Landtag von Baden-Württemberg Drucksache 16 / 8746 16. Wahlperiode 03. 09. 2020

Kleine Anfrage des Abg. Stephen Brauer FDP/DVP und

Antwort des Ministeriums für Verkehr

Chancen und Voraussetzungen für die Reaktivierung des Bahnhaltepunkts im Landkreis Schwäbisch Hall

Kleine Anfrage

Ich frage die Landesregierung:

1. Hält sie die Reaktivierung des Bahnhalts in Stimpfach (Jagstbahn) im Sinne der Verkehrswende vergleichbar mit dem reaktivierten Halt in Wallhausen (Tauber- bahn) für zielführend?

2. War die seinerzeitige Schließung vor drei Jahrzehnten wegen angeblich zu nied- riger Fahrgastzahlen insbesondere durch die Verlagerung des Schülerverkehrs auf Busse begründet?

3. Kann davon ausgegangen werden, dass analog zu der positiven Entwicklung der Tauberbahn durch ein attraktives Angebot für Pendler, beispielsweise durch einen Stundentakt und die Zuführung von Schülerinnen und Schülern zu den Schulstandorten und Ellwangen, ein ähnlicher Erfolg auch für den Streckenabschnitt Crailsheim–Ellwangen erzielt werden kann?

4. Ist aus ihrer Sicht eine Steigerung der Attraktivität des Kocher--Rad- wegs, der direkt am Bahnhof Stimpfach vorbeiführt, durch einen Bahnhalt in Stimpfach zu erwarten?

5. Wie haben sich die Arbeitsplätze und die Wirtschaftskraft in dem großen Ein- zugsgebiet mit den sogenannten „Wäldergemeinden“ Kreßberg und auf die Pendlerströme ausgewirkt?

6. Hält sie bei einer möglichen Reaktivierung das sich im Eigentum der Gemeinde Stimpfach befindliche Gelände für einen „Park-and-ride-Bahnhof“ für geeignet?

7. Ist sie bereit, im Sinne des Ausbaus des Schienenverkehrs die zur Verfügung gestellten Zuschüsse des Bundes von bis zu 75 Prozent und des Landes von bis zu 20 Prozent für die Reaktivierung des Bahnhalts in Stimpfach einzusetzen?

Eingegangen: 03. 09. 2020 / Ausgegeben: 06. 10. 2020 1 Drucksachen und Plenarprotokolle sind im Internet Der Landtag druckt auf Recyclingpapier, ausgezeich- abrufbar unter: www.landtag-bw.de/Dokumente net mit dem Umweltzeichen „Der Blaue Engel“. Landtag von Baden-Württemberg Drucksache 16 / 8746

8. Hält sie eine neue Bedarfsprognose, welche von der Landesregierung mitzufi- nanzieren wäre, für erforderlich?

9. Ist sie dazu bereit, sich bei einem positiven Ergebnis durch ein wie oben skizzier- tes Gutachten für eine zeitnahe Reaktivierung des Bahnhaltepunkts in Stimpfach einzusetzen?

03. 09. 2020

Brauer FDP/DVP

Begründung

Vor knapp 30 Jahren wurde der Bahnhof in Stimpfach stillgelegt. Derzeit besteht zwischen den beiden Großen Kreisstädten Crailsheim und Ellwangen lediglich noch ein einziger Zughalt in Jagstzell. Laut Medienberichten hat die Industrie in der Gemeinde Stimpfach mittlerweile mehr als 1.100 Arbeitsplätze geschaffen. Auch in dem großen Einzugsgebiet der sogenannten Wäldergemeinden Kreßberg und Fichtenau gab es in den vergangenen Jahrzehnten einen enormen Zuzug an Einwohnerinnen und Einwohnern und eine massive Steigerung der Wirtschafts- kraft. Auch hat die Bedeutung der beiden Schulstandorte Crailsheim und Ellwan- gen durch neue, weiterführende Schularten erheblich an Bedeutung gewonnen. Die Strategie des ÖPNV von vor 30 Jahren, „weg von der Bahn, hin zum Bus“, hatte einen erheblichen Anteil am Rückgang der Fahrgastzahlen bei der Bahn. Eine gute Vernetzung des Busverkehrs mit den Bahnknotenpunkten an der Tauberbahn hat dort zu stetigen Zuwächsen und zur Sicherung des dortigen Streckennetzes beige- tragen. Eine vergleichbare Entwicklung wäre aus Sicht des Fragestellers auch auf dem Streckenabschnitt Crailsheim–Ellwangen zu erwarten. Auch wäre eine Reak- tivierung für die Steigerung der Attraktivität des Kocher-Jagst-Radweges, der all- jährlich von rund 30.000 Radfahrern frequentiert wird, und der direkt an Stimpfach vorbeiführt, als positiver Beitrag für den regionalen Tourismus zu erwarten. Bei einem jüngst durchgeführten Vor-Ort-Termin von Landes- und Bundestagsabge- ordneten der CDU wurde auf derzeit bestehende Zuschussprogramme von Land und Bund hingewiesen. Bei einer positiven Beurteilung durch eine neuerliche Be- darfsprognose ist das Land aus Sicht des Fragestellers gefordert, die Reaktivierung des Bahnhaltepunkts in Stimpfach zügig in die Wege zu leiten.

Antwort

Mit Schreiben vom 29. September 2020 Nr. 3824.1-0/727 beantwortet das Minis- terium für Verkehr die Kleine Anfrage wie folgt:

1. Hält sie die Reaktivierung des Bahnhalts in Stimpfach (Jagstbahn) im Sinne der Verkehrswende vergleichbar mit dem reaktivierten Halt in Wallhausen (Tauber- bahn) für zielführend?

Eisenbahninfrastrukturell sind sowohl die Bahnstrecke Crailsheim–Königs- hofen (als Teil der Tauberbahn) sowie die Bahnstrecke Goldshöfe–Crailsheim (Jagstbahn) insoweit vergleichbar, als dass es sich bei beiden Strecken um in den fraglichen Abschnitten eingleisige Strecken im Eigentum der DB Netz AG und damit des Bundes handelt. Allerdings ist die Jagstbahn elektrifiziert und es ver- kehren hier auch Fernverkehrszüge. Die beiden Haltepunkte Wallhausen (Württ) und Stimpfach ähneln sich zwar im Hinblick auf die Einwohnerzahlen, neben der Klärung der Kosten für die Investitionen müsste in einer Untersuchung jedoch auch ermittelt werden, ob eine Reaktivierung auch fahrplantechnisch machbar ist.

2. War die seinerzeitige Schließung vor drei Jahrzehnten wegen angeblich zu niedriger Fahrgastzahlen insbesondere durch die Verlagerung des Schülerver- kehrs auf Busse begründet?

Dazu liegen der Landesregierung keine Erkenntnisse vor.

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3. Kann davon ausgegangen werden, dass analog zu der positiven Entwicklung der Tauberbahn durch ein attraktives Angebot für Pendler, beispielsweise durch einen Stundentakt und die Zuführung von Schülerinnen und Schülern zu den Schulstandorten Crailsheim und Ellwangen, ein ähnlicher Erfolg auch für den Streckenabschnitt Crailsheim–Ellwangen erzielt werden kann?

Zur Klärung dieser Frage müsste bei Interesse des Landkreises an eine Reakti- vierung des Haltepunkts eine Potenzialuntersuchung unter Berücksichtigung der Schülerverkehre durchgeführt werden.

Eine bessere Verknüpfung von Schulen und Bussen mit den Zügen würde von der Landesregierung begrüßt werden, fällt aber in die Zuständigkeit des Landkreises. Die landeseigene Nahverkehrsgesellschaft unterstützt und berät hierbei gerne.

4. Ist aus ihrer Sicht eine Steigerung der Attraktivität des Kocher-Jagst-Radwegs, der direkt am Bahnhof Stimpfach vorbeiführt, durch einen Bahnhalt in Stimpfach zu erwarten?

Durch die Reaktivierung des Bahnhalts in Stimpfach rechnet das Verkehrsminis- terium mit keiner merkbaren Steigerung der Attraktivität des Kocher-Jagst-Rad- wegs, da der Landesradfernweg auch durch Crailsheim und Ellwangen führt. Somit entstehen keine neuen oder schnelleren ÖPNV-Verbindungen zur An- oder Abreise durch die Reaktivierung dieses Bahnhalts. Lediglich die Überbrückung einer Teil- strecke wäre im Fall einer Panne oder anderen Gründen etwas günstiger, dadurch würde jedoch nicht die Attraktivität des gesamten Landesradfernwegs steigen.

5. Wie haben sich die Arbeitsplätze und die Wirtschaftskraft in dem großen Ein- zugsgebiet mit den sogenannten „Wäldergemeinden“ Kreßberg und Fichtenau auf die Pendlerströme ausgewirkt? 6. Hält sie bei einer möglichen Reaktivierung das sich im Eigentum der Gemeinde Stimpfach befindliche Gelände für einen „Park-and-ride-Bahnhof“ für geeig- net?

Die Fragen 5 und 6 werden aufgrund ihres Sachzusammenhangs gemeinsam be- antwortet:

Dazu liegen der Landesregierung keine Erkenntnisse vor.

7. Ist sie bereit, im Sinne des Ausbaus des Schienenverkehrs die zur Verfügung gestellten Zuschüsse des Bundes von bis zu 75 Prozent und des Landes von bis zu 20 Prozent für die Reaktivierung des Bahnhalts in Stimpfach einzusetzen?

Aufgrund des Kostenvolumens einer Reaktivierung des Bahnhalts kommt vorran- gig das Landesgemeindefinanzierungsgesetz (LGVFG) infrage. Das Land fördert solche Haltepunkte im Interesse des SPNV dabei mit 75 % der Investitionskosten und einem Zuschlag von 10 % für Planungskosten. Zunächst sind jedoch die grund- legenden Klärungen (Potenzial, fahrplantechnische Machbarkeit) durchzuführen.

8. Hält sie eine neue Bedarfsprognose, welche von der Landesregierung mitzufi- nanzieren wäre, für erforderlich?

Voraussetzung für die Aufnahme in einem entsprechenden Förderprogramm ist insbesondere stets, dass das Vorhaben a) zur Verbesserung der Verkehrsverhältnisse dringend erforderlich ist, b) die Ziele der Raumordnung betrachtet, c) in einem Nahverkehrsplan enthalten ist, d) bau- und verkehrstechnisch sowie betriebstechnisch einwandfrei ist und e) die Belange von Menschen mit Behinderungen oder mit Mobilitätsbeeinträch- tigungen mit dem Ziel, eine vollständige Barrierefreiheit zu erreichen, berück- sichtigt, vgl. § 3 Abs. 1 LGVFG, Ziff. 4 VwV-LGVFG und § 3 GVFG.

Zudem muss die übrige Finanzierung des Vorhabens gewährleistet sein.

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Zur anteiligen Förderung der Planungskosten wird eine Pauschale gewährt. Diese beträgt grundsätzlich 10 % der zuwendungsfähigen Investitionskosten. Bei Anträ- gen nach dem LGVFG, die bis zum 31. Dezember 2021 gestellt werden, wird eine Pauschale von 15 % der zuwendungsfähigen Investitionskosten gewährt.

9. Ist sie dazu bereit, sich bei einem positiven Ergebnis durch ein wie oben skiz- ziertes Gutachten für eine zeitnahe Reaktivierung des Bahnhaltepunkts in Stimpfach einzusetzen?

Sofern die Voraussetzungen erfüllt werden (ausreichendes Nachfragepotenzial, Verlegung des Schülerverkehrs, fahrplantechnische Machbarkeit) steht die Lan- desregierung solchen Projekten aufgeschlossen gegenüber.

Hermann Minister für Verkehr

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