AHA! Miszellen zur Gartengeschichte und Gartendenkmalpflege

PARETZ: »EINE STÄT TE DER ERINNERUNG UND PIETÄT«1

Ursula Gräfi n zu Dohna

as Gut Paretz wurde von König neuerbaute Kirche als pittoreske Parkszene in DFriedrich Wilhelm II. (1744–1797) die Gartengestaltung mit einbezogen wurde. für den Kronprinzen, den späteren Aus zwei Teepavillons auf künstlichen Friedrich Wilhelm III. (1770–1840) und Erhebungen genoss man freie Ausblicke seine Gemahlin Luise, Herzogin von Meck- in die weite Landschaft. Ein verbreiterter lenburg-Strelitz (1776–1810), 1795 als Som- Graben als Abschluss des Schlossparks, der merlandsitz erworben. mit der in Verbindung stand, ermög- Nach weitgehendem Abriss der alten lichte die Landung der königlichen Familie Gebäude sollten ein Mustergut und auch ein direkt am Park. Musterdorf entstehen mit Gutshaus, Kirche, Diese gerade erwachte tiefe Naturliebe Schule, Bauerngehöft en, Gutsstallungen und führte zu einem neuartigen Stilempfi nden, Schmiede. Die Kirche war wohl die erste das sich gerade auch auf die Innenräume neogotische Kirche in Preußen; auch die auswirkte. Nach Gobelins und Seidenbe- Schmiede, heute ein Café, wurde in diesem spannungen kamen nun Papiertapeten in neuen Stil erbaut. Mode, die entweder handgemalte Land- Das Gut Paretz sollte eine sogenannte schaftsausblicke zeigten oder exotische ‹ferme ornée› werden, oder wie die Englän- Pfl anzen und Vögel. Außer den Landschaft s- der sagen, eine ‹ornamented farm›, also eine motiven waren Blumenmuster als umlau- ästhetisch geprägte Landwirtschaft . Mit dem fende Borten beliebt, die in einem kom- Neubau wurde Landbaumeister David Gilly plizierten Verfahren im Handdruck herge- (1748–1808) ab 1796 beauft ragt, der vermut- stellt wurden. Paretz war in erster Linie lich auch seinen begabten Sohn Friedrich durch seine viel bewunderten Tapeten be- Gilly (1722–1800) hinzuzog. rühmt. In ihnen spiegelt sich das Lebens- Das Schloss, das nur ein Herrenhaus sein gefühl und das künstlerische Geschmacks- wollte, war äußerlich ein schlichter, schmuck- empfi nden der Königin Luise wieder. loser, rechteckiger Bau – auch im Inneren Durch glückliche Umstände konnte ein von bürgerlicher Einfachheit, aber doch auch Teil dieser überaus wertvollen und inzwi- von zarter Eleganz geprägt. schen auch sozusagen einmaligen Tapeten gerettet werden, während fast die gesamte Im September 1797 erlebte das Kronprinzen- Inneneinrichtung des Schlosses verloren paar dort zum ersten Mal ein paar idyllische ging. Wechselvolle Nutzungen als Lazarett, Tage des Landlebens mit Reiten, Jagd, Was- Wohnungen für Flüchtlingsfamilien und serfahrten und vor allem dem Erntefest, das teilweise Leerstand taten ein Übriges. nun jedes Jahr vor dem Schloss mit dem Königspaar zusammen gefeiert wurde, wo- Im Frühjahr 1947 ordnete die Gemeinde- bei der Ehrenhof als Tanzsaal diente. verwaltung die Abnahme der Tapeten an, Leider ist für die Gartenanlagen kein Plan doch man erfuhr, dass amerikanische Inter- überliefert. Außer dem eher privaten Parkteil essenten diese Tapeten erwerben wollten hinter dem Schloss (Abb. 1), wurde auch der und dafür hohe Summen boten. Kurzerhand ehemalige Kirchhof als weitläufi ger Park im entschlossen ließ Prof. Dr. Willy Kurth (1881– modernen englischen Stil angelegt, sodass die 1963), der damalige Direktor der Staatlichen 92 Paretz: »Eine Stätte der Erinnerung und Pietät«

1 | Vase mit Ansicht der Gartenseite von Schloss Paretz aus einem Paar Vasen, die Friedrich Wilhelm III 1833 seiner Tochter Charlotte, Zarin Alexandra Feodorowna von Russland, zum Geschenk machte. Porzellan, Aufglasur- malerei, Bronze, vergoldet, Königliche Porzellan-Manufaktur Berlin, 1833 (SPSG Paretz, Leihgabe der Freunde der Preußischen Schlösser und Gärten e.V., Inv. Nr. F 2001/1.2).

Schlösser und Gärten -, ernhochschule umgebaut worden und so- die Tapeten durch einen Paretzer Fuhrunter- wohl außen als auch innen bis zur Unkennt- nehmer im damals üblichen Holzvergaser- lichkeit verändert. LKW nach Potsdam in das Neue Palais brin- »Wo ist denn hier das Schloss?«, lautete gen. Leider sind dies nur die Tapeten aus den dementsprechend die ewige Frage der Be- unteren Räumen der Königswohnung, nicht sucher. aber aus dem oberen Stockwerk und auch 1996/97 gelang endlich der Kauf des nicht die schönen aus dem Sommeresssaal, Schlosses durch das Land , das der an den Reitstall anschloss. dessen Rekonstruktion in Auft rag gab. Den Freunden der Preußischen Schlösser Während der von 1999 bis 2001 stattfi n- und Gärten gelang es schließlich, mit Frau denden Rekonstruktion hat ein junger Res- Ruth Cornelsen eine Mäzenin für die Res- taurator alle handwerklichen Arbeiten in taurierung der geretteten Tapeten zu gewin- Videos festgehalten, sodass sie nun im Zeit- nen, an der sich das Land Brandenburg be- raff er nachvollzogen werden können. Es ist teiligte. Für ihre Unterstützung machte Frau absolut bewundernswert, was hier in so Cornelsen aber klugerweise zur Bedingung, kurzer Zeit an schwieriger Arbeit geleistet dass die innere historische Raumauft eilung worden ist. des Schlosses wiederhergestellt werden müsse, damit die Tapeten auch wieder an ih- ren ursprünglichen Platz angebracht werden 1 Fontane, Th eodor: Wanderungen durch die Mark können. Denn das Schloss war 1948 zur Bau- Brandenburg, Ost-, Berlin 1878, S. 323. 93