21888 Deutscher – 19. Wahlperiode – 174. Sitzung. , Freitag, den 11. September 2020

Cansel Kiziltepe (A) des Abg. Dr. Jens Zimmermann [SPD]: Es ZP 18 Erste Beratung des von den Abgeordneten (C) Thomas scheint Sie getroffen zu haben!) Seitz, , , weiteren Liebe Kolleginnen und Kollegen, Rumgeeiere reicht Abgeordneten und der Fraktion der AfD hier eben nicht. Ich habe noch keinen einzigen Vorschlag eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Ein- von der Union, geschweige denn von Herrn Altmaier führung eines Registers für Lobbyisten, Nicht- gehört. Im Untersuchungsausschuss werden wir vor regierungsorganisationen und Lobbydienst-leister allem die Aufklärung weiter vorantreiben. (Lobbyregistergesetz – LobRegG) (Christian Dürr [FDP]: Frau Kollegin, was ist Drucksache 19/22183 jetzt die Verantwortung von Herrn Scholz? Überweisungsvorschlag: Ausschuss für Wahlprüfung, Immunität und Geschäftsordnung (f) Hat der gar keine Verantwortung? – Matthias Ausschuss für Inneres und Heimat Hauer [CDU/CSU]: Sie haben die größten Ausschuss für Recht und Verbraucherschutz Scheuklappen!) Ausschuss für Wirtschaft und Energie Wir wissen immer noch nicht, warum die Wirtschafts- Für die Aussprache ist eine Dauer von 30 Minuten beratung EY den Schwindel jahrelang gedeckt hat, und vorgesehen. auch EY will ich hier sehen. Am Ende des Ausschusses Ich eröffne die Aussprache und erteile das Wort dem muss hier mehr Klarheit herrschen. Kollegen Dr. , SPD. (Christian Dürr [FDP]: Sind Sie gegen Herrn (Beifall bei Abgeordneten der SPD) Scholz als Zeugen, oder was?) Ich will aber auch deutlich machen, liebe Kolleginnen Dr. Matthias Bartke (SPD): und Kollegen: Der Untersuchungsausschuss darf nicht zu Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Vor einer Wahlkampfplattform werden. Ihnen steht ein hochzufriedener Sozialdemokrat. (Lachen bei Abgeordneten der CDU/CSU, der (Beifall bei der SPD – Lachen bei der CDU/ FDP und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – CSU, der FDP und dem BÜNDNIS 90/DIE [CDU/CSU]: Das sagen genau GRÜNEN – [FDP]: Bis Sonntag, Sie! Sie haben ja damit schon angefangen!) 18 Uhr! – Dr. [FDP]: Und Liebe Kolleginnen und Kollegen, auch wenn die Verlo- das, ohne rot zu werden!) ckung groß sein mag: Das ist weder für dieses Haus noch Seit zehn Jahren fordert die SPD ein Lobbyregister, und für die Geschädigten noch für unseren Wirtschaftsstand- jetzt kommt es. Hartnäckigkeit zahlt sich aus. ( ) ort angemessen. Ich sage Ihnen: Für Wahlkampf wird es noch genug Möglichkeiten geben. Im Mittelpunkt des (Beifall bei der SPD) (D) Ausschusses muss es um Aufklärung gehen. Dafür wer- Mit großer Freude stelle ich fest: Es hat ein Bewusst- den wir uns als SPD starkmachen. seinswandel stattgefunden. Die anständigen Parteien Danke schön. rechts der Mitte, also Union und FDP, waren früher die (Beifall bei der SPD – Matthias Hauer [CDU/ härtesten Kritiker eines Lobbyregisters, und jetzt sind sie CSU]: Kein Wort zur BaFin!) dafür. Bei der Union waren das wohl die Verfehlungen von , die zu diesem Sinneswandel beige- tragen haben. So hat alles Schlechte eben auch sein Präsident Dr. Wolfgang Schäuble: Gutes. Damit schließe ich die Aussprache. Liebe Kolleginnen und Kollegen, ganz grundsätzlich Interfraktionell wird Überweisung der Vorlage auf der gilt: Lobbyismus gehört als Interessenvertretung zu den Drucksache 19/22240 an den Ausschuss für Wahlprü- Wesensmerkmalen eines demokratischen Staates. fung, Immunität und Geschäftsordnung vorgeschlagen. Gibt es weitere Vorschläge? – Das ist nicht der Fall. (Otto Fricke [FDP]: Sehr wahr!) Dann verfahren wir wie vorgeschlagen. Aber Lobbyismus ist nur dann legitim, wenn er auch Ich rufe den Tagesordnungspunkt 30 und den Zusatz- transparent ist. Genau das ist derzeit aber nicht der Fall. punkt 18 auf: Gestern war der Warntag 2020. Der hat ja bekanntlich 30 Erste Beratung des von den Fraktionen der CDU/ nicht besonders gut funktioniert. Aber ein Warnsignal CSU und SPD eingebrachten Entwurfs eines haben wir alle hier im Plenum gehört, und zwar als Gesetzes zur Einführung eines Lobbyregisters Sozialminister vor den Lobbyisten gewarnt beim Deutschen Bundestag und zur Änderung hat, die versuchen, das Lieferkettengesetz zu stoppen. Mit des Gesetzes über Ordnungswidrigkeiten einem Lobbyregister wäre auch deren Tätigkeit (Lobbyregistergesetz) transparent. Und eben haben wir die Debatte zu Wirecard gehabt: Auch die Tätigkeit von Herrn zu Guttenberg wäre Drucksache 19/22179 deutlich transparenter gewesen, wenn wir ein Überweisungsvorschlag: Lobbyregister gehabt hätten. Ausschuss für Wahlprüfung, Immunität und Geschäftsordnung (f) Ausschuss für Inneres und Heimat (Beifall bei Abgeordneten der SPD – Carsten Ausschuss für Recht und Verbraucherschutz Ausschuss für Wirtschaft und Energie Schneider [] [SPD]: Apothekendebatte Ausschuss Digitale Agenda auch!) Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 174. Sitzung. Berlin, Freitag, den 11. September 2020 21889

Dr. Matthias Bartke (A) Die Grenze zwischen transparentem Lobbyismus und ( [DIE LINKE]: Hört! ( ) intransparenter Mauschelei ist derzeit absolut fließend, Hört! Längst überfällig!) und das werden wir jetzt ändern. Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich glaube, heute ist (Beifall bei der SPD) ein guter Tag für den Parlamentarismus. Künftig gibt es eine Registrierungspflicht in einem Lob- Ich danke Ihnen. byregister. Die Pflicht gilt für diejenigen, die Interessen- (Beifall bei der SPD) vertretung bei der Gesetzgebung ausüben. Liebe Kolleginnen und Kollegen, Lobbyisten müssen Präsident Dr. Wolfgang Schäuble: sich künftig registrieren lassen. Sie müssen künftig ihre Nächster Redner ist der Kollege , AfD. Auftraggeber nennen. Sie müssen künftig alle wesentli- chen Angaben zu ihrer Tätigkeit darlegen. Sie müssen (Beifall bei der AfD) künftig vor einer Kontaktaufnahme mit Abgeordneten Auftraggeber und Anliegen nennen. Und schließlich – Thomas Seitz (AfD): ganz wichtig –: Sie müssen künftig ihre finanziellen Auf- Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und wendungen, ihre Zuwendungen, ihre Zuschüsse und ihre Herren! Nach Jahren der Merkel’schen Verhinderungs- Spenden offenlegen. Tun sie das nicht, kommen sie auf politik legt die Koalition endlich einen Gesetzentwurf eine öffentlich einsehbare schwarze Liste. zur Einführung eines Lobbyregisters vor – ein Entwurf, der jetzt aber noch so viele Schlupflöcher für Lobbyisten Erfolgshonorare für Lobbyisten sind künftig verboten. belässt, dass er wohl wirklich nur den allerkleinsten Verstöße oder falsche Angaben im Lobbyregister werden Nenner darstellt, auf den Sie sich einigen konnten. Wir geahndet. Interessenvertretung darf künftig nur noch auf haben gehört, es soll einen Änderungsantrag geben; Basis eines anerkannten Verhaltenskodex erfolgen. Die- darauf bin ich noch gespannt. ser Kodex muss den Grundsätzen der Transparenz, der Ehrlichkeit und der Integrität dienen. Was aber hat den Ausschlag gegeben, dass die Union endlich ihren Widerstand gegen eine Regulierung des (Beifall bei der SPD) Lobbyismus aufgegeben hat? Der Anruf des Vorstands- Und dieser Kodex muss ein öffentliches Rügeverfahren vorsitzenden der DAK und des früheren CDU-MdB vorsehen. Liebe Kolleginnen und Kollegen, das sind alles Andreas Storm bei Kanzleramtschef wegen Regeln, die uns die lobbykritischen Verbände ins Stamm- des GKV-Versichertenentlastungsgesetzes im Jahr 2018 buch geschrieben haben, und die setzen wir jetzt um, eins war es offenbar nicht. Und auch der auf Video protokol- lierte freundschaftliche Austausch der Bundesministerin ( ) zu eins. (A) für Ernährung und Landwirtschaft, Julia Klöckner, mit Ein Thema haben die lobbykritischen Verbände aber dem Vorstandsvorsitzenden von Nestle im Jahr 2019 auch absolut zu Recht angesprochen. Die allermeisten blieb noch folgenlos. Gesetze werden schließlich nicht vom Bundestag ini- tiiert, sondern von den Bundesministerien, und auch dort Aber irgendwann zwischen der Causa Amthor und sind die Lobbyisten aktiv. Das Lobbyregistergesetz muss dem Bekanntwerden der Verbindungen der Regierung daher auch für die Bundesregierung gelten. Auch die zum Wirecard-Skandal – in beiden Fällen war auch Ex- Bundesregierung muss Treffen mit Lobbyisten und deren Minister und Promotionsbetrüger zu Guttenberg aktiv Stellungnahmen veröffentlichen. beteiligt – muss ein Gesinnungswandel erfolgt (Otto Fricke [FDP]: Es heißt „Sinneswandel“!) (Beifall bei Abgeordneten der SPD und des Abg. Friedrich Straetmanns [DIE LINKE]) und die Bereitschaft entstanden sein, zumindest einen Alibientwurf vorzulegen, und mehr haben wir bislang Das ist eigentlich Konsens unter Experten. Daher nicht. waren wir alle konsterniert, als die Kanzlerin in ihrer Sommerpressekonferenz vor zwei Wochen genau das Vielleicht haben aber auch die Kollegen von der Union Gegenteil gesagt hat, nämlich dass das Lobbyregister einfach erkannt, dass eine weitere Totalverweigerung die nicht für die Bundesregierung gelten solle. Man muss es SPD dazu bringen könnte, für eine weiter gehende Regu- ganz klar sagen: Ein Lobbyregister, das nur für den lierung zu stimmen. Dafür gäbe es dann wohl auch eine Bundestag gilt, nicht aber für die Bundesregierung, das breite Mehrheit im Hohen Hause. Denn nach ihrer eige- ist nur ein halbes Lobbyregister. Es war daher richtig, nen früheren Positionierung können die Kollegen der SPD dass Vizekanzler vorgestern in der Regie- mit dem, was bisher vorliegt, nicht zufrieden sein. Die rungsbefragung deutlich gemacht hat, dass er ein Lobby- geäußerte Zufriedenheit des Kollegen klingt für mich register auch für die Bundesregierung möchte. nach Selbstbetrug. Ich warte auf den Änderungsantrag. Meine Damen und Herren, Lobbyismus hat einen (Dr. Marco Buschmann [FDP]: Das ist der, der schlechten Ruf, und das ist sowohl richtig als auch falsch. heute nicht da ist!) Falsch ist die grundsätzliche Verdammung jeglichen Lob- Am Ende will ich daher ausdrücklich sagen: Ich begrü- byismus; denn in einem freien Land ist auch die Vertre- ße es sehr, dass die Union in diesem Punkt eingelenkt hat. tung und Vermarktung von Partikularinteressen zulässig. Wir werden als Koalition gemeinsam einen Änderungs- Ebenso falsch ist es, ausschließlich Lobbyismus im Auf- antrag einbringen, nach dem das Gesetz auch für die trag von Wirtschaftsunternehmen zu verurteilen und die Bundesregierung gilt. ideologische Beeinflussung der Gesetzgebung durch 21890 Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 174. Sitzung. Berlin, Freitag, den 11. September 2020

Thomas Seitz (A) sogenannte NGOs zu ignorieren. Zum Vergleich: Alleine bei der Interessenvertretung, bei der Interessenwahrneh (C) Greenpeace Deutschland hatte 2019 über 71 Millionen mung, ohne aber den Kontakt zu Abgeordneten und das Euro an Spenden vereinnahmt; damit lässt sich weit freie Mandat einzuschränken. mehr Einfluss auf die Gesetzgebung nehmen, als es vie- Wir beschließen dieses Lobbyregister nicht nur für den len Industrieverbänden möglich ist. Bundestag, sondern auch für die Bundesregierung. Das (Beifall bei der AfD) Bundesministerium des Innern – das ist federführend; vielleicht kümmert sich Herr Scholz um die Dinge, die Nicht selten brauchen wir bei der Gesetzgebung auch im Moment bei ihm im Ministerium etwas stärker im die Informationsvermittlung aus dem realen Leben. Die Mittelpunkt stehen – hat zugesagt, dass sich die Ministe- Auswirkungen auf ganze Berufsstände oder Wirtschafts- rien unserer Regelung im Bundestag anschließen. Wir zweige können von uns nicht beurteilt werden, weil wir werden noch einen Änderungsantrag vorlegen und in der das Wissen des Innenlebens der entsprechenden Bran- zweiten und dritten Lesung dann ein umfassendes chen nicht haben. Hinweise auf möglicherweise nicht Lobbyregister für Bundestag und Bundesregierung ver- gewollte Auswirkungen tragen dazu bei, dass entweder abschieden. die Gesetzgebung verbessert wird, oder aber sie zwingen uns zur bewussten Entscheidung für solche Auswirkun- (Beifall bei der CDU/CSU) gen um höherrangiger Ziele willen. Was sieht unsere Regelung vor? Für Interessenvertre- Das Problem für die Demokratie besteht deshalb in tung besteht künftig eine Eintragungspflicht, bevor einem Lobbyismus, der im Verborgenen tätig ist, dessen gegenüber Abgeordneten oder Fraktionen und auch Einflussnahme auf Abgeordnete, Regierung und die gegenüber der Bundesregierung Interessenvertretung Gesetzgebung als Ganzes der Bürger nicht erkennen betrieben wird. Interessenvertreter müssen dabei Daten kann. Deshalb braucht es zwingend umfassende Transpa- über sich selbst eintragen. Das sind vor allem Daten, die renz. Der legislative Fußabdruck des Lobbyismus muss Rückschlüsse auf die Intensität der Interessenvertretung für jeden interessierten Bürger erkennbar sein, und zwar geben, also Daten über die Finanzierung, die Anzahl der deutlich. Das erreichen Sie mit dem bislang vorgelegten Mitarbeiter, die für Interessenvertretung zur Verfügung Gesetzentwurf nicht. stehen, über Auftraggeber und dergleichen mehr. Wie es besser geht, zeigt unser Vorschlag; denn Trans- Auf der anderen Seite war uns aber wichtig, dass das freie parenz wird nur hergestellt, wenn ein Lobbyregister die Mandat des Abgeordneten nicht eingeschränkt wird; der Kontaktaufnahme zu allen Funktionsträgern erfasst, die Schutz des freien Mandates ist von grundsätzlicher auf die Bundesgesetzgebung Einfluss nehmen können. Bedeutung. Wer hier etwas anderes fordert, zum Beispiel (B) Solche Funktionsträger finden sich eben nicht nur im Daten über Termine oder Gesprächspartner, der will die (D) Bundestag, sondern auch im Bundesrat, in der Bundesre- Ausforschung von Abgeordneten. Das widerspricht dem gierung und anderswo, was unser Entwurf berücksichtigt. Bild des Abgeordneten, das das Grundgesetz von ihm Nur indem wirklich alle Personen erfasst werden, die zeichnet. Von dort wäre es auch nur noch ein kleiner in irgendeiner Art und Weise die Politik des Bundes Schritt, bis man mit ähnlichen Argumenten auch die beeinflussen oder gar steuern können, ist größtmögliche Offenlegung von Kontakten zu Anwälten, Journalisten oder Transparenz gewährleistet – nicht als Selbstzweck, son- Geistlichen fordern könnte. dern um der Demokratie willen. Darauf hat das deutsche Die Registrierungspflicht in unserem Register wird Volk ein Anrecht. umfassend sein. Sie betrifft auch Interessenvertreter, die Vielen Dank. Wir freuen uns auf die Beratung im im Rahmen von Netzwerken oder Internetplattformen Ausschuss. Interessenvertretung betreiben. Wenn hier darauf hinge- wiesen wird, dass dort Lücken blieben, (Beifall bei der AfD) (Friedrich Straetmanns [DIE LINKE]: Ja, genau!) Präsident Dr. Wolfgang Schäuble: Jetzt erteile ich das Wort dem Kollegen Patrick zum Beispiel bei der Interessenvertretung von Gewerk- Schnieder, CDU/CSU. schaften oder von Arbeitgebern, dann empfehle ich einen Blick ins Grundgesetz, in Artikel 9 Absatz 3, Koalitions- (Beifall bei der CDU/CSU sowie des Abg. freiheit; das ist ein vorbehaltlos gewährtes Grundrecht. Dr. Matthias Bartke [SPD]) Wer bei den Anhörungen in der 17. Wahlperiode – es waren natürlich nicht alle da, die sich darüber auslassen (CDU/CSU): – dabei gewesen wäre, der hätte eindeutig hören Herr Präsident! Liebe Kolleginnen! Liebe Kollegen! können, was uns die Rechtsgelehrten dort ins Die Koalition hat einen Gesetzentwurf zur Einführung Stammbuch geschrieben haben. Transparenz ist eines Lobbyregisters vorgelegt. Ich kann nur feststellen: sicherlich ein hoher Wert, den wir verfolgen, hat aber Die Koalition liefert, und das Warten auf diesen Gesetz- keinen Verfassungsrang. entwurf hat sich gelohnt; denn jetzt gibt es zumindest einen konkreten, vernünftigen Vorschlag für ein Lobby- (Dr. Marco Buschmann [FDP]: Das stimmt register, der dem Hohen Hause vorliegt. Wir wollen ein nicht! – Otto Fricke [FDP]: Das stimmt nicht! Lobbyregister beschließen, das umfassend und angemes- Der ist essenzielle Voraussetzung für die sen ausgestaltet ist. Wir wollen Transparenz herstellen Grundrechte!) Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 174. Sitzung. Berlin, Freitag, den 11. September 2020 21891

Patrick Schnieder (A) Das hier gegenüber dem vorbehaltlos gewährten Grund- Patrick Schnieder (CDU/CSU): (B) recht aus Artikel 9 Absatz 3 Grundgesetz anzuführen, Ich komme zum Schluss. – Deshalb glaube ich, meine reicht nicht aus. Wir sollten uns auf die Anhörung am 1. Damen, meine Herren, dass wir mit unserem Gesetzent- Oktober freuen; dann werden wir das noch einmal sehr wurf eine neue, eine vernünftige und eine ausgewogene deutlich hören können. Antwort auf das Miteinander von Interessenvertretung und Politik geben. (Beifall des Abg. Dr. Matthias Bartke [SPD]) Ich freue mich auf die Beratungen im Ausschuss. Wir sehen ferner Auskunftsverweigerungsrechte vor. (Beifall bei der CDU/CSU sowie des Abg. In diesen Fällen werden entsprechende Interessenvertreter Dr. Matthias Bartke [SPD]) auf einer gesonderten öffentlichen Verweigerungsliste geführt. Verstöße gegen die Eintragungspflicht werden Präsident Dr. Wolfgang Schäuble: bußgeldbewehrt sein; Bußgelder bis zu 50 000 Euro kön- Dr. Marco Buschmann, FDP, ist der nächste Redner. nen ausgesprochen werden. In diesem Zusammenhang wollen wir das Gesetz über Ordnungswidrigkeiten ergän- (Beifall bei der FDP) zen, damit die Bundestagsverwaltung im Verfahren über Rechte verfügt, die auch die Staatsanwaltschaft bei der Dr. Marco Buschmann (FDP): Verfolgung von Straftaten hat. Umfassender können wir Herr Präsident! Meine lieben Kolleginnen und Kolle- in einem Rechtsstaat Sanktionierungen nicht regeln. gen! Liebe Zuschauerinnen und Zuschauer! Das Sprich- wort sagt: Was lange währt, wird endlich gut. – Dass es Welche Vorschläge liegen sonst noch auf dem Tisch? auch anders geht, beweist die Große Koalition mit ihrem Die FDP hat einen schmalen Antrag gestellt, der hinter Gesetzentwurf; denn es hat wahrlich lange gedauert, bis unserem Gesetzentwurf deutlich zurückbleibt. er vorlag. (Beifall bei Abgeordneten der LINKEN) (Otto Fricke [FDP]: Es kommt aber nicht immer auf die Größe an!) Und außerhalb der Großen Koalition gibt es niemand, der ihn ernsthaft für gut halten würde, meine Damen Die Grünen legen über mehrere Wahlperioden überhaupt und Herren. keinen konkreten Vorschlag vor, sondern immer wieder denselben unkonkreten Antrag. (Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der AfD, der LINKEN und des BÜNDNISSES (B) deutlich verfassungswidrig ist. Nicht nur, dass man dort 90/DIE GRÜNEN) (C) Die Linken legen einen Gesetzentwurf vor, der aber Warum das so ist, möchte ich Ihnen an wenigen Punk- ein Bürokratiemonster schaffen will mit einem Lobbyis- ten zeigen: musbeauftragten – Besoldungsgruppe B 11 plus Behörde –, sondern – jetzt kommen wir zur Verfassungswidrigkeit Erstens. Dass der Entwurf mangelhaft ist, zeigen die – die Linken wollen, dass bei Verdacht auf Verstöße Koalitionäre alleine dadurch, dass sie parallel zu ihrem Häuser, Wohnungen, Geschäftsräume durchsucht werden Erstaufschlag schon einen Änderungsantrag ankündigen, können, und zwar ohne richterlichen Beschluss. der aber noch gar nicht vorliegt. Was wenn nicht Aus- druck schlechten Gewissens ist es, wenn man etwas vor- legt, bei dem man selber merkt, dass man die (Zuruf des Abg. Friedrich Straetmanns [DIE Hausaufgaben nicht ordentlich gemacht hat? LINKE]) (Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten – Das ist durchaus dramatisch. – Die Linken wollen auch der AfD, der LINKEN und des BÜNDNISSES ein Sanktionsverfahren mit der Pflicht zur Mitwirkung an 90/DIE GRÜNEN) der eigenen Verurteilung nach ihrem Interessenvertre- Zweitens. Die Ausnahmeregelungen dieses Gesetzes tungsgesetz statuieren. Ich glaube, da hat man vom sind scheunentorgroß. Der Entwurf ist löchrig wie ein „Nemo tenetur“-Grundsatz noch nichts gehört; das ist ein Schweizer Käse. Und die Begründung dafür ist doch Grundsatz unseres Rechtsstaates. Deshalb steht dem fadenscheinig. Die Integrität und das Vertrauen der Gesetzentwurf die Verfassungswidrigkeit auf die Stirn Öffentlichkeit in den demokratischen Gesetzgebungspro- geschrieben. zess ist natürlich ein Rechtsgut von Verfassungsrang, Ich möchte noch darauf hinweisen, dass die Debatte Herr Kollege Schnieder. Dass Sie das bestreiten, wundert nicht dazu führen sollte, dass wir Interessenvertretung mich ernsthaft. stigmatisieren oder überhöhen. Interessenvertretung ist (Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten notwendig in der Demokratie. Wir wollen hier die nötige der AfD, der LINKEN und des BÜNDNISSES Transparenz schaffen. Aber wir brauchen auch in Zukunft 90/DIE GRÜNEN) Interessenvertretung. Politik ist immer die Wahrnehmung In Wirklichkeit war es doch so: Die SPD hat gesagt: von Interessen. Es geht darum, dass wir klarmachen, wer Moment! Den Gewerkschaften fühlen wir uns nah; die hier warum Interessen wahrnimmt. wollen wir nicht mit einbeziehen. – Dann hat irgendein findiger Jurist gesagt: Ja, das können wir mit ihrer Stel- Präsident Dr. Wolfgang Schäuble: lung als Tarifvertragspartei begründen; dann müssen wir Herr Kollege Schnieder, die rote Lampe leuchtet. die Arbeitgeber auch rausnehmen. – Dann hat die SPD 21892 Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 174. Sitzung. Berlin, Freitag, den 11. September 2020

Dr. Marco Buschmann (A) gesagt: Einverstanden. – Dann hat die CDU gesagt: Dann Schweizer Käse gleicht. Dass Ihr plötzlicher Aktionismus (D) wollen wir auch was haben; dann nehmen wir doch die mit dem Fall Amthor zu tun hat, der sein Mandat für Kirchen raus. Luxusreisen, Direktorenposten und Aktienoptionen ( [CDU/CSU]: Gut, dass Sie missbraucht hat, liegt auf der Hand. Aber wenn man sich nicht dabei waren!) diesen Skandal um Amthor vergegenwärtigt, sieht man deutlich, dass gerade der vorgelegte Entwurf nicht mal als Ernsthaft: Diese drei Organisationen – Arbeitgeber, Feigenblatt taugt. Denn gerade in der Bewertung Ihres Arbeitnehmer, also durch die Gewerkschaften, und die CDU-Jungstars würde sich mit Ihrem Gesetzentwurf Kirchen – vertreten legitime Interessen. Ich bin froh darü- nichts ändern. Juristisch wäre das Handeln von Amthor, ber, dass sie sich intensiv in den Gesetzgebungsprozess Guttenberg, Hirte und Co weiterhin einwandfrei. Die einbringen; aber natürlich haben sie eigenwirtschaftliche Bevölkerung reibt sich aber weiterhin verwundert die Interessen. Sie betreiben Bildungswerke, deren Umsätze Augen über ein solch dreistes Vorgehen und erst recht auch von der Gesetzgebung hier im Hause abhängig sind. darüber, dass das legal sein soll. Sie betreiben Banken und Verlage. Und wenn man kirch- liche Tätigkeit sogar so weit auffasst, dass die Wohl- (Beifall bei der LINKEN) fahrtsverbände mit eingeschlossen sind, dann geht es um Das scheint Sie überhaupt nicht zu interessieren. Ich die größten Arbeitgeber in Deutschland und um Mil- kann in der Kürze nicht alle Lücken – sie wurden auch liardenumsätze. Und dass Sie diese Interessen aus einem angesprochen – aufzählen, die Ihr Gesetzentwurf hat. Interessenvertretungsgesetz herausnehmen, zeigt: Dieses Ganz besonders erschreckend ist, dass Sie allen Ernstes Gesetz ist löchrig wie ein Schweizer Käse. nur Lobbyismus gegenüber Bundestagsabgeordneten (Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten regulieren wollten, nicht aber gegenüber der Regierung. der AfD, der LINKEN und des BÜNDNIS- (Zuruf von der FDP: Leider wahr!) SES 90/DIE GRÜNEN – Otto Fricke [FDP]: Meine Damen und Herren, 90 Prozent der Gesetzent- Mehr Löcher als Käse!) würfe stammen nicht aus der Mitte des Parlaments, son- Wenn man in den Anwendungsbereich fällt, ist es ja dern aus der Feder der Regierung. Warum bitte schön gut, wie hier gesagt wurde, dass man über Personalauf- soll es sinnvoll sein, dass wir für die 10 Prozent eine wendungen und die Finanzierung Auskunft erteilen soll. stärkere Kontrolle einführen, nicht aber für die 90 Nur, Sie haben vergessen, die ganze Wahrheit zu sagen: Prozent? Einige Redner haben angekündigt, einen Man kann sich ja aussuchen, ob man diese Informationen Änderungsantrag einzubringen. preisgibt. Der Gesetzentwurf lädt ja sogar zur Option ein. Wir wollen nur noch mal vergegenwärtigen: Sinnbild- Und wissen Sie, was die schärfste Sanktion ist, wenn man lich für den Lobbyismus steht das Verkehrsministerium, (B) sich für die Option entscheidet, die Auskunft nicht zu (E) erteilen? Die Verweigerung eines Hausausweises, das der Autolobby seit Jahrzehnten exklusiven Zugang sprich: der freie Zugang zur Kantine des Bundestags gewährt. Hier hoffe ich sehr, dass Sie die angekündigten wird verweigert. Änderungsanträge einbringen. (Dr. Matthias Bartke [SPD]: Nein, dann kom- (Beifall bei der LINKEN) men Sie auf die schwarze Liste! Das kann Aber wie man überhaupt darauf kommt, die Regierung jeder sehen! Lesen Sie doch mal unseren auszunehmen, ist doch absolut schleierhaft und der Gesetzentwurf!) eigentliche Skandal. Wenn es um das Vertrauen in den demokratischen (Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordne- Gesetzgebungsprozess geht, sollte Ihnen etwas Besseres ten der FDP und des BÜNDNISSES 90/DIE einfallen. GRÜNEN und des Abg. Thomas Seitz [AfD]) Herzlichen Dank, meine Damen und Herren. Was wir brauchen, ist zudem ein legislativer Fußab- (Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten druck, der klar erkennbar macht, wer an der Erstellung der AfD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜ- eines Gesetzes beteiligt war. Das fordern nicht nur wir als NEN – Michael Frieser [CDU/CSU]: Vielen Linke; auch das Europäische Parlament hat dies gemacht. Dank für den konstruktiven Gegenvorschlag Mir ist bewusst, liebe Abgeordnete der Union, dass Ihre übrigens! – Gegenruf des Abg. Otto Fricke Parteikollegen im EU-Parlament gegen diese Transparenz [FDP]: Der kommt dann in den Ausschussbe- gestimmt haben. Doch ich glaube, auch Sie wollen nicht ratungen!) ernsthaft unterstellen, dass die EU mit ihrem legislativen Fußabdruck im Begriff ist, unterzugehen. Zumindest an dieser Stelle funktioniert sie wunderbar, was mit Blick auf Präsident Dr. Wolfgang Schäuble: die menschliche Katastrophe auf den griechischen Inseln Jetzt hat Friedrich Straetmanns, Die Linke, das Wort. nicht zu behaupten ist. Aber die Parteien mit (Beifall bei der LINKEN) „C“ im Namen interessieren sich nicht erst seit Kurzem mehr für Kapitalinteressen als für christliche Werte. Friedrich Straetmanns (DIE LINKE): Zuletzt frage ich mich noch, was Sie denn kryptisch Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Kollegin- mit der Befreiung von der Eintragungspflicht in das nen und Kollegen! Nach Jahren des Hinhaltens legt die Lob-byregister meinen, wenn bei dem Handelnden aus- Koalition nun doch noch einen Vorschlag – oder viel- schließlich lokaler Charakter vorliegt. Sollen damit tat- leicht mehrere – zum Lobbyregister vor, der einem sächlich jene Unternehmen von Kontrolle freigestellt Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 174. Sitzung. Berlin, Freitag, den 11. September 2020 21893

Friedrich Straetmanns (A) werden, deren Firmensitz nur in einem oder zwei Wahl- einbringen, ohne das ganz breite Element derer, die dafür (F) kreisen angesiedelt ist? Was bedeutet das für Firmen, die verantwortlich sind, dass wir dauernd Untersuchungsaus- in keinem Wahlkreis sitzen, sondern zum Beispiel in der schüsse einsetzen, meine Damen und Herren? Steueroase Delaware wie Augustus Intelligence? Das (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN müssen Sie uns im Ausschuss wirklich erklären. und bei der LINKEN sowie des Abg. Dr. In Vorbereitung empfehle ich Ihnen zur Leseübung Marco Buschmann [FDP]) noch einmal unseren Gesetzentwurf zum Lobbyregister, Einflussnahme findet doch nicht nur im Parlament (Michael Frieser [CDU/CSU]: Nein! Nicht statt, sondern auch bei der Regierung. Deshalb bin ich noch mal!) froh, dass Sie nach der massiven öffentlichen Kritik und dem Druck auf die Idee kommen, jetzt einen der geeignet ist, den Lobbyismus transparent zu machen Änderungsantrag anzukündigen. Ich bin gespannt, wie und einzudämmen. Ich wünsche Ihnen für die Lesezeit das dann aussieht. ein schönes Wochenende. Und die ganzen Ausnahmen für Verbände, die sich Danke. nicht darlegen müssen, sich nicht erklären müssen, wo nehmen Sie die denn alle her? Wer ist das dann am Ende (Beifall bei der LINKEN) alles? Warum sollten denn Verbände nicht dieser Eintragungspflicht unterliegen, von der Sie in Ihrem Ge- Präsident Dr. Wolfgang Schäuble: setzentwurf reden? Das ist doch überhaupt nicht nach- Britta Haßelmann, Bündnis 90/Die Grünen, hat das vollziehbar. Wort. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Darüber hinaus fehlt der legislative Fußabdruck. Wir wollen doch wissen: Wer geht in Ministerien und im Britta Haßelmann (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Parlament ein und aus? Und wer nimmt Einfluss auf Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Gesetzentwürfe? Das wollen wir doch nicht durch Kollegen! Wirecard, die Mautaffäre von Andi Scheuer, unsere schriftlichen Fragen und das Fragerecht der die Cum/Ex-Affäre, Rente Rüttgers, „Rent a Sozi“-Skan- Abgeordneten erfahren – dale, der Abgasskandal und das Vorgehen der Autolobby in der Dieselaffäre oder die Debatte um Philipp Amthor Präsident Dr. Wolfgang Schäuble: und Augustus Intelligence: Jeder einzelne Skandal, mei- Frau Kollegin Haßelmann, schauen Sie mal auf die (B) ne Damen und Herren, jede einzelne Verfehlung erschüt- rote Lampe. (G) tert das Vertrauen in Politikerinnen und Politiker insge- samt, und das ist eine Situation, die wir so nicht hinnehmen können. Und dem, meine Damen und Herren, Britta Haßelmann (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): können wir nur mit klareren und strikteren Regeln und – ja –, sondern aufgrund einer Darlegungspflicht, die von vornherein besteht. Deshalb ist auch ein legislativer mehr Transparenz begegnen. Fußabdruck wichtig. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Meine Damen und Herren, 82 Prozent der Menschen und bei der LINKEN sowie des Abg. Dr. halten den Einfluss von Lobbyisten für zu hoch. Wir Marco Buschmann [FDP]) haben dringenden Bedarf, hier zu liefern in Sachen Seit Jahren streiten wir im Deutschen Bundestag für Transparenz, Nachvollziehbarkeit und Offenlegung mehr Transparenz, für Nachvollziehbarkeit und Offenheit politischer Interessenvertretung. bei politischer Interessenvertretung. Auch ein breites (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Bündnis, die Lobbyallianz mit dem Verband der Chemi- sowie des Abg. Dr. Marco Buschmann [FDP]) schen Industrie, fordert mehr Transparenz in der Interes- senvertretung. Im europäischen Vergleich steht Deutsch- land miserabel da, wenn es um Fragen von Transparenz Präsident Dr. Wolfgang Schäuble: und rechtliche, klare und strikte Regelungen bei Einfluss- Jetzt hat das Wort der Kollege , SPD. nahmen geht. So viele Jahre haben sich die Union – vor (Beifall bei der SPD) allen Dingen die Union; denn Sie haben es in erster Linie blockiert – und die Koalition aus Union und SPD gewei- Carsten Schneider (Erfurt) (SPD): gert, hier voranzukommen. Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir Jetzt ist es endlich an der Zeit. Ich bin froh, dass Sozialdemokraten sind sehr froh, dass wir heute diesen wenigstens etwas vorliegt, auch wenn der Gesetzentwurf Gesetzentwurf im Bundestag beraten und in den nächsten so, wie er vorliegt, auf gar keinen Fall ausreichend ist für Wochen auch verabschieden können. Wir kämpfen, wie die Problemlage, um die Transparenz, Nachvollziehbar- mein Kollege Bartke gesagt hat, schon seit vielen Jahren keit und Offenheit zu schaffen, die wir brauchen, meine dafür, dass wir im Bundestag über die Einflussnahme auf Damen und Herren. Was ist das für ein Gesetzentwurf, Gesetzgebung und Handeln von Regierung und Parlament der die Bundesregierung in der Frage der Transparenz Transparenz herstellen. Viele Abgeordnete machen das und der Darlegung von Lobbyismus außen vor lässt? Das schon selbst, indem sie die Termine veröffentlichen. Wir ist doch verrückt! Wie kann man so was überhaupt machen das jetzt per Gesetz, durch einen Kodex und 21894 Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 174. Sitzung. Berlin, Freitag, den 11. September 2020

Carsten Schneider (Erfurt) (A) ein klares Transparenzregister für Lobbyisten, und sind Otto Fricke (FDP): (H) dafür, dass das nicht nur für den Bundestag gilt, sondern So sind wir Haushälter. – Kollege Schneider, es wurde – nachdem wir uns als Koalition geeinigt haben; wir als gesagt, die FDP habe keine Vorschläge gemacht. Sie SPD waren schon lange so weit – auch für die Bundesre- haben – das habe ich gemerkt; sicherlich weil Sie Ihrem gierung. Kollegen noch einiges erklären mussten im Gesetzent- wurf – vielleicht an der Stelle meinem Kollegen (Beifall bei Abgeordneten der SPD) Buschmann nicht richtig zugehört. Dass das manchmal ein bisschen dauert, liebe Kollegin Aber würden Sie nicht auch den Vorschlag unterstützen, Haßelmann, das kennen Sie auch. die Löcher im Käse jedenfalls insoweit zu schließen, als (Britta Haßelmann [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- dass natürlich auch Gewerkschaften Interessenvertreter NEN]: Das kenne ich!) sind und damit Lobbyisten, als dass auch Kirchen Interessenvertreter sind und damit Lobbyisten, als dass Ich habe mir einmal angeguckt, wie das in den Ländern auch Arbeitgeber Interessenvertreter und Lobbyisten ist. sind? Das war ja ein konkreter Vorschlag. Könnten Sie (Britta Haßelmann [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- dem denn dann folgen? Oder würden Sie nicht zumindest NEN]: Ich auch! Vorsicht!) sagen: „Das ist ein Vorschlag, den wir in der Debatte berücksichtigen müssen“? In Hessen, schwarz-grün regiert, stand es 2013 und 2018 im Koalitionsvertrag. Bis heute gibt es kein Gesetz, (Dr. Matthias Bartke [SPD]: Die FDP, die Retter des Lobbyregisters!) (Britta Haßelmann [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN]: Berlin! Kein Gesetz!) Carsten Schneider (Erfurt) (SPD): unsere Anträge wurden abgelehnt. 2019 gab es einen Sehr geehrter Herr Kollege Fricke, ich hatte in Antrag dazu, der wurde abgelehnt von Schwarz-Grün. So meiner Rede gerade darauf hingewiesen, dass seitens ist das. der FDP keinerlei Gesetzgebungsvorschlag vorliegt, (Beifall bei Abgeordneten der SPD) die FDP also anscheinend keinerlei gesetzgeberischen Bedarf sieht, Ich könnte das über Baden-Württemberg genauso sagen, möchte jetzt hier nicht mit Steinen werfen. (Otto Fricke [FDP]: Das kommt ja im Verfah- ren! Anscheinend dann doch!) (Britta Haßelmann [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- ( ) NEN]: Berlin auch! Ich glaube, da ist der den Lobbyismus und damit die Einflussnahme auf die (I) Regierende Bürgermeister von der SPD, oder? Gesetzgebung in Regierung und Parlament zu schärfen Habe ich mir extra angeguckt, weil ich damit oder transparenter zu machen. Das habe ich hier festge- gerechnet habe! Ich würde sagen, das liegt an stellt, und dabei bleibt es auch. der SPD! Sie hat nicht unterzeichnet in Berlin!) (Otto Fricke [FDP]: Aber die Frage kriege ich Ich bin froh, dass es uns gelingt, im Bundestag diesen beantwortet?) entscheidenden Schritt zu gehen. Ich wünschte mir, dass Ansonsten halten wir an unserem Gesetzentwurf fest. Herr Buschmann nicht nur sagt, was nicht geht und was alles schlimm ist, sondern dass er einfach konstruktiv (Beifall bei der SPD) einen eigenen Vorschlag vorlegt. Ich will zum Abschluss nur ganz kurz sagen: Natürlich (Dr. Marco Buschmann [FDP]: Ich habe ist es so, dass wir mit der Transparenz, die wir hier her- gesagt: Weg mit den Ausnahmen!) stellen, auch – ich glaube und hoffe das – ein Stück die Demokratie in Deutschland stärken. Mir liegt jedenfalls bisher seitens der FDP zu mehr Transparenz im Lobbyismus keinerlei Vorschlag oder (Lachen des Abg. Dr. Marco Buschmann Gesetzentwurf vor. Vielleicht kommt das noch; dafür [FDP]) wäre ich sehr dankbar. Natürlich wird die Unwucht zwischen denen, die über (Abg. Otto Fricke [FDP] meldet sich zu einer hohe Finanzmittel verfügen, wie der Verband der Auto- Zwischenfrage) mobilindustrie, der hier in Berlin mittlerweile 80 Beschäf- tigte hat, gegenüber 2,6 Millionen Alleinerziehenden, – Ich lasse die Zwischenfrage des Kollegen Fricke gerne deren Interessen nur durch ehrenamtliche Verbände – zu. neben dem, was sie tagtäglich zu leisten haben – vertreten (Otto Fricke [FDP]: Danke! Aber ich würde werden können, bestehen bleiben; man wird hier niemals das ohne Einverständnis des Präsidenten nie- gleichziehen können. Aber es wird transparent werden, es mals wagen!) wird nachvollziehbar werden. Und es ist unsere Aufgabe als Abgeordnete, zum Beispiel die Interessen der Allein- Präsident Dr. Wolfgang Schäuble: erziehenden hier im Parlament selbst aufzubringen und ihre Interessen zu einer Durchsetzung zu führen. Das ist alles wahr. Aber wenn es so funktioniert, dient es der Zeitersparnis. Vielen Dank. (Heiterkeit) (Beifall bei der SPD) Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 174. Sitzung. Berlin, Freitag, den 11. September 2020 21895

(A) Präsident Dr. Wolfgang Schäuble: Aber auf jeden Fall wird für den Bürger deutlich, um (C) Voraussichtlich letzter Redner in dieser Debatte ist der wen es sich an dieser Stelle handelt. Kollege Michael Frieser, CDU/CSU-Fraktion. (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU – (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU) Otto Fricke [FDP]: Es sei denn, Gewerkschaf- ten! Es sei denn, Kirchen!) Michael Frieser (CDU/CSU): Was alle anderen angeht, muss ich mal deutlich sagen Herr Präsident! Liebe Kollegen! Ich befürchte, jetzt als – das meine ich mit flexibler Haltung zur Verfassung –, der letzte Redner vielleicht zu dem untauglichen Versuch dass Kirchen, Institutionen, ja, auch Gewerkschaften eines Schlussakkords einer Debatte zu kommen, in der wir einen verfassungsrechtlichen Rang haben, nun wahrlich alles Mögliche gehört haben. Was die althergebrachten Vorwürfe angeht, damit können wir (Dr. Marco Buschmann [FDP]: Parteien auch! leben, keine Frage. Mit dem Vorwurf, wir hätten schneller Sie sind rechenschaftspflichtig!) handeln können, der sie auf der einen Seite geradezu zur Interessenver- (Britta Haßelmann [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- tretung verpflichtet, es aber auf der anderen Seite not- NEN]: Stimmt!) wendig macht, sie anders zu behandeln. können wir auch leben. (Otto Fricke [FDP]: Aha!) Aber dieser sehr flexible Umgang mit der Verfassung – auf der einen Seite noch nicht mal zuzugeben, dass man Das ist aus unserer Sicht absolut notwendig. seine eigenen Vorbehalte gegen ein Lobbyregister und (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und gegen manche Formen von Transparenz hat, während der SPD) man auf der anderen Seite aufzählt, was wir noch alles brauchten, um am Ende des Tages ein bestimmtes Bild zu Es stimmt: Angesichts des Wechselspiels zwischen schmieden: das Bild der Verschwörung im dunklen Hin- Parlament und Regierung, aus dem sich der Gesetzge- terzimmer, durch die verdeckt auf die Gesetzgebung Ein- bungsprozess speist, ist klar, dass die Regeln nicht nur fluss genommen wird –: Das, meine sehr verehrten für eine Seite gelten können. Das ist jetzt geklärt. Diese Damen und Herren, zerstört Vertrauen in die Demokratie, ganzen Krokodilstränen, die jetzt hier vergossen werden, nicht unser Lobbyregisterentwurf, um das mal festzuhal- sagen meines Erachtens etwas in eine andere Richtung. ten. Wer von einem „Lobbyregister light“ spricht – bei ( ) (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU) einer Ordnungswidrigkeit in Höhe von 50 000 Euro, bei (D) Worum geht es? Interessenvertretung ist nicht nur so einer Deutlichmachung „Wer diese Auskünfte nicht alt wie die Menschheit, sie ist notwendigerweise Inbegriff erteilen will, wird dem Bürger kenntlich gemacht“ –, der und Werkzeug der Demokratie. Der Austausch mit hat meines Erachtens entweder die Systematik nicht ganz Menschen, mit Institutionen, ja, auch mit Unternehmen, verstanden, er will sie vielleicht nicht verstehen oder ver- aber auch mit NGOs, auch mit Verbänden, die sich übri- folgt am Ende eine andere, ideologische Absicht. Man gens aus öffentlichen Mitteln speisen, gehört zur Demo- kann natürlich Politik, den Prozess der Willensbildung, kratie. Entmündigen Sie den Bürger bitte nicht! Der den Prozess der Gesetzgebung so weit einengen und, Bürger muss in der Lage sein, sich am Ende ein Bild wieder mal, mit Gängelung und Verboten arbeiten, dass darüber zu machen, wer an dem Willensbildungsprozess am Ende des Tages höchstens noch etwas Automatisches auf dem Weg zu einem Gesetz wirklich teilhat. Deshalb dabei herauskommt. schaffen wir ein Lobbyregister, das ganz wesentlich nicht Deshalb ist unser Wunsch bezüglich des Lobbyregis-ters nur sagt: Um wen handelt es sich da eigentlich? Wer ist nicht nur Nachvollziehbarkeit und Transparenz. Lassen da Gesellschafter? Wie viele Mitarbeiter stehen dahinter, Sie den Bürger in seiner Mündigkeit entscheiden, damit er wie viele Mitglieder in Verbänden? Wie speisen sich die lesen und feststellen kann, wer mit welcher Intention in finanziellen Mittel, ob Spenden, Zuschüsse und Ähn- diesem politischen Prozess eine Rolle spielt. Am Ende des liches? Das muss hinein, aber auch die Richtung der Tages glauben wir, dass das, was wir mit den Interessenvertretung: Warum kommt es überhaupt zu die- Unternehmen und Verbänden zusammen erarbeiten ser Interessenvertretung? Das soll dem Bürger kenntlich können, genau dem Willen entspricht. Die Unternehmer- gemacht werden. schaft, auch die Verbände, sind mit ihren Compliance- Um da mit einer Sache aufzuräumen: Wir leben immer Vereinbarungen, mit ihren Grundlagen, schon viel weiter. noch – den Hinweis erlaube ich mir – in einem Rechts- Fällen Sie am Ende des Tages über den Gesetzentwurf der staat, und in einem Rechtsstaat besteht so etwas wie die Koalition zu diesem Lobbyregister Ihr eigenes Urteil! Möglichkeit der Auskunftsverweigerung. Die Folge ist Vielen Dank. dann nicht das Verweigern eines Hausausweises, sondern tatsächlich das Auflisten: Wenn jemand solche Angaben (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abge- nicht macht, dann kommt er auf eine separate Liste; ich ordneten der SPD) will sie aufgrund meiner Zugehörigkeit zur Union nicht „schwarze Liste“ nennen. Präsident Dr. Wolfgang Schäuble: (Heiterkeit) Damit schließe ich die Aussprache.