- Pfl icht, zu dieser Diskussion Beiträge die Lebenswelt der Teilnehmenden be- folgen und auf der europäischen Ebene . Kulturpolitik in Europa gesellschaft zu suchen. Die geplante zu leisten. zieht, der Weiterbildung der Akteure die entsprechenden Vorstöße gemacht gestalten »Agenda für Kultur und Zukunft«, die kultureller Bildung bedarf. werden. Das Thema eilt sehr. Mit Blick Der Deutsche Kulturrat wertet posi- dialogisch zusammen mit den Ländern, . Digitalisierung gestalten auf weitere Änderungen im Urheber- tiv, dass die deutsche EU-Ratspräsi- den Kommunen und der Zivilgesell- Der Deutsche Kulturrat unterstreicht, . Geschlechtergerechtigkeit leben recht sieht der Deutsche Kulturrat das dentschaft in der zweiten Jahreshälfte schaft erarbeitet werden soll, sieht der dass die Digitalisierung in erster Linie Der Deutsche Kulturrat begrüßt aus- Erfordernis, dass der Zweck des Urhe-  genutzt werden soll, um die eu- Deutsche Kulturrat als ein geeignetes eine kulturelle Aufgabe ist. Er sieht, drücklich, dass im Kulturkapitel des Ko- berrechts, den Urheber in seinen geis- ropäische Dimension der Auswärtigen Forum, um eine Diskussion zu den im dass der digitale Wandel im Koaliti- alitionsvertrags klargestellt wird, dass tigen und ökonomischen Beziehungen Kultur- und Bildungspolitik stärker zu Koalitionsvertrag genannten Fragen onsvertrag breiten Raum einnimmt. Gremien und Jurys geschlechtergerecht zu seinem Werk und bei der Sicherung akzentuieren. Der Deutsche Kulturrat wie Integration, Inklusion, Demogra- Dieses betriff t neben der technischen besetzt werden müssen. Ferner ist posi- einer angemessenen Vergütung zu vermisst klare Aussagen, wie die in den fie, Digitalisierung, Gleichstellung, Infrastruktur insbesondere das Thema tiv, dass das Professorinnenprogramm schützen, im Mittelpunkt der Urhe- europäischen Verträgen verankerte Kul- Populismus, Zukunft der Arbeit und Digitalisierung und Arbeit. In diesem fortgeführt werden soll. Hier sind die berrechtspolitik steht und auf dieser turverträglichkeitsprüfung von europä- Kommunikation zu führen. Zusammenhang weist der Deutsche Kunst- und Musikhochschulen ent- Grundlage ein gerechter Ausgleich zwi- ischen Gesetzesvorhaben stärker mit Der Deutsche Kulturrat hat vor der Kulturrat darauf hin, dass auch die Kul- sprechend gefordert, Anträge zu stellen, schen Urhebern, Rechteinhabern und Leben gefüllt werden soll. Hier steht die Bundestagswahl  Forderungen für tur- und Medienberufe sich tiefgreifend damit der weibliche akademische Nach- Nutzern gesucht wird. Bundesregierung in der Pfl icht. eine Kulturpolitik für die . Legisla- durch die Digitalisierung verändern. Es wuchs im Kultur- und Medienbereich turperiode (-) erhoben. Der wird erforderlich sein, dass auch Frei- stärker gefördert wird. Mit Blick auf die . Kulturelles Erbe sichern, . Auswärtige Kultur- und Bil- Deutsche Kulturrat ist erfreut, dass berufl er stärker in die Weiterbildungs- geplante Bundesstiftung, die sich der weitergeben und fördern dungspolitik weiterdenken einige der Forderungen im Koalitions- förderung einbezogen werden, um sie gerechten Partizipation von Frauen in Der Deutsche Kulturrat hat mit Freude Der Deutsche Kulturrat begrüßt, dass vertrag ihren Niederschlag gefunden für die veränderten Anforderungen des Gesellschaft, Politik, Wirtschaft und zur Kenntnis genommen, dass ein Pro- die Kulturpolitik im Inland und die haben. Bei anderen sieht der Deutsche Marktes fi t zu machen. Zu begrüßen Wissenschaft widmen soll, fordert der gramm »Kultureller Denkmalschutz« Auswärtige Kultur- und Bildungspoli- Kulturrat noch Handlungsbedarf. Der sind ferner die verschiedenen genann- Deutsche Kulturrat, dass auch Kultur aufgelegt werden soll. Ebenso positiv tik stärker aufeinander bezogen werden Deutsche Kulturrat kommt daher im ten Vorhaben zur Digitalisierung von und Medien einbezogen werden. sind die verschiedenen Anstrengungen sollen. Dieses bedeutet einerseits ver- Folgenden auf seine  Forderungen Kulturgut. Es wäre zu wünschen gewe- zur Digitalisierung des Kulturerbes so- mehrte Aktivitäten der inländischen zurück und gleicht diese mit dem Koa- sen, dass die Notwendigkeit langfristig . Arbeits- und Sozialpolitik wie zum materiellen Erhalt des schrift- Kulturpolitik im Ausland und ande- litionsvertrag ab. erforderlicher Investitionen deutlicher anpassen lichen Erbes. Der Deutsche Kulturrat rerseits der Auswärtigen Kultur- und zum Ausdruck gekommen wäre. Denn Der Deutsche Kulturrat hat mit Freude möchte daran erinnern, dass die Stär- Bildungspolitik im Inland. Hier wird . Kulturelle Integration als Chan- dafür müssen die erforderlichen Mit- zur Kenntnis genommen, dass Selb- kung von vorhandenen und die Einrich- es darauf ankommen, Synergien statt ce für gesellschaftlichen Zusam- tel bereitgestellt werden. Digitalisie- ständige, die nicht durch andere Ver- tung von neuen Archiven vorangetrie- zusätzlicher Konkurrenzen zu schaff en. menhalt gestalten rung ist aber nicht nur eine Frage der sorgungssysteme wie Kammern oder die ben werden. Eine neue Initiative ist das Der Deutsche Kulturrat begrüßt, dass technischen Innovationen, sondern die Künstlersozialversicherung abgesichert Programm »Jugend erinnert« , das vom . Stärkung der die die Kultur betreff enden Kapitel im digitalen Lebensräume müssen kultu- sind, in die gesetzliche Rentenversiche- Deutschen Kulturrat begrüßt wird. Hier Bundeskulturpolitik Koalitionsvertrag unter der großen rell gestaltet werden. Insbesondere mit rung einbezogen werden sollen. Diesen bestehen Potenziale zur Verbindung Der Deutsche Kulturrat bedauert, dass Überschrift »Zusammenhalt und Er- Blick auf das Regierungshandeln wird Schritt hält der Deutsche Kulturrat für von kultureller, historischer und poli- statt der Einrichtung eines Bundeskul- neuerung – Demokratie beleben« steht. es darauf ankommen, dass die Staats- dringend erforderlich, um Altersarmut tischer Bildung in diesem Programm. turministeriums nunmehr vier Staats- Damit wird untermauert, dass Kunst ministerin für Kultur und Medien und im Kulturbereich zu vermeiden. Ebenso ministerinnen für Kultur im Inland, in und Kultur einen wesentlichen Beitrag die Staatsministerin für Digitales sich ist begrüßenswert, dass hybride Arbeit, . Welterbestätten dauerhaft der Auswärtigen Kultur- und Bildungs- zum gesellschaftlichen Zusammenhalt untereinander abstimmen. d. h. der stete Wechsel zwischen abhän- fördern politik, in der kulturellen Integration leisten. Dieses wird durch verschiedene giger Beschäftigung und selbständiger Der Deutsche Kulturrat bedauert, dass und der Digitalpolitik eingesetzt wur- Aussagen im Kulturkapitel des Koali- . Kulturelle Bildung voranbringen Tätigkeit, stärker in den Blick genommen UNESCO-Welterbestätten nicht in die den. Hier wurde die Chance für ein star- tionsvertrags untermauert. Auch wer- Der Deutsche Kulturrat ist erfreut, dass und gegebenenfalls erforderliche gesetz- Regelförderung des Bundes übernom- kes Bundeskulturministerium vertan. den Programme wie »LandArt« oder die Erarbeitung einer Gesamtstrategie liche Änderungen angestoßen werden men werden. Er begrüßt zugleich, dass Ebenso ist bedauerlich, dass die Koali- »Jugend erinnert« einen Beitrag dazu für kulturelle Bildung geplant ist, in die sollen. Mit Blick auf den sich auch im die Projektförderung von UNESCO- tionspartner sich nicht einigen konn- leisten können, den gesellschaftlichen die Länder einbezogen werden sollen. Kulturbereich teilweise abzeichnenden Welterbestätten fortgeführt werden soll. ten, dass als Ziel vereinbart wurde, das Zusammenhalt zu stärken. Der Deut- Der Deutsche Kulturrat sieht die Not- Fachkräftemangel begrüßt der Deutsche Staatsziel Kultur im Grundgesetz zu sche Kulturrat fordert, dass ein Bun- wendigkeit, dass bei der Erarbeitung Kulturrat, dass das Duale Ausbildungs- . Kommunen stärken verankern. desprogramm »Kulturelle Integration« einer solchen gesamtstaatlichen Stra- system gestärkt und die Chancen für die Der Deutsche Kulturrat erwartet, dass eingeführt wird, das die Expertise und tegie die organisierte Zivilgesellschaft Aufstiegsqualifi kation verbessert werden die Kommunen, die einen erheblichen Der Deutsche Kulturrat wird sich in Verankerung zivilgesellschaftlicher Or- eingebunden wird, die über mannigfa- sollen. Auch ist positiv, dass mittelfristig Teil der Kulturfi nanzierung im Rahmen anstehende Debatten in dieser Wahl- ganisationen vor Ort nutzt. Ein solches che Erfahrungen in der Umsetzung kul- Lösungen für den Bezug von Arbeits- der kommunalen Selbstverwaltung periode intensiv einbringen und damit Programm könnte einen wichtigen Bei- tureller Bildung verfügt. Darüber hinaus losengeld I kurz befristet Beschäftigter übernehmen, zügig entlastet werden, für die Verbesserung der Rahmenbedin- trag zu gesellschaftlichem Zusammen- unterstreicht der Deutsche Kulturrat gefunden werden sollen. damit sie ein entsprechendes kulturel- gungen für Kunst und Kultur eintreten. halt und kultureller Integration leisten.

. Gerechten Welthandel umsetzen Der Deutsche Kulturrat erkennt an, dass im Koalitionsvertrag das Ziel eines ge- rechten und nachhaltigen Welthandels Das Wichtigste formuliert wird. Er vermisst allerdings einen deutlichen Bezug zur UNESCO- Konvention über den Schutz und die zur Kulturpolitik Förderung der Vielfalt kultureller Aus- Jetzt drucksformen. Diese Konvention wurde gerade mit Blick auf Handelspolitik er- abonnieren! arbeitet und sollte für die Bundesrepu- Abonnieren Sie jetzt für  Euro im Jahr blik als Unterzeichnerstaat Richtschnur inkl. Versandkosten! für die Handelspolitik im Kulturbereich sein. Darüber hinaus sieht der Deut- Per Telefon:  .   , Fax:  .    sche Kulturrat das CETA-Abkommen, oder E-Mail: [email protected]. das weiterhin mit sogenannten Negativ- und nicht mit Positivlisten arbeitet, als $'%$%"%% $ !%$"#! für den Kulturbereich schädlich an. Der , € Mai/ Deutsche Kulturrat wird sich weiterhin Juni 3  für einen gerechten Welthandel stark- www.politikundkultur.net machen, der die Besonderheiten des Zeitung des Deutschen Kulturrates "#$ #"%# " "% -, % -+*) Kultur-, Bildungs- und Mediensektors  &34$)8*/%&/%&46-563&3#&  "$% %$%"! $$% 05(&4$)8*&(&/!6.JI") %#!"#  "$)5,D.1'&6/%5*1&/%*&/ %(" 607"%*4 6/%&4,6-563  "4 3&45"(%&4 3#&*5&3"6'45"/%&4 130(3"..& 3&* -*$,16/,5& berücksichtigt und dem globalen Süden "-56/(;&*(&/(&(&/ /5* 45&)5"6'%&3,6-56310-*5*4$)&/ %$ $"  #&%"3'&4&*/&3",5*7&/3*//& "6'&*/& &-53&(*0/*..#36$) 4&.*5*4.64 3&* 034$)-D(& (&/%"%&3/&6&/ 6/%&43&(*& 36/(4,6-563*/("/; &654$)-"/% Seiten  und  einen fairen Zugang zu den Märkten "#$ !  "-4&",5*0/"6'%*&7&3(&*(5& 36/(*/%*&4&3&(*4-"5631&3*0%& Seite   " "   &3-&*)6/(NMLK Seiten  und  Seite  ermöglicht. % & " Gerechtigkeit  .Nachhaltigkeit verwirklichen $)#*/*/.&*/&3$)6-;&*5"#40-65 6/(&3&$)5#&)"/%&-5803%&/&* /&05&/*/%&3"6154$)6-&8"3&/ Der Deutsche Kulturrat stellt fest, dass .*&4.&*/ 3#&*54&*'&3#&4$)3D/,5 /%5305;%&.("#&4&)3&3%*&.*3 4"(5&/"64%*38*3%&58"4"$) Freie Szene Kultur  der Diskurs um Kultur und Nachhal- /"$)%&."6154$)6-"#4$)-6448&* 5&3&*/&&)3&8&*5&3;63$)6-& Wie frei ist sie wirklich? Seiten  bis  (&)&/ &//*$).*3.&*/&!&6( tigkeit erst am Anfang steht und daher /*44&70/%"."-4"/4$)"6&.644 *$)4&-#45,3*5*4$)&*/(&45&)&/ 64 %&/05&/,E//&/%*&&)3&3*)3& auch im Koalitionsvertrag kaum sei- &8*44)&*5/*$)5(&80//&/)"#&/ )/&%*&4&3.65*(6/(8D3&*$) nen Niederschlag fi ndet. Der Deutsche 80)-$)3&*/&3(&803%&/&*/& 655&3)"55&.*3703403(-*$)&*/& &)345&--&*.35#&403(5  Kulturrat sieht das Erfordernis, in die- *&&/54$)&*%&/%&/")3&.&* /&3$)6-;&*58"3&/%*&LHGM&3")3& D%"(0(*4$)&3 6'#36$)&'03.&/

*-%6/('F3"--&05&/8"3&//*$)5 C ser Legislaturperiode sich zum einen  $)&/ 40--  36 DAS LETZTE www.politikundkultur.net

Kurz-Schluss Wie ich einmal versuchte, als Infl uencer im Verbund mit der internationalen Medienlandschaft, die Moral der Welt zu verbessern

THEO GEIẞLER »Ethik-Beirat« des Bundesverbandes der eine zweite Karriere als FAX-Bediener gelte ich – nicht zuletzt dank kräfti- Bewusstseinsformer defi niert: intelli- Musikindustrie zu absentieren, danke starten. Der Musikrat bietet mir eine ger Streaming-Manipulationen – die gentere Vorabend-Krimis, anspruchs- »In medias res« – damit meinten z. B. ich für den Eingang mehrerer derartiger Chance als Notenwart beim Bundes- doofen Battle-Rap-Spacken Kollegah vollere Quizshows und mehr Berichte olle Philosophen früher schlicht: zur ehrenvoller Angebote. jugendjazzorchester. Soweit einige Bei- und Farid Bang in den Echo-Sumpf. über Volkssport zur Körperertüchtigung. Sache. Seit aus der Mitte, dem Zent- Da will mich ein Herr Jongen von der spiele, die ich noch im Genre »halbwegs Immerhin ein mittlerer Aufschrei un- Vergessen hat er den Hinweis auf ver- rum, gewissermaßen die alldefi nieren- AfD als Hochdeutsch-Coach für säch- seriös« anzusiedeln bereit wäre. Denn ter Rest-Intelligenzlern. Als nachden- scheuerte UKW-Sendeantennen, die den »Medien« geworden sind, heißt es, selnde Stadträte engagieren. Die Frei- meine mediale Präsenz und Kompetenz kenswertes Interludium bewog ich in möglicherweise den NDR und den auch Tinder sei Dank, eher »Zur Sa- en Wähler bieten mir  Euro, wenn fi ndet, wie oben schon ausgewiesen, in Konstanz Regisseur Serdar Somuncu MDR auf diesen Frequenzen demnächst che, Schätzchen«. Eine irritierende ich – um seine mediale Wirksamkeit zu den wirklich wichtigen und zukunfts- zur Inszenierung von George Taboris verstummen lassen. Aber wir haben ja – Mischung aus Trivialität und Unzu- mindern, dem Grünen Anton Hofreiter trächtigen gesellschaftlichen Kreisen »Mein Kampf« am Stadttheater. Wer schon fast fl ächendeckend – DAB, falls verlässigkeit überwabert unsere soge- heimlich die blonde Matte stutze oder Anerkennung. Ich befi nde mich off en- eine Hakenkreuzbinde trug, durfte Sie der Industrie schon den Gefallen nannte Informationsgesellschaft. Und stutzen lasse. Der Mossad lädt mich sichtlich auf dem Weg zum Infl uencer umsonst rein. Das nutzte off ensichtlich getan haben, ein entsprechendes Emp- angesichts von Fake News und »Lügen- zu einer zweij ährigen Schulung in den und entscheide mich selbstverständlich nur eine sehr kleine radikale Minderheit. fangsgerät käufl ich zu erwerben. Presse« wird der Grundsatz »Das Siche- Fächern »Tarnen und Täuschen und Tö- für das Altväter-Angebot. Ein Hoff nungsschimmer im Auge des Als zuverlässiger Infl uencer und Hilfs- re ist das Unsichere« immer stärker zur ten« ein. RTL, dessen hundertprozentige Bekannt als tiefschürfender Ursa- Turbokapitalhurrikans? Nostradamus darf ich Ihnen allerdings gesellschaftlichen Grundhaltung, ver- Tochter VOX, der off ensichtlich redak- chenforscher werfe ich einen Blick zu- Zwecks Diskreditierung des Internets empfehlen, sich recht bald einen soli- bunden mit einer Verwilderung schein- tionsfreie Echo-Sender ist, off eriert mir nächst auf die konventionellen Medien ließ ich – dank des Einfl usses etlicher den Bunker – am besten im strammen bar überkommener gesellschaftlicher ein Sitzungsgeld von  Euro, wenn der umliegenden Staaten: beginnend Graubärte aus Bankerkreisen – ein paar Kyff häuser-Fels – anzulegen… Sitten und moralischer Grundsätze. ich als Stellvertreter des amtierenden mit Berlusconi-Italien samt Langzeit- Millionen Facebookprofi le aufkaufen Was Wunder, wenn die graubärtige Vorsitzenden Mitglied des Fernsehrates Folgen, Ungarns Beton-Funk, Polens und verhalf damit dem grenzdebilen Loge der sogenannten Altväter des Club würde. Die bietet für Demagogen-Sender, einer zeitwei- Donald Trump zur amerikanischen Prä- of Rome, im Kyff häuserkreis ansässig – den gleichen Job unter gleicher Leitung sen Abschaff ung von Griechenlands sidentschaft. Jetzt hält er es für seinen bei einem dynamischen Einfl ussnehmer immerhin noch ein Mittagessen. Die Öff entlich-Rechtlichen, gerade noch Triumph, Nordkoreas Kim Jong-un vom und Situations-Konstrukteur Rettung CSU – angeblich eine Idee des frischen mal ausgebremst in der braven Schweiz: Atomkrieg abgehalten zu haben. Da wird sucht – gegen geringes Gehalt – bei mir Ministerpräsidenten Söder persönlich dennoch desaströs. Aktuell bräunliche er sich noch wundern, wenn die angeb- natürlich. – schließlich will mich mit einer Unter- Dominanz in Österreich im Stech- lichen BBC-Fake News zur Realität gera- Seit meinen kulturintensiven und stützungs-Summe von zwei Millionen schritt-Anmarsch. Und die BBC meldet ten. Die Briten haben schon immer den meinungsstarken Facebook-Kommenta- Euro zur Erforschung der australischen gar fakenewsmäßig einen Atomkrieg. zuverlässigsten Rundfunk produziert. ren in Sachen Echo, Nazis, Frauenhasser, Quallenwelt ganz lang und weit weg- Dass es – »in medias res« – so nicht Fein, dass in dieser Ausgabe unseres Kollegah und Farid Bang unter off ener schicken. Und die SPD will mich zur weitergehen konnte – leuchtete gottlob Intelligenzblattes mit Ulrich Wilhelm namentlicher Benennung heldenhafter Style-Beraterin ihrer gewöhnlich zer- nicht nur den Altvätern ein. Eine Addi- der ARD-Vorsitzende und Intendant des Kulturverfechter, die sich entschlossen zausten neuen Vorsitzenden küren. tion mehrerer Skandale schien das an- Bayerischen Rundfunks in einem Leitar- haben, nachdem das Kind im Brunnen Etwas weniger attraktiv: Beim Deut- gemessene Mittel der Wahl. Jetzt kann tikel »wichtige Weichenstellungen« für Theo Geißler ist Herausgeber von ersoff en ist, sich aus dem sogenannten schen Kulturrat könnte ich immerhin ich es ja gestehen: Zunächst schmug- die Zukunft der öff entlich-rechtlichen Politik & Kultur

MÖHRENSALAT  DIE P&KTRUMPFAKES

Dresden. Dirigent Christian Thielemann publik wird die Liechtensteiner Buch- hoff t, dass sich weitere Künstler an- handlung »Nahe Fremde« prämiiert. schließen und aus Protest gegen die Auszeichnung der Rapper Kollegah Hamburg. Unter den  gefragtesten und Farid Bang ebenfalls ihren Echo- Malern auf dem Kunstmarkt befi ndet Musikpreis zurückgeben. »Das müsste sich nach einer Studie gegenwärtig eigentlich auch eine Selbstverständ- keine einzige Frau. Als erste Künstlerin lichkeit sein«, sagte Thielemann der steht die abstrakte Expressionistin Joan »Welt am Sonntag«. Die Dresdener Mitchell mit einem Auktionsumsatz von Staatsoper hat eine Sammelstelle für  Millionen Dollar, umgerechnet , Echo-Rückläufer eingerichtet und will Millionen Euro, im vergangenen Jahr auf mit dem Altmetallerlös Norbert Schul- dem . Platz. Dies geht aus dem neuen zes »Märchenopern fürs kindliche Volk« Kunstindex des »manager magazin« her- fi nanzieren. vor. Um Mitchell vor dem Verhungern zu bewahren, hat die Vereinigung ost- Berlin. Zum Welttag des Buches hebt elbischer Kirchenmaler zu einer Spen- Kulturstaatsministerin Monika Grüt- denaktion aufgerufen. ters (CDU) die Bedeutung unabhängi- ger Buchhandlungen hervor. Mit dem London. Am späten Abend ihres . Deutschen Buchhandlungspreis will die Geburtstags geriet die britische Köni- Bundesregierung den unabhängigen gin Elizabeth II. für ihre Verhältnisse Buchhandel fördern. »Statt die Bücher scheinbar in Stimmung. Als rund  als bloße Ware auszulegen, geben die In- Ukulele-Spieler in der Londoner Royal haberinnen und Inhaber jeden Tag direkt Albert Hall den er-Jahre-Klassiker vor Ort in ihren Buchhandlungen Raum »The Window Cleaner« von Komiker für literarische Impulse, ganz persön- George Formby vortragen, sah es so lich und leidenschaftlich – eben anders aus, als würde die Queen mitwippen. als anonyme Internetwerbung, die sich In Wirklichkeit hatte ihr Exo-Skelett nur an Verkaufszahlen orientiert«, sagte einen Kurzschluss, ausgelöst von einer Grütters in einer Mitteilung. Mangels kabelnagenden schottischen Ratte. Die

KARIKATUR: HEIKO SAKURAI HEIKO KARIKATUR: adäquater Bewerber aus der Bundesre- Queen blieb unverletzt. (thg)

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Politik & Kultur – ANZEIGENREDAKTION LAYOUT UND SATZ VERKAUFSSTELLEN HINWEISE Zeitung des Deutschen Kulturrates Martina Wagner, Petra Pfaff enheuser Politik & Kultur ist im Abonnement, in Der Deutsche Kulturrat setzt sich für c/o Deutscher Kulturrat e.V. ConBrio Verlagsgesellschaft ConBrio Verlagsgesellschaft Bahnhofsbuchhandlungen, großen Kiosken Kunst-, Publikations- und Informations- Mohrenstraße ,  Berlin Telefon:  .  - Regensburg sowie an Flughäfen erhältlich. Alle Ausgaben freiheit ein. Offi zielle Stellungnahmen Telefon:  .    Fax: .--, www.conbrio.de können unter www.politikundkultur.net des Deutschen Kulturrates sind als solche Fax:  .    [email protected] auch als PDF geladen werden. Ebenso kann gekennzeichnet. Alle anderen Texte geben www.politikundkultur.net Politik & Kultur erscheint der Newsletter des Deutschen Kulturrates nicht unbedingt die Meinung des Deutschen [email protected] VERLAG sechsmal im Jahr. (zwei- bis dreimal mal pro Woche) unter Kulturrates e.V. wieder. Aus Gründen der ConBrio Verlagsgesellschaft mbH www.kulturrat.de abonniert werden. besseren Lesbarkeit wird manchmal auf HERAUSGEBER Brunnstraße  ABONNEMENT die zusätzliche Benennung der weiblichen Olaf Zimmermann und Theo Geißler  Regensburg  Euro pro Jahr (inkl. Zustellung HAFTUNG Form verzichtet. Wir möchten deshalb Telefon:  .  -, im Inland) Für unaufgefordert eingesandte Manuskripte darauf hinweisen, dass die ausschließliche REDAKTION www.conbrio.de und Fotos übernehmen wir keine Haftung. Verwendung der männlichen Form expli- Olaf Zimmermann (Chefredakteur v.i.S.d.P), BESTELLMÖGLICHKEIT Alle veröff entlichten Beiträge sind urheber- zit als geschlechtsunabhängig verstanden Gabriele Schulz (Stv. Chefredakteurin), DRUCK Politik & Kultur rechtlich geschützt. Politik & Kultur bemüht werden soll. Theresa Brüheim (Chefi n vom Dienst), Freiburger Druck GmbH & Co. KG Mohrenstraße  sich intensiv um die Nennung der Bildautoren. Andreas Kolb www.freiburger-druck.de  Berlin Nicht immer gelingt es uns, diese ausfi ndig zu FÖRDERUNG Tel.:  .   , machen. Wir freuen uns über jeden Hinweis Gefördert aus Mitteln Der Beauftragten REDAKTIONSASSISTENZ GESTALTUNGSKONZEPT Fax:  .    und werden nicht aufgeführte Bildautoren in der Bundesregierung für Kultur und Medien Seda Gül Aydin, Kristin Braband Ilja Wanka und S Design [email protected] der jeweils nächsten Ausgabe nennen. auf Beschluss des Deutschen Bundestages.