Making Games Magazin 01/2013 »Ich gehe wie ein Retail-Projekt an« Chris Roberts erzählt uns, warum als Plattform für das Projekt nicht ausgereichte, welch zentrale Rolle der eindrucksvolle Prototyp einnahm und weshalb viele Backer gleich mehrfach Geld für sein Spiel ausgaben.

Chris Roberts und sein Team haben für die Ankündigung von Star Citizen verschiedenste Marketing-Aktionen orchestriert, der wichtigste Bestandteil war jedoch der beeindruckende Prototyp: »Ich wusste ja, dass ich ein sehr ambitioniertes Spiel machen wollte und den Leuten daher auch etwas zeigen musste. Sonst hätten sie mir nie abgekauft, dass ich am Ende auch das Versprochene würde liefern können.«

Making Games Hi Chris, zunächst einmal die wicklung selbst gewandelt hat. Dass heute so Chris Roberts Frage: Wo warst du eigentlich die letzten Jahre? gut wie alles online abläuft, bringt Studios und ist Präsident und CCO Chris Roberts Na ja, als ich verließ, Community viel näher zusammen. Und auf bei Cloud Imperium ­ habe ich meine eigene Produktionsfirma der Business-Seite habe ich das Gefühl, jetzt Games Corporation. gegründet und Filme wie etwa Lord of War mit etwas tun zu können, das vor fünf Jahren nur Nicholas Cage gemacht. Ich habe dabei zum mit einem Publisher möglich war. Jetzt ist also Beispiel auch eine ganze Weile mit deutschen die Zeit, so etwas wie Star Citizen auf den Weg Filmfonds zusammengearbeitet. Es hat eine zu bringen, und zwar ohne einen Partner wie Chris stieg 1986 bei Origin in die Games-Branche ein, wo er riesige Menge Spaß gebracht, EA, oder Activision. Vor zunächst das Rollenspiel Times of Lore entwickelte. Seinen Filme zu produzieren, aber ich einigen Jahren wäre das für mich größten Erfolg landete er hingegen 1990 mit dem ersten Wing »Dass heute wollte wieder zurück und Spiele noch unmöglich gewesen. Commander, dessen Franchise selbst die Ultima-Serie übertreffen so gut wie alles sollte. 1996 verließ er Origin, das vier Jahre zuvor von Electronic entwickeln. Der Grund ist, dass Arts übernommen wurde, und gründete sein erstes eigenes Studio sich die Technologie stark weiter- online abläuft, Making Games Hast du denn Digital Anvil. Dort erschienen und Freelancer, beides entwickelt hat und dass die Art bringt Studios und trotzdem darüber nachgedacht, Weltraumspiele im Geist von Wing Commanders. Als Microsoft von Weltraumspiel, wie ich sie das Projekt erst gemeinsam mit schließlich Digital Anvil übernahm, verließ Roberts auch dieses mir vorstelle, schon lange nicht Community viel einem Publ­isher zu stemmen, Studio und damit auch vorerst die Spielebranche. Er gründete mehr gemacht wurde. näher zusammen.« oder war von Anfang an klar, dass zwei Filmproduktionsfirmen, Point of No Return Entertainment die Lösung deiner Wahl Crowd- und Ascendant Pictures, wobei nur letztere tatsächlich etwas auf die Leinwand brachte. Als Produzent war Chris Roberts an Making Games Der Hauptgrund funding heißen würde? Filmen wie etwa Lord of War mit Nicholas Cage beteiligt; 2011 für deine Rückkehr ist demzufolge die fortge- Chris Roberts Es war nicht von vornherein klar, jedoch kehrte er in die Spielebranche zurück. Mit seiner aktuellen schrittene Technik. dass ich die Finanzierung im Kickstarter-Stil Firma Cloud Imperium Games Corporation entwickelt er nun Star Chris Roberts Genau. Ich kann jetzt Dinge tun, angehen würde. Ursprünglich hatte ich schon Citizen, finanziert via Crowdfunding und – na klar – wieder ein die viel glaubwürdiger sind als früher. Und na- die Idee, ein Spiel ähnlich wie Wing Comman- Weltraumspiel à la Wing Commander. türlich gehört auch dazu, dass sich mit neuen der zusammen mit einem Publisher zu machen. technischen Möglichkeiten auch die Spieleent- Mit der Zeit wurde mir dann aber bewusst,

28 dass ich weder etwas für die alte Konsolenge- neration noch für die neue entwickeln wollte. Ich bin einfach ein PC-Mensch. Und sieht man sich Firmen wie Wargaming.net mit World of Tanks oder Riot Games mit League of Legends an, dann wird klar, dass diese Studios ihren riesigen Erfolg ganz allein hingekriegt haben, ohne die Hilfe eines traditionellen Publishers. Im Grunde dachte ich, dass bis auf die Tatsache, dass mir der Publisher einen Scheck schreiben würde, nichts darüber hinaus wirklich hilfreich gewesen wäre. Ich habe also etwas Kapital bei Investoren gesammelt Sowohl Wing Commander (links) als auch Freelancer (rechts) sind Werke von Chris Roberts, die IPs musste er allerdings an Electronic Arts und überlegt, ob ich zum Beispiel dem Vorbild und Microsoft abtreten: »Es frustriert mich schon, dass die IPs jetzt brachliegen. Für mich war es bei Star Citizen also einer der wichtigsten von folge und den Spielern schon Antriebe, meine eigene IP zu besitzen und sie zu kontrollieren.« Zugriff auf die Alpha erlaube und so weiter. Dann kam mit der ziemlich ho- jede Menge Aufsehen erregen. Das braucht hen Finanzierungssumme für ihr Adventure man, um die Nachfrage anzukurbeln, sodass und ich wusste, dass ich viel- möglichst viele Leute das Spiel leicht noch einen Schritt weiter vorbestellen. Bei der Crowdfun- als mit der Minecraft-Methode »Wargaming. ding-Kampagne funktioniert gehen könnte. Denn bestimmt net und Riot Games das genauso: Man muss die gäbe es ja eine recht große Leute mitreißen, sie müssen Community an Leuten, die gern haben ihren rie- begeistert sein von deinem der Entwicklung des Spiels folgen sigen Erfolg ganz Spiel. Anstatt aber bloß ein Jahr und sich darüber hinaus auch allein hingekriegt, vor Release die ersten Infos zu finanziell beteiligen würden. veröffentlichen, habe ich es zwei Es ist natürlich schade, dass ich ohne die Hilfe eines Jahre vorher gemacht. Man muss nicht schon vor ein paar Jahren Publishers.« allerdings dazusagen, dass mir mit Wing Commander oder sicher auch mein Track Record Freelancer weitermachen konnte. geholfen hat, das Interesse der Als Origin damals von EA übernommen wurde, Presse an meiner Geschichte zu wecken – und musste ich die IP verkaufen, und dasselbe all das schafft natürlich Publicity. passierte mit Freelancer, als Digital Anvil von Die GDC Online war dann so freundlich und Microsoft übernommen wurde. Es frustriert hat uns den großen Konferenzraum für die An- mich schon, dass die IPs jetzt brachliegen und kündigung gegeben, und zusammen mit der Be- es keine Fortsetzung zu Wing Commander seit richterstattung einiger ausgewählter Publikati- Prophecy mehr gab, das war immerhin schon onen weltweit gab es dadurch ein koordiniertes 1997. Für mich war es also einer der wichtigs­ Marketing-Event – das im Anschluss unsere ten Antriebe, meine eigene IP zu besitzen und Website gecrasht hat. Wenn das nicht passiert sie zu kontrollieren. wäre, na ja, dann wären wir in Sachen Finanzie- rung wohl noch weiter, als wir es jetzt sind. Making Games Du hast erwähnt, dass du vor dem Crowdfunding-Start bereits Kapital von Making Games Wie wichtig ist denn die Web- Investoren gesammelt hast. Kannst du noch site als Anlaufstelle bzw. die Aufmachung der etwas ausführen, wie genau du den Kickstarter Seite für die gesamte Kampagne? und deine eigene Kampagne vorbereitet hast? Chris Roberts Bei der ganzen Crowdfunding- Chris Roberts Ich wusste ja, dass ich ein sehr Geschichte ist mir klar geworden, wie un- ambitioniertes Spiel machen glaublich wichtig es ist, die Leute wollte und den Leuten daher auch »Für mich war überhaupt erst mal auf die eigene etwas zeigen musste. Sonst hätten es einer der wich- Seite zu treiben, egal ob jetzt bei sie mir nie abgekauft, dass ich am Kickstarter oder sonst irgendwo. Ende auch das Versprochene wür- tigsten Antriebe, de liefern können. Ich habe für meine eigene IP zu Making Games Jetzt hat diese diesen wichtigen Prototyp also besitzen und sie zu wichtige Anlaufstelle bei euch ja Geld von Investoren gesammelt erst mal nicht lange standgehal­ und wir haben ihn dann inner- kontrollieren.« ten. Hättest du rückblickend von halb eines Jahres mit weniger als Anfang an mehr Leute darauf zehn Leuten gebaut. ansetzen sollen, die Seite stabiler zu machen? Und ich bin die Crowdfunding-Kampagne Chris Roberts Ganz zu Beginn hatten wir genauso angegangen, wie ich ein Retail- überlegt, direkt auf Kickstarter zu setzen und Projekt angegangen wäre. Wenn ich ein klas- zählten auch schon einige tausend Leute zu sischer Retail-Publisher wäre, dann würde ich unserer Community. Und die Überlegung war, spätestens ein Jahr vor der Veröffentlichung dass wir diese Leute ja dazu hätten bringen zur E3 fahren, das Spiel der Presse zeigen und müssen, auf eine andere Website, in dem Fall

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