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Musik am Münchner Hof von Kurfürst Karl Theodor

Kabinettpräsentation und Werkstattkonzert in der Bayerischen Staatsbibliothek

Von Uta Schaumberg

Mit Karl Theodors Namen verbindet sich die kulturelle Blütezeit im 18. Jahrhundert. Als aufgeklärter, gebildeter und toleranter Landesherr förderte er Wissen- schaft und Kunst weit über das übliche Maß hinaus. Die Mannheimer Hofkapelle entwickelte sich zu einem Elite- Ensemble, das herausragende Instrumentalisten aus ganz Europa vereinigte, oft Musikerfamilien in mehreren Gene- rationen. Ihr Instrumentalstil, die sogenannte ‚Mannhei- mer Schule‘, ging in die Musikgeschichte ein. Der Begriff bezieht sich sowohl auf den neuartigen Kompositionsstil als auch auf die vielgerühmte Orchesterkultur der Hofka- pelle.

Mannheimer Hofmusiker in München

Im Spätsommer 1778 verlegte Kurfürst Karl Theodor sei- ne Residenz nach München. Die meisten Musiker seiner Hofkapelle folgten ihm. Fortan fanden wöchentlich Hof- akademien im Kaisersaal der Residenz statt, bei denen Werke der Mannheimer Musiker erklangen. Hofmusikdi- rektor Christian Cannabich gründete zusätzlich 1783 Lieb- Kurfürst Karl Theodor haberkonzerte im Redoutensaal, die jährlich zwölfmal ge- (1724–1799). Gravur nach gen Eintritt stattfanden – ein Beginn bürgerlichen Musik- einem Gemälde lebens in München. Die Oper orientierte sich ebenfalls an von Pompeo Batoni Mannheimer Entwicklungen. Die deutsche Oper wurde ge- „…an verschiedenen Virtuosen manglet es hier nit“ be- fördert, Singspiele gewannen an Bedeutung, die italieni- richtete der kurbayerische Konferenzminister Joseph Franz sche Karnevalsoper wurde allmählich zurückgedrängt und von Seinsheim aus München in einem Brief an seinen Bru- 1788 schließlich gänzlich abgeschafft. Wirtschaftliche der vom 16. Dezember 1778, „besonders das Orchestre on- Schwierigkeiten am Ende von Karl Theodors Regierungs- verbesserlich“. Das „onverbesserliche“ Orchester war erst zeit wirkten sich auch auf das Musikleben negativ aus. wenige Wochen zuvor entstanden, durch die Zusammen- legung der berühmten Mannheimer mit der Münchner Hofkapelle. Quellen zur Musik der Karl-Theodor-Zeit in der Bayerischen Staatsbibliothek

Kurfürst Karl Theodor In der Bayerischen Staatsbibliothek (BSB) ist eine große und seine Mannheimer Hofkapelle Fülle von Musikhandschriften erhalten, die diese besonde- re Epoche der Münchner Musikgeschichte dokumentieren. Als der bayerische Kurfürst Maximilian III. Joseph am 31. Die Handschriften musikalischer Werke, die während der Dezember 1777 ohne Nachkommen verstarb, wurde ge- Regierungszeit von Karl Theodor und in den Folgejahren mäß der vertraglich geregelten Erbfolge Karl Theodor am Münchner Hof gespielt worden waren, blieben jahr- (1724–1799), Pfalzgraf und Kurfürst von der Pfalz, sein zehntelang im Besitz der Königlichen Hofmusikintendanz. Nachfolger. Damit verbunden war die Verlegung der Resi- Nachdem in der Hof- und Staatsbibliothek 1857 eine eige- denz von nach München. ne ‚musikalische Abtheilung‘ unter Leitung von Julius Jo-

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FORUM MUSIKBIBLIOTHEKEN

Josepha von Paumgarten seph Maier begründet worden war, entschloss sich die (1762–1817). Reprint nach Hofmusikintendanz 1860 zur Abgabe eines gewaltigen Be- einem Gemälde standes nicht mehr benötigter Musikalien an die Biblio- von Moritz Kellerhoven thek. Unter den ca. 800 enthaltenen Musikhandschriften befanden sich auch zahlreiche Werke der aus Mannheim nach München gekommenen Musiker. Am bedeutendsten sind sicher die über 70 noch in Mannheim entstandenen Sinfonien des Hofmusikdirektors Christian Cannabich. Vie- le Seiten des historischen Standortkatalogs sind gefüllt mit Auflistungen von geistlichen Kompositionen der Hof- musiker Peter von Winter, Franz Paul Grua und Ignaz Holz- bauer. Daneben gibt es zahlreiche vollständige Partituren von in München aufgeführten Opern, Balletten und Me- lodramen sowie einzelne Nummern aus zeitgenössischen Bibliothekar Maier überliefert: „Dieses Autograph wurde Opern, z. B. von Giovanni Paisiello, Domenico Cimarosa der kl. Hof= und Staatsbibliothek am 13t December 1860. und Antonio Salieri, die in den Hofakademien und Liebha- vom kl. Oberappellationsgerichts=Secretär Joseph Maria berkonzerten zur Aufführung kamen. Manche dieser Auf- Mayer geschenkt, welcher das=selbe bei einem Trödler führungsmaterialien verzeichnen handschriftlich die Na- entdeckt und erworben hatte.“ Das Stück steht in engstem men der ausführenden Sänger und sind damit eine un- Zusammenhang mit Mozarts Münchner Aufenthalt: Er schätzbare Quelle zur Geschichte der Münchner Hofmusik. widmete die Arie der Gräfin Josepha von Paumgarten, der Neben diesem gewaltigen Handschriftenschatz der Hof- Favoritin des Kurfürsten Karl Theodor, vermutlich als Dank musikintendanz besitzt die BSB zahlreiche Erstausgaben für ihre Hilfe bei der Auftragsvergabe für ‚‘. von Instrumentalwerken und Handschriften der Karl- Theodor-Zeit aus anderen Provenienzen. Eine der bedeu- tendsten ist die Partitur von Mozarts ‚Idomeneo‘ (Urauf- Kabinettpräsentation führung München 1781), eine Kopistenabschrift mit ei- (1756–1791). Konzertarie für nem Titelblatt von Mozarts Hand, aus dem historischen In einer Präsentation im Flur der Musikabteilung werden Josepha von Paumgarten Archiv der Bayerischen Staatsoper. Ein vollständiges Mo- vom 21. November 2019 bis 30. April 2020 Faksimiles von ‚Misera dove son / Ah non zart-Autograph mit München-Bezug, nämlich das der Musikhandschriften der Mannheimer Komponisten ge- son io che parlo‘ KV 369, Konzertarie ‚Misera dove son / Ah non son io che parlo‘, zeigt, darunter die Uraufführungspartituren von Franz Paul Autograph kam durch einen glücklichen Zufall in die Bibliothek, wie Gruas Karnevalsoper ‚Telemaco‘ (1780) und Wolfgang Amadeus Mozarts ‚Idome- neo‘, die Sinfonie Es-Dur Nr. 54 von Christian Can- nabich und das Melodram ‚Lenardo und Blandine‘ von Peter Winter. Aus der Li- brettosammlung des Ma- lers Christian Her stammt eine Vielzahl von Libretti zu Opern, Melodramen und Balletten der Hofmusiker. Daneben sind Erstausga- ben von Notendrucken, zeitgenössische Porträts 015-01-2020-Lay-BFB-3.ATK_01-20-BFB 13.02.20 11:35 Seite 35

Werkstattkonzert im Lesesaal

und dokumentarisches Material zu sehen. Exemplarisch mio‘ aus Wolfgang Amadeus Mozarts ‚Idomeneo‘ und als werden einige der wichtigsten Musikerpersönlichkeiten effektvollen Abschluss des Konzerts die Wut- und Rachea- und Familien vorgestellt, die Karl Theodor nach München rie der Calipso ‚Tradita, sprezzata‘ aus Franz Paul Gruas ‚Te- begleiteten und das Münchner Musikleben nicht nur wäh- lemaco‘. rend dessen Regierungszeit, sondern oft weit bis in das 19. Jahrhundert hinein prägen sollten: die Familien Can- Von Christian Cannabich erklang das Quartett a-Moll für nabich, Toeschi und Danzi sowie Peter Winter. Flöte, Violine, Viola und Violoncello sowie die Ballettsuite aus ‚Ulisse et Orphée‘. Hier handelt es sich um die Bearbei- tung mehrerer Nummern aus Cannabichs gleichnamigem Ballett für Klavier, Violine, Viola und Violoncello, die mit großer Wahrscheinlichkeit von Wolfgang Amadeus Mo- zart stammt. Hildrun Haberl und Milica Dimitrijevic spiel- Franz Danzi (1763–1826). ten die Violinsonate op. 1/1 von Margarethe Danzi, Shun Lithographie von Heinrich Oi und Prof. Christine Schornsheim die Sonate für Klavier E. von Wintter, 1816 zu vier Händen C-Dur von Franz Danzi.

Gewidmet war das Konzert Dr. Robert Münster, dem Werkstattkonzert ehemaligen Leiter der Musikabteilung der BSB und bedeu- tenden Musikforscher, von dessen Publikationen und Edi- In einem Werkstattkonzert am 21. November 2019 im tionen zur Karl-Theodor-Zeit es in vielerlei Hinsicht inspi- Lesesaal Musik, Karten und Bilder wurde ein Kammermu- riert war. Zwei Werke des Abends, die Sonate op. 1/1 von sikabend präsentiert, wie er am Münchner Hof von Karl Margarethe Danzi und Christian Cannabichs Orphée-Bal- Theodor hätte stattfinden können. Es musizierten Studie- lettsuite, wurden aus Robert Münsters Ausgaben gespielt. rende der Hochschule für Musik und Theater München, die künstlerische Gesamtleitung hatte Prof. Christine Schorn- heim. Wie die wenigen erhaltenen Programmzettel bele- gen, bestanden die Hofkonzerte aus einer recht bunten Abfolge von Instrumentalwerken und Gesangsnummern DIE AUTORIN: aus aktuellen Opern. Deshalb erklangen im Werkstattkon- Dr. Uta Schaumberg ist Mitarbeiterin der Musikabteilung zert neben Sonaten und Quartetten auch zwei Arien aus der Bayerischen Staatsbibliothek. den Münchner Karnevalsopern von 1780 und 1781: Su-

sanne Kapfer interpretierte die innige Arie der Elettra ‚Idol Bildrechte: Bildarchiv (3); Mus.ms. 1582 (1); Foto: D/ÖA (1)

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