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Fabian Rudner The Hardwick Way Der Podcast als neuer Weg zum Ruhm? Zusammenfassung: US-amerikanische Kabelsender produzieren aktuell Unterhal- tungsshows, die auf etablierten Podcast-Formaten basieren. Es handelt sich um Formate, die über den Bezugskanal des Podcasts schon ein zahlreiches Publikum gewonnen haben und diesem Publikum regelmäßig frequentiert kostenlose Unter- haltung bieten. Die Frage ist nun, wie entscheidend die Rolle des Podcasts ist und wieso dieses Medium trotz Fernsehformat noch immer mit neuen Inhalten bedient wird. Welche Konsequenzen sind damit zwangsläufig verbunden? *** In einer Episode der US-amerikanischen Comedy-Serie Parks & Recreation (USA 2009–2015, Idee: Greg Daniels, Michael Schur) ist folgende Aussage eines der Protagonisten zu hören: «No one listens to the radio! I wasn’t even listening. I was listening to the podcast. Podcasts are great! Radio is boring.»1 Auf was diese Aussage der Figur Tom Haverford (Aziz Ansari) Bezug nimmt, ist ein Radio-Interview innerhalb der Episodenhandlung der Serie. Gleichzeitig gibt es aber in der Diegese der Serie denselben Beitrag auch als eine Podcast-Version, die nach der Radio-Ausstrahlung frei über den Internetauftritt des fiktionalen Radio- senders abrufbar ist. Hinter dieser kurzen Aussage verbirgt sich in erster Linie natürlich ein parodis- tisches Element mit einem leicht medienkritischen Subtext. Derselbe Inhalt – ein 1 «Anniversaries», DVD Parks & Recreation Season 6. Disc 2, Fabulous Film 2014, TC 00:06:57. 63 Fabian Rudner Radiointerview – wird aufgewertet, wenn dieser unter einem neuen Namen – Pod- cast – angeboten und über das Internet verbreitet wird. Aber Podcasts zeichnen sich durch viel mehr aus und sind nicht nur das wie- derverwerte Material von Radiosendern. Ein Podcast ist in erster Linie wie folgt definiert: Podcast ist ein Kunstwort, das sich aus den BegriffenPortable on demand und Nar- rowcasting zusammensetzt. Bei Podcasting handelt es sich um ein dezentrales, internetbasiertes Medienkonzept. Podcasting drückt ein neues Bewusstsein der Menschen im Umgang mit den Medien aus. Jeder kann einen eigenen Medienkanal eröffnen und diesen über das Internet ‹ausstrahlen›. Damit lässt sich (theoretisch) eine globale Audienz erreichen. Die audio/-visuellen Medieninhalte dieser Kanäle können zeitlich und örtlich unabhängig konsumiert werden. Die Inhalte lassen sich individuell zu Sendeplänen zusammenfassen, um ein personalisiertes Medienpro- gramm zu gestalten.2 Mit dem Eröffnen eines eigenen Medienkanals ist an dieser Stelle gemeint, dass in der Theorie ein jeder Nutzer die Chance hat einen eigenen Podcast ins Leben zu rufen. Stark ausgeprägt ist dies in der amerikanischen Comedy-Szene zu beobach- ten, besonders unter den in Los Angeles basierten Comedians. Namen wie Pete Holmes, Scott Aukermann, Marc Maron oder Chris Hardwick sind vergleichsweise unbekannt für Außenstehende dieser Comedy-Szene. Aber die genannten Vertreter und viele weitere haben es in den letzten Jahren geschafft, sich im Rahmen verschiedener, selbstproduzierter Podcasts einen Namen für sich zu machen und wöchentlich von einer Vielzahl Hörern heruntergeladen zu wer- den. Um dies genauer zu erklären, das bedeutet, dass ihre einzelnen Podcasts jeder- zeit kostenlos – zu einem Großteil finanziert durch selbst eingesprochene Werbe- ansagen – über Bezugsquellen wie die jeweilige Homepage, RSS-Feeds oder das Verwaltungsprogramm iTunes verfügbar sind. Für den Hersteller Apple ist das Medienkonzept des Podcasts inzwischen sogar so wichtig, dass es eine eigene App für diese Inhalte gibt. Aber was ist der eigentliche Inhalt dieser Podcasts? Generell kommen Gäste zu einer Stammbesetzung hinzu und daraus entstehen Gespräche, die keinen zeitli- chen Rahmen und in der Regel auch keinen festen Themenbezug haben. So kann eine Episode 60 oder 120 Minuten oder noch länger dauern – im Gegensatz zum Fernsehen gibt es keinen bindenden Sendeplan. Entweder stehen die Gäste im Zen- trum des Gesprächs oder aktuelle Ereignisse. Aber das Entscheidende bei dieser Ausprägung der Unterhaltung: Es wird ein Publikum erreicht, das jede Woche wieder dazu bereit ist sich neue Ausgaben her- unterzuladen und diese zu hören. Hier zeigt sich, dass eben diese kostenlosen For- 2 http://www.podcast.de/faq/antwort-4-Was+ist+ein+Podcast%3F/ (30.07.14). 64 The Hardwick Way mate sich ein Stammpublikum geschaffen haben, das teilweise größer ist als das Publikum mancher US-amerikansicher Fernsehsender. In Zeiten, in denen es auf Grund dieser Konkurrenz an Inhalten aus dem an manchen Stellen noch als «Neuland»3 bezeichneten Internet für das klassische Fernsehen immer schwerer wird ein Stammpublikum – und die damit verbunde- nen Einschaltquoten – an sich zu binden, scheinen die Produzenten einzelner US- amerikanischer Fernsehsender eben diese Podcast-Formate für sich entdeckt zu haben. Das heißt, sie holen die Formate aus dem Internet in ihr Programm und erhoffen sich dadurch zwangsläufig, dass mit diesem Einkauf auch das Podcast- Publikum zu ihrem Sender folgen wird. Das Einkaufen einer solchen Podcast-Persönlichkeit und der damit verbun- denen Zuhörerschaft soll am Beispiel des Stand-Up-Comedians und Moderators Chris Hardwick im weiteren Verlauf genauer thematisiert werden. Vorab sollen allerdings zwei andere Fallbeispiele beleuchtet werden, die das Medium des Podcasts und der damit verbundenen Entstehungsprozedur in ihrer Fernsehtransformation aufzeigen und widerspiegeln. Maron Als erstes ist der bereits erwähnte Comedian Marc Maron zu nennen, der seit Sep- tember 2009 wöchentlich in inzwischen über 500 Ausgaben4 Persönlichkeiten in einem kleinen Aufnahmestudio in seiner heimischen Garage interviewt. Bevor ein solches Interview beginnt, erzählt er dem zuhörenden Publikum in einem zeitlich von 10 bis 20 Minuten variierenden Segment, was gerade in seinem Leben passiert: von Problemen mit seiner Freundin oder seinem Job, über die Verlobung mit seiner Freundin bis hin zu seinem Versagen, die Verlobung aufrecht zu erhalten. Maron macht sein Leben, seinen Drang nach Selbstzerstörung und die Fehler, die er tag- täglich begeht zum Thema jeder neuen Podcast-Folge und bespricht eben solche Ereignisse in seinem Leben auch mit seinen Gästen oder zieht Vergleiche. Seit Mai 2013 gibt es auf dem amerikanischen Sender IFC eine Serie mit dem Titel Maron (USA 2013–?, Idee: Marc Maron), in der Marc Maron eine fiktionale Version von sich selbst spielt. Innerhalb der Serie werden eben diese Erlebnisse aus seinem wahren Leben thematisiert. Der Dreh- und Angelpunkt jeder einzelnen Episode sind dabei aber immer wieder einzelne Podcast-Interviews mit einem rea- len Prominenten, die eine Rahmenhandlung für jede Episode darstellen. Und auch 3 http://www.sueddeutsche.de/politik/kritik-an-merkels-internet-aeusserung-neuland-aufschrei- im-spiesser-netz-1.1700710 (12.12.2015). 4 Aktueller Stand Ende Oktober 2014: 545 Ausgaben; http://www.wtfpod.com/podcast/episodes/ episode_545_-_bill_scheft (27.10.14). 65 Fabian Rudner in der Diegese dieser Serie ist es Maron, der die jeweiligen Gäste wieder um Rat zu einem jeweiligen Problem ausfragt. Das Medium des Podcasts ist sogar so mit der Serie verwoben, dass ein Nachbau der realen Aufnahmesituation in seiner Garage selbst in der Serie auftaucht. Die Serie wird von Maron in seinem Podcast beworben und nach dem Ende der Ausstrahlung der ersten zehn Episoden ist sein Podcast auch wieder das Kom- munikationsinstrument, mit dem er bekannt gibt, dass es eine zweite Staffel geben wird. Aber der Podcast ist auch der Kanal, über den wir als Publikum erfahren, dass Marons Vater nicht mit der fiktionalisierten Version seiner selbst einverstanden war und nun nicht mehr mit seinem Sohn redet. Der Podcast ist somit nicht nur der mediale Ursprung, sondern gleichzeitig auch das Rezeptionsmedium zur Serie. Comic Book Men Als zweites Beispiel ist der amerikanische Regisseur und Autor Kevin Smith anzu- führen, der einen Überraschungserfolg mit seinem Film Clerks (USA 1994) erzielte. Seit Februar 2007 führt er wöchentliche Gespräche mit seinem Kollegen Scott Mosier im Rahmen eines Podcasts mit dem Titel Smodcast. Dieses Format dient Smith fortan als Ideenschmiede für weitere Projekte.5 Ab 2010 folgen weitere Podcast-Formate wie Hollywood Babble-On, Jay & Silent Bob Get Old oder Fatman on Batman, die Teil von Smiths neuem Smodcast-Netzwerk werden. Zu diesem Netzwerk gehören aber auch Formate, an denen Smith selbst nicht mitwirkt. Dazu gehören auch Podcasts der Betreiber seines Comic Ladens in Red Bank, New Jersey. Seit Februar 2012 stehen eben dieser Comic Laden und seine Mitarbeiter im Zentrum des Formats Comic Book Men (USA 2012–?, Idee: Kevin Smith), in dem um Raritäten der Comic- und Pop-Kultur gehandelt und gefeilscht wird. Ausge- strahlt wird das Format auf dem Sender AMC am selben Abend, an dem der Sender auch die auf einer Comic-Reihe basierten Serie The Walking Dead (USA 2010–?, Idee: Frank Darabont) ausstrahlt. Moderiert wird das Reality-Format von Kevin Smith selbst, wobei es sich um eine Rahmenmoderation handelt. Smith ist mit den vier Protagonisten zu sehen und sie sind alle um einen Tisch versammelt und jeder ist vor einem Mikro positioniert. Einer der fünf fährt zu Beginn die Regler an einem Soundboard hoch und am Ende fährt er diese wieder runter. Was hier suggeriert wird – auch durch ein kurz zu sehendes On the Air- Schild – ist die Aufnahme eines Podcasts, den die fünf Männer aufnehmen und sich über die Ereignisse im Comic-Laden der letzten Woche unterhalten. Was dies aber 5 Aus der Ausgabe 259 des Formats