22 Thema Copy-and-Paste Bauwelt 7 | 2012 Bauwelt 7 | 2012 23

Gaoqiao, Dutch Town | Planung Kuiper Compagnons, Atelier Dutch

Baozhen Town European-American Style

Luodian New Town Luodian New Town Swedish Style Jiading New City Chenjiazhen New Town Dongtan Eco-City

Anting New Town German Style Gaoqiao Town Dutch Style New Town Chuansha Town Zhujiajiao Qingpu New City Chinese Jiangnan Style

Pujiang New Town Italian Style Zhoupo New Town Liuzao Town European-American Style Pujiang New Town Jinze Town Lingang Lingang Qingcun Town British Style New Harbour City New Harbour City Fengcheng New Town Nanqiao New City New Town Spanish Style Ein Polizist bewacht den Ein­ Canadian Style gang zur Baustelle eines Langxia Town neuen Bauabschnitts im süd­ lichen „Holland Village“. 2001 2010 2020 Die Mühle beherbergt einen Schönheitssalon. Einen sol­ chen findet man auch in der Hauptstraße – neben einer Billardhalle und einem hol­ ländischen Teehaus.

Eine Stadt, neun Städtchen

Unter dem Schlagwort „One City, Nine Towns“ wurde vor zehn Jahren in mit dem Bau von neun Satellitenstädten begonnen. Der Bezug auf vornehmlich europäische Städte sollte ihnen eine exklusive Note verleihen. Mit der Planung wurden renommierte Büros aus den jeweiligen Ländern betraut. Ein erfolgreiches Beispiel städtebaulichen Kulturtransfers?

Text Bert de Muynck Fotos Arnd Dewald

Zeichnungen oben: Acht der Architektur und Stadtplanung stecken in einer Identitäts- schwedische und eine englische Stadt. Diese New Towns, mit als Pilotprojekte geplan­- krise. In der Architektur zeigt sie sich beispielhaft in der Sehn- dem Anspruch entworfen, dass jede Stadt „ihren ganz eigenen ten New Towns im „European- American Style“ wurden ei­­- sucht nach „Ikonen“; sie hat die letzten Jahrzehnte geprägt. In und einzigartigen Charakter erhalten soll“, sind inzwischen nem bestimmten Land zuge- der Stadtplanung hat die Überschreitung der Fünfzig-Prozent- weltweit bekannt geworden wegen ihrer kopierten Architek- ord­net (rot markiert). Vio­- lette Kreise im Plan 2010 wei- Schwelle zwischen Land- und Stadtbewohnern im Jahr 2008 tur und wegen ihres Leerstands. In sind sie negative sen die sogenannten „Fokus- klargemacht, dass die bisherigen Strategien nicht für die Zu- Protagonisten in einer Diskussion über den Import ausländi- re­gionen“ aus, die vorrangig kunft taugen. In europäischen Städten hat diese Entwicklung scher Architekturstile. weiterentwickelt werden. wenig Auswirkungen. Der Großteil ist bereits gebaut, die Iden- Abb.: Shanghai New Towns, tität somit nur begrenzt veränderbar. In China hingegen sind Die langsame Annäherung Harry den Hartog (Hg.), 2010, beide Bereiche eng verbunden; das Wachstum der Stadt liefert Ein Ortsbesuch findet heute bequemerweise mit den öffentli- 010 Publishers, www.010.nl zugleich das Alibi dafür, neue Identitäten zu finden. Dafür chen Verkehrsmitteln statt. Ich nehme die U-Bahn. Thames wird der gesamte Katalog der Architekturgeschichte bemüht. Town, Swedish Town und Holland Village liegen alle in der Ein außergewöhnlicher Fall, in großem Maßstab, ist das Nähe einer Endhaltestelle: Thames Town im Westen, Swedish Projekt „One City, Nine Towns“. Die Stadt Shanghai hat 2001 Town im Norden und Holland Village im Osten. Vom Bund, beschlossen, beim Bau von neun Satellitenstädten europä­ der Ansammlung neo-klassischer Gebäude im Stadtzentrum ische und nordamerikanische Vorbilder heranzuziehen. Ein von Shanghai, die Anfang des 20. Jahrhunderts gebaut wur-­ Jahrzehnt später ist Shanghai von einem Kranz pseudo-histo- den und heute eine der Touristenattraktionen sind, dauert die rischer, pseudo-regionaler und pseudo-europäischer Satelliten Fahrt etwa eine Stunde. So lange braucht man auch vom Eif- umgeben, die von der Metropole aus mit U-Bahnen und über felturm nach Paris Disney. Autobahnen zu erreichen sind. Zu ihnen zählen eine spani- Die Bahn fährt lange unter der Erde. Als sie ans Tageslicht sche, eine italienische, eine deutsche, eine holländische, eine kommt, werde ich von typischen Shanghaier Vororten emp- 24 Thema Copy-and-Paste Bauwelt 7 | 2012 Bauwelt 7 | 2012 25

Luodian, Swedish Town | Planung Sweco Architects, KTH Urban Planning and Design

fangen: wuchtige Hochhäuser ersetzen hier die ursprünglich für Spanish Town jeweils 80.000 Einwohner, doch tatsäch-­ ländliche Bebauung. An den Endstationen angekommen er- lich gebaut wurden in den meisten Fällen bisher nur Teilab- warte ich, dort die nahegelegenen, von Europa inspirierten ar- schnitte. Das liegt vor allem in einer politischen Entscheidung chitektonischen Errungenschaften auf Plakaten und Werbe­ begründet: Nach fünf Jahren, mit Inkrafttreten des 11. Fünf­ tafeln zu finden, gemeinsam mit dem einen oder anderen jahresplans 2006, wurde der Bau der als Pilotprojekte angeleg- Wahrzeichen – kleine Repliken vom Big Ben, des Kolosseums ten Städte des „One City, Nine Towns“-Programms auf Eis ge- oder einer Windmühle. Doch nichts dergleichen. Da der öf- legt, wahrscheinlich aus ökonomischen Überlegungen. Wäh-­ fentliche Verkehr im kleineren Maßstab nicht mehr funktio- rend einige der Satelliten – u.a. die Italian, German und Swe- niert, steige ich für das letzte Stück des Weges in ein Taxi. dish Town – mitlerweile in den Status sogenannter „Fokusre- In den einzelnen Nine Towns bin ich zuallererst über- gionen“ aufgerückt sind, kämpfen andere um eine Positon in rascht davon, wie klein die meisten von ihnen sind. Studiert taifunartig ausufernder territorialer Stadtentwick- Einkaufszentrum entlang ei­ ner der Landschaftsachsen­ man die Berichte in internationalen Medien, die in letzter Zeit lung. Und alle kämpfen um eine eigene Identität. der Canadian Town. Das Wohn­ zahlreich veröffentlicht wurden, entsteht der Eindruck, alle gebiet liegt etwas abseits neun Städte seien riesige Gebiete von zig Quadratkilometern Das Typische davon. Es scheint der einzige Teil der Stadt zu sein, der Größe in traditionellen europäischen Baustilen. Doch in der Die Suche nach dem Typischen erzeugt beim europäischen funktioniert. Das Viertel ist Realität findet sich wenig von dem Bild, das hier gezeichnet Besucher sofort den Impuls, das Vorgefundene mit den Struk- belebt, parkende Motor- wird. Zwar sind die geplanten Einwohner-Zahlen tatsächlich turen aus der Heimat zu vergleichen. In Thames Town ist es so Rikschas zeigen, dass hier nicht nur die Oberschicht beeindruckend: für Thames Town waren es 10.000 Bewohner, still, dass ich unwillkürlich tatsächlich an eine verschlafene wohnt. für German Town zwischen 30.000 und 50.000, für Italian und englische Kleinstadt denken muss. Und ist es eine Ironie des

Fengjing, Canadian Town | Planung Six Degrees Architecture, Corban and Goode

Zufalls oder Absicht, dass sich Holland Village in der Nähe der Nord-Waigaoqiao-Sonderhandelszone in befindet, die einer aufgeblasenen Version des Amsterdamer Hafengebiets gleicht? Die holländische „Stadt“ – eigentlich nur ein Platz und eine Straße – erinnert allerdings mehr an die offenen und immer zugigen Flächen, denen man in holländischen Vorstäd- ten begegnet. In der Architektur rächt sich der vermeintlich sichere Rückgriff auf das Pittoreske, der Kopie fehlen Begründung und Bezug. Zwar sind alle Städte, gemäß der westlichen Vorbilder, fußgängerfreundlich angelegt und unterscheiden sich in Ge- staltung, Straßeneinteilung und der Menge öffentlichen Rau- Gleich drei Kirchen sollen überlegt vor dieser schwedi­ Swedish Town authentisch ma­ schen „Skyline“. Der Stra- mes. Doch irgendetwas stimmt nicht mit dem Maßstab, und chen. Hochzeitsfotografen ßenraum ist schon deutlich Stilreinheit sucht man vergebens. Bei näherer Betrachtung be- platzieren ihre Kunden wohl­ chinesisch geprägt. schränken sich die jeweiligen landestypischen Merkmale auf eine Ansammlung zusammengewürfelter Elemente: histori- sche Häuserstile, typische Straßennamen, Rasenflächen, Gär- ten, Stadtmöbel, Gehsteigtexturen. Die Kirchen, die fast allen der Nine Towns einen europäischen Anstrich geben, kann man zumeist als Attrappen bezeichnen: Bar jeder typologischen Nut- zung, sind sie hier Hochzeitsläden, Hotels oder Shoppingcenter. 26 Thema Copy-and-Paste Bauwelt 7 | 2012 Bauwelt 7 | 2012 27

Fengcheng, „Spanish Town“ | Planung Codinachs Architects Thames Town, British Town | Planung Atkins Design Studio

Städtebaulich geht es – abgesehen von der Dichte und der Die Kirche in Thames Town Orientierung der Häuser – fast schon typisch chinesisch zu. So ist eine detailgetreue Kopie der Christ Church Clifton sind die neuen Wohngebiete, wie in China üblich, als Gated in Bristol. Sie ist die begehr­ Communities angelegt. Für jedermann zugänglich bleiben oft teste Kulisse für Fotoshoot­ nur die Einkaufsstraßen – „in“ Schweden, Italien oder Hol- ings. land. Der seltene Versuch, hier eine Nutzungsmischung zu etablieren – in German Town z.B. liegen über den Läden Woh- nungen –, scheint nicht von Erfolg gekrönt zu sein. Auch die Straßenbreiten brechen das westliche Muster. Chinesische Bau- vorschriften schreiben Straßenräume vor, die bei weitem das überschreiten, was wir aus europäischen Städten kennen. Eine höhergelegene Prome­ gen zugemauerte Ladenlokale nade im Gewerbeviertel von davon, dass die meisten Ge­ Spanish Town beherbergt schäfte nach Fertigstellung Leere und Transformation u.a. eine Kampfsportschule. nicht in Betrieb genommen Ihrem Ruf als Geisterstädte werden die Satelliten trauriger- Im Erdgeschossbereich zeu- wurden. weise gerecht. In Swedish Town – einer der „Fokusregionen“, die bis 2020 mindestens 50.000 Einwohner beherbergen soll – finde ich einen Themenpark: verlassen, einen Golfplatz: leer, eine internationale Kunstgalerie: geschlossen, einen Glocken- turm: nicht zugänglich und eine Straße im nordischen Stil: de- solat. Auch in den meisten anderen Städten gibt es nichts zu tun, nichts einzukaufen, nichts zu essen oder zu trinken. Tou- 28 Thema Copy-and-Paste Bauwelt 7 | 2012 Bauwelt 7 | 2012 29

Pujiang, Italian Town | Planung Gregotti, Centro Studio Traffico, Ove Arup

Zhujiajiao, Chinese Town | Planung Ben Wood Studio Shanghai

Zu den Nine Towns zählt auch eine „Chinese“. Mit lokalen Materialen, z.B. Bambus bei der Polizeistation rechts oben, entstand hier hochwer­ tige Architektur.

Die Italian Town ist die größte risten verirren sich hierher nicht. Außer auf Wachpersonal schen Klientel offensichtlich besser erfüllen als die angrenzen- der Nine Towns. Die Kanäle, und Reinigungskräfte trifft man nur auf Brautpaare, die auf den westlich geprägten „Paradiesvögel“. Um Nachfrage vorzu- die das Gebiet durchziehen, sollen Assoziationen zu Vene­ der Suche nach der besten Kulisse für ihre Hochzeitsfotos täuschen, sind die Investoren jetzt teilweise dazu übergegan- dig wecken. Sie sind teils sind. gen, ihre Wohnungen selber zu kaufen, nachts wird dort mit von Wohngebäuden, teils von So unwohl man sich als westlicher Architekt in dieser beleuchteten Fenstern Leben simuliert, um echte Mieter an­ Gewerbebauten flankiert. Kulisse fühlt – eine Parodie war jedenfalls nicht das Ziel der zulocken. Planer. Hier wurde für die örtliche Bevölkerung gebaut, mit Doch man sollte diese Gegenden nicht zu schnell für tot Stil als Marketinganreiz, für die Mittelklasse als Zielgruppe. erklären. Nachdem viele von ihnen radikal und dogmatisch Als Käufer hatte man jene im Auge, die jeden Tag ins Zentrum gezwungen wurden, eine fremde Vergangenheit darzustellen, von Shanghai pendeln, zu Flughäfen oder Universitäten, in Fi- versuchen sie gerade herauszufinden, wie sie sich auf die Zu- nanzdistrikte oder Hafengebiete. Die Rechnung ist offensicht- kunft einrichten können. Die Transformation hat bereits be- lich nicht aufgegangen. Auch, weil hier – obwohl die Ent- gonnen. Die Swedish Town von heute ist mehr Chinatown als würfe allesamt von renommierten Planungsbüros aus den je­- dass sie zum Beispiel Stockholm wäre, die nordische Szenerie weils namensgebenden Ländern stammen – weder hochwer- verschwindet langsam unter chinesischen Werbetafeln und tige europäische, noch anspruchsvolle oder luxuriöse Mileus Plakaten, Gebäude werden mit chinesischen Dächern, Dra- entstanden sind. In ihrer Low-Cost-Ausführung sind die Nine chen und Lampions verziert. Die europäisch inspirierten Orte Towns die architektonische Entsprechung von Schlagern, Mu- mutieren, bis sie in das passen, was der Markt will. Wenn es sicals und Operetten. Ein weiterer Grund ihres Scheiterns liegt heute auch absurd klingen mag, wird es wahrscheinlich ein in der großen Konkurrenz vor Ort: Die neuen Städte wurden Dilemma der Zukunft sein, das Typische dieser Gegenden zu nicht selten in der Nähe existierender Zentren errichtet, die erhalten. Das Ergebnis nennt man Fotokonservierung. Die Zu- bereits gut funktionieren und die Erwartungen der chinesi- kunft ist dann eingerahmt. Buchstäblich. ▪ 30 Thema Copy-and-Paste Bauwelt 7 | 2012 Bauwelt 7 | 2012 31

anderen Satelliten überrascht es, dass davon Sehen Sie auch Fehler auf Ihrer Seite? in Anting nichts zu sehen ist. Gab es darüber Ja, unsere Planung hatte einen entscheidenden eine Diskussion mit dem Auftraggeber? Denkfehler: Die Blockstrukturen ergaben zwar Natürlich! Nachdem wir den internationalen schöne halböffentliche Räume, haben aber Wettbewerb für Anting gewonnen hatten zwangs­läufig eine Reihe Ost-West-orientierter wurde uns klar, dass viele Beteiligte entweder Wohnungen nach sich gezogen. Dass in diese gar keine Vorstellung von „German Style“ hat- kein Chinese freiwillig einzieht, weil dort tradi- ten, oder – und das war weitaus schlimmer – tionell alle Wohnungen Nord-Süd-orientiert sie stellten sich eine mittelalterliche Stadt vor, sind, war uns in letzter Konsequenz nicht klar. Anting, German Town | Planung Albert Speer & Partner eben mit Fachwerk und allem was dazugehört. Das kann man natürlich bauen – als Teil von Dis- Trotz dieser Enttäuschungen sind Sie beim zwei- neyland! Aber in einem modernen Netzwerk ten Bauabschnitt jetzt wieder mit dabei. Was aus Satellitenstädten hat sowas nichts verloren. hat sich geändert? Johannes Dell | Foto: AS&P Wir wollten, dass die deutsche Stadt weder Anting hat 2010 von der Aufmerksamkeit profi- ein Vergnügungspark wird, noch ein städtebau­ tiert, die der Stadtentwicklung Shanghais zur liches Freiluftmuseum oder eine Ausstellung Expo zuteil wurde. Nicht nur wurde der Metro- moderner Architektur. Anschluss endlich realisiert, bis dahin eines In German Town wird seit Innenhöfe bisher zu wenige der größten Defizite. Es wurde auch entschieden, etwa einem Jahr wieder Mieter an. Die Kirche am Was war denn Ihre Vorstellung von einer die zehn Jahre alte Planung zu erneuern. Wir gebaut. Die Wohnblöcke nach zentralen Platz wird derzeit deutschem Vorbild ziehen nach einem Entwurf von „typisch deutschen“ Stadt? wurden zum Wettbewerb für eine zweite Phase trotz aufwendig begrünter gmp realisiert. Diese Frage haben wir endlos diskutiert ... Beim eingeladen und haben diesen gewonnen. Entwurf des ersten Bauabschnitts wurden dann „Wir wollten kein Freiluft­ drei Prinzipien definiert, die unserer Meinung Wie haben Sie mit der Neuplanung auf die nach am besten einen deutschen – oder besser: Erfahrungen der ersten Phase reagiert? museum bauen“ Johannes Dell einen europäischen – Stil in Städtebau und Ar- Der Anteil Ost-West-orientierter Wohnungen chitektur reflektieren. Das war zum einen der wurde durch die Veränderung der Block- in eine Herr Dell, Sie haben für Albert Speer & Partner Baublock und die sich aus ihm ergebende Hier­ Zeilenstruktur auf ein Minimum reduziert. Die die German Town Anting bei Shanghai geplant. archisierung öffentlicher Räume, zum anderen neuen Gebiete sind einerseits weniger dicht und Die geringe Dichte unserer Städte scheint nicht eine moderne, ressourcenschonende Infrastruk- weniger städtisch, andererseits gibt es auch ei- gerade geeignet als Modell für ein Land mit tur. Am Ende, als dritter Aspekt, sollte ein „deut- nige Wohnhochhäuser. Die neue Entwicklungs- starkem Urbanisierungsdruck. Warum eine deut- scher“ Architekturstil definiert werden. Wir gesellschaft wollte das Angebot mehr auf die sche Stadt in China? konnten unsere Auftraggeber glücklicherweise „Shanghaier Durchschnittsklientel“ ausrichten. Die Planungen waren nie als Vorbild gedacht. überzeugen, dass das Bauhaus in Dessau eine Um den Entwurf mehrheitstauglich zu machen, Das Konzept der Nine Towns war eine Marke- der einflussreichsten Architekturschulen des mussten wir uns ein Stück von unseren eigenen tingidee der Stadtverwaltung von Shanghai, um 20. Jahrhunderts war, und diese Ideen deutsche Ansprüchen entfernen. Dafür wird es sicher ihren Bürgern das Konzept der Satellitenstädte Architektur besser repräsentieren als die des Kritik aus dem Westen hageln. Aber in Anting schmackhaft zu machen, die die Stadt zur Ent- Mittelalters. Die drei Entwurfsprinzipien wur- haben wir gelernt: Es ist sinnlos, mit Pilotpro- lastung des Zentrums dringend braucht. Einige den dann auch an die anderen deutschen Bü­- jekten vorzupreschen und keiner folgt. Um Ver- dieser Satelliten sind an Standorten, die nicht ge- ros weitergegeben, die in der ersten Phase mit änderungen zu erreichen, muss man mit Ver- rade dem Traum der Shanghaier Bürger von uns an dem Projekt gearbeitet haben, u.a. besserungen beginnen. ihrem zukünftigen Wohnort entsprechen. Also Auer + Weber und Braun & Schlockermann. Das Interview führte Brigitte Schultz musste ein Image geschaffen werden, das die Menschen anzieht. Nach der politischen Ent- Wie betrachten Sie das Ergebnis heute? scheidung, ausländische „Labels“ für diese Wir waren, offen gesagt, lange Zeit sehr unzu- Johannes Dell | geb. 1956, studierte Architek- Städte zu wählen, war es nicht die Frage ob, son- frieden damit und sind 2004 ja auch aus dem tur und Stadtplanung in Kaiserslautern und Darmstadt. Seit 1989 bei Albert Speer & Part- dern eher wo eine deutsche Stadt realisiert Projekt ausgestiegen. Das Projektmanagement ner, seit 2003 als China-Repräsentant des werden sollte. Für chinesische Kunden ist das war katastrophal, die geplante Verkehrsanbin- Büros, seit 2007 Geschäftsführer der AS&P La­bel „deutsch“ sehr positiv besetzt, sie den- dung und die nötige Infrastruktur wie z.B. Schu- Architects Consulting Co. in Shanghai. ken gleich an technischen Fortschritt, Präzision len wurde nicht realisiert, wir wurden nicht an und Zuverlässigkeit. Ausführungsplanung oder Bauleitung beteiligt, unser Energie-Konzept wurde nicht adäquat Städtebaulich verbinden die meisten Chinesen umgesetzt. Hinzu kam, dass die bauliche Quali-

Deutschland sicher eher mit Fachwerkhäu- tät erschreckend war – und es zogen viel zu Dazu auf Bauwelt.de | Bildstrecke: sern und verwinkelten Gassen. In der Reihe der wenig Menschen dort ein. Rundgang durch die Satellitenstädte