Hörspiel und Medienkunst – Programm 2015/2

Neue Produktionen • Werner Penzel/Ikue Mori/Fred Frith: Zen ist die größte Lüge aller Zeiten 03.07.2015 • Walter Serner: Die Tigerin 08.08.2015 • Eran Schaerf: Doppelbesetzung 04.09.2015 • Elfriede Jelinek: Das schweigende Mädchen (1-4) 11.9.–02.10.2015 • ARD Radio Tatort: Robert Hültner: Menetekel 16.09.2015 • Andreas Ammer/Markus Acher/Micha Acher: The King is Gone 09.10.2015 • Laurence Sterne: Leben und Ansichten von Tristram Shandy, Gentleman (1-9) 11.10.–14.12.2015 • Matthew Herbert: One Day Ahead 23.10.2015 • Ergo Phizmiz: Sonora Mystery 06.11.2015 • Robert Lax: the hill 18.12.2015

Sendetermine in Bayern2 • Hörspiel: Samstag, 15.05–17.00 Uhr, Sonntag, 15.00–16.00 Uhr, Wiederholung: Montag, 20.03–21.00 Uhr • Krimi: Mittwoch, 20.03–21.00 Uhr • hör!spiel!art.mix: Freitag, 21.05–23.00 Uhr • Feiertage/Radio Revue: 21.00–22.00 Uhr

Schwerpunkte, Serien, Reihen • Aus den Archiven akustischer Feldforschung (1–4) • Das schweigende Mädchen (1–4) • Leben und Ansichten von Tristram Shandy, Gentleman (1–9) • Die innere Biografie des Robert Lax (1–3) • Sauwaldprosa (1–12) • ARD Radio Tatort Porträtsendungen, Essays • Empfindsame Reise zu Tristram Shandy und seinem Schöpfer Laurence Sterne. Eine Annährung in fünfzehn Kapiteln. Von Mira Alexandra Schnoor • Die Welt als Format der Fortschreibung. Zu Eran Schaerfs FM-Scenario. Von Herbert Kapfer

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Veranstaltung • The King is Gone. Live-Aufführung im Münchner Volkstheater: 13.10.2015, 20 Uhr, Brienner Straße 50, München Ausstellung • Eran Schaerf: FM-Scenario: 29.08.–4.10.2015, établissement d’en face projects, Brüssel BR-Produktionen neu auf CD • Laurence Sterne: Leben und Ansichten von Tristram Shandy, Gentleman (Der Hörverlag) Neue Publikation • Eran Schaerf: Frequenzmoduliertes Szenario (intermedium / belleville) Film • Nicolas Humbert / Werner Penzel: Why should i buy a bed when all that i want is sleep? Robert Lax on Patmos 1993–1999. Stream ab 30.11.2015 auf bayern2.de Podcasts | bayern2.de

Hörspiel Pool | hörspielpool.de BR-Produktionen zum Herunterladen artmix.galerie Hörstücke/Filme/Positionen der Medienkunst Weitere Online-Angebote memoryloops.net 300 Tonspuren zu Orten des NS-Terrors in München 1933–1945 Von Michaela Melián fm-scenario.net Die Stimme des Hörers / Listener`s Voice Von Eran Schaerf die-quellen-sprechen.de Die Verfolgung und Ermordung der europäischen Juden durch das nationalsozialistische Deutschland 1933–1945 Eine dokumentarische Höredition

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Juli Helmut Zenker: Kottan ermittelt Mittwoch, 01.07.2015, 20.03 Uhr

Regie: Georg Madeja SWF/ORF 1976, Länge: ca. 53’

Die Klenner-Witwe ist tot, mit einem Schraubenzieher erstochen. Die Mitbewohner des Mietshauses sind nicht sonderlich entsetzt, machen sich aber lebhaft Gedanken über den Täterkreis. Dafür kommen doch nur die jugoslawischen Gastarbeiter in Frage, die bei der Klenner ein- und ausgingen. Kriminalkommissar Adolf Kottan, der dienstälteste und erfolgreichste Beamte der Sicherheitsdirektion, kann sich sicher auch in diesem Fall auf seine bewährte Spürnase verlassen. Allerdings ermitteln Kottan und sein Assistent am falschen Ort und verdächtigen die falschen Leute. 1974 schrieb Helmut Zenker eine groteske Kriminalgeschichte um den Wiener Polizeimajor Adolf Kottan. Doch kein Verlag wollte Zenkers Krimi drucken. Unbeirrt arbeitete er das Manuskript in ein Hörspiel um. Die Ursendung Kottan ermittelt im Frühjahr 1976 war ein großer Erfolg. Noch im selben Jahr folgte die Fernseh-Premiere im ORF. Regie führte Peter Patzak, der bis 1983 insgesamt 19 Fernsehfolgen der Kultsendung realisierte. Die Parodie sämtlicher Krimi-Klischees, das chaotische Personal, der ewig mit dem Kaffeeautomaten kämpfende Polizeidirektor trafen den Nerv des Publikums.

Mit Rudolf Rösner, Curth Anatol Tichy, Erni Mangold, Helly Servi, Bibiana Zeller, Erwin Strahl u.a.

Helmut Zenker (1949–2003), Lehrer, Lastwagenfahrer, Filmvorführer, Autor. Romane, Kinderbücher, Krimis. Hörspiele u.a. Das Fenster (SR/WDR 1977), Lichthof (ORF 1978), Chance (ORF 1979), Angebot und Nachfrage (SWF 1979).

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Werner Penzel/Ikue Mori/Fred Frith: Zen ist die größte Lüge aller Zeiten Freitag, 03.07.2015, 21.05 Uhr hör!spiel!art.mix

Originaltonaufnahmen: Ayako Mogi Zitate von Kodo Sawaki Komposition: Ikue Mori/Fred Frith Realisation: Werner Penzel BR 2015, Länge: 51ʼ25, Ursendung, Podcast Hörspiel Pool

Der rechte Fuß auf dem linken Oberschenkel, die Wirbelsäule ganz senkrecht, die Augen nur einen Spalt geöffnet – für einen Anfänger ist es schwer, die Haltung der Zazen- Sitzmeditation längere Zeit durchzuhalten, ohne sich zu bewegen oder in Gedanken abzuschweifen. Im japanischen Zen Kloster Antai-ji, nördlich von Kobe auf einem schwer zugänglichen Hochplateau gelegen, gehört diese Übung neben gemeinschaftlichen Ritualen und der Arbeit zum festen Tagesablauf. Antai-ji ist – anders als viele Zen-Klöster – für Männer und Frauen offen. Es gibt WLAN auf dem Gelände und der derzeitige Abt Muho Nölke stammt ursprünglich aus Berlin. Das Kloster Antai-ji wurde stark von dem Zen Meister Kodo Sawaki (1880–1965) geprägt. Nur wenige der zahlreichen Bücher von Sawaki wurden in westliche Sprachen übersetzt, darunter eine Anthologie mit dem Titel Zen ist die größte Lüge aller Zeiten, die 2005 im Angkor Verlag erschien. „Zen bringt uns überhaupt nichts“, sagt Sawaki. „Es gibt Leute, die betreiben Zen als Fortbildung. Das ist bloß Schminke. Zen ist keine Fortbildungsanstalt. Zen schmeichelt dir nicht, es putzt dich aber auch nicht runter. Zen bedeutet Geradeaus-Weitergehen. Was auch immer du gerade denkst, schon istʼs wieder vorbei.“ Der Filmemacher Werner Penzel verbrachte mehrere längere Aufenthalte in Antai-ji und ließ seine Erfahrungen und Beschäftigung mit Kodo Sawaki schließlich in ein Hörstück und in ein Filmprojekt münden. Er nähert sich diesem Ort gemeinsam mit den Musikern Fred Frith und Ikue Mori in freien Improvisationen, die – wie bei der Sitzmeditation Zazen – nur gelingen, wenn man beim Spielen stets aufmerksam bleibt und sich dem Risiko des Moments überlässt. Neben den teils lakonischen Texten des Zen Meisters Kodo Sawaki sind es vor allem die Tonaufnahmen aus Antai-ji, die ein Wechselspiel zwischen den verdichteten Geräuschfeldern Ikue Moris und dem behutsam aushorchenden Gitarrenspiel Fred Friths in Gang setzen. „Warum Zen die größte Lüge aller Zeiten ist? Woher soll ich das wissen. Vielleicht meinte Sawaki damit, dass wir uns nicht an Worten festklammern sollen. Das Wort Zen ist mit so 4 vielen Bedeutungen aufgeladen. Aber das sind alles Zuschreibungen. Zen wird zur Lüge, wenn wir eine Menge illusorischer Bedeutungen hineinprojizieren. Zen ist lediglich die Praxis, vor einer Wand zu sitzen und den Mund zu halten“. (Werner Penzel)

Werner Penzel, geb. 1950 in Süddeutschland, lebt in Awaji-shima, Japan. Filmemacher, Regisseur. Werke u.a. Vagabunden Karawane (1980), Adios al Odio (1986); Werke gemeinsam mit Nicolas Humbert u.a. Step across the Border (1990), Three Windows (Filmtriptychon 1999). BR-Hörspiel gemeinsam mit Ayako Mogi: Nomadomura – Aufzeichnungen nach einer Katastrophe (2011).

Ikue Mori, geb. 1958 in Tokio, lebt in New York. Musikerin, Künstlerin. Zusammenarbeit u.a. mit John Zorn, Elliott Sharp, Tom Cora, Zeena Parkins und Jim Staley.

Fred Frith, geb. 1949 in Heathfield, East Sussex, lebt in Oakland, Kalifornien. Musiker, Multi-Instrumentalist. Zusammenarbeit u.a. mit John Zorn, Bill Laswell, Brian Eno, Robert Wyatt, Sally Potter, The Residents, Attwenger, Heiner Goebbels.

Im Anschluss: „Am besten singt man mit den Ohren.“ Werner Penzel, Fred Frith und Ikue Mori im Gespräch mit Norbert Lang, Podcast artmix.galerie

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Ingo Schulze: Das ‚Deutschlandgerät‘ Samstag, 04.07.2015, 15.05 Uhr

Regie: Stefan Kanis MDR 2014, Länge: 74ʼ10

In der DDR wusste jeder, wer Claasen war, auch wenn er das eine Buch, das von ihm hatte erscheinen können, nicht kannte. Aber der Mann war ein aufrührerischer Geist und hatte dafür im Gefängnis gesessen! Nach seiner Abschiebung in den Westen kommen die Interviews, die Preise und Stipendien. Seit dem Mauerfall aber und erst recht seit den NATO-Luftangriffen im Kosovo-Krieg erregt sein sonst so bewunderter Nonkonformismus Befremden. „Entgegen dem Metapher-schweren Titel vom ‚Deutschlandgerät‘ (einem hydraulischen Gerät zum Aufrichten von entgleisten Lokomotiven) ist Ingo Schulzes Hörspiels nicht auf eine deutsch-deutsche Literatengeschichte zu reduzieren.“ (Jury- Begründung zum Hörspiel des Monats Oktober 2014)

Mit Kai Scheve, Thomas Thieme, Imogen Kogge, Bettina Hoppe, Ulrike Krumbiegel, Maria Radomski, Elisabeth Möckel

Ingo Schulze, geb. 1962 in Dresden, lebt als Autor in Berlin. Werke u.a. 33 Augenblicke des Glücks (1995), Simple Storys (1998), Handy (2007). Auszeichnungen u.a. Joseph- Breitbach-Preis 2001, Preis der Leipziger Buchmesse 2007. Ingo Schulzes Bücher wurden in über 30 Sprachen übersetzt. Weiteres Hörspiel Die Abflussrohre spuckten ihre Eisblöcke wie abgelutschte Bonbons auf den Gehsteig (SWR/Ensemble Modern 2015).

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Markus Orths: Die Entfernung der Amygdala Sonntag, 05.07.2015, 15.00 Uhr Montag, 06.07.2015, 20.03 Uhr

Regie: Silke Hildebrandt SWR 2014, Länge: 55’41

Nina Krohn wird sterben. Ihre Neurochirurgin Anne Buber gibt ihr ein halbes Jahr. Ein eigentlich inoperabler Tumor. Es sei denn, man würde Ninas Amygdala gleich mit entfernen, jenen Ort im Gehirn, in dem – laut neurowissenschaftlicher Forschung – unter anderem die Angst „entsteht“. Ohne Amygdala aber würde Nina ein gefühlstotes, betäubtes Leben führen. Ninas Angst droht sie zu ersticken. Sie weiß nicht, wie sie es ihrem Mann sagen soll: Paul Bernstein, einem eigenbrötlerischen Philosophen. Sie schafft es nicht allein und bittet ihre Ärztin Anne, sie bei diesem Gang zu begleiten. Die Situation spitzt sich zu, als die Neurochirurgin in Ninas Mann jenen Philosophen erkennt, mit dem sie nach einem Symposium eine wilde Nacht verbracht hat. Und dann sind da noch der Sargverkäufer Gernot, in dessen „Kiste“ Nina steigt, weil sie alles über den Tod herausfinden will; Ninas Mutter Ilse, die pausenlos spricht, ohne dass man sie gefragt hätte; sowie das Smartphone Galaxy mit Sprechfunktion, ein sehr moderner Gott der Technik, der fast nie um eine Antwort verlegen ist. In seiner „komischen Tragödie“ nähert sich Markus Orths dem Phänomen des Todes aus fünferlei Perspektive: als existenzielles Drama, als burleske Farce über das Geschäft mit dem Sterben, als Boulevardkomödie der Verdrängung sowie im Widerstreit des naturwissenschaftlichen und philosophischen Diskurses. Dieser Genre-Mix seziert die Vielzahl der Möglichkeiten, mit denen wir dem eigenen Ende ins Gesicht schauen – oder eben nicht.

Mit Janina Sachau, Jan Georg Schütte, Katja Bürkle, Jens Harzer, Traute Hoess, Götz Schulte, Matthias Brüggemann

Markus Orths, geb. 1969, Autor. Werke u.a. Irgendwann ist Schluss (2013), Alpha & Omega: Apokalypse für Anfänger (2014). Hörspiele u.a. Das Zimmermädchen (NDR 2013), Hirngespinste (WDR 2013), Wer auch immer (WDR 2015).

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ARD Radio Tatort: Wolfgang Zander: Seltene Erden Mittwoch, 08.07.2015, 20.03 Uhr

Komposition: Haarmann Regie: Nikolai von Koslowski rbb 2015, Länge: ca. 53’

Dr. Anne Kling, seit Jahren für „Ärzte ohne Grenzen“ im Ost-Kongo engagiert, stürzt aus dem 12. Stock ihres Berliner Wohnhauses. Tatsächlich spricht einiges für Selbstmord, denn Anne Kling war seelisch ausgebrannt. Das Leid, mit dem sie in dem Bürgerkriegsland konfrontiert war, überstieg das Maß des für sie Ertragbaren. Doch die Untersuchung der Toten ergibt, dass sie ein starkes Betäubungsmittel genommen hatte. Unmöglich, dass sie noch über die Balkonbrüstung geklettert war. Also doch Mord? Die Kommissare Polanski und Lehmann tauchen ein in einen Sumpf aus Bestechung, Korruption und schmutzigen Geschäften mit seltenen Erden, wie Coltan – unerlässlich für die Mobilfunk-Industrie.

Mit Alexander Khuon, Steffen Scheumann u.a.

Wolfgang Zander, geb. 1956, Autor. Prosa, Hörspiele u.a. Der schöne Schein (rbb 2005), Unschuld (DKultur 2009), Das schwarze Haus (DKultur 2009). Autor der ARD Radio Tatorte für den rbb Kaltfront (2009), Dreizehn (2011), Du bist tot (2013).

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Ulrike Haage: ding fest machen. nach den Aufzeichnungen von Louise Bourgeois Freitag, 10.07.2015, 21.05 Uhr hör!spiel!art.mix

Komposition und Realisation: Ulrike Haage BR 2003, Länge: 42’47

„Meine Emotionen sind meiner Körpergröße nicht angemessen. Deshalb stören sie mich. Deshalb übertrage ich sie“, sagte Louise Bourgeois 1999 in einem Interview. Die Bildhauerin, Jahrgang 1911, erreicht im hohen Alter weltweit große Anerkennung. Wie uralte Stätten erinnern ihre Skulpturen und Installationen an die Vergänglichkeit. Gleichzeitig sind sie vertraut wie ein Traum, der einem wieder in den Sinn kommt. Es gibt kaum ein Material, das die Künstlerin nicht bearbeitet hat. An der Vielfalt orientiert sich Ulrike Haage. Tagebücher und Aufzeichnungen, Interviews, Texte zum Werk, Poeme und Klangtexte von Bourgeois fließen in die Komposition des Hörstücks ein, das sich mit ihren zentralen Themen befasst: der Auseinandersetzung mit dem Vater, der Mutter, dem Exorzieren der Vergangenheit und unbewältigter Emotionen.

Mit Monica Bleibtreu, Judith Engel, Benedicte Savoy, Martin Wuttke

Ulrike Haage, geb. 1957, Komponistin, Musikerin, Hörspielmacherin. BR-Hörspiele u.a. Pikdame (2006), Die Stille hinter den Worten (2008), alles aber anders (2009), Alle Vögel fliegen hoch, alle Schafe fliegen hoch, alle Engel fliegen hoch (2012).

Im Anschluss: Die „Zellen“ der Louise Bourgeois. Julienne Lorz (Kuratorin) im Gespräch mit Marie Schoeß, Podcast artmix.galerie

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Bernhard Kellermann: Der Tunnel Samstag, 11.07.2015, 15.05 Uhr

Bearbeitung: Helmut Swoboda Komposition: Hermann Josephs Regie: Wolf Euba BR 1985, Länge: 74ʼ50

Es geht um ein kühnes Projekt der Ingenieurskunst, den Bau eines transatlantischen Tunnels. Das Riesenunternehmen löst eine Völkerschlacht aus, verändert das Gesicht der Arbeits- und Finanzwelt. Bernhard Kellermann zeigt die Faszination und die Bedrohung durch den Moloch Technik, beschreibt prophetisch den Schwarzen Freitag von 1929 und schildert, wie ein Einzelner, der junge amerikanische Ingenieur MacAllan, das Opfer eines übermenschlichen und unmenschlichen Projekts wird, das er selbst ins Leben gerufen hat. Auch als eine Katastrophe beim Tunnelbau Tausende von Menschenleben fordert, als das Tunnelsyndikat die Welt in eine Wirtschaftskrise stürzt und MacAllan als Hauptschuldiger vor Gericht gestellt wird, verfolgt er sein Jahrhundertwerk verbissen weiter. Der 1913 erschienene Roman Der Tunnel erreichte eine Gesamtauflage von über einer Million.

Mit Wolfgang Büttner, Gernot Duda, Peter Fricke, Günther Sauer, Helga Storck, Martin Umbach, Karl Michael Vogler u.a.

Bernhard Kellermann (1879–1951), Autor von Romanen, Reiseberichten, Erzählungen. 1933 Verbrennung seines Revolutionsromans Der 9. November durch die Nationalsozialisten, Ausschluss aus der Preußischen Dichterakademie. Nach dem Zweiten Weltkrieg Gründung des Kulturbundes zur demokratischen Erneuerung Deutschlands zusammen mit Johannes R. Becher. Abgeordneter der Volkskammer der DDR. Romane u.a. Yester und Li (1904), Ingeborg (1906), Die Brüder Schellenberg (1925), Totentanz (1948).

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Dietmar Dath: Largoschmerzen. Ein sozialmedizinisches Desaster Sonntag, 12.07.2015, 15.00 Uhr Montag, 13.07.2015, 20.03 Uhr

Komposition: zeitblom Regie: Leonhard Koppelmann BR 2014, Länge: 51’01, Podcast Hörspiel Pool

Esther leidet an Largoschmerzen: Immer wenn sie sich mit Kunst, Literatur oder Musik beschäftigt, die ihrem Eindruck nach zu langsam funktioniert, bekommt sie Schweißausbrüche, Übelkeit, gefriert ihr scheinbar das Blut in den Adern. Holger, Esthers Freund und Dozent für eine Online-Universität, sieht darin die Folgen eines zu ausgiebigen Konsums von Fernsehserien, Comics und Techno und rät ihr, sich ganz bewusst dem langsamen Tempo anspruchsvoller Kunst auszusetzen. Statt diesen Rat zu befolgen, beginnt Esther eine Therapie bei Dr. Nina Milikan, die selbst an einer hypochondrischen Störung leidet, sich diese aber zu Nutze gemacht hat. Dr. Milikan verschreibt lustvolle Akzeptanz der Krankheit. Esther liest oder hört deshalb Romane, Gedichte, Musik einfach parallel, erhöht das Tempo und ist damit glücklich. Im Gegensatz dazu hat Milikans Kollege, der Notarzt Dr. Dietze für seine Patienten ein anderes Mittel. Er macht sie abhängig von der Droge Redonil. Damit ist einem alles egal, sogar wenn man keinen Nachschub der Droge mehr hat. So unterschiedlich diese Ansätze sind, beide medizinischen Methoden erzeugen am Ende eine unvorhersehbare Überraschung. Mit Witz und subversiven Attacken auf Gesundheitssystem und Schulmedizin zeichnet Dath ein ins Groteske kippendes Szenario über Menschen, die in der Gesellschaft nicht funktionieren wollen.

Mit Bettina Lieder, Matthias Haase, Johanna Gastdorf, Mark Oliver Bögel, Sebastian Graf

Dietmar Dath, geb. 1970, Journalist, Autor und Übersetzer. Hörspiele u.a. Die Abschaffung der Arten (BR 2011), Ovale Fenster (mit Thomas Weber und Volker Zander, SWR 2012), Antilopenverlobung (mit Mareike Maage, BR 2013).

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P. D. James: Kein Beruf für eine Frau (1/2) Mittwoch, 15.07.2015, 20.03 Uhr

Aus dem Englischen von Kurt Neff Bearbeitung: Neville Teller Regie: Frank-Erich Hübner WDR 1995, Länge: 53’44

Schauplatz ist die alte englische Universitätsstadt Cambridge: Ihre Ermittlungen führen Privatdetektivin Cordelia Gray mitten hinein in die nur scheinbar hochehrbare Gelehrtenwelt. Der Wissenschaftler Sir Callender meint, die Tätigkeit als Privatdetektivin sei kein Beruf für eine Frau. Dennoch beauftragt er Cordelia Gray, den plötzlichen Tod seines Sohnes zu untersuchen. Denn er glaubt nicht an einen Selbstmord. Schon bald weiß Cordelia Gray mehr als die Polizei. Allmählich gewinnen für sie die Einzelheiten in einem ungewöhnlichen Familiendrama Kontur, bei dem auch ihr Auftraggeber eine zwielichtige Rolle spielt.

Mit Frauke Poolman, Lothar Ostermann, Hansjoachim Krietsch, Peter Fritz, Marianne Mosa, Werner Rundshagen, Ilse Strambowski, Bernt Hahn, Viktor Neumann, Anne-Mylene Biehl, Daniel Berger, Volker Niederfahrenhorst, Sophie von Kessel u.a.

P. D. James (1920–2014), Krimiautorin. War als Bühnenassistentin in Cambrigde, in der Londoner Krankenhausverwaltung und in der Kriminalabteilung des britischen Innenministeriums tätig. Ab 1962 Schriftstellerin. Werke u.a. Ein Spiel zu viel (1962), Eine Seele von Mörder (1963), Kein Beruf für eine Frau (1972), Zeit der Ehrlichkeit (2001), Tod an heiliger Stätte (2002), Ein makelloser Tod (2008).

12

Robert Wilson: Monsters of Grace II Freitag, 17.07.2015, 21.05 Uhr hör!spiel!art.mix

Komposition: Dominic Michael Bouffard/Adam Lenz Konzeption und Regie: Robert Wilson SWR/hr/ZKM und HfG Karlsruhe 2014, Länge: 66’16

Berühmt wurde Robert Wilson, geboren 1941 in Waco/Texas, mit aufsehenerregen-den Theater- und Opernaufführungen. Nun ist sein erstes Hörspiel entstanden. In Form von Thema und Variation montiert Wilson Texte aus der Antike, der frühen Neuzeit und jüngeren Gegenwart mit Musik, Klängen und Geräuschen. Lukrez steht neben Christopher Knowles, Wittgenstein neben de Sade und Goethe neben Gertrude Stein. 1992 hat Robert Wilson auf Long Island das „Watermill Center“ als „Laboratory for Performance“ gegründet – ein idealer Platz, um neue Arbeiten wie sein Hörspielprojekt zu entwickeln. Was dafür an Bestandteilen in Betracht kommt, muss sich im praktischen Probedurchlauf beweisen. Wovon gesprochen wird, das sind Spuren des Lebens, des Todes und der Vergänglichkeit. Und immer wieder ist es die gesprochene Sprache selbst, die Wilson fasziniert.

Mit Lady Gaga, Inge Keller, Angela Winkler, Jürgen Holtz, Alexander Moissy, Anna Graenzer, Isabelle Huppert, Christopher Knowles, Cécile Brune, Gertrude Stein, Robert Wilson, Isabella Rossellini

Im Anschluss: Dokumentarismus in der Kunst. Hito Steyerl (Künstlerin) im Gespräch mit Julian Doepp (BR 2009), Podcast artmix.galerie

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Julio Cortázar: Der Verfolger – Ein Stück Jazz Samstag, 18.07.2015, 15.05 Uhr

Aus dem Spanischen von Rudolf Wittkopf Bearbeitung: Bodo Morshäuser Regie: Christian Brückner SWF/WDR 1990, Länge: 77ʼ20

1958 erschien Julio Cortázars Geschichte aus dem Pariser Jazz-Milieu der Nachkriegszeit, das der aus Buenos Aires an die Seine übergesiedelte Autor aus eigener Anschauung kannte. Er beobachtete und teilte die Faszination französischer Intellektueller durch die schwarzen Bebop-Musiker Amerikas, die unter dem Rassismus und Kommerzialismus daheim zu leiden hatten, in den Pariser Existentialisten-Treffs und Jazzkellern zeitweilig ein neues Zuhause fanden und in der Salle Pleyel ihre legendären Konzerte gaben. In Cortázars Erzählung Der Verfolger geht es um das spannungsreiche Verhältnis zwischen dem weltberühmten, aber durch Alkohol und Drogen ruinierten Jazzmusiker Johnny Carter und seinem französischen Biografen Bruno, der Johnny schon bei Lebzeiten für die Nachwelt portraitiert. Eitel und mit gezügelten Emotionen, aber nicht ohne Anteilnahme verfolgt Bruno den Lebenskampf des sinnlich-intuitiven Musikers Johnny, der diesen Kampf nicht gewinnen kann, aber als größter Altsaxophonist aus der Bebop-Avantgarde Amerikas in die Geschichte eingehen wird. Cortázars Erzählung trägt die Widmung „In memoriam Ch.P.“. – Charlie Parker, geboren am 29.8.1920, starb am 12.3.1955 im Alter von 34 Jahren.

Mit Wolfgang Condrus, Ron Williams, Anke Reizenstein, Marianne Lochert u.a.

Julio Florencio Cortázar, geb. 1914 in Brüssel, gest. 1984 in Paris, argentinisch- französischer Schriftsteller. Werke u.a. Bestiario (1951), Final de Juego (1956), Rayuela (1963), Libro de Manuel (1973).

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Bettina Erasmy: Chapters Sonntag, 19.07.2015, 15.00 Uhr Montag, 20.07.2015, 20.03 Uhr

Regie: Silke Hildebrandt hr 2014, Länge: 45’24

Maja streunt herum und lebt auf der Straße, lebt von den Dingen, die sie findet und die ihr die Menschen geben, die Verkäuferin aus dem Supermarkt oder die Männer, die Maja mitnehmen und mit ihr schlafen. So sehr sie auch um sich selbst zu kreisen scheint, so messerscharf nimmt sie die Dinge um sich herum wahr. Ihr Lieblingsplatz: ein Sofa zwischen zwei Altpapiertonnen; dort liest sie alte Tageszeitungen und schaut manchmal auf, wenn jemand mit ihr spricht. Da verrutscht schon mal die Perspektive – so wie die Kapitel ihres Lebens. In Chapters, für das Bettina Erasmy 2014 den ARD Online Award erhielt, beschreibt die Autorin den Weg einer Frau, deren Leben aus den Fugen geraten ist. Das Hörspiel folgt dem Rhythmus eines Roadmovies, doch die Bilder aus amerikanischen Filmen zerbrechen an der Wirklichkeit des Ruhrpotts: Lidl meets Coca- Cola und umgekehrt. Es ist der Blick einer Aussteigerin, die ihre Umwelt minutiös erfasst, ein Protokoll eines Ausstiegs, ein Monolog mit vielen Stimmen.

Mit Julia Riedler, Stefan Kaminski, Hanns Jörg Krumpholz, Oliver Kraushaar, Anna Böger, Paula Hans

Bettina Erasmy, Autorin, Regisseurin. Prosa, Lyrik und Dramatik. Werke u.a. Mein Bruder Tom (Theaterstück, 2008), Wärmefaktor (Gedichte, 2010), Dass wir Geister sind (Theaterstück, 2012), Lola rennt (Libretto, 2013).

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P. D. James: Kein Beruf für eine Frau (2/2) Mittwoch, 22.07.2015, 20.03 Uhr

Aus dem Englischen von Kurt Neff Bearbeitung: Neville Teller Regie: Frank-Erich Hübner WDR 1995, Länge: 54’40

Text zum Hörspiel und Besetzung siehe S. 12.

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Filippo Tommaso Marinetti: Mafarka der Futurist Freitag, 24.07.2015, 21.05 Uhr hör!spiel!art.mix

Aus dem Französischen von Janina Knab Bearbeitung: Michael Farin Komposition und Regie: Klaus Buhlert BR 2002, Länge: 79’52, Podcast Hörspiel Pool

Kompromisslos erzählt dieser Roman die Geschichte von der Erzeugung des Übermenschen, einer amoralischen Existenz, halb Mensch, halb Maschine: „Verteidigt den Roman nicht: schaut vielmehr zu, wie er einer gut geladenen Granate gleich über die gespaltenen Köpfe unserer Zeitgenossen springt und explodiert; dann tanzt, tanzt den Tanz der Krieger.“ Die Akademie der Darstellenden Künste wählte Mafarka der Futurist zum Hörspiel des Monats Juni 2002: „In Klaus Buhlerts Inszenierung wird aus dem märchenhaften Thesenroman die grelle Phantasie eines Größenwahnsinnigen. Gerade vor dem historischen Kontext, dass Marinetti seine Thesen später in den Dienst faschistischer Politik gestellt hat, wirkt diese ‚verinnerlichte‘ Inszenierung von Buhlert/Farin umso bedrohlicher.“

Mit Bernhard Schütz, Eva Gosciejewicz, Sophie von Kessel, Eva Schuckardt Posaune: Uwe Dierksen, Bernhard Schütz

Filippo Tommaso Marinetti (1876–1944), Schriftsteller, Begründer des Futurismus durch sein Manifest des Futurismus (1909). Erste Fetischisierung der Technik im Theaterstück Poupées Electriques (1909). Ab 1919 Mitglied der faschistischen Partei, Kulturminister unter Benito Mussolini.

Im Anschluss: Tanzt den Tanz der Krieger. F.T. Marinetti und sein Roman Mafarka. Essay von Michael Farin (BR 2002)

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Lena Christ: Madam Bäurin Samstag, 25.07.2015, 15.05 Uhr

Komposition: Walter Kabel Bearbeitung und Regie: Edmund Steinberger BR 1983, Länge: 88’38

Frau Rath und ihre Tochter Rosalie kommen seit Jahren als Sommerfrischler aus der Stadt auf den Hof der Schiermosers. Eine Tradition, die der alten Schiermoserin gegen den Strich geht und längst aufgehoben wäre, würden die „Stadtleut“ nicht anständig bezahlen und bei der Arbeit auf dem Hof mithelfen. Als sich der Hoferbe Franz in diesem Jahr aber in Rosalie verliebt, treten die Konflikte zwischen Städtern und Landbewohnern unübersehbar hervor. Eine Schwiegertochter aus der Stadt will die Bäuerin auf keinen Fall dulden. Genauso verbietet sich Frau Rath eine Verbindung ihrer Tochter mit dem Bauernsohn. Als Franz von seinem Vater und Rosalie von ihrer Tante Unterstützung erfahren, können die beiden Mütter der Situation nichts mehr entgegen setzen, und die alte Schiermoserin mit ihrer Ignoranz gegenüber fortschrittlichen Verhältnissen gerät endgültig ins Abseits. Wie alle Werke der bayerischen Volksschriftstellerin Lena Christ zeichnet sich auch der Roman Madam Bäurin von 1919 durch wirklichkeitsnahe, unsentimentale und humorvolle Schilderungen des ländlichen Lebens wie auch des Münchner Kleinbürgers aus.

Mit Christa Berndl, Karl Obermayr, Maria Singer, Horst Kummeth u.a.

Lena Christ, geb. 1881 in Glonn, Oberbayern, gest. 1920 in München, Schriftstellerin. Werke u.a. Erinnerungen einer Überflüssigen (1912), Lausdirndlgeschichten (1913), Mathias Bichler (1914), Bauern (1919). Weitere BR-Hörspieladaptionen u.a Der Hochzeiter (1951), Die Rumplhanni (1981), Mathias Bichler (1989).

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Alfred Jarry: Heldentaten und Lehren des Dr. Faustroll (Pataphysiker) Sonntag, 26.07.2015, 15.00 Uhr Montag, 27.07.2015, 20.03 Uhr

Aus dem Französischen von Irmgard Hartwig/Klaus Völker Bearbeitung, Komposition und Realisation: zeitblom BR 2014, Länge: 50’49, Podcast Hörspiel Pool

Der Roman Die Heldentaten und Lehren des Dr. Faustroll (Pataphysiker) des französischen Schriftstellers und Bohémien Alfred Jarry ist Parodie einer Heldenreise, Ansammlung wissenschaftlich-mathematischer Traktate, neowissenschaftlicher Roman und vor allem Gründungsdokument der ‚Pataphysik‘, der „Wissenschaft von den imaginären Lösungen“, mit der Jarry zahlreiche Künstler und Theoretiker des 20. Jahrhunderts beeinflusste. Die erste Gesamtausgabe wurde 1911 postum veröffentlicht, die im Deutschen vorliegende Fassung erschien 1968. Narrativer Kern des von Paradoxie und Irrwitz geprägten Textes ist die Reise des Pataphysikers Dr. Faustroll in seinem Boot As „zu Wasser von Paris nach Paris“, also eine Schiffsreise auf festem Land. In Begleitung des Gerichtsvollziehers und Erzählers Panmuffel sowie des Pavians Backenbuckel vollzieht Dr. Faustroll eine Irrfahrt durch surreale Kopf- und Traumwelten. Daneben setzt sich der Roman aus Abhandlungen, Briefen und mathematischen Formeln zusammen. Geprägt von überbordender Intertextualität und lustvollem Sprachspiel ist Die Heldentaten und Lehren des Dr. Faustroll nicht nur ein Text über die Pataphysik, sondern zugleich deren Vollzug. In dieser Wissenschaft jenseits von Physik und Metaphysik sind die Ausnahmen die Regel und alle Dinge vom Zufall bestimmt.

Mit Dirk von Lowtzow, Lars Rudolph, Alice Dwyer, Hans Jochen Wagner, Blake Worrell u.a.

Alfred Jarry (1883–1907), franz. Autor und Vorläufer des Surrealismus, Dadaismus und des Absurden Theaters. Werke u.a. König Ubu (1896), Ubu Hahnrei (1898), Ubu in Ketten (1899), Messalina (1900), Der Supermann (1902).

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Friedrich Dürrenmatt: Der Doppelgänger Mittwoch, 29.07.2015, 20.03 Uhr

Regie: Gustav Burmester NDR/BR 1961, Länge: 43ʼ03

Der Hörspielautor erfindet im Gespräch mit einem Regisseur das Hörspiel vom Doppelgänger. Es ist die Geschichte eines Mannes, der für einen Mord seines Doppelgängers verurteilt wird und seine Unschuld mit seiner Unfähigkeit zu töten belegt. Von dem Doppelgänger gezwungen holt er aber die Tat nach. „Jeder von uns könnte der Mann sein …“, der Pedro im Schlaf erscheint. Sein Name ist Diego, und sein Äußeres gleicht dem Pedros aufs Haar. Diego hat einen Mord begangen, beschuldigt und zum Tode verurteilt wird jedoch Pedro. Pedro wird von Diego aus dem Gefängnis befreit. Diegos Frau versucht, Pedro zum Mord an Diego zu verführen. Statt dessen tötet er, der bislang unschuldig war, sie. Das Kriminalhörspiel gerät zum mörderischen theologischen Gleichnis: Einer trage des anderen Last. Erzähltechnisch überbrückt Dürrenmatt in diesen Gesprächen über die Schuld die Barriere zwischen Regieraum und Spielgeschehen und holt den Autor und den Regisseur ins Spiel. Die Besetzung der Rolle des Autors mit Friedrich Dürrenmatt und der des Regisseurs mit Gustav Burmester gibt dieser Produktion zusätzlichen Reiz.

Mit Friedrich Dürrenmatt, Gustav Burmester, Siegfried Wischnewski, Hanns Ernst Jäger, Anneliese Römer, Karen Hüttmann

Friedrich Dürrenmatt (1921–90), Schweizer Schriftsteller. Theaterstücke u.a. Der Besuch der alten Dame (1956), Die Physiker (1962). Hörspiele u.a. Das Unternehmen der Wega (BR 1955), Die Panne (NDR 1956, Hörspielpreis der Kriegsblinden), Abendstunde im Spätherbst (ORF 1957, Prix Italia).

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August

Jules Romains: Doktor Knock oder Der Triumph der Medizin Samstag, 01.08.2015, 15.05 Uhr

Komposition: Frank Duval Bearbeitung und Regie: Heinz-Günter Stamm BR 1976, Länge: 86ʼ27

Dr. Knock hat von einem alten Dorfarzt dessen wenig ertragreiche Praxis erworben. In dem kleinen Landstädtchen soll nach Angaben von Knocks Vorgänger zwar niemand krank werden, und wenn er krank wird, so kuriert er sich daheim mit Lindenblütentee. Der große Diagnostiker und Heiler Dr. Knock führt in diesem französischen Lustspiel aus dem Jahr 1923 vor, wie ein unbekannter, aber begabter Arzt zum Großverdiener und Guru wird. Mit Wortgefechten, Überredungsmanövern und „Seelenmassagen“ werden die Praktiken eines Berufsstands parodiert, der, umgeben von der Aura einer oftmals angemaßten und hohlen Würde, seit Molière immer wieder die Satiriker unter den Komödienschreibern herausforderte. Knock wendet in ironischer Zuspitzung die suggestivpsychologischen Methoden der modernen Werbung an und beeinflusst seine Patienten dank seines pseudowissenschaftlichen, geheimnisvoll-beschwörenden Jargons. Das so erzeugte Gefühl des Krankseins gibt dem Leben seiner „Kunden“ erst einen Sinn: den der sorgfältigen Beschäftigung mit eingebildeten Leiden. Mit seiner Methode bringt er es schließlich so weit, dass die ganze Ortschaft ohne seine Pillen, Wässerchen und Salben nicht mehr auskommen zu können glaubt. Die Leute überrennen seine Praxis und letztlich verfällt sogar der alte Dorfarzt den geschickten Verführungskünsten seines Nachfolgers, dessen Doktortitel und medizinische Kenntnisse sehr im Dunkeln liegen.

Mit Günther Ungeheuer, Hans Caninenberg, Marlies Schoenau, Kurt Jaggberg, Horst Sachtleben, Claudia Wedekind, Alexander Malachovsky, Walter Sedlmayr, Addi Adametz, Eva Vaitl, Claudia Simon, Dietrich Thoms

Jules Romains (1885–1972), franz. Autor von Lyrik, satirischen Dramen und Romanen. Werke u.a. der Romanzyklus Die guten Willens sind (1933–46).

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Ernst Jandl: szenen aus dem wirklichen leben Sonntag, 02.08.2015, 15.00 Uhr Montag, 03.08.2015, 20.03 Uhr

Komposition: Ernst Kölz Regie: Ernst Jandl/Ernst Kölz BR/hr/SWF 1990, Länge: 18ʼ58

Zum 90. Geburtstag von Ernst Jandl. Der Text szenen aus dem wirklichen leben war von Jandl für das Nachtstudio der Wiener Festwochen 1966 eher zusammengesetzt als geschrieben worden. Fast 25 Jahre später sichtete Jandl seine poetischen Texte mit dem Blick auf das Thema „Beziehungen zwischen Mann und Frau“ und wählte 19 Einheiten als Fertigteile, vorwiegend Sprechgedichte oder Teile von solchen. „Es sollte eine Art Kurzoper im Geiste von Eric Satie werden“, schreibt Ernst Jandl dazu, „und keiner war dafür geeigneter als der Wiener Komponist Ernst Kölz.“ Über seine Komposition sagt Ernst Kölz: „Es handelt sich nicht um Vertonung im herkömmlichen Sinn, sondern um eine musikalische Akzentuierung des Textes, um klangliche und rhythmische Interpretation der Dichtung.“

Mit Cornelie Müller, Max Hupfer, Arnulf Appel, Dagmar Aigner, Klaus Holsten, Deborah Marshall, Claus Reichstaller, Rudi Mazac, Thomas Simmerl u.a.

Ernst Jandl, geb. am 1. August 1925 in Wien, gest. am 9. Mai 2000 ebenda. Lyriker, Lehrer und Dozent für neue Dichtung, freischaffender Autor experimenteller Literatur und Hörspielmacher. Auszeichnungen u.a. Hörspielpreis der Kriegsblinden 1968(für Fünf Mann Menschen, gemeinsam mit Friederike Mayröcker). BR-Hörspiele u.a. das röcheln der mona lisa (1970), jandls dilemma (1992).

Im Anschluss: Herbert Kapfer/Mira Alexandra Schnoor: kennen sie mich herren. Werkstattsendung zu szenen aus dem wirklichen leben, BR 1990, 22ʼ45, Podcast Hörspiel Pool

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Bernd Grashoff: Memoiren eines Butlers. Ein Rondo für Brandy, Gangster und Gespenster Mittwoch, 05.08.2015, 20.03 Uhr

Regie: Heinz-Günter Stamm BR 1963, Länge: ca. 53’

Lord Benmore, der letzte Erbe eines berühmten schottischen Geschlechts, das sich seit Jahrhunderten nur durch das Brennen von Whisky über Wasser hält, kehrt nach einer Reise zum Kontinent in das Schloss seiner Väter zurück. Sein Butler Limerick bemerkt sofort, dass Seine Lordschaft etwas geknickt aussieht. Benmore bekennt seinem treuen Diener: Er ist ruiniert. Privat und geschäftlich. Er hat nämlich in Monte Carlo nicht nur die ihm vorzeitig überlassene Mitgift seiner Braut verspielt, sondern auch jene zwölf Millionen Dollar, die er von Jackie Malastasia, einem in Chicago ansässigen Gangsterboss, für die königlich-schottischen Brennerei-Privilegien erhalten hat. Letzteres schockiert den traditionsbewussten Limerick besonders, zumal die Transaktion ohne sein Wissen geschah. Benmore Castle ist zwar keine zwölf Millionen wert, aber der Lord ist nun gezwungen, es Malastasia zu übereignen. Und seinen Butler auch. Schicksal und Zukunft des Schlosses sollen fortan allein in Limericks erfahrenen Händen liegen. Denn Lord Benmores Ehre gebietet es, sofort aus dem Leben zu scheiden. Da ihn das Knallen eines Revolvers aber nervös machen würde, empfiehlt Limerick einen diskreten Autounfall. Dankend nimmt der Lord den Rat seines Butlers an. Wie wertvoll Limericks Ratschläge sind, erkennt wenig später auch sein neuer Chef. Der Herr aus Chicago ist zwar kein Gentleman, möchte aber gern einer werden.

Mit Theo Lingen, Peter Pasetti, Gustav Knuth, Martin Benrath, Hanne Wieder, Norbert Kappen, Hans Clarin, Heini Göbel, Anton Reimer

Bernd Grashoff, geb. 1937 in Köln, Autor. Romane, Theatertexte, Drehbücher. Zahlreiche Hörspiele u.a. Eisenbahnmuseum (BR 1975), Der Mann, der Dracula schrieb (BR 1993), Schwesternliebe (SDR 1995), Der Nibelungen Mord (BR 2000), Maß für Maß (WDR 2001), Fischpiraten (WDR 2009).

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Aus den Archiven akustischer Feldforschung (1/4) Graben und Schürfen Freitag, 07.08.2015, 21.05 Uhr hör!spiel!art.mix

Zusammenstellung: Annegret Arnold/Norbert Lang BR 2013, Länge: 110’55

„As to the future consequences it is impossible to anticipate them. All I see is that wonders upon wonders are opening before us”. Die ahnungsvolle Begeisterung über die zukünftige Bedeutung des Phonographen, wie sie der britische Premierminister William Gladstone 1888 formulierte und wie sie als eine der frühesten Tonaufzeichnungen erhalten ist, steht maßgeblich für ihre Zeit. Mit dem Phonographen, wie ihn Thomas Alva Edison 1877 zum Patent angemeldet hatte, konnten erstmals Sprach- und Musik, bis dato „unaufschreibbare Datenflüsse” (Friedrich Kittler 1986), festgehalten werden. Ein Triumph über die Vergänglichkeit und eine Erfindung, die, so der Medienwissenschaftler Heinz Hiebler, „die Menschen noch unvorbereiteter trifft als ein halbes Jahrhundert später die des Radios.“ Die Sendereihe Aus den Archiven akustischer Feldforschung spürt diesen mediengeschichtlichen Umbrüchen nach. Sie beleuchtet die Kultur- und Technikgeschichte akustischer Medien und forscht nach dem Zusammenklang vergangener Originalstimmen. Dokumentarische Basis für diese Untersuchungen sind die Bestände des Berliner Lautarchivs.

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Walter Serner: Die Tigerin Samstag, 08.08.2015, 15.05 Uhr

Musik: Bo Wiget Bearbeitung und Regie: Leopold von Verschuer BR 2015, Länge: ca. 90ʼ, Ursendung, Podcast Hörspiel Pool

Paris, Nizza 1920. Der Hochstapler Henri Rilcer, genannt Fec, ist am Ende. Die Begegnung mit der Edelprostituierten Bichette, genannt „die Tigerin“, stachelt ihn ein letztes Mal auf. Sie schließen einen Pakt, um sich als Paar neu zu erfinden. „Wir machen uns!“ – einzige Bedingung ihrer Allianz: Sie soll ohne Liebe sein. Bichette fungiert als Lockvogel, während Fec die Rolle des gehörnten Liebhabers übernimmt, um Bichettes Kunden zu erpressen. Doch ihrem Verhängnis entgehen sie nicht: Die Gefühle sind stärker als alle Vorsätze. Denn obwohl Fec und Bichette die Liebe aus ihrer Beziehung verbannt haben, ist plötzlich echte Eifersucht im Spiel, wird aus dem Spiel Ernst. Fec beginnt Bichette zu umgarnen und Bichette erliegt Fec. Eine Amour fou. Walter Serner, Dadaist, Essayist, Bohemien, rastloser Reisender, hat seine Erzählungen auf der Grenze von Eros, Kälte und Verbrechen situiert. Seine Texte wirken illusionslos, lapidar, kalt, seine Figuren bevölkern die unwirtliche Halbwelt der frühen Moderne. Es sind kleine Schurken und billige Schlampen, Raubmörder und anämische Morphinistinnen, immer auf der Suche nach einem Aufriss. Sie sprechen ein Kauderwelsch aus Deutsch und Argot, dem Pariser Ganovenjargon des Milieus, der die gesprochene Sprache gleichermaßen bereichert und reduziert. Kommunikation wird zur Losung, zur Parole. Erschienen 1925, sollte der Roman Die Tigerin 1931 in die „Liste der Schund- und Schmutzschriften“ aufgenommen werden. Nur ein Gutachten von Alfred Döblin verhinderte, dass das Buch der Zensur zum Opfer fiel. „Schlaß ist das. Absolut Schlaß. Und ich kann einfach nicht mehr so daherleben, so ... Ich sage ja nicht, daß wir uns irgendwas vortrillern sollen, wie diese zuckrigen Claqueweiber da mit ihren Marlous, dieses ekelhafte Liebesgetue und diese verlogenen Roheiten ... Schlingue! Ich hab den ganzen Jus bis dorthinaus!“ (Bichette)

Mit Anne Ratte-Polle, Jan Uplegger, Dorothee Metz, Martin Engler, Severin von Hoensbroech, Leopold von Verschuer

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Walter Serner (1889–1942), geb. in Karlsbad als Walter Seligman, ermordet im Vernichtungslager Maly Trostinez bei Minsk. Schriftsteller und Individualanarchist; gemeinsam mit Hugo Kersten und Emil Szittya Herausgeber der Zeitschrift Der Mistral, 1915 (Zürich), und Herausgeber der Zeitschrift Sirius (Zürich) 1915-1916 ; mit Otto Flake und Tristran Tzara Redaktion der Zeitschrift Der Zeltweg (Zürich), 1919; 1917–1920 Dada- Aktivitäten in Zürich, Genf, Paris; 1921 Bruch mit Dada. Veröffentlichungen zahlreicher Werke, u.a. Die Tigerin (Roman), Der Pfiff um die Ecke (Erzählsammlung), Die tückische Straße, Posada oder der große Coup im Hotel Ritz. 1927 Rückzug ins Privatleben. 1938 Heirat mit Dorothea Herz. Ab 1939 mehrere Versuche, nach Shanghai auszuwandern. Arbeit als Sprachenlehrer im Prager Ghetto. Am 10. August 1942 Deportation nach Theresienstadt, wenige Tage später nach Minsk.

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Gerhard Meister: Im bewohnten Gebiet der Schädelhöhle Sonntag, 09.08.2015, 15.00 Uhr Montag, 10.08.2015, 20.03 Uhr

Komposition: Martin Schütz Regie: Erik Altorfer SRF 2015, Länge: 53’50

Wo steckt die Seele? Wo hockt das Ich? Zwischen den Ohren! Das findet der Autor Gerhard Meister. Und lädt nun ein: Setzen Sie die Kopfhörer auf, und erleben Sie ein lustvolles Experiment. Denn: Was Hirnforschung kann, kann das Hörspiel schon lang. Habe ich eine Seele? Was bin ich? Religion und Philosophie scheinen darauf keine Antworten mehr zu haben – oder zumindest keine, denen jeder Mensch zustimmen würde. Und doch kommt die Menschheit nicht aus dem Grübeln. 1 Milliarde Euro investiert ein EU-Förderprogramm in das „Human Brain Project“: Damit soll an der ETH Lausanne das menschliche Hirn nachgebaut werden – digital und voll funktionsfähig. Zehn Jahre lang wird geforscht. Der Hörspielautor Gerhard Meister hingegen braucht keine Stunde, um das Ich im Hirn zu suchen. Ein akustisches Experiment, das Fragen stellt, den Hirnlappen kitzelt und vor allem: unterhält.

Mit Mareike Hein, Sebastian Rudolph, Stefan Kurt, Anne Ratte-Polle, Katja Reinke, Siggi Schwientek, Jirka Zett

Gerhard Meister, geb. 1967, wuchs im Emmental auf, lebt heute in Zürich, Autor. Hörspiele u.a. Der Entenfreund (DRS 2006), Vom Schwinden der Schwerkraft (DRS 2007), Fluchtburg (DRS 2009), Das Leuchten in der Nacht (DRS 2010), In meinem Hals steckt eine Weltkugel (SRF 2012), Fenster schließen! Fenster schließen! (SRF 2014).

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ARD Radio Tatort: Dirk Schmidt: Baginsky Mittwoch, 12.08.2015, 20.03 Uhr

Komposition: Rainer Quade Regie: Claudia Johanna Leist WDR 2012, Länge: 53’52

Die „Task-Force-Hamm“ steckt in der Klemme: Latotzke hat es versäumt, vor seinem Urlaub die Untersuchung eines Mordfalls weiterzuleiten. Jetzt liegt ein gewisser Baginsky schon seit drei Wochen in der Pathologie. Über dessen Tod ist allerdings in Hamm niemand wirklich traurig. Wer sich so viele Feinde gemacht hat, muss sich nicht wundern, wenn ihn irgendwann mal der Schlag trifft – oder ein Hieb mit dem Baseballschläger. Die verspäteten Ermittlungen werden zu einem Wettlauf gegen die Zeit, und für das Team der „Task-Force-Hamm“ geht es bald ums nackte Überleben.

Mit Uwe Ochsenknecht, Hans Peter Hallwachs, Matthias Leja, Sönke Möhring, Sandra Borgmann, Serdar Somuncu, Gudrun Landgrebe u.a.

Dirk Schmidt, geb. 1964 in Essen, Lektor, Drehbuchautor und Arbeit in der Werbung. Kriminalromane und Hörspiele u.a. die ARD Radio Tatorte für den WDR Noch nicht mal Mord (2012), Kontermann (2013), Currykill (2013), Malina (2014), Calibra oder die Geißel Gottes (2014), Exit (2015).

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Aus den Archiven akustischer Feldforschung (2/4) Schimmern und Rauschen Freitag, 14.08.2015, 21.05 Uhr hör!spiel!art.mix

Zusammenstellung: Annegret Arnold/Norbert Lang BR 2013, Länge: 114’43

Ein entscheidender Wendepunkt in der Geschichte der Tonaufzeichnung war Mitte der 1920er Jahre der Übergang von der mechanischen zur elektrischen Aufnahme. Durch sie erweiterte sich der reproduzierbare Frequenzbereich und brachte damit eine deutliche Verbesserung der Tonqualität. Statt über Trichter wurde nun über Mikrofon aufgenommen, Lautsprecher und Verstärker wurden zur Standardausrüstung des Plattenspielers. Vor dieser Wende, also in der rein mechanischen Phase der analogen technischen Aufnahmemedien, ist das Rauschen eine signifikante Begleiterscheinung der Tonaufzeichnungen. Ein Rauschen, das, je nach Aufnahmeverfahren, unterschiedliche Schattierungen hat. Mal ist es rhythmisch, mal dominant, mal ausdruckslos. Mal überlagert es die Aufnahme, ein anderes Mal geht es mit ihr eine schimmernde Liaison ein. Im zweiten Teil der Reihe Aus den Archiven akustischer Feldforschung wird das Rauschen zum Ausganspunkt einer kultur- und mediengeschichtlichen Auseinandersetzung mit den Beständen des Berliner Lautarchivs.

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Liquid Penguin Ensemble: Ickelsamers Alphabet. Dictionarium der zierlichen Wörter Samstag, 15.08.2015, 21.00 Uhr

Komposition: Stefan Scheib Regie: Liquid Penguin Ensemble SR/DKultur 2014, Länge: 54’

Vor bald 500 Jahren erschien die erste „Teütsche Grammatica“ von Valentinus Ickelsamer. Darin unterweist er in der subtilen Kunst, „die Buochstaben recht nennen und wie man’s mit den natürlichen Organis und Gerüst im Mund machet“. Zum Trost: Laut ausgesprochen, ist Ickelsamers Deutsch auch für unsere Ohren gleich viel verständlicher. Einen Schritt weiter ging der französische Grammatiker Louis Meigret, Ickelsamers Zeitgenosse wollte nämlich die französische Orthographie der Aussprache anpassen. Doch das ist nur eine der Verbindungen, die das Liquid Penguin Ensemble auf seiner jüngsten deutsch-französischen Sprach- und Klangexpedition herausgefunden hat. „Ein Hör-Spiel! Ein Spiel mit dem Hören! Der Wortlaut wird zum Thema, der Wortlaut materialisiert sich. Der Gaumen als Kathedrale, die Zunge als Werkzeug, die Zunge (‚la langue‘ im Französischen als Zunge und Sprache) als Teil unseres körpereigenen Instruments. Mit ihrem Tanz mit den Wörtern, mit der Selbstvergessenheit spielender Kinder gestaltet das Liquid Penguin Ensemble eine wunderbare Unterhaltung und wir erleben ein großes Hörvergnügen!“ (Jurybegründung zum Hörspiel des Jahres 2014) „Liquid Penguins Spiel mit Realitat wird hier zum höchst amüsanten Spiel mit der Realität von Sprache selbst“ (Jurybegründung zum Hörspielpreis der Kriegsblinden 2015).

Mit Christian Higer, Elodie Brochier, Katharina Bihler

Liquid Penguin Ensemble, gegründet 1997 von der Schauspielerin, Autorin und Regisseurin Katharina Bihler und dem Komponisten und Bassisten Stefan Scheib. Hörspiele für den SR u.a. Gras wachsen hören (2007), Bout du Monde (2009), Auris Interna (2010), Radio Élysée (2012).

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Till Müller-Klug: Ich als Großprojekt Sonntag, 16.08.2015, 15.00 Uhr Montag, 17.08.2015, 20.03 Uhr

Regie: Thomas Wolfertz WDR 2015, Länge: 54’03

Der Berliner Großflughafen. Die Elbphilharmonie. Das Stadtschloss. Großprojekte stecken in der existentiellen Krise. Heißt es bald nicht mehr Ödipus Komplex, sondern Elbphilharmonie-Hysterie oder Stadtschloss-Depression? Till Müller-Klug schlägt in seinem satirischen Hörspiel den Bogen von der psychischen Selbsthilfegruppe zum planerischen Größenwahn. Fehlplanungen, Korruption, Baustoffmängel, Bürgerproteste – immer wieder treten neue Krisen auf. Sind sie vielleicht nur die Symptome einer ursächlichen Fehlentwicklung – einer Art Psychose, die Projekte dieser Größenordnung regiert? Eine Selbsthilfegruppe nimmt die Vorlage wörtlich und stellt fest, dass die Großbaustelle als Therapieform ganz neue Möglichkeiten bietet: Ich als Großprojekt kann in aller Öffentlichkeit scheitern. Was für die öffentliche Hand ein Desaster ist, wird für das gestresste moderne Subjekt zur Entlastung: Wir alle sind Flughafen. „Till Müller-Klugs Satire trifft, wie und wo gute Satire zu treffen hat: nie platt denunzierend, gut recherchiert und souverän in ihrer Sach- und Menschenkenntnis. Text, Regie und Darsteller verhindern, dass die Komik zum Lächerlichen verkommt. Hören wir und gehen auf Distanz, dann ist das nur Notwehr, die Distanz zu uns selbst. Ich als Großprojekt, das ist nicht nur der Titel eines Hörspiels, das ist – peinlich – wohl das exemplarische Programm unserer eigenen Gegenwart.“ (Jurybegründung zum Hörspiel des Monats März 2015).

Mit Helene Grass, Stephan Grossmann, Winnie Böwe, Wilfried Hochholdinger, Fabian Gerhardt, Arved Birnbaum, Marietta Bürger, Gregor Höppner

Till Müller-Klug, geb. 1967 in Berlin, Autor, Regisseur. Theaterstücke u.a. mit Bernadette La Hengst Die Liebespopulistin (2004), Deutschlandmärchen (2010). Hörspiele u.a. Die neue Lebensführung (WDR 2007), Sprachlabor Babylon (WDR 2011), Europa, eine Plagiate-Saga (WDR 2012).

31

Irene Rodrian: „… trägt Anstaltskleidung und ist bewaffnet“ Mittwoch, 19.08.2015, 20.03 Uhr

Komposition: Friedrich Meyer Bearbeitung und Regie: Lilian Westphal BR 1982, Länge: 53’23

Als Horst und Christine Selbeck von einer Party zurückkommen, erleben sie eine böse Überraschung: Anita Birkmaier, ihre Freundin, die wegen des Mordes an ihrem Mann Boris in eine psychiatrische Klinik eingewiesen worden war, ist ausgebrochen und empfängt sie nun mit der Pistole in der Hand. Sie will Unterschlupf, der ihr erzwungenermaßen gewährt wird, doch trotz Zwang muss man sich ja arrangieren in der Nacht und am nächsten Tag. Und da passiert es: Anitas Gegenwart lässt die Beziehungsprobleme des Ehepaares vulkanartig aufbrechen, und die schonungslose Abrechnung wirft auch ein neues Licht auf die Vergangenheit.

Mit Robert Atzorn, Lisi Mangold, Rita Russek, Christoph Lindert, Charles Brauer, Hans Günter Martens, Gerhart Lippert, Jürgen Jung u.a.

Irene Rodrian, geb. 1937 in Berlin, Autorin. Kriminalromane, Kinder- und Jugendbücher, Drehbücher. Werke u.a. Tod in St. Pauli (1967), Finderlohn (1971), Über die Klippen (1988), Ein letztes Lächeln (2007). Weiteres Hörspiel Der Mord von nebenan (WDR 1974).

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Aus den Archiven akustischer Feldforschung (3/4) Geister und Nachleben Freitag, 21.08.2015, 21.05 Uhr hör!spiel!art.mix

Zusammenstellung: Annegret Arnold/Norbert Lang BR 2013, Länge: 112’53

„Eines Tages kam ein Hund hier vorbei und bellte in den Trichter, und dieses Bellen wurde in fantastischer Qualität reproduziert. Wir haben die Walze gut aufgehoben und nun können wir ihn jederzeit bellen lassen“ – dieser Beschreibung einer Tonaufnahme im Jahr 1878 fügte der Erfinder des Phonographen Thomas Alva Edison hinzu: „Dieser Hund mag in den Hundehimmel kommen, aber wir haben ihn – alles was Stimme hat, überlebt!“ Der Hund überlebt, ist dabei aber nicht mehr Herr seiner selbst. Bereits in der Geburtsstunde der Schallaufzeichnung schlummert also ein gewaltsames Potenzial: Sie kann Stimmen auch gegen ihren Willen fortreißen. So wurden einige jener Aufnahmen, die in Schallarchiven zu finden sind, etwa in den europäischen Kolonien, unter Gewaltandrohung aufgenommen – es sind, so die Kulturwissenschaftlerin Britta Lange, „sensible Sammlungen“ vor allem aus der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts. Der dritte Teil der Sendereihe Aus den Archiven akustischer Feldforschung arbeitet diesen Aspekt der Archivgeschichte u.a. in einem Gespräch mit Britta Lange auf und fragt nach einem möglichen Umgang mit diesen sensiblen Sammlungen.

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Martin Heindel: Der Zug Samstag, 22.08.2015, 15.05 Uhr

Regie: Martin Heindel WDR 2014, Länge: 80’47

Ein Zug geistert durch Europas Backpacker-Szene. Es heißt, an Bord sei Party für immer. Es heißt, der Zug bringt dich ans Ziel, und niemand sei je von dort zurückgekommen. Alles nur Legende und Mythos? Der Zug entzieht dem Netz nachweisbar Strom, aber keiner kann ihn finden. Jeder kennt nur jemanden, der jemanden kennt, der den Zug gesehen haben will. Doch dann treffen Tycho und Lin die verwirrte Lou, die behauptet, selbst in dem mysteriösen Zug gewesen zu sein. Und sie will zurück. Mit Tycho und Lin. Warum nicht? Einen Versuch ist es wert.

Mit Marleen Lohse, Jonas Baeck, Clemens Schick, Jule Böwe, Julia Riedler u.a.

Martin Heindel, geb. 1976, Autor und Regisseur. Weitere Hörspiele ...wie ein Lied (WDR 2012), Eifelgeist (WDR 2013).

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Jane Bowles/Katharina Franck: Bei unserer Lebensweise ist es sehr angenehm, lange im voraus zu einer Party eingeladen zu werden Sonntag, 23.08.2015, 15.00 Uhr Montag, 24.08.2015, 20.03 Uhr

Aus dem Amerikanischen von Pociao Komposition: Ulrike Haage/Katharina Franck Realisation: Ulrike Haage BR 1999, Länge: 38’31

Briefe und Lebenszeugnisse von Jane Auer Bowles bilden die Grundlage zu Katharina Francks eindrucksvollem Porträt der weltgewandten Schriftstellerin und Reisenden. Obwohl bewundert von Tennessee Williams und Truman Capote, von William S. Burroughs, Carson McCullers und von ihrem Mann Paul Bowles, hielt die 1917 in New York geborene Jane Bowles selbst nichts davon, wie sie lebte. Und sie hielt nichts von dem, was sie schrieb. So schrieb sie vor allem Briefe. Sie schrieb davon, was sie eigentlich unternehmen wollte und würde, wenn sie nicht dort wäre, wo sie gerade war. Die Musik von Ulrike Haage verweist mit Zitaten aus dem Jazz, der marokkanischen Musik und mit filmmusikartigen Kompositionen auf das zeitliche und ständig wechselnde lokale Umfeld.

Mit Judith Engel, Katharina Franck, Tatja Seibt

Jane Bowles (1917–73), amerikanische Autorin, lebte in New York, Mexiko, Paris, Marokko und Spanien. Werke u.a. Zwei sehr ernsthafte Damen (1984), Einfache Freuden (1985). Hörspieladaptionen u.a. Schneeziegenmanöver (BR 1999), Zwei sehr ernsthafte Damen (DKultur 2005).

Katharina Franck, geb. 1963 in Düsseldorf, Sängerin, Songwriterin, Hörspielautorin und Live-Performerin. Weitere BR-Hörspiele Das Signal wurde über Radio gegeben – Ein Cut- Up (2007), Nazaré – nicht die Stadt, die Frau (2007).

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Dirk Josczok: Menschlos Mittwoch, 26.08.2015, 20.03 Uhr

Komposition: Michael Rodach Regie: Beatrix Ackers DKultur 2014, Länge: ca. 53’

Sonntagnacht in Berlin-Kreuzberg: Der BMW des Münchener Immobilienmaklers Ignaz Freudl geht in Flammen auf. War es ein Anschlag autonomer Chaoten? Im Kofferraum des Autos findet die Feuerwehr eine tote Frau. Hauptkommissar Magnus und sein Team nehmen die Ermittlungen auf. Freudl baut in Kreuzberg zwölf Luxus- Eigentums-Wohnungen, der Quadratmeter kostet 4.000 Euro. Nach dem Auftauchen eines Bekenner-Videos im Internet gehen die Kommissare von einem politischen Hintergrund aus. Aber wer ist die Tote? Warum vermisst sie niemand? Und woher stammen die Verätzungen an ihren Händen? In der Musterwohnung, die dem Makler als Büro dient, haben Unbekannte eine Parole gesprayt: Currywurst statt Weißwurst.

Mit Guntbert Warns, Claudia Eisinger, Herbert Sand, Janusz Kocjai, Felix von Manteuffel,

Peter Georgiev, Raliza Nikolowa, Wesselin Georgiew, Jeanette Spassowa, Ilina Heilig

Dirk Josczok, geb. 1960 in Düsseldorf, lebt in Berlin, Autor. Drehbücher und Hörspiele u.a. Vorbeugende Maßnahme (NDR 1984), Down Under (WDR 2000), Easy Money (WDR 2008), Kleiner Tod (WDR 2010), Heldentod (DKultur 2011), Zahltag (DKultur 2012), Niemandskind (DKultur 2013).

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Aus den Archiven akustischer Feldforschung (4/4) Mimen und Posen Freitag, 28.08.2015, 21.05 Uhr hör!spiel!art.mix

Zusammenstellung: Annegret Arnold/Norbert Lang BR 2013, Länge: 115’06

Manchmal reicht bereits der Anblick einer Kamera, schon richtet sich der zu Fotografierende ganz automatisch auf, neigt das Kinn und lächelt. Es ist, als ob sein Körper erwacht, um sich sogleich dem Blick des zukünftigen Betrachters zu überlassen. Auch vor dem Mikrofon neigt der Körper zum Mimen und Posieren. Hier ist es die Stimme, der Resonanzraum des Körpers, der für den Anderen laut hörbar zum Klingen gebracht wird. Die Pose, die der Körper dabei einnimmt, gehört ihm nie gänzlich selbst. Er hat sie sich abgeschaut und in langjähriger Übung angeeignet. Nun macht ihn seine Pose transparent, lässt durch ihn hindurch blicken, auf jene zahllosen Anderen, die er nachahmt. Die Pose legt Zeugnis ab: von Formeln und Formen, vom Körperwissen einer bestimmten Zeit. So lassen auch die häufig mit Pathos aufgeladenen Gesänge oder die festlichen Ansprachen auf den ersten Wachswalzen und Schellackplatten einen detailreichen Blick auf die kollektive Vergangenheit zu. Diesen Spuren der Vergangenheit widmet sich der letzte Teil der Reihe Aus den Archiven akustischer Feldforschung, indem er das Mimen, Posieren und die Spielarten des Pathos in den frühen Jahren der Schallaufzeichnung umkreist.

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Oskar Weber/Hugo von Hofmannsthal: Der bayerische Jedermann Samstag, 29.08.2015, 15.05 Uhr

Komposition: Rolf Wilhelm Regie: Stefan Rinser BR 1985, Länge: 73ʼ06

Das Spiel vom Sterben des reichen Mannes. In der bayerischen Mundart-Übertragung von Oskar Weber wird aus Hugo von Hofmannsthals städtischem Patrizier Jedermann ein Großbauer aus dem Dachauer Land, der mit seinem Besitz protzt. Doch seine Gäste verlassen fluchtartig seine bäuerliche Festtafel, als er unvermutet vom Tod heimgesucht wird. In dem bäuerlichen Mysterienspiel sprechen alle irdisch bezogenen Geister wie Mammon und Teufel in bayerischen Versen. Alle himmlischen Symbolfiguren hingegen, wie Glaube, gute Werke, Gottesstimme und Tod, die schriftdeutschen Originalverse.

Mit Fritz Straßner, Karl Obermayr, Toni Berger, Ilse Neubauer, Elisabeth Endriss, Gerhard Lippert, Eva Vaitl, Yvonne Brosch, Elmar Wepper u.a.

Oskar Weber, geb. 1913 in Salzburg, gest. 2001 in München, Autor. Bayerischer Poetentaler 1970. Werke u.a. Ballnacht in Wien (1940), Fahrʼn ma Euer Gnaden (1949). 1955–85 Rundfunkautor der BR-Unterhaltungssendereihe Das Bairisch Herz.

Hugo von Hofmannsthal, geb. 1874 in Wien, gest. 1929 ebenda. Schriftsteller, Dramatiker, Lyriker, Librettist sowie Mitbegründer der Salzburger Festspiele. Hörspieladaptionen u.a. Das Bergwerk zu Falun (BR/NWDR 1949), Der Turm (NWDR 1954).

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Kathrin Wessling: Drüberleben Sonntag, 30.08.2015, 15.00 Uhr Montag, 31.08.2015, 20.03 Uhr

Bearbeitung: Renate Giess Komposition: Malte Preuss Regie: Reto Ott SRF 2015, Länge: 54’16

Ida Schaumann ist 24 Jahre alt und hat Depressionen. Sie lässt sich in eine psychiatrische Klinik einweisen. Dort nimmt sie den Kampf auf gegen die Angst und das Tiefdruckgebiet im Kopf. Es folgt, frech, musikalisch und authentisch, die sehr heutige Innensicht einer weit verbreiteten Erkrankung. „Ich bin ein menschlicher Verkehrsunfall. Irgendwann bin ich einfach stehengeblieben, und dann sind Erlebnisse wie LKWs in mich hinein gefahren.“ Die Autorin Kathrin Wessling leidet unter Depressionen, seit sie denken (und schreiben) kann. 2010 begann sie, ihre Auseinandersetzung mit der Krankheit in einem Blog festzuhalten. Daraus entwickelte sich schließlich, als fiktionale Fortschreibung, ihr erster Roman: Drüberleben. Die Geschichte der Ida Schaumann ist zwar autobiographisch grundiert, ist aber eine sprachlich packende literarische Konstruktion: ein Kammerspiel über Identitäten im Zustand fortschreitender Auflösung, angesiedelt im Mikrokosmos einer Klinik. Ida Schaumanns Depression, ihre Verzweiflung und ihre Wut können auch als Symptom einer Gesellschaft gelesen werden, die mit ihrem Zwang zur hyperaktiven Selbstoptimierung so manche überfordert. Das Hörspiel Drüberleben ist die akustische Weiterentwicklung einer Theaterinszenierung, die der Schweizer Regisseur Daniel Wahl 2013 realisiert hat.

Mit Charlotte Müller, Nicole Reitzenstein, Malte Preuss

Kathrin Wessling, geb. 1985 in Ahaus, Autorin und Redakteurin. Werke Drüberleben (2012), Kaffee und Kuchen (Kurzgeschichten, 2013).

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September Sven Stricker: Böses Ende Mittwoch, 02.09.2015, 20.03 Uhr

Komposition: Kay Poppe Regie: Sven Stricker Stricker und Poppe 2010, Länge: 54'30

Für Kuli ist es der erste Tag im Call Center. Ein nervenaufreibender Job. Von allen Seiten klingelt es, die Kunden sind selten pflegeleicht. Und da passiert es. Ein eingehender Anruf macht ihn und seinen Kollegen Paul zu Zeugen einer Gewalttat. Deutlich sind Schläge und das Schreien einer Frau durchs Telefon zu hören. Was nun? Statt die Polizei zu informieren, gehen die beiden selbst der Spur nach. Die im Display angezeigte Telefonnummer führt sie zu Lisa Gerhard. Die jedoch lehnt jegliche Hilfe ab. Gerade einmal seine Visitenkarte darf Kuli ihr dort lassen. Am nächsten Tag ist Lisa Gerhard tot. Man findet sie ermordet in ihrer Wohnung und auf dem Wohnzimmertisch Kulis Visitenkarte. Für Paul und Kuli, die bei Kommissar Bernauer schnell in Verdacht geraten, beginnt das Abenteuer ihres Lebens.

Mit Bjarne Mädel, Florian Lukas, Gerd Baltus, Mareike Fell, Ulrike C. Tscharre, Stephan Schad, Kerstin Draeger, Lutz Herkenrath Sven Stricker, geb. 1970 in Tönning, Autor, Regisseur. Roman Schlecht aufgelegt (2013, nach dem Hörspiel Böses Ende). Hörspielbearbeitungen und -regien u.a. Herr Lehmann nach Sven Regener (Hörverlag 2009, Deutscher Hörbuchpreis), Schöne neue Welt von Aldous Huxley (Hörverlag 2014, Deutscher Hörbuchpreis).

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Eran Schaerf: Doppelbesetzung Freitag, 04.09.2015, 21.05 Uhr hör!spiel!art.mix

Realisation: Eran Schaerf BR 2015, Länge: 51’33, Ursendung, Podcast Hörspiel Pool

Die Stimme des Hörers ist ein Sender für Hörer*innenanrufe, der von einem Software- Programm betrieben wird. In seinem Online-Studio bietet der Sender Hörer*innen an, Geschichten aus ihrem Alltag auf Sendung wiederaufzuführen. Dieses Angebot wird von den Hörer*innen unterschiedlich aufgenommen – als die Möglichkeit, eine versäumte Sendung nachzuholen, sich auf eine Zeitreise zu begeben oder der Zeit ganz und gar zu entfliehen. Eine der Hörerinnen verspricht sich von diesem Angebot die Gelegenheit, ihre Geschichte hinter sich zu lassen. Wie jedes Softwareprogramm meldet sich Die Stimme des Hörers, sobald Anwendungen Risiken enthalten. „Wenn Sie ihre Geschichte verlassen, können bei der Aufnahme Fehler auftreten [...] Fehler 567: Doppelbesetzung. Sie sind diejenige, die berichtet, und diejenige, von der berichtet wird“. Auf Sendung erfährt die wiederaufführende Hörerin, dass sie ihre Geschichte nur verlassen kann, um in einer anderen zu sein. Sie wird doppelt besetzt – von ihrer alten und von ihrer neuen Geschichte. Doppelbesetzung erzählt von dieser Begegnung des menschlichen Gedächtnisses mit dem Cyberradio als Aufführungsort. Doppelbesetzung wurde von Joerg Franzbecker und Eran Schaerf zusammengestellt und besteht aus Modulen aus dem Audio-Archiv des Online-Studios fm-scenario.net. Das Hörspiel bildet den Ausgangspunkt für Eran Schaerfs Ausstellung im établissement d’en face projects, Brüssel (29. August–4. Oktober). FM-Scenario/Die Stimme des Hörers ist ein intermediales Projekt, das sich über Website, Sendungen, Ausstellungen und Publikationen realisiert. Eine Kooperation von: BR Hörspiel und Medienkunst; A Production e. V., Berlin; Hartware MedienKunstVerein, Dortmund; Haus der Kulturen der Welt, Berlin; Les Complices*, Zürich; Museum für Konkrete Kunst, Ingolstadt; Zentrum für Kunst und Medientechnologie, Karlsruhe und établissement d’en face projects, Brüssel. Gefördert durch die Kulturstiftung des Bundes.

Im Anschluss: Herbert Kapfer: Die Welt als Format der Fortschreibung. Eran Schaerfs FM-Scenario (BR 2015), Podcast Hörspiel Pool 41

Robert Naegele: Aufʼs Land zur Probe Samstag, 05.09.2015, 15.05 Uhr

Regie: Robert Naegele BR 1986, Länge: 71ʼ05

Nach dem Krieg heirateten der in Württemberg geborene Postler Ludwig Kleinle und die aus Bayerisch-Schwaben stammende Frieda Reiser und zogen nach München. Bis zum Tode ihres Sohnes lebten sie in Schwabing. Danach mieteten sie eine Wohnung im Westen von München. Vor einem halben Jahr wurde Ludwig Kleinle pensioniert. Seinen Ruhestand hat er noch nicht verkraftet. Alles stört ihn: seine häusliche Frau, seine Mietnachbarin, die Umwelt der Großstadt. Beide Kleinles sehnen sich nach dem Leben im Dorf, dem sie nach dem Krieg den Rücken gekehrt haben. Eine erneute Mietsteigerung veranlasst sie, diesen Wunsch in die Tat umzusetzen. Die Kleinles entschließen sich kurzerhand, im Heimatdorf auf Probe zu wohnen. Aber das Dorf von einst, von dem sie träumten, ist ein anderes geworden: Zufriedenheit, gute Nachbarschaft und vor allem Stille sind nicht mehr. Die Umwelt hat sich völlig verändert.

Mit Oskar Müller, Luitgard Im, Ingrid Storz, Franz A. Huber u.a.

Robert Naegele, geb. 1925, Schauspieler und Autor. Zahlreiche Geschichten in schwäbischer Mundart. BR-Hörspiele u.a. Geschäft und Zauberflöten (1982), Dominante Damen (1998), Josefa und ihr Zivi (1995), Das vergeßliche Christkindle (1996).

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Jörg Albrecht: Moon Tele Vision Sonntag, 06.09.2015, 15.00 Uhr Montag, 07.09.2015, 20.03 Uhr

Komposition: phon°noir Realisation: phonofix BR 2008, Länge: 55’58, Podcast Hörspiel Pool

Mit der Fußspur eines amerikanischen Astronauten im Mondboden, der noch in zehn Millionen Jahren zu sehen sein wird, prägen sich die Hoffnungen des Westens auf die Herrschaft über Erde, Weltraum und Geschichte in Staub ein. Mit der Flagge im Mondboden, die Anfang der Achtziger auf amerikanischen Bildschirmen zu sehen ist, prägen sich schnell wechselnde Farben und ein Name in die Sehrinde der gerade Neugeborenen ein. Der Name: MTV, für Moon Tele Vision. Drei Astronauten starten 2008 ins All, um den Tod ihres Freundes Jan Jupiter auf dem Mond aufzuklären. Dort finden sie eine Mini Disc, von Sternenstaub umhüllt. Wurde Jan Jupiter bei einer Fahrt im Mondauto durch Meteoriteneinschlag getötet? Waren die Bilder von Videoclips schuld, die über den Bordcomputer des Raumschiffs flimmern? Oder hat er sich selbst das Leben genommen? Zusammen mit drei Astronautinnen der feministischen Raumfahrt begeben sich die Freunde von Jan Jupiter in seine und ihre Vergangenheit, auf der Erde und im All. Auch Sandmännchen International schaut zwischendurch im Raumanzug vorbei. Was aber ist, wenn die Sterne auf einmal anders aussehen? Was ist echt, was gefälscht, in der eigenen Geschichte, der Geschichte des Musikfernsehens und der Raumfahrt? Entlang der Weltraummythen des Pop, von David Bowie bis zu den Klaxons, erzählt Moon Tele Vision von einer Jugend im Outer Space der Musik, im zu Ende gehenden Zeitalter des Videoclips.

Mit Jörg Albrecht, Anna Graenzer, Patrick Güldenberg, Janna Horstmann, Steffen Klewar, Ulf Schmitt, Maryam Zaree

Jörg Albrecht, geb. 1981 in Bonn, Autor. Prosa, Theatertexte, Hörspiele, Essays, Romane. Weitere BR-Hörspiele Du kannst nicht immer schimmern, mein Spatz (2009), Hell of Fame (2013).

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Christine Grän: Anna Marx und die Mörderin Mittwoch, 09.09.2015, 20.03 Uhr

Regie: Walter Adler SWR 1999, Länge: 53’55

Ein Ex-Minister ist ermordet worden. Seine Frau hat ein Geständnis abgelegt, sitzt in U- Haft und – schweigt. Anna Marx, die als Klatschkolumnistin in Bonn wegen des anstehenden Umzugs der Regierung um ihre Existenz bangen muss, ist auf die Geschichte angesetzt und fördert bald einige Merkwürdigkeiten zutage, gegen den Willen von Hauptkommissar Hermes. Im Gegensatz zu ihm glaubt Anna nicht, dass Sophie Witten ihren Mann umgebracht hat, denn peu à peu stellt sich heraus, welch ein Despot Herbert Witten war und wie er seine ganze Familie tyrannisiert hat. Die bürgerliche Fassade bröckelt, und nach und nach zählen für Anna immer mehr Personen zum Kreis der Verdächtigen, denn sie alle hätten handfeste Motive gehabt, den Ex-Minister umzubringen.

Mit Hansi Jochmann, Hermann Lause, Hüseyin Cirpici, Margit Carstensen, Susana Fernandes-Genebra, Samuel Weiss, Daniel Berger, Rosemarie Gerstenberg, Leslie Malton, Heinrich Giskes, Joachim Jung, Klaus Weiss

Christine Grän, geb. 1952 in Graz, Autorin. Romane, Sachbücher, Hörspiele. Werke u.a. Die kleine Schwester der Wahrheit (1992), Villa Freud (2004), Heldenleben (2008). Hörspiele u.a. Die Hochstaplerin (WDR 2001), Bogotá Blues (WDR 2011), Quitos Töchter (WDR 2013).

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Elfriede Jelinek: Das schweigende Mädchen (1/4) Freitag, 11.09.2015, 21.05 Uhr hör!spiel!art.mix

Komposition: zeitblom Regie: Leonhard Koppelmann BR 2015, Länge: ca. 85ʼ, Ursendung, Podcast Hörspiel Pool

Im Anfang war das Wort. Zumindest im Anfang der christlichen Heilsgeschichte wie sie vom Evangelisten Johannes überliefert ist. Das Gegenteil davon, nämlich das Schweigen, steht bei Elfriede Jelinek im Anfang einer pervertierten Heilsgeschichte. Was nicht heißt, dass die Autorin nicht doch beim Wort, bei der Sprache und vielfach Geschriebenem ankommen würde. Seit dem 6. Mai 2013 läuft in München der sogenannte NSU-Prozess, einer der wichtigsten Gerichtsprozesse der deutschen Nachkriegsgeschichte. Dabei geht es um zehn überwiegend rassistisch motivierte Morde und zwei Sprengstoffanschläge, die der rechtsextremen Terrorgruppe „Nationalsozialistischer Untergrund“ zugeschrieben werden. Mehr als zwölf Jahre konnte die Gruppe demnach diese Verbrechen relativ unbehelligt von zuständigen Ermittlern und Behörden ausführen. Vor dem Oberlandesgericht in München steht die mutmaßlich letzte Überlebende dieser Gruppe, Beate Zschäpe, und schweigt. Diejenige, die demzufolge detailliert über die Verbrechen der Gruppe sprechen könnte, verweigert sich, bleibt stumm. Gegen dieses Schweigen setzt Jelinek das Sprechen. Stimmen der Anklage, der Befragung und Abwägung genauso wie Stimmen der Verdrängung, der Beschönigung und Überhöhung. Auf der Grundlage von Prozessprotokollen, Ermittlungsakten, Medienberichten, mythologischen und religiösen Motiven entfaltet Jelinek ein Jüngstes Gericht, in dem sich Perspektiven überlagern, die Geschichte der Zwickauer Zelle zur Erzählung über zwei tote Erlöser und die sie gebärende schweigende Jungfrau und zur Antithese der biblischen Heilsgeschichte wird. Ein Tribunal gegen das Schweigen, das Nicht-Wissen, das Wegschauen, das sich zugleich selbst entlarvt als verstrickt in dieses Nicht-Wissen und Wegschauen. Zu Wort kommen ein vielstimmiges Volk, verkündende Engel, unwissende Propheten, ein fragender Richter, der Menschensohn, die Jungfrau Maria und Gott höchst selbst. Dazwischen auch die Stimme der Autorin, die anklagt, spricht und schreibt, aber „die Wahrheit schon gar nicht“. Allesamt treten sie vor, um eine Geschichte zu befragen, in der sich Nicht-Wissen und Wissen-Wollen unheilvoll verschränken und deren Wurzeln weit ins Unbewusste der deutschen Seele hineinreichen. 45

„Wenn ihr dran bleibt an meinem Wort, dann müsst ihr womöglich noch meine Jünger werden, nein, das seid ihr noch nie, diese Gefahr besteht nicht, eine andre Gefahr besteht, dass ihr nämlich die Wahrheit erkennen werdet und die Wahrheit euch freimachen wird, wie die Jungfrau die Briefe mit Marken freigemacht hat. So frei! Freier geht’s nicht. Aber von mir könnt ihr sowas nicht erwarten. Ich schreibe keine Briefe mehr und die Wahrheit schon gar nicht.“ (Elfriede Jelinek)

Im Anschluss: Zur Regie der Produktion Das schweigende Mädchen von Elfriede Jelinek. Leonhard Koppelmann im Gespräch mit Stephanie Metzger, Podcast artmix.galerie

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Gerhard Meier: Ob die Granatbäume blühen Samstag, 12.09.2015, 15.05 Uhr

Komposition: Merzouga Regie: Janko Hanushevsky DLF 2015, Länge: 68ʼ06

„Die du wohnest in den Gärten, lass’ mich deine Stimme hören.“ Mit diesen Worten aus dem Hohelied beginnt der letzte Prosatext des Schweizer Schriftstellers Gerhard Meier (1917–2008). Sechs Jahrzehnte lebte der preisgekrönte Schriftsteller zusammen mit seiner Frau Dorli zurückgezogen im Haus seiner Kindheit in Niederbipp, dem Dorf am Südfuß des Jura, das zum poetischen Bezirk Amrain seiner Romane wurde. Dorli war sein Lebensmensch, gemeinsam unternahmen sie Reisen nach Russland und nach Paris, teilten ihre Liebe für die Blumen, die Schmetterlinge und für die Literatur. Nach ihrem Tod blieb der 80-jährige Meier alleine zurück in dem Haus mit Blick über Dorlis Garten zum Jura hin. In seinem innigen Monolog setzt er das Gespräch mit Dorli über ihren Tod hinaus fort. „Und ich fragte mich, ob man am Ende lebe, um sich erinnern zu können.“ „Das Hörspiel Ob die Granatbäume blühen steht in seiner radikalen Einfachheit wie ein einsamer Solitär in der aktuellen Hörspiellandschaft.“ (Jurybegründung zum Hörspiel des Monats Februar 2015)

Mit Ueli Jäggi

Gerhard Meier (1917–2008), Schriftsteller. Werke u.a. Der schnurgerade Kanal (1977), Baur und Bindschädler (1979–90). Auszeichnungen u.a. Petrarca-Preis 1983, Hermann- Hesse-Preis 1991, Heinrich-Böll-Preis 1999.

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Hermann Bohlen: Lebensabend in Übersee. Sha Ji Jing Hou (Ein Huhn schlachten um die Affen einzuschüchtern) Sonntag, 13.09.2015, 15.00 Uhr Montag, 14.09.2015, 20.03 Uhr

Regie: Hermann Bohlen/Judith Lorentz WDR 2014, Länge: 52ʼ59

Das Bild des einsamen Rentners, der Pfandflaschen suchend durch unsere Städte geistert, gehört der Vergangenheit an: Altern und Sterben werden aus Deutschland ausgelagert. Denn immer weniger alte Menschen können sich ihren Lebensabend in Mitteleuropa leisten. Poldi und Gretchen haben das Rentenalter erreicht. Zeit für den Kassensturz: Kommen sie – jeder für sich – auf die 487.800 Euro Sicherheit, wie in der jüngsten Gesetzesnovelle zur Vermeidung von Altersarmut festgelegt? Nur wer dieses Vermögen angespart hat oder eine satte monatliche Rente nachweisen kann, darf seinen Lebensabend in Deutschland verbringen. Für alle anderen heißt es Koffer packen und Abschied nehmen von der Heimat – für den gesicherten Lebensabend in Übersee. Leopold hat für sich und seine Bienen einen Platz auf restliche Lebenszeit in einer zertifizierten Altersheim-Anlage in Polen gebucht. Annegret hat sich für deutlich weniger Einsatz in einer Seniorenresidenz im Südwesten der Volksrepublik China eingekauft.

Mit Ulrich Pleitgen, Christine Schorn, Harald Halgardt, Malina Ebert u.a.

Hermann Bohlen, geb. 1963 in Celle, Autor und Hörspielmacher. Hörspiele u.a. Onager (RB 2004), Gräser fliegen nur noch selten (SWR 2005), Angriff ist die beste Verteidigung (SWR 2009), Alfred C. Aus dem Leben eines Getreidehändlers (DKultur/hr 2012, Deutscher Hörspielpreis der ARD).

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ARD Radio Tatort: Robert Hültner: Menetekel Mittwoch, 16.09.2015, 20.03 Uhr

Komposition: zeitblom Regie: Ulrich Lampen BR 2015, Länge: ca. 53’, Ursendung, Podcast Hörspiel Pool

Es scheint nicht gerade das Verbrechen des Jahrhunderts zu sein, mit dessen Aufklärung sich die Beamten der Polizeiinspektion von Bruck am Inn befassen müssen: Die Gartenmauer von Fleischfabrikant Vogt wurde wiederholt mit wüsten Beleidigungen beschmiert, der Geschädigte besteht energisch darauf, dass der oder die Täter zur Rechenschaft gezogen werden. Senta und Rudi tappen zunächst im Dunkeln. Sie werden jedoch hellhörig, als sie zufällig Zeugen davon werden, dass einer jungen Asiatin die Zwangsabschiebung droht, die mit ihrem Sohn in Bruck am Inn lebt und als gut integriert gilt. Denn bei der um ihre Aufenthaltserlaubnis kämpfenden Kadija handelt es sich um die Ex-Gattin des Fabrikanten. Liegt hier das Motiv für die nächtlichen Schmier-Attacken? Während Senta und Rudi nach Zusammenhängen suchen, spitzt sich in Bruck der Konflikt zwischen einem Beamten der Ausländerbehörde und der zunehmend verzweifelten Kadija zu. Als die Zwangsausweisung durchgeführt werden soll, kommt es zum Eklat: Kadija und ihr Sohn haben sich in ihrer Wohnung verschanzt, eine Verzweiflungstat Kadijas kann nicht ausgeschlossen werden. Vor ihrem Haus demonstriert eine Gruppe empörter Bürger für ihr Bleiberecht. Senta und Rudi werden zur Verstärkung gerufen, da schlägt der übereifrige Beamte des Ausländeramts Alarm und behauptet, man habe einen Mordanschlag auf ihn verübt. Ein schwer bewaffnetes Sonderkommando rückt an und beginnt mit den Vorbereitungen zur Stürmung der Wohnung.

Mit Brigitte Hobmeier, Florian Karlheim u.a.

Robert Hültner, geb. 1950, Autor, Regisseur, Filmrestaurator. Kriminalromane u.a. Walching (1993), Ende der Ermittlungen (2007). Autor der ARD Radio Tatorte des BR, u.a. Der Stalker (2012), Wasser bis zum Hals (2013), Wallfahrt (2014), Winterliebe (2014), Schenja (2015).

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Elfriede Jelinek: Das schweigende Mädchen (2/4) Freitag, 18.09.2015, 21.05 Uhr hör!spiel!art.mix

Komposition: zeitblom Regie: Leonhard Koppelmann BR 2015, Länge: ca. 85ʼ, Ursendung, Podcast Hörspiel Pool

Text zur Ursendung siehe S. 45

„Beredtes Schweigen: Beate Zschäpe schweigt jetzt seit über 200 Verhandlungstagen. Wie aber erzählt man eine Geschichte, deren Zentrum sich beharrlich der Aussage verweigert? Jelinek tut es und ruft Engel und Propheten (und am Ende sogar Gott) als Zeugen auf, um hier Licht ins Dunkel zu bringen. So wird der Prozess jenseits der auftragsgemäßen Wahrheitsfindung zum Jüngsten Gericht. Jelinek öffnet den Fokus über die konkreten Taten der Terrorzelle hinaus, um eine Geschichte zu befragen, die nicht erst begann, als die drei Neonazis in den Untergrund abtauchten. Die Wurzeln dieser Geschichte reichen viel tiefer in unsere deutsche Vergangenheit zurück und wuchern durch eben das ‚beredte Schweigen‘ der Verhandlung munter in die Zukunft weiter. ‚Beredtes‘ Schweigen stellt für den juristischen Laien zunächst einen Widerspruch dar. In der juristischen Fachsprache hingegen liegt ‚beredtes Schweigen‘ vor, wenn dem Schweigen durch ausdrückliche vertragliche Vereinbarung ein Erklärungswert zukommen soll. Und wie anders sollte man das ‚Schweigen‘ der an vielfacher Stelle mit der Geschichte der Terrorzelle verflochtenen Staatsschützer und ihrer Verbindungsmänner (V- Mann) verstehen, denn als stillschweigende Verabredung zum Schutz seiner selbst und der vor Gericht kompromittierten staatlichen Institutionen.“ (Leonhard Koppelmann)

Im Anschluss: Varia Vision rekonstruiert. Edgar Reitz (Filmemacher) im Gespräch mit Julian Doepp (BR 2008), Podcast artmix.galerie

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Nikolai Gogol: Tagebuch eines Wahnsinnigen Samstag, 19.09.2015, 15.05 Uhr

Aus dem Russischen von H. Rienau Bearbeitung: Ingold Wildenauer Komposition: Jonas C. Haefeli Regie: Mathias von Spallart DRS 1978, Länge: 70ʼ55

Poprischtschin, ein unbedeutender Büroschreiber in Sankt Petersburg im Vorzimmer des Direktors, ist eigentlich nur zum Federschneiden zu gebrauchen. Aber er hat auch höhere Interessen und Bedürfnisse, die er seinem Tagebuch anvertraut. So geht er gerne ins Theater, ist ein eifriger Zeitungsleser und schreibt sich Gedichte ab, wobei es durchaus vorkommen kann, dass er ein harmloses Couplet für Verse Puschkins hält. Als er sich in die Tochter seines Chefs verliebt, wird er nachdrücklich mit seiner sozialen Minderwertigkeit konfrontiert. Er flüchtet sich in eine Traumwelt, die für ihn zusehends zur eigentlichen Wirklichkeit wird und eine groteske Vermischung der Realitätsebenen nach sich zieht: Er hört Hunde sprechen, liest ihre Korrespondenz und imaginiert sich als „König von Spanien“, dem die Frauen zu Füßen liegen, den aber auch der Großinquisitor bedroht. Tatsächlich jedoch befindet er sich im Irrenhaus, wo man den „König von Spanien“ mit allen „humanen“ Mitteln der Psychiatrie behandelt. Gogol zeichnet hier eindringlich und zugleich komisch das Scheitern eines subalternen Idealisten, der in Wahrheit über den „toten Seelen“ seiner Kollegen und Vorgesetzten steht.

Mit Ingold Wildenauer

Nikolaj Wassiljewitsch Gogol (1809–52), russischer Schriftsteller ukrainischer Herkunft. Werke u.a. Abende auf dem Weiler bei Dikanka (1831/1832) Die toten Seelen (1842). Hörspieladaptionen u.a. Der Revisor (BR 1952), Die Nase (SDR 1967), Die Nacht vor Weihnachten (BR 1971).

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Michaela Melián: Speicher Sonntag, 20.09.2015, 15.00 Uhr Montag, 21.09.2015, 20.03 Uhr

Komposition: Michaela Melián/Carl Oesterhelt Realisation: Michaela Melián BR 2008, Länge: 53’01, Podcast Hörspiel Pool

Ausgangspunkt für Speicher ist VariaVision – Unendliche Fahrt, die 1965 realisierte, heute verschollene intermediale Arbeit von Alexander Kluge (Texte), Edgar Reitz (Filme) und Josef Anton Riedl (Musik) zum Thema des Reisens. VariaVision versuchte als Rauminstallation durch die gleichzeitige Vorführung und Wiedergabe von Filmen, mehrkanaliger Musik und Sprache eine neue und andere Wahrnehmung von Musik, Film und Text zu verwirklichen. Reitz und Kluge unterrichteten damals an der internationalen Hochschule für Gestaltung (HfG) Ulm, wo sich ab 1963 eines der ersten elektronischen Studios in Westdeutschland befand, das 1959 in München gegründete Siemens-Studio für elektronische Musik. Das Studio ist heute im Deutschen Museum München ausgestellt. Riedl realisierte in diesem Studio die Musik für VariaVision. Für Speicher hat Michaela Melián das Studio im Deutschen Museum München noch einmal zum Klingen gebracht. Diese Klänge, Töne, Geräusche wurden aufgezeichnet und bilden die klanglichen Basisbausteine für eine neue Komposition. „Wie thematische Aspekte, europäische Orte und Wanderbewegungen von den Romantikern bis hin zu Wirtschaftsflüchtlingen, Grenzgängern und Schleppern sowie den Flüchtenden aus dem Iran im späten 20. Jahrhundert verbunden werden, nämlich in Schleifen, Kreisen, Wiederholungen und Spiralen, macht das Hörspiel zu einem sanft dynamischen Raum, der von Zitaten durchweht ist.“ (Jurybegründung zum Hörspiel des Monats Januar 2008).

Mit Stefan Merki, Hans Kremer, Peter Brombacher, Laura Maire u.a.

Michaela Melián, geb. 1956, lebt in München und Hamburg. Künstlerin, Musikerin, Dozentin. Weitere BR-Hörspiele Föhrenwald (2005, Hörspielpreis der Kriegsblinden, Deutscher Hörspielpreis der ARD), Memory Loops (2010, Hörspiel des Jahres, Grimme Online Award 2012), IN A MIST (2014).

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Sara Paretsky: Tödliche Therapie Mittwoch, 23.09.2015, 20.03 Uhr

Aus dem Amerikanischen von Anette Grube Bearbeitung: Hilke Veth Regie: Ferdinand Ludwig NDR 1992, Länge: 51’55

In der Notaufnahme eines Chicagoer Krankenhauses stirbt eine nahe Freundin der Privatdetektivin Vic Warshawski bei einer Frühgeburt. Die Detektivin hat den Verdacht, dass ärztliches Versagen die Ursache sein könnte. Als dann noch ein Arzt ermordet wird, weiß sie, dass hier einer der Fälle vorliegt, die sie mit gewohnter Hartnäckigkeit zu Ende bringen muss. „Vics Vorgehensweise ist eher eine brutale – dem Angreifer feste eins draufgeben, nur damit er weiß, dass er die Aus-Linie überschritten hat, – und dann abwarten, wer übrigbleibt. Wenn Sie den eher intellektuellen Ansatz eines Sherlock Holmes oder Nero Wolfe erwartet haben, werden Sie enttäuscht sein.“ So Sara Paretsky über die hartgesottene Hauptfigur ihrer Kriminalromane.

Mit Donata Höffer, Marlen Diekhoff, Matthias Fuchs, Ulrike Grote, Jörg Ratjen, Monica Bleibtreu, Wolf-Dietrich Sprenger, Christian Redl, Peter Gross, Horst Mendroch, Gerhard Garbers, Hermann Lause u.a.

Sara Paretsky, geb. 1947 in Ames, Iowa, Autorin. Kriminalromane mit der Privatdetektivin Vic Warshawski u.a. Schadenersatz (1982), Fromme Wünsche (1985), Tödliche Therapie (1987), Eine für alle (1992), Ihr wahrer Name (2001), Breakdown (2012). Weitere Hörspieladaptionen Gift im Blut (SDR 1992), Tod an Pier 7 (SDR 1994), Brandstifter (SWF 1995).

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Elfriede Jelinek: Das schweigende Mädchen (3/4) Freitag, 25.09.2015, 21.05 Uhr hör!spiel!art.mix

Komposition: zeitblom Regie: Leonhard Koppelmann BR 2015, Länge: ca. 85ʼ, Ursendung, Podcast Hörspiel Pool

Text zur Ursendung siehe S. 45

Im Anschluss: Radio als Medium der Täuschung. Katja Rothe (Kulturwissenschaftlerin) im Gespräch mit Norbert Lang (BR 2014). Podcast artmix.galerie

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Robert Musil: Die Schwärmer Samstag, 26.09.2015, 15.05 Uhr

Bearbeitung: Ingeborg Bachmann Regie: Gert Westphal BR 1956, Länge: 88ʼ04

Eine Dreiecksgeschichte um falsche Gefühle erzählt Musil, in der jeder überzeugend sich selbst zu analysieren weiß, nur sind alle diese Einschätzungen falsch. Ort der Handlung ist ein Landhaus, in dem Thomas, ein erfolgreicher Wissenschaftler, mit seiner Frau Maria lebt. Bei ihnen zu Besuch sind Regine, Marias Schwester, und ihr Liebhaber Anselm, ein Jugendfreund von Thomas. Regines erster Mann hatte hier im Landhaus Selbstmord begangen. Dennoch hat Anselm sie überreden können, ihren jetzigen Mann zu verlassen und hierher zu fliehen. Kaum angekommen, verliert Anselm sein Interesse an Regine und widmet sich ganz der Schwester. Doch dann kommt heraus, dass Anselm schon des Öfteren Frauen verführt hat, ihre Ehemänner zu verlassen, wobei er seine eigene Ehe allerdings verschwiegen hat. Das Stück galt nach einer missglückten Uraufführung lange als unspielbar. In einem Brief an Franz Blei kommentierte Musil die Aufnahme lakonisch: „Merkwürdig, ich höre von vielen Seiten Wirkung der Schwärmer, aber es erscheinen keine Rezensionen. Das ist schon so gespenstisch, als sollte ich an meinem eigenen Monument aufgehängt werden.“ Über Jahrzehnte hinweg gab es nur einen brieflichen Hinweis auf die Existenz dieses Hörspiels. Erst 1999 wurde es – im Zuge der Recherche zur Geschichte des Hörspiels im BR – wiederentdeckt.

Mit Erik Schumann, Margot Trooger, Marianne Kehlau, Friedrich Domin, Horst Frank, Hans Herrmann Schaufuß, Gisela Zoch

Robert Musil (1880–1942), Romancier, Dramatiker, Essayist. Werke u. a. Die Verwirrungen des Zöglings Törleß (1906), Die Schwärmer. Schauspiel in drei Aufzügen (1921). BR-Hörspieladaption Der Mann ohne Eigenschaften. Remix (2004).

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Felicia Zeller: Die Welt von hinten wie von vorne Sonntag, 27.09.2015, 15.00 Uhr Montag, 28.09.2015, 20.03 Uhr

Komposition: Peter Harsch Regie: Leonhard Koppelmann BR 2014, Länge: 53’13, Podcast Hörspiel Pool

Sie machen Kampagnen, die Zukunft gestalten. Kampagnen für Produkte, Parteien und Initiativen. Sie sind Deutschlands größte PR-Agentur, die kreativsten Köpfe des Landes, ein Power-Team mit dem Mut zum Wahnsinn. Jetzt planen sie eine Kampagne, die alles Vor- und Herstellbare übersteigt. Eine Gänsehaut-Kampagne. Eine Graswurzel- Kampagne, die jeden angeht. Das funktioniert am besten in einer Kreativatmosphäre mit innovativer Farbzonenaufteilung im Büro: Meetings- und Entscheidungsbereich lila, Chill- Zone orange, Kuschelecken grün. Eine inspirierende Arbeitsatmosphäre, in der nicht gearbeitet, sondern Zukunft gestaltet wird. Ohnehin kommen die besten Ideen in informellen Gesprächen zustande, die alle laufend von sogenannten memory-boxen mitgeschnitten werden. Nur einmal, als die Direktorin für Kreation und Strategie Sandra ein Gespräch mit ihrem Mitarbeiter Dirk führt, wird die memory-box ausgeschaltet. Dirk hatte selbst gesagt, es grenzt an ein Verbrechen, „Nein“ zur Arbeit an der Kampagne zu sagen, und Sandra findet, man sollte nicht zögern, verkrustete Strukturen aufzubrechen. Sich von verkrusteten Mitarbeitern zu trennen. Dirk kann ja auch einfach die Seiten wechseln und auch Klaus, der Geschäftsführer, betont: Man muss Widersprüche aushalten können.

Mit Andreas Grothgar, Tanja Schleiff, Ekkehard Freye, Sascha Nathan, Merle Wasmuth

Felicia Zeller, geb. 1970 in Stuttgart, Dramatikerin, Regisseurin, lebt in Berlin. Theatertexte, Prosa, Filme, Hörspiele u.a. Bier für Frauen (WDR 2002), Kaspar Häuser Meer (NDR 2009/Autorenproduktion 2009), Gespräche mit Astronauten (NDR 2010).

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Martin Gülich: Die Umarmung Mittwoch, 30.09.2015, 20.03 Uhr

Bearbeitung: Martin Gülich Regie: Felicitas Ott SWR 2014, Länge: 53’51

„Ich habe mich ausgezogen und neben Natalie auf den Tisch gelegt. Wie Mann und Frau liegen wir. Wir haben die Nacht miteinander verbracht, und jetzt warten wir auf den Morgen. Ich fasse sie bei der Hand. Wir liegen auf dem Rücken und schauen gemeinsam in den Himmel. Ein paar Sterne hat die Dämmerung übriggelassen. Nicht viele, nur die ganz hellen leuchten noch. Minuten, dann ist es auch damit vorbei.“ Dolf ist kein Idiot – auch wenn ihn manche dafür halten. Er arbeitet in der Gerichtsmedizin als Gehilfe von Doktor Sander, wohnt bei der Mitsch zur Untermiete und ist mit dem Gleisarbeiter Walter befreundet. Glück bei den Frauen hat er nicht, dafür aber eine große Passion: Dolf jagt und sammelt Schmetterlinge. Zart und behutsam richtet er die zerbrechlichen Flügel und spannt die Falter mit einer Nadel auf. Nur das Töten ist ihm zuwider. Dolf weiß: Mit den Toten muss man noch vorsichtiger umgehen als mit den Lebenden. Bis ihm eines Tages Natalie begegnet: „eine Frau, so schön, dass es sie gar nicht gibt“. Besessen von der Vorstellung, Natalie zu lieben, begibt sich Dolf auf eine Jagd, die in der Katastrophe endet.

Mit Boris Koneczny, Wilhelm Eilers, Robert Gallinowski, Charlotte Schwab

Martin Gülich, geb. 1963 in Karlsruhe, Studium des Wirtschaftsingenieurwesens, Arbeit als Software- und Planungsingenieur. Seit 1997 hauptberuflich Schriftsteller. Romane u.a. Die Umarmung (2005), Später Schnee (2006), Septemberleuchten (2009), Was uns nicht gehört (2012). Weitere Hörspieladaption Septemberleuchten (SWR 2013).

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Oktober Elfriede Jelinek: Das schweigende Mädchen (4/4) Freitag, 02.10.2015, 21.05 Uhr hör!spiel!art.mix

Komposition: zeitblom Regie: Leonhard Koppelmann BR 2015, Länge: ca. 85ʼ, Ursendung, Podcast Hörspiel Pool

Text zur Ursendung siehe S. 45

Elfriede Jelinek, geb. 1946 in Mürzzuschlag/Steiermark. Lyrik, Prosa, Theatertexte, Libretti, Drehbücher, Hörspiele u.a. Wien West (NDR/WDR 1972), Die Bienenkönige. ein science- fiction hörspiel (SDR/RIAS 1976), Porträt einer verfilmten Landschaft (SDR 1977), Jelka. Eine Familienserie (Folge 9-16) (SWF 1977); Die Jubilarin (BR 1977), Die Ausgesperrten (SDR/BR/RB 1978, SDR 1990), Was geschah, nachdem Nora ihren Mann verlassen hatte oder Stützen der Gesellschaft (SDR 1979), Frauenliebe – Männerleben (SWF/hr 1982), Die Klavierspielerin (SWF 1988); Burgteatta (BR/ORF 1991), Präsident Abendwind (BR 1992); Wolken.Heim (hr/RB/SFB 1992), Stecken! Stab! und Stangl! – Eine Leichenrede (ORF/BR/NDR 1996), Todesraten. Hörstück nach zwei Monologen von Elfriede Jelinek (BR 1997, Hörspiel des Monats Juni 1997), er nicht als er (BR 1998); Der Tod und das Mädchen II (SBST/ZKM 2000), Das Schweigen – Vox Feminarum (ORF 2003), Jackie (BR 2003, Hörspielpreis der Kriegsblinden 2004), Moosbrugger will nichts von sich wissen (BR 2004), Bambiland (BR 2005), Erlkönigin (WDR 2005), Sportchor (BR 2006), Ulrike Maria Stuart (BR 2007), Bukolit (BR 2009), Über Tiere (Burgtheater Wien/ORF 2009), Rechnitz (BR 2011), Neid (BR 2011), Kein Licht. (BR 2012), Die Straße. Die Stadt. Der Überfall (BR 2013), Die Schutzbefohlenen (BR 2014), Wirtschaftskomödie (BR/DKultur 2015).

Im Anschluss: Zur Regie der Produktion Leben und Ansichten von Tristram Shandy, Gentleman von Laurence Sterne. Karl Bruckmaier im Gespräch mit Marie Schoeß. Podcast artmix.galerie

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Tom Peuckert: Öl Samstag, 03.10.2015, 21.00 Uhr hör!spiel!art.mix

Regie: Leonhard Koppelmann WDR 2014, Länge: 53ʼ16

Ein fiktiver Radiotag in Deutschland am 9.11.2014: Es gibt sie noch, die DDR. Es gibt noch den SFB und RIAS Berlin – und einen multikulturellen Sender in Ostberlin, der die sozialistische Revolution auf allen Kontinenten propagiert. Wie konnte es so weit kommen? Die Antwort lautet – Petro-Dollar. Ostdeutsche Petro-Dollar. Denn vor 25 Jahren sprudelte überall in Mecklenburg plötzlich Öl aus dem roten Boden. Die DDR konnte sich politisch konservieren im Reichtum des Energiespenders. Wen juckt es da, dass der restliche Warschauer Pakt längst kapitalistisch versumpft und im Elend versunken ist? Westdeutschland ist, stranguliert von seinem Proletariat, kaum noch überlebensfähig ohne die Devisenspritzen des ostdeutschen Nachbarn. Über Gedeih und Verderb der Systeme entscheidet am Ende nur – das Geld. Die Systeme spiegeln sich in voller Pracht in ihren Radioprogrammen, die in diesem Hörspiel belauscht werden. Der Rest ist Rauschen.

Mit Elmar Brandt, Cathlen Gawlich, Sylvester Groth, Annika Meier u.a.

Tom Peuckert, geb. 1962 in Leipzig, Autor. Theaterstücke, Hörspiele u.a. Artaud erinnert sich an Hitler und das Romanische Café (SFB 1997), Reich in Amerika (SFB/ORF 1998), Luhmann (WDR 2006), 2009 (WDR 2007). ARD Radio Tatorte für den rbb Abriss (2008), Casa Solar (2010), Touristen (2012), Autsystem (2014).

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Mira Alexandra Schnoor: Empfindsame Reise zu Tristram Shandy und seinem Schöpfer Laurence Sterne. Eine Annäherung in fünfzehn Kapiteln Sonntag, 04.10.2015, 15.00 Uhr Montag, 05.10.2015, 20.03 Uhr

Realisation: Mira Alexandra Schnoor BR 2015, Längen: ca. 53’, Podcast Hörspiel Pool

Seinen ersten Roman schrieb er in einem Alter, in dem, so Virginia Woolf, andere bereits ihren zwanzigsten verfasst hatten. Als 1759 die ersten Bände von Leben und Ansichten von Tristram Shandy, Gentleman erschienen, war der Autor Laurence Sterne in der literarischen Welt völlig unbekannt. Der 1713 in Clonmel in Irland geborene Sterne hatte seit 1738 eine Pfarrstelle in Yorkshire inne. Er war verheiratet, Vater einer Tochter und führte ein überschaubares Leben in der englischen Provinz. Und dann, mit 46 Jahren, veröffentlichte der Landpfarrer die ersten Bände eines Romans, der nichts Geringeres war als eine literarische Sensation, nicht nur in England, auch auf dem Kontinent, vor allem in Deutschland. Viele der wichtigsten Schriftsteller seiner Zeit gehörten zu seinen Bewunderern: Lessing und Wieland, Diderot und Goethe, später Jean Paul, James Joyce, Virginia Woolf, Arno Schmidt und viele mehr. Sterne hatte einen Bestseller geschrieben, was aus vielerlei Hinsicht bemerkenswert ist: Er hatte als Schriftsteller noch keine Erfahrung und machte sich gleich mit seinem Erstling an ein neun Bände und nahezu 800 Seiten umfassendes Werk. Ein „work in progress“, an dem er über acht Jahre hinweg weiterschrieb. Der Philosoph Friedrich Nietzsche, auch er ein großer Verehrer, nannte Sterne den „freiesten Schriftsteller aller Zeiten“. Frei war er, weil er sich an keine Regel, keine Konvention der Romanliteratur hielt. Sei es die Chronologie einer Geschichte, die Linearität einer Handlung, die graphische Gestaltung des gedruckten Buches, die Verwendung von Satzzeichen, die Ökonomie des Aufbaus, egal welchen Aspekt der Romanschriftstellerei man herausgreift, Sterne brach die Regeln und schuf sich sein ganz eigenes System. Das war eine recht große Herausforderung an sein Publikum. Viele folgten ihm bereitwillig und mit großem Genuss, andere verweigerten sich. Weshalb Sterne in einem Brief ironisch-verzweifelt ausrief: „Es ist eine schwere Aufgabe, Bücher zu schreiben und (dann) Köpfe zu finden, die sie verstehen.“ Sein zweites bekanntes Werk war die Empfindsame Reise durch Frankreich und Italien. Auch hier schrieb er sich die Regeln für einen Reisebericht selbst. Die Empfindsamkeit im Titel gab einer literarischen Epoche den Namen. Sternes Leben war an äußeren Ereignissen nicht gerade reich, es 60 fand mehr in seinem Inneren, seiner Phantasie statt. Geschuldet war das auch der Tuberkulose, unter der er viele Jahre litt und an der er 1768 in London starb.

Mira Alexandra Schnoor, geb. 1962 in Manchester. BR-Sendungen u.a. Porträts von Herman Melville, Gertrude Stein, Virginia Woolf. Essays zu Döblins Berlin Alexanderplatz, Thomas Manns Doktor Faustus, Kafkas Der Process, James Joyce' Dubliner, Michail Bulgakows Meister und Margarita.

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Andreas Renoldner: Spuren im Schnee Mittwoch, 07.10.2015, 20.03 Uhr

Regie: Nikolaus Scholz ORF 2006, Länge: 51’15

Es liegt ein Toter in der Au im Schnee – das wäre an und für sich nichts Außergewöhnliches. Doch gibt es keine ‚Spuren im Schnee’ und so stellt sich dem Kommissar in Andreas Renoldners Psychokrimi-Hörspiel die Frage, wie der Tote dorthin gekommen ist, ohne Spuren zu hinterlassen, und was mit ihm geschehen ist. Hier kommt nun aber die Frau des Kommissars ins Spiel, die sich in die Ermittlungen bzw. die Lösung des Falls einmischt. Langsam aber sicher beginnen sich, private und berufliche Ebenen zu überlappen, bis schließlich der Kommissar selbst zum Tatverdächtigen wird.

Mit Vera Borek, Michael König, Johannes Terne, Andrea Clausen, Fritz Hammel

Andreas Renoldner, geb. 1957 in Linz, Autor. Romane und Hörspiele. Werke u.a. Karl Ömperdinger (1990), Rabenangst (2000), Endstation Wendeplatz (2011), Müllmänner (2015). Hörspiele u.a. In Schwebe (ORF 1991), Irgendwo (NDR 1997), Das Haus (WDR 2002), Hochstand (WDR 2007), Freie Radikale (ORF 2010), Alles muss anders werden (ORF 2012).

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Ammer/Markus Acher/Micha Acher: The King is Gone. Des Bayernkönigs Revolutionstage Freitag, 09.10.2015, 21.05 Uhr hör!spiel!art.mix

Nach einem zeitgenössischen Text von Josef Benno Sailer Komposition: Markus Acher/Micha Acher Realisation: Andreas Ammer BR 2015, Länge: ca. 60ʼ, Ursendung, Podcast Hörspiel Pool

Tröööt. Die Revolution bricht los, die „Hochzeitskapelle“ spielt Blasmusik, der letzte König ist traurig und packt seine Zigarren. Irgendjemand singt die Internationale. Und Karl Marx bekommt plötzlich doch recht: „Die letzte Phase einer weltgeschichtlichen Phase ist ihre Komödie.“ Die wichtigste Quelle des Hörspiels ist ein obskures braunes Heftchen eines gewissen Josef Benno Sailer, das 1919 – kurz nach der Räterevolution in München – erschien und von Carl-Ludwig Reichert in der Publikation Umsturz in München (1988) in Erinnerung gebracht worden ist. Sailer schildert dem Volk minutiös „Des Bayernkönigs Revolutionstage“. Bei einem Spaziergang im Englischen Garten wird der letzte bayerische König Ludwig III. von einem freundlichen Untertan darauf aufmerksam gemacht, dass Revolution sei: Der König möge sich lieber auf die Flucht vor der Räterepublik begeben. So nimmt die Komödie ihren Lauf: Das königliche Automobil im Marstall ist noch aufgebockt. Die Straßen Münchens sind mit Revolutionären verstopft. Die Reise endet wiederholt im Straßengraben. Die Prinzessinnen auf dem Rücksitz sind hungrig. Nacht und Nebel brechen ein. Nirgends ist ein Hemd mit der richtigen Kragenweite aufzutreiben. Andreas Ammers dokumentarisches Hörspiel The King is Gone verbindet revolutionäre Praxis mit der Perspektive der Klatschpresse. Es schildert Weltgeschichte als Roadmovie. Und es klingt, als hätten die beiden Brüder Acher von , um die Flucht des bayerischen Königs zu vertonen, eine All-Star-Blaskapelle um sich geschart ... was dann – so wie alles in diesem Hörstück – komisch klingen kann, aber in Gestalt der „Hochzeitskapelle“ Tatsache ist. Noch einmal Marx: „Warum dieser Gang der Geschichte? Damit die Menschheit heiter von ihrer Vergangenheit scheide.“

Andreas Ammer, geb. 1960, Journalist, Autor, Hörspielmacher. BR-Hörspiele u.a. Radio Inferno (mit FM Einheit, 1993, Prix Futura), Apocalypse live (mit FM Einheit, 63

BR/Bayerisches Staatsschauspiel Marstall 1995, Hörspielpreis der Kriegsblinden), Loopspool (mit Console,1999), Heimspiel (mit Sebastian Hess, 2004), Sehe Dich Istanbul, meine Augen geschlossen (mit Saam Schlamminger, 2007), Have You ever Heard of Wilhelm Reich (mit Console, 2009), Schliersee (mit Gerhard Polt 2012).

Markus Acher (geb. 1967) und Micha Acher (geb. 1971) sind Mitglieder der 1989 gegründeten Independent Band The Notwist sowie beteiligt an zahlreichen musikalischen Nebenprojekten u.a. Tied&Tickled Trio und Lali Puna. Alben u.a. Notwist (1990), Nook (1992), 12 (1995), Shrink (1998), Neon Golden (2002), (2014), Messier Objects (2015).

Im Anschluss: Sound eines Jahrhunderts. Gerhard Paul (Historiker) im Gespräch mit Norbert Lang. Podcast artmix.galerie

64

Moritz Rinke: Wir lieben und wissen nichts Samstag, 10.10.2015, 15.05 Uhr

Regie: Alice Elstner DKultur 2015 , Länge: 78ʼ11

Zwei Paare haben einen berufsbedingten Wohnungstausch verabredet. Hannah wird in der Schweiz Entspannungskurse für Banker geben. Ihr Partner Sebastian, Kulturhistoriker und Sachbuchautor, würde lieber, trotz geräumter Wohnung und gepackter Koffer, zu Hause bleiben. Doch das Tauschpaar aus Zürich steht einzugsbereit vor der Tür. Roman ist Mitarbeiter an einem Weltraumprojekt und Magdalena Tiertherapeutin. Als Sebastian das notwendige Kennwort der vereinbarten WLAN-Verbindung fehlt, Roman aber via Internet einen Satelliten-Abschuss verfolgen will, nimmt das Desaster seinen Lauf. Während die Männer sich in Hahnenkämpfe verstricken, finden die Frauen Gefallen am Mann der jeweils anderen.

Mit Judith Engel, Mandy Rudski, Patrick Güldenberg, Christian Schmidt

Moritz Rinke, geb. 1967 in Worpswede, Schriftsteller, Dramatiker und Essayist, lebt in Berlin. Theaterstücke u.a. Republik Vineta (2000), Café Umberto (2005), Debütroman Der Mann, der durch das Jahrhundert fiel (2010).

65

Laurence Sterne: Leben und Ansichten von Tristram Shandy, Gentleman (1/9) Sonntag, 11.10.2015, 15.00 Uhr Montag, 12.10.2015, 20.03 Uhr

Aus dem Englischen von Michael Walter Bearbeitung und Regie: Karl Bruckmaier BR 2015, Länge: ca. 53’, Ursendung, Podcast Hörspiel Pool

Laurence Sternes Tristram Shandy ist ein einzigartiges Werk in der Literaturgeschichte: Erschienen zwischen den Jahren 1759 und 1767, experimentiert Sterne in diesem neunbändigen Roman selbstbewusst mit der Form. In einer Zeit, als der Roman selbst noch nicht klar definiert oder gar etabliert ist, lotet Sterne bereits dessen Grenzen aus, spielt mit der Wirkung auf seine Leser und lässt wie nebenbei fragwürdig erscheinen, wie er überhaupt erzählen kann, wovon er vorgibt, erzählen zu wollen: Leben und Ansichten von Tristram Shandy, Gentleman. Verspricht der Titel nämlich eine wohlgeordnete und fein aufbereitete, womöglich auf ein Ziel hin erzählte Lebensgeschichte, so enttäuscht der Erzähler diese Erwartungen sofort. Eine stringente Biografie beinhalten die neun Bände sicherlich nicht. Stattdessen prägt den Roman eine assoziative Struktur: Vor und zurück blickt der Erzähler, der sich nicht an eine Chronologie halten mag; ebenso wechselt sein Gestus – von beißender Satire oder einem spöttischen Ton bis zu pathetischen Beschreibungen. Und auch optisch verrät Sternes Roman, dass er sich nicht an das hält, was seine Gattung bisher auszeichnete. Das Vorwort leitet die Geschichte nicht ein, es wird stattdessen nachgereicht, mitten in der Erzählung. Und die wiederum ist gespickt mit Auffälligkeiten: mit Auslassungen, Reihen von Sternchen-Symbolen, oder mit ganzen Kapiteln, die fehlen. Andere Seiten sind dafür ganz in schwarz gehalten, gefüllt mit Druckerschwärze, nicht mit sinnerfüllten Zeichen. All das sind Hinweise darauf, dass die Ordnung hier bewusst gebrochen wird, dass Autor und Erzähler Freigeister sind, die weniger an einer Biografie interessiert sind als an der bis heute bestehenden Frage, ob sich eine solche erzählen lässt. Vom Leben dieses vermeintlichen Protagonisten und Ich-Erzählers, Tristram Shandy, liest man entsprechend wenig – seiner Zeugung wird ebenso viel Aufmerksamkeit geschenkt wie seiner Geburt, von der erst im dritten Band berichtet wird. Sehr einprägsame und detailreiche Beschreibungen gelten dagegen anderen Figuren: allen voran Tristrams Vater und seinem Onkel Toby – zwei äußerst eigenwillige, bisweilen schrullige Charaktere, die der Erzähler aber nie so sehr dem Lächerlichen preisgibt, dass 66 sie darüber ihre liebenswerte Note verlieren, ganz Karikatur werden. Nietzsche galt Sterne deshalb als „der freieste Schriftsteller aller Zeiten“, gegen ihn, so schreibt er in Menschliches Allzumenschliches II, seien „alle anderen steif, vierschrötig, unduldsam und bäuerisch-geradezu“. Mit dieser Haltung hat Sterne die Geschichte des Romans geprägt und ist zu einer Instanz für folgende Schriftstellergenerationen geworden. Auch in Deutschland blickten Autoren bewundernd auf den schreibenden Pfarrer aus England und seinen Tristram: Goethe und Zelter etwa tauschten im Briefwechsel ihre Lektüreeindrücke aus, und Lessing ließ sich zu der Aussage bewegen, er würde Sterne gerne fünf seiner Lebensjahre abtreten, wenn dieser sie nur schreibend verbringen wolle. Eine erste Übersetzung ins Deutsche folgte entsprechend früh, 1769. Auf der Übertragung von Michael Walter basiert nun die Bearbeitung für das Radio von Karl Bruckmaier. Dessen Ziel es ist, „den Hörgewohnheiten des 21. Jahrhunderts ebenso Rechnung zu tragen wie den zeitlosen, den klassischen Qualitäten dieses Urtexts aller Genreverletzungen.“

Mit Stefan Merki, Peter Fricke, Anna Drexler, Hans Kremer, Helmut Stange, Michele Cuciuffo, Kathrin von Steinburg, Gabriel Raab, Sebastian Weber, Peter Veit, Pascal Fligg, Wolfgang Hinze, Johannes Herrschmann, Katja Bürkle, Helga Fellerer, Dr. Waldemar Hadulla

Laurence Sterne, geb. am 24.11.1713 im irischen Clonmel, Sohn eines Offiziers. 1724 Tod des Vaters, Aufnahme durch seinen Onkel. Studium der Theologie in Cambridge. Ab 1738 Pfarrer in Sutton in der Nähe von York, wo er 20 Jahre als Landgeistlicher arbeitet. 1741 Heirat mit Elisabeth Lumley. 1759 erregt er in York und London mit den ersten beiden Bänden von Tristram Shandy Aufmerksamkeit. 1760 Übersiedlung nach London. Pendeln zwischen London und Coxwold, wo er eine Pfarrei erhält. Zweieinhalbjähriger Aufenthalt in Frankreich, von dem er alleine, ohne seine Frau nach London zurückkehrt. 1765 Reise nach Neapel. Am 18.03.1768 stirbt er in London an Tuberkulose. Werke: The life and opinions of Tristram Shandy (1759–67), Sermons (1760 ff.), Sentimental journey through France and Italy (1768), Letters to his most intimate friends (1775).

67

ARD Radio Tatort: Thilo Reffert: Ein blühendes Land Mittwoch, 14.10.2015, 20.03 Uhr

Regie: Götz Fritsch MDR 2015, Länge: ca. 53’

Am 30. September 2015 wird in der Wohnung von Daniel Fechner und Kalila Mchala- Lahmi im Magdeburger Scharnhorstring die Leiche des Asylbewerbers Yussuf Amazigh entdeckt – er wurde erstochen. Die Spuren deuten auf einen ausländerfeindlichen Hintergrund hin. Sie führen zu Daniels Onkel Lutz Fechner. Die Beweiskette hält, noch am Donnerstag kann er verhaftet werden. Doch bevor der sichtlich erleichterte LKA-Chef der Presse demonstrieren kann, dass die Polizei in Sachsen-Anhalt auf keinem Auge blind ist, stellt sich Daniel Fechner und behauptet, den bei ihnen untergeschlüpften Cousin seiner Liebsten umgebracht zu haben. Eine Falschbezichtigung? Oberkommissarin de Beer ist hin und her gerissen zwischen den Beweisen gegen Lutz Fechner und dem Geständnis Daniels. Während sich der Ministerpräsident beim Empfang am Vorabend des „Tags der Deutschen Einheit“ für die schnelle Aufklärung bedankt, findet sie durch das Eingreifen ihres Ex-Kollegen Jost Fischer den Schlüssel für diesen Fall, tief vergraben in der Familiengeschichte und der deutsch-deutschen Vergangenheit.

Mit Hilmar Eichhorn, Nele Rosetz u.a.

Thilo Reffert, geb. 1970 in Magdeburg, Autor und Hörspielregisseur. Hörspiele u.a. Zett (WDR 2004), Queen Mary III (MDR 2007), Die Sicherheit einer geschlossenen Fahrgastzelle (MDR 2010, Hörspielpreis der Kriegsblinden, Hörspielpreis der ARD). Weitere ARD Radio Tatorte für den MDR Schlusslicht (2009), Fischers Fall (2011), Altes Eisen (2012), Väter und Töchter (2013), Kurschatten (2014).

68

Karel Čapek: Der Krieg mit den Molchen Samstag, 17.10.2015, 15.05 Uhr

Bearbeitung: Helmut Swoboda Regie: Wolf Euba BR 1984, Länge: 81ʼ55

Niemand hatte geahnt, dass es im Verborgenen eine zweite intelligente Spezies auf der Erde gab: eine unbekannte Art von Riesenmolchen in einer ständig von Haien bedrohten geographischen Nische in der Nähe einer abgelegenen Pazifikinsel. Von einem europäischen Kapitän entdeckt, wird schon bald ihr Wert als einfach anzulernende preiswerteste Hilfsarbeiter erkannt und so werden sie über die gesamte westliche Welt verbreitet. Sie vermehren sich explosionsartig und entwickeln eine eigene unterseeische Zivilisation. Und bald kommt es an den Meeresküsten zu den ersten Kriegshandlungen zwischen Menschen und Molchen, die bald unaufhaltsam durch die Flussmündungen in die Kontinente eindringen. Ein Klassiker der phantastischen Literatur.

Mit Jürgen Arndt, Gustl Weishappel, Dieter Brammer, Christian Marschall u.a.

Karel Čapek, geb. 1890 in Klein Schwadowitz, gest. 1938 in Prag, Schriftsteller, Journalist. Weitere Hörspieladaptionen u.a. R.U.R. – Rossums Universal Robots (BR/RIAS 1978), Krakatit (WDR 1989).

69

Laurence Sterne: Leben und Ansichten von Tristram Shandy, Gentleman (2/9) Sonntag, 18.10.2015, 15.00 Uhr Montag, 19.10.2015, 20.03 Uhr

Aus dem Englischen von Michael Walter Bearbeitung und Regie: Karl Bruckmaier BR 2015, Länge: ca. 53’, Ursendung, Podcast Hörspiel Pool

„Samuel Johnson, Englands Kritikerpapst des 18. Jahrhunderts, murrte dereinst, dass nichts Komisches von Dauer sein könne – selbst Tristram Shandy sei bereits vergessen. Das Gelächter, das diese gewagte Äußerung auslöst, mag sich zu dem Lachen gesellen, das seit 250 Jahren die Räumlichkeiten erfüllt, in denen jemand einen der neun Bände von Lawrence Sterne zur Hand hat und in ‚Leben und Ansichten‘ des Gentlemans Tristram Shandy liest, kreuz und quer, am besten laut, gern von hinten nach vorne, ‘s ist einerlei. Seit dreißig Jahren gibt es die Übersetzung von Michael Walter, der noch immer von einem ‚work in progress‘ spricht, welche ihre Modernität daraus zieht, die Sprache vergangener Zeiten mal passgenau ernsthaft, mal kokett und spielerisch sich anzuverwandeln, dabei nie die literarische Freiheiten außer Acht lassend, die in der Zeit seit Lawrence Sternes zu frühem Tod im Jahr 1768 dazugewonnen worden ist: von Joyce bis Wolfe, von Jandl bis Wolf mag der Resonanzraum reichen. Walters Eindeutschung bildet auch die Basis der Bearbeitung für das Radio, deren Ziel es ist, den Tristram Shandy auf eine Art und Weise in den radiophonen Sattel seines Steckenpferds zu hieven, die den Hörgewohnheiten des 21. Jahrhunderts ebenso Rechnung trägt wie den zeitlosen, den klassischen Qualitäten dieses Urtexts aller Genreverletzungen. Den Romantext fest im kanonischen Blick erlauben sich Bearbeitung und Regie trotzdem Abschweifungen zu Monty Python, zu P.G. Wodehouse, ins Internet und in die Sakristei, gar in die Weiten des Landes Pop: Robert Forster, Chris Cutler und Robert Coyne tragen Songs zu diesem Hörspiel bei, so wie Experten aus Religion, Geschichte oder Medizin akustische Fußnoten beisteuern und der Geist der Screwball Comedy über all diesen Untiefen schwebt. Das homerische Gelächter, welches dies alles auszulösen in der Lage sein wird, stammt ganz sicher aus der Kehle Homer Simpsons.“ (Karl Bruckmaier)

70

Alexandra Marinina: Der gestohlene Traum (1/2) Mittwoch, 21.10.2015, 20.03 Uhr

Aus dem Russischen von Natascha Wodin Bearbeitung: Stefan Ripplinger Regie: Thomas Werner WDR 2004, Länge: 54ʼ21

Viktoria Jeremina, eine junge attraktive Frau ist außerhalb von Moskau erwürgt aufgefunden worden. Eine Woche lang war sie weder zur Arbeit erschienen, noch hatte sie ihre Wohnung aufgesucht, doch da man an gelegentliche Eskapaden ihrerseits gewöhnt war, hatten weder ihr Freund noch ihr Chef sie zunächst als vermisst gemeldet. Jetzt ziehen sich die Ermittlungen bereits seit Wochen hin, doch ohne Ergebnis. Viktor Gordejew, der Chef der Mordkommission, beauftragt daher Anastasija Kamenskaja, bekannt für ihre Recherche-Künste, ihre Ausdauer und große Intuition, mit dem Fall. Doch ihre Qualitäten sind nicht der einzige Grund: Gordejew vermutet einen Verräter in den eigenen Reihen und vertraut nur noch ihr. In einem Gestrüpp hierarchischer Strukturen und mafioser Machenschaften nimmt die Kripobeamtin die versandeten Fährten wieder auf und stößt allmählich auf neue mögliche Zeugen. Doch die meisten von ihnen sind tot – und auch ihr eigenes Leben ist bald in Gefahr.

Mit Donata Höffer, Bernd Kuschmann, Thomas Balou Martin, Volker Roos, Rainer Delventhal, Thomas Höhne, Alexander Khuon, Gisela Berg, Marietta Bürger u.a.

Alexandra Marinina, geb. 1957 in Lemberg, Russland. Promovierte Juristin und Krimiautorin. Romane mit der Kripobeamtin Anastasija Kamenskaja u.a. Tod und ein bisschen Liebe (1995), Auf fremdem Terrain (1997), Der Rest war Schweigen (1997), Widrige Umstände (1998). Weitere Hörspieladaptionen der Reihe Auf fremdem Terrain (WDR 2000), Mit verdeckten Karten (WDR 2001), Der Rest war Schweigen (WDR 2000), Tod und ein bisschen Liebe (WDR 2001).

71

Matthew Herbert: One Day Ahead Freitag, 23.10.2015, 21.05 Uhr hör!spiel!art.mix

Komposition und Realisation: Matthew Herbert DKultur/BR/ ROC 2015, Länge: ca. 40‘, Erstsendung, 7 Tage Stream

Die deutsche Teilung beginnt und endet im Äther. Unmittelbar nach dem Zweiten Weltkrieg übernahmen die Alliierten die Rundfunkhoheit in ihren jeweiligen Sektoren. Rasch entstand ein Eiserner Vorhang zwischen den Sendebetrieben, der erst Anfang der 1990er Jahre mit der Gründung von rbb, MDR und Deutschlandradio endgültig fiel. Doch die Radiowellen machten an keiner Grenze halt. So wurde immer auch das andere Land mit dem eigenen Programm versorgt – meist sehr gezielt. Zum 25. Jubiläum der deutschen Wiedervereinigung lässt der britische -Produzent Matthew Herbert den letzten Tag der deutschen Teilung im Radio Revue passieren. Dafür durchforstet er die Sendungen vom 2. Oktober 1990 hüben und drüben. Die historischen Fundstücke bilden die Textgrundlage einer Chorkomposition für zwei zentrale Institutionen des deutsch- deutschen Musiklebens: RIAS Kammerchor und Rundfunkchor Berlin. Das Ergebnis ist ein re-enactment der deutschen Rundfunkteilung in Ihrem Empfänger: Auf dem linken Kanal hören Sie den RIAS Kammerchor mit Textmaterial aus Westdeutschland. Rechts interpretiert der Rundfunkchor Berlin Material aus Ostdeutschland.

Matthew Herbert (alias Radio Boy), geb. 1972 in England, Komponist und Produzent. Leiter des BBC Radiophonic Workshops. Zahlreiche Sampling-Kompositionen aus Field Recordings. Remixes von Quincy Jones über REM, Serge Gainsbourg und Björk bis hin zu Gustav Mahler.

Im Anschluss: Medien in der Konvergenz. Denken und Machen: Radio in der Medienkonvergenz. Wolfgang Hagen (Medienwissenschaftler) im Gespräch mit Katarina Agathos (BR 2014). Podcast artmix.galerie

72

Josef Ruederer: Die Morgenröte. Eine Komödie aus dem Jahre 1848 Samstag, 24.10.2015, 15.05 Uhr

Regie: Edmund Steinberger BR 1961, Länge: 75’39, Podcast Hörspiel Pool

Im revolutionsträchtigen Jahr 1848 trieb es auch die Münchner Bürger auf die Barrikaden. Das „g’schlamperte Verhältnis“ ihres Königs Ludwig I. mit der Tänzerin Lola Montez – er hatte sie sogar in den Adelsstand erhoben und ihr den Titel „Gräfin Landsberg“ verliehen – erhitzte die Gemüter außerordentlich. Als Gräfin mischte sie sich in die Landespolitik ein, entließ Universitätsprofessoren und besetzte Ministerposten nach ihren Vorlieben. Für die Münchner stand fest: „A Ruah kriang mer koane mehr, solang des Mensch no do is.“ Die Stimmung wurde weiter angeheizt, bis es zu einem regelrechten Aufstand kam, der mit der Verbannung der schönen Lola endete. Josef Ruederer zeichnet das Münchener Kleinbürgertum mit grimmiger Schärfe und ätzender Ironie. Ruederer galt in der Zeit vor dem Ersten Weltkrieg als der bedeutendste Konkurrent Ludwig Thomas.

Mit Helen Vita, Fritz Straßner, Ferdinand Anton, Charlotte von Bomhard u.a.

Josef Anton Heinrich Ruederer, geb. 1861 in München, gest. 1915 ebenda. Bierbrauer, Schriftsteller. Komödien, Erzählungen, Heimatromane, u.a. Wolkenkuckucksheim (1909), Der Schmied von Kochel (1911), Das Erwachen (1916). Weitere BR-Hörspieladaptionen u.a. Ein Verrückter (1977), Die Fahnenweihe (1979).

73

Laurence Sterne: Leben und Ansichten von Tristram Shandy, Gentleman (3/9) Sonntag, 25.10.2015, 15.00 Uhr Montag, 26.10.2015, 20.03 Uhr

Aus dem Englischen von Michael Walter Bearbeitung und Regie: Karl Bruckmaier BR 2015, Länge: ca. 53’, Ursendung, Podcast Hörspiel Pool

Text zur Ursendung siehe S. 66

74

Alexandra Marinina: Der gestohlene Traum (2/2) Mittwoch, 28.10.2015, 20.03 Uhr

Aus dem Russischen von Natascha Wodin Bearbeitung: Stefan Ripplinger Regie: Thomas Werner WDR 2004, Länge: 54ʼ21

Text zum Hörspiel siehe S. 71

75

Barbara Schäfer/Wolfgang Müller (Hrsg.): Das Dieter Roth Orchester spielt kleine wolken, typische scheiße und nie gehörte musik Freitag, 30.10.2015, 21.05 Uhr hör!spiel!art.mix

Komposition und Realisation: Andreas Dorau, Ghostigital, Khan, Namosh, Mouse on Mars, Max Müller, Stereo Total, Trabant, Wolfgang Müller BR 2006, Länge: 55’17, Podcast Hörspiel Pool

„Ich glaube nicht, daß ich als Maler angefangen habe. Ich habe eigentlich als Dichter angefangen“, sagte Dieter Roth 1981 in einem Interview mit der Radioautorin Mechthild Rausch. De facto war der Wahlschweizer und -isländer Roth Grafiker, Schmuck- und Möbeldesigner, Filmemacher, Maler und Bildhauer, Dichter und Musiker. Zwischen 1956 und 1998 realisierte Roth mehr als 200 Buchprojekte mit Texten aller Art, darunter etliche Gedichtsammlungen. Ebenso entstanden zahlreiche Musikaufnahmen. Die oft zarte, zurückgenommene, aber auch kontroverse und kalauernde Lyrik eignete sich überraschend gut als Textbasis für die Popsongs der Musiker, die Wolfgang Müller als Dieter Roth Orchester zusammengebracht hat. Es entstanden popmusikalische Konzepte, Songs, Kompositionen und Radiotexte einer jüngeren Generation, die sich von Roths Werk inspiriert und beeinflusst sieht.

Wolfgang Müller, geb. 1957, Autor, Musiker, Bildender Künstler. BR-Hörspiele u.a. Das Thrymlied – Islandnoten von Úlfur Hróðólfsson (1996), Das Echo ist der Zwerge Sprache (1999), Séance Vocibus Avium (2008).

Das Dieter Roth Orchester spielt kleine wolken, typische scheiße und nie gehörte musik ist als CD bei intermedium rec. erschienen.

Im Anschluss: Medien in der Konvergenz – Inhalt und Form. Medienspezifisches und -übergreifendes Erzählen. Karl Nikolaus Renner (Literaturwissenschaftler) im Gespräch mit Marie Schoeß. Podcast artmix.galerie

76

Patrick Findeis: Schneewalzer Samstag, 31.10.2015, 15.05 Uhr

Regie: Kai Grehn SWR 2013, Länge: 71ʼ27

Ein heißer, langanhaltender Sommer lähmt das Leben in Goldshof, als die Nachricht von der Entführung der Unternehmergattin Victoria Schenk ihre Kreise zieht. Die Geldübergabe läuft schief, die Polizei tappt im Dunkeln. Victoria bleibt verschwunden, bis schließlich nach Wochen ihre Leiche entdeckt wird. In der Nachbarschaft beginnen sich Erzählungen über die Vergangenheit des Opfers und ihrer Familie mit Vermutungen und Verleumdungen zu vermischen. Klaus Schenk und seine Tochter Lena führen schon bald einen Kampf an mehreren Fronten ohne Verbündete. Schneewalzer spürt in den Gedanken und Stimmen der Protagonisten einem schleichenden Prozess nach, in dem Opfer zu Tätern gemacht werden sollen.

Mit Pippa Galli, Heinz-Josef Braun, Thomas Huber, Veronika Spindler, Doris Wolters

Patrick Findeis, geb. 1975 in Heidenheim an der Brenz, lebt als freier Autor in Berlin. Absolvent des Deutschen Literaturinstituts Leipzig. Debütroman Kein schöner Land (2008, 3sat-Preis im Rahmen des Ingeborg-Bachmann-Wettbewerbs). Hörspieladaption Kein schöner Land (SWR 2012). Weiteres Hörspiel Hannelore oder So ein abgelichtetes Leben will verkraftet sein (SWR 2014).

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November Andreas Ammer/Ulrike Haage: 7 Dances of the Holy Ghost Sonntag, Allerheiligen, 01.11.2015, 21.00 Uhr

Komposition und Realisation: Andreas Ammer und Ulrike Haage BR 1998, Länge: 43’34

7 Dances of the Holy Ghost ist der Versuch, die Heilige Rede mit den Mitteln der Musik zu rekonstruieren. Denn wenn heute noch etwas den Planeten im Glauben vereint, dann ist das – jenseits der Live-Konferenzschaltung quer um den Globus – allein der Viervierteltakt. Worauf hören aber Jungfrauen? Was strahlt ‚Eternal Radio‘, die Radiostation des Herrn, eigentlich aus? Ist Gott Welle, Teilchen oder Klang? Eine Weile lang sprach er, wenn es nötig wurde, wenigstens noch in Rätseln – durch seinen Lautsprecher, den Heiligen Geist. Dieser allerdings redete – wie es in den alten Schriften heißt – vornehmlich „in Zungen“, mithin reichlich unverständlich und vornehmlich mit anderen Heiligen. Seit Begegnungen mit dem Heiligen Geist immer seltener geworden sind, tritt – wenn Heiliges beschworen werden soll – die Musik in ihr ureigenstes Recht. All dies passiert in diesem Hörstück. Heilige werden angesprochen, wie das Radio selbst spricht: „Du geistige Rose – Erhör uns!“ Erhört uns! – in sieben profanen Gesängen versuchen die Autoren, das Heilige aus seinen Restbeständen zu rekonstruieren. Voraus geht eine lauretanische Anrufung „aller“ Heiligen. Dann wird neu gehört werden, wie in den heiligen Kontinenten (Italien, Altötting, USA und Südamerika) in Kapellen und Fernsehkanälen gebetet wird.

Mit Katharina Franck, Ben Becker, Phil Minton

Andreas Ammer, geb. 1960, Journalist und freier Autor für Hörfunk und Fernsehen. Ulrike Haage, Komponistin, Musikerin, Hörspielmacherin. Gemeinsame Hörspiele u.a. Apokalypse Live (BR/Marstall/Labor 1994, Hörspielpreis der Kriegsblinden), Odysseus 7 - Radio Space Opera (BR/hr 1996), Crashing Aeroplanes (WDR/DKultur 2001, Hörspielpreis der Kriegsblinden).

78

Anja Herrenbrück/Jean-Boris Szymczak: Eurydikes Beichte Montag, 02.11.2015, 20.03 Uhr

Komposition und Regie: Anja Herrenbrück/Jean-Boris Szymczak Autorenproduktion 2014, Länge: 53ʼ14

L’ennui, das französische Wort für Langeweile und Überdruss, wird im Frankreich des ausgehenden 19. Jahrhunderts zum Inbegriff eines Lebensgefühls. Charles Baudelaire nennt es in Die Blumen des Bösen einen „grässlichen Dämon“, der die „Welt im Gähnen verschlingt“ und erklärt es zum Ausdruck der Gleichgültigkeit gegenüber dem Leben und genereller Stagnation. Eine Bewegungsstarre, die auch die Protagonistin in Eurydikes Beichte befallen zu haben scheint. Bewegungsunfähig in ihrer Küche sitzend starrt sie – Mitte dreißig – auf einen Riss in der Wand, in dem sie verschwinden möchte. In ihrem Inneren entspinnt sich ein Monolog, angeschoben von Baudelaires Vorwort zu den Blumen des Bösen, der gleichermaßen bestimmt ist von Verzweiflung wie von Trotz. Keine Geschichte wird hier erzählt – obwohl sich im Hintergrund Geschichten abspielen. Die Welt außerhalb der Küche bleibt diffus. Die Aussagen Baudelaires und die Selbstvergewisserungen der Frau geistern zwischen dem Riss in der Wand und einem zum Beichtgitter mutierenden Laptop hin und her.

Mit Jördis Triebel, Carsten Wilhelm

Anja Herrenbrück, geb. 1974 in Neuhausen/Niedersachsen, Autorin und Regisseurin. Hörspielregien u.a. für Parents unplugged – eine Nabelschau von Thilo Reffert (rbb 2009), Fast genial von Benedict Wells (WDR 2012), Der Garten Eden nach Ernest Hemingway (WDR 2013). Hörspiele Küsse, Bisse. Eine Hommage an Kleist (mit Christian Ogrinz, Autorenproduktion 2011, ARD PiNball Award), Frontfoto (WDR 2012).

Jean-Boris Szymczak, geb. 1970, Tonmeister und Komponist, Betreiber des Studios P4 in Berlin. Dozent an der Universität der Künste Berlin im Studiengang Sound Studies.

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Holger Siemann: Mordspiel Mittwoch, 04.11.2015, 20.03 Uhr

Regie: Christa Kowalski rbb 2004, Länge: 53ʼ03

Ein ehemaliger Krimi-Autor will sich ganz der hohen Dichtkunst widmen. Doch dabei stören ihn seltsame Stimmen; zwei von ihm erfundene Figuren aus einem alten Kriminalhörspiel, die Kommissare Höppner (Ost) und Seidel (West), verlangen heftigst nach einem neuen Fall. Die Telefonseelsorgerin rät dem bedrängten Autor darauf einzugehen, um nicht Opfer solcher „autoriellen Rollenphobie“ zu werden. Wütend erfindet er einen besonders vertrackten Mordfall: in der Tiefgarage des Hotels Adlon liegt die Leiche von Gerhard Berger, genannt der Fitzcarraldo von Berlin, der seit Jahren die Deutsche Oper kaufen wollte. Verdächtig sind ein alter 68er, ein neureicher Bayer und ein ehemaliger Stasimann. Die Aufklärung des Falls verläuft allerdings schwierig, denn Höppner und Seidel verfolgen dabei ihre eigenen Interessen und pfuschen dem Autor kräftig ins dichterische Handwerk.

Mit Axel Wandtke, Thomas Schmidt, Klaus Manchen, Antje von der Ahe, Tilo Prückner, Stefan Kaminski, Martin Seifert u.a.

Holger Siemann, geb. 1962 in Leipzig, Autor und Journalist. Romane, Libretti, Hörspiele, Radiofeatures. Hörspiele u.a. Wer nicht hören will, muss sterben (BR 2001), Alles ist Erpel (rbb 2010), Puntland, Käse, leiser Tod (WDR 2012), Mord am Hindukusch (WDR 2013).

80

Ergo Phizmiz: Sonora Mystery Freitag, 06.11.2015, 21.05 Uhr hör!spiel!art.mix

Komposition und Realisation: Ergo Phizmiz BR 2015, Länge: ca. 54’, Ursendung, Podcast Hörspiel Pool

In den 1950er Jahren wird in den USA ein besonderes Buch entdeckt. Charles A. A. Dellschau, der in der Mitte des 19. Jahrhunderts als deutscher Emigrant in die USA kam, hatte auf unzählbaren Seiten mehr oder weniger phantastische Flugmaschinen entworfen und mit einer Geheimsprache auf Deutsch und Englisch kommentiert: Collagen aus Aquarellen, Zeitungsausschnitten und Texten, zeichnerische Dokumentationen, phantastische Illustrationen und träumerische Visionen, die – wie Forscher vermuten – mit den Experimenten des sogenannten „Sonora Aero Club“ zusammehängen. In dieser geheimen Vereinigung im Kalifornien des 19. Jahrhunderts wurden 50 Jahre vor den Gebrüdern Wright Flugmaschinen erforscht. Um den Club ranken sich Legenden und Gerüchte, die der Hörspielmacher Ergo Phizmiz aufgreift, weiterspinnt und daraus ein Hörspiel zwischen Fakt und Fiktion, Wissenschaft und Phantasie, Wort und Musik kreiert. Waren es vielleicht die Experimente des Sonora Aero Club, die mit zahlreichen UFO- Sichtungen im Amerika der 1890er Jahre zusammenhängen? Welche Verbindung hatte der Club mit einer geheimnisvollen internationalen Organisation, deren deutscher Ableger später an der Entwicklung von Flugtechnologien für den Zweiten Weltkrieg beteiligt war? Hat der Club vielleicht sogar einen Mord zu verantworten? Als sich ein Mitglied des Clubs gegen das strikte Geheimhaltungsverbot der Gemeinschaft wendet, nehmen nämlich die Machenschaften des Männerbundes verbrecherische Auswüchse an, denen bei Phizmiz auch Dellschau nur knapp entkommen kann. In einer Mischung aus historischer Dokumentation, Musical und Melodram entwickelt Phizmiz in Sonora Mystery eine mehrsprachige, formverspielte und aberwitzige Erzählung über Geheimbünde, Verschwörungstheorien und den Traum vom Fliegen; jenseits von Logik und Chronologie, historischen wie phantastischen Verbindungslinien folgend, ganz in Analogie zur Methodik der Bildvisionen von Charles Dellschau.

Ergo Phizmiz, geb. 1980, lebt und arbeitet in Bridport/England. Komponist, Autor, Multi- Instrumentalist, Collagist und Filmemacher. Hörspiele u.a. Conversation with Birds (BR 2012), Hollywood. A Bestiary (BR 2014). 81

Im Anschluss: Medien in der Konvergenz – Global Players? Der globalisierte Kunst- und Theaterbetrieb und seine Medien. Christopher Balme im Gespräch mit Marie Schoeß. Podcast artmix.galerie

82

Georg Büchner: Dantons Tod Samstag, 07.11.2015, 15.05 Uhr

Bearbeitung: Arnold Weiß-Rüthel Komposition: Mark Lothar Regie: Walter Ohm BR 1948, Länge: 104’30, Podcast Hörspiel Pool

Ein Ausschnitt aus der Spätphase der Französischen Revolution – zehn Tage im März und April 1794 –, in der sie in Diktatur und blutigen Despotismus umzuschlagen beginnt. Büchner selbst beurteilt die Vorgänge nicht unmittelbar. In der Gestalt Dantons schlägt sich jedoch seine Skepsis gegenüber dem Ideal des autonom handelnden Individuums nieder. Sein Protagonist bezeichnet die Geschichte als fatalistischen Prozess, der zu immer neuen Leiden führt und der scheinbar vorherbestimmt verläuft. „Puppen sind wir, von unbekannten Mächten am Draht gezogen.” Das Drama entstand 1835, während Büchner wegen seines Revolutionsaufrufes in der Flugschrift Der hessische Landbote steckbrieflich gesucht war. Nur durch schnelle Flucht unmittelbar nach Abschluss des Manuskripts von Dantons Tod konnte er der Verhaftung entgehen.

Mit Fritz Kortner, Elfriede Kuzmany, Bruno Hübner, Peter Lühr, Marianne Kehlau u.a.

Georg Büchner (1813–37), Dramatiker. Studium der Medizin, Geschichte und Philosophie. Werke u.a. Leonce und Lena (1836), Woyzeck (1836, unvollendet), Lenz (1836, unvollendet). Weitere BR-Hörspieladaption u.a. Woyzeck (1966).

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Laurence Sterne: Leben und Ansichten von Tristram Shandy, Gentleman (4/9) Sonntag, 08.11.2015, 15.00 Uhr Montag, 09.11.2015, 20.03 Uhr

Aus dem Englischen von Michael Walter Bearbeitung und Regie: Karl Bruckmaier BR 2015, Länge: ca. 53’, Ursendung, Podcast Hörspiel Pool

Text zur Ursendung siehe S. 66

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ARD Radio Tatort: Friedemann Schulz: Rote Wasser Mittwoch, 11.11.2015, 20.03 Uhr

Regie: Thomas Wolfertz hr 2015, Länge: ca. 53ʼ

Gerät die nächtliche Begegnung von Hauptkommissar Nebe mit einem Reh zum Menetekel? In seinen zahlreichen schlaflosen Nächten fährt Nebe ziellos mit dem Wagen herum; eines Nachts nimmt er eine aufgeregt auf die Straße stürzende junge Frau mit, die schon kurz darauf an einer menschenleeren Bushaltestelle wieder aussteigt. Einige Zeit später wird sie, eine Studentin, am Fuß eines Steinbruchs tot aufgefunden; ob Unfall oder Mord ist unklar. Nebe überfällt eine eigenartige Passivität. Hätte er nicht längst zugeben müssen, dass er in dieser Nacht die Studentin ein Stück mitgenommen hat? Er gerät bei den Ermittlungen gehörig in Bedrängnis. Zugleich beschäftigt Kommissaranwärter Panzer eine sanft Entschlafene aus einem Seniorenheim, die einen merkwürdigen Zettel in ihrem Nachttisch aufbewahrt hatte. Stichwort: Todesengel – der Fall sollte untersucht werden und Schmoll tut das mit der ihm eigenen Gewissenhaftigkeit. Schließlich ist er in der 7. Klasse mit einer Pflegerin des Heims mal liiert gewesen.

Mit Sebastian Blomberg, Martin Engler, Hanno Koffler, Sandra Gerling, Barbara Philipp u.a.

Friedemann Schulz, geb. 1945, freier Autor und Regisseur. Autor der ARD Radio Tatorte für den hr Abschaum (2011), Vorahnung (2012), Das grüne Zimmer (2013), Dancing Queen (2014). Weitere Hörspiele u.a. Die Novizen (hr 2005), Das zwölfte Level (WDR 2006), Die Außerirdischen (hr 2010), Verschwinden (hr 2011).

85

Michael Lentz: Exit Freitag, 13.11.2015, 21.05 Uhr hör!spiel!art.mix

Realisation: Michael Lentz BR 2005, Länge: 53’58, Podcast Hörspiel Pool

EXIT – das Hörspiel als Erinnerungs- und Vergegenwärtigungsmaschine, als Osmose zwischen „Exil“ und „Exit“. Beschreibungsmomente lösen Rückfragen aus, eine Erzählstimme streitet sich mit sich selber über die ‚richtige’ Beobachtung. Auslöser ist ein Besuch bei Konrad Katzenellenbogen (1913–2007), der unter dem Namen Konrad Kellen in Amerika (Pacific Palisades) lebte. 1933 ist Kellen aus Deutschland emigriert, 1935 gelangte er nach New York. Von 1941 bis 1943 war Kellen Privatsekretär von Thomas Mann. Nach langem Erzählen fällt der bemerkenswerte Satz: „Aber was könnte ich Ihnen denn erzählen?“ Kellen transportiert ein Deutschlandbild aus gesättigter Erinnerung, die fixiert bleibt, amerikanischer Kolportage, Exilantenberichten, Korrespondenzen und unwillkürlicher Imagination.

Mit Michael Lentz und Konrad Kellen

Hugo Rendler / Jasmin Schäffler / Barbara Horn/ Anne Hruby / Tina Klatte/ Bianca Künzel / Florian Fischer / Raphael Smarzoch

Im Anschluss: Da steht der Tod Realisation: Michael Lentz Erstsendung , 14'

Das Stück entstand 2014 im Rahmen des 20. Hörspielforum NRW veranstaltet von der Film- und Medienstiftung NRW, unterstützt vom WDR.

Michael Lentz, geb. 1964, Autor, Musiker. BR-Hörspiele u.a. Die ganz genaue Erinnerung (2010), Hiddensea (2013), größer minus größer – Lautkomposition aus Collagen von Herta Müller (2014).

86

Im Anschluss: Soziologie der nächsten Gesellschaft. Dirk Baecker (Soziologe) im Gespräch mit Ania Mauruschat (BR 2009). Podcast artmix.galerie

87

Franz Xaver Kroetz: Das Nest Samstag, 14.11.2015, 15.05 Uhr

Regie: Thomas Thieringer BR/RIAS 1976, Länge: 66ʼ44

Kurt und Martha haben sich eben im Fernsehen „Oberösterreich“ von Franz Xaver Kroetz angesehen. In einem wichtigen Punkt, so meinen sie, unterscheiden sie sich von Heinz und Anni, den beiden Hauptfiguren des Fernsehspiels: Sie können sich das Kind leisten, das Heinz und Anni so in Bedrängnis bringt; denn Kurt hat ein gutes Verhältnis zu seinem Chef; er darf Überstunden machen, er führt extra honorierte Spezialaufträge aus; alles hat seine „Ordnung“. Doch gerade diese Überzeugung bringt Kurt und Martha in Schwierigkeiten. Beide müssen lernen, dass man ihnen innerhalb solcher „Ordnung“ nicht selbstverständlich einen Platz einräumt. Erst durch die Katastrophe – die in den früheren Stücken von Franz Xaver Kroetz meist endgültig war – gewinnen Kurt und Martha Einblicke in die sie umgebende Realität: Sie müssen ihre Interessen von den Interessen anderer unterscheiden lernen, und sie müssen für ihre Interessen kämpfen.

Mit Jörg Hube, Gisela Schneeberger

Franz Xaver Kroetz, geb 1946 in München. Dramatiker, Schauspieler und Regisseur. Seit 2003 Mitglied der Bayerischen Akademie der Schönen Künste. Auszeichnungen u.a. Ludwig-Thoma-Medaille (1971), Adolf-Grimme-Preis in Gold (1987; für seine Rolle in Kir Royal), Bert-Brecht-Preis der Stadt Augsburg (1995). Stücke u.a. Wildwechsel (1971), Der Drang (1994), Das Ende der Paarung (2000). Hörspiele u.a. Oberösterreich (BR/SR 1973), Bilanz (NDR/WDR 1972 und ORF 1977), Inklusive (SWF 1972), Nicht Fisch Nicht Fleisch (SFB/WDR 1982).

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Laurence Sterne: Leben und Ansichten von Tristram Shandy, Gentleman (5/9) Sonntag, 15.11.2015, 15.00 Uhr Montag, 16.11.2015, 20.03 Uhr

Aus dem Englischen von Michael Walter Bearbeitung und Regie: Karl Bruckmaier BR 2015, Länge: ca. 53’, Ursendung, Podcast Hörspiel Pool

Text zur Ursendung siehe S. 66

89

Håkan Nesser: Am Rand der Catskills Mittwoch, 18.11.2015, 20.03 Uhr

Aus dem Schwedischen von Christel Hildebrandt Bearbeitung und Regie: Irene Schuck DKultur 2014, Länge: 53ʼ26

Wo ist Sarah? Seit Monaten ist die vierjährige Tochter von Erik und Winnie Steinbeck verschwunden. Offensichtlich wurde sie entführt. Erik sah einen fremden Mann, der sie auf der Straße aufgriff und in einem dunklen Wagen verschleppte. Danach verliert sich die Spur: kein Erpresserbrief, kein Hinweis auf mögliche Täter. Um Abstand zu gewinnen, überredet Winnie Erik, nach New York zu ziehen. Doch das Paar lebt sich immer mehr auseinander. Erik entdeckt, dass Winnie sich aus dem Haus schleicht, wenn er fort ist und obskure Bekanntschaften pflegt, von denen er nichts wissen soll. Ihm wird klar, dass er die Frau an seiner Seite gar nicht kennt.

Mit Rainer Bock, Barbara Auer, Joachim Bliese, Katharina Matz, Michael Evers, Fritz Hammer, Sabine Falkenberg, Cristin König, Barbara Philipp, Josephine von Koslowski

Håkan Nesser, geb. 1950 in Kumla, Schweden, Autor. Werke u.a. Das grobmaschige Netz (1993), Kim Novak badete nie im See Genezareth (1998), Piccadilly Circus liegt nicht in Kumla (2002) sowie Krimireihen um den Kommissar Van Veeteren und den Inspektor Gunnar Barbarotti. Weitere Hörspieladaptionen Das vierte Opfer (DKultur 2001), Die Frau mit dem Muttermal (DKultur 2002), Das falsche Urteil (DKultur 2003).

90

ARD Hörspieltage Gewinnerstück Freitag, 20.11.2015, 21.05 Uhr hör!spiel!art.mix

Im Rahmen der ARD Hörspieltage, die in diesem Jahr vom 11. bis 15. November im ZKM in Karlsruhe stattfinden, werden erneut der ARD Online-Award und der Deutsche Hörspielpreis der ARD an eine aktuelle Produktion vergeben. Wettbewerbsstücke aus den Hörspielredaktionen der ARD, des Deutschlandradio Kultur des ORF und des SFR sind online unter www.radio.ard.de in voller Länge abrufbar. Hier kann jeder Nutzer mit abstimmen und so Teil der Jury des Online Awards werden. In den vergangenen Jahren gehörten u.a. die Hörspielmacher Helgard Haug und Daniel Wetzel von Rimini Protokoll mit Qualitätskontrolle oder Warum ich die Räuspertaste nicht drücken werde (WDR 2014), Paul Plamper mit Der Kauf (WDR/BR/DLF/Schauspiel Köln 2013), Thilo Reffert mit Die Sicherheit einer geschlossenen Fahrgastzelle (MDR 2009), Stefan Weigl mit Moment, das wird Sie interessieren! (WDR 2008), das Liquid Penguin Ensemble mit Gras wachsen hören (SR 2007) und Michaela Melián mit Föhrenwald (BR 2005) zu den Preisträgern des Deutschen Hörspielpreises der ARD. Über die Vergabe entscheidet eine Jury aus Hörspielkritikern, Journalisten und Autoren.

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Raymond Queneau: Komödie der Sprache – Komödie des Sprechens. Stilübungen Samstag, 21.11.2015, 15.05 Uhr

Aus dem Französischen von Eugen Helmlé/Ludwig Harig Bearbeitung: Bernhard Rübenach Regie: Bernhard Rübenach/Peterpaul Schulz SWF 1961, Länge: 89ʼ03

Im Autobus der Linie S, zur Hauptverkehrszeit. Ein Kerl von etwa 26 Jahren ist über seinen Nachbarn erbost. Er wirft ihm vor, ihn jedes Mal, wenn jemand vorbeikommt, anzurempeln. Als er einen leeren Platz sieht, stürzt er sich darauf. Zwei Stunden später sehe ich ihn an der Cour de Rome wieder. Er ist mit einem Kameraden zusammen, der zu ihm sagt: Du solltest dir noch einen Knopf an deinen Überzieher nähen lassen. Er zeigt ihm wo (am Ausschnitt) und warum. Die Anekdote im Autobus gibt Raymond Queneau Anlass für eine Reihe von Sprach- und Lautspielen.

Mit Christine Gerlach, Gisela Hoeter, Hilde Engel, Antje Hagen u.a.

Raymond Queneau, geb. 1903 in Le Havre, gest. 1976 in Neuilly bei Paris, Dichter, Schriftsteller. Roman u.a. Zazie dans le métro (1959). 1949 Unterzeichner des Manifestes der Künstlergruppe Pataphysik. Mitgründer der Künstlerbewegung OuLiPo. Weitere Hörspieladaptionen u.a. Nebenbei (WDR 1976), Der Flug des Ikarus (NDR 1984).

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Laurence Sterne: Leben und Ansichten von Tristram Shandy, Gentleman (6/9) Sonntag, 22.11.2015, 15.00 Uhr Montag, 23.11.2015, 20.03 Uhr

Aus dem Englischen von Michael Walter Bearbeitung und Regie: Karl Bruckmaier BR 2015, Länge: ca. 53’, Ursendung, Podcast Hörspiel Pool

Text zur Ursendung siehe S. 66

93

David Zane Mairowitz: Sherlock Holmes und der Fall Karl Marx Mittwoch, 25.11.2015, 20.03 Uhr

Komposition: Matthias Thurow Regie: Dieter Carls WDR/SFB 2001, Länge: ca. 53ʼ

London im 19. Jahrhundert: Sherlock Holmes sitzt in seiner Wohnung und macht sich, inspiriert durch Opiumgenuss, Gedanken über die Philosophie Schopenhauers, als ihn ein neuer Klient aus seinen Gedanken reißt: Karl Marx steht vor der Tür. Marx konsultiert Holmes, weil sein „Sprössling“ entführt wurde – und der Sprössling ist kein anderer als das Manuskript Das Kapital. Sherlock Holmes, Held dieser schillernden Kriminalkomödie, übernimmt den Fall eher halbherzig, da er in politischen Dingen nicht sonderlich versiert ist – als aber schließlich nicht nur Das Kapital, sondern auch Marx selbst verschwunden ist, beginnt Holmes mit altbewährter Scharfsinnigkeit fieberhaft zu ermitteln.

Mit Ulrich Matthes, Friedhelm Ptok, Hans Peter Hallwachs, Christian Redl, Christian Brückner, Heinrich Giskes, Claudia Mischke

David Zane Mairowitz, geb. 1943 in New York, Publizist, Autor, Regisseur. Über 40 Hörspiele u.a. Im Krokodilsumpf (rbb 2004), Der Knochen (rbb 2010), Category 5: Wie ich Fats Domino aus dem Hurrikan Katrina rettete (SRF 2012, Prix Europa), Drei Songs, 1954 (rbb 2014).

94

Natascha Wodin/Wolfgang Hilbig: Nachtgeschwister, provisorisch Samstag, 28.11.2015, 15.05 Uhr

Bearbeitung: Daniela Holtz/Anja Schneider Komposition: Steffen Schleiermacher Regie: Ulrich Lampen MDR/DKultur 2014, Länge: 78ʼ52

Ein Bändchen mit Gedichten ist der Auslöser für eine leidenschaftliche Liebesgeschichte, eine Obsession, eine quälende Verstrickung. Die Frau setzt alles in Bewegung, um den Verfasser der Zeilen zu treffen. Dieser lebt jedoch in der DDR. Als der Mann plötzlich ein Reise-Visum bekommt, begegnen sie sich und beginnen eine Liebesbeziehung. Doch ihre gegensätzlichen Erfahrungen und Prägungen zermürben ihr Verhältnis. Der Mann ist anders, als sie ihn sich erfunden hat. Nach den Romanen Nachtgeschwister von Natascha Wodin und Das Provisorium von Wolfgang Hilbig. „Nachtgeschwister provisorisch ist ein ganz besonderer literarischer Dialog – ein In-Beziehung-Setzen von Literatur, eine Chronik und Aufarbeitung der Beziehung einer westdeutschen Autorin und eines ostdeutschen Schriftstellers.“ (Jurybegründung zum Hörspiel des Monats Dezember 2014)

Mit Martina Gedeck, Christian Redl, Conny Wolter, Susanne Stein, Hilmar Eichhorn

Natascha Wodin, geb. 1945 in Fürth als Kind verschleppter Zwangsarbeiter aus der Sowjetunion. Dolmetscherin und Übersetzerin aus dem Russischen, Schriftstellerin. Werke u.a. Die gläserne Stadt (1983), Alter, fremdes Land (2014).

Wolfgang Hilbig, geb. 1941 in Thüringen, gest. 2007 in Berlin. Schlosser und Heizer, Schriftsteller. 1985 Übersiedlung in die Bundesrepublik. Werke u.a. Hilferufe von drüben (1978), Abwesenheit (1979), Eine Übertragung (1989), Der Schlaf der Gerechten (2002).

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Laurence Sterne: Leben und Ansichten von Tristram Shandy, Gentleman (7/9) Sonntag, 29.11.2015, 15.00 Uhr Montag, 30.11.2015, 20.03 Uhr

Aus dem Englischen von Michael Walter Bearbeitung und Regie: Karl Bruckmaier BR 2015, Länge: ca. 53’, Ursendung, Podcast Hörspiel Pool

Text zur Ursendung siehe S. 66

96

Dezember Francis Durbridge: Bastian Pastewka und Komplizen in: Paul Temple und der Fall Gregory (1/2) Mittwoch, 02.12.2015, 20.03 Uhr

Komposition: Mike Herting Bearbeitung: Leonhard Koppelmann/Bastian Pastewka Regie: Leonhard Koppelmann WDR/SWR 2014, Länge: 53ʼ54

Wiederauferstehung eines Krimi-Mythos: Der verschollene erste Temple-Fall „Gregory“ von Francis Durbridge in einer Radio-Neuinszenierung. London im Nebel des Jahres 1949: Scotland Yard ist verzweifelt. Wer ist der ominöse Drahtzieher der schrecklichen Mädchenmord-Serie, die die Stadt im Würgegriff hält? Nur ein Mann kann jetzt übernehmen: der Meisterdetektiv Paul Temple. Er begibt sich mit seiner unkonventionellen Art auf die Spur der rätselhaften Botschaften, über die dunklen Straßen des East Ends in den schmierigen Nachtclub Brazil, um der Wahrheit etwas näherzukommen. Der lässige Paul Temple und seine reizende Frau Steve wurden in Großbritannien und auch im jungen Nachkriegsdeutschland zu den wichtigsten Krimi-Figuren der frühen Hörspielgeschichte. Francis Durbridge schrieb die wohl besten „Straßenfeger“-Serien der Dampfradio-Ära, und Paul Temples zahlreiche Fälle genießen immer noch Kultstatus. Hierzulande sind elf Temple-Radio-Serien aus den Jahren 1951–67 erhalten geblieben. Doch der erste Fall Paul Temple und die Affäre Gregory ist nach seiner Ursendung im Jahre 1949 aus den Rundfunkarchiven verschwunden. Erst kürzlich tauchten Fragmente des deutschen Skripts wieder auf – und damit die Gelegenheit für Bastian Pastewka und seine Komplizen, den Fall neu aufzurollen.

Mit Bastian Pastewka, Janina Sachau, Alexis Kara, Inga Busch, Kai Magnus Sting u.a.

97

Sigrid Hauff: Die innere Biografie des Robert Lax. Teil 1: Circus Freitag, 04.12.2015, 21.05 Uhr hör!spiel!art.mix

Regie: Herbert Kapfer BR 1995, Länge: 58’33, Podcast Hörspiel Pool

Drei hör!spiel!art.mix-Abende sind dem Dichter und Eremiten Robert Lax gewidmet, anlässlich seines 100. Geburtstags. Sigrid Hauffs dreiteilige Sendung zeichnet eine „innere Biografie“ auf, die die geistige Entwicklung des Dichters und Philosophen Robert Lax parallel zu äußeren Ortsveränderungen dokumentiert. 1. Teil: Circus. Auf der Suche nach einem Zugang zur Welt, hilflos überfordert vom New York der Nachkriegsjahre, entdeckt Robert Lax im Zirkus eine beispielhafte und überschaubare Welt, die ihm erstmals einen eigenen akzeptablen Platz zuweist. Den Zirkus und die Lebensphilosophie der Artisten und Jongleure überträgt er auf den Lauf der Dinge, die Welt und die Rolle des Menschen.

Im Anschluss: Robert Lax: wake up. re: lax Kompilation: Katarina Agathos/Herbert Kapfer BR/intermedium rec. 2003

Ein spoken-word-Projekt mit Originalaufnahmen von Robert Lax aus den Jahren 1990– 1994 und Soundtracks von Tarwater, Loopspool, Iso 68, Ramuntcho Matta, Marc Ribot, Sixtoo, Christoph Kurzmann aus dem Jahr 2003.

„Sieben verschiedene Interpreten und Gruppen widmen sich auf wake up. re: lax dem Spiel von poetry in motion, der alten Sehnsucht, den Gedichten ein neues Leben zu schenken, und treffen dabei auf einen Dichter, dessen lange Wort- und Silbenreihen wie Musik komponiert wirken. … re: lax ist einer der gelungensten Versuche zur Hochzeit von Lyrik und Musik, in dem sich die Musiker der Stille durch Bewegung annähern. Und doch – hört man die zweite CD mit der Lesung von Robert Lax – wirkt allein die Leere zwischen den Wörtern wie Musik.“ (Konrad Heidkamp, Die Zeit)

98

Robert Lax, geb. 1915 in Olean, N.Y., USA. Gedichte, Tagebuchnotizen, Piktogramme, Drehbücher, Filmkritiken. Reisen nach Europa. Lebte von 1964–2000 in Griechenland. Verstarb am 26. September 2000 in Olean. Zahlreiche Buchveröffentlichungen.

BR-Produktionen von Robert Lax: 21 pages (1999), sun ra notes & numbers (1994), the family (1995), the hill (1999).

BR-Produktionen über Robert Lax: Hartmut Geerken: erwartete bobo sambo ein geräusch? erwartet er eine stimme? (1990), bob’s bomb. ein interaktives hörspiel nach einem scenario von robert lax (1993). Sigrid Hauff: is was – was is (1990), Die innere Biografie des Robert Lax (1995). Nicolas Humbert/Werner Penzel: Why should I buy a bed when all that I want is sleep? (D 1999, 58 Minuten, Schwarz-Weiß-Film, Stereo)

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Günter Eich: Träume Samstag, 05.12.2015, 15.05 Uhr

Komposition: Enno Dugend Regie: Otto Kurth BR 1964, Länge: 68ʼ57

Träume ist Günter Eichs berühmtestes und wohl auch umstrittenstes Hörspiel. In fünf Szenen werden fünf Alpträume wiedergegeben, die jeweils auf einem der fünf Kontinente spielen. Die düsteren Traumszenen können als Ausgeburten der eschatologischen Angst des modernen Subjekts angesehen werden. Der erste Traum erzählt von Menschen, die bereits seit Jahrzehnten in einem dunklen Güterzug fahren; der zweite von einem Finanzbeamten, der mit jedem Knopfdruck unwissend wiederholt zum Henker wird; der dritte von einer Familie, die aus ihrer Siedlung vertrieben wird; der vierte von einem Urwaldforscher, der vom Fluch des Vergessens heimgesucht wird; der fünfte schließlich erzählt von Leuten, die von alleszerfressenden Termiten bedroht werden. Mit den in den Träumen verhandelten Themen sorgte die Ursendung 1951 für heftige Hörerreaktionen während und nach der Ausstrahlung. In der Neufassung von 1964 wurde der zweite Traum, in dem ein sechsjähriges Kind von einer chinesischen ‚Dame‘ geschlachtet und ausgeweidet wird, durch einen sechsten Traum – den unwissentlich zum Scharfrichter werdenden Beamten – ersetzt.

Mit Claudia Bethge, Lina Carstens, Käthe Haack, Ellen Mahlke, Christine Ostermayer, Traute Rose, Marlies Schoenau, Erika von Thellmann, Alfred Balthoff, Rolf Boysen, Hans Cossy, Jürgen Goslar, Max Mairich, Hans-Michael Rehberg Klaus Schwarzkopf, Ernst Stankovski, Horst Tappert, Carl Wery u. a.

Günter Eich (1907–72), Lyriker und Hörspielautor. Werke u. a. Züge im Nebel (1947), Abgelegene Gehöfte (1948), Untergrundbahn (1949), Maulwürfe (1968). Zahlreiche Hörspiele u.a. Die Andere und ich (SDR 1952, Hörspielpreis der Kriegsblinden). Auszeichnungen u.a. Georg-Büchner-Preis (1959).

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Laurence Sterne: Leben und Ansichten von Tristram Shandy, Gentleman (8/9) Sonntag, 06.12.2015, 15.00 Uhr Montag, 07.12.2015, 20.03 Uhr

Aus dem Englischen von Michael Walter Bearbeitung und Regie: Karl Bruckmaier BR 2015, Länge: ca. 53’, Ursendung, Podcast Hörspiel Pool

Text zur Ursendung siehe S. 66

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Francis Durbridge: Bastian Pastewka und Komplizen in: Paul Temple und der Fall Gregory (2/2) Mittwoch, 09.12.2015, 20.03 Uhr

Komposition: Mike Herting Bearbeitung: Leonhard Koppelmann/Bastian Pastewka Regie: Leonhard Koppelmann WDR/SWR 2014, Länge: 54ʼ04

Text zum Hörspiel und Besetzung siehe S. 97

Francis Durbridge (1912–98), britischer Schriftsteller, Theaterstücke, Hörspiele, Drehbücher. Durchbruch 1938 mit der Figur des fiktiven Krimiautors und Hobbydetektivs Paul Temple, aus dessen Fällen umfangreiche englische und deutsche Hörspielreihen entstanden: Paul Temple und der Fall Curzon (NWDR 1951), Paul Temple und der Fall Vandyke (NWDR 1953), Paul Temple und der Fall Jonathan (NWDR 1954), Paul Temple und der Fall Madison (NWDR 1955), Paul Temple und der Fall Gilbert (WDR 1957), Paul Temple und der Fall Lawrence (WDR 1958), Paul Temple und der Fall Spencer (WDR 1959), Paul Temple und der Fall Conrad (BR 1959/WDR 1961), Paul Temple und der Fall Margo (WDR 1962), Paul Temple und der Fall Genf (WDR 1966/SR 1966), Paul Temple und der Fall Alex (WDR 1967).

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Sigrid Hauff: Die innere Biografie des Robert Lax. Teil 2: 21 Pages Freitag, 11.12.2015, 21.05 Uhr hör!spiel!art.mix

Regie: Herbert Kapfer BR 1995, Länge: 52’57, Podcast Hörspiel Pool

Äußere Schritte und innere in Einklang zu bringen, ist ein ungeheurer Anspruch: Robert Lax studiert Vorbilder und macht Versuche, in einer als bedrohlich empfundenen Welt Fuß zu fassen: als Redakteur beim New Yorker, als Filmkritiker bei der Times, als Dozent an Universitäten, als Rundfunkmitarbeiter, als Drehbuchautor in Hollywood. Eine poetische Biografie entsteht: 21 pages. Robert Lax veröffentlichte fast ausschließlich in Klein- und Kleinstverlagen: In seinen Gedichten, Episoden, Fabeln und Zeichnungen streift unsere Zeit ihre Hektik, Sinnverwirrung und Sinnleere ab. In dem Lax „einfache Dinge ganz einfach sagt“, öffnet er den Blick für Beständiges, löst Wahrheit aus ihrer zeitlichen Verkleidung und entdeckt Zeitloses: die hinter der Reizüberflutung verborgene Harmonie von Leben, das sich selbst in Frage stellt.

Im Anschluss: Hartmut Geerken: erwartet bobo sambo ein geräusch? erwartet er eine stimme? Ein Hörspiel für und mit Robert Lax Realisation: Hartmut Geerken BR 1990, Länge: 57’10, Podcast Hörspiel Pool

Über seine Begegnung mit Robert Lax schrieb Hartmut Geerken: „ich traf ihn ‚zufällig‘ anfang 1982 in athen & seither verbinden uns sehr lange oder sehr kurze spaziergänge, eine seltsame korrespondenz, geheimnisvolles gelächter & völlig abseitige musik aus indien, von den eskimos & der galaxis. manchmal verbeugen wir uns grundlos & hektisch voreinander, machen unvorhersehbare knickse & wenn wir zusammen durch athen, zürich oder münchen & die senne oder am ammersee entlanggehen, könnte so mancher, der uns sieht, meinen, hinter unseren schritten stünde eine ausgeklügelte choreografie. unsere abstrusen dialoge, unsere ausgedehnte korrespondenz (lax unterschreibt seine briefe & karten mit bob & sambo & bertolucci & zabagwa & wabamba & albobo & wagwagwa), unsere vokalen grimassen & unsere vom sinn entleerten gespräche über buddha & kant während unseres gemeinsamen gehens, nicht zuletzt bobos stille meditative dichtungen 103 dringen in bobo sambo dem hörer ins ohr. aber das hörspiel ist kein porträt des dichters robert lax, nicht einmal ein flüchtiges & der radikalen bescheidenheit des poeten bobo entsprechend könnte man am ende die frage aufwerfen: gibt es robert lax überhaupt?“

Hartmut Geerken, geb. 1939, Schriftsteller, Komponist, Musiker, Para-Mykologe, Filmemacher. Zahlreiche Hörspiele beim BR; Karl-Sczuka-Preis für Radiokunst für die Produktionen südwärts, südwärts (BR 1989) und hexenring (BR 1994).

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Walter Netzsch: Der beinahe unaufhaltsame Aufstieg des Mathias Grüneisl Samstag, 12.12.2015, 15.05 Uhr

Komposition: Rolf Wilhelm Regie: Hellmuth Kirchammer BR 1969, Länge: 86ʼ04

Mathias Grüneisl hält eine so zündende Rede gegen einen in der Nähe seines Landgasthofes geplanten Großflughafen, dass ihn alle seine Freunde bestürmen, in die Politik zu gehen. Er zeigt sich diesen Plänen auch nicht abgeneigt, fährt in die Stadt zur Parteizentrale – und wird zunächst höflich aber bestimmt vertröstet. Durch einen Vortrag über moderne Kybernetik erkennt er unheimliche Möglichkeiten für seine politische Zukunft. Grüneisl kommt in kürzester Zeit auf der politischen Erfolgsleiter ganz nach oben, wird zum Volksidol – bis ein neuer Zufall alles in Frage stellt.

Mit Gustl Bayrhammer, Maria Singer, Christiane Blumhoff, Hans Stadtmüller u.a.

Walter Netzsch (1926–92), Kabarettist. Weitere Hörspiele als Autor u.a. Grüner Mantel, schwarzer Koffer (BR 1956), Der Goldkiller (SWF 1973). Regisseur der BR- Hörspielkrimireihe Dickie Dick Dickens (1957–76).

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Laurence Sterne: Leben und Ansichten von Tristram Shandy, Gentleman (9/9) Sonntag, 13.12.2015, 15.00 Uhr Montag, 14.12.2015, 20.03 Uhr

Aus dem Englischen von Michael Walter Bearbeitung und Regie: Karl Bruckmaier BR 2015, Länge: ca. 53’, Ursendung, Podcast Hörspiel Pool

Text zur Ursendung siehe S. 66

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ARD Radio Tatort: Sabine Stein: Queenie Mittwoch, 16.12.2015, 20.03 Uhr

Regie: Andrea Getto NDR 2015, Länge: ca. 53ʼ

Eine entsetzte Mutter erstattet Anzeige, weil sie durch einen Privatdetektiv herausgefunden hat, dass ihre 16-jährige Tochter Zoe in einer Wohnung, die von einem Kleinkriminellen namens Bott angemietet wurde, der Prostitution nachgeht. Hauptkommissarin Bettina Breuer vermutet, dass dieser Bott nur ein kleiner Fisch ist; es gilt, die eigentlichen Drahtzieher zu erwischen. Jac Garthmann lässt sich zur Mithilfe breitschlagen und gibt im Internet den interessierten Freier. Garthmann und Breuer sind überzeugt: Dieses junge Mädchen ist in etwas hineingeraten, das ihm über den Kopf gewachsen ist. Der Fall scheint klar zu liegen. Doch bald werden alle ihre Annahmen gründlich durcheinandergewirbelt. Als eine 14jährige „Mitarbeiterin“ Zoes spurlos verschwindet, wird dieser Fall immer verwirrender und verstörender.

Mit Sandra Borgmann, Martin Reinke u.a.

Sabine Stein, geb. 1961 in Ingolstadt, Dozentin, Hörspiel- und Drehbuchlektorin, Autorin. Hörspiele u.a. Hochzeitsbild (SWR 2001), Ich bin Miriam (rbb 2005), Mutabor (DKultur 2009), Extrapost (NDR 2009), Watchdog (NDR 2010). ARD Radio Tatorte für den NDR Fördewind (2013), Stand der Dinge (2014).

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Sigrid Hauff: Die innere Biografie des Robert Lax. Teil 3: Journals Freitag, 18.12.2015, 21.05 Uhr hör!spiel!art.mix

Regie: Herbert Kapfer BR 1995, Länge: 64’03, Podcast Hörspiel Pool

„Journals“ nennt Sigrid Hauff den dritten Teil der ‚inneren Biografie‛. Vergewaltigt vom Leben in einer modernen Großstadt zieht sich Robert Lax auf eine griechische Insel zurück. Dort findet er die Ruhe und Besinnung, die ein meditatives Leben ermöglicht. Die Tagebücher (journals) beschreiben den Weg hin zu dem, was Lax geworden ist: ein weiser alter Mann, der jedem noch so banalen Alltagsgeschehen eine zeitlose und in ihrer Einfachheit faszinierende Poesie abgewinnt.

Mit Rainer Buck, Robert Lax

Sigrid Hauff studierte Islamwissenschaft, Philosophie und Romanistik, unterrichtete an Universitäten und Goethe-Instituten in Kairo, Kabul und Athen. BR-Produktion: Robert Lax Porträt is was – was is (1990, Hörspiel des Monats November), Publikationen u.a. Eine Linie in drei Kreisen. Die innere Biografie des Robert Lax (1999), Robert Lax – Poesie der Entschleunigung (2008).

Im Anschluss: Robert Lax: the hill Autorenlesung Aufnahme: Sigrid Hauff BR 1999, Länge: 37’13, Erstsendung, Podcast Hörspiel Pool

Bei ihrem letzten Besuch des Dichters Robert Lax auf Patmos im Spätsommer 1999 nahm Sigrid Hauff eine Lesung des kompletten Buches the hill auf. „Die Textpassagen voller Zweifel, Hoffnungslosigkeit, Leere in diesem gerade erschienenen Buch hatten mich beunruhigt. Sie sind so ganz und gar untypisch für Lax. Es stellt sich heraus, dass Paula Dias die Texte für dieses Buch zusammengestellt hat, und zwar – wie ich vermutet hatte – aus einem älteren Text aus der Zeit von 21 pages und einem neueren seltsam depressiven Text. „No friends, no love, no memorable memories“ – das sind völlig unerwartete 108

Statements dieses Poeten der bewusst erlebten Augenblicke, wie wir sie z.B. in seinem Buch moments miterleben können. Es möge ja vielleicht Menschen geben, die von morgens bis nachts glücklich seien. Er gehöre nicht dazu. Niedergeschlagenheit, Hoffungslosigkeit, Leere – diese Gefühle kämen eben auch in uns hoch. … Jeden Nachmittag liest Lax einige Seiten bei geschlossenen Fensterläden im hochsommerlich warmen Zimmer, im elektrischen Licht einer Tischlampe. Wenn er müde wird, legt er das Buch beiseite und wir diskutieren weiter.“ (Sigrid Hauff)

Im Anschluss: Sigrid Hauff: Erinnerungen an meinen letzten Besuch bei Robert Lax (BR 2015), Länge: ca. 14 Min., Podcast Hörspiel Pool

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Ror Wolf: Auf der Suche nach Dr. Q: Der Chinese am Fenster Samstag, 19.12.2015, 15.05 Uhr

Regie: Raoul Wolfgang Schnell WDR/hr 1971, Länge: 42ʼ01

Das Stück gilt als Klassiker der experimentellen Hörspiel-Kunst. Äußerlich eine Collage, die sprachliche Elemente mit Geräusch- und Musik-Partikeln verschmilzt, erzählt das Hörspiel mehrere Geschichten auf einmal – triviale und imaginäre, Kriminal- und Science- Fiction-Geschichten. Und in allen kommt eine Figur vor, die sich jeden Moment verändern kann: ein Chinese am Fenster.

Mit Christoph Bantzer, Michael Thomas, Ludwig Thiesen, Alf Marholm

Im Anschluss: Ror Wolf: Auf der Suche nach Dr. Q: Die überzeugenden Vorteile des Abends Regie: Heinz Hostnig WDR/BR 1973, Länge: 44ʼ19

Im Gewächshaus des bekannten Reisenden Doktor Q warten ungefähr vierzig Botaniker auf das Erscheinen des Gastgebers. Der hat einen furchtbaren Plan.

Mit Elisabeth Opitz, Walter Bluhm, Gerd Duwner, Alf Marholm, Peter Lieck u.a.

Ror Wolf, geb. 1932 in Saalfeld/Thüringen, Autor. Hörspiele u.a. Leben und Tod des Kornettisten Bix Beiderbecke aus Nord-Amerika (SWF/hr/NDR/WDR 1986, Hörspielpreis der Kriegsblinden), Das langsame Erschlaffen der Kräfte – Ein Fußball-Hörstück in 6 Kapiteln (mit Jürgen Roth, BR 2006), Raoul Tranchirers Bemerkungen über die Stille (SWR 2007, Hörspiel des Jahres). Ausgezeichnet mit dem Günther-Eich-Preis 2015.

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Daniel Kehlmann: Der Mentor Sonntag, 20.12.2015, 15.00 Uhr Montag, 21.12.2015, 20.03 Uhr

Komposition: Martin Zrost Regie: Götz Fritsch MDR/ORF/WDR 2014, Länge: 52ʼ52

Im Rahmen des sogenannten „Mentor“-Projekts – von der ausrichtenden Stiftung bestens bezahlt – sollen der einst gefeierte Dramatiker Benjamin Rubin und der Nachwuchsautor Martin Wegner eine Woche lang an Wegners neuem Stück arbeiten. Rubin, seine Allüren pflegend und wenig umgänglich, missbehagt die „Literaturförderung“, er kann jedoch das Honorar mehr als gebrauchen. Auch Wegner verspricht sich vom Zutun des „Altmeisters“ nicht allzu viel, bestenfalls Protektion. Dafür ist seine Frau Gina umso eher bereit, dem „großen alten Mann“ die Bewunderung zu zollen, derer er dringend bedarf. Dass er am Stück ihres Mannes kein gutes Haar lässt, bringt sie in eine Zwickmühle. Martin verlangt den Offenbarungseid: ob sie an ihn als Schriftsteller glaubt oder nicht. Und dann reist er auch noch ab, gekränkt, wie er ist. Rubin könnte triumphieren, hätten die Peinlichkeiten in dieser Literaturbetriebskomödie nicht einen sehr ernsten Grund: die existentielle Abhängigkeit davon, anerkannt, nein: geliebt zu werden.

Mit Franz Xaver Kroetz, Ilja Richter, Christian Bach, Stephanie Schönfeld

Daniel Kehlmann, geb. 1975 in München, lebt in Wien und Berlin, Autor. Werke u.a. Beerholms Vorstellung (1997), Ich und Kaminski (2003), Die Vermessung der Welt (2005), Ruhm. Ein Roman in neun Geschichten (2009), F (2013). Hörspieladaptionen u.a. Die Vermessung der Welt (NDR 2007), Ich und Kaminski (WDR 2004), Geister in Princeton (NDR/ORF 2013).

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Anton Tschechow: In Zeitung gewickelt Mittwoch, 23.12.2015, 20.03 Uhr

Bearbeitung: Jochen Hauser Regie: Klaus Zippel MDR 1994, Länge: ca. 53ʼ

Der neue Untersuchungsrichter Andrej Djukowski, ein studierter und weitgereister Heißsporn, will seinem bedächtigen Amtsvorgänger Nikolai Tschassow zeigen, wie einfach (weil systematisch) der Mord am Gutsbesitzer Kljausow aufzuklären ist. Ausgerüstet mit messerscharfer Logik sowie den modernen kriminalistischen Theorien und Statistiken, treibt Andrej seine Detektion zügig an. Nach der Addition eindeutiger Indizien und Motive scheint nur noch eine Person als Kljausow's Mörder in Frage zu kommen.

Mit Rolf Hoppe, Siemen Rühaak, Marylu Poolman, Erik Schumann, Günter Zschäckel, Andrea Solter, Ursula Sukup, Bert Franzke, Franziska Troegner, Hans-Joachim Hegewald

Anton Tschechow (1860–1904), russischer Autor von Erzählungen, Novellen und Dramen. Hörspieladaptionen u.a. Der Kirschgarten (BR 1969), Drei Schwestern (BR 1971), Das Duell (ORF 1974), Das Leben in Fragen und Ausrufen (NDR 2003), Das Jalta-Spiel (MDR 2004), Das Drama auf der Jagd (SWR 2004).

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„Ich schreibe, um mich selbst zu überraschen“ – Katarina Agathos im Gespräch mit dem Autor Uwe Dick Freitag, 25.12.2015, 21.00 Uhr

BR 2012, Länge: 51’01, Podcast Hörspiel Pool

„Denken in Stimmen“: Uwe Dick schreibt, wie er spricht, und spricht, wie er schreibt. Lust an der Sprache und Genauigkeit findet man bei ihm ebenso im Schriftlichen wie im Mündlichen: Mühelos wechselt er in einem Satz von Prosa zur Lyrik, vom Vortrag zur Tirade, vom privaten Bericht zur Reflexion – mit zahlreichen literarischen Verweisen und Kontextualisierungen zum eigenen Werk. Ein Gespräch mit dem Lyriker, Epiker, Aphoristiker, Epigrammatiker, Satzbauer, Sprachtier Uwe Dick über die verschiedenen Fassungen der Sauwaldprosa (von der ersten Sauwaldiana 1976 bis 2012 und darüber hinaus), seine Begegnung mit Ezra Pound, Ein-Wort-Romane, die Suche nach einer unmöglichen Literatur, die ‚Ich-Auflösung‘ und die Gabe, sich in seinem Denken und Schreiben selbst zu überraschen.

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Uwe Dick: Sauwaldprosa (1-12) Bayern 2 Radio Revue, 26.12.2015 – 06.01.2016, 21.00 Uhr

Komposition: Gunnar Geisse Regie: Michael Lentz BR 2012, 12 Teile, Länge: 635‘10, Podcast Hörspiel Pool

Im „Land der Panzerpratzenkrebse“, „Hinter den sieben mal sieben Hügeln“ und „drei Fahrradstunden hinter den Messerbrechern des Töginger Waldschnacks Gustl“, „drobm überm unterm Inn“, da steht der Sauwald. Sauen gibt es dort keine mehr, die „gingen zurück, man schoß sie ab, bis auf ein paar überlebende Glücksschweine – die Sauen gingen … und die Namen blieben“. So klar Uwe Dicks Sauwald topographisch zu verorten ist – er liegt im bayerisch-österreichischen Grenzgebiet hinter Passau am Inn – so unergründbar ist er als Ort der Sagen, Mythen und der Vergangenheit. Und wie die Säue als sprachliche Spuren im Namen des Ortes weiterleben, so ist auch der Wald vor allem eins: ein Raum der Sprache und des Klangs – Sauwaldprosa. Die Sauwaldprosa von Uwe Dick erschien erstmals 1976 und wurde in den folgenden Jahren in sechs weiteren Ausgaben als work in progress vom Autor ständig erweitert und ausgebaut. Das Wortwurzelwerk eines poetischen Rebellen wider alle Hierarchien – Dichtung des Zorns und Lachstaunen, Grobiansidiotikon und subtile Wortkunst – speist eine Waldkabbala, deren Magischer Surrealismus das Innviertel zum Inniversum potenziert. Uwe Dick steht für Sprache, nicht für Schreibe. Er glaubt an die Optimierung des Denkens durch Witz, sucht und erreicht – stets auf der Lauer nach dem Unvorhersehbaren – die Radikalisierung des Augenblicks, und denkt – bildmächtig von kindauf – in Stimmen. Insofern ist das Radio der ideale Raum für seine unverwechselbaren AudioVisionen. Dass die Sauwaldprosa so gut wie alle literarischen Genres – Roman, Essay, Krimi, Märchen, Reportage, Stachelrede, Poly-, Dia- und Monolog, Brief, Tag- und Nachtbuch, Epigramm pp. – vereinigt, ist eine Konsequenz der Maxime: „Vielfalt statt Einfalt, bitte!“ Wem das – im Hörspiel wie im Buche – „zu viel“ ist, dem gilt Uwe Dicks Zärtlichkeit: „Jeder ist seines Glückes Hufeisen am eigenen Kopf“. Auch: „Die wenigsten kommen blöde zur Welt. Sie werdens dann nur. Aus Bequemlichkeit“. Dem Bürgerrechtler „Im Namen des Baumes / und seines eingeborenen Sohnes / des Buntspechts“ ist Poesie eine Lebensweise. Sie ist – die zwölf Hörspiele des BR erweisen es – „Nervenkunst“, Affektgewitter, Vokabelargwohn durch Spruch und Widerspruch, Biographie statt Karriere, Phantasie statt Extasy für hellwache Hörer … und 114 setzt alles daran, dass ihn viele gut, wenngleich nicht immer gern verstehen. Aber der Partisan des Poetischen berücksichtigt: „Die Sprache weiß mehr als ein jeder. Und dennoch fasst sie nicht einen von uns. Es sei denn, er gebe ihr Wort“.

Mit Marisa Burger, Uwe Dick, Peter Fricke, Eisi Gulp, Hanns Zischler, Sophia Siebert, Branco Vukovic, Arnulf Schumacher, Jerzy May

Uwe Dick, geb. 1942 in Schongau am Lech. Autor von Lyrik und Prosa, Sprachmusiker und Rezitator. Nach unregelmäßigen Schulbesuchen, ab 1961 diverse Jobs, z.B. Arbeit in einer Kupferschmiede, einer Zahnfabrik und in Gasthöfen. Zeitungs-Volontariat in Rosenheim, Arbeit als Redakteur bei Tageszeitungen in Rosenheim und München. 1969 Aufgabe der Redakteursstelle und Entscheidung für ein Leben als freier Autor und „Überlebenskünstler“. 1972 Förderpreis des Freistaates Bayern sowie der Stadt Rosenheim für Tag und Tod. 1976 erste Veröffentlichung der Sauwaldprosa, 1978 Neuauflage mit weiteren Texten und Konzeption des Werkes als work in progress. 1979 Umzug an die Wasserburger Inn-Schleife, Veröffentlichung von Der ÖD, das Bio-Drama eines Amok denkenden Monsters als Buch und Langspielplatte sowie einer dritten Weiterschrift der Sauwaldprosa. 1983 nach zahlreichen Aufführungen von Der ÖD Abschluss der Aufführungsserie und Rückzug in ein Blockhaus am Salamanderberg über dem Inntal. 1985 Veröffentlichung und zahlreiche Rezitationen von Monolog eines Radfahrers, Überlebensprosa. 1986 Marieluise-Fleißer-Preis der Stadt Ingolstadt. 1987 Tukan-Preis der Stadt München für das Gesamtwerk. 1988/89 Rezitation und Interpretation der Sauwaldprosa mit dem Budapester Kontrabass-Virtuosen Aladár Pege unter dem Titel Jazz und Sauwaldprosa in Deutschland und Österreich. 1992 erneut Tukan-Preis der Stadt München für Pochwasser – Eine Biographie ohne Ich. 1993 Renovierung und Übersiedelung in ein Haus nördlich von Passau. 2001 erscheint eine vierte erweiterte Auflage der Sauwaldprosa im Residenz-Verlag, Salzburg. 2007 Jean- Paul-Preis. 2008 Nachdruck der Sauwaldprosa von 2001 im Residenz-Verlag, Salzburg.

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