Kultur, Kunst, Literatur

Bärbel Kleindorfer-Marx

Das Museum SPlJR im Armenhaus der Stadt Cham

Museum SPUR zuführende Florian-Geyer-Brücke über den Regen, Cham im Armenhaus die 199 J abgerissen und 1995 durch eine neue Brü­ cke ersetzt wurde. Seit 1995 steht auf der Brücke die Eisenplastik Großer geharnischter Sitzender von Lothsr Fischer, einem Mitglied der Gruppe SPUR, und nimmt Bezug auf das Museum. Das Museum SPUR stellt Wirken und Arbeiten der international tätigen Gruppe SPUR sowie ihren regionalen Bezug zur Oberpfalz vor und dokumentiert ihre Geschichte.

Das Armenhaus, ein Flachsattelbau, ist aufgrund der Bauweise und der Bausubstanz aufAnfang bis Mitte des 16. Jahrhunderts zu datieren. Damit gehöli das Armenhaus zu den ältesten Profanbauten der Stadt. Das ist umso bemerkenswelier, da es außerhalb des einst schützenden Mauerrings liegt. In Kriegszeiten wurden die Anwesen vor den Toren der Stadt in aller Außerhalb der historischen Stadtmauer, südwestlich Regel zuerst geplündeli und zerstört. vor dem bekannten Bielior mit seinen beiden Rund­ türmen, liegt am Ufer des Regenflusses das ehemali­ Das Haus erfüllte über die Jahrhunderte hinweg ver­ ge Armenhaus der Stadt Cham. Seit 1991 ist in die­ schiedene Aufgaben für die Bevölkerung. Es war so­ sem spätgotischen Gebäude ein Museum eingerich­ wohl Lazarett für Kranke und Soldaten als auch Un­ tet, das Malerei, Plastik und Arbeiten auf Papier der terkunft für veralmte Einwohner der Stadt. Je nach Künstlergruppe SPUR (1957-1965) in jährlich den äußeren Umständen übenvog einmal die eine, wechselnden Ausstellungen zeigt. dann wieder die andere Funktion. In Kriegszeiten diente es sicherlich in erster Linie als Lazarett für In dem Antikriegsfilm Die Briicke, 1959 von Bel11­ Soldaten. Im 19. Jahrhundert verschob sich die Ge­ hard Wicki in Cham gedreht, spielte das historische wichtung zunehmend in Richtung eines Quartiers für Armenhaus eine zentrale Rolle als Kulisse.! Der Bedürftige. Das Haus stand unter der Verwaltung der wichtigste Drehort war die alte, auf das Armenhaus Spitalstiftung.

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Geschichte und Wirken der international renom­ mierten Künstlergruppe SPUR wurden schon in Großer geharnischter zahlreichen Publikationen und Ausstellungskatalo­ Sitzender, gen dargestellt. Im Juni 1957 hatten sich mehrere Eisenplastik, 1995 junge Künstler, fast alle waren Absolventen der Akademie der Bildenden Künste München, zu einer Gruppe zusammengeschlossen. Im Pavillon des Al­ ten Botanischen Gartens in München stellten sie im Herbst 1957 zum ersten Mal gemeinsam aus. Eine erste experimentelle Gemeinschaftsarbeit entstand. Wir haben uns zusammengeschlossen, weil wir ge­ meinsam an der Verwirklichung unserer Ideen ar­ beiten wollen. Dabei bleibt das Schaffen des einzel­ nen unangetastet. 3

Den Namen SPUR für ihren Zusammenschluss fan­ den sie, so wird es kolportiert, Anfang des Jahres 1958 nach einem Besuch des Gasthauses Schwarzer Adler in München, als sie ihre eigenen Spuren im Schnee sahen. Zu den Gründungsmitgliedern der SPUR zählten Heimrad Prem aus Roding und Hel­ mut Sturm aus Furth im Wald. Auch Lothar Fischer stammte aus der Oberpfalz, aus Neurnarkt. Schon bei der Aufnahmepliifung an der Akademie hatten sich die drei 1952 flüchtig kennen gelernt.

Bis 1965 arbeiteten Heimrad Prem (1934-1978), Heute sind von der spätgotischen Architektur die Au­ (1932-2009), Lothar Fischer (1933­ ßenmauern, die Fensteröffnungen an der Südseite 2004) und HP Zimmer (1936-1992), der im Mai zur Straße und die Längswände des Erschließungs­ 1957 von Hamburg nach München gekommen war, gangs im Erdgeschoss sowie im Obergeschoss erhal­ in der Gruppe SPUR zusammen, die einen wichtigen ten. Ein Brand hatte den spätgotischen Dachstuhl künstlerischen sowie theoretischen Beitrag zur Kunst und die Holzdecken zerstört. Beim Wiederaufbau im der BRD nacb 1945 leistete. Ihre Anliegen waren 18. Jahrhundert wurden diese Elemente ersetzt. Bis eine experimentelle Kunst, gemeinschaftliches Ar­ 1986 diente es als Obdachlosenasyl, schließlich wur­ beiten und gesellschaftliche Veränderung4 So be­ de eine Sanierung und Umnutzung des Gebäudes schreibt Nina Zimmer die Intention der Gruppe, die angestrengt, die in die Gründung des Museums neben der Klassischen Moderne vom Infonnel und SPUR im Armenhaus mündete.2 abstrakten Expressionismus geprägt wurde. Im No-

104 vember 1958 verteilte die Gruppe ihr 1. Manifest, in schiedene Initiativen zu einer Revitalisierung des 21 Programmpunkten machte das Flugblatt die Ziele Gebäudes. Es entbrannte eine mehrere Jahre dauern­ der SPUR deutlich. de Auseinandersetzung um Abriss oder Erhalt. Ne­ ben dem damaligen Kreisheimatpfleger Willi Straßer Die zeitweilige Beteiligung der SPUR an der kultur­ (1925-1999) engagierten sich zahlreiche Bürger wie revolutionären Bewegung Situationistische Interna­ die Altstadtfreunde Cham e.v. Schließlich erwarb tionale, 1957 in Italien gegründet, ließ die Künstler der Künstler und Architekt Thomas Niggl aus Felda­ an einem europaweit agierenden Netzwerk teilhaben fing 1987 das Armenhaus von der Stadt, um eine um­ und daraus Impulse für ihre Arbeit ziehen. Gemein­ fassende denkmalgerechte Renovierung durchzufüh­ sam besuchte man die Kongresse der Situationisten, ren, die die Hypo-Kulturstiftung 1991 mit dem u.a. in London und Göteborg, gemeinsame Reisen Denkmalpreis auszeichnete. Im Armenhaus wurden führten u.a. nach Ital ien und Schweden. 1958 lernten eine Wohnung und Ausstellungsräume eingerichtet, die Gruppenmitglieder in der Galerie van de Loos in erste Kunstausstellungen wurden 1990 gezeigt: Su­ München, die für ihre Arbeit von großer Bedeutung sanne Mansen - Bilder und Objekte und Toni Scheu­ wurde, den dänischen Maler Asger Jom näher ken­ beck - Steine. Das Armenhaus bewies seine Qualität nen, Situationist und Mitglied der Gruppe COBRA als Ausstellungsraum und die Errichtung einer Dau­ ( - Brüssel - Amsterdam). Auf seine erausstellung zum Werk der Gruppe SPUR mit ihren Anregung hin brachten sie im August 1960 die erste vielfaltigen Bezügen zur Region wurde angegangen. Ausgabe ihrer Zeitschrift SPUR heraus, in der Texte, Manifeste sowie Abbildungen ihrer bildnerischen Am 23. März 1991 schließlich konnte in einem Teil Arbeiten gedruckt wurden. Die Herausgabe der Zeit­ des Hauses das von Stadt Cham und Landkreis Cham schrift SPUR und die Diskussionen im SPUR-Keller gemeinsam getragene Museum SPUR eröffnet wer­ in München waren ebenso wie das gemeinsame bild­ den. Wenige Tage vor der Eröffnung fand die Grün­ nerische Arbeiten Teil der Gruppenarbeit. Etliche dungsversammlung des Kunstvereins Museum SPUR Werke wurden mit dem Schriftzug SPUR bezeich­ e. V statt, dessen Hauptziel der Aufbau einer Samm­ net, um auf die Gruppe hinzuweisen. lung von Werken der Gruppe zur Präsentation im Museum ist. In über 20 Jahren Vereinstätigkeit konn­ Seit 1982 wurden in Cham im Cordonhaus, einem ten schon zahlreiche Arbeiten erworben werden, die gerade renovierten Renaissancebau des 16. Jahrhun­ dem Museum als Leihgaben zur Verfugung stehen. derts, Ausstellungen zeitgenössischer Kunst gezeigt, Mit Leihgaben des Kunstvereins, von Museen und die Städtische Galerie Cordonhaus wurde gegrün­ Galerien und aus Privatbesitz gestaltet das Museum det 6 Schon 1984 brachte das Cordonhaus eine Ret­ jährlich wechselnde Ausstellungen, die in der Regel rospektive von Heimrad Prem, in den folgenden Jah­ von Ostern bis Dreikönig (6. Januar) zu sehen sind. ren stellten Nachfolge-Gruppen der SPUR, wie Kol­ Verschiedene Aspekte aus dem Wirken der Gruppe lektiv Herzogstraße und Geflecht dort ihre Arbeiten SPUR werden thematisiert. aus. Im Umfeld des Cordonbauses entstand die Idee, auch das vernachlässigte spätgotische Armenhaus zu 2013 wurden in der Ausstellung Malspiel die letz­ sanieren und neu zu nutzen. Seit 1983 gab es ver­ ten Gemeinschaftsarbeiten der Gruppe gezeigl, die

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Mllseumspädago­ gischer Workshop Malspiel 20 J 3 im MllseumSPUR Cham

im April 1965 im Rahmen eines Malrundlaufs unter Stadtarchiv Cham in wechselnden Ausstellungen Beteiligung aller vier Gruppenmitglieder entstan­ die Geschichte des Armenhauses und des Areals den. Das begleitende museumspädagogische Pro­ Bleichanger dargestellt werden. 2014 befasst sich gramm, vom KunstBetrieb Chom und einer Kunst­ dieser lokalhistorische Teil des Museums mit Cham pädagogin k0l1zipie11, brachte zahlreichen Kindern und der Film Die Brücke. über das Nachempfinden des Molspiels die Arbeit der Gruppe näher. Seit einer erneuten Renovierung HeimradPrem undLatharFischer Eine Kiinstlerfreund­ des Hauses, die vom Hausbesitzer 2013 durchge­ schaft ist das Thema der Jahresausstellung 20 l4, die rührt wurde, sind auch weitere, ehemals als Woh­ vom Museum Lothar Fischer Neumarkt i. d. Opf. er­ nung genutzte Räume für Ausstellungszwecke ver­ arbeitet wurde, mit dem das Museum SPUR Zusam­ fügbar. So können in Zusammenarbeit mit dem menarbeit pflegt.

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Timo Bullemer: Als Cham eine Filmrolle erhielt. Die Drehar­ Bildnachweis beiten zum Kinofilm Die Brücke vor 50 Jahren / Timo Bulle­ Kulmrreferat Landkreis Cham (S. 103) - Stadtarchiv Cham mer. In: Beiträge zur Geschichte im Landkreis Cham 26 (S. 104) - Andi Dünne, KUllstBetrieb Cham (S. J06) (2009), S. 243-248. 2 Für Hinweise zur Geschichte des Armenhauses danke ich Timo BlIl1emer, Stadtm·chivar in Cham. 3 Atelierschau der Gruppe junger Künstler aus München und . Faltblatl zur Ausstellung im Pavillon (Alter Botani­ scher Garten). München 1957. Zitiert nach: Selima Niggl: Die Spur der Spur. Chronologie einer Künstlergruppe. In: Gruppe SPUR. Ausstellllngskatalog Villa Smck. Hg. von Jo-Anne Bir­ nie Danzker und Pia Domacher. Ostfildelll 2006. S. 68-103, hier S. 69. 4 Nina Zimmer: Die Gruppe SPUR (1957-1966) , abgerufen am 30.11.2013. Gruppe SPUR 1958-1965. Eine Dokumentation (Ausstel­ lungskatalog). Hg. von Galerie van de Loo. München 1979. 6 Vgl. Beitrag von Anjalie Challbal in der vorliegenden Fest­ schrift.

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