Eberhard Wagner: Das Grabungsschutzgebiet „Versteinerungen "

Am 15. Mai 1979 erklärte das Regierungspräsidium und kleinere Juravorkommen findet man, tektonisch zwi- auf Grund § 22 Absatz 1 des Gesetzes zum Schütze schen älteren Schichten versenkt, im Kraichgau, im Bruch- der Kulturdenkmale das Versteinerungsgebiet Holzmaden feld von Zabern und im Rheintal entlang der Schwarz- zum Grabungsschutzgebiet. Dadurch wurde die alte Ver- wald- und Vogesenlinie. ordnung des Reichsnaturschutzgesetzes rechtswirksam er- setzt. Betroffen sind die Gemarkungen der Gemeinden Der Jura Süddeutschlands besteht aus Meeresablagerun- , Holzmaden, und gen, die sehr versteinerungsreich sind. Er wird in drei, nach und der Städte und Weilheim an der der im Gelände vorherrschenden Farbe ihrer Gesteine Teck im Landkreis sowie die Gemeinden Aichel- bezeichnete Stufen eingeteilt: Weißer Jura oder Malm, berg, Boll, Dürnau, Hattenhofen, und Zell Brauner Jura oder Dogger und Schwarzer Jura oder Lias. unter im Landkreis Göppingen. Friedrich August Quenstedt hat jede dieser Abteilungen in je sechs mit den griechischen Buchstaben alpha bis zeta Diese Maßnahme zum Schutz der Versteinerungen Holz- bezeichnete Stufen gegliedert. maden war notwendig, weil diese Region ungewöhnlich reich an Schwarzjura-Versteinerungen ist, die in ihrer aus- In diesem Zusammenhang interessieren insbesondere die gezeichneten Erhaltung auf der Erde einzigartig sind. Ablagerungen des Schwarzen Jura. Die weite Ebene der Filder wird durch seine untersten Schichten gebildet. Es sind Es ist gewiß eine ungewöhnliche Maßnahme für ein unge- harte Kalke und Sandsteine, die überreich an Versteinerun- wöhnliches Objekt. Denn wer würde schon hinter einem gen, insbesondere Ammoniten und Muscheln, sind. Die Naturgebilde ein Kulturdenkmal vermuten? Jedoch ist der typische Juralandschaft baut sich jedoch erst jenseits des Begriff „Kulturdenkmal" nicht allein auf Gegenstände zu Neckars auf, wo das unmittelbare Vorland der Alb allmäh- beziehen, die menschlicher Tätigkeit entstammen. lich anzusteigen beginnt. Es ist ein fruchtbares, dicht besie- Der Jura tritt so augenfällig wie keine andere geologische deltes Land; Feld, Wiesen und Wald wechseln in bunter Formation im außeralpinen Süddeutschland hervor. Er bil- Folge. Vor dem eigentlichen Albaufstieg breitet sich det die Schichtstufe der Schwäbischen Alb (Albtrauf) und nochmals eine kleine Ebene aus, die von den Posidonien- zieht über Klettgau und Randen zum Schweizer J ura, der zu schiefern gebildet wird. Der Name rührt her von der klei- einem guten Teil aus Juraschichten aufgebaut ist. Größere nen, nach dem griechischen Meeresgott Poseidon benann-

1 ICHTHYO- SAURIER ( Stenoplerygius quadriscissus E. Fr.) mit vollständiger Hautbeklei- dung; Länge 1,2 m. 155 2 SEE- LILIEN (Seiroer inu.s subangularis Mill.); Größe 1,58 auf 2,88 m.

3 MEER- KROKODIL (Steneosaurus bollensis); Länge 2,7 m.

ten Muschel Posidonia Bronni Quenstedt. Sie ist das Ablagerung und Fossilisation verendeter Lebewesen in Leitfossil und die für diese Ablagerung charakteristische diesen Meeresschlicken ist der Sauerstoffhaushalt von ent- Versteinerung. Ihrer ursprünglichen Entstehung nach sind scheidender Bedeutung: Ist viel Sauerstoff vorhanden, diese Ölschiefer marine Faulschlammbildungen, die an kommt es zur Verwesung. Wenn nicht genügend Sauerstoff Kontinentalrändern zur Ablagerung kamen. Die dunkle, vorhanden ist, und nicht zur Verwesung des gesamten blaugraue Färbung kommt vom reichlich vorhandenen Bi- organischen Materials ausreicht, kommt es zur Fäulnis. tumen (Mineralöl) und von fein verteiltem Schwefelkies. Liegt aber die Grenze des sauerstoffhaltigen Wassers über Als Erdölmuttergestein sind solche Faulschlammgesteine dem Meeresboden, so existieren auf dem Meeresboden von hervorragender wirtschaftlicher Bedeutung. Für die keine Lebewesen, auch keine Fäulnisbakterien. Dies ist der 156 4 ICHTHYO- SAURIER ( crassicostatus v. H.) mit einem gebore- nen Jungen und Embryonen im Leib. Länge 3,1 m.

5 SCHMELZ- SCHUPPEN- FISCH ( Dapedius punctalus Ag.); Länge 0,33 m.

Grund für den Fossilienreichtum, da wegen der fehlenden mal. Seine schöne bruchrauhe Oberfläche, die über und Aasfresser die Erhaltungsbedingungen vorzüglich sind. über mit Muschelschalen bedeckt ist, wird heute ausschließ- Die Schieferbrüche um Holzmaden, Zell, Ohmden und Boll lich für innenarchitektonische Zwecke verwendet. sind zumindest schon seit dem Hochmittelalter in Betrieb. Die Schieferbrüche waren früher im allgemeinen fünf auf Immerhin wurden bereits auf der Burg Hohenstaufen acht Meter große Gruben, deren Abbau nach Art des Bodenplatten aus Schiefer verlegt. Der Abbau gilt dem wandernden Steinbruches vor sich ging, indem nämlich je- sogenannten Fleins, einer nur achtzehn Zentimeter dicken weils der ausgebeutete Grubenteil mit dem Abraum der Schieferschicht, die sich durch gleichmäßige Schichtung und Abbaustrecke verfüllt wurde. Heute ist fast das gesamte Ge- Festigkeit auszeichnet. Der Fleins spaltet in der Regel zwei- lände um Holzmaden, in dem der Fleins zwischen zwei und 157 vier Meter unter der Oberfläche liegt, ausgebeutet. So sind Punkten häufiger und in Ausnahmefällen ganz besonders die heutigen Schieferbrüche alle auf Gebiete ausgewichen, schön erhalten werden. in denen der Fleins bis zu zehn Meter tief liegt und nur noch Zum Entdecken der Versteinerungen gehört ein geschultes unter Einsatz schwerer Maschinen erreichbar ist. Die früher Auge. In der Regel ist auf der Oberfläche des Gesteins, übliche Handarbeit ist dadurch weitestgehend ersetzt. außer höchstens einer flachen Aufwölbung, vom fossilen Der Schiefer enthält je nach Schicht und Ort bis zu zwanzig Einschluß nichts zu sehen. Lediglich im Querbruch sind Prozent organische Substanz und brennt deshalb. Durch Knochen an ihrer braunen Farbe im grauen Schiefer er- Schwelen (trockene Destillation) wird das Bitumen zersetzt, kennbar. Nun ist es Aufgabe des Fachmannes, an den und man erhält drei bis sieben Prozent Schieferöl. Auf den Querbrüchen Art, Größe und Lage der Versteinerung nach Fleins ausgegrabenen Steinbruchgeländen bei Holz- festzustellen und Stück um Stück der oft vielfach zerschla- maden, Zell, Boll und Ohmden sind durch Unachtsamkeit genen Schieferplatten zusammenzufügen. Oft führt erst immer wieder große Schieferbrände entstanden: stundenlanges, ja tagelanges Suchen und Probieren zum Erfolg. Die genaue Untersuchung auf Vollständigkeit, „Unter Eberhard III. 1668 geriet eine Schiefergrube bei Erhaltung und Einbettung nimmt der Präparator in der Boll in Brand. Niemand wußte dem Brand zu wehren, der selbst das Wunderbad zu ergreifen drohte. Während des Werkstatt vor. Als Werkzeuge dienen Meißel, Messer, Grabstichel und als unentbehrliche Hilfsmittel Lupe und 6 Jahre dauernden Brandes floß aus dem Boden ein Öl, das Binokularmikroskop. Gestein und bilden eine feste die Leute als Steinöl verkauften" (O. Fraas). Masse. Sie lassen sich nicht einfach auseinanderspalten. So Öl und Teer aus den Posidonienschiefern fanden unter vie- wird in vorsichtiger Schneide- und Schabarbeit Knochen um lerlei Namen, auch in der pharmazeutischen Industrie, Ver- Knochen freigelegt, wobei den geübten Präparator lediglich wendung. Die heute wieder besonders aktuelle Frage nach die andere Farbe des leitet. Eine große Seltenheit, der Gewinnung von Heiz- und Kraftstoffen ist wegen zu aber zugleich ein Gradmesser für die Qualität der Präpara- geringer Wirtschaftlichkeit nicht von Bedeutung. tion ist die Erhaltung sogar hauchdünner Haut- und Musku- Es ist nicht genau zu sagen, zu welchem Zeitpunkt man laturreste bis zum ganzen Körperumriß. Je vorsichtiger und erstmals auf die versteinerten Reste einer Tierwelt auf- feiner diese mühevolle und zeitraubende Arbeit ausgeführt merksam wurde, die vor rund 150 Millionen Jahren im wird, desto wissenschaftlich wertvoller und schöner ist dann Jurameer lebte. Sicherlich sind die massenhaft vorkommen- das Präparat. den Ammoniten und Muscheln den Schieferbrechern zu Die Präparation und der Verkauf von Fossilien sind seit eh allen Zeiten aufgefallen, weil sie auf den natürlichen Spalt- und je kommerzieller Bestandteil der Schieferbruchunter- flächen des Schiefers zu sehen sind. Anders ist es jedoch bei nehmen. Ihre Existenz gründet sich sogar wenigstens zum den im kompakten Gestein eingebetteten Wirbeltierresten. Teil darauf. Die neue Grabungsschutzverordnung besagt, Wohl besitzt das Staatliche Museum für Naturkunde in daß wissenschaftlich wertvolle Fossilien bei ihrer Entdek- Stuttgart präparierte Ichthyosaurier, die noch aus dem kung Eigentum des Landes werden. Dies würde einen emp- königlichen Naturalienkabinett stammen. Es ist aber das findlichen Eingriff in die Kostenstruktur der Betriebe unstrittige Verdienst von Dr. h. c. Bernhard Hauff (1866 bis bedeuten, wäre nicht durch die Verordnung gleichzeitig 1950), durch sorgfältige Bergung und Präparation die Ver- Vorsorge getroffen, daß zum einen für die Entdeckung einer steinerungen des Holzmadener Posidonienschiefers weit Versteinerung eine Fundprämie bezahlt und zum anderen über die Gelehrtenwelt und auch weit über die Grenzen des die Kosten für die Bergungsarbeit und versäumte Arbeits- Landes hinaus berühmt gemacht zu haben. Aus der privaten zeit erstattet würden. Aufwandsentschädigung und Prämie Sammlung von Hauff entstand in den Jahren 1967 bis 1971 richten sich hierbei nach dem Wert des Stückes. Dieser in Holzmaden das neue Museum Hauff, das eine Kostbar- Wertung liegt auch eine Unterscheidung in „Kulturdenk- keit für Kenner ist. mal" und „Nichtkulturdenkmal" zugrunde, die sich aus- Auf die Frage, warum gerade der Raum um Holzmaden so schließlich nach dem wissenschaftlichen Wert orientiert. reich an Fossilien ist, gibt es Antworten mehr als genug. Die Wertung und Entscheidung trifft das Staatliche Nach der Theorie von Pompeckij haben in dem damaligen Museum für Naturkunde, das auf der rechtlichen Basis einer Meer Verhältnisse geherrscht, wie sie heute ähnlich im institutionalisierten Regelhilfe für das Landesdenkmalamt Schwarzen Meer beobachtet werden können. Durch tätig wird. Als Fachmann vor Ort und ehrenamtlicher schmale Verbindungswege mit dem freien Ozean erfolgte Beauftragter für das Grabungsschutzgebiet „Versteinerun- nur geringe Zufuhr an frischem Wasser. So bildeten sich, gen Holzmaden", dem auch Funde gemeldet werden müs- begünstigt durch reiches Planktonleben in den oberen Was- sen, ist Herr Dr. Hauff, Holzmaden, bestellt worden. serschichten, am Meeresboden giftiger Schwefelwasserstoff und Bitumen. Durch Drehkreisströmungen reicherte sich Dr. Eberhard Wagner an bestimmten Zentren das Treibgut an. So konnten durch LDA ■ Bodendenkmalpflege Zusammentreffen vielerlei günstiger Voraussetzungen in Schillerplatz I dem feinen Meeresschlamm die Einschlüsse an bestimmten 7000 Stuttgart 1

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