Aus der 50-jährigen Geschichte

   der Fachgruppe Ornithologie 

  und Naturschutz Güstrow

Joachim Loose und Angela Martin

Aus der 50-jährigen Geschichte der Fachgruppe Ornithologie und Naturschutz Güstrow

Joachim Loose und Angela Martin

unter Mitwirkung von Wolfgang Köhler, Sebastian Lorenz, Manfred Montschko, Helmut Richter, Reinhard Schaugstat, Eckhard Schlüter, Guntram Trost

Zum Andenken an unseren Freund und Gründer der Fachgruppe Dr. Wolfgang Neubauer Impressum

Herausgeber: NABU-Ortsgruppe Güstrow e.V. für die Fachgruppe Ornithologie und Naturschutz Güstrow Leitung: Dr. Angela Martin, Hafenstraße 19e, 18273 Güstrow

Redaktionsschluss: 29.Februar 2016

Alle Rechte vorbehalten! Nachdruck, auch auszugsweise, sowie fotomechanische Wiedergabe nur mit Genehmigung des Herausgebers

Redaktion: Joachim Loose und Angela Martin

Gesamtherstellung: Geozon Science Media, Berlin

DOI: 10.3285/g.00016

Titelfotos: J. Loose Danksagung

Die kritischen Manuskriptdurchsichten übernahmen die Fachgruppenmitglieder Wolfgang Köhler und Guntram Trost, denen auch für textliche Korrekturvorschläge unser besonderer Dank gilt.

Für die kostenlose Bereitstellung der verwendeten Fotos wird den genannten Bildautoren gedankt.

3 Sponsoring

Der Druck der vorliegenden Broschüre wäre für eine rein ehrenamtlich arbeitende Gruppe ohne Unterstützung von außen nicht möglich gewesen. Wir haben deshalb Hilfe bei Freunden, mit denen uns eine langjährige Zusammenarbeit verbindet, gesucht. Wir danken den nachfolgend genannten Einrichtungen, Verwaltungen und Betrieben für ihre freundlichen Spenden in der Reihenfolge der eingegangenen Spenden:

– Stiftung der Ostseesparkasse – Ingenieurbüro KULTA, Güstrow – Biota - Institut für ökologische Forschung und Planung, Bützow – Förderverein Natur- und Umweltpark Güstrow, Wildpark- MV – FRG Hansa Güstrow – Allgemeine Wohnungsgenossenschaft Güstrow – Wohnungsgesellschaft Güstrow – WOKRA für die Stadt – Energieversorgungsbetrieb WEMAG, Schwerin – Betreiber der PVA Güstrow - FP LUX Investments S.A. SICAV-SIF – Stiftung Reepsholt für Naturschutz und umweltgerechte Ressourcennutzung – Ornithologische Arbeitsgemeinschaft Mecklenburg-Vorpommern e.V.

Stiftung Reepsholt FP LUX INVESTMENTS für Naturschutz S.A. SICAV-SIF und umweltgerechte Ressourcennutzung

Ein besonderer Dank geht an nachfolgende Privatpersonen:

Dr. Andreas Hertkorn Dr. Angela Martin Dr. Beate Meder-Trost Dr. Ingolf Schult

Unseren Dank richten wir ganz besonders auch an alle derzeit aktiven Mitglieder der Fachgruppen Ornithologie und Naturschutz Güstrow, die einen nicht unerheblichen finanziellen Beitrag leisteten. INHALT

Seite Seite

1. Einleitung 6 9.6 Was wir sonst noch zusammengetragen haben 144 9.6.1 Fische, Lurche und Kriechtiere 144 2. Zur Geschichte und Arbeit der Fachgruppe 8 9.6.2 Säugetiere 148 9.6.3 Insekten 152 3. Aus der Fachgruppe geboren – die Botanik-Arbeitsgemeinschaft 20 10. Projektarbeiten der Fachgruppe 156 10.1 Mehr als 55 Jahre Forschung an 4. Besondere Aktivitäten der Fachgruppe 23 Flussseeschwalben 156 10.2 27 Jahre Kunstinseln für Flussseeschwalben 5. Öffentlichkeitsarbeiten 28 im NSG Breeser See 159 5.1 Vorträge, Broschüren und Artikel in der 10.3 18 Jahre Haubenlerchen-Farbberingungs- Lokalpresse 28 programm in Güstrow 167 5.2 Informationstafeln 31 10.4 28 Jahre Sperberhorsterfassung und Beringung 5.3 „Die Leute vom Kulturbund“ TV-Film (1982) 34 von Jungsperbern 171 5.4 Vogelstimmenexkursionen 36 10.5 Das Projekt Wanderfalke – erfolgreiche Gemeinschaftsarbeit mit dem LJV 175 6. Andenken an verstorbene Mitglieder der 10.6 Herrichtung von Trafohäusern als Fachgruppe 39 Lebensraum für Tierarten 179 10.7 Fledermausschutz durch Quartierbereitstellung 7. Besondere Ehrungen von Mitgliedern der in Eiskellern 184 Fachgruppe 47 10.8 Nisthilfen für Mauersegler 186 10.9 Dohlen und andere Kirchenbewohner 189 8. Über das Naturschutzwirken der Fachgruppe 50 10.9.1 Die Dohlenkolonie in der Kirche von 189 8.1 Gebietsausweisungen und Betreuung – 10.9.2 Aktionen in Güstrow 191 Naturschutzgebiete (NSG) 50 10.10 Wasservogelzählungen 194 8.1.1 NSG Krakower Obersee 53 10.11 Wintervogel- und Agrarvogelzählungen 197 8.1.2 NSG Breeser See 60 10.12 Wissenschaftliche Vogelberingung 203 8.1.3 NSG Upahler und Lenzener See 67 8.1.4 NSG Zehlendorfer Moor 72 11. Resümee und Ausblick für die weitere 8.1.5 NSG Schlichtes Moor 80 Arbeit der Fachgruppe 208 8.1.6 NSG Gutower Moor und Schöninsel 85 8.1.7 Aktivitäten in andere NSG 91 8.2 Gebietsausweisungen und Betreuung - – Verwendete Abkürzungen 211 Flächennaturdenkmale (FND) 95 – Literatur 212 8.3 Entwicklungen und Beobachtungen in anderen Gebieten 102 Anhang 8.3.1 Augrabengebiet 102 1 – Liste der Fachgruppenmitglieder 214 8.3.2 Zuckerfabrik-/PVA-Teich(e) 104 2 – Literaturverzeichnis 216 8.3.3 Polder Gutow 110 3 – Posterserien der FG und des NABU 222 8.3.4 Polder Klaber 113 4 – Poster der Ausstellung zum 80.Jahrestag 8.3.5 Ochsenauge 115 des NSG Krakower Obersee 228 5 – Wahleingabe der FG – zu 8.1.6 232 Spezieller Teil 6 – Landschaftsentwicklungsvisionen 236 9. Ausgewählte Darstellungen von Artbearbeitungen innerhalb von 50 Jahren 117 – Über die Autoren 238 9.1 Weißstorch 118 – Rückseite: 9.2 Graureiher 129 Vogelvignetten von den Titelseiten der 9.3 Arbeit mit den Adlern (Seeadler, Fischadler) 133 FG-Jahresberichte ab 1987 9.4 Kranich 136 9.5 Saatkrähe 140 50 Jahre Fachgruppe Ornithologie und Naturschutz Güstrow

1. Einleitung

Die „ORMIG“-Abzüge der ersten im Ordner abgelegten Jah- re 2002 auszuwerten und mit vorgenanntem Titel zu pu- resberichte der Fachgruppe Ornithologie und Naturschutz blizieren. Diese Zusammenfassung wird für nachfolgende Güstrow sind bereits so verblasst, dass man sie kaum noch Generationen die Basis für eine Bewertung von künftigen lesen kann. Diejenigen, die später dazu kamen und sich von Veränderungen in der Vogelwelt sein. Auch können neue den vorangegangenen Berichten zeitgemäß damals nur Ko- Ornithologen unserer Gruppe mit dieser Zwischenschau pien auf Thermopapier anfertigten, sind ganz schlecht dran ihre selbst gemachten Beobachtungen in ihrer Bedeutung – sie sehen heute auf dem dünnen Papier nichts mehr. leichter einordnen.

Aus 50 Jahren Fachgruppenarbeit gibt es viel zu berichten, Mit unserer Broschüre zum 50jährigen Jubiläum der Fach- viel mehr, als in einer langen Festrede vorgetragen werden gruppe wollen auch wir an die nicht mehr unter uns wei- könnte. Um Altes in Erinnerung zu bewahren, wollen wir lenden Mitglieder und ihr ornithologisches Wirken erin- mit diesem Heft die ehrenamtliche Arbeit der Ornithologen nern. Es wird vom praktischen Naturschutz, der zu einer und Naturschützer aus einem halben Jahrhundert in dem anderen Zeit weitgehend nur von Ehrenamtlichen getra- bis 1994 als Kreis Güstrow bezeichneten Gebiet darstellen gen wurde, berichtet. Schließlich werden auch einige For- und für nachfolgende Generationen bewahren. schungsergebnisse dargestellt, die noch nicht in unsere Das Betätigungsfeld der Fachgruppe umfasst bis heute Kreisavifauna Eingang finden konnten, da sie erst nach die Fläche des Altkreises Güstrow, wie er administrativ 2002 entstanden sind. nach der Verwaltungsreform vom 25. Juli 1952 bis zum 12. Juni 1994 in einer Flächengröße von 1.002 km2 existierte. Wie in anderen ehrenamtlich arbeitenden Gruppen auch, verzeichnen wir mit unserem eigenen Älterwerden eine Viele unserer ehemals aktiven Mitglieder aus der Fach- wesentliche Erhöhung des Durchschnittsalters unserer FG- gruppe weilen nicht mehr unter uns und können den Neu- Mitglieder. Es fehlt an jungen interessierten Ornithologen. hinzugekommenen nicht mehr von ihren Erlebnissen und „Unsere neu dazugekommenen Jungs“ aus den 1980er Jah- Forschungen erzählen. Umso wichtiger erscheint es uns, ren sind in ihren Berufen „gefangen“ und zudem gestan- dass neben fachlichen Darstellungen auch die ganz persön- dene Familienväter, so dass ihre Zeit für ornithologische lichen Erinnerungen und Erfahrungen unserer Akteure in Beobachtungen oder gar umfangreichere Arbeiten knapp den einzelnen Beiträgen zum Ausdruck gebracht werden. geworden ist. Wie die Teilnahme an öffentlichen Vogelstimmenwande- Die Geschichte der Fachgruppe „Ornithologie und Natur- rungen und Kranichexkursionen sowie Besuche von Vor- schutz Güstrow“ begann im Dezember 1965. trägen zu ornithologischen Themen zeigen, scheint ein Seitdem haben in ihr 67 Mitglieder mehr oder weniger ak- Interesse an unserer heimischen Vogelwelt in breiten Be- tiv mitgearbeitet. Etwa 10 Personen kamen nur für kurze völkerungskreisen vorhanden zu sein. Nur wenige Neue Zeit zu den FG-Abenden, ohne sich dann weiter einzubrin- haben jedoch den Weg in unsere Fachgruppe gefunden. gen. Es gab intensive Kontakte zur Jägerschaft, zu Land- Zu verzeichnen ist in unserem Land besonders in jün- und Forstwirten, Fischern und Storchen- oder anderen gerer Zeit die Zunahme von Hobbyfotografen, die ih- Vogelliebhabern. Weit mehr als 50 Gewährsleute haben re Freude am Ablichten von Vogelarten gefunden haben. ergänzende Informationen für die Fachgruppen-Beobach- Die faszinierende technische Entwicklung bei den Digi- tungskartei geliefert. talkameras mit Objektiven von immer größeren Zoom- bereichen befördert diese neue „Sammelleidenschaft“, die Ornithologisch interessante Beobachtungen, Eier- und sich im Internet in immer neuen Homepages präsentiert. Balgsammlungen aus dem Raum Güstrow sind bereits aus Über Erfassungsprogramme (wie z. B. geese.org, icora.de, dem 18. und 19. Jahrhundert belegt und in die avifaunisti- ornitho.de, oamv.de) stellen Ornithologen heute ihre Da- sche Literatur eingegangen. Insbesondere das Gebiet um ten ins Netz, so dass sehr schnell auch Hobbyfotografen an den Krakower See war bereits früher häufig von namhaf- den besonderen Sammelpunkten von Vögeln auftauchen. ten Ornithologen und Sammlern aufgesucht worden. Einen Als Ornithologen sehen wir diese Entwicklung kritisch. umfassenden Überblick über bedeutsame Feststellungen Auch wir bedienen uns der Fotografie als Belegmittel und aus „historischer“ Zeit findet man bei Neubauer, W. (2004) zur Dokumentation unserer Forschungsarbeit. Weniger im Einführungskapitel in „Die Vogelwelt des Altkreises wichtig ist uns dabei, ob die letzte Feder des Vogels auch Güstrow“. Deshalb wird dieses Thema im vorliegenden scharf geworden ist. Unsere ornithologische Arbeit sollte Heft nicht erneut aufgegriffen. auch künftig ihren Schwerpunkt in der weiteren avifau- Sehr froh sind wir, dass es Wolfgang Neubauer unter Mit- nistischen Erforschung unseres Gebietes finden. Das Fort- arbeit der Fachgruppenmitglieder gelang, die ornithologi- führen von kontinuierlichen Erfassungen von Arten in den schen Ergebnisse unserer Fachgruppenarbeit bis zum Jah- verschiedenen Gebieten, Siedlungsdichteuntersuchungen,

6 50 Jahre Fachgruppe Ornithologie und Naturschutz Güstrow brutbiologische Studien und praktische Naturschutzarbei- Wir hoffen, dass sich auch künftig ein Personenkreis wirk- ten sehen wir als wesentlich wertvoller für einen Erkennt- lich „Fachgruppe Ornithologie und Naturschutz“ nennen nisgewinn über die Tierwelt an, als ein stundenlanges kann, weil ihm die weitere Erforschung unserer Tier- und Ansitzen in einem Fotoversteck für ein gelungenes Foto. Pflanzenwelt und der Naturschutz eine wirkliche Herzens- Welchen Nutzen für die Gesellschaft besitzt ein neues Foto sache sind. in einer privaten Sammlung? Gibt es nicht bereits genü- Mit dem Jahresbericht Nr. 46/2013 wurde ein von Gunt- gend professionell arbeitende Vogelfotografen? Natürlich ram Trost entworfenes Logo für unsere Fachgruppe ein- können auch bei einem Ansitz bedeutsame Beobachtungen geführt (siehe Titelseite). Mit der Flussseeschwalbe als der gemacht werden, die weitergegeben werden sollten. Des- darin zu sehenden Vogelart wollen wir das Andenken an halb ist uns auch jeder Vogelfotograf in unserer Gruppe Dr. Wolfgang Neubauer, den Gründer unserer Fachgruppe, willkommen, er sollte sich jedoch nicht nur mit gelungenen bewahren, hat er sich doch einen Großteil seines Lebens Fotos an unserer Arbeit beteiligen. Wir werden auch künf- mit dieser Vogelart beschäftigt und wertvolles Datenmate- tig in unserer FG nicht um die besten Fotos wetteifern und rial gesammelt. Die von ihm dabei gezeigte Beharrlichkeit zu einem Foto-Club mutieren. und Kontinuität bei der Datensammlung soll uns Ansporn Wie in hier folgenden Beiträgen aufgezeigt wird, gibt es und Beispiel sein, ihm nachzueifern. viele Gebiete in unserem Wirkungsbereich, die einer nähe- ren Untersuchung bedürfen oder in denen die Forschung kontinuierlich fortgesetzt werden muss.

Die Größe des bis 1994 existierenden Altkreises Güstrow betrug 1.002 km2.

Karte 1: Der Wirkungsbereich der Fachgruppe Ornithologie und Naturschutz Güstrow in Mecklenburg-Vorpommern.

Auf einem separat für die Fachgruppe anlässlich des Jubiläums erzeugten Datenträger wurden die seit Gründung der FG verfassten Protokolle und in Jahresberichten gesammelten Daten als pdf-Dateien für eine Nutzung durch Artbearbeiter und anderweitig Interes- sierte zur Verfügung gestellt. Sie sollen damit in breiterem Umfang für die Zukunft gesichert werden. Ergänzend wurde eine Reihe von Fotodokumenten aus den persönlichen Archiven von FG-Mitgliedern beigefügt. Mit den Fotos wer- den auch in einigen Gebieten abgelaufene Entwicklungen dokumentiert. Im Textteil eingefügt hätte die Menge der Fotos den Rahmen gesprengt. Auch „Die Vogelwelt des Altkreises Güstrow“ (NEUBAUER, W., 2004) kann separat als pdf-Datei gegen eine Schutzgebühr zur Verfügung gestellt werden. Die Datenträger können bei begründetem Bedarf bei der FG angefordert werden.

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2. Zur Geschichte und Arbeit der Fachgruppe Ornithologie und Naturschutz Güstrow

Joachim Loose unter Zuarbeiten von Angela Martin, Manfred Montschko und Wolfgang Neubauer (†)

Im damaligen Bezirk Schwerin war es Werner Kaiser zu die Güstrower fest, es nicht nur beim Vogelschutz zu belas- verdanken, dass sich nach seinen unermüdlichen Aufrufen sen. Neben den Vogelbeobachtungen wurden von Anfang unter dem Mantel des Kulturbundes der DDR die zahlrei- an auch andere Organismengruppen erfasst. chen Einzelornithologen in den 1960er Jahren zu Kreisfach- Die Leitung der Fachgruppe Güstrow übernahm Wolfgang gruppen zusammen zu schließen begannen. Damit wurde Neubauer aus Krakow am See. Er arbeitete bereits ab 1955 die Arbeit des bereits 1954 gegründeten Bezirksfachaus- im Bezirksfachausschuss Schwerin mit und war dort auch schusses Ornithologie (BFA) wesentlich unterstützt. später viele Jahre darüber hinaus als Beringungsobmann Auf Initiative des Lehrers Wolfgang Neubauer aus Krakow und Mitarbeiter der Arbeitsgruppe Gänsevögel tätig. am See kamen im Dezember 1965 die zu dieser Zeit akti- An Hand der lückenlos vorliegenden Jahresberichte der FG ven Ornithologen des Kreises Güstrow im Haus des Kultur- lässt sich die Entwicklung der Gruppe verfolgen. Eine erste bundes, dem Kersting-Klub, zusammen und gründeten die Informationsschrift der FG berichtet 1968 über die Bildung Kreisfachgruppe Ornithologie und Naturschutz Güstrow. der Fachgruppe und ihre bisherige Arbeit. Betont wurde, Zu den Gründungsvätern gehörten neben Wolfgang Neu- dass enge Kontakte zur Naturschutzverwaltung des Kreises bauer die Herren Reinhard Becker, Dr. Otto Jessen, Kurt bestehen, alle Mitglieder auch Naturschutzhelfer sind und Pohlmann und Georg Strache, von denen heute keiner der Fachgruppenleiter selbst berufener Kreisnaturschutz- mehr lebt. Die Fachgruppe (FG) hat mit ihnen von der beauftragter ist. Zwei Mitglieder der Fachgruppe (W. Neu- Gemeinschaft anerkannte und die sie wesentlich tragende bauer und K. Pohlmann, beides Lehrer) leiten Arbeitsge- Ornithologen verloren. Die Lücken, die sie hinterlassen ha- meinschaften „Vogelkunde“ für Schüler der Klassen 6 bis ben, konnten bis heute nicht wieder geschlossen werden. 10. Die ältesten und aktivsten Schüler durften auch an den Zusammenkünften der FG teilnehmen. Kleine Erfassungs- Kurzzeitig gab es zu der 1965 gegründeten Fachgruppe eine aufgaben wurden von den Schülern übernommen, so z. B. Art Vorgängerin. 1955 wurde am damaligen Pädagogischen die Erfassung der Türkentaube und Zählung der Dohlen- Institut Güstrow von dem Magdeburger Ornithologen Curt brutpaare in der Stadt Güstrow. Weiterhin wurden Gewöl- Kreibig, einem Mitarbeiter im Bereich Zoologie, eine stu- le von Schleiereulen untersucht. dentische Arbeitsgemeinschaft gegründet und geleitet, die Die FG-Mitglieder widmeten sich in dieser ersten Zeit u. a. jedoch nicht sonderlich aktiv war. Immerhin gelang es der Wasservogelzählung, der Kontrolle der Gänse-Schlaf- Kreibig, einigen Studenten die Ornithologie näher zu brin- plätze und der Brutbestandserfassung des Weißstorches. gen und deren vorhandene geringe ornithologische Kennt- Weiterhin wurde festgestellt, dass bereits recht gutes Zah- nisse, insbesondere zu Vogelstimmen, zu erweitern. lenmaterial für Kolkraben, Fisch- und Seeadler, Kraniche, Von 1956 bis 1958 wurde diese Gruppe von Walter Kintzel Fischreiher, Höckerschwäne und Türkentauben vorhanden geleitet. Wolfgang Neubauer hatte eine lockere Verbin- sei. Begonnen wurde mit der Erfassung der Graugänse, Mi- dung und nahm hauptsächlich an Exkursionen teil. Von der lane und Weihen (damals brütete die Wiesenweihe noch Arbeit dieser Studenten-AG ist nichts überliefert. im Augrabengebiet nördlich von Güstrow). Das NSG „Kra- kower Obersee“ werde intensiv durch den Leiter der FG Die Kulturbundfunktionäre waren bestrebt, möglichst viele betreut. Einige Mitglieder beobachteten besonders im Au- Personen in den Fachgruppen zu vereinen. In der Güstro- grabental und am Breeser See. Es wurde erkannt, dass die- wer FG war man sich von Anfang an einig, dass man keine se Gebiete ornithologisch noch wenig erforscht seien und allgemeine Interessensgemeinschaft will, bei der viele pas- offensichtlich eine reiche Vogelfauna beherbergen. sive Mitglieder nur mit Vorträgen, Lichtbildern, Fahrten, Etwa zeitgleich stellte Kurt Pohlmann den 1. Jahresbericht Exkursionen und anderen Dingen unterhalten werden. Die der FG Güstrow mit den Beobachtungen von 1967 und Mitglieder der FG sollten sich aktiv einbringen. Die Teil- 1968 zusammen, der aus heutiger Sicht bemerkenswerte nahme in der FG setzte nicht die Mitgliedschaft im Kultur- Beobachtungen u. a. von Zwergdommeln, Schwarzstorch, bund der DDR (KB) voraus. Es wurde für die Fachgruppe Brandgans, Kolbenente, Moorente, Schreiadler, Wiesen- bewusst die Bezeichnung Ornithologie und Naturschutz weihe, Kleinem Sumpfhuhn, Sumpfohreule, Zwergschnep- gewählt. Wie sich anderenorts Fachgruppen dem Namen fe, Zwergschnäpper, Raubwürger und Blaukehlchen aus nach auch dem Vogelschutz widmen wollten, legten sich dem Kreisgebiet enthielt.

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Aus den Jahren 1970 bis 1972 liegen von Reinhard Becker bereich des Klubs persönlich unterhalten zu können. An unterzeichnete Protokolle über die Sitzungen der Fach- anderen Orten, wo sich die Fachgruppe später traf, war das gruppe im Kersting-Klub in Güstrow vor. Teilgenommen dann nicht mehr möglich. hatten damals zwischen 8 bis 16 FG-Mitglieder. Auf der Tagesordnung standen Themen wie Koordinierung der Während in den nachfolgenden Jahresberichten bis Nr. 4 Wasservogelzählungen, Greifvogelerfassung, Zuarbeiten weiterhin „nur“ bemerkenswerte Einzelbeobachtungen, zur Avifauna Mecklenburgs, Erstellung von Jahresberich- dabei auch aus anderen Landesteilen, notiert wurden, gab ten, Fragen zur Artkartei, Beringung von jungen Kolkraben es bereits ab Nr. 5/1972 die ersten zusammenfassenden zur Klärung von Massenansammlungen im Raum Parchim Berichte über das Vorkommen von einzelnen Arten im und Hinweise zur Markierung von Graugänsen mit den da- Kreisgebiet (z. B. Grauganserfassung) und Berichte über mals noch mit „Wimpeln“ versehenen Halsbändern. Inter- die Vogelwelt spezieller Gebiete (1973 – Brutvogelbestand essant war die Notiz im Protokoll vom 11. 2. 1972, dass beim des Breeser See). Rat des Kreises jetzt eine Planstelle für Landeskultur frei sei. (Die Besetzung der Stelle wurde der FG jedoch nie be- Mit dem Wachsen der Datensammlung hatte man sich 1971 kannt gegeben und dürfte wohl nicht erfolgt sein.) in der Fachgruppe geeinigt, die Daten in einer üblichen Artkartei zu sammeln, damals in der modernen Form der Protokolle über die Zusammenkünfte fertigte man dann Notierung auf Kerblochkarten, was bis heute auch im Zeit- später offenbar nicht mehr an. Beibehalten wurden bis 1989 alter des Computers so noch teilweise fortgeführt wird. jedoch die monatlichen Treffen der FG-Mitglieder an ei- nem Freitag, meist Mitte des Monats mit dem Treffpunkt 19:00 Uhr im Kersting-Klub in Güstrow. Hierzu wurden an die Mitglieder vorgefertigte Postkarten als Einladung ver- schickt (damals noch zum Porto von 5 Pfennigen).

Abb. 2: Kerblochkarte aus der FG-Kartei

W. Neubauer erhielt den Auftrag, sich um die Beschaf- fung derartiger Lochkarten zu kümmern. Offensichtlich hatte er gut vorgesorgt, so dass sie uns auch heute noch aus reichend zur Verfügung stehen. Jeweils zum Jahresen- de kreist auch heute noch ein Aktenkoffer mit aktuellen Lochkarten zum Eintragen unter den Mitgliedern, die ih- re Daten nicht einem Computer anvertrauen können. So kann im Frühjahr des Folgejahres die Rubrik der hervorhe- benswerten Beobachtungen für den Jahresbericht zusam- mengestellt werden.

Im Jahresbericht Nr. 5/1972 befindet sich neben ornitho- logischen Daten auch eine Abrechnung der geleisteten Arbeiten der FG-Mitglieder, die sich mit heutigen Aktivi- Abb. 1: Verwendete Einladungskarte von 1978 täten durchaus messen können, ja in einigen Positionen durchaus nachahmenswert sind und deshalb hier aufge- Gern wurde von den Güstrower Mitgliedern, die keine zählt werden: längeren Fahrwege hatten, die Möglichkeit im Klub ge- nutzt, sich nach der FG-Sitzung in gemütlicher Runde beim Zur Fachgruppe gehörten im Jahr 1972 insgesamt 30 Mit- Abendbrot, Bier oder anderen Getränken im Gaststätten- glieder, davon waren 17 Schüler; 15 Mitglieder waren auch

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Naturschutzhelfer. Es fanden zehn FG-Zusammenkünfte es uns, 1973 zum ersten Mal Siedlungsdichteuntersuchungen statt. Abgerechnet wurden: durchzuführen.“ 120 h Wasservogelzählung 60 h Bleß- und Saatganserfassung Die Fertigstellung einer Kreisavifauna konnte bei aller Eu- 60 h Grauganserfassung phorie auf der Grundlage der Datensammlung erst deutlich 35 h Storchennestkontrollen später umgesetzt werden (siehe weiter unten). 150 h Betreuung des NSG Krakower Obersee (Raubzeug- bekämpfung, Reparatur der Zäune, Möwenregulie- Ebenfalls im Jahresbericht Nr. 6/1973 erschien eine Liste rung, Bestandserfassungen, Entenhege) der Güstrower Ornithologen und die nachfolgenden kur- zen Aussagen: ■ Ausbringung von 40 Nistkästen für Enten, Eulen und „Von den 23 aktiven Ornithologen des Kreises Güstrow sind Meisen neun aus der AG der POS Mühl Rosin (Polytechnische Ober- ■ 32 öffentliche Vorträge mit über 600 Besuchern schule) hervorgegangen. Zur Zeit besteht an der POS eine AG ■ 4 Zeitungsartikel mit 30 Mitgliedern, die systematisch angeleitet werden.“ ■ 3 Veröffentlichungen in Fachzeitschriften „Vogelkunde und Naturschutz sind nicht zu trennen. 1973 ■ Die Behandlungsrichtlinie für das NSG Krakower konnten die Voraussetzungen für die Unterschutzstellung des Obersee wurde als erste im Bezirk Schwerin von der Breeser Sees erarbeitet werden.“ FG erarbeitet und dem Bezirk übergeben. ■ Wolfgang Köhler leistete Vorarbeiten für die Unter- Die Tätigkeit der Schüler-Arbeitsgruppe in Mühl Rosin schutzstellung des Peetscher See als NSG (190 h Beob- wird so nebenbei erwähnt, es steckte aber ein erhebliches achtungen). Engagement dahinter, was heute wohl nirgends mehr zu ■ Reinhard Becker erbrachte Vorarbeiten für ein neues finden ist. Deshalb erscheinen die nachfolgenden Erläute- NSG „Augrabental“. rungen dazu angebracht: ■ Im NSG Krakower Obersee wurde durch die FG eine Ab Anfang 1972 haben die AG-Mitglieder unter Leitung ih- Schutzhütte auf dem Großen Werder fertig gestellt und res Lehrers und FG-Mitgliedes Kurt Pohlmann verstärkt an eine Beobachtungskanzel errichtet (60 h). der Erfassung des Brut- und Rastvogelbestandes am Bree- ser See gearbeitet. Der See wurde für einzelne Beobach- Bemerkenswert war eine sehr hohe Zielvorgabe für die ter in Segmente aufgeteilt und fortan an fast jedem Wo- Fachgruppe im Jahresbericht Nr. 6/1973: chenende an mindestens einem Tag aufgesucht. Erleich- „Unser Vorhaben ist es, bis 1977 die Avifauna des Kreises tert wurden die Erfassungsarbeiten dadurch, dass bereits Güstrow zu schaffen. All unsere Vorhaben sind diesem großen frühzeitig eine kleine Behelfsunterkunft gebaut wurde, und Ziel untergeordnet. Durch die Einteilung des Kreises Güstrow später im Ort Rothbeck in der Nähe des Breeser Sees die in Beobachtungsgebiete und durch die Einführung des Artbe- Nutzung einiger Räume in einem ehemaligen Bauernhaus arbeitersystems sind wir unserem Vorhaben ein großes Stück möglich war. näher gekommen. Neben obligatorischen Zählungen gelang

Abb. 3: Mitglieder der AG Vogelkunde an der POS Mühl Rosin am 25.03.1973 auf Exkursion am Breeser See (v.l.n.r.): hinten: Jürgen Mevius, Willi Brüshaver, Manfred Montschko, Fritz Anderlik; Mitte: Bernhard Woynowski, Ingolf Schult, Andreas Hertkorn; vorne: Manfred Böhlke, Lothar Daubner, Frank Iffländer, Gerd Möller, Rolf Hein.

Foto: K. Pohlmann.

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So konnte die AG 1973 eine Artenliste vorlegen, die es auf Eifer bei der Sache. Über Arbeits- und Versicherungsschutz Grund des Nachweises vieler seltener Vogelarten ermög- machte man sich nicht so sehr viele Gedanken, Eltern sa- lichte, beim Rat des Kreises eine einstweilige Sicherung des hen nicht immer beim Lehrer den Schuldigen, wenn etwas Breeser Sees als Naturschutzgebiet zu erwirken. passierte. Kurt Pohlmann verstand es, die Interessen der Jugendli- chen mit ersten Ansätzen für ein wissenschaftliches Be- Über die Arbeit der AG Vogelkunde berichtet Montschko obachten und Arbeiten zu verbinden – heute würde man weiter: „Bei völlig unwirtlichem Wetter, zumeist im Winter, sagen: mit viel „Fun for the Kids“. gab es Zusammenkünfte in der Schule oder bei Pohlmanns im Wohnzimmer. Es wurde Theorie und Grundwissen vermittelt: Manfred Monschko als ehemaliges Mitglied der Schüler- Vogelstimmenschulung, Flugbilder der Greife, allgemeine Be- AG berichtete in einem Artikel über die damalige Tätigkei- stimmungsübungen, Informationen zu Zug und Wanderun- ten u. a. (MONTSCHKO, M., 2015) gen der Brutvögel und Wintergäste waren angesagt. Es war „dass sehr viele AG-Mitglieder ihre Aktivitäten nicht nur wohl auch ein wenig Botanik dabei, genauso wie Wissenswer- auf die AG-Zusammenkünfte beschränkten, sondern auch tes über andere Tierartengruppen. Auch das Dokumentieren darüber hinaus aktiv waren, egal ob einzeln oder in kleinen der Beobachtungen und das Führen der Beobachtungsbücher Gruppen. Die von Pohlmann organisierte Arbeit war sehr waren Bestandteil der theoretischen Schulungen. In unregel- abwechslungsreich und zumeist so angelegt, dass neben der mäßigen Abständen sammelte Pohlmann die Beobachtungs- Lern- und Übungstätigkeit die Faktoren Spaß und Abenteuer bücher ein, um diese zu sichten und zu bewerten. Anschlie- dabei nicht zu kurz kamen.“ ßend gab es Hinweise und Vorschläge, manchmal aber auch Kritik für eingetragene Beobachtungen, die zumindest frag- würdig waren. Interessanter waren die vielen Exkursionen zu jeder Jahreszeit, die an fast jedem Wochenende und in den Ferien auch innerhalb der Woche entweder zu Fuß oder aber mit dem Fahrrad absolviert wurden. Dabei kam es durch- aus vor, dass mit dem Fahrrad 60km und mehr am Stück zurückgelegt wurden. Hier wurden dann in der freien Natur Bestimmungsübungen nach Ruf/Gesang, Flugbild oder auch einfach nach visuellen Erkenntnissen durchgeführt. In der Anfangszeit haben die AG-Mitglieder bei ihren Exkursionen als Nebenbeschäftigung auch noch die vom „Klassenfeind“ abgeworfenen Flugblätter eingesammelt.

Abb. 5: Kurt Pohlmann auf Wandertour – Wer hat Mut?* Foto: unbekannt.

* Bei der Recherche, wer die Begleiterin auf dem Bild ist, konnte Abb. 4: Baumhaus der Schüler-AG am Westufer im NSG Breeser niemand Auskunft geben. Ingolf Schult lieferte nachfolgende plausible See – Bauzeit 1979/1980. Foto: A. Martin. Vermutung: Wir sind auf Tour. KP trägt Bart und großen Rucksack. 2 mal eindeutig. Vermutlich im Ausland, Bank an einer Bushaltestelle, davor Sand, kein Gras. KP und süße Kleine kommunizieren nicht. Dabei spielte es dann auch mal keine Rolle, dass ein Baum- Kennen die sich? Sie reist, aber wandert nicht, wie denn auch mit den haus (Abb. 4) als geplanter Beobachtungspunkt mehr als Riemchensandalen? Wie kommt KP neben sie aufs Foto? – Wir warten auf den Bus. Sie auch. 8 m hoch weit ab vom Ufer des Breeser Sees errichtet wur- KP: Hey, Jungs, wer traut sich, die anzubaggern? (natürlich keiner!) de und vom Vogelleben auf dem See von dort nicht viel zu KP: Ich schon, ich zeig Euch mal, wie man das macht. Setzt sich – sehen war. Auch bei der Errichtung einer künstlichen Insel Knips. Foto fertig! – Ich meine mich zu erinnern, dass es mal so etwas gab – für gewünschte Flussseeschwalbenbruten fehlte noch das KP war so und gern mal zu einem Scherz bereit. technische Know-how. Aber die Jugendlichen waren mit

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Besondere Höhepunkte bei diesen Exkursionen in der nä- Der Brutbestand der Saatkrähen in den Kolonien in Güst- heren und weiteren Umgebung von Mühl Rosin waren im- row und Laage wird jährlich von mehreren FG-Mitgliedern mer einige Nachtwanderungen, die irgendwann am Abend erfasst und immer mal wieder in seiner Entwicklung in begannen und erst in den frühen Morgenstunden endeten. Jahresberichten dargestellt (Remo Wiechert). Besonders Im Frühjahr und Sommer wurden der Brutvogelbestand, im bei dieser Art zeigt sich, wie wichtig kontinuierliche Er- Herbst und Spätwinter/Frühjahr die Zugvögel und im Win- fassungen sind. Saatkrähen inmitten der Bebauung machen ter die Wintergäste erfasst und in den Wäldern nach Horsten Lärm und Schmutz und haben wenige Freunde. Regelmä- und Nestern gesucht und deren Standorte kartiert. Die größ- ßig kamen Wünsche bei den Stadtvätern zur Reduzierung ten Highlights waren jedoch die Exkursionen, die mindestens der Bestände auf. Hier hatte man noch in Erinnerung, dass eine Woche dauerten. Dazu wurden die Zelte von der Schule es zu DDR-Zeiten – zumindest in Güstrow – durchaus „üb- ausgeliehen und es ging eine Gruppe von bis zu 15 Personen lich“ war, dass die Feuerwehr die Nester der Saatkrähe von unterschiedlichsten Alters auf Fahrt. Anfangs ging es in den den Bäumen spritzte. Diesen Vorstellungen konnten wir Sommerferien nach Poel, wo die Zelte auf einem Privatgrund- (natürlich nur in Verbindung mit der zuständigen Natur- stück in Malchow aufgeschlagen wurden. Später wurden die schutzbehörde) bis heute erfolgreich mit rechtlichen als Entfernungen größer. Nun hießen die Ziele Polens Urwald Bi- auch mit fachlichen Argumenten und konkreten Zahlenan- alowieza oder mehrere Male Bulgarien.“ gaben entgegen treten.

Bis zu seinem viel zu frühen Tod 1981 trug Kurt Pohlmann In den Jahresberichten gab es als Vorbereitung für eine unermüdlich mit seinen Schülern Datenmaterial über die Kreisavifauna auch bereits zahlreiche Artzusammenfassun- Vogelwelt des Kreises Güstrow zusammen. Wenigstens gen, so z. B. für drei seiner Schüler (L. Daubner, J. Mevius, M. Montschko) ■ Lariden und Limicolen (1978) sind auch heute noch ernsthafte Ornithologen und als sol- ■ Eulen, See- und Lappentaucher, Kormoran (1979) che in Mecklenburg-Vorpommern tätig. ■ Seltene Arten – Wiedehopf, Ziegenmelker, Schwarz- storch, Seidenschwanz (1979) Aktivitäten mit einer Schüler-AG gab es auch bei Wolfgang ■ Entenarten (1980) Neubauer in Krakow am See, der interessierte Schüler mit ■ Seeuferarten – Drosselrohrsänger, Rohrschwirl, Spros- in „sein“ NSG Krakower Obersee nahm. Trotz vieler Be- ser (1986) mühungen einzelner FG-Mitglieder, an anderen Schulen ■ Lachmöwe, Trauerseeschwalbe, Wacholderdrossel, naturkundliche Arbeitsgemeinschaften aufzubauen, gelang Raubwürger (1986) dieses nicht. Außerhalb von Schul-Arbeitsgemeinschaften kam nur selten junger Nachwuchs in die FG. Damit konnte jeder sehen, wieweit bereits Material vor- liegt und wo noch besondere Erfassungen notwendig wa- ren. Besonders Siedlungsdichteuntersuchungen kommuner Arten fehlten bis Mitte der 1990er Jahre noch weitgehend. Das im Jahresbericht 1973 genannte ehrgeizige Artbearbei- tersystem hatte sich in der FG nicht durchgesetzt; es hatte keiner der damals genannten Personen auch ernsthaft an Artmanuskripten gearbeitet. Vielfach waren in den 1980er Jahren auch zahlreiche Mitglieder aus den verschiedensten Gründen nicht mehr in der FG tätig. Die Auswertungen bisher vorliegender Erkenntnisse erfolgte weitgehend al- lein von Wolfgang Neubauer; Joachim Loose und Angela Abb. 6: Remo Wiechert und Uwe Gehlhar fanden 1985 den Weg in die Martin lieferten kleinere Beiträge. Für das Gemeinschafts- FG (hier neben dem etwas älteren Andreas Schilf) bei der Tagung der werk der Mecklenburger Ornithologen, das in drei Ausga- Ornithologen des Bezirkes Schwerin. Foto: A. Martin. ben 1977, 1979 und 1987 erschienene Buch „Die Vogelwelt Mecklenburgs“, lieferte die Fachgruppe Güstrow mit den Ornithologische Themen und Auswertungen nehmen in in den Jahresberichten enthaltenen Artauswertungen und den späteren Jahresberichten der FG den Hauptteil ein: Seit auf Lochkarten erfassten Daten zahlreiche Zuarbeiten an 1973 durchgehend ist der Storchenbericht, zunächst von die Artbearbeiter. Georg Strache, nach dessen Tod von Reinhard Schaugstat Zu den Artbearbeitern und Mitarbeitern an einzelnen Ar- verfasst, fester Bestandteil eines jeden Jahresberichtes. Ge- ten dieses Buches gehörten die FG-Mitglieder R. Becker, W. nauso kontinuierlich gibt es einen Kranich-Bericht von Köhler, K.-H. Koop, J. Loose, W. Neubauer (Artbearbeiter: Karl-Heinz Koop (ab 1981) und Guntram Trost (ab 2013) so- Flussseeschwalbe), K. Pohlmann, G. Strache und M. Völkel. wie den Bericht zum Graureiher-Brutbestand (ab 1994) von Für die 3. Auflage des Buches stellte die Rasterkartierung Reinhard Schaugstat. der Brutvögel von 1978 bis 1982/83 eine wesentliche Grund-

12 50 Jahre Fachgruppe Ornithologie und Naturschutz Güstrow lage dar. Das Kreisgebiet mit gesamt elf Messtischblättern Durch den StFB gab es keine fachlichen Vorgaben für das (insgesamt 42 MTB/Q) wurde durch die vorgenannten Per- neue Betätigungsfeld. So konnte sich A. Martin als für den sonenkreis vollständig kontrolliert. Die 1980er Jahre waren Naturschutz brennende Person voll in unserem Sinne ent- für die Fachgruppe sehr ergebnisreich. falten. Durch die Ansiedlung der Planstelle bei der Forst In Gemeinschaftsarbeit errichteten FG-Mitglieder mit fi- kam es zu dem Nebeneffekt, dass dort die Berührungs- nanzieller Unterstützung durch den Rat des Kreises 1980 ängste mit dem Naturschutz recht klein blieben. Für die eine neue Feldstation auf dem Großen Werder im den NSG ornithologische Arbeit waren insbesondere Kontakte zu Krakower Obersee. Gleiches geschah 1983/84 auch im NSG Förstern und Weidgenossen wichtig. Zu den Jägern hatte Breeser See. Die Arbeit der Ornithologen und Naturschüt- W. Neubauer als Kreisnaturschutzeauftragter, auch Mit- zer konnte in diesen Gebieten dadurch wesentlich verbes- glied im Jagdbeirat und selbst ein Jäger, bereits sehr gute sert werden. Verbindungen in diese Kreise gepflegt. Mit dem von 1983 Nach dem Tode von Kurt Pohlmann übernahm Joachim bis 1989 wirkenden Trio Angela Martin – Wolfgang Neu- Loose die Betreuung des NSG Breeser Sees und begann bauer – Heinz Stegemann (dem Sekretär für Jagd und Na- hier eine intensivere Beringungstätigkeit. Die Arbeit mit turschutz beim Rat des Kreises Güstrow) konnten bei sehr der Jugendgruppe der AG aus Mühl Rosin konnte er nicht guter Zusammenarbeit viele nachteilige Folgen für den fortsetzen. Naturhaushalt abgewendet oder zumindest abgeschwächt werden. Die große schwerwiegende Melioration der 1960/1970er Jahre war vorbei. Dennoch lebte der Wahnsinn der Trockenlegung von Moorflächen immer mal wieder auf. So war auch die Trockenlegung der Sumpfseeniede- rung westlich von Gutow 1984 nicht durch die drei zu ver- hindern. Mit viel Aufwand wurde hier das Gebiet über ein errichtetes Schöpfwerk in den nördlich liegenden Sumpf- see entwässert. Die Lebensräume von Bekassine, Kiebitz, Blaukehlchen und Knabenkräutern gingen verloren (in den 1950er Jahren riefen hier noch Brachvogel und Rotschenkel). Auch 1986 wurden u. a. noch weitreichende Meliorationen auf Feuchtwiesen im Randbereich des NSG Breeser See durchgeführt. Das wirkt bis heute nach. Wenn der Wasser- und Bodenverband auf Forderungen der Landwirte hin die Abb. 7: Errichtung der Feldstation auf dem Großen Werder im NSG Randgräben beräumen muss, können Nährstoffe von den Krakower Obersee (im Bild – Wolfgang Neubauer, Reinhard Kaatz, Äckern immer wieder ungebremst in den See gelangen. Joachim Loose, Michael Nehls, Wolfgang Köhler). Foto: A. Martin. Als dann gar noch Ende der 1980er Jahre auch die südlich des Inselsees liegende Feuchtniederung analog zum ent- Die auf Antrag von Mitgliedern der FG 1974 (Breeser See) standenen Gutower Polder der Landwirtschaft zum Opfer und 1976 (Upahler und Lenzener See) einstweilig gesi- fallen sollte, ging die Fachgruppe mit einer so genannten cherten Naturschutzgebiete wurden durch den Bezirks- „Wahleingabe“ auf die Barrikaden. Das wirkte. Es kamen tag Schwerin 1982 als NSG endgültig gesichert, wofür die dann auch tatsächlich zwei Herren im schwarzen Anzug weiter vorgelegten Beobachtungen der Ornithologen und aus Berlin und hörten sich unsere Argumente an. Ob hier die von ihnen erarbeiteten Behandlungsrichtlinien wesent- die politische Wende hilfreich war oder man tatsächlich liche Argumente lieferten. vernünftige Abwägungen getroffen hat, bleibt dahinge- stellt. Im Ergebnis wurde in das Gebiet nicht eingegriffen. 1983 kamen wir in die für DDR-Verhältnisse komfortable Es steht seit dem Beschluss vom 7. 7. 1993 als Naturschutz- Situation, dass ein Mitglied der Fachgruppe hauptamtlich gebiet „Gutower Moor“ (ab 5.1.2000 in erweiterter Form als im Naturschutz eine Tätigkeit aufnehmen konnte. Nach NSG „Gutower Moor und Schöninsel“) unter Schutz. Abschluss ihres Forschungsstudiums an der Pädagogischen Etwas später „löckten“ die FG-Mitglieder ein zweites Mal Hochschule Güstrow besetzte Angela Martin die im Staat- wider den Stachel. Sie organisierten erfolgreich eine Pro- lichen Forstwirtschaftsbetrieb (StFB) Güstrow frei werden- testaktion gegen die Errichtung des neuen Verkehrshofes de Stelle als Mitarbeiter Landeskultur/Naturschutz. Die von Güstrow, der im Landschaftsschutzgebiet „Inselsee und Übernahme dieser Funktion vom Koll. Borrock schilderte Heidberge“ vor den Toren der Stadt an der Plauer Chaus- A. Martin uns später so: see geplant war. Spätestens jetzt war die Fachgruppe wohl „Das Übergabegespräch dauerte 15 Minuten und endete mit eine „Umweltorganisation“, der von bestimmten Kreisen dem aufmunternden Satz: „Sie werden noch an meine Worte Aufmerksamkeit zu widmen war (in Stasi-Akten über einige denken.“ – gemeint war damit – es kann eben nichts erreicht FG-Mitglieder nachlesbar). werden.“

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Spätestens mit den 1980er Jahren gab es in allen Kreisen des Bezirkes unter dem Dach des Kulturbundes, später der Gesellschaft für Natur und Umwelt (GNU) funktionierende Fachgruppen, deren Arbeit systembedingt und möglichst im Wettbewerb verglichen werden sollte. In den Jahres- berichten Nr. 13, 15, 19 und 21 finden sich tabellarische Übersichten mit namentlichen Angaben je FG-Mitglied zu einzelnen Abrechnungsparametern. Diese waren zentral vom Kulturbund des Bezirkes Schwerin, ggf. auch von hö- herer Stelle, vorgegeben.

Bemerkenswert ist besonders die geleistete Öffentlichkeits- arbeit in Form von Vorträgen und Veröffentlichungen zu jener Zeit (Tab. 1). Besonders gute Leistungen Einzelner wurden auf dieser Abb. 8: Die Referenten der FG auf der Bezirks-Ornithologentagung Basis durch den Rat des Kreises prämiert oder mit Abzei- 1985 waren W. Köhler, R. Becker, A. Martin, W. Neubauer, J. Loose. Fotos: A. Martin. chen und Urkunde für gute Naturschutzleistungen in Bron- ze oder Silber geehrt. Ein Versuch, weniger Aktive zu mehr zu animieren und typisch für die Zeit der Wettbewerbe! Der Jahresbericht der FG Nr. 20 für 1987 erschien erstma- Anlässlich des 20-jährigen Bestehens unserer Fachgruppe lig im Titelblatt mit einer von Angela Martin gestalteten fand die bezirkliche Ornithologentagung am 22. 9. 1985 in Vignette. Güstrow statt. Die Hälfte der fachlichen Vorträge wurde Als Art wurde fortan ein Vogel gewählt, der in dem von Mitgliedern der FG Güstrow gehalten (Abb. 8). Wolf- Berichtsjahr als Besonderheit aufgefallen oder für den gang Neubauer berichtete über die bisherige Geschichte eine umfassende Erfassung gelaufen war. Sperber, Kie- der Fachgruppe und sprach in einem zweiten Beitrag über bitz, Eisvogel, Schleiereule, Rothalstaucher, Odinshühn- den Krakower Obersee als Mauserplatz von Tauchenten. chen, Sterntaucher, Säbelschnäbler, Birkenzeisig, Bekassi- Angela Martin stellte das gerade durch ihr Wirken unter ne, Wachtelkönig, Weißflügelseeschwalbe, Rauhfußkauz, Schutz gestellte System der Flächennaturdenkmale vor. Die Schwarzkehlchen, Haubentaucher, Schwarzhalstaucher, Verbreitung des Fischadlers im Bezirk Schwerin und die Zwergdommel, Schwarzkopfmöwe, Silberreiher, Gänse- Bestandsentwicklung des Graureihers im Kreis Güstrow geier, Wanderfalke, Uhu, Brandgänse, Kiefernkreuzschnä- waren Themen von Wolfgang Köhler und Reinhard Becker. bel, Wiedehopf, Nilgänse, Flussseeschwalbe und Stein- Joachim Loose berichtete von den Besonderheiten des NSG schmätzer schafften bisher den Sprung auf die Titelseiten Breeser See. der Jahresberichte (vgl. Heftrückseite).

Aufgabe 1980 1982 1986 1988

Anzahl der abrechnenden FG-Mitglieder 21 15 19 20

Betreuung von NSG (und LSG) 1048 486 295 551

Geschützte Tiere und Pflanzen 370 261 435 186

Rasterkartierung 494 453 – –

WasservogelzählungAngabe in Std. 82 69 151 187

Beringung – – 254 381

Allgemeine Beobachtungen 988 746 2205 2082

Arbeit mit Behörden 64 252 – –

Öffentlichkeitsarbeit/Ausstellung 144 – 43 –

Summe 3190 2267 3340 3387

Vorträge/Veröffentlichungen 16/6 15/15 44/7 61/12 Stück Nisthilfen und Futterstellen 90 170 – –

Tabelle 1: Abrechnung der Leistungen aller FG-Mitglieder (Einzelabrechnungen zusammengefasst)

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Nachdem von 1989 bis 1999 die Jahresberichte im Format Die neue Zeit ermöglichte es, begangene Fehler in der A5 erschienen waren, wechselten wir mit der Nr. 33 im Jahr Melioration rückgängig zu machen und Feuchtgebiete wie- 2000 wieder auf die zuvor verwendete A4-Größe zurück, der herzustellen. Derartigen Gebieten widmeten sich fort- was auch mit einem Qualitätssprung im Druck einherging. an einige Ornithologen. So wurden die ersten Beobachtun- Ab 2012 gibt es sogar Farbdrucke im Heft. gen nach der Renaturierung der Polder Gutow, Klaber und Mit Entwicklung der Technik wurden alte Hefte eingescant. Bossow in Jahresberichten ausgewertet. So stehen inzwischen die Daten und Berichte auch einem breiteren Artbearbeiterkreis für Auswertungszwecke in Aus den Jahresberichten der Fachgruppe können nicht alle Form von pdf-Dateien zur Verfügung. Aktivitäten ihrer Mitglieder entnommen werden. Nach 1989 kamen weniger Mitglieder zu den FG-Abenden. Seit Beginn der Wasservogelzählungen an ausgewähl- Nach den Teilnehmerlisten (unsere einzige Formalität) ka- ten Gewässern des Landes wurden in sechs Zählgebieten men vor der Wende bis zu knapp 30, danach meist nur noch im Altkreis (Parumer See, Inselsee, Sumpfsee, Upahler 14 bis 18 Mitglieder. See, Breeser See und Krakower Obersee) regelmäßig die 1990 wurde die Leitung der FG Ornithologie und Natur- Wasservögel durch R. Wiechert, W. Köhler, M. Montschko, schutz an Angela Martin übertragen, die nach einem fol- J. Loose und W. Neubauer an vorgegebenen Terminen jähr- genschweren Unfall 1989 mit viel Energie wieder aktiv lich von September bis März/April erfasst. Dabei wurden werden konnte. auch die rastenden Gänse gezählt. J. Loose und M. Montschko beteiligten sich von 03/1985 Zentrale Aufgabe in den 1990er Jahren war die Durch- bis 12/1990 an einem vom ILN Greifswald koordinierten führung der 2. Rasterkartierung der Brutvögel in Mecklen- „Vogelschlag-Warndienst“-Programm und meldeten auf burg-Vorpommern von 1994 bis 1998, die wie bereits die speziellen Formblättern mehrfach monatlich die Vogelrast- erste Kartierung auf Basis der MTB-Quadranten erfolg- bestände von ausgewählten Seen und Feldfluren. Die Daten te. Die Fläche des Altkreises Güstrow konnte wiederum wurden für den militärischen Flugdienst ausgewertet. vollständig von Mitgliedern der FG abgedeckt werden. Bei der Kartierung beteiligten sich R. Becker, U. Gehlhar, W. Köhler, K.-H. Koop, M. Lemke, J. Loose, W. Neubauer, G. Strache, U. Thamm und R. Wiechert. Die bereits 1973 formulierte Zielstellung und für 1977 an- visierte Fertigstellung einer lokalen Avifauna konnte nach langer Verzögerung schließlich durch Wolfgang Neubauer 2004 doch noch umgesetzt werden: In der Schriftenreihe Natur und Naturschutz in Mecklenburg-Vorpommern er- schien als Sonderheft – Band XXXIX „Die Vogelwelt des Altkreises Güstrow“ (Abb. 9).

J. Loose und S. Lorenz wirkten in geringem Maße mit. Zum ausgewerteten Datenpool hatten alle FG-Mitglieder und mehr als 100 Gewährsleute beigetragen. Einführend zur Avifauna schrieb Neubauer: „Mit dem Ablauf des Jahres 2002 sind in der Kartei 261 Vogelarten erfasst. Davon sind 175 in der Vergangen- heit oder in neuerer Zeit als Brutvögel nachgewiesen, 83 er- scheinen mehr oder weniger regelmäßig auf dem Zug im Kreisgebiet und 3 sind offensichtlich Gefangenschaftsflücht- linge.“

Nach dem Abschluss der Datenauswertung wurden unsere Jahresberichte wieder etwas dünner. Neben den obligatorischen Berichten zu Weißstorch, Kranich und Grau reiher berichtete ab 2001 A. Martin über die Ergeb- Abb. 9: Titelblatt der Kreisavifauna (2004) nisse ihrer Planbeobachtungen und Beringungen von Sperbern. J. Loose und W. Neubauer werteten in mehreren Fast allen vom OAMV oder DDA gestarteten Aufrufen von Beiträgen Vogelberingungen und Wiederfunde beringter zentral gewünschten periodischen Erfassung einzelner Ar- Vögel aus. ten (wie z. B. Höckerschwan, Kormoran, Graugans,

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Graureiher, Lachmöwe, Rotmilan) waren die FG-Mitglie- Die Unterschutzstellung des NSG Nebeltal wurde durch der gefolgt und lieferten ihre Erfassungsbögen ab, wobei Angela Martin und Wolfgang Neubauer wesentlich voran- es zunehmend weniger gelang, das gesamte Altkreisgebiet getrieben. Auch bei der Betreuung der NSG sind die FG- abzudecken und überhaupt verlässliche Mitarbeiter zu ge- Mitglieder tätig. Für die Erstellung des 2003 erschienenen winnen. Buches „Die Naturschutzgebiete in Mecklenburg-Vorpom- W. Köhler und W. Neubauer betreuten über Jahre See- mern“ wurde von den Betreuern auch die Kapitelbearbei- und Fischadler innerhalb unseres Wirkungsbereiches. tung zu ihren NSG übernommen: W. Köhler war außerdem Mitglied der Bezirks-Arbeits- ■ NSG Upahler und Lenzener See (Nr. 116) durch gruppe für „vom Aussterben bedrohter Tiere“ (AKSAT) A. Kretschmann und ist heute analog beim LUNG aktiv. ■ NSG Breeser See (Nr. 105) durch J. Loose ■ NSG Zehlendorfer Moor (Nr. 86) durch A. Martin FG-Mitglieder widmeten sich auch ganz praktischen Na- ■ NSG Gutower Moor und Schöninsel (Nr. 261) durch turschutzarbeiten. M. Montschko ■ NSG Krakower Obersee (Nr. 119) durch W. Neubauer 1996 wurden mit Unterstützung der NABU-Gruppe aus Rostock in der Pfarrkirche und im Dom Güstrow 28 Doh- Bereits zu Beginn der Rasterkartierung 1994–1998 war als lenbrutkästen eingebaut. Ab 1997 engagierte sich Reinhard zentrales Anliegen der OAMV die Ergebnisauswertung als Becker mit Unterstützung von A. Martin bei Gebäudesa- „Atlas der Brutvögel in Mecklenburg-Vorpommern“ vor- nierungen in Güstrow für den den Einbau von Nistkästen gesehen. Die Herausgabe dieses bedeutsamen Buches ver- für Mauersegler. zögerte sich bis 2006.

In Verbindung mit der WEMAG veranlaßte J. Loose die An- FG-Mitglieder übernahmen auch hier die Bearbeitung von bringung von zehn Turmfalkenkästen an Strommasten in Artkapiteln: der freien Feldmark. Wo es notwendig wurde, organisierte W. Köhler – Fischadler, Wanderfalke R. Schaugstat die Erneuerung von Weißstorchnisthilfen. J. Loose – Rohrdommel, Zwergdommel, Bartmeise Vom Energietrieb frei gegebene erhaltenswürdige Trafo- W. Neubauer – Gänsesäger, Flussseeschwalbe häuser wurden in zehn Orten durch das FG-Mitglied Jörg Bußmann im Auftrag der NABU-Ortsgruppe Güstrow als Beim nächsten großen Gemeinschaftsvorhaben, der mögliche Heimstatt für Schleiereulen, Turmfalken, Fleder- ADEBAR-Kartierung von 2005–2009/10, konnte unser Alt- mäuse, Hornissen u. ä. unter Nutzung von Fördermitteln kreis in der Gesamtfläche nicht mehr vollständig durch FG- hergerichtet. Durch Helmut Richter erfolgten 2012 bis 2014 Mitglieder abgedeckt werden. Insbesondere im Norden und mit viel Engagement an den Stationen noch erforderliche Nordwesten fehlten die früheren Bearbeiter R. Becker und Nachrüstungen und Optimierungen. Er führte anschlie- G. Strache. So musste für die MTB 2039 und 2139 Unter- ßend auch die notwendigen Erfolgskontrollen durch. stützung von Doberan angefordert werden. An der Kar- Die FG veranlasste den Bau zahlreicher Nistkästen durch tierung beteiligten sich dieses Mal K.-H. Koop, W. Köhler, die geschützte Werkstatt in Güstrow und von behinderten H. Kusch, J. Loose, A. Martin, W. Neubauer, H. Richter, Schülern der Anne-Frank-Schule Güstrow, die am Bosso- E. Schlüter, U. Thamm und R. Wiechert. Für einige „Neulin- wer See, am Breeser See, auf dem Friedhof Güstrow und in ge“ bei der Kartierung stellte sich diese Aufgabe durchaus Forstrevier Lohmen ausgebracht wurden. als eine Herausforderung dar. Das Studium der Vogelstim- men als Basis für eine effektive Kartierung darf halt nicht Mit diesen Arbeiten wird die enge Verbindung der Fach- vernachlässigt werden. gruppe Ornithologie und Naturschutz mit der NABU-Orts- gruppe Güstrow deutlich. So wie früher die FG den aktiven Nachdem wir bei einem Vogelstimmen-Quiz in den 1980er Kern der Kreisorganisation in der GNU bildete, bestimmt Jahre feststellen mussten, dass lange nicht alle Mitglieder so sie auch heute neben einer sehr aktiven botanischen Grup- sattelfest waren, wie es für Ornithologen bei Kartierungs- pe die Arbeit in der NABU-Gruppe. arbeiten im Felde erforderlich ist, wurden Stimmenschulun- gen insbesondere im Frühjahr zum festen Bestandteil un- FG-Mitglieder hatten sich stets besonders für die Natur- serer FG-Abende eines jeden Jahres. Ebenfalls gab es durch schutzgebiete im Kreis Güstrow eingesetzt. Kurt Pohl- unserer FG-Mitgieder G. Strache und A. Martin geführte mann erkannte die Bedeutung des Breeser Sees und Hans Vogelstimmenexkursionen für interessierte Bürger. In neu- Georg Müller die des Schlichten Moores. Das NSG Upah- erer Zeit war es unsere Dienstleistung, die alljährlich über ler und Lenzener See entstand auf Anregung von Adolf die Kreisvolkshochschule Güstrow (KVHS) an mehreren Kretschmann, Wolfgang Köhler, Kurt Pohlmann und Georg Wochenenden von März bis Juni angeboten wurde. Regel- Strache. mäßige Teilnehmerzahlen um 15 Personen waren hier zu

16 50 Jahre Fachgruppe Ornithologie und Naturschutz Güstrow verzeichnen; meist kamen ältere Bürger, ein Nachwuchspro- Gemeinschaftsaktivitäten zur Pflege von Biotopen (Mahd blem ließ sich für die Fachgruppe auf diesem Wege bisher und Entbuschungen), wie wir sie früher jährlich mit viel nicht lösen. Spaß durchführten, sind heute sehr selten geworden. Nach Schaffung der neuen Naturschutzstrukturen war es anfangs Das Angebot der Vogelstimmenexkursionen über die KVHS für den amtlichen Naturschutz überhaupt kein Problem, al- galt als ein Entgegenkommen an unseren Quartiergeber für le notwendigen Pflegemaßnahmen von Firmen durchfüh- unsere FG-Abende. Nach der Auflösung des Kulturbundes ren zu lassen. Bald verringerte sich jedoch die finanzielle der DDR 1990 und Schließung des Kersting-Klubs fanden Ausstattung der Behörde. wir uns kurzzeitig im Internat der EOS Güstrow zusammen Inzwischen wäre eine ehrenamtliche Hilfe wieder ge- und wechselten dann an den Rand der Stadt in den Tier- wünscht, aber die gewachsene Tradition ist erst einmal park Güstrow. Die ungünstige Erreichbarkeit des Tierparks zerstört. Des Weiteren besteht auch eine geänderte beruf- zu abendlicher Zeit trieb uns dann in die Räume der neu liche Belastung einzelner FG-Mitglieder, die ihre geringere entstandenen Kreisvolkshochschule – hier war es auch für Freizeit der Familie widmen möchten. Zeiten, wo wir für interessierte Bürger einfacher, einmal als Gast bei den Or- die Betreuung von Seevogelschutzgebieten von den Betrie- nithologen reinzuschauen. ben bezahlt freigestellt wurden und diese Arbeit als gesell- schaftlich notwendig und wertvoll galt, gibt es in einer auf Für die FG-Zusammenkünfte wurden ab Mitte der 1980er Leistung orientierten Gesellschaft leider nicht mehr. Da bei Jahre jeweils halbjährliche Themenpläne erstellt. Die von den Behörden kaum noch genügend Geld zur Verfügung allen FG-Mitgliedern vorgeschlagenen Themen hatten steht, sind vielfach deutliche Mängel in der Unterhaltung nicht nur ornithologische Inhalte. Entsprechend unserer der 1984 und 1987 als Flächennaturdenkmale (FND) durch Ausrichtung als Fachgruppe für Ornithologie und Natur- Kreistagsbeschluss gesicherten Flächen und in einigen schutz kamen häufiger auch Beiträge über andere Arten- NSG zu verzeichnen. gruppen auf die Tagesordnung. So wurden Nachweise von Fledermausarten im Kreisgebiet und herpeto- und entomo- Der Bericht über die nunmehr 50jährige Arbeit der Fach- logische sowie botanische Themen vorgetragen. Dazu wur- gruppe darf nicht ohne die Hervorhebung einiger besonde- den vielfach auch Referenten von außerhalb eingeladen. re Forschungsarbeiten einzelner FG-Mitglieder abgeschlos- Einen festen Platz nahmen die jährlichen Berichte der sen werden. NSG-Betreuer über „ihre“ Naturschutzgebiete ein. Eben- Wolfgang Neubauer forschte seit 1958 bis zu seinem To- so informierte uns W. Köhler jährlich über Brutbestands- de 2013 an Flussseeschwalben. In den Brutkolonien am ergebnisse von Seeadler, Fischadler und Wanderfalke. Vor Krakower Obersee, im Kieswerk Langhagen, am Drewitz- dem Erscheinen der Brutberichte zu Weißstorch, Kranich und Dreiersee hat er bis 2013 mehr als 12.190 Individuen und Graureiher im jeweiligen Jahresbericht wurden die Er- beringt und mit speziellen Fangkörben mindestens 3.291 gebnisse vorgetragen und durch die FG-Mitglieder ergän- Vögel wieder gefangen. Daraus konnte er u. a. bedeutsame zende Hinweise gegeben. Ergebnisse zum Altersaufbau einer Brutkolonie sowie zu Seit 1990 stand auch eine Rubrik „Neues aus der unteren langzeitlichen Partnerbeziehungen bei Flussseeschwalben Naturschutzbehörde“ auf der Tagesordnung. Die Tradition ableiten. Zu seinen besonderen Aktivitäten gehörten auch der engen Verbindung zwischen der Fachgruppe und dem mehrjährige Untersuchungen an einer Haubentaucher- amtlichen Naturschutz konnte fortgesetzt werden, da mit kolonie im Krakower Obersee sowie mehrjährige Sied- der politischen Wende neue Naturschutzstrukturen beim lungsdichteuntersuchungen in zwei Waldgebieten (NSG Landkreis geschaffen wurden und wir vielerorts im Lande Großes Holz; Wald-Totalreservat Großer Barkhorst) und „unsere Leute“ in diese Positionen bringen konnten. Durch an mehreren Feldhecken. Unterstützung von W. Neubauer, dessen Stimme als altge- Angela Martin unternahm von 1988 bis 2003 intensiv die dienter Kreisnaturschutzbeauftragter (KNB) beim aufge- Suche von Nestern der Haubenlerchen und beringte ins- lösten Rat des Kreises und neu eingesetzten Landrat noch gesamt 289 Vögel dieser Art, davon 266 mit Farbringen. genügend Gewicht hatte, konnte Joachim Loose von der FG Die Bedeutung dieser Arbeit, bei der zahlreiche brutbiolo- die Funktion des Amtsleiters Naturschutz und Landschafts- gische Daten erhoben wurden, wird erst heute erkennbar, pflege übernehmen. Mitarbeiter wurden die FG-Mitglieder wo wir überall einen drastischen Rückgang dieser Art fest- Maren Fritsche und Manfred Montschko. stellen müssen. Wenngleich durch neue Naturschutzgesetzgebungen und Ab 1985 suchte A. Martin mit viel Energie und hohem politische Strömungen 1994 die bis dahin tätigen KNB Fahrrad-Fahraufwand im Kreisgebiet nach Sperberhorsten Wolfgang Neubauer und Fritz Holst offiziell abberufen und beringte mit Hilfe von FG-Mitgliedern und Forstarbei- wurden und es hinterher nicht gelang, nach dem Gesetz tern bis 2015 insgesamt 704 Jungsperber. Auch bei dieser mögliche Naturschutzwarte zu bestellen, arbeiteten die bis Arbeit wurden vielfältige brutbiologische Daten, wie das dahin als Naturschutzhelfer tätigen FG-Mitglieder im bis- Geschlechterverhältnis der Jungvögel, bevorzugte Horst- herigen Sinne dem Naturschutz verbunden weiter. baumarten, Höhe der Horste u. a., erfasst.

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Joachim Loose widmete sich im NSG Breeser See mit dem zeichnet inzwischen bis 2015 Bruterfolge von mindestens Aufbau einer Beringungsfeldstation intensiv der Berin- vierzehn wieder auf Bäumen brütenden Wanderfalkenpaa- gung von Bartmeisen. Ab 1983 hat er hier kontinuierlich ren. Die Projektgruppe Wanderfalke des LJV Mecklenburg- den jährlichen Brutpaarbestand der Bartmeisen erfasst, der Vorpommern e. V. erhielt für ihr Engagement den Natur- in einigen Jahren bis zu 50 Brutpaare betrug. Bis einschließ- schutzpreis 2001 des Deutschen Jagdschutz-Verbandes. lich 2015 beringte er 1893 Bartmeisen. Als „Beifänge“ wur- den mehr als 6.000 Individuen im Schilf und in angrenzen- Uwe Gehlhar und Remo Wiechert hatten Langzeitbeob- den Gehölzen brütender Singvögel beringt. achtung an rastenden Limikolen in den Klärteichen der Zuckerfabrik bis zu deren Abriss getätigt und ausgewer- Die Zunahme des Blaukehlchens und dessen Status als er- tet. Dadurch haben sie wesentlich dazu beigetragen, dass folgreicher Brutvogel mit hoher Rückkehrrate zum Breeser es im Rahmen eines Ausgleichsprojektes gelang, nach See konnte belegt werden. Von 1983 bis 2015 wurden 128 dem Wegfall einer Wasserbeschickung aus der Zuckerfa- Blaukehlchen beringt. Gleichfalls im NSG Breeser See un- brik Güstrow wenigstens einen Absetzteich langfristig als terstützte er durch das Angebot künstlicher Nistplattfor- Limikolenrastplatz zu erhalten. W. Köhler und J. Loose be- men die Ansiedlung von Flussseeschwalben. Ab 1989 hat gleiteten in einem dreijährigen Monitoring die Entwick- sich kontinuierlich steigend ein Brutbestand von bis zu 162 lung dieses neu geschaffenen Biotops und konnten bele- Brutpaaren eingestellt. Von 1989 bis 2011 sind 1.715 Küken gen, dass Limikolen auch weiterhin intensiv diesen Platz dieser Art flügge geworden, von 2012 bis 2015 haben ver- als Nahrungs- und Rasthabitat nutzten und er eine große schiedene Prädatorenarten zu völligen Brutverlusten ge- Bedeutung hat. führt. Die Forschungsergebnisse sind publiziert worden oder Wolfgang Köhler leitete in Verbindung mit seiner Mitglied- befinden sich in Vorbereitung für eine Publikation und sind schaft im Landesjagdverband ein Projekt zur Wiederansied- u. a. im Anhang dieses Heftes im Literaturverzeichnis aus- lung von Wanderfalken in Mecklenburg-Vorpommern. Das gewiesen. von 1995 bis 2010 laufende Auswilderungsprogramm ver-

Abb. 10: Teilnehmer der FGExkursion am 5.5.2001 zum NSG Upahl-Lenzener See (v.l.n.r..) Adolf Kretschmann, Bernhard Oosterloo, Manfred Montschko, Karl-Heinz Koop, Klaus Lingsminat, Jörg Bußmann, Wolfgang Neubauer, Volker Bösel, Angela Martin, Remo Wiechert, Guntram Trost, Uwe Thamm, Angelika und Eckard Bomke. Foto: J. Loose.

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Abb. 11: Teilnehmer der FG- Exkursion am 26.8.2004 zu den Zuckerfabrik-Klärteichen (v.l.n.r..) – unbekannt, Cars- ten Vick, Wolfgang Pfannen- schmidt, Robert Jänicke, Wolf- gang Neubauer, Joachim Loose (verdeckt), Manfred Montschko, Adolf Kretschmann, Remo Wiechert, Herald Kusch, Uwe Gehlhar (verdeckt), Wolfgang Köhler, Steffen Thiel. Foto: A. Martin.

Abb. 12: Teilnehmer der Fach- gruppenexkursion am 24.8.2007 zum Sumpfseepolder (v.l.n.r..) – Wolfgang Köhler, Steffen Thiel, Elke Zielonka, Jörg Buß- mann mit Sohn Jonas, Klaus Lingsminat, Helmut Richter, Volker Bösel, Remo Wiechert, Wolfgang Neubauer mit Tochter Charlotte von Remo, Angela Martin, Karl-Heinz Koop, Joa- chim Loose, Uwe Gehlhar. Foto: J. Loose.

Abb. 13: Teilnehmer der Fach- gruppenexkursion am 22.8.2014 zum PVA-Teich (v.l.n.r..) – Jörg Bußmann, Reinhard Kaatz, Remo Wiechert, Volker Bösel, Joachim Loose, Beate Meder- Trost, Guntram Trost, Angela Martin, Helmut Richter, Karl- Heinz Koop, Klaus Lingsminat, Eckard Schlüter, Wolfgang Köhler, Steffen Thiel, Manfred Montschko. Foto: J. Loose.

Abb. 14: Teilnehmer der Fach- gruppenexkursion am 21.8.2015 zum PVA-Teich (v.l.n.r..) – Joachim Loose, Jörg Bußmann, Eckard Schlüter, Klaus Kirsch- nick, Karl-Heinz Koop, Christi- ane Bösel, Helmut Richter, Vol- ker Bösel, Angela Martin, Klaus Lingsminat. Foto: J. Loose.

19 50 Jahre Fachgruppe Ornithologie und Naturschutz Güstrow

3. Aus der Fachgruppe geboren – die Botanik-Arbeitsgemeinschaft

Angela Martin

1980 bat mich Kurt Pohlmann während einer Exkursion, Aus den Reihen der FG Ornithologie fanden später auch ihm und einigen Mitgliedern der Fachgruppe doch „ein paar noch einige Mitglieder den Weg für kürzer oder länger zur Pflanzen beizubringen“. Sie würden durch so vieleGebiete Botanik-AG (Remo Wiechert, Bodo Degen, Volker Thiele). streifen und wüssten nicht, welchen seltenen Pflanzenar- Bereits regelmäßig ab 1997 kam Volker Bösel zu den Bota- ten sie begegnen. Auf Grund meiner botanischen Arbeiten nikern, erst ab Januar 2000 auch zu den FG-Abenden der zum Diplom und später zur Promotion rückte die Pflanzen- Ornithologen. welt bei mir immer mehr in den Mittelpunkt. Meine daraus erwachsene zunehmende Kenntnis der Pflanzenarten war Heute hat sich die botanische Arbeitsgemeinschaft gemau- wohl nicht ganz unentdeckt geblieben. sert (um im Ornithologenjargon zu reden) und in den über Den Auftrag nahm ich in „jugendlichem Leichtsinn“ an drei Jahrzehnten Existenz völlig eigenständig entwickelt. und warb in der FG während einer Tagung der Bezirks- Damit hat sie natürlich auch eine eigene Geschichte, die Ornithologen in Güstrow-Schabernack um Teilnehmer für zu erzählen hier den Rahmen sprengen würde. Es soll nur ein erstes Treffen zur Schulung pflanzlicher Artenkenntnis. kurz die Arbeit der Botanik-AG dargestellt werden. Zunächst gab es für diese Zusammenkünfte keine großen Pläne. Wir fingen einfach mittendrin in der bunten Pflan- Seit dem Bestehen der Gruppe werden in der Vegetati- zenwelt am 20. Februar 1981 mit der Gattung Hahnenfuß onszeit von Anfang April bis Ende September abendliche an. Zu meinem ersten Seminar – wie ich diese Zusammen- mehrstündige Exkursionen zu bedeutsamen oder bislang künfte nannte – kamen fünf Ornithologen der FG: Fritz unbekannten Gebieten durchgeführt. Die Winterzeit ist Anderlik, Wolfgang Köhler, Joachim Loose, Hans-Georg mit Theorie ausgefüllt, d. h. mittels Abbildungen, Fotos und Müller und Georg Strache. Zu den Teilnehmern in den Herbaren wird die Artenkenntnis geschult. Als sehr för- nächsten Zusammenkünften, die bereits damals in einem derlich haben sich die von mir angefertigten „Hilfsbestim- 14-tägigen Rhythmus stattfanden, gehörten später weitere mungsschlüssel“ erwiesen. Sie sind entstanden, um die für FG-Mitglieder: Adolf Kretschmann, Manfred Montschko, manche Leute schwierigen Bestimmungswege aus üblichen Wolfgang Neubauer, Andreas Schilf, Marga Völkel. Nur der botanischen Werken in verschiedener Hinsicht zu verein- eigentliche Initiator Kurt Pohlmann kam nie zu der neuen fachen. Sie enthalten nur die bei uns vorkommenden oder Gruppe. Ihm gingen meine Aktivitäten plötzlich zu schnell. zu erwartenden Pflanzenarten und als Merkmale manch- Wahrscheinlich war er bereits von seiner schweren Krank- mal weniger wissenschaftliche, aber dafür augenfällige heit beeinflusst. Kennzeichen zur Artbestimmung. Das botanische Stan- Zunächst waren wir Ornithologen fast unter uns und die dartwerk von Rothmaler blieb zunächst im Hintergrund. neue Botanik-AG als ein echter Ableger der Fachgruppe Nach anfänglichen Berührungsängsten wird er heute stän- Ornithologie und Naturschutz geboren. Nach und nach dig einbezogen, wobei meist zuerst zum Atlas-Band gegrif- stießen aber auch Nicht-FG-Mitglieder auf unterschiedli- fen wird. Fundortdaten von allen in M-V vorkommenden chen Wegen zu unserer Botanik-AG. Eine Werbung durch Pflanzenarten werden in der Geobotanik-Datenbank in irgendwelche Massenmedien hätte wahrscheinlich nicht Greifswald gesammelt. Daraus entstehen Verbreitungskar- wirklich Interessierte angelockt. Vielfach hatte meine be- ten, die auch bei häufigen Arten mitunter unerklärliche Lü- rufliche Naturschutzarbeit, aber auch die mündliche Pro- cken aufweisen. Exkursionen unserer AG dienen oft auch paganda oder auch Unterhaltungen am Rande meiner Vor- der Nachsuche in solchen Gebieten ohne Funde, um diese tragstätigkeit einige Personen zu uns geführt. Kenntnislücken zu schließen.

Nach der Wende war die untere Naturschutzbehörde Ziel für die Gruppe ist es, mit Freude etwas Neues zu ler- mehrfach erste Anlaufstelle für interessierte Menschen, nen und Arten selbst erkennen zu können. Die strengeren die sich in Güstrow und Umgebung ansiedelten und nach Arbeitsweisen der organisierten Geobotaniker wurden Betätigungsfeldern in der Natur ihrer neuen Heimat such- nicht als Grundlage angesehen; so werden vielfach an der ten. Sie wurden von dort durch Joachim Loose, der selbst Natur interessierte Leute nicht durch allzu wissenschaft- Mitglied in beiden Gruppen war, sofort weiter zur FG und liches Arbeiten abgeschreckt. Bei allen Exkursionen gilt zur AG vermittelt. Auf diese Art und Weise erhielt sowohl unser Blick stets auch anderen Lebewesen wie Käfern, die FG Ornithologie und Naturschutz als auch die Botanik- Schmetterlingen, Libellen und auch Vögeln, so dass eine AG Verstärkung. U. a. bei Volkmar Rowinsky, Silke Schulze, „Rundum-Schulung“ stattfindet. Möglicherweise ist das Bärbel Walter und Elke Zielonka lief es so ab. auch ein Grund, der gegenüber der FG Ornithologie deut-

20 50 Jahre Fachgruppe Ornithologie und Naturschutz Güstrow lich zu einem stärkeren Zulauf von Mitgliedern geführt Rheinsberg, Templin und im Erzgebirge, aber auch Ge- hat. Zu den Seminaren und Exkursionen sind inzwischen biete in unserem Lande (Rügen, Usedom, Darß, Küste bei über die Jahre mehr als 90 Personen erschienen. Einige Poel/Boiensdorf, Elbaue Dömitz). Exkursionen führten uns von ihnen schauten nur mal kurz rein, andere verließen auch an die Nordsee nach Westerhever (ein zweites Mal nach längerer Teilnahme auf Grund verschiedener familiä- nur als Botanikergruppe) und ins Ausland nach Polen (NP rer Veränderungen Güstrow und damit auch die AG. Man Warthemündung) sowie zur dänischen Insel Mön. Vielfach kann heute von einem jährlich festen Stamm von etwa 25 hatten wir ortskundige Führer und konnten alte Freund- Mitgliedern ausgehen. Von denen sind auch heute noch schaften mit „Naturschutzkämpfern“ aus DDR-Zeiten wie fünf Mitglieder in der FG Ornithologie und Naturschutz. Hans-Ulrich Peter, Uwe Wegener, Heinz Sluschny, Hubert Illig, Ernst Paul Dörfler auffrischen, die nach der Wende Eines hat die AG Botanik der FG Ornithologie und Natur- z. T. Leitungsfunktionen im Naturschutz übernommen hat- schutz weiterhin voraus: Seit 1994 gibt es jährlich eine ge- ten. Neben botanisch geprägten Erlebnissen festigten diese meinsame größere Wochenend-Exkursion in besonders in- Mehrtagesfahrten auch das Miteinander in unserer Grup- teressante Gebiete. Sie geht auf eine Initiative von Georg pen ganz enorm. Bei diesen „Großen Exkursionen“ wur- Strache („Schüler der 1.Stunde“ der AG) zurück. Er wollte den auch meist die auf dem Wege liegenden kulturellen damals unbedingt die blühenden Orchideen im NSG Leu- Sehenswürdigkeiten mit aufgesucht (wie z. B. Festung Kö- tratal bei Jena sehen. nigstein, Kyffhäuser Denkmal, Gedenkstätte Peenemünde). Niemand möchte heute solche Wochenenden mehr missen.

Eines darf an dieser Stelle nicht unerwähnt bleiben, da es für die Gruppe eine existenzielle Angelegenheit war. Ab 7. 7. 1989 fiel ich durch einen schweren Unfall monatelang aus, anfangs war es unklar, ob nicht sogar für immer. Ge- org Strache nahm es in die Hand, die Gruppe in unserem Rhythmus am Laufen zu halten. Während im Sommer die Wahl von Exkursionszielen relativ einfach war, gestaltete sich die Winterarbeit ohne mich recht schwierig, wie man mir gestand. Als ich im Juli 1990 wieder „auftauchte“, konn- te ich nach der Pause weitermachen und brauchte nicht bei Null anzufangen. Obwohl es inzwischen lange Zeit zurück- liegt und Georg Strache nicht mehr unter uns weilt, soll ihm an dieser Stelle nochmals gedankt werden. Er hat zum einen wesentlich zum Erhalt der AG und zum anderen mit seinem Anstoß zu den jährlichen Wochenend ausflügen zur Festigung unserer Gemeinschaft beigetragen.

Abb. 15/16: Teilnehmer der ersten Wochenendexkursion ins NSG Leutratal bei Jena (Sekt gab´s nicht auf die vielen Orchideen, sondern auf den Fund der Erd-Segge Carex humulis). Teilnehmer waren: Ilse Cöster, Angela Martin, Silke Schulze, Georg Strache, Gudrun Schützler (Joachim Loose fotografierte).

Seitdem besuchten wir mit 10–18 Personen die Oderhän- ge bei Lebus, den Nationalpark (NP) Harz, den Spree- Abb. 17/18: Fliegen-Ragwurz und Frauenschuh waren zwei wald, den Kyffhäuser, die Elbaue bei Steckby, das Tage- bemerkenswerte und für uns neue Orchideenarten auf Hügeln des baugebiet in der Lausitz, den NP Hainich, Gegenden um Leutratals bzw. im Kyffhäuser. Fotos: J. Loose.

21 50 Jahre Fachgruppe Ornithologie und Naturschutz Güstrow

Abb. 19: Mitglieder der Botanik-AG bei einer Exkursion am 29.4.2014 im NSG Bockhorst (v.l.) Jörg Bußmann, Fritz Holst, Angela Martin, ein Gast, Bärbel Walter, Joachim Loose, Marina Kahrmann, Siegfried Rüdiger, Volker Bösel, Anneliese Erdtmann, Conny Dettmann, Ilse Cöster. Foto: D. Frontzek.

Abb. 20: Mitglieder der Botanik-AG bei der Exkursion vom 18.6. bis 21.6.2015 ins Elbsandsteingebirge (v.l.) Joachim Loose, Siefried Rüdiger, Christiane Bösel, Anneliese Erdtmann, Uta Neumann, Gisela Klingbeil, Christi- ane Müller, Angela Martin, Volker Bösel, Andreas Küchler und Heinrich Neumann. Foto: J. Loose.

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4. Besondere Aktivitäten der Fachgruppe

Das Beobachten und planmäßige Kartieren einzelner Vo- gelarten führten die FG-Mitglieder in „ihren“ Gebieten meist allein durch. Nur in den Jahren nach der Gründung der FG und zu Zeiten der Aktivitäten der Schüler-AG um Kurt Pohlmann und Wolfgang Neubauer gab es ein häu- figes Beobachten und Lernen in der Gruppe. Neben den monatlichen Zusammenkünften der FG-Mitglieder hatten die wenigen gemeinschaftlich durchgeführten Exkursio- nen eine erhebliche Bedeutung für den Zusammenhalt der Gruppe.

Die Ornithologen-Exkursion auf die Insel Poel im zeitigen Frühjahr oder Frühherbst hatte besonders für die Orni- Abb. 22: Mit den Schweriner Ornithologen auf der Insel Poel. thologen des Bezirks Schwerin eine lange Tradition. Hier Foto: J. Loose. schlossen sich bis zur Wende auch die Güstrower Ornitho- logen an. Bisweilen sonderte sich die Güstrower Truppe etwas von den übrigen ab. Es hatte sich bei ihnen ein „harter Kern“ Vor allem konnten auf den Salzwiesen und an den Prie- aus vier Leuten gebildet, der die übliche Eintagesexkur- len im Binnenland selten anzutreffende Limikolenarten be- sion auf das gesamte Wochenende ausdehnte. Unser FG- obachtet werden. Es standen genügend Sachkundige den Mitglied Georg Strache konnte uns als Beschäftigter bei Neulingen zur Verfügung, um die eine oder andere Artbe- der Deutschen Post Unterkunft im Posthotel in Kirchdorf stimmung abzusichern. Zu DDR-Zeiten war es auch etwas besorgen. Wir reisten also bereits freitags an und wander- Besonderes, wenn wir das NSG Langenwerder betreten ten an gleichen Abend bei jedem Wind und Wetter noch durften. Dazu musste am Grenzturm auf dem Steilufer den in den ca. zwei Kilometer entfernt liegenden „Schwarzen Grenzern Bescheid gesagt werden, dass die zuvor angemel- Busch“, eine Gaststätte auf der nördlichen Seite der Insel. deten Personen jetzt die Insel betreten möchten. Es war Das gleiche taten wir am darauffolgenden Abend. Wenn schon etwas Privilegierung dabei und ein tolles Gefühl, da- die ganze Schweriner Gruppe tagsüber in eine Gaststät- zu gehören zu dürfen. Auch das notwendige Durchwaten te „einfiel“, standen an der einen Wand aufgereiht unsere zur Insel war immer etwas Besonderes; man musste auch Asiolas mit Holzstativen und jeder im Ort wusste, die Or- mal Härte zeigen, wenn das Wasser schon etwas kälter war nithologen sind wieder da. Dass man uns auch als Güstro- und höher stand. wer wahrscheinlich doch in guter Erinnerung behalten hat, zeigt nachfolgende kleine Episode: In unserer Gaststätte „Am Schwarzen Busch“ stand noch eine alte Musikbox, und der Wirt sorgte dafür, dass ständig Musik spielte. 1983 hatte Angela Martin gerade im Staatli- chen Forstwirtschaftsbetrieb als Mitarbeiter für Landeskul- tur/ Naturschutz angefangen; sie war damit Forstangestell- te geworden. Georg Strache ging kurzerhand an die Theke und brachte den Wunsch vor, ob denn das „Oberförster- Lied“ gespielt werden könnte, wir hätten nämlich eine neue „Oberförsterin“ unter uns. Der Titel war aber in der Musikbox leider nicht vorhanden. Fast genau ein Jahr später kamen wir wieder zu unserer Gaststätte. Mit unserem Aufzug waren wir unverkennbar. Abb. 21: Kurt Pohlmann mit Werner Kaiser beim Durchwaten zur Wir hatten kaum Platz genommen, da ertönte aus dem Insel Langenwerder. Foto: J. Loose. Lautsprecher das Oberförsterlied! So hatte der „alte See- bär“ uns also sehr wohl in Erinnerung behalten. Außer der Beobachtung von Vögeln waren diese Poeltreffen Nach der Wende hatten insbesondere die Ornithologen auch wichtig für das Kennenlernen sowie den Erfahrungs- der Parchimer FG um Ernst Schmidt die Poeltreffen wieder austausch der Ornithologen des Bezirkes Schwerin unter- aktiviert. Bei uns Güstrowern kam – eigentlich leider – kei- einander. ne Resonanz auf die Einladungen zustande.

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In der Rückschau waren andere gemeinschaftliche Exkur- Martin Lemke organisierte dann auch als Student in Pots- sionen der FG eher seltener. Während der Winterzeit gab dam die nächste Fernexkursion. Mit der FG besuchten es auf den FG-Versammlungen stets viele Vorstellungen zu wir am 24. 4. 1999 die Trappenauswilderungsstation von unbedingt anzusteuernden Zielen. Rückte die Saison dann Dr. Heinz Litzsbarski in Buckau im Brandenburgischen und näher, reduzierten sich oft die Teilnahmemeldungen. Die schauten auch gleich mal am NSG Gülper See vorbei. Halbtagesexkursionen im Mai führten uns meist in weni- ger bekannte Gebiete des eigenen Kreises. Zu einer Ganztagesexkursion fuhren wir im Mai 2004 in In den Jahren der Rasterkartierung fielen Exkursionen mit- die Lewitz, wo uns der NSG-Betreuer Dr. Horst Zimmer- unter völlig weg, oder eine solche wurde kurzfristig in ei- mann durch die artenreiche Teichlandschaft führte. Erst nen MTB/Quadrant gelegt, für den der Bearbeitungsstand am 21. 5. 2011 gab es eine ähnliche Fortsetzung – Ziel waren noch ungenügend war, um hier Abhilfe zu schaffen. die renaturierten (vernässten) Wiesen in Peenetalmoor und Aber es gab doch einige Exkursionen der FG, die uns in das NSG Anklamer Stadtbruch, wo wir ortskundige Füh- weiter entfernte Gebiete führten. rung durch unser ehemaliges Botanik-AG-Mitglied Steffen Durch die Verbindungen von W. Neubauer als Studien- Päßler hatten, der hier inzwischen als Naturpark-Ranger leiter für das Fach Biologie am Landesinstitut für Schule angestellt war. und Ausbildung (LISA) und seine Referendar-Ausbildung hatten wir die Möglichkeit, vom 13. –15. 9. 1996 das Watten- Nachdem anlässlich des 80. Jahrestages des NSG Krakower meer der Nordsee mit seinen Watvögeln kennenzulernen. Obersee 2012 unsere Mai-Exkursion in dieses Gebiet führ- Der Leuchtturm von Westerhever war für ein Wochenende te, wurde die frisch aufkommende Tradition der nach au- unser Quartier. Wir lachten herzlich, als wir morgens Mar- ßerhalb führenden ornithologischen Touren im Mai 2013 tin Lemke in der Badewanne schlafend vorfanden. Er war mit schönen Beobachtungen von Rothalstauchern bei ei- wegen des Schnarchens seines Zimmergenossen Joachim nem Besuch des Stuerschen Sees fortgesetzt. 2014 startete Ulbricht ausgezogen und fand das gar nicht lustig. die FG erstmalig zu einer Mehrtagestour mit 14 Mitfahrern Für den FG-Jahresbericht Nr. 29 durfte M. Lemke dann auch nach Südschweden. Guntram Trost hatte diese Exkursions- den Reisebericht verfassen. Er konnte sich damit von einer woche von der Unterkunft im Ferienhaus bis zu den anzu- Vielzahl von auszugebenden Getränkerunden „freikaufen“. steuernden Schutzgebieten bis ins Detail geplant. – Wir hatten mal auf Poel eingeführt, dass jeder, der eine Vogelart zum ersten Mal sieht, eine Runde an die Mitbe- Da nicht alle möglichen Plätze von Mitgliedern der FG obachter auszugeben hat. – Für Martin waren es bei dieser genutzt wurden, fuhren auch einige aus der Botanik-AG Exkursion ins Wattenmeer elf neue Arten, die ihm als Stu- mit. So war es nicht nur eine sehr interessante ornitholo- dent natürlich erlassen wurden … gische, sondern auch botanische Erkundungsreise gewor- den, zu der wir ein Jahresbericht-Sonderheft mit den Be- obachtungen erstellen konnten. Diese Reise hatte viel An- klang gefunden und sollte ihre Fortsetzung finden. Auch 2015 war Guntram Trost wieder unser „Reiseleiter“, der uns am letzten Wochenende im Mai ins Saale-Unstrut-Ge- biet zu Bienenfressern am Geiseltalsee und zu Orchideen im 827 ha großen NSG „Tote Täler“ südlich von Freyburg im Burgenlandkreis führte. Auch dieses Mal waren wieder Mitglieder der Botanik-AG dabei. Abb. 23: Exkursion 1999 ins Wattenmeer bei Westerhever. Foto: J. Loose.

Abb. 24: Exkursionsteil- nehmer auf dem Foto waren (v.l.n.r..): K.-H. Koop, M. Montschko, V. Rowinski, U. Thamm, G. Strache, A. Martin, W. Neubauer, A. Kretschmann, J. Ulbricht, U. Knoche-Ulbricht, I. Cöster, S. Schulze. Foto: J. Loose

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Die erste große Tour nach Schweden sollte einmalig sein. Ablage war zwar nicht günstig, aber für eine Verwendung Wir kennen das schon von den Botanikern – schnell kann außerhalb ließ sich kein Landwirt gewinnen. In den Ar- eine liebgewordene Tradition entstehen. Möge es so weiter beitspausen saß man zusammen im Heuhaufen, und es gab gehen, es gibt noch viele interessante Ziele, die man sich in den ersten mitgebrachten Pflaumenkuchen – eine schöne Gemeinschaft erschließen kann. Erinnerung an die Arbeiten, die gleichfalls den Gruppen- zusammenhalt förderten. Neben den Exkursionen im Mai wurde seit 1998 das zwei- te Halbjahr Ende August mit Exkursionen in die nähere Umgebung Güstrows begonnen. Die nahe gelegenen Klär- teiche der Zuckerfabrik, später der als Kompensations- maßnahme an gleicher Stelle angelegte „PVA-Teich“ sowie der renaturierte Gutower Polder am Sumpfsee boten die Chance, hier insbesondere Limikolen kennenzulernen. 2012 kam jemand auf die Idee, diese abends durchgeführte Ex- kursion mit einem Grillabend zu verknüpfen. Beim ersten Mal gab´s die Bratwurst gleich neben dem PVA-Teich, spä- ter machten wir es uns am Ufer des Inselsees bequemer. Auch das ist inzwischen zur Tradition geworden.

Abb. 26: Kaffeepause am Rande der Mähfläche. Foto: Archiv.

Neben notwendigen Mäharbeiten ging es in anderen Flä- chen auch um das Zurückdrängen der aufwachsenden Grau-Weiden und Schlehenbüsche. So gab es mehrere Ein- sätze auf der „Braunkehlchenwiese“ gleichfalls im NSG Breeser See, oder es wurde u. a. auf einem schmalen ar- tenreichen Feuchtwiesenstreifen am Ostufer des Parumer Sees mit einigen jüngeren Menschen zu DDR-Zeiten eine Entbuschungsaktion vorgenommen.

Abb. 25: Klaus Dauber (am MF70), Angela Martin und Harry Jahr bei der Arbeit auf der Orchideenwiese im NSG Breeser See. Foto: J. Loose.

Die meisten FG-Mitglieder waren zu DDR-Zeiten auch Naturschutzhelfer. So gehörten jährliche Arbeitseinsätze zur Pflege von Flächen mit besonders geschützten Pflan- zenarten zum Programm der FG. Meist ging es dabei um Feuchtwiesen mit Orchideenvorkommen, auf denen keine Nutzung durch die Landwirte mehr erfolgte. Eine solche ca. 1,5 ha große Wiese am Ostufer des Breeser Sees war mehrfach im Spätsommer ein Arbeitsort für die Ornitho- Abb. 27: Entbuschung am Breeser See – A. Martin und M. Fritsche logen, die teilweise auch ihre Familienangehörigen zur Un- schleppen abgeschnittene Sträucher durch hohes Land-Reitgras an terstützung mitbrachten. Uns stand das eigens für Natur- den Rand der „Braunkehlchenwiese“. Foto: J. Loose. schutzzwecke vom Forstwirtschaftsbetrieb auf Betreiben von Angela Martin hin angeschaffte Mähgerät „MF70“ zur Über weitere gemeinsame Arbeitseinsätze z. B. im NSG Verfügung. Zehlendorfer Moor und zur Errichtung von Schutzhütten vor der Wende wird in anderen Kapiteln berichtet. Das musste natürlich erst einmal zum Ort der Pflege ge- bracht werden. Damals ging so etwas fast immer mit be- Nach der Wende stand der Naturschutzbehörde für not- trieblicher Unterstützung – so konnte Manfred Montschko wendige Pflegemaßnahmen Geld zur Verfügung. Joachim dafür am Wochenende einen Multicar von seiner Arbeits- Loose aus unserer FG war hier als Amtsleiter tätig und stelle kostenfrei ausleihen. Das Mähgut wurde per Handar- setzte sich anfangs bei der Planung der Haushaltsmittel ge- beit aus der Fläche entfernt und am Rande abgelegt. Diese gen die Kämmerei der Kreisverwaltung durch. So wurden

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Firmen beauftragt, die wesentlich mehr Arbeiten ausfüh- auf der Hoffnung, dass noch keimfähiger Samen im Boden ren konnten, als es in Freizeittätigkeit den Ehrenamtlichen vorhanden ist. Der Aufruf für die Durchführung dieser Ar- überhaupt möglich gewesen wäre. Als Nachteil brachen beiten ging vornehmlich an Mitglieder der AG Botanik, die bisherigen ehrenamtlichen Aktivitäten weg, und mit durch die Doppelmitgliedschaft in der AG und der FG von der gleichfalls nicht mehr gesetzlichen bestehenden Legi- fünf Teilnehmern, darf der Einsatz auch der FG angerech- timationsmöglichkeit von Naturschutzhelfern entstand ei- net werden. ne Kluft zwischen amtlichen und ehrenamtlichen Natur- schutz. Von der neuen gesetzlich möglichen Benennung von Naturschutzwarten wollte man im Landkreis Güstrow keinen Gebrauch machen – man hatte politisch Angst, dass hierdurch eine „Polizeitruppe“ für den Umweltschutz ent- stehen könnte, da die im Naturschutzgesetz vorgesehenen Vollmachten eines Naturschutzwartes recht weitreichend waren. So kam bei einigen „altgedienten“ Ehrenamtlichen das Gefühl auf, nicht mehr gebraucht zu werden.

Bei der Naturschutzbehörde wurden im Laufe der Jahre die Haushaltsmittel immer mehr gekürzt, so dass nach und nach viele pflegebedürftige Flächen auf der Strecke blieben. Einige Feuchtflächen konnten weiterhin zum Glück durch Förderprogramme über das StALUMM Rostock gepflegt Abb. 29: V. Bösel u.a. beim Plaggen im Bornbruch – 2007. werden. Foto: J. Loose.

Zur Förderung eines kleinen Vorkommens des Sumpf- Herzblattes Parnassia palustris, einer fast unscheinbaren maximal 25 cm hohen weißblühenden Moorwiesenart, fand am 7. 11. 2009 ein Einsatz durch sechs FG-Mitglieder mit Motorsense und Durchforstungsscheren auf einer kleinen Fläche am Ostufer des Parumer Sees statt, um die locker von Weiden und Birken bestandene Fläche freizustellen. Schließlich fanden auf Initiative von Guntram Trost ab September 2014 Pflegearbeiten auf dem Bölkower Burg- wall im NSG Gutower Moor und Schöninsel statt. Mitglie- der der FG und der Botanik-AG sowie des Bisdede-Vereins Mühl Rosin beteiligten sich an den insgesamt 14 Einsätzen (siehe dazu auch Pkt. 8.1.6). Durch die Beseitigung des dort Abb. 28: Mähraupe im Einsatz auf der Orchideenwiese im NSG aufgewachsenen Gebüsches aus Schlehen und Weiden und Breeser See – 2014. Foto: J. Loose. die Mahd der Feuchtwiesen soll das ehemals vorhandene Vorkommen von Wiesenorchideen wieder belebt und der Wenngleich es bis heute seitens der Naturschutzbehörde Burgwall als Magerrasenhang entwickelt werden. zu keinen Berufungen von Naturschutzwarten gekommen ist (nicht einmal die langjährigen NSG-Betreuer sind nach Wer arbeitet, darf auch feiern. Anstelle der FG-Zusammen- dem Auslaufen der Verträge mit dem Umweltministerium kunft im Dezember wurden Weihnachtsfeiern bei uns erst offiziell als solche bestellt worden), arbeiten die Mitglieder ab 1999 eingeführt. Die Partner der FG-Mitglieder wurden der FG im Sinne des Naturschutzes weiter, und es gab auch zu diesen Veranstaltungen eingeladen, auch die Kinder der nach der Wende einige Pflegemaßnahmen in geschützten Jüngeren kamen in einigen Fällen mit dazu. Den Partnern Biotopen. unserer Mitglieder konnte so Danke für das Verständnis gesagt werden, was sie für die vielen Freizeitstunden auf- Am 27. 10. 2007 fanden sich acht Personen im FND Born- gebracht haben, in denen unsere FG-Mitglieder in der Na- bruch bei Krakow am See zu einem Einsatz mit Hacken, tur unterwegs und sie alleine waren. Schippen und Schubkarre ein. An mehreren Stellen wur- Selbstverständlich war es für uns, auch die Verbindung zu de die Vegetationsdecke abgehoben (abgeplaggt), um neu- den Partnern unserer verstorbenen FG-Mitglieder aufrecht en Rohboden zu schaffen. Damit sollten dem ehedem hier zu halten und sie zu unseren kleinen Feiern einzuladen. vorkommenden Sumpf-Enzian Gentianella uliginosa besie- Den Eiersalat von Frau Strache, mit dem sie sich revan- delbare Flächen geboten werden. Unsere Aktion beruhte chierte, möchten wir nicht missen.

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Da sich nach der Wende die Reisemöglichkeiten auf die ge- Da sich gerade in der sowieso arbeitsintensiven Vorweih- samte Welt ausgedehnt hatten, spiegelte sich diese Ände- nachtszeit derartige Feierlichkeiten in allen Bereichen des rung auch bei den Urlaubsreisen der FG-Mitglieder wider. täglichen Lebens stark konzentrieren, kam unser langjäh- Neben Essen und Getränken wurde eine „kulturelle Um- rige FG-Leiter Wolfgang Neubauer auf die hervorragende rahmung“ unserer Zusammenkünfte von Anfang an einge- Idee, unsere Weihnachtsfeier auf den Jahresanfang zu ver- plant. Jedes Jahr stellten andere FG-Mitglieder, die größere tagen. Seit 2006 wird Mitte Januar der sogenannte Jahres- Fahrten unternommen hatten, ihre Erlebnisse und Eindrü- einstieg begangen. cke, natürlich vor allem in zoologischer und botanischer Hinsicht vor. Länder und Inseln Europas von Spanien bis Norwegen, von Grönland bis Kreta waren Vortragsthemen. Einige flogen aber auch auf andere Kontinente: Kenia, Süd- afrika, Namibia, Uganda, Tansania und die Mongolei waren Ziele. Wir sahen dazu stets beeindruckende Bilder.

Abb. 30: Die Exkur- sionsgruppe 2013 am Stuerschen See (v.l.n.r..): Klaus Lingsminat, Joachim Loose, Matthias Schneider, Wolfgang Neubauer, Ina und Eckhard Schlüter, Angela Martin, Guntram Trost, Beate Meder-Trost, Karl- Heiz Koop, Volker Bösel. Foto: J. Loose.

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5. Öffentlichkeitsarbeiten

Joachim Loose war die Mitgliedschaft im Kulturbund nicht bindend. Der Kulturbund bot im Wesentlichen für die meisten von uns Ornithologische Fachgruppenarbeit, die sich nur auf das nur den Raum für unsere Veranstaltungen. Nach der politi- Beobachten von Vögeln und das Sammeln von Daten be- schen Wende sind es die OAMV und der NABU, mit denen schränkt, erzielt kaum eine Wirkung nach außen. Als „Ost- wir zusammenarbeiten. Einige FG-Mitglieder sind gleich- Ornithologen“ beobachteten wir, dass zunehmend eini- falls Mitglied in anderen Vereinigungen und erhöhen über ge namhafte Ornithologen „im Westen“ nur mit Akribie die Vogelwelt hinaus mit speziellen Kenntnissen zu ande- registrierten, wie eine Vogelart nach der anderen aus der ren Artengruppen dadurch die Fachkompetenz der Fach- Landschaft verschwand. Bereits mit dem Namen unserer gruppe. FG wollten wir zum Ausdruck bringen, dass wir anders Mit der FG als offene Untergliederung der eigenständigen handeln wollten. Unsere Beobachtungen wollten wir nicht NABU-Ortsgruppe Güstrow e. V. ergab sich die Möglich- für uns behalten. Sie sollten uns zum Handeln dienen und keit, im Rahmen der gesetzlich vorgeschriebener Beteili- mussten in die Öffentlichkeit getragen werden. Dafür gab gung anerkannter Naturschutzverbände bei verschiedenen es die verschiedensten Möglichkeiten. Einige in dieser Be- bedeutsamen Vorhaben unsere fachlichen Erkenntnisse ziehung beschrittenen Wege werden nachfolgend näher vortragen zu können. dargestellt. Da die NABU-OG vom Finanzamt eine Anerkennung der Gemeinnützigkeit erfährt, ist sie auch berechtigt, für einge- Die Kommunikation mit Gleichgesinnten und der Aus- worbenen Spenden eine Spendenbescheinigung auszustel- tausch des erworbenen Fachwissens war uns stets eine len. Über diese Verbindung gelang es uns mehrfach, für die wichtige Angelegenheit. Seit Gründung der FG fühlten von der FG initiierten Artenschutzmaßnahmen Spenden wir uns dem Bezirksfachausschuss Ornithologie und Vo- einzuwerben. Auch das sind heute wichtige Möglichkeiten gelschutz im Bezirk Schwerin als Organisation des Kul- unsere Öffentlichkeitsarbeit. turbundes der DDR verbunden. Für unsere FG-Mitglieder

5.1 Artikel in der Lokalpresse, Broschüren und Vorträge

Angela Martin tikel. So hatte ich meinen ersten Beitrag in der Lokalpres- se eingebracht. Der fand sogar als Kurzvermerk den Weg Seit den 70er Jahren erschienen bis zur Wende auf der ins „Neue Deutschland“ (ND), damals eine Zeitung, die in Kreisseite unserer Lokalzeitung „SVZ“ regelmäßig kleine der ganzen DDR erschien. – Angemerkt muss hier werden, Beiträge von uns zu Naturschutzthemen in der „Kellerspal- dass an der Insel nicht weitergebaut wurde; Krankheit und te“, das war der Abschnitt auf der letzten Seite ganz un- Tod Kurt Pohlmanns standen dem entgegen. Die Anfangs- ten. Mitunter boten sich kleine Serien an, so z. B. schrieb elemente der Insel dienten später vor allem Kormoranen Wolfgang Neubauer über das NSG Krakower Obersee (mit als Sitzwarte. Ihr eigentlicher Errichtungsgrund geriet in Fotos), Angela Martin über Frühblüher (mit Tuschezeich- Vergessenheit. Erst 1989 kam es hier tatsächlich zu einer nungen). Wir konnten die Bevölkerung über Naturschutz- Brut eines Flussseeschwalbenpaares. Die sich daran an- aktivitäten der FG informierten. In den frühen 1990er Jah- schließende Entwicklung wird unter dem Brutfloß-Projekt ren gab es viele neue Aspekte einer anderen Naturschutz- (Pkt. 10.2) von J. Loose erzählt. arbeit für Beiträge in der Tagespresse. Wolfgang Neubau- er und Wolfgang Köhler stellten neue Naturschutzgebiete Im Zusammenhang mit meiner Schreibtätigkeit für die Zei- vor, Joachim Loose und Angela Martin die vielen gesetzlich tung soll hier eine kleine Begebenheit erwähnt werden: Es geschützten Biotope wie Moore und Brüche, Sölle, Feld- wird Mitte der 80er Jahre gewesen sein. Eines Tages wur- hecken und Feldgehölze u. a. de ich zum Direktor des Staatlicher Forstwirtschaftsbetrieb (StFB) zitiert. Als ich sein Zimmer betrat, saß dort bereits Für mich kam der Anstoß zum Schreiben in der SVZ wohl der Parteisekretär. Mir wurde sofort ganz anders. Nur äl- von Kurt Pohlmann. Als Student wurde ich vermutlich als tere „DDR-Bürger“, die nicht in die Partei wollten, werden des „Schreibens bisschen kundig“ angesehen. So sollte ich diese Situation nachempfinden können. Ich ging davon aus, über die Aktion des Bauens einer künstlichen Insel im NSG dass man mich für den Eintritt in die SED werben wollte. Breeser See durch seine Schüler-AG im Winter 1979/80 Man kam schnell auf den Punkt: Da ich öfters Artikel für berichten. Diese Insel sollte der Ansiedlung von Flusssee- die Tageszeitung verfasste, möge ich doch stets „StFB“ dar- schwalben dienen. Ein Foto eines brütenden Vogels dieser unter setzen. Da fiel mir ein Stein vom Herzen. Das können Art von Wolfgang Neubauer illustrierte diesen kleinen Ar- sie haben – ich war sehr erleichtert.

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Etwas später stand unter meinen Artikeln dann VK Dr. Den Gedanken zur notwendigen Darstellung unserer Na- Angela Martin. Ich hatte mich „hinaufgearbeitet“ und war turschutzobjekte aufgreifend, gestalteten Joachim Loose, „Volkskorrespondent“ geworden. Angela Martin und Wolfgang Neubauer gleich 1991 eine 36seitige Broschüre mit vielen Farbaufnahmen im Format [Lt. Wikipedia: Volkskorrespondent war die amtliche Be- 21 x 20 cm. Der Titel lautete „Landschaftspflege und Natur- zeichnung für die freien Mitarbeiter von DDR-Zeitungen schutz im Raum Güstrow“ (Abb. 32), so dass bei bereits an- in der Zeit zwischen 1945 und 1989. Artikel, die von Volks- stehender Kreisgebietsreform eine Aktualität gewahrt blei- korrespondenten verfasst waren, wurden in den DDR-Zei- ben würde und eine Erweiterung um zwei Hefte für die tungen unterzeichnet mit „VK N.N.“. Volkskorresponden- Altkreise Bützow und nahtlos hätte geschehen ten waren die Zuträger lokaler Nachrichten und erfüllten können. somit eine wichtige Rolle. Sie sollten fähig sein, eine lokale Begebenheit in den offiziell gewünschten Kontext einzu- ordnen und sachlich darüber zu berichten. Politisch an- spruchsvollere Artikel waren in der Regel den Redakteuren der Presse vorbehalten.]

Als „Zuträger“ für lokale Nachrichten hätte ich mich nie bezeichnen lassen. Das Verbreiten von Naturschutzthemen und Wissen über die heimische Flora und Fauna war mir aber immer ein wichtiges Anliegen.

In DDR-Zeiten war eine breitere Öffentlichkeitsarbeit mit- unter mit erheblichen Schwierigkeiten verbunden. So wa- ren unzählige Fürsprachen notwendig, bis ein Heft über „Natur und Naturschutz im Kreis Güstrow“ zur Dokumen- tation der Schutzgebiete unseres Gebietes gedruckt wer- den konnte. Von den Autoren A. Martin, W. Neubauer und K.-H. Koop waren vier Teile geplant. Nur für den Südostteil des Gebietes lag schließlich 1987 ein 17seitiges Heftchen (Abb. 31) im DIN A5-Format mit Zeichnungen und Fotos (alles schwarz-weiß!) vor. Die unendliche Geschichte fand Abb. 32: Naturschutzbroschüre von 1991 keine Fortsetzung, die Wende kam „dazwischen“ – und mit ihr völlig neue Möglichkeiten. Herausgeber war zwar das Naturschutzamt im Landkreis Güstrow, die umfangreichen Herstellungsarbeiten waren jedoch in ehrenamtlicher Tätigkeit der drei Autoren in vielen Sitzungen erfolgt. Nach der Kreisgebietsreform war dann für die geplante Fortsetzung der Hefte leider kein Geld mehr vorhanden. Zu den Broschüren, die nach der Wende deutlich leichter herzustellen und auch über verschiedene Quellen finan- zierbar waren, zählen einige Druckwerke, bei denen wir die Hauptarbeit erledigt haben.

1990 erstellte Wolfgang Neubauer ein 18seitiges Heft mit farbigen Bildern über das Naturschutzgebiet Krakower Obersee. Es löste eine kleine von ihm erstellte Informati- onsschrift mit drei Seiten Text und einigen Schwarzweiß- Fotos ab, die er über den Bezirksvorstand des Kulturbundes Schwerin 1985 hatte drucken lassen können. Seit der Wen- de lagen in der öffentlichen Kanzel im NSG Breeser See in Kopien hergestellte farbige Faltblätter aus. In diesen gab Joachim Loose Informationen zum Gebiet. Im Jahre 2002 wurde das im „Selbstverlag“ hergestellte Faltblatt durch einen ordentlichen Druck ersetzt. Abb. 31: Naturschutzbroschüre von 1987

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Beide Informationsschriften waren vom Umweltministeri- sche gerade „Saison“ u. a. in meinem Haubenlerchen-Pro- um herausgegeben worden und richteten sich an die ein- jekt. Sechs Wochen lang geschah gar nichts, dann erschien heimische Bevölkerung und besonders auch an die unsere der Artikel ungekürzt. Ein Kollege im Betrieb meinte dazu: Region besuchenden Touristen. Ein von Manfred Montsch- „Ich dachte, jetzt wird die Zeitung ehrlich!“. Ohne Zensur ko für das NSG Gutower Moor und Schöninsel erstelltes, hatte mein Text vermutlich nach langen Überlegungen ebenfalls nur in Farbkopien hergestelltes Faltblatt schaffte dann doch die Instanz der Stasi passiert … es aus Finanzierungsgründen nicht mehr bis zu einem of- fiziellen Druck. Die beispielhaft in einigen FG-Jahresberichten ausgewiese- nen Aktivitäten aller FG-Mitglieder zusammen belegen mit Die Publikationen „Zur Vogelwelt des Naturschutzgebietes Zahlenangaben (Vorträge/Veröffentlichungen) eine inten- Breeser See“ (loose, j. in ORM 29/1986 und 33/1990) und sive Öffentlichkeitsarbeit in jener Zeit: „Die Vögel des Naturschutzgebietes Krakower Obersee“ (neubauer, w. als Sonderheft Bd. 36/2001 der Heftreihe 1980 1982 1986 1988 NN in MV) waren als Fachliteratur mehr an Fachleute ge- 16 / 6 15 / 15 44 / 7 61 / 12 richtet.

Naturschutzthemen ließen sich auch besonders gut mit Noch bis Mitte der 90er Jahre nahm die Lokalzeitung fertige Diavorträgen in die Bevölkerung tragen. Artikel von uns an und druckte diese unverändert. Immer Wolfgang Neubauer hielt vor allem im Krakower Raum seit öfter waren dann Lokalredakteure bei mehr oder weniger den 1960er Jahren sehr viele Vorträge über die fantastische großen Aktionen dabei und verfassten ohne unsere Mitar- Landschaft, die Schutzgebiete und ihren Schutzgrund, also beit ihre Beiträge. Mitunter ging das gehörig schief, d. h. es die Pflanzen- und Tierarten. wimmelte von fachlichen Fehlern. Es wäre besser gewesen, man hätte uns zur Vermeidung von Missverständnissen die Mitte bis Ende der 1980er Jahre ging ich mit einem Vor- Manuskripte zuvor zum Durchlesen gegeben. Unverständ- trag (illustriert mit 6x6-Dias – diese Qualität stellte da- lich für uns blieben Äußerungen mancher Redakteure, dass mals Vorträge mit kleinformatigen Dias in den Schatten) die Zeit der Zensur ja wohl vorbei sei. Mitunter entsteht zu den Schutzgebieten im Kreis auf Wanderschaft durch leider der Eindruck, die Pressearbeit auch in den Lokalzei- viele Schulen, Gemeinden und Betriebe. Mit diesem Vor- tungen ist heute deutlich mehr auf „Sensationen“ ausge- trag wurde nicht nur eine nüchterne Übersicht gegeben, legt. sondern ich scheute mich auch nicht, alle Widerstände und Schwierigkeiten beim Umsetzen von Naturschutzmaß- Dennoch gibt es auch heute gute gelungene Zeitungsbei- nahmen aus eigenem Erleben zu nennen. Wahrscheinlich träge. Besonders die jährliche Rückschau auf das Storchen- unterschied sich dieser auf Tatsachen beruhende Bericht jahr in der Region Güstrow und Berichte über Kraniche wohltuend von der gebetsmühlenartig einseitig positiven und Adler kamen bei der Bevölkerung gut an. Darstellung aller Dinge. Dieser Vortrag wurde immer be- Von Wolfgang Neubauer verfasste Beiträge anlässlich des liebter, sogar Organisatoren von Parteilehrjahren forderten 80jährigen Bestehens des NSG Krakower Obersee wurden ihn an. in mehreren Fortsetzungen in der SVZ gedruckt. Es wurde Einige Male habe ich Heimatkundelehrer hinsichtlich Na- auch über die jährlich für die Öffentlichkeit über den Tou- turschutz und heimischer Pflanzen- und Tierwelt weiter- rismusverein Krakow am See angebotenen von uns geführ- gebildet. An einen Vortrag schloss sich eine Exkursion ten Exkursionen im Mai sowie sogar ganzseitig über die an. Dass wir ohne Auto auf Exkursion gingen, war wohl Leserreise im August 2015 mit Sebastian Lorenz in dieses von der Mehrheit nicht erwartet worden. Bei einem Gang Gebiet berichtet. durch das Neubaugebiet der Güstrower Südstadt fanden wir über 40 Pflanzenarten und warfen einen Blick in ein Guntram Trost gelang es, einen Beitrag „Auf der Suche Haubenlerchennest. Das hat wohl jeden wenigstens einmal nach Kriechtieren“ einzubringen, auf den er einige Leser- davon überzeugt, dass Natur auch vor unserer Haustür zu reaktionen erhielt. Es sollte unser Anliegen bleiben, die finden ist. Presse auch weiterhin mit aktuellen Themen zu Vogel- und Als Nachfolgekandidat im Kreistag hatte ich einmal die Naturschutz zu beliefern. Gelegenheit, über mein ureigenes Thema „Naturschutz“ zu sprechen. Auch bei diesem Beitrag blieb ich natürlich bei der Wahrheit. Am darauffolgenden Tag erhielt ich vom Lo- kalredakteur einen Anruf, ich solle meinen Beitrag mög- lichst bis morgen zum Druck bei ihm abgeben. Er gab mir keinen Tag Aufschub, obwohl ich beschrieb, für solche Din- ge momentan keine Minute übrig zu haben, denn es herr-

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5.2 Informationstafeln

Joachim Loose

Mit einer Kampagne versuchte die Fachgruppe etwa ab stammten vielfach aus bunten „West-Broschüren“, die wir 1987 vornehmlich in den Schulen des Kreises Nachwuchs von Freunden erhalten hatten. Wir standen vielfach vor zu werben. Angela Martin und Joachim Loose waren die dem Konflikt, dass wir dieses Material, was es in dieser Art Hauptakteure bei der Erarbeitung einer Wanderausstel- und Qualität in der DDR ja kaum gab, zerstören mussten. lung über Biotop- und Artenschutz. In der Eingangstafel Heute mit den Möglichkeiten des Computers und des In- wiesen sie dabei auch auf die Verfassung der DDR mit dem ternets kann man sich die mühselige Puzzle-Arbeit bei den Artikel 15 Abs. 2 (Abb. 6) hin: damaligen Tafelherstellungen nicht mehr vorstellen. Bei dieser Arbeitsweise war es auch kein Wunder, dass es sehr lange dauerte, bis wir mit unseren eigenen Texten zufrie- den waren und endlich eine Tafel fertig wurde.

Die Tafeln waren ordentlich gerahmt, hatten eine Glasplat- te und waren über ein Ständersystem aneinander gereiht aufstellbar.

Abb. 33: Eingangstafel für die Wanderausstellung

Unsere damals sechs NSG im Kreisgebiet wurden auf je- weils einer Tafel vorgestellt. Wie bereits an anderer Stelle erwähnt, hatte die FG bei deren Ausweisung erheblichen Anteil. Weitere Tafeln trugen folgende Titel:

Blühende Wiesen – eine Seltenheit Moore – gefährdete Lebensräume Hecken – wichtige Elemente in der offenen Landschaft Kies- und Sandgruben – Ersatzlebensraum aus Menschenhand

Kranich – vor dem Aussterben bewahrt Weißstorch – immer stärker bestandsgefährdet Abb. 34: Angela Martin vor den Ausstellungstafeln der ersten Fas- Fledermäuse – geschützte Schädlingsbekämpfer sung. Foto: J. Loose. Lurche und Kriechtiere – wichtige Glieder im Naturhaushalt Sozusagen als Wanderausstellung wurde sie ab März 1987 Beringung – Hilfsmittel der Forschung bis zur Wende 1989 an mehr als 30 Orten gezeigt, z. B. in vielen Schulen des Kreises, in kleinen Museen und auf den In Ermangelung anderer Möglichkeiten waren die 15 Ta- Zeltplätzen in Krakow am See und Garden. Mit einem „Fo- feln „wandzeitungsähnlich“ angefertigt. Die von einem tofaltprospekt“ wurde an verschiedenen Stellen für diese Krakower Zeichenlehrer gemalten Überschriften gaben der Ausstellung geworben. Einzelne Tafeln wurden zeitweilig Ausstellung einen professionellen Anstrich. an Freunde auch nach Schwerin und Oranienburg ausge- Die selbst verfassten Texte, eigene Zeichnungen und aus- liehen. geschnittene Fotos wurden aufgeklebt. Die farbigen Fotos

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Anlässlich des Tages der deutschen Einheit stand die kom- auflösungen verschollen. (Fotos im Anhang belegen noch plette Ausstellung am 03.10.1990 sogar auf dem Hof des ihre Existenz) Schlosses Güstrow. Wie ein noch vorhandenes Begleitheft zur Ausstellung be- Mit Gründung der NABU-Ortsgruppe Güstrow, deren legt, fanden auch nach der politischen Wende diese Infor- tragende Säule die Fachgruppe Ornithologie und Natur- mationstafeln über das neue Naturschutzamt des Landkrei- schutz ist, stand erneut die Aufgabe, die Tätigkeiten der FG ses weiter den Weg in unsere Schulen und an andere Orte: einer breiten Öffentlichkeit bekannt zu machen und über Themen des Arten- und Biotopschutzes zu informieren. Als 04.10. – 15.12.1990 Ernst-Thälmann / Dimitroff Oberschule Vorsitzender der Ortsgruppe drängte Wolfgang Neubauer Güstrow auf die Anfertigung einer neuen Posterserie. Inzwischen 16.03. – 01.04.1991 Ausstellung Naturschutz und Jagd im gab es mit der neuen Computer- und Drucktechnik ver- Museum Schloß Güstrow glichen zu den am Ende der 1980er Jahre hergestellten Ta- 04.04. – 22.04.1991 Goethe-Oberschule Güstrow feln völlig neue Möglichkeiten, die auch deutlich weniger 22.04. – 26.04.1991 Grundschule Lohmen arbeitsaufwändig waren. In das Konzept der Tafeln wur- 26.04. – 27.05.1991 Oberschule den vom Redaktionsteam die jeweiligen Artbearbeiter und 27.05. – 10.06.1991 Oberschule Mühl Rosin NSG-Betreuer einbezogen und das Ergebnis wurde in den 11.06. – 02.07.1991 Distelbergschule Güstrow FG-Sitzungen vorgestellt und diskutiert. Eine erste Aufstel- 03.07. – 07.07.1991 Stadt Laage anlässlich deren lung fanden die Tafeln bei einer OAMV-Tagung im Bürger- 775 Jahr-Feier haus in Güstrow. 08.07. – 30.07.1991 Zeltplatz Garden / Lohmen Solche Einträge im Begleitheft wie:

„Wir Schüler der POS Lohmen haben uns sehr gefreut, dass die Ausstellung „Arten und Biotopschutz“ an unserer klei- nen Schule stehen durfte und alle Schüler der Klassen ihre Kenntnisse über naturgeschützte Gebiete in unserem Heimat- kreis erweitern konnten. …Wir wollen nun gemeinsam mit Herrn Loose und Herrn Montschko die Vögel und Pflanzen am Breeser See beobachten. Wer hat denn schon einmal von uns eine Orchideenwiese betrachtet? Künftig wollen wir mit offenen Augen durch die Natur gehen, um Pflanzen und Tiere bewusst zu erkennen. Sie sollen in Ruhe leben und sich ver- mehren können. In diesem Sinne wollen wir künftig handeln und uns dementsprechend in der Natur verhalten – Klasse 3.“ wurden eindeutig von den Lehrern geschrieben und stellen ein Wunschdenken, aber immerhin auch einen (kurzzei- tig wirkenden) Lehrinhalt dar. Nach der Ausstellung fand dann später tatsächlich noch eine Exkursion mit den Schü- lern ins NSG Breeser See statt. Ein Mehr, gar die Bildung einer Natur-Arbeitsgemeinschaft an der Schule (wie die Hoffnung anfangs auch in Zehna nach einer Exkursion ins NSG vor der Haustür bestand), folgte diesem Anstoß leider nirgends. Immerhin wurde durch Lehrer vermerkt: „Diese Ausstellung hat aufklärend und zur Naturbeobachtung an- regend gewirkt; das haben die Schüler im Biologieunterricht Abb. 35: Eingangstafel zur neuen Posterserie zum Ausdruck gebracht.“ Anlässlich der 775 Jahr Feier in Laage wurde die Ausstel- Einige doppelt angefertigte Tafeln bekamen einen Dauer- lung auch insbesondere nach Einträgen von Erwachsenen platz in Regionen des Kreises (Linstow, Lohmen, Kuchel- hinsichtlich Inhalt und Engagement der Hersteller sehr ge- miß), wo regelmäßig eine größere Zahl von Touristen Ur- lobt. laub machen. Die neu gestalteten Tafeln sind als Anhang 3 Nach etwa fünfjährigem Umlauf der Ausstellung verstaub- zur Anschauung beigefügt. Als künftige Aufgabe steht hier ten die Tafeln im Lager der unteren Naturschutzbehörde die Ergänzung der bisherigen 13 Tafeln um botanische The- ab 1992. Sie sollten technisch überarbeitet werden. Heute men zum Biotop- und Artenschutz analog zu den Tafeln sind sie nach vielen Umzügen der Verwaltung und Lager- der ersten Serie an.

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Anlässlich des 80.Jahrestages des NSG Krakower Obersee im tation wurden die Tafeln der Naturparkverwaltung im Ka- Jahre 2012 organisierte ein Redaktionsteam der Fachgruppe, rower Meiler übergeben. Die Herstellung der Ausstellung federführend natürlich der NSG-Betreuer Wolfgang Neu- war durch den NABU-Landesverband finanziell unterstützt bauer, eine große Ausstellung in der Synagoge von Krakow worden. Im Anhang 4 sind auch diese Tafeln für das FG- am See (Abb. 36). Hier wurden auf insgesamt 22 eindrucks- Archiv abgebildet. vollen Postern nachfolgende Themen präsentiert:

■ Entstehung und Entwicklung des Krakower Sees ■ Unterschutzstellung ■ Erforschungsgeschichte ■ Nutzung des Gebietes ■ Ökologischer Zustand des Gebietes ■ Pflanzen des Gebietes (2x) ■ Brutvögel (Flussseeschwalbe, Lachmöwe, Silbermöwe, Kormoran, Haubentaucher, Seeadler, Fischadler, Kra- nich, Rohrdommel, Rohrweihe, Rallen, Graugans, Hö- ckerschwan, Eisvogel, Singvögel) ■ Ehemalige Brutvögel (2x) ■ Mauserplatz ■ Durchzügler und Wintergäste ■ Seltene Gäste

Die Fertigstellung und Endgestaltung der Tafeln lag in den Händen der Naturparkverwaltung des NP Nossentiner/ Schwinzer Heide. Für die Tafeln standen neben Fotos von W. Neubauer und einigen Fachgruppenmitgliedern zahlrei- che beeindruckende Bilddokumente von befreundeten Or- nithologen und Naturschützern unseres Landes (20 Perso- nen) zur Verfügung, so dass eine sehr anspruchsvolle Do- kumentation bei der Festveranstaltung am 14.07.2012 der Öffentlichkeit präsentiert werden konnte. Nach der Präsen- Abb. 36: Plakat zur KOS-Festveranstaltung

Abb. 37: Dr. Wolfgang Neubauer spricht beim Festakt zur Ausstellungseröffnung 80 Jahre NSG Krakower Obersee am 14.07.2012 in der Synagoge in Krakow am See. Foto: J. Loose.

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5.3. „Die Leute vom Kulturbund“ (TV-Film von 1982)

Joachim Loose

Es lässt sich heute nicht mehr ganz zurückverfolgen, wie es im NSG Krakower Obersee: der Verschmutzung durch dazu kam, dass plötzlich das Fernsehen der DDR über drei Eintrag von Nährsalzen aus der Felderdüngung, die über Leute vom Kulturbund aus unserer Fachgruppe berichten Abschwemmungen in den See gelangen. Besonders ging es wollte. Die Erstsendung des knapp 30 minütigen Films er- um Jauche, die hier aus zwei Quellen in den See einfließt folgte im Fernsehen der DDR am 13.6.1982. Sich an den Film (von der LPG Dobbin und dem Teilbetrieb des VEG Laage erinnernd, haben wir ihn erst vor kurzem im Deutschen in Glave). Rundfunkarchiv Babelsberg suchen lassen. Die Mitarbeiter Der Rat des Kreises Güstrow hatte zu einem Ortstermin dort wurden fündig (Quelle: BC 11829), und wir erhielten nach Glave geladen, der teilweise im Film dokumentiert eine Filmkopie mit der Erlaubnis, den Film zum Zwecke der wurde. Heinz Stegemann als Sekretär für Jagd und Natur- Dokumentation der Fachgruppenarbeit zeigen zu dürfen. schutz stellte die Teilnehmer vor: der Bürgermeister von Dobbin, Genosse Brüggemann – Direktor des VEG Laage Die drei tragenden Personen in dem Film, der den Unter- als verursachender Betrieb, die Staatliche Gewässerauf- titel „Beobachtungen im Kreis Güstrow“ trug, waren For- sicht und der KNB waren anwesend. schungsstudentin an der Pädagogischen Hochschule Güst- row Angela Martin (25), Biologie- und Chemie-Lehrer an der POS Krakow am See Dr. Wolfgang Neubauer (47) und Oberinspektor der Deutschen Post beim Fernmeldeamt Güstrow Georg Strache (55). „Sie sind drei von Tausenden (im Kulturbund), die ihren Neigungen nachgehen und dabei Kultur und Landschaft behüten“, heißt es in der Vorstellung. (Wie waren wir doch alle jung damals…)

Abb. 41: Teilnehmerkreis beim Ortstermin in Glave (Quelle: DRA)

Die Kamera schwenkte während der Gespräche immer wieder über marode Ställe, Misthaufen und unbefestigte Abb. 38–40: Die Hauptakteure im TV-Film (Kopien aus dem Film- Jaucheseen. Die Probleme der fehlenden Jauchezisternen material des DRA) und Lagerkapazitäten seien jahrelang bekannt gewesen.

Die Filmemacher haben mit dem Streifen einen durchaus sehr umweltkritischen Film abgeliefert. Inhaltlich wurde eingangs auf das Engagement der Freizeitornithologen bei der 1.Rasterkartierung der Brutvögel in der DDR (1978– 1982) eingegangen. Laut Angela Martin sollten die Ergeb- nisse in einen Brutvogelatlas der DDR einfließen. Mit dem könne man spätere Veränderungen in der Natur dokumen- tieren, erklärte sie. Mit solchen müsse man u. a. durch den immer stärkeren Einsatz von Pestiziden in der Landwirt- schaft rechnen. Im weiteren Verlauf stellt Wolfgang Neubauer die Bedeu- tung des NSG Krakower Obersees dar. Er berichtete, wie er als aktiver Ornithologe frühzeitig zum Kreisnaturschutz- beauftragten (KNB) ernannt wurde und diese von ihm eh- renamtlich geleisteten Arbeiten in der Summe eine halbe hauptamtliche Stelle ausfüllen würden. Abb. 42: Missstände mit Dunglege und Jauchengrube in Glave Ein Schwerpunkt des Films handelte vom Hauptproblem (Quelle: DRA)

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Genosse Brüggemann erklärte: „Wir bewirtschaften nicht brauchen Nutzflächen für die Ernährung und deshalb kann nur hier in Glave, sondern auch in Laage sehr interessante man Moore nur noch in kleinen Teilstücken erhalten. … So Naturschutzgebiete und sind bemüht, diese Missstände im wichtige Lebensräume wie Moore müssen für Arten erhalten Umweltschutz zu beseitigen.“ – Glave wäre erst vor sieben werden, so gut wie es geht …. Vom ILN Greifswald hatte uns Jahren übernommen worden, die Gebäudesubstanz sei teil- Dr. Jeschke Hinweise für durchzuführende Maßnahme zur weise über 100 Jahre alt, es sei keine Kanalisation, keine Sicherung des Moores gegeben.“ Abwässerbewirtschaftung vorhanden.

Ziel der nicht vor der Kamera geführten Beratung war es, zu klären, wie die stattfindende Verschmutzung des Krako- wer Obersees in den nächsten Monaten, in den nächsten Jahren abgebaut werden könne.

Am Ende der Beratung erklärte der Direktor des VEG: „Wir werden diese Anlage, die Sie hier sehen, die keine befes- tigte Dunglege hat, mit einer befestigten Dunglege versehen, wir werden hier Zisternen bauen, ein festes Durchfahrtsilo auch mit einer Abwasserzisterne, mit einer Sickersaftzisterne, und wir werden hier eine Hofbefestigung vornehmen, damit die Jauche, die Sickersäfte und andere Umwelt verschmutzen- de Faktoren ausgeschaltet werden. Wir sehen die Erfüllung Abb. 43: Andreas Schilf und Fritz Anderlik beim Bau eines Graben- der genannten Maßnahmen genauso wichtig an wie unsere staues im NSG Zehlendorfer Moor. (Quelle: DRA) tägliche Planerfüllung, denn wir können nicht nur die Pro- duktion sehen, wir müssen hier die exponierte Stellung dieses Gebietes (des NSG KOS) im Rahmen des Natur- und Umwelt- schutzes sehen.

Das Statement des KNB Wolfgang Neubauer lautete: „Ja es ist selbstverständlich, dass wir solche Dinge, die ja doch recht kostenaufwendig sind, nicht übers Knie brechen kön- nen. Das geht nicht, dass man das alles von heute auf morgen regelt. Und wenn das so verwirklicht wird, wie das im Proto- koll festgelegt wurde, und es dann verwirklicht wird, glaube ich, können wir doch ganz zufrieden sein. Dann wird also in absehbarer Zeit, in wenigen Jahren oder Monaten schon, ein Teil dieser Verschmutzungen beseitigt sein und der See wird von dieser Seite her weniger belastet sein. Also insgesamt Abb. 44: Wolfgang Köhler und Joachim Loose beim Materialtrans- kann gesagt werden, mit dem was heute festgelegt worden port für den Bau eines Grabenstaues im NSG Zehlendorfer Moor. ist, und wenn das so verwirklicht wird, können wir durchaus (Quelle: DRA) zufrieden sein.“ Es gäbe aber auch noch den Vorschlag zur Stauerrichtung Im Film wird zu einem anderen Kapitel übergeleitet, wäh- in Höhe der Autobahn. Hier seien noch Kämpfe mit der rend der Sprecher anmerkt: Melioration zu erwarten, ebenso wie auch bereits durch- „Die Sicherung unserer Ernährungsbasis, die Steigerung un- geführte Absprachen mit der Landwirtschaft nicht immer serer Produktion, sind Gründe genug, um in Landschaften reibungslos abgelaufen seien. einzugreifen. Vernünftige Lösungen zu finden, bedarf mit- unter beachtlicher Aufwendungen. Wir trafen aber auch auf Im Schlussbeitrag wird Georg Strache auf einer ungeord- leichter lösbare Probleme, die eigentlich gar keine wären, neten Mülldeponie gezeigt. Und dann im Gespräch mit der wenn vorher nachgedacht worden wäre.“ Obrigkeit, einem Bürgermeister.

Es wurde die Errichtung eines Grabenstaus im NSG Zeh- Dieser erklärt die gezeigten Missstände mit „Nachlässigkeit lendorfer Moor gezeigt, wo zahlreiche Mitglieder unserer bei den Fahrern, Uneinsichtigkeit einiger Bürger, Trakto- FG einen Abfluss aus dem Moor zum Augraben mit Erde risten ganz konkret“ und bemerkt dazu: „da haben wir als und Strauchwerk verstopfen wollten. staatliche Leiter noch zu kämpfen, da sind wir bei weitem Angela Martin erklärte einsichtig die Maßnahme: „Wir nicht durch“.

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Der Versuch, Wasser im Zehlendorfer Moor durch einen einfachen Grabenstau zu halten, war nicht von Erfolg ge- krönt. Bereits wenige Stunden nach der Filmszene waren das Wasser im verschlossenen Graben und der Wasser- druck so hoch gestiegen, dass das von uns errichtete primi- tive Staubauwerk umspült wurde. Dem Großmeliorations- projekt aus den 1960er Jahren konnte nur mit einem neuen Ingenieurprojekt begegnet werden. Auf ein solches (leider mit noch unbefriedigender Lösung) musste noch mehr als 20 Jahre gewartet werden. (vgl. Beitrag zum NSG Zehlendor- fer Moor – Pkt. 8.1.4)

Jedes Dorf hatte früher eine kleine Kies- oder Sandgru- Abb. 45: Georg Strache prangert Müllablagen am Rande eines Solls be, die fast alle in der Folge zu Mülldeponien wurden und als ungeordnete Deponie an. (Quelle: DRA) schließlich abgedeckt wurden. Welches Potenzial für den Artenschutz ging hier verloren! Wie im Filmbeitrag zu se- Den Schlusssatz des Sprechers zu diesem Thema kann man hen war, wurde Müll nicht nur am Rande sondern auch in nur unterstreichen: Kleingewässer eingebracht und diese schließlich verfüllt. Georg Strache berichtete uns in den FG-Sitzungen regel- „Der Natur- und Umweltschutz ist gesetzlich fixiert. Gedan- mäßig von neuen von ihm in der Landschaft entdeckten kenlosigkeit ist eine freundliche Umschreibung dessen, was in Müllablagerungen, die er bei den Behörden angezeigt hat. Wirklichkeit Gesetzesverletzung und Rechtsbruch heißt, und Er blieb in dieser Hinsicht unnachgiebig und hartnäckig. das geht jeden an, nicht nur die Leute vom Kulturbund.“ In den seltensten Fällen konnte die Natur wieder herge- stellt werden; in der Regel wurde der Unrat nur abgedeckt. Dem Film von damals sind einige Kommentare aus heuti- Leider muss heute von uns allen immer wieder festgestellt ger Sicht anzufügen. werden, dass immer noch viele Bürger kein Umweltbe- wusstsein haben. Kühlschränke, Autowracks, Fernseher Wie würde wohl nach heutigen rechtlichen Bestimmungen und anderes werden immer noch oft mitten im Wald oder der Wasserwirtschaft mit der Gewässerbelastung durch in Söllen liegend gefunden, obwohl sie kostenfrei über Jauche wie damals in Glave umgegangen werden? Das Wertstoffhöfe entsorgt werden könnten. Lediglich die Ver- VEG Laage hatte ganze sieben Jahre lang nach Übernahme folgung von Ordnungswidrigkeiten im Bereich geschütz- der Stallungen nichts am Zustand verändert. Jetzt sollten ter Biotope und in Gewässern wird heute – nur soweit sie bis zur Umsetzung des Versprechens zur Beseitigung der entdeckt und angezeigt wurden – nach den gesetzlichen Belastungen weitere Monate oder wenige Jahre vergehen. Bestimmungen schärfer und auch bis zur Wiederherstel- Wie „genügsam“ hatten wir Naturschützer damals sein lung verfolgt. müssen!? Leider konnte man die Aussage im Film nicht als Satire ansehen…

5.4 Vogelstimmen- u. a. öffentliche Exkursionen

Angela Martin

Georg Strache hatte als exzellenter Kenner der Vogelstim- herauszuhören. Wie bringt man Leuten das Wesentliche men frühzeitig begonnen, der interessierten Bevölkerung beim Unterscheiden der Vogelstimmen bei? Ein schwieri- jährlich mehrere Exkursionen zum Kennenlernen der Vö- ges Unterfangen! gel über ihre Gesänge anzubieten. Für seine Routen nutzte Seit dem Jahr 2007 waren drei bis vier Vogelstimmen-Ex- er meist den Gehölzreichtum des Güstrower Friedhofes mit kursionen im Jahr ein fester Bestandteil des Programms dort zahlreich vorkommenden Singvogelarten. Ich unter- der Kreisvolkshochschule. Auch in den Jahren davor gab es stützte ihn bei größeren Gruppen mehrfach. Einige Male immer wieder einzelne Veranstaltungen, ausnahmsweise zog ich auch bereits in DDR-Zeiten selbst mit einer kleinen auch in den Abendstunden. Gruppe von Menschen in frühen Morgenstunden, einmal Als Fachgruppe kamen wir mit diesem Programmpunkt bereits auch ab 5:00 Uhr, in die nahe Umgebung Güstrows. der Volkshochschule als unserem Quartiergeber für die FG- Für die meisten Teilnehmer war es schwierig, aus dem Versammlungen entgegen. weitgehend anonymen Vogelkonzert einige Interpreten Obgleich wir bei den Stimmen-Schulungen an den FG-

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Abenden gemerkt haben, dass auch einige FG-Mitglieder unterschiedliche Arten erleben zu können. Die Wanderun- durchaus noch an ihrer Kenntnis der Vogelstimmen arbei- gen führten u. a. durch die Gartenanlage an der Schanze bis ten müssten, beschränkte sich die Teilnahme an den Exkur- zum Ufer des Sumpfsees oder auf dem Barlachweg entlang sionen meist nur auf Leute außerhalb der FG. des Inselsees. So war es möglich, neben Gartenvögeln auch Arten des Schilfgürtels vorzustellen: Teich- und Drossel- Im Laufe der Zeit bildete sich ein gewisser Stamm an Ex- rohrsänger, Rohrammer, Rohrschwirl, Beutelmeise, Was- kursionsteilnehmern heraus, die im Juni auch nicht vor serralle, mitunter auch Große Rohrdommel. Nicht jedem dem recht frühen 6 Uhr-Termin zurückschreckten. war anfangs klar, dass der Gesang des Rohrschwirls tat- Am zahlreichsten fanden sich Teilnehmer beim jährlichen sächlich von einem Vogel stammt. Die Inselsee-Exkursion Termin Ende März ein. Hier gab es noch die für viele an- wurde meist mit einem Abstecher in den Heidberg ver- genehmere Anfangszeit um 8 Uhr. Vielfach mochten auch knüpft, wo Waldarten vorgestellt werden konnten. Beson- der beginnende Frühling zur Vogelbeobachtung aktiviert ders einprägsam war hier die „Schwirrstrophe“ des Wald- haben – Gartenbesitzer und Vogelfreunde nahmen sich mal laubsängers. Auf der seeabgewandten Seite des Barlachwe- wieder vor, doch endlich einige Gesänge der richtigen Art ges bringt das gebüsch- und schilfreiche Gebiet eine solche zuordnen zu können. große Vielfalt an Rufen und Gesängen, dass sich ein Lernen dort als recht schwierig erweist. Jedoch gab es einmal ei- ne Ausnahme: Es waren die unverkennbaren Rufreihen des Wendehalses. Ende Juni ging es über den landschaftlich attraktiven Rund- weg auf Schöninsel, wo die noch singenden Schilfbewoh- ner wiederholt werden konnten. Da bei vielen Vogelarten ein Herbstgesang zu vernehmen ist, wurde seit 2009 auch im September eine Führung an- geboten. Neben Gesängen charakterisieren auch „früh- lingsunabhängige“ markante Rufe die Vogelarten. Der Weg führte durch die Gartenanlage am Sumpfsee und zum See selbst. Hier weilten zu dieser Zeit immer große Mengen von Gänsen, so dass auch dieses Schauspiel die meisten Teilnehmer beeindruckte. Wie bereits erwähnt, werden Sichtbeobachtungen intensiver erlebt, als das bloße Verhö- ren von Vogelstimmen. An einem klaren Septembermor- gen konnten über dem Schilf sogar Bartmeisen bei ihren Abb. 46: A. Martin bei der öffentlichen Vogelstimmenwanderung Höhenflügen beobachtet werden. Foto: J. Loose. In den vergangenen Jahren wurden die monatlich gewähl- Aus meinen Erfahrungen kann ich berichten, dass bei die- ten Routen beibehalten. Bei der Auftakt-Tour Ende März sen Exkursionen auf gar keinen Fall die gesamte Vogelwelt musste die Stadt nicht verlassen werden, um die ersten des durchwanderten Gebietes oder eine große Zahl ver- Balzrufe und Gesänge zu vernehmen. Die April-Exkursi- schiedener Sängern vorgestellt werden sollte. on führte entlang des Nebelkanals, wo einige Drosselarten vorgestellt werden konnten, es zogen auch noch Trupps Nach dem Motto: Weniger ist mehr, geht es um das Vorstel- der Wacholderdrossel durch. len weniger Arten. Die Teilnehmer wurden immer wieder Am Gleviner Platz in Güstrow waren Birkenzeisige in der darauf hingewiesen, höchstens zwei bis drei Arten bei einer Brutzeit gut zu beobachten. Ich fand dort sogar ein Nest. Exkursion lernen zu wollen. Das Gehör soll vor allem auf So legte ich die Wegstrecke für die Aprilführung in die- ein „Herausfiltern“ von Arten trainiert werden: bekannte se Gegend und konnte dem Teilnehmerkreis diese bei uns Arten sollen „abgeschaltet“ und die Aufmerksamkeit auf selten nachgewiesene Brutvogelart vorführen. Wenn sich einen unbekannten Gesang oder Ruf konzentriert werden. der eine oder andere den sehr charakteristischen Ruf der Besonders wichtig ist das bei einem Vogelkonzert im Mai/ Birkenzeisige eingeprägt hat, besteht die Hoffnung, dass er Juni – eine Einzelstimme ist dann kaum noch „vorführbar“, den Ornithologen von anderen Nachweisorten einen wert- weil ringsum alles singt. vollen Hinweis gibt. Die Sichtbeobachtung einiger Vogelarten war jedoch stets der Höhepunkt. Wenn man einen Vogel beim Singen sieht, In eine andere Art der „Nachwuchsförderung“ wurde ich ist der Lerneffekt natürlich am größten. 2003 „hineingestoßen“. Die Kita suchte für ihre Die Routen für die etwa zweistündigen Vogelstimmenex- „Waldwoche“ einen fachkundigen Führer. Das fand dann kursionen wechselten, um je nach Jahreszeit immer wieder seine jährliche Fortsetzung bis 2011. Jeweils an einem Tag

37 50 Jahre Fachgruppe Ornithologie und Naturschutz Güstrow im Juni erklärte ich den „Lütten“ bei einem Waldspazier- Andere öffentliche Exkursionen führte W. Neubauer jähr- gang oder auch am Libowsee einige Dinge der Natur. Mit lich einmal für interessierte Bürger und Urlauber der Ge- Feuereifer waren sie dabei. Auch die Erzieherinnen lern- gend in Zusammenarbeit mit dem Tourismusverein Kra- ten so einiges dazu. So früh würde eine Förderung Sinn kow am See durch. Er wollte damit für sein NSG Krakower machen, denn die Jüngsten sind noch begeisterungsfähig. Obersee werben und Verständnis dafür wecken, dass dieses Bei ihnen könnte der Grundstein für ein Interesse gelegt Gebiet weitgehend für die öffentliche Nutzung verschlos- werden. Leider lässt die Ausbildung der Erzieherinnen in sen bleiben muss. Die Exkursionen waren stets ausgebucht. dieser Richtung früher wie heute stark zu wünschen übrig. Die Tradition wird nunmehr nach dem Tode von W. Neu- bauer durch Sebastian Lorenz als neuer NSG-Betreuer fort- Die jährliche Durchführung des Tages der Artenvielfalt, bei gesetzt. uns initiiert durch Lothar Brockmöller vom LUNG, richtete sich an ältere Schülergruppen. In fünf Jahren hintereinan- Nachdem Joachim Loose 2014 mit einem Fotovortrag öf- der sicherte ich die fachliche Seite bei der Bestimmung von fentlich über die Bedeutung des PVA-Teiches berichtet hat- Pflanzenarten ab und versuchte auch, die Schüler an einige te, wurde von interessierten Bürgern der Wunsch nach ge- Vogelstimmen heranzuführen. führten Exkursionen in dieses Gebiet geäußert. Dem wurde Die Schüler zeigten sich durchaus interessiert, aber bei mit Exkursionen im Frühjahr 2015 zur Limikolenbeobach- weitem nicht wie die Kindergartenkinder. Durch ein man- tung und einer Herbstexkursion zum Schlafplatz der Krani- gelndes Engagement der Lehrer werden die Kinder in Na- che in Verbindung mit der Kreisvolkshochschule (KVHS) turhinsicht nicht gefördert. Es bliebe den Lehrern frei ge- entsprochen. Die Exkursionen waren im Halbjahrespro- stellt, sich Unterstützung bei uns Ehrenamtlern zu holen. grammheft der Schule angekündigt. Der Kreis der interes- Das ist jedoch nie geschehen… sierten Bürger hatte auch hier einen hohen Altersdurch- schnitt und führte zu keinem erhofften Neuzugang für die Fachgruppe.

Abb. 47: Exkursionsteilnehmer am Krakower Obersee vor der „Einschiffung“ zur Fahrt auf den Großen Werder - 11.5.2013. Foto: J. oseLo

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6. Andenken an verstorbene FG-Mitglieder

Mit den Ornithologen der ersten Stunden, die inzwischen älteren Gruppenfotos solche Fragen wie, wer war denn der alle für immer von uns gegangen sind, verbinden sich für und in welchem Gebiet hatte der beobachtet, auf. einige von uns noch gemeinsame Erlebnisse. Die Zahl neu hinzugekommener Mitglieder wurde mit den Jahren grö- Aus den Anfängen der Fachgruppe nicht mehr unter uns ßer. Immer öfter tauchen von jenen beim Betrachten von weilen inzwischen

Dr. Otto Jessen (1916 – 1981) Kurt Pohlmann (1935 – 1981)

Klaus Dauber (1942 – 2006) Uwe Thamm (1967 – 2007)

Mit ihrem Tod entstanden immer wieder große Lücken bei Das Leben und Wirken der vorgenannten Mitglieder wird der Beobachtungsintensität in einzelnen Gebieten und Tei- in einem kurzen Abriss dargestellt und gewürdigt. Aus- len des Kreises und in der Gruppenarbeit, die durch andere führlicher kann über sie in den zum Teil veröffentlichen bis heute nicht wieder geschlossen werden konnten. Nachrufen nachgelesen werden.

Dr. Otto Jessen (gest. 1981)

Über sein Wirken in und für die Fachgruppe kann heute kaum noch etwas berichtet werden, da uns die Zeitzeugen fehlen. Dr. Otto Jessen war am damaligen Pädagogischen Institut Güstrow im Fachbereich Biologie als Dozent tätig. Sein Na- me taucht in einigen Protokollen der FG-Zusammenkünfte auf. Er wird aber in der FG selbst nicht weiter tätig. Beob- achtungseinträge von ihm in der FG-Kartei konnten nicht gefunden werden.

Abb. 48: Dr. Jessen bei einem Vortrag. Foto: A. Martin.

Kurt Pohlmann (26.6.1935 – 7.6.1981)

Kurt Pohlmann wurde am 26.6.1935 in Bahni (im heutigen am damaligen Pädagogischen Institut Güstrow sein Lehrer- Polen) geboren. Nach der Umsiedlung 1945 kam er mit sei- studium in der Fachkombination Biologie/Landwirtschaft- ner Mutter und seinem Bruder nach Neu Bernitt, Altkreis liche Produktion. Bützow. Sein Vater war im Krieg gefallen. Nach dem Ab- Nach zweijährigem Direktstudium war er seit 1963 als Leh- schluss der 8. Klasse arbeitete er zunächst bei einem Bauern. rer an der Schule in Mühl Rosin bei Güstrow tätig. Das Von 1953 bis 1956 ließ er sich zum Elektriker ausbilden. An Fachlehrerexamen legte er nach einem dreijährigen Fern- der Arbeiter-und-Bauern-Fakultät (ABF) in Leipzig erwarb studium ab. Seine Staatsexamensarbeit schrieb er über „Die er von 1958 bis 1961 die Hochschulreife und begann danach Vogelwelt des Sumpfsees“. (POHLMANN, K., 1966) Sein In-

39 50 Jahre Fachgruppe Ornithologie und Naturschutz Güstrow teresse an der Natur galt in besonderem Maße den Vögeln. So war es logisch, dass Kurt Pohlmann 1965 auch zu den Mitbegründern der Fachgruppe Güstrow gehörte. Als Leh- rer verstand er es ausgezeichnet, seine Begeisterung und Tierliebe auf die Kinder und Jugendlichen zu übertragen. An seiner Schule in Mühl Rosin leitete er eine Schüler-AG „Vogelkunde und Naturschutz“, mit der er allwöchentliche Exkursionen durchführte. Er entdeckte den Vogelreichtum des Breeser Sees und lie- ferte mit den Mitgliedern seiner AG durch systematische Erfassungen und die Erstellung einer Artenliste die Grund- lagen für eine Unterschutzstellung dieses Gebietes als Na- turschutzgebiet. Die Nutzung von Räumlichkeiten in einem nahen Bauerngehöft als Feldstation förderte die weitere Er- forschung des ab 1974 als NSG gesicherten Sees wesentlich.

Mit den älteren Schülern unternahm er mehrtägige Exkur- sionen in die interessantesten Gebiete Mecklenburgs so- wie Ferienfahrten nach Polen, Ungarn und Bulgarien. Die Abb. 49: Kurt Pohlmann am Breeser See. Foto: H.-G. Müller. Arbeit seiner AG war keineswegs einseitig ornithologisch ausgerichtet. Er achtete darauf, dass die Schüler auch gu- folg haben. Er griff nur zögernd zur Feder, obwohl zahlrei- te Kenntnisse anderer Tierartengruppen und botanisches che Artbearbeiter der „Vogelwelt Mecklenburgs“ von ihm Wissen erwarben. Kurt Pohlmann war Freund und Vertrau- mit Beobachtungsdaten aus dem Kreis Güstrow bedient ter „seiner“ Jungs; er freute sich mit ihnen über eine neu wurden. entdeckte Tierart oder eine seltene Pflanze, er weckte ihren Seine besondere Stärke war die Leitung der Schülerarbeits- Sinn für die Schönheit der Natur, saß mit ihnen am abend- gemeinschaft. Für die Betreuung und Fortsetzung der For- lichen Lagerfeuer und trieb mit ihnen Sport. Aber er lehrte schungsarbeiten im NSG Breeser See konnte ein Nachfol- sie auch, sich mit ganzer Kraft für den Schutz der Natur ein- ger gefunden werden. Es gelang jedoch nach seinem Tode zusetzen. Dafür war er ihnen als aktiver Mitarbeiter im Na- nicht, auch die Schüler-AG fortzuführen, so dass hier eine turschutz ein gutes Vorbild. Ein Teil der jüngeren Mitglie- nicht ausfüllbare Lücke entstanden ist. der unserer Fachgruppe ging aus seiner Schüler-AG hervor. Kurt Pohlmann bleibt nicht nur seinen Schülern, sondern Sucht man den Namen Kurt Pohlmann in den Autoren- auch den Fachgruppenmitgliedern, die ihn noch kennen- registern von Fachzeitschriften, wird man nur wenig Er- lernen konnten, als guter Freund in Erinnerung.

Reinhard Becker (21.1.1938 – 20.11.1997)

Reinhard Becker wurde am 21. Januar 1938 in Reichwalde/ tenden Wiesenweihen. Im östlichen Kreisgebiet erfasste er Ostpreußen geboren. Mit der Aussiedlung 1945 verschlug jährlich die Greifvogelbruten. es seine Familie nach Hadmersleben in Sachsen-Anhalt. Dort absolvierte er seine Schulausbildung und anschlie- Jahrelang fing er an den Absetzteichen der Zuckerfabrik ßend ein Ingenieurstudium. Nach dessen erfolgreichem mit selbst konstruierten Schlagfallen durchziehende Limi- Abschluss wurde er nach Groß Plasten bei Waren (Müritz) kolen. vermittelt. Ein Jahr später nahm er in Güstrow beim VEB An allen Arbeiten, ob winterliche Wasservogelzählungen, Agro-Technik als Mitarbeiter im Kundendienst eine Arbeit Gänsezählungen, Rasterkartierungen u. a. nahm er regel- auf und wurde bald zum Technischen Leiter berufen. mäßig teil. Er übernahm dabei meist Gebiete, die etwas Im Dezember 1965 gründete er mit gleichgesinnten Natur- abgelegen und mit höherem Aufwand zu erreichen waren. freunden die Fachgruppe Ornithologie und Naturschutz. Eine ganz besondere Freude war es ihm, im Winter bei Frost In dieser Gemeinschaft fand Reinhard Becker neben sei- und Schnee Spuren der zu jenen Jahren sehr seltenen Fisch- ner Familie und seinem Beruf die Erfüllung seines Lebens. otter zu suchen. Reinhard Becker scheute sich auch nicht, Reinhard Becker war ein recht lebensfroher, optimistischer zielstrebig Nachweise für weniger bearbeitete Vogelgrup- Mensch, der sehr schnell Kontakte herstellte und begeis- pen zu erbringen. So hatte er große Teile des Kreisgebietes tern konnte. Seine besondere Vorliebe galt den Greifvögeln nach Eulen abgesucht oder eine systematische Erfassung und den Limikolen. Als das Au grabengebiet noch nicht me- des Wachtelkönigs in geeigneten Biotopen durchgeführt. lioriert war, galt seine Aufmerksamkeit den dort noch brü-

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Als er in den vorzeitigen Ruhestand ging, hatte er noch viele Pläne und Vorhaben, die leider unausgeführt bleiben mussten. Reinhard Becker war sehr kritisch und nicht immer leicht zu überzeugen, er war Pragmatiker und Realist gleicherma- ßen. Stets wusste er, was machbar und durchsetzbar war, er sah aber auch die Grenzen des Naturschutzes in der dama- ligen Zeit. Als Mitstreiter und Freund war er stets Optimist und sehr hilfsbereit. In gemütlicher Runde, oft bei einer Flasche Wein, konnte man mit ihm einen sehr intensiven Gedankenaustausch pflegen und über neue Pläne und Vor- haben diskutieren. Reinhard Becker hat eine sehr große Lücke in der Ar- beitsgemeinschaft hinterlassen, die bisher nicht wieder geschlossen werden konnte. So hat sich noch kein Ersatz für flächenmäßige Bearbeitungen im Norden und Osten unseres Gebietes gefunden, und neuere Vogelkartierungen Abb. 50: Reinhard Becker. Foto: privat. mussten von außerhalb der FG abgesichert werden. Rein- hard Becker bleibt allen, die ihn gekannt haben, durch viele Seine letzten Aktivitäten galten den Mauerseglern und den Exkursionen und gemeinsam verbrachte Stunden stets in Fledermäusen. Er schaffte es zusammen mit einer ABM- guter Erinnerung. Gruppe und der Wohnungsgesellschaft, dass bei den Plat- tenbausanierungen regelmäßig Nist- und Rastquartiere eingebaut wurden.

Georg Strache (29.8.1926 – 26.8.1999 )

Georg Strache wurde am 29.8.1926 in Berlin-Charlottenburg der DDA für das Brutvogel-Monitoring die Punkt-Stopp- geboren. Bis 1939 lebte er in seiner Geburtsstadt, dann sie- Zählung einführte, beteiligte er sich mit einer Zählstrecke delte seine Familie nach Falkensee um. 1941 beendete er die von Anfang an. Er war ein exzellenter Kenner der heimi- Volksschule und begann eine Lehre als Fernmeldemonteur schen Vogelstimmen. Unter seiner Leitung fanden jährlich bei Siemens. 1944 wurde er zum Arbeitsdienst eingezogen mehrere öffentliche Vogelstimmenexkursionen statt. und kam noch im März des gleichen Jahres zur Wehrmacht. Im Mai 1945 geriet er bei Danzig in sowjetische Gefangen- schaft und wurde im Herbst krank entlassen. 1946 beende- te er die Lehre mit der Facharbeiterprüfung und arbeitete danach bis 1951 bei der Firma Siemens. Von 1951 bis 1954 war er für die Firma RFT Berlin als Fernmeldemonteur in Schwerin tätig. Im Februar 1954 wechselte Georg Strache ins Fernmeldeamt Güstrow. Außer zahlreichen Qualifizie- rungslehrgängen absolvierte er von 1962 bis 1965 ein Fern- studium an der Ingenieurschule in Leipzig und schloss die- se als Techniker für Fernsprech- und Fernschreibtechnik ab. Von 1972 bis zum Eintritt ins Rentenalter war er Leiter der Übertragungsstelle in Güstrow. Georg Strache gehörte zu den Mitbegründern der Güstro- wer Fachgruppe Ornithologie und Naturschutz. Er nahm regelmäßig an deren monatlichen Zusammenkünften und allen anderen Veranstaltungen, wie auch an Arbeitseinsät- zen in Schutzgebieten und Exkursionen teil. Er führte zent- rale und regionale Zählungen und Erfassungen in bestimm- ten Teilgebieten des Kreises durch; z. B. die periodischen Wasservogel- und Gänsezählungen, sowie die Erfassung Abb. 51: Georg Strache. Foto: privat. der Brutbestände von Graugans und Höckerschwan. Als

41 50 Jahre Fachgruppe Ornithologie und Naturschutz Güstrow

Als Naturschutzhelfer des Kreises zeigte er regelmäßig be- Seit dem Bestehen einer Arbeitsgemeinschaft Botanik in stehende Missstände in Natur und Landschaft an und setzte Güstrow beteiligte er sich aktiv an deren Veranstaltungen sich aktiv für deren Beseitigung ein. Dabei machte er sich und hatte sich ein gutes botanisches Grundwissen angeeig- naturgemäß nicht nur Freunde. net. Ihm ist es zu verdanken, dass die AG Botanik nach dem Viele Jahre galt seine besondere Aufmerksamkeit dem Unfall ihrer Leiterin Angela Martin bis zu deren Genesung Weißstorch. Georg Strache kontrollierte alljährlich die fortgeführt wurde. Storchenhorste im nördlichen Teil des Kreises, fasste die Wenngleich die Arbeit des „Storchenvaters“ durch ein FG- Ergebnisse für den gesamten Kreis zusammen und gab ei- Mitglied übernommen werden konnte, entstand durch den nen Bericht an die Naturschutzverwaltung und die Fach- Tod unseres aktiven Mitstreiters eine sehr empfindliche gruppe. Eine Kartei aller Weißstorchenhorste wurde ange- Lücke in unsere Fachgruppe. Mit Dankbarkeit erinnern wir legt und jährlich mit den Brutergebnissen ergänzt. Er reg- uns an viele Streitgespräche mit ihm, in denen es immer te die Reparatur oder Neuanlage von Horstunterlagen an. um unser gemeinsames Anliegen, die Bewahrung der hei- Diese Aktivitäten brachten ihm den ehrenvollen Namen mischen Natur, ging. „Storchenvater“ ein.

Klaus Dauber (24.8.1942 – 31.7. 2006)

den Jahresberichten der FG blättern, finden wir das Na- menskürzel „DAU“ nur in den Jahren 1972 bis 1987. Hinter dem Kürzel verbirgt sich anfangs Lothar Daubner, der als Lehrling früher bei uns FG-Mitglied war, bevor er in die FG nach Sternberg wechselte. Beobachtungen von Klaus Dauber tauchen erstmalig 1975 im Jahresbericht mit vol- ler Namensnennung auf. Danach sind seine Einträge auch mit „Dau“ abgekürzt, was bei der Recherche zu Irritationen geführt hat. Beide Personen hatten auf der von den FG-Mitgliedern auszufüllenden Karteikarte als bevorzugte Beobachtungs- gebiete den Güstrower Inselsee genannt, Klaus Dauber er- gänzend auch die östlich gelegenen Seen Flacher und Tie- fer Ziest, Hofsee, Warinsee und Radener See. Sein Interes- sensgebiet lag bei der Beobachtung von Wasservögeln. Die letzten Aktivitäten von Klaus Dauber gemeinsam mit der Gruppe der Ornithologen stammen aus den 1980er Jah- ren. Er beteiligte sich 1982 an drei Pflegeeinsätzen im NSG Breeser See. Im April 1986 erfasste er den Saatkrähen-Brut- bestand in Laage und lieferte im Sommer einen Überblick über die Anzahl singender Drossel- und Schilfrohrsänger, Rohrschwirle und Sprosser an den fünf „Ostseen“. Abb. 52: Klaus Dauber. Foto: privat. 1987 meldete er Austernfischer in den Zuckerfabrikteichen Klaus Dauber wurde am 24.8.1942 in Neuenkirchen im und lieferte Angaben zu den Saatkrähen-Brutkolonien in Saarland geboren. Seine Mutter floh mit ihm als Baby in Güstrow. den Kriegswirren nach Güstrow zu ihrer Mutter. In Güst- Nach der Wende ermöglichte er uns den Zutritt zu den be- row wuchs Klaus dann auf und ging zur Schule. Nach ei- grünten Dachflächen des neuen Klinikums, wo kurzzeitig nem Ingenieurstudium in Wismar war er als Bauingenieur auch Haubenlerchen gebrütet haben. Da sich Klaus Dau- und Bauleiter im komplexen Wohnungsbau tätig und hatte ber nach der Wende aus der FG-Arbeit zurückgezogen hat- nach der politischen Wende eine Anstellung im neu errich- te, wurde sein Ableben – und sein zwei Jahre währender teten Klinikum Güstrow. Kampf gegen eine Krankheit – auch kaum von uns wahrge- Wenn wir heute in der Beobachtungskartei oder in der nommen. Einige fehlende Daten über ihn lieferten uns erst Rubrik der „Besonderen (Wichtigen) Beobachtungen“ in seine hinterlassene Ehefrau und seine Tochter.

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Uwe Thamm (17.3.1967 – 29.1.2007)

in Gülzow auf, die er bis zu seinem Tode ausübte. Schon früh wurde seine Liebe zur Natur geweckt. Dafür war die Landschaft um Grambow mit dem Grambower Moor wie geschaffen. Hier lernte er Walter Thiel kennen, unter dessen Anleitung Uwe Thamm 1978 begann, zu- sammen mit zwei weiteren Freunden Greifvögel an ihren Horsten zu kontrollieren und zu beringen. Während dieser acht Jahre andauernden Betätigung fand er auch den ers- ten Kontakt zum ehrenamtlichen Naturschutz und zu den Schweriner Ornithologen. Walter Thiel war es auch, der ihn an die Naturfotografie heranführte. Als Uwe Thamm nach Abschluss seiner Ausbildung in Gül- zow zu arbeiten begann, wurde er bald Mitglied der FG Ornithologie und Naturschutz Güstrow. Für den FG-Jah- resbericht von 1992 erstellte er eine Übersicht zum Stand der Libellenerfassung im Kreis Güstrow als Basis für die weiteren Erforschungen. Er bereicherte den recht kleinen Kreis engagierter „Nachwuchs“-Ornithologen. Seine Mit- arbeit bei Arterfassungen wurde von der FG sehr geschätzt. Abb. 53: Uwe Thamm. Foto: privat. Ebenso engagierte er sich im NABU, wo er die Tätigkeit als Schriftführer ausübte. Es war ihm immer ein besonde- Uwe Thamm wurde am 17.3.1967 geboren und verbrachte res Anliegen, sich für den Erhalt der Natur einzusetzen. So seine Kindheit in Grambow bei Schwerin. übernahm er auch häufig bei Vorhabenbeteiligungen die Nach der Schulausbildung erlernte er im Institut für Pflan- Anfertigung von Stellungnahmen im Namen des NABU. zenzucht in Gülzow von 1983 bis 1985 den Beruf des Ag- Seine zweite – für viele unbekannt gebliebene – Leiden- rotechnikers. Er absolvierte nach seinem Grundwehrdienst schaft galt der Malerei. Bevorzugte Motive fand er in der in der NVA ein Fachschulstudium an der Agrar-Ingenieur- Mecklenburger Landschaft. schule Quedlinburg. Seine dabei zu erbringenden Praktika Die vielen gemeinsamen Stunden und Erlebnisse bleiben leistete er wiederum im Institut für Pflanzenzucht. Dort ar- jenen, mit denen Uwe Thamm näher befreundet war und beitete er dann auch nach Abschluss des Studiums bis Ende die seine offene und fröhliche Art, mit der er Leute aus ih- 1991. Es schloss sich eine kurze Tätigkeit in einer ABM an, rem Alltag entreißen konnte, in Erinnerung. Ursachen für die seinen persönlichen Interessen entgegen kam – in ei- Depressionen, die ihn befielen und schließlich zu seinem nem „Nebel-Projekt“ befasste er sich mit der ökologischen Tode führten, hielt er uns als Fachgruppe gegenüber ver- Bewertung und Inventarisierung an Fließgewässern mit borgen. So konnten wir ihm leider nicht beistehen. Mit ihm den Schwerpunkten Libellen, Lurche und Vögel. Danach verloren wir einen sehr aktiven jungen Ornithologen aus nahm er eine Arbeit in der Landesforschungsanstalt für unserer Gemeinschaft. Er hinterließ mit seiner Lebensge- Landwirtschaft und Fischerei Mecklenburg-Vorpommern fährtin auch seine Tochter Luise.

Silke Schulze (16.8.1943 – 24.2.2008)

Silke Schulze wurde am 16.8.1943 in Boitzenburg in der auch bei der Sechs-Mann-Gruppe, die die erste Sommer- Uckermark / Brandenburg geboren. Als sie im Raum Güst- tour nach Jena unternahm, war Silke mit von der Partie. row nach dem schweren Verlust ihres Mannes einen Neu- Zunächst wohnte sie in Gremmelin und war Erzieherin anfang wagte, stellte sie sich bei Joachim Loose bei der im Kindergarten Vietgest. Sie hatte ein besonderes Talent, unteren Naturschutzbehörde mit der Frage vor, wo sie am Kindern das Schöne zu zeigen. Folgendes Beispiel ist uns besten etwas für die Natur tun könne. in Erinnerung geblieben: Als sie an einem Sommermorgen Entsprechend ihren Interessen kam sie fortan sowohl zu mit den Kindern auf eine Wiese ging, richtete sie das Au- Fachgruppenabenden der Ornithologen als auch zu den genmerk auf die dort glitzernden Tautropfen: „Guckt mal, Veranstaltungen der Botanik-AG und wurde in beiden wer hat denn diese Edelsteine verstreut!?“ recht aktiv. Noch besser konnte sie ihre Kreativität im Kinder- und Ju- Besonders bei den Botanikern fühlte sie sich wohl. Im Früh- gendkunsthaus in Güstrow einbringen. Die Fantasie jun- jahr 1992 war sie das erste Mal bei einer Exkursion dabei; ger Menschen zu fördern und sie dabei gleichzeitig zum

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Schönen zu erziehen, das war für sie die Erfüllung in ihrem Mit Silke Schulze ging uns eine wissbegierige und auf- Berufsleben. merksame Mitstreiterin verloren. Später war Silke in Klein Grabow zu Hause. Ob hier oder in Gremmelin – sie wohnte immer vielen interessanten Biotopen recht nahe, auf die sie uns z. T. erst aufmerksam machte. Durch ihre Frage, ob es sein kann, dass sie bei Klein Grabow aus einem Soll eine Sperbereule gehört haben könne, stell- ten wir für uns erstaunt fest, dass es hier eine Ähnlichkeit in der Stimme zwischen Sperbereule und Wechselkröte gibt (letztere hatte sie natürlich gehört; wir „tricksten“ sie mit der Lurchstimme aus, die sie natürlich wiedererkannte). Wenn Silke Schulze in der Landschaft Verstöße gegen die Natur feststellte, alarmierte sie die UNB und sprach auch selbst mit den hier wirtschaftenden Landwirten. Uns bleibt ihr großer Garten in Erinnerung, in den einige von uns gern zur Kirschenernte kamen und in dem ihre Hunde genügend Auslauf fanden. Silke kam seit dem 17.9.1999 nicht mehr zu unseren Fach- gruppenabenden und nahm auch nicht mehr an den Ex- kursionen der Botanik-AG teil. Sie wollte sich nur noch auf spezielle Dinge, die ihr bedeutsam waren, konzentrieren. Abb. 54: Silke Schulze bei einer Exkursion 1998. Foto: J. Loose.

Dr. Wolfgang Neubauer (26. 5. 1935 – 26. 8. 2013)

Geboren wurde Wolfgang Neubauer am 26.Mai 1935 in Un- meinschaft Mecklenburg-Vorpommern. Seine liebenswür- terköditz in Thüringen. Nach seinem 1953 an der Oberschu- dige Art hatte großen Einfluss auf den Zusammenhalt der le Rudolstadt abgelegten Abitur führte ihn sein Studium an Naturfreunde und der ornithologischen Gemeinschaft im das damalige Pädagogische Institut Güstrow. Bereits zwei ganzen Land. Jahre später wurde er als Biologie- und Chemielehrer in Von 1955 bis 1994 war Wolfgang Neubauer ehrenamtlicher Krakow am See eingesetzt. Es entsprach durchaus seinem Kreisnaturschutzbeauftragter (KNB). Bei unvermeidbaren Wunsch, diese Tätigkeit in dem ornithologisch sehr vielsei- Auseinandersetzungen mit staatlichen Organen und Be- tigem Mecklenburg ausüben zu dürfen. Durch ein Fernstu- trieben verstand er es stets, durch sachliche Argumenta- dium an der Pädagogischen Hochschule Potsdam von 1960- tionen zu überzeugen. Als KNB koordinierte er die Arbeit 1965 erlangte er die Lehrbefähigung bis Klasse 12. der mehr als 20 Naturschutzhelfer im Kreis, im Rahmen der Im Jahr 1974 promovierte Wolfgang Neubauer mit einer Fachgruppenarbeit gab er ihnen fachliche Unterstützung. Arbeit über Flussseeschwalben an der Humboldt Universi- Während seiner Lehrtätigkeit an der Krakower Schule lei- tät Berlin zum Dr. rer. nat. Von 1991 bis zu seinem Renten- tete er bis 1991 eine AG Naturschutz; viele seiner Schüler eintritt 1998 war er Studienleiter für das Fach Biologie am sind heute noch naturkundlich aktiv. Bei allen war er eine Landesinstitut für Schule und Ausbildung (LISA) und hier geachtete Persönlichkeit, man hörte auf ihn. Wesentlichen für die Referendar-Ausbildung zuständig. Anteil hatte Wolfgang Neubauer bei der Ausweisung von Als aktiver Ornithologe fand Wolfgang Neubauer sehr Naturschutzgebieten im Kreisgebiet. Er drängte auf die Er- früh den Kontakt zu Gleichgesinnten und arbeitete bereits arbeitung von NSG-Behandlungsrichtlinien, die unter Mit- ab 1954 im Bezirksfachausschuss Ornithologie und Vogel- wirkung von Fachgruppenmitgliedern von uns als einem schutz Schwerin mit, wo er als Beringungsobmann und in der ersten Kreise an die Bezirksnaturschutzverwaltung zur der AG Gänsevögel tätig war. Durch das Wirken von Wer- Beschlussfassung übergeben werden konnten. Schließlich ner Kaiser beeinflusst, trug er maßgeblich zur Gründung hatte sein Wort auch Gewicht bei der Gestaltung und Stel- der Fachgruppe Ornithologie und Naturschutz Güstrow im lenbesetzung der nach der politischen Wende neu geschaf- Dezember 1965 bei und übernahm bis 1990 deren Leitung. fenen Naturschutzstrukturen im Landkreis Güstrow. Als mit der politischen Wende für die Fachgruppe die Trä- gerschaft durch den Kulturbund entfiel, war er Gründungs- Als seine Lebensaufgabe nahm er sich der Betreuung des mitglied und bis 2011 auch Vorsitzender der 1991 gegrün- nach Ramser Konvention bedeutsamen Feuchtgebietes und deten NABU-Ortsgruppe Güstrow. Von 1990 bis 1997 war Naturschutzgebietes Krakower Obersee an, zu dessen Ge- er Mitglied im Vorstand der Ornithologischen Arbeitsge- bietsbetreuer er berufen worden war. Mit eigenen Vorträ-

44 50 Jahre Fachgruppe Ornithologie und Naturschutz Güstrow gen und Beiträgen in der Lokalpresse legte Wolfgang Neu- Naturschutzbemühungen für dieses Gebiet beruhten über bauer stets besonderen Wert auf eine umfassende Öffent- 57 Jahre auf seinem Wirken. In diesen Jahren leistete Wolf- lichkeitsarbeit. Er wollte den Leuten verständlich machen, gang Neubauer neben der Gebietsbetreuung auch wertvol- warum die Natur unbedingt auch Rückzugsräume braucht, le Forschungsarbeit an Flussseeschwalben und Wasservö- die von Menschen möglichst wenig gestört werden sollten. geln. In den Brutkolonien am Krakower Obersee, im Kies- Mit den zur Tradition gewordenen Exkursionen in „sein“ werk Langhagen sowie am Drewitzer- und Dreiersee hat er NSG mit Krakower Bürgern und geladenen Gästen sorg- mehr als 12.000 Flussseeschwalben beringt und mit selbst te er für eine wachsende Akzeptanz der eingeschränkten gefertigten Fangkörben mehr als 3.500 Vögel wieder gefan- Nutzung eines großen Gebietes vor den Toren der Stadt gen. Krakow am See. Mit über 70 wissenschaftlichen Publikationen in der Fachli- teratur hat er sich ein Denkmal gesetzt. Zahlreiche Arbeiten betreffen die Flussseeschwalbe und die Bedeutung des NSG Krakower Obersee. Seine Auswer- tung der umfangreichen Beobachtungsdaten der Fachgrup- pe Ornithologie und Naturschutz Güstrow als „Die Vogel- welt des Altkreises Güstrow“ (2004) wird noch lange Zeit Basis für die weitere ornithologische Arbeit in dieser Re- gion sein. Mit zahlreichen Siedlungsdichteuntersuchungen an Feldhecken und in Waldflächen hat er die bestehenden Lücken in den ornithologischen Aufzeichnungen der FG weitgehend geschlossen.

Wolfgang Neubauer war nicht nur den jüngeren Ornitho- logen ein „väterlicher Freund“, sondern ein ausgeprägter Familienmensch, dem Traditionen wichtig waren und der auch gern feierte. In geselliger Runde oder auch am Rande von Tagungen konnte er so manchen Witz erzählen. Es war schwer, mit ihm einen Termin abzustimmen, wenn sich seine beiden Töchter oder drei Enkelkinder zu einem Besuch angekündigt hatten, die dann immer Vorrang hat- ten. Abb. 55: Wolfgang Neubauer auf unserer letzten gemeinsamen Exkursion auf dem großen Werder – 11.6.2013. Foto: J. Loose.

Adolf Kretschmann (17.7.1938 – 25.9.2015)

Adolf Kretschmann wurde am 17. Juli 1938 in Prositten die Neubesetzung des Reviers Diekhof verwirklicht wer- Kreis Rößel / Ostpreußen geboren. Seinen Vater hat er den. Dieses Revier war zersplittert und durch die Nach- nicht mehr bewusst kennen gelernt, er fiel gleich in den kriegsereignisse sehr zerschlagen und vorratsarm. Das Be- ersten Kriegsmonaten. Daraus und durch die Erlebnisse bei streben von Adolf Kretschmann war es, durch Umwand- der folgenden Vertreibung aus seiner Heimat ergab sich lung der vielen minderwertigen Bestockungen wieder voll eine sehr enge Verbindung zu seiner Mutter, aus der er produzierende Bestände aufzubauen. Das erforderte viel sich, auch als erwachsener Mann, nicht mehr richtig lösen Kraft, Geld und Organisationsaufwand. Mit Beharrlichkeit konnte. und Fleiß gelang es ihm, nach und nach qualitätsmäßig Seine neue Heimat fand er zunächst in Jülchendorf bei hochwertige Laubholzkulturen und Jungbestände aufzu- Sternberg. Dort arbeitete seine Mutter als Waldarbeiterin. bauen. Als nach einigen Jahren das Revier Groß Upahl frei Als strebsamer Junge konnte er nach der Schulentlassung wurde, bewarb er sich um dieses Revier. Das neue Revier seinen Wunschberuf in der Forstwirtschaft ergreifen. Er entsprach seinen Wünschen in idealer Weise: Es lag in ei- besuchte die Ingenieurfachschule für Forstwirtschaft in ner reizvollen Endmoränenlandschaft, es war relativ vor- Raben-Steinfeld und erhielt danach eine Anstellung als ratsreich und überwiegend mit Laubholz bestockt. In der Arbeitsökonom im Staatlichen Forstwirtschaftsbetrieb in Zeit seiner Tätigkeit in diesem Revier hat er hervorragende Güstrow. Sein Wunsch war aber eine Stelle im Außen- Kulturen geschaffen. „Seinen“ Wald hegte er wie sein Ei- dienst. Dieser Wunsch konnte nach einigen Jahren durch gentum und in umfassender Weise.

45 50 Jahre Fachgruppe Ornithologie und Naturschutz Güstrow

Die Betreuung des NSG Upahler und Lenzener See, die er ab 2008 nicht mehr wahrnehmen konnte, ist noch nicht wieder neu geregelt worden.

Nach dem Tod seiner Mutter, mit der er sein ganzes Leben verbracht hatte, zog er sich zunehmend zurück. Er war in den letzten Jahren seines Lebens von einer Krankheit ge- zeichnet, deren Ursache er in einer nicht erkannten und frühzeitig behandelten Borreliose sah. Adolf Kretschmann war zeitlebens Einzelgänger und konnte keine dauerhaften Freundschaften aufbauen. Angebotene Hilfe nahm er nur selten an.

Obwohl er seine Geburtsheimat nicht mehr bewusst ken- nen gelernt hatte, pflegte er zum Heimatverein Ostpreußen eine stetige Verbindung.

Adolf Kretschmann war sicher ein nicht ganz einfacher Mensch, aber er war in weit überdurchschnittlichem Maß für die Forstwirtschaft und den Naturschutz tätig. Wir brauchten mehr solche Mitstreiter. Abb. 56: Adolf Kretschmann 2015. Foto: B. Meder-Trost Adolf war am 25.8.2005 das letzte Mal bei einem Fachgrup- Schon frühzeitig bezog er auch den Naturschutz in seine penabend. Er traute sich danach abends das Autofahren im Arbeit mit ein. Die Ausweisung des NSG Upahler und Len- Dunkeln nicht mehr zu. zener See unterstützte er tatkräftig. Er wurde als Betreu- er dieses Gebietes eingesetzt und so waren für ihn Hobby Dem Naturschutz verbunden und als Mitglied im Natur- und Beruf eng verbunden. In vielen Belangen über einen schutzbund Deutschland vererbte Adolf Kretschmann ein ökologisch aufgebauten Wald war er den damals gelten- in seinem Besitz befindliches im NSG Upahler und Lenze- den Ansichten weit voraus. Er betreute die in seinem Wald ner See gelegenes 1,07 ha großes Waldstück an die NABU- gelegenen drei Seeadlerhorste und kümmerte sich um ei- Ortsgruppe Güstrow. ne Verbesserung des ökologischen Zustandes des Gebietes (siehe Bericht zu diesem NSG).

Ernst Schmidt berichtete uns, dass es Adolf Kretschmann war, der bereits ab 1994 die Unterschutzstellung des NSG „Trockenhänge bei Jülchendorf und Schönlager See“ im Landkreis Parchim anregte. In Jülchendorf bei Sternberg hatte er seine Kindheit und Jugend verbracht. Er kannte die Gegend sehr gut und konnte als Naturschützer den Wert der Flächen richtig einschätzen.

Da sich Fortschritte in anderen Dingen oft nur ganz lang- sam einstellten und durch seine pessimistische Grundein- stellung war Adolf Kretschmann oft sehr frustriert. Der Umgang mit ihm war daher nicht immer ganz einfach. Zu seinen Mitarbeitern hatte er ein sehr differenziertes Ver- hältnis. Selbst war er äußerst bescheiden und fleißig. Mit Wehmut musste er erleben, wie viele seiner Arbeitsergeb- nisse nach der Wende und der Teilprivatisierung vernich- tet wurden. Leider ist nach seinem Eintritt in den Ruhe- stand das Revier aufgelöst worden.

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7. Besondere Ehrungen von Mitgliedern der Fachgruppe

Urkunden in Verbindung mit der Ehrennadel für besondere Die Laudatio bei der Feierstunde hielt Herr Dr. Heinz Hen- Verdienste im Naturschutz in Bronze und Silber (Abb. 57) ker u. a. mit nachfolgenden Worten: sowie Geld- und Buchprämien waren durch den Rat des Kreises Güstrow zu DDR-Zeiten an verschiedene Mitglie- „Bereits im Jahr 1981 haben Sie in Güstrow die Arbeitsgrup- der der Fachgruppe regelmäßig für ihr Engagement verlie- pe Botanik gegründet und seitdem ehrenamtlich geleitet. Des hen worden. weiteren leiten Sie seit ca. fünf Jahren die Fachgruppe Orni- thologie und Naturschutz. Ein besonderes Anliegen ist Ihnen die Umsetzung stadtökologische Belange. Sie haben mit sehr viel Energie z.B. dafür gesorgt, dass bei der Modernisierung von Plattenbauten Mauerseglernistkästen und Fledermaus- kästen installiert und damit Lebensräume für die Tiere ge- schaffen wurden. Sie haben ein Beringungs-Forschungspro- gramm für die Haubenlerchen erarbeitet und nehmen mit Beharrlichkeit Einfluss auf die Mahd von Grünflächen im Abb. 57 Brutbereich dieser Tiere. Es ist für Sie nicht immer ganz ein- fach, auf offene Ohren bei der Stadtverwaltung zu stoßen. Sie Unsere Fachgruppenmitglieder Georg Strache und Kurt führen einen Kampf gegen das – nach Ihrer Meinung – über- Pohlmann erhielten vom Rat des Bezirkes Schwerin für triebene und kostenträchtige pausenlose Mähen der Grünflä- Erfolge im praktischen Naturschutz und in der Jugendar- chen in unserer Stadt. Sie haben die notwendigen Dohlen- beit als Auszeichnung diese Ehrennadel für besondere Ver- und Turmfalkenkästen im Dom und in der Pfarrkirsche or- dienste im Naturschutz in Gold. ganisiert. Ich habe Sie bereits zu DDR-Zeiten im Kersting-Klub als en- Herausragende Ehrungen erhielten gagierte, kritisch fordernde, als eine Frau, die die Menschen wachrütteln will, erlebt. Dieses Engagement haben Sie bis Dr. Angela Martin heute nicht aufgegeben, weil es auch heute noch ebenso not- wendig ist, die Menschen für die Natur und Umwelt zu sen- Am 26.11.1999 wurde an Angela Martin im Festsaal des sibilisieren. Schlosses Güstrow vom Kuratorium der Alfred Töpfer Stif- Sie arbeiten Tag für Tag, Jahr für Jahr, in einem solchen wich- tung der Hans-Klose-Preis für das Jahr 1999 verliehen. tigen Ehrenamt und setzen Ihre ganzen Kräfte für unsere Na- Der Hans-Klose-Preis war am 3.10.1990 zur Förderung des tur und Umwelt ein. Eine Stadt, die den Titel „Umweltgerech- Naturschutzes und der Landschaftspflege in den fünf neu- te Stadt 1996“ trägt, kann nicht dankbar genug für eine solche en Bundesländern von der Stiftung geschaffen worden und kritische und fordernde Stimme im Ehrenamt sein.“ 1999 zum letzten Mal ausgelobt worden. Mit der Auszeichnung ehrte das Kuratorium den erfolgrei- Angela Martin bedankte sich für die Auszeichnung mit ei- chen Einsatz von A. Martin im ehrenamtlichen und beruf- nem Vortrag über das von ihr im Kreis Güstrow etablierte lichen Naturschutz an der Basis zur Erhaltung und Bewah- System von Flächennaturdenkmalen. rung des heimatlichen Naturerbes. In der Auszeichnungs- urkunde heißt es: Es muss erwähnt werden, dass mit der Verleihung des Hans-Klose-Preises ein Preisgeld von 10.000 DM verbun- „Durch ihre fundierte Naturkenntnis, insbesondere auf dem den war, das Angela Martin in vollem Umfange für Zwecke Gebiet der Botanik und der Ornithologie, hat sie wertvolle des Naturschutzes und die Unterstützung der Arbeit in den Beiträge zur Sicherung und Unterschutzstellung gefährdeter von ihr geleiteten Fach- und Arbeitsgruppen einsetzte. Landschaftsräume geleistet. Sie hat es weiter verstanden, auch in schwierigen Zeiten Mit- arbeiterinnen und Mitarbeiter für einen engagierten Einsatz im Naturschutz vor Ort zu gewinnen und eine breite Öffent- lichkeit mit den Anliegen des Naturschutzes und der Land- schaftspflege fachlich begründet vertraut zu machen“.

Angela Martin steht mit dieser Auszeichnung u. a. mit so bekannten Persönlichkeiten wie Prof. Michael Succow und dem Umweltminister Matthias Platzeck in der Reihe von Preisempfängern.

47 50 Jahre Fachgruppe Ornithologie und Naturschutz Güstrow

Dr. Wolfgang Neubauer Sehr geehrter Herr Neubauer,

Als ehrenamtlicher Kreisnaturschutzbeauftragte erhielt auch auf dem Gebiet der Ornithologie betätigen Sie sich in- Dr. Wolfgang Neubauer für seine Leistungen im Natur- tensiv. Sie waren langjährig Leiter der Kreisfachgruppe Or- schutz zahlreiche Auszeichnungen und Ehrungen. nithologie im Bezirk Schwerin sowie Vorstandsmitglied der Ornithologischen Arbeitsgemeinschaft Mecklenburg-Vor- Eine besondere war 2001 die pommern. Forschungen über die besonders geschützte Art der Flussseeschwalbe haben Ihnen über die Landesgrenzen Verleihung des Verdienstkreuzes am Bande des Verdienst- hinaus Anerkennung gebracht. Ihr umfangreiches Wissen auf ordens der Bundesrepublik Deutschland dem Gebiet der Feldbiologie haben Sie an Schüler und Ju- gendliche weitergegeben und sie mit Ihrem Engagement für für seine Tätigkeit im Naturschutz. den Naturschutz begeistert. Die Übergabe dieser hohen Auszeichnung nahm der Mi- nisterpräsident des Landes Mecklenburg-Vorpommern Dr. Sehr geehrter Herr Neubauer, Harald Ringstorff im Festsaal des Schlosses Schwerin vor. für Ihren unermüdlichen persönlichen Einsatz um den Natur- Er wandte sich zunächst an alle zur Auszeichnung Gelade- schutz in Mecklenburg-Vorpommern darf ich Ihnen heute im nen mit nachfolgenden Worten: Namen des Herrn Bundespräsidenten das Verdienstkreuz am Bande des Verdienstordens der Bundesrepublik Deutschland „Es hat noch niemand etwas Ordentliches geleistet, der nicht überreichen.“ etwas Außerordentliches leisten wollte“, sagte die Schriftstel- lerin Marie von Ebner-Eschenbach einmal. Sie haben nicht An alle Ausgezeichneten schließt der Ministerpräsident nur Ordentliches auf Ihrem jeweiligen Gebiet, sondern Au- mit den Worten: ßerordentliches geleistet. Zumeist schon in jungen Jahren ha- ben Sie sich für eine Aufgabe begeistert, die Sie nicht mehr „Meine sehr verehrten Damen und Herren, losgelassen hat. Ihr Engagement hat Sie immer auch zum ich gratuliere Ihnen allen zu Ihrer heutigen hohen öffentli- Vorbild für andere gemacht. Mit Ihrem Einsatz haben Sie sich chen Auszeichnung. Diese Auszeichnung ist für die meisten auf besondere Weise um Ihre Mitmenschen und die Gesell- von Ihnen die Anerkennung eines reichen und langen Le- schaft verdient gemacht. Ich habe daher heute die große Eh- benswerkes, das Sie von jungen Jahren an begleitet und nicht re und die angenehme Aufgabe, Ihnen im Namen des Herrn mehr losgelassen hat. Bundespräsidenten den Verdienstorden der Bundesrepublik `Ohne Vorbild kann niemand recht tun`, heißt es. Es fällt heu- Deutschland aushändigen zu dürfen.“ te nicht immer leicht, auf die Frage nach dem persönlichen Vorbild eine Antwort zu finden. Wir erwarten von Vorbildern, Und an Wolfgang Neubauer gerichtet: dass sie glaubhaft Werte verkörpern. Solche Werte sind be- ständig und damit unabhängig von kurzfristigen Trends oder „Seit mehr als 40 Jahren engagieren Sie sich für den Na- bloßen Modeerscheinungen. Das Leistungsprinzip gehört zu turschutz im Mecklenburg-Vorpommern. 1955 wurden Sie diesen anerkannten Grundwerten. Leistung kann gerade in zum Naturschutzbeauftragten des Kreises Güstrow berufen. Zeiten des Wandels Sicherheit, Verlässlichkeit und Perspekti- Sie haben darauf geachtet, dass die naturschutzrechtlichen ve vermitteln. Wer etwas leistet, dem bieten sich in der Regel Vorschriften eingehalten wurden. Unter Ihrer maßgeblichen auch bessere Lebensperspektiven. Mitwirkung wurden im Kreis Güstrow bis heute acht Na- Meine sehr verehrten Damen und Herren, turschutzgebiete und zahlreiche Flächennaturdenkmale aus- mit Ihrem Lebenswerk sind Sie glaubhafte Vorbilder – gerade gewiesen. Ein besonderes Anliegen war Ihnen stets das seit auch für die jüngere Generation. Sie haben gezeigt, dass sich 1939*) bestehende Naturschutzgebiet „Krakower Obersee“. Es Leistung lohnt. Sie haben bewiesen, was man mit Einsatz und ist im Wesentlichen Ihrer Initiative zu verdanken, dass der Engagement schaffen kann. Naturschutzwert dieses Gebietes bis heute erhalten werden Mit Ihnen und dem ganzen Land freue ich mich über Ihre konnte. heutige Auszeichnung. Ich wünsche Ihnen auch für die Zu- kunft alles Gute und für heute einen schönen und erinne- rungsreichen Tag!“

Für besonderes Engagement in seiner Heimatstadt erhielt * Hier war der Herr Ministerpräsident, Dr. Harald Ringstorff, falsch in- Wolfgang Neubauer von der Stadt Krakow am See im Jahre formiert worden: Das NSG Krakower Obersee gibt es bereits seit 1932. 2010 die Ehrenbürgerschaft verliehen. Im Jahre 2012 begingen wir das 80jährige Bestehen des NSG mit einer maßgeblich von W. Neubauer gestalteten eindrucksvollen Ausstellung und öffentlichen Exkursionen in das NSG.

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Wolfgang Köhler Christian Saar aus der vom Deutschen Falkenorden uneigen- nützig unterstützten Hamburger Station zur Verfügung ge- Für sein großes Engagement und die erzielten Erfolge bei stellt wurden.“ … der Wiederansiedlung baumbrütender Wanderfalken in „Von all den 175 in Damm-Malchow ausgewilderten Vögeln Mecklenburg-Vorpommern (siehe auch Pkt. 10.5) erhielt konnten wir bis dato 15 Individuen in Wanderfalkenrevieren Wolfgang Köhler den vom Arbeitskreis Wanderfalken- als Brutvögel wieder ausfindig machen und an Hand ihrer schutz e. V. (AWS) vergebenen Falco-peregrinus-Preis Farb- und Kennberingung eindeutig dem Auswilderungsort 2010. Damm-Malchow zuordnen. Als Baumbrüter haben sich neun Falken niedergelassen, sämtlich im angestammten (ehemali- Der Vorsitzende des AWS Dr. Gert Kleinstäuber begründet gen) Baumbrüterareal zwischen Elbe und Oder. seinen Auszeichnungsvorschlag u. a. wie folgt: Dem Absaugeffekt hoher Industriebauten sind nur drei Indi- viduen unterlegen, während ein junges Weibchen ihrer ange- „Herr Wolfgang Köhler gehört seit mehr als 15 Jahren zu den borenen Neigung zur Felsbrut gefolgt ist und trotz der großen wichtigsten Pfeilern, auf denen die Auswilderung von jun- Entfernung vom Auswilderungsort in den Jahren 1998 bis gen Wanderfalken im Rahmen des ostdeutschen Projektes zur 2006 im Eldorado der Felsbrüter – der Sächsischen Schweiz – Wiederbegründung der Wanderfalken-Baumbrüterpopula- lebte und nistete. Darüber hinaus sind auch zwei in Damm- tion im bewaldeten Tiefland Mitteleuropas ruht. Zusammen Malchow ausgewilderte Wanderfalkenweibchen in Dänemark mit der in erster Linie von ihm ins Leben gerufenen und bis als Brutvögel entdeckt worden, wo sie ganz wesentlich zur heute geleiteten Gruppe des Landesjagdverbandes Mecklen- Neubegründung der auch dort ausgestorben gewesenen Wan- burg-Vorpommerns, die die Wanderfalkenauswilderung in derfalkenvorkommen beitrugen. der Station Damm-Malchow bei Parchim seit dem Jahr 1995 durchführt, hat er einen bedeutenden Beitrag zum erfolgrei- Im fünften Jahr nach Beginn der Auswilderungsarbeit in chen Verlauf und zum Erreichen des anspruchsvollen Zieles, Damm-Malchow wurde die erste Ansiedlung eines Wander- das wir uns alle gesteckt hatten, geleistet. falkenpaares im Kiefernhochwald nahe der Auswilderungs- Als Wolfgang Köhler in Zusammenarbeit mit der Wanderfal- gehege entdeckt. ken-Forschungs- und Nachzuchtstation von Professor Chris- Inzwischen gibt es in Mecklenburg-Vorpommern wieder zehn tian Saar (Hamburg), mit dem Vorstand des Landesjagd- Wanderfalken-Brutvorkommen (sieben als Baumbrüter und verbandes Mecklenburg-Vorpommern und mit Falknern der je ein Brutpaar im Fels, im Bauwerk und im Gittermast), de- Region im Jahr 1994 die Initiative zur Errichtung und zum ren Betreuung Wolfgang Köhler mit zu seinen wichtigsten Betrieb der zweiten wichtigen Wanderfalken-Auswilderungs- Anliegen gemacht hat. Als Mitglied unseres Arbeitskreises station im ostdeutschen Baumbrüterareal ergriff, hatten wir und mit seinen langjährigen Erfahrungen im Greifvogel- noch keinen Beweis dafür, dass die Wiederbegründung der schutz und guten Kontakten zu Förstern, zu Naturschutz-, zum Ende der 1960er Jahre ausgestorbenen Baumbrüter ge- Forst- und Jagdbehörden wie auch zu Ornithologen in Meck- lingen könnte. In der Naturschutzstation Woblitz waren zwar lenburg-Vorpommern ist er im Norden Ostdeutschlands für seit 1990 insgesamt schon über 60 junge Wanderfalken aus- den AWS-Vorstand und für die AWS-Projektleitungen auf gewildert und auf das Baumbrüterhabitat geprägt worden, vielfältige Weise eine wertvolle Unterstützung. … doch die erste erfolgreiche Ansiedlung eines neuen Baumbrü- terpaares konnten wir erst im Jahr 1996 feiern. Mit der Ehrung seiner Person soll aber gleichzeitig auch die Inzwischen sind von der Arbeitsgruppe um Wolfgang Köhler langjährige, wichtige Arbeit der anderen Mitglieder der nord- in den zurückliegenden 15 Jahren aus den drei verschiedenen ostdeutschen Wanderfalkenschutz-Gruppe und die Unterstüt- Auswilderungsgehegen im Bereich der Station Damm-Mal- zung dieser Arbeit durch den Landesjagdverband Mecklen- chow nach Prägung auf ihre Umgebung insgesamt 175 junge burg-Vorpommerns gewürdigt werden.“ Wanderfalken freigelassen worden, die überwiegend von Prof.

49 50 Jahre Fachgruppe Ornithologie und Naturschutz Güstrow

8. Über das Naturschutzwirken der Fachgruppe

8.1 Gebietsausweisungen und Betreuung – Naturschutzgebiete (NSG)

Joachim Loose

In der Übersicht „Die Naturschutzgebiete der Deutschen Demokratischen Republik“ – 2. erweiterte und ergänzte Auflage (ILN Halle, 1964) werden für den Kreis Güstrow im Jahr 1964 lediglich vier Naturschutzgebiete aufgeführt:

Nr. 52 „Dünenzug am Recknitzufer“ nordöstlich Laage Nr. 54 „Jasenberg“ südlich (5,40 ha) – Verord- (81,80 ha) – Verordnung vom 22.2.1939 nung vom 30.3.1961 Durch Randzertalung verdüntes Hügelland, artenrei- Stein- und blockreicher Moränenstandort mit Perlgras-Bu- che Trockenrasen mit Kuhschellen und Feld-Enzian so- chenwald mit Berg-Ulme und Trauben-Eiche wie Bergwohlverleih (Arnika) und in einem Ausstich von Sumpf-Bärlapp Nr. 55 „Krakower Obersee“ (868,20 ha) südlich Krakow – Verordnung vom 6.6.1939 Nr. 53 „Großes Holz“ südöstlich Kuchelmiß (30 ha) – Ver- Hervorragendes Vogelschutzgebiet mit Lachmöwenkolo- ordnung vom 30.3.1961 nie und Brutpaaren von Flussseeschwalben, Gänsesäger, Waldkomplex mit naturnahem Restbestand eines Perlgras- Rotschenkel und Kolbenente. Zur Zugzeit Rastgebiet für Buchenwaldes mit Trauben-Eiche und Winter-Linde, orni- Entenvögel thologisch: Brutgebiet des Seeadlers

Das Handbuch der Naturschutzgebiete der DDR – Band 1 „Die Naturschutzgebiete der Bezirke Rostock, Schwerin und Neubrandenburg“ von 1980/2. überarbeitete Auflage (WEINITSCHKE, H., 1980) enthält für unseren Kreis im Bezirk Schwerin vier neue Gebiete. Diese konnten insbesondere durch das Wirken einzelner Mitglieder unserer Fachgruppe als NSG ausgewiesen werden.

B 9 „Jasenberg“ – zur Umwandlung in ein Flächennaturdenkmal vorgesehen B 10 „Krakower Obersee“ – siehe oben B 11 „Großes Holz“ – siehe oben B 31 „Zehlendorfer Moor“ (70 ha) – SchutzAO: Beschl. BT Schwerin vom 1.6.1972 B 33 „Breeser See“ (114 ha) – SchutzAO: ES Beschl. RdK Güstrow vom 7.8.1974 B 34 „Schlichtes Moor“ (7,35 ha) – SchutzAO: ES Beschl. RdK Güstrow vom 18.8.1976 B 37 „Upahler und Lenzener See“ (393 ha) – SchutzAO: ES Beschl. RdK Güstrow vom 5.7.1978

Die Umwandlung des Jasenberges in ein Flächennaturdenk- Prof. Bauch selbst bei Kriegsereignissen an eine Erweite- mal (FND) war auf Grund der geringen Größe seinerzeit rung des Schutzgebietes glaubte. Er mahnte, dass man sich zentral angestrebtes Ziel und bei ähnlich kleinen Gebieten gleich nach Ende des Krieges um die Hinzunahme von auch anderenorts praktiziert worden. Die Ausweisung als Niederungsflächen zum NSG (vermutlich Flächen der süd- FND erfolgte durch den Rat des Kreises Güstrow 1984. östlich gelegenen „Börnung“) wegen des dortigen großen Vorkommens von Trollblumen bemühen müsse. – Da man Im Handbuch wird das NSG „Dünenzug am Recknitzufer“ nach dem Krieg sicher Wichtigeres zu tun hatte, wurde da- nicht mehr genannt. Der Wegfall dieses NSG muss kom- raus dann jedoch nichts. mentiert werden, da hier ein Stück Naturschutzpraxis in Die auch im Umfeld des NSG ablaufende zunehmende In- jener Zeit der Intensivierung der Landwirtschaft in den tensivierung der Landwirtschaft, die Begradigung der Reck- 1970er Jahren belegt wird: nitz und insbesondere die Düngung der stark entwässerten Niedermoorwiesen vom Flugzeug aus schädigten die Vege- Die Ausweisung der Flächen am Recknitztalrand als Na- tation der Trockenhügel nachhaltig. Die Flächen wurden turschutzgebiet geht auf Prof. Bauch von der Universität beim Überfliegen nicht von der Düngung ausgenommen. Rostock zurück. Ihm war es zu verdanken, dass die o. g. sel- Nicht allein Bürger aus Laage, die Kuhschellen zu sich in tenen Pflanzenarten in einem Naturschutzgebiet gesichert den Garten holten, reduzierten die früher auf den Trocken- wurden. In einem bei der heutigen Naturschutz behörde hügeln hier einstmals in großen Beständen vorkommenden noch vorhandenem Brief an den Leiter der Kreisnatur- beiden Kuhschellenarten (Pulsatilla pratensis, P. vulgaris). schutzbehörde aus dem Herbst 1944 erfahren wir, dass Vielmehr sind die Ursachen für das in erschreckendem Ma-

50 50 Jahre Fachgruppe Ornithologie und Naturschutz Güstrow

ße stattfindende Verschwinden von Kuhschellen in den ho- Produktion des hier wirtschaftenden VEG Laage wurde sei- hen Stickstoffgaben, die aus dem Flugzeug auch auf diese tens der staatlichen Behörden gegenüber den Beschwerden Flächen fielen, zu suchen. Es ist bekannt, dass Kuhschellen der Naturschützer als vorrangig angesehen. Die Löschung auf Magerrasen nachteilig auf Düngergaben reagieren, und des Naturschutzgebietes erfolgte zur Vermeidung weiterer irgendwann kamen diese unten bei den mehr als 25 cm lan- Konflikte durch einfache Mitteilung des Rates des Bezirkes gen Pfahlwurzeln auch an. Andere Arten wurden durch die Schwerin. Chronisten der Stadt Laage sehen die Löschung Düngung bevorteilt und für die Kuhschellen entstand zu- als nicht formgemäß an und betrachten fälschlicherweise sätzlich ein starker Konkurrenzdruck. Von der ehemals häu- das heutige Flächennaturdenkmal immer noch als NSG. figen Arnika fand Dr. Fritz Holst, Botaniker aus Güstrow und einer der Kreisnaturschutzbeauftragten des Kreises, Eine aktualisierte Übersicht über „Die Naturschutzgebie- bereits Ende der 1960er Jahre nur noch wenige Exemplare. te in Mecklenburg-Vorpommern“ wurde vom UMWELT- Es gab keinen Weg, das NSG nachhaltig zu sichern und sei- MINISTERIUM M-V (2003) als Buch herausgegeben und ne wertvolle Pflanzenwelt zu erhalten. Die Steigerung der enthält für unser Gebiet nunmehr nachfolgende NSG:

Nr. 227 „Ahrenshäger See“ – 01.10.1990 Nr. 290 „Bockhorst“ – 22.11.1994 Nr. 105 „Breeser See“ Nr. 262 „Cossensee“ – 07.07.1993 Nr. 30 „Göldenitzer Moor“ – Erweiterungen 28.09.1990, 03.01.1994 Nr. 31 „Großes Holz“ Nr. 198 „Gültzsee“ – 24.09.1990, Verkleinerung 13.01.1997 Nr. 261 „Gutower Moor und Schöninsel“ – 07.07.1993, Erweiterung 05.01.2000 Nr. 119 „Krakower Obersee“ Nr. 137 „Nebel“ – 05.04.1989, Erweiterung 31.08.1995 Nr. 114 „Schlichtes Moor“ Nr. 116 „Upahler und Lenzener See“ Nr. 281 „Wüste und Glase“ – 22.6.1994 Nr. 86 „Zehlendorfer Moor“

Weitere NSG (Fettdruck) kamen hinzu, bestehende wurden kreierte Waldohreule (Abb. 58) auf der Umweltminister- vergrößert. Die Nummerierung wurde für eine landesweite konferenz 1991 als gesamtdeutsches Zeichen zur Verein- Auflistung angepasst. Angeführte kursiv gedruckte Gebiete heitlichung der Naturschutzgebiete empfohlen wurde. befinden sich nur teilweise im Wirkungsbereich der Fach- „So hat die Eule als Zeichen der Weisheit über den Adler als gruppe, an diesen NSG-Ausweisungen haben wir nicht Z eichen der Macht gesiegt.“ (Wikipedia) mitgewirkt. In dem gewichtigen Buch „Die Naturschutzgebiete in Mecklenburg-Vorpommern“ werden die Naturschutzge- biete auf jeweils einer Doppelseite beschrieben, die weit- gehend von den Betreuern der NSG verfasst wurden. Für „unsere Gebiete“ sind die Betreuer meist auch Mitglieder der FG Ornithologie und Naturschutz Güstrow.

In den nachfolgenden Abschnitten berichten NSG-Betreuer oder FG-Mitglieder, die sich stärker engagiert hatten, über Aktivitäten und persönliche Erlebnisse in ihren Gebieten. Weitere fachliche Informationen zu diesen Gebieten sind im Handbuch nachzulesen. Abb. 58

Die Lage der aktuell ausgewiesenen Naturschutzgebiete ist Der Hamburger Naturschutzbeauftragte Karl Duwe, der in Karte 1 dargestellt. 1955 den Seeadler zum Naturschutzsymbol der Bundesre- publik gemacht hatte, konnte mit dem auf Naturschutzta- Mit großer Genugtuung hatten wir in der Fachgruppe nach feln viel zu weißköpfig dargestellten Seeadler für Deutsch- der politischen Wende zur Kenntnis genommen, dass die land sowieso nicht zufrieden sein, da hier leicht eine As- von dem Naturschützer Kurt Kretschmann aus Bad Frei- soziation mit dem Weißkopfseeadler, dem Wappentier der enwalde 1950 als Symbol für den Naturschutz in der DDR USA, entstand.

51 50 Jahre Fachgruppe Ornithologie und Naturschutz Güstrow

Karte 2: Lage der Naturschutzgebiet im Wirkungsbereich der Fachgruppe (grün – Grenze der Verwaltungsämter)

52 50 Jahre Fachgruppe Ornithologie und Naturschutz Güstrow

8.1.1 NSG Krakower Obersee

Sebastian Lorenz, Greifswald (NSG-Betreuer seit 2013)

Schutzgebietsdaten Erste Unterschutzstellung am 08.08.1932 Gebietserweiterung – VO vom 21.11.2000 Größe zunächst 868,2 ha, erweitert auf 1.189 ha davon Gewässer 848,2 ha

Bedeutung/Schutzziel Wichtiges Reservat für Wasservögel und als Rast- und Schlafplatz- gewässer für Enten, Gänse und Schwäne, Brutkolonien von Lach- möwen und Kormoranen, bedeutsames Mausergewässer für Reiher- und Tafelenten sowie für Graugänse Karte 3 Quelle: Kartenportal LUNG

Seit 31.07.1978 internationales Feuchtgebiet nach Ramser Konvention 1992 Integration in das EU-Vogelschutzgebiet DE 2339-402 Nossentiner/Schwinzer Heide 2007 Integration in das FFH-Gebiet DE 2239-301 Nebeltal mit Zuflüssen, verbundenen Seen und angrenzenden Wäldern

Das Unterschutzstellungsdatum des Krakower Obersee Im Jahr 1939 erfolgte eine erneute Unterschutzstellung als wurde im Handbuch der NSG der DDR mit dem Datum der Vogelfreistätte nach dem Reichsnaturschutzgesetz. Das VO vom 6.6.1939 falsch angegeben. Die Unterschutzstel- war wohl vor allem als Reaktion auf das immer noch er- lung wurde bereits 1932 veranlasst, was lange unbekannt folgte Befahren mit Booten und die Bejagung des Gebietes blieb. Erst bei Recherchen von W. Neubauer als NSG- anzusehen. Nach 1950 wurde auf dem Krakower Obersee Betreuer im Landeshauptarchiv Schwerin wurde die nicht mehr gejagt, eine gezielte Bejagung auf Schwarz- und Bekanntmachung wieder entdeckt (Abb. 59). Raubwild erfolgte jährlich nur noch nach Abstimmung mit der Naturschutzverwaltung. Noch bis 1974 durfte der Krakower Obersee mit Sport- booten befahren werden, bis in die 1960er Jahre ganzjäh- rig, danach nur noch außerhalb der Brutzeiten. Viele äl- tere Krakower kennen den See und vor allem den Großen Werder noch aus jener Zeit, er war Ausflugsziel für Angler und Zeltfreunde. Kaum jemand aus der FG wusste etwas über die Besuche auch von Uwe Johnson auf der Insel. Der aus Krakow stammende Publizist Heinz Lehmbäcker, der seit Jugendzeiten mit dem Schriftsteller befreundet war, Abb. 59: Nachweis der Unterschutzstellung von 1932 (Quelle: Lan- schildert in einem Aufsatz den gemeinsamen Ausflug von deshauptarchiv Schwerin) 1952 auf den See, das Zelten, oder das Sammeln von Eiern (LEHMBÄCKER, H. (1998). Daraus konnte man auch erfahren, dass es da- mals auf dem großen Werder bereits eine 4 m x 8 m messende Holzhütte mit einer Küche, Boden und Stallung gab. Die befand sich am Nordwestufer, wo heute noch im Gehölzbestand ein da- mals gepflanzter Nussbaum steht.

Abb. 60: Luftbild von 1999 – Blick von Süden auf den Großen Werder, die einzige nicht bewaldete Insel im NSG. Die anderen Inseln jeweils von rechts nach links: im Vordergrund – Süfs, Hardenort und Steinwerder, dahinter – Lindenwerder, Rauh werder und Laubwerder sowie die Landzunge Dorfstätte. Foto: Ch. Berg.

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Die Hütte ist 1956 abgebrannt, als Bossower Kinder über fen. Die vorgefertigten Seitenwandelemente und das übri- das Eis gelaufen waren und in der Hütte Feuer gemacht ge Material wurden mit Hilfe von Kähnen des VEB Binnen- hatten. fischerei durch Fritz Anderlik und zahlreiche FG-Mitglie- der vom Wadehäng zum Großen Werder transportiert und Im Jahr 1956 übernahm Wolfgang Neubauer als junger or- dort gemeinsam montiert (vgl. Abb. 7 auf Seite 13). Da die nithologisch interessierter Biologie/Chemie-Lehrer die Be- Blechkähne mit der Last einen gehörigen Tiefgang hatten treuung des Naturschutzgebietes „Krakower Obersee“. Bis und am Westufer des Werders nicht bis an das Ufer kamen, zu seinem Tod im August 2013 war er dem Krakower Ober- mussten die einzelnen Elemente bereits weit draußen im see über 57 Jahre eng verbunden. Er hat in diesen Jahren die Wasser entladen und an Land getragen werden. ornithologische Erforschung und Naturschutzbemühun- gen im NSG wesentlich gestaltet und vorangetrieben. Seine Beobachtungen und faunistischen Untersuchungen fanden Niederschlag in einem großen Fundus wissenschaftlicher und populärwissenschaftlicher Veröffentlichungen. Da- bei war es vor allem die Flussseeschwalbe, der sein For- schungsinteresse galt (siehe Pkt. 10.1).

Unzählige Exkursionen hat Wolfgang Neubauer am Krako- wer Obersee geführt, die bei sehr vielen Leuten bleibende Erinnerungen hinterlassen haben. Er war immer darum bemüht, dass die eingeschränkte Nut- zung des Obersees auch von der Allgemeinheit akzeptiert wird. Mit den zur Tradition gewordenen Exkursionen in das NSG zeigte er Krakower Bürgern und geladenen Gäs- ten, warum die vielfältige Tierwelt des Gebietes diesen Rückzugsraum braucht.

Im FG-Jahresbericht Nr. 5/1972 wird berichtet, dass durch FG-Mitgliedern auf dem Großen Werder die Schutzhütte fertiggestellt und eine Beobachtungskanzel errichtet wurde. Abb 62: Die 1972 errichtete Beobachtungskanzel neben der alten Hütte war 1980 baufällig und wurde mit der Errichtung des neuen Bungalows durch einen Neubau ersetzt. Foto: W. Neubauer.

Abb. 61: Wolfgang Neubauer, Fritz Anderlik und Reinhard Becker beim Aufbau der ersten Beobachtungskanzel 1972 auf dem Großen Abb 63: Die neue Feldstation versteckt sich idyllisch hinter Büschen, Werder. Foto: H.-G. Müller. von der neuen Kanzel hatte man einen guten Einblick in die Brut- kolonien von Lachmöwen und Flussseeschwalben. Foto: A. Martin. 1980 spendierte der Rat des Kreises Güstrow das Geld für den Neubau einer komfortableren Unterkunft auf dem Gro- Die Nutzung der Unterkünfte erfolgte nicht allein durch ßen Werder. Das wurde ein im Rahmen der Konsumgüter- W. Neubauer. Zeugnis davon gibt das Gästebuch aus der produktion beim Staatlichen Forstwirtschaftsbetrieb (StFB) Hütte, in dem Ornithologen und andere Naturfreunde ih- hergestellter Bungalow mit Pultdach aus Wellasbestplat- ren Dank, vor allem aber auch ihre Bewunderung für die ten, der auf einer Betonplatte aufgestellt wurde. Bei der Schönheit und Artenvielfalt des Sees zum Ausdruck brach- Herstellung der Bodenplatte konnte Wolfgang Neubauer ten. Erste Eintragungen in diesem Gästebuch stammen be- auf die Hilfe seiner Lehrerkollegen aus Krakow zurückgrei- reits von 1968.

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Darunter befinden sich neben den Einträgen von Mitglie- dienstes 1996/97 bei der Unteren Naturschutzbehörde des dern zahlreicher Fachgruppen auch die Danksagungen von Kreises Güstrow. Hier ermunterten mich Joachim Loose Prof. Dr. Erich Rutschke (1969), Prof. Dr. Günter Tembrock ebenso wie mein ehemaliger Lehrer Wolfgang Neubauer zu (1972) und Dr. Heinz Litzbarski (1975/1976). Letzterer dank- gezielten Beobachtungen und luden mich zu Sitzungen der te für die Unterstützung bei der erfolgreichen Gänsefang- Güstrower Fachgruppe ein. Seit dieser Zeit war ich dann aktion am See mit „künstlerischen“ Zeichnungen im Gäste- regelmäßig auf dem Krakower Obersee und in seiner Um- buch: gebung unterwegs, meistens als Begleiter von Wolfgang Neubauer, häufig auch allein.

Das „Rüberfahren“ auf den Krakower Obersee bedeutete stets erst das Klarmachen des Ruderboots. Beim Rudern hin und zurück wechselte man sich ab, so lernte ich auch das Rudern. Gerudert wurde nur so schnell, dass man sich nebenbei unterhalten konnte. Jede Kursabweichung wurde durch ein dezentes Handzeichen und ein Augenzwinkern von Wolfgang angezeigt. Aufgrund Wolfgangs beeindru- ckend langer Gebietskenntnis gab es für fast jede Stelle auf und am Krakower Obersee eine Geschichte zu erzählen.

Noch heute ragt zwischen Rauhwerder und der Nebel- Einmündung bei Dobbin bei Niedrigwasser ein Pfosten der alten „Kuhfähre“ knapp aus dem Wasser. Sie zerbrach in den 1980er Jahren altersschwach, beladen voll mit jun- gen Kühen und versank mitten auf dem See, wobei sich alle Kühe und auch die Besatzung schwimmend ans Ufer retteten. Die Reste der Fähre aber wurden nicht geborgen. Dem naturgemäß nicht in Fahrtrichtung schauenden Ru- derer beschert dieser Pfosten noch heute einen gehörigen Abb. 64/65: Zeichnungen von Heinz Litzbarski im Gästebuch aus Schreck, wenn er nichtsahnend mitten auf dem See mit ihm den Jahren 1975 und 1976 nach erfolgreichem Gänsefang. kollidiert.

Auf den Besuch von Glutz von Blotzheim in seinem NSG Das Rudern gehört zum Obersee einfach dazu. Erst kurz im Jahre 2005 war W. Neubauer besonders stolz, leider gibt vor seinem Tod, da hatte er schon länger zwei künstliche es dazu keine Dokumentation. Hüftgelenke und die 75 Jahre erreicht, ließ sich Wolfgang zu einem Bootsmotor überreden. Allerdings waren Moto- Zu seinen Touren auf den Krakower Obersee hat Wolfgang ren gar nicht sein Ding, und so waren es stets die drei für Neubauer regelmäßig auch interessierte Krakower Schüler den Motor wichtigen Elixiere, die er vor oder beim Motor- mitgenommen, die dann den See, seine Inseln und die im start wiederholte, um den Motor erfolgreich in Gang zu Naturschutzgebiet nötigen Arbeiten miterlebten und dabei setzen – Luft (Belüftungsschraube am Tankdeckel), Ben- halfen. Durch seine Tätigkeit als Biologie-Lehrer an der zin (Benzinhahn öffnen) und der Zündfunke (Sichern des Krakower Schule verstand er es, sehr anschaulich und an Zündunterbrechers). Beispielen aus der heimischen Tier- und Pflanzenwelt zoo- logische und botanische Sachverhalte zu vermitteln. Auch ich erinnere mich an frühe Ausflüge auf den Krakower Obersee als Grundschüler zum Ende der 1980er Jahre, an die Anfahrt nach Dobbin mit dem Fahrrad oder dem Tra- bant, an das Möwengeschrei, an zur Beringung gefangene Flussseeschwalben, große Nistkästen für Schellenten und das Rudern in einem Holzkahn. Diese Ausflüge mit ihrem Lehrer müssen bei vielen Schülern bleibende Eindrücke hinterlassen haben, denn noch heute berichten mir viele von früheren Ausflügen mit ‚Dr. Neubauer‘ auf den Krako- wer Obersee. Abb. 66: Wolfgang Neubauer wollte so lange wie möglich selbst Mein ornithologisches Interesse für den See und vor allem rudern – der Bootsmotor kam erst ab 2010 zum Einsatz. die Wasservögel erwachte dann während meines Zivil- (Foto: J. Loose)

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Uns wird er immer als exzellenter Ruderer in Erinnerung Der Rückgang der Bestände an Wiesenbrütern ist eine wei- bleiben und die von ihm erreichten dreizehn Minuten Ru- tere Veränderung, die nicht so auffällig ist. Wann immer derzeit zwischen Dobbiner Forellenzucht und Südostufer Wolfgang mit mir über den Großen Werder lief, berichtete des Großen Werders (~1,4 km) sind mit den heutigen GFK- er von der früher vorhandenen großen Anzahl der boden- Booten schwer zu unterbieten. Noch bis in die Mitte der brütenden Wiesenvögel, dem dichten Nebeneinander von 1990er Jahre lag ein „schnittiger“ Holzkahn am Obersee, Kiebitzgelegen auf den Wiesen des Großen Werders (1968 der zwar schwerer war, aber deutlich besser unter Rudern > 50 BP), dem Brüten von Bekassine und Rotschenkel. Zu lief. Die Boote galt es nach dem Anlegen auf den Werdern gut klingt mir noch seine Redensart „Ach, es ist zum Heu- immer gut gegen Abtreiben zu sichern, weswegen lange len, wenn ich an die alten Zeiten denke.“ in den Ohren. Ketten daran befestigt waren. Dabei hatten die langen Ket- Heutzutage freut man sich schon, wenn man diese Arten ten auch noch einen anderen Grund. Die Beweidung des hier rastend beobachten kann. Eine wichtige Ursache für Großen Werders erfolgte bis Ende der 1980er Jahre noch den starken Rückgang der Bodenbrüter war das Aufkom- mit Jungrindern (Färsen), die zum Saufen Zugang zum See men der Prädatoren Mink, Marderhund und Waschbär. Mit hatten. Auf das Ufer gezogene Boote erweckten immer das großem Aufwand versuchte W. Neubauer mittels Fallen Interesse der Kühe, und es kam mehrfach vor, dass bei der deren Zahl zu dezimieren. Auf allen Inseln standen und Rückkehr zum Boot mindestens eine Kuh im Boot stand stehen Kastenfallen frei oder eingegraben. Mit den Jägern und der Boden durchgetreten war. Das bedeutete für we- Fritz Anderlik und Peter Warschewski war er mehrfach im nigstens einen, zum Ufer zurück schwimmen zu müssen. Jahr unterwegs, um Baue aufzuspüren und Bejagungsmög- Mit den langen Ketten konnten die Boote vor dem Ufer lichkeiten zu verbessern. schwimmend vertäut werden. Wolfgang Neubauer hatte seine langjährigen Beobachtun- Die Inseln des Krakower Sees sind von ausgedehnten Flach- gen regelmäßig ausgewertet und publiziert. Anlässlich des wasserbereichen umsäumt, die mit großen Steinen bestreut 80. Jahrestages der Unterschutzstellung des NSG stellte er sind, von denen längst nicht alle aus dem Wasser ragen. auch einen Überblick über die Entwicklungen und Ver- Vor allem den Großen Werder gilt es sorgsam zu umfahren. änderungen in fünf Jahrzehnten seiner Gebietsbetreuung Bis in die 1970er Jahre sind es diese Flachwasserbereiche zusammen (Naturschutzarbeit in M-V, 55, 2012, S. 53–62), um die Inseln (im norddeutschen Sprachgebrauch als Wer- so dass ich hier auf wiederholende Ausführungen zu den der bezeichnet) gewesen, die von ausgedehnten Röhricht- Veränderungen verzichten möchte und auf seine Publikati- Gürteln bestanden waren. Die von Neubauer bei Kontroll- onen verweise (siehe Anhang 2). touren um die Inseln beschriebenen früheren Breiten der Schilfzonen sind heute nur schwer vorstellbar. So waren Die ornithologischen Erfassungen und naturschutzrelevan- die heute von Röhricht freien Inseln Großer Werder und ten Tätigkeiten im NSG folgen dem Jahreslauf. Das Winter- Lockwerder bis in die 1970er Jahre von so breiten Schilfgür- halbjahr ist ornithologisch vor allem durch die Erfassung teln umgeben, dass Schilfbrüter (Schilfrohrsänger, Rohr- der Wasservögel geprägt, die am Obersee sowohl rastend dommel, Haubentaucher) eine wichtige Artengruppe für und überwinternd, als auch als reine Schlafgäste auftreten. die genannten Inseln waren. Der Flurname ‚Lockwerder‘ Typische Rast- und Überwinterungsarten sind Reiher- und deutet sogar auf die frühere Rohrwerbung mit dem Ernten Tafelente, Gänse- und Zwergsäger und auch der Hauben- von Schilf hin. Mit dem Rückgang der Schilfgürtel hat ei- taucher, der mit bis zu 350 Exemplaren zu beobachten ist. ne deutliche Uferdynamik eingesetzt, die sich am Großen Reine Schlafgäste sind vor allem die Saat- und Blässgän- Werder mit einer starken Erosion des Südufers (vermulmte se, die den gesamten Krakower See nutzen. Die Erfassung Niedermoortorfe) und Kliffbildung bemerkbar macht. Die der Wasservögel erfolgt per Zählung von acht Zählstellen heute fehlenden Schilfgürtel sind nur ein deutlich sichtba- rund um den Krakower Obersee (Möllener See, Anhöhe res Zeichen eines Wandels, den der Krakower Obersee in zwischen Möllen und Bossow, Tiefes Bruch Bossow, Glaver den vergangenen fünf Jahrzehnten durchgemacht hat. Koppel, Glaver Bucht, Dobbiner See – Forellenzucht, Nord- teil Obersee sowie Wadehäng) sowie an einer am Krako- wer Untersee (alter Melkstand bei Neu Dobbin). Sofern der See nicht zugefroren ist und es der Wind zulässt, erfolgen weitere Zählungen vom Wasser und vom Großen Werder aus. Die Insel ermöglicht das Absuchen der großen Was- serflächen nördlich und westlich des Großen Werders, die von Land aus nicht optimal eingesehen werden können. Ich folge dabei der gewählten Zählroute von Wolfgang Neu- bauer, den ich gelegentlich bei den Zählungen begleitet Abb. 67: Auf dem Großen Werder saß Wolfgang Neubauer 1972 hatte und setze damit die Tradition fort. noch am Nest der Bekassine an. Foto: W. Neubauer. Die Brutzeit von Seeadler, Kranich und Graugans vermit- telt in das Frühjahr. Das Sommerhalbjahr ist die Zeit der

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Abb. 68: Bei der Zählung der Brutpaare ist die Luft erfüllt vom Geschrei tausender Lachmöwen. Foto: S. Lorenz.

Brutvogelerfassung, wobei es vor allem die Kolonien der vielfach konnte aus einer Teilermittlung auch auf den Ge- Lachmöwe und des Kormorans sind, die zahlenmäßig auf- samtbestand hochgerechnet werden. Im Laufe der Jahre hat fallen. Ab April verwandelt sich die Südspitze des Großen sich die Fläche der Brutkolonie durch die Kotbelastung der Werders in die größte binnenländische Brutkolonie der Möwen von einer Wiese in ein Dickicht aus Brennnesseln Lachmöwe in Mecklenburg-Vorpommern. In dieser Zeit ist verwandelt. In jüngster Zeit wächst hier nun auch ver- die Luft Tag und Nacht vom Geschrei der Möwen erfüllt, stärkt der Gefleckte Schierling bis weit über 2 m Höhe auf welches man nach ein paar Stunden Aufenthalt auf der In- und erschwert die Erfassung der Nester. Ein Zaun trennt sel aber kaum noch wahrnimmt. Die Zahl der Brutpaare ist die Brutkolonie von den restlichen Weideflächen ab, damit nur durch systematisches Auszählen von Transekten mit das ab Ende Mai auf den Großen Werder gebrachte Weide- Hilfe von langen Leinen durch mehrere Helfer ermittelbar. vieh nicht die Nester zerstört.

Diagramm 1: Bestandsentwicklung bei den Lachmöwen-Brut- paaren, Dezimierungen 1974 und 1976 (rote Pfeile) führten nur Abb. 69: Der Gefleckte Schierling nimmt immer größere Flächen in kurzzeitig zu einer Bestandsverminderung. der Brutkolonie der Lachmöwen ein - 2014. Foto: J. Loose

Karl-Heinz Koop und andere FG-Mitglieder halfen Wolf- Nach der Brutsaison wird der Zaun geöffnet, aber im Ge- gang Neubauer und später mir bei diesen Aktionen. Nicht gensatz zu den Brennnesseln wird der Schierling nicht ge- immer wurde die ganze Südspitze des Werders ausgezählt, fressen, wodurch er sich immer weiter ausbreiten konnte.

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Abb. 70: Die Bäume auf dem Lock-(Linden)werder sind von der Brutkolonie der Kormorane stark durch den Kot belastet. Foto: S. Lorenz.

Neben dem Möwengeschrei sind zu dieser Zeit ebenfalls rankolonie heraus Filmaufnahmen zu machen. die Bettelrufe der jungen Kormorane vom benachbarten Der häufig sehr emotional geführten „Kormoran-Debatte“ Lockwerder weithin hörbar. Seit ungefähr dem Jahr 2000 zwischen Fischern, Anglern, Anwohnern und Artenschüt- hat sich auf dieser ehemals dicht mit Erlen, Eschen und zern versuchte Wolfgang Neubauer Zahlen als Argumenta- Linden bewaldeten Insel eine Kormorankolonie etabliert. tionsgrundlage hinzuzufügen. Die Anzahl der Nester stieg sprunghaft an. Aktuell ist ein Teil der Brutpaare auf den Wolbenwerder im Krakower Untersee umgesiedelt, wodurch die Zahl im Obersee nied- riger lag.

Abb. 71: In den Kormorannestern ist reichlich Nachwuchs. Foto: J. Loose. Diagramm 2: Die Entwicklung der Kormorankolonie im NSG KOS So sammelte er in der Brutzeit der Kormorane von 2010 bis Durch die Kotbelastung und den dichten Nistbetrieb sind 2012 insgesamt mehr als 1.700 Fische und Fischreste unter die meisten Bäume mittlerweile abgängig, so dass nur noch den Horstbäumen auf, bestimmte deren Arten und Abmes- Kronenreste vorhanden sind. Das nötige Nistmaterial be- sungen. Die meisten ließen sich für eine Nahrungsanalyse sorgen sich die Kormorane von den Nachbarinseln. Wäh- auswerten (siehe Tabelle 2). J. Loose fand auf der Festplatte rend der Hauptfütterungszeit im Juni wird die Insel stark des Computers von W. Neubauer ein 6-seitiges Manuskript von Lachmöwen und Seeadlern besucht, die den herun- mit dem Titel „Die Nahrung des Kormorans Phalacrocorax tergefallenen Fisch und verendete Jungvögel absammeln. carbo in der Kolonie im NSG Krakower Obersee“ im An- Die Vielzahl der gleichzeitig anwesenden Seeadler (im Juni hang mit Auswertungen zu Fischarten gestaffelt nach Grö- 2015 bis 27 Indiv.) reizte Tierfilmer, hier aus einem von der ßenklassen. Eine Veröffentlichung seiner Untersuchungen Naturschutzbehörde genehmigten Versteck in der Kormo- ist postum von der FG vorgesehen.

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Tabelle 2: Ergebnisse von Nahrungsanalysen 2010-2012 es wesentliche Unterstützungen durch Mitarbeiter der Na- turparkwacht bei allen erforderlichen Reparatur- und Pfle- Fischart Anzahl % gearbeiten im NSG. Mehrfach musste der Zaun zwischen Plötze Rutilus rutilus 671 41,80 der Möwenkolonie und der Wiesennutzung auf dem Gro- Flussbarsch Perca fluviatilis 532 33,10 ßen Werder instandgesetzt werden. Entbuschungen wa- Schlei Tinca tinca 148 9,21 ren notwendig. Auch die Pflegemahd des zum NSG gehö- Brassen (Blei) Abramis brama 74 4,60 renden Kalkflachmoores am Ufer der Glaver Koppel wird Ukelei Alburnus alburnus 61 3,80 Hecht Esox lucius 39 2,43 jetzt regelmäßig durch den Naturpark veranlasst. Durch Rotfeder Scardinius erythrophthalamus 22 1,37 die heute wieder sehr effektive Beweidung der Wiesenflä- Karausche Carassius carassius 21 1,31 chen mit Schafen und Ziegen, die mittels Fähre im Mai von Kleine Maräne Coregonus albula 9 0,56 den Landwirten Wilfried und Olaf Baldermann aus Dobbin Aal Anguilla anguilla 13 0,81 bzw. Linstow auf die Insel gebracht werden, konnten die Güster (Pliete) Blicca bjoegna 9 0,56 sich in der Wiese stark ausbreitenden Bestände der Nicken- Kaulbarsch Gymnocephalus cernua 8 0,50 den Distel nicht zurückgedrängt werden. Die Disteln muss- Summe 1.607 100 ten per Hand ausgestochen werden. Das Dach der in die Jahre gekommenen Feldstation musste erneuert werden. Mit den analysierten Futterresten zeichnete sich sehr deut- Ein Marder hatte hier Zugang gefunden und die Zwischen- lich ab, dass es vor allem der kleinere Weißfisch und der decke durch Urin stark geschädigt. Mit finanzieller Hilfe Flussbarsch (73,6 %) waren, den die Kormorane im Obersee durch die Stiftung Umwelt und Natur M-V, die Eigentümer fischten und verfütterten. der Insel geworden ist, und Leute vom Naturpark konnte diese komfortable Unterkunft 2014/2015 wieder hergerich- Neben den vorgenannten Arten sind es Flussseeschwal- tet werden. ben, Graugänse, Reiher- und Schellenten, die zahlreich am Krakower Obersee brüten und möglichst jährlich in ihren Brutbeständen erfasst werden. Den Flussseeschwalben hat- te sich Wolfgang Neubauer in besonderem Maße gewid- met. Dazu kann unter Kapitel 10.1 nachgelesen werden.

Vor allem bei den zeitig im Frühjahr am Boden brüten- den Graugänsen ist jedes Jahr ein erheblicher Verlust durch Prädatoren zu verzeichnen, welche die Gelege auf den Inseln ausfressen oder Elterntiere am Nest reißen. Für die Schellenten waren bereits zum Anfang der Schutzge- bietsbetreuung von Neubauer auf allen Werdern zahlrei- Abb. 73: Die mit neuem Dach ausgestattete Feldstation – 2015. che Nistkästen ausgebracht worden. In der Hoffnung, dass Foto: S. Lorenz. vielleicht auch einmal wieder ein Paar des Gänsesägers da- rin zur Brut schreitet, wurden auch in neuerer Zeit immer Die Schutzgebietsbetreuung ist in meinen Augen ein über wieder Kästen neu aufgehängt. viele Jahre gewachsenes gutes Miteinander von Naturpark (in Vertretung für alle Jörg Gast und Ralf Koch), Unterer Naturschutzbehörde (Frank Vökler), dem Staatlichen Amt für Landwirtschaft Umwelt und Natur in Rostock, der Stif- tung für Umwelt und Natur Mecklenburg-Vorpommern in Schwerin sowie den ansässigen Land- und Forstwirten und Anwohnern (Betrieb Baldermann, Forellenzucht Dob- bin, Forstamt Sandhof/Revier Bossow) geworden. Wenn- gleich ich mit meinem Wohnort in Greifswald von Seiten der Anfahrt zum NSG nicht so gute Bedingungen habe, wie Wolfgang Neubauer sie hatte, sehe ich mich doch immer noch als Teil der FG Güstrow und übernahm nach dem Tod Abb. 72: Die FG-Mitglieder Helmut Richter und Jörg Bußmann von Wolfgang sehr gern die Gebietsbetreuung. Mir war es leisteten im Herbst 2014 Unterstützung beim Bau und bei der An- nach vielen Jahren ornithologischer Tätigkeit am Krakower bringung von Nistkästen. Foto: S. Lorenz. Obersee und einer Diplom- und Doktorarbeit zum Krako- wer Seengebiet eine Herzensangelegenheit, die Schutzge- Mit Festsetzung des Naturparkes „Nossentiner/Schwinzer bietsbetreuung in Erinnerung an meinen ehemaligen Leh- Heide“ und Einrichtung einer Naturparkverwaltung gab rer und in dessen Sinne weiter zu führen.

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8.1.2 NSG Breeser See

Joachim Loose (Gebietsbetreuer)

Schutzgebietsdaten Einstweilige Sicherung am 07.08.1974 Behandlungsrichtlinie vom 19.08.1979 Unterschutzstellung am 22.03.1982 Größe 163 ha davon Wasser 39 ha Röhrichte 54 ha Wald, Gebüsch 48 ha Wiesen 22 ha Karte 4 Quelle: Kartenportal LUNG

Bedeutung/Schutzziel Ungestörter Lebensraum für Röhrichte bewohnende Singvogel-, Rallen- und Entenarten in bis zu 300 m breiten Schilfsäu- men, Rast- und Schlafplatzgewässer für Gänse, Kraniche, Stare und Schwalben

1992 Integration in das EU-Vogelschutzgebiet DE 2339-402 Nossentiner/Schwinzer Heide 2007 Integration in das FFH-Gebiet DE 2338-304 Mildenitztal mit Zufüssen und verbundenen Seen

Auf die Bedeutung des Breeser Sees für die Vogelwelt war Kurt Pohlmann aufmerksam geworden, der hier ab 1972 mit seiner Schüler-AG Bestandsaufnahmen der Brut- und Rastvögel vornahm. Dem Antrag der Fachgruppe auf Unterschutzstellung als NSG vom 15.10.1973 an den Rat des Kreises Güstrow fügte Kurt Pohlmann einen Anhang mit einer ersten Artenliste von insgesamt 102 im Gebiet festgestellten Brutvogel arten bei. Mit der dreiseitigen Begründung unter Berufung auf die in „den letzten Jahren zunehmende Veränderung der Umwelt durch Meliorationsmaßnahmen“ und einen Ratsbeschluss Abb. 74: Breeser See von Süden – Luftbild 1999. Foto: Ch. Berg. über „Die Aufgaben zur Durchführung des Gesetzes über die planmäßige Gestaltung der sozialistischen Landeskultur im Auch nach der Unterschutzstellung des Sees betätigte sich Kreis Güstrow“ gelang es, die einstweilige Sicherstellung die Schüler-AG mit Kurt Pohlmann weiter intensiv mit der des Breeser Sees als Naturschutzgebiet mit Kreistagsbe- Vogelwelt des Gebietes. Der See wurde für einzelne Beob- schluss vom 7.8.1974 zu jener Zeit relativ schnell durch- achter in Abschnitte aufgeteilt und fortan an fast jedem zusetzen. Das damalige ILN, Zweigstelle Greifswald hatte Wochenende an mindestens einem Tag aufgesucht. Am den Antrag mit Schreiben vom 05.11.1973 vollinhaltlich be- Nordufer des Sees wurde eine kleine Unterkunft mit Schilf- fürwortet. Die von der FG angestrebte und durch das ILN wänden errichtet, in der einige größere Schüler auch mal bekräftigte Flächenabgrenzung mit einer Größe von 222 ha übernachteten und im Umfeld Rallen fingen. für das künftige NSG wurde jedoch durch den Landwirt- schaftsbereich, dem auch das Referat Naturschutz beim Rat des Kreises unterstand, auf eine Größe von 163 ha einge- grenzt. Besonders bei den im Norden und Osten angren- zenden feuchten Niedermoorwiesen ist der Verlust noch heute sehr zu beklagen. Auf diesen Flächen unmittelbar an den Grenzen zum NSG wurden in den Jahren 1984 und 1985 bis in die Randbereiche des Sees noch weitere Meliorati- onsmaßnahmen zur Entwässerung der Niedermoorwiesen durchgeführt. Auf diesen Wiesen werden auch heute noch mineralische Dünger und Gülle ausgebracht. Dadurch ge- langen Nährstoffe in den See, was sich sehr nachteilig auf Abb. 75: Kurt Pohlmann an der Schilfhütte am Nordufer des die Wasserqualität auswirkt. Breeser Sees. Foto: Archiv M. Montschko.

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Später gab es im „Ort“ Rothbeck in der Nähe des Bree- Geprägt durch meine frühere Betreuertätigkeit des NSG ser Sees die Möglichkeit, in dem ehemaligen Bauernhaus, Schelldorfer See in Sachsen-Anhalt wusste ich von den dem einzigen Wohnhaus des Ortes, einen Raum durch die Vorteilen einer Arbeitsunterkunft direkt im Gebiet (dort Schüler-AG zu nutzen. Jetzt waren öfter auch Exkursionen hatten wir eine schwimmende Hütte am Ufer verankert). am Abend in den Bruchwaldgürtel oder entlang der NSG- So gab es bei mir frühzeitig Überlegungen, wo man eine Grenze möglich. solche Hütte am besten am Ufer des Breeser See errichten Kurt Pohlmann verstand es, die Interessen der Jugendlichen könne. Das noch nicht ganz fertig gestellte Baumhaus (sie- mit Spiel und ersten Ansätzen für ein wissenschaftliches he Abb. 4, S. 11) von Kurt Pohlmann war kein Äquivalent, Beobachten und Arbeiten zu verbinden. Ein im Westwald konnte man doch von diesem Standort den See kaum sehen. des Bruchwaldgürtels als geplanter Beobachtungspunkt in Dort, wo die Gruppe einmal die Schilfhütte im Nord ufer er- ca. 8 m Höhe errichtetes Baumhaus weit ab vom Ufer des richtet hatte, sah ich den besten Punkt, der auch gut von Sees war weniger geeignet, das Vogelleben auf dem See zu außen erreichbar war. Eine feststehende Unterkunft auf beobachten. Pfählen erschien mir zweckmäßig. Über meinen Betrieb, den damaligen HAN-SA, ein Ausrüstungsbetrieb für den in Erweiterung befindlichen Landmaschinenbaubetrieb Güst- row, bekam ich eine große Transportkiste einer riesigen 8 t schweren Flachschleifmaschine aus Kiew, die mir der Be- trieb in Einzelteile zerlegt im Herbst 1982 bis zum Breeser See transportierte. Damals war die Nordwiese noch nicht melioriert, der „Straßen“-W 50 versackte im Moorboden, ich musste erst einen Traktor aus Zehna zum Rausschleppen besorgen und hatte dann noch Ärger, weil wir mit dem Transport-LKW zu spät wieder im Betrieb waren. Das Material lag vor Ort, jetzt war Gemeinschaftsarbeit erforderlich. Dafür standen die FG-Mitglieder bereit. Mit insgesamt vierzehn beteiligten Leuten errichteten wir ab 21.11.1983 unsere Hütte im NSG.

Abb. 76: Blick aus dem Baumhaus der Schüler-AG auf den See. Die Wasserfläche liegt weit entfernt und konnte nur in geringen Teilen eingesehen werden. Foto: A. Martin.

Die für eine Sichtachse geschlagenen Birkenstämme wur- den dann aber für die Errichtung einer künstlichen Insel für gewünschte Flussseeschwalbenbruten verwendet. Kurt Pohlmann machte mir auf einer FG-Sitzung klar, dass man Abb. 77: Das Gerüst für die neue Unterkunft ist im Herbst 1983 fer- die Jugendlichen auch durch den Bau eines „ungeeigneten“ tiggestellt. In der Birke dahinter war ein Hochsitz der Schüler-AG. Baumhauses „bei der Stange halten“ konnte. Und sie waren Foto: J. Loose. mit Eifer bei der Sache. Über Arbeits- und Versicherungs- schutz machte man sich damals kaum Sorgen; Eltern sahen Als Standpfähle dienten Telefonmasten, die bis zu sechs nicht immer gleich beim Lehrer den Schuldigen, wenn Meter in den sumpfigen Untergrund auf geniale Weise un- etwas passierte. ter Anleitung von Fritz Anderlik angespitzt und eingedreht wurden. Die Masten hatte Georg Strache von seinem Post- Als ich im Herbst 1982 nach dem Tod von Kurt Pohlmann Fernmeldebetrieb besorgt. Sie waren bestens „konserviert“ als Nachfolger die NSG-Betreuung übernahm, war es mir (heute wären sie als Sondermüll zu entsorgen), so dass sie leider nicht möglich, die AG-Tätigkeit mit den Schülern auch heute nach über 30 Jahren Standzeit kaum verwittert fortzusetzen. sind.

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nach Schwerin zur Analyse geschafft werden. Die Durch- führung dieser Untersuchungen war nicht selbstverständ- lich gewesen und hatte im Vorfeld mancher Diskussion bedurft. Ohne Unterstützung des Rates des Kreises Güst- row, hier konkret des Sekretärs für Jagd und Naturschutz Heinz Stegemann, zu dem wir auch über unseren Kreis- naturschutzbeauftragten Wolfgang Neubauer stets einen guten Kontakt hatten, wäre da in der Planwirtschaft nichts gelaufen. Im Ergebnis der mehr als zweijährigen Beprobungen ent- stand ein 27 Seiten umfassender Bericht, der auf Grund seiner Brisanz (gemäß Beschluss des Ministerrates von 1982 Abb. 78: Die Arbeitshütte stand ab 1984 zur Nutzung bereit. waren Umweltdaten geheim zu halten) als Vertrauliche Foto: J. Loose. Dienstsache (VD S-SGA-31/87) behandelt werden musste. Da ich wegen meiner Hauptarbeit eine „VD-Berechtigung“ Die Hütte stand dann endlich zur ersten Übernachtung ab besaß, hatte ich auch die Möglichkeit, den Bericht einsehen dem 13.Juli 1984 bereit. Die spartanische Innenausstattung zu können (heute liegt er natürlich frei für jeden in den hatte teilweise der Rat des Kreises finanziert, ansonsten NSG-Akten vor). Als Hauptverursacher waren Nährstoff- hatte so mancher etwas beigesteuert. Das Baumhaus war einträge aus einer damals in existierenden abgebaut und das Material als Beobachtungskanzel auf der für den Kreis Güstrow zentral angelegten Kartoffelschäl- Hütte aufgesetzt worden. Am Nordufer des Sees stand nun einrichtung ermittelt worden. Ebenso gelangten unzurei- eine hinreichend komfortable Station zur Verfügung, die chend gereinigte kommunale Abwässer aus der Kläranlage anfangs häufiger auch von anderen FG-Mitgliedern zur der Gemeinde Zehna zunächst in den Zehnaer und danach Übernachtung genutzt wurde. Hier begannen wir fortan in den Breeser See. Ein sehr hoher Anteil von Nährstoffen intensiv in mehreren Schilfschneisen mit Vogelfang und kam als Düngerabspülungen auch über die Landwirtschaft -beringung. in den See. Aus einem ca. 32 km2 großen Einzugsgebiet ge- langten jährlich Einträge von etwa 60 t Stickstoff und 3 t Vom Rat des Kreises wurde bald auch ein Ruderboot zur Phosphor in den See. Damit wurde eine Massenproduktion Verfügung gestellt, so dass auch Untersuchungen von der von Phytoplankton im See in Gang gesetzt, die einer guten Wasserseite am Schilfsaum entlang möglich wurden. Im Wasserqualität völlig abträglich war. Der von der WWD See war mit der Unterschutzstellung das Angeln verboten erstellte Abschlussbericht enthielt auch Vorschläge zur Ab- worden. Durch die häufigere Anwesenheit des Betreuers stellung der festgestellten Mängel. In der Kartoffelschälein- im Gebiet und die Mobilität mit dem Boot konnte das il- richtung in Reimershagen gelangten chemische Abwässer legale Angeln stark zurückgedrängt und die Störungen im ohne jegliche Nachklärung in die Breesenitz, den Haupt- Gebiet verringert werden. Die vielfach im Schilfsaum ent- zufluss des Breeser Sees. Die Auswertung mit der Betriebs- standenen Anglerstege wurden von uns zurückgebaut. leitung hatte zum Ergebnis, dass umgehend eine Kläran- Die Betreuung des NSG Breeser See umfasste nicht nur die lage nachgeschaltet wurde. Nachrüstungen gab es in der Erfassung der Vogelwelt. Da bekanntermaßen die Wasser- Folge auch in der vorhandenen Kläranlage in Zehna. qualität von entscheidender Bedeutung für die Artenviel- falt ist und festzustellen war, dass ab Ende der 1970er Jahre sich diese rapide verschlechtert hatte, war dringend nach den Ursachen zu suchen. Bei Unterschutzstellung des Sees wurde dieser als mäßig eutropher Klarwassersee mit reich- haltiger Characeenvegetation eingestuft. Bereits 1979 fehl- te die Submersvegetation fast vollständig. Die Sichttiefe im See war zeitweilig bis auf 10 cm gesunken. Höckerschwäne als auffälligste Art brüteten nicht mehr, da sie im See keine Nahrung fanden. Zur Ursachenfindung für die hohen Nährstofffrachten, die in den See gelangten und Auslöser für die Wandlung der Wasserqualität waren, entnahmen wir in aufwendiger Ak- tion in den Jahren 1985 und 1986 monatlich Wasserproben von drei Stellen im See und aus allen fünf Zuläufen kurz vor dem See. Diese mussten umgehend nach der Entnahme Abb. 79: Klarwasserphasen mit Characeenrasen stellten sich ab ins Labor der Wasserwirtschaftsdirektion Küste (WWD) 1990 wieder auf dem See ein. Foto: J. Loose

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Möglicherweise hatte bereits die Durchführung dieser Bei den Erfassungsarbeiten im NSG strebte ich mit ver- Schwerpunktmaßnahmen zum Ergebnis, dass im Frühjahr schiedenen Mitteln an, auch zu anderen Tierartengruppen 1989 plötzlich kurzzeitig eine Klarwasserphase im Breeser Inventarlisten anzulegen bzw. zu erhalten. Dort, wo mein See zu beobachten war. Ich sah nach der Übernahme der Wissen nicht ausreichte, holte ich mir die Fachleute ins Ge- Betreuungstätigkeit zum ersten Mal den Seeboden, auf dem biet. 1992, 1996 und 1998 kam Uwe Jueg zur Erfassung der sich in diesem Jahr bereits auch wieder eine Submersvege- Malakofauna und stellte fest, dass im Seebodensediment tation zu entwickeln begann. viele Arten vorhanden waren, die jedoch auf Grund der Nicht allein die politische Wende im Herbst 1989 mit den schlechten Wasserqualität abgestorben waren. Er entdeckte vielen Veränderungen hatte also dazu geführt, das fortan die Vorkommen der Windelschnecken (Vertigo moulinsiana wieder vermehrt, ab 1990 dann über mehrere Monate im und V. angustior) im Randbereich des Sees – heute wichtige Jahr oder auch wieder ganzjährig Klarwasserverhältnisse FFH-Arten. Hans-Dieter Bringmann aus Rostock erfasste im See vorherrschten. Es war beeindruckend festzustellen, 2002/03 als Spezialist die Bockkäfer und einige andere Kä- wie einige Pflanzen- und Tierarten erneut den See zu be- ferarten im NSG. Von 2001 bis 2005 suchte und bestimm- siedeln begannen. Characeenarten und Mittleres Nixkraut te Mathias Krech die Imagines und Exuvien von Libellen. bedeckten den Seeboden bald überall. In den freien Berei- Artnachweise von Libellen gelangen auch mir regelmäßig chen tummelte sich zahlreich Fischbrut. als Beifänge in den Vogelfangnetzen. Keilfleck-Libelle und Haubentaucher und Höckerschwäne zogen wieder erfolg- reich am See Junge auf. Flussseeschwalben begannen hier zu brüten und mit den Characeen tauchten auch kurzzei- tig einmal Kolbenenten auf. Das Schilfrohr im Uferröhricht zeige sich gegenüber dem Zustand in den 1970er und 1980er Jahre in Durchmesser und Größe kräftiger. Für andere Ver- änderungen im Schilfgürtel fehlen Erklärungen: An vielen Stellen sind in der Breite der Uferzone Schilfzu- wächse inzwischen von weit mehr als 15 m festzustellen. An anderen Stellen kam es hingegen zu Schilfausfällen und sogar Lagunenbildungen (Ost- und Nordostuferabschnitte). Diese Veränderungen lassen sich sehr gut im Luftbildver- gleich aus Bildern verschiedener Jahre erkennen. In der Be- treuung des Sees gibt es also immer wieder spannende neue Fragestellungen. Abb 82: Entomologengruppe um Dr. Volker Thiele bei der Einwei- sung zur Schmetterling-Fangaktion am 22.05.2004. Foto: J. Loose.

Zweifleck waren Besonderheiten des NSG. Mitglieder der AG Entomologie Rostock unter Leitung von Dr. Volker Thiele weilten 2004/2005 mehrfach im Gebiet und erfassten auch insbesondere mit Nachtfängen die Schmetterlings- arten. Um die botanische Inventarisierung kümmerte sich alljährlich unterstützend Angela Martin von unserer Fach- gruppe. Als der See wieder eine auf dem gesamten See- boden ausgedehnte Unterwasservegetation aufwies, be- stimmte Mathias Teppke 2001 die Vergesellschaftungen bei den Wasserpflanzen im Röhrichtgürtel, der Submersvege- tation und in den neu entstandenen Schlenken. Ebenso war Wulf Hahne hier tätig und untersuchte u. a. die Flächen der Torfmoosentwicklung am Nordwestufer. Bereits frühzeitig beabsichtigten wir, der Öffentlichkeit die Möglichkeit für Einblicke in das NSG zu geben. Im Schutz- gebiet existieren keine öffentlichen Wege, so dass Beob- achtungen lediglich von einer Besucherkanzel aus möglich waren. Eine solche errichteten uns 1984 Forstarbeiter am Abb. 80/81: Im Bereich des Nordostufers kam es zur Lagunen- Ostufer am sogenannten Fischersteg in der Form einer et- bildung. Hier befindet sich heute ein Kranichschlafplatz. (Quellen: was größeren Jagdkanzel, die von Klein Breesen aus über oben CIR-Aufnahme von 1991 LUNG, unten Google Earth – 2014) einen Fußweg zu erreichen war. – Für den Fall, dass von

63 50 Jahre Fachgruppe Ornithologie und Naturschutz Güstrow diesem Punkt zu große Störungen ausgehen würden, hat- Über staatliche Fördermittel vom STAUN Rostock konnten ten wir uns zunächst den eventuellen Rückbau der Einrich- später geeignete Landwirtschaftsbetriebe gefunden bzw. tung vorbehalten. – Es ging alles gut. Eckhard Hackert vom auch eine Firma mit Mähraupe beauftragt werden, die die Forstamt Krakow am See unterstützte uns (kurz vor Auf- Mahd und Beräumung nach Vorgaben des Betreuers aus- lösung des Amtes) im Mai 2001 erneut mit dem Bau einer führen. Früher hatten diese zur Erhaltung notwendigen richtigen Besucherkanzel, als die erste soweit verwittert Arbeiten die FG-Mitglieder und andere Naturschutzhel- war, dass sie für die Öffentlichkeit gesperrt werden musste fer in ehrenamtlicher Tätigkeit durchgeführt. Das Mähgut (Abb. 83). Kurt Petersen, Wilsen leitete den Neubau. wurde damals am Rande der Mähfläche im Bruchwald ab- gelegt, da zum Abtransport und zur Verwertung die Mög- lichkeiten fehlten. Dieses gemeinschaftliche Arbeiten der FG-Mitglieder stärkte das Zusammenhörigkeitsgefühl der Gruppe. Derartige Aktivitäten sind auch in anderen Gebie- ten nach 1989 aus verschiedenen Gründen weggefallen und lebten erst in jüngster Zeit wieder auf (siehe Pkt. 8.1.6).

Abb. 83: Die alte öffentliche Beobachtungskanzel war baufällig und musste ersetzt werden (10/2000) – Die im Vordergrund an den See angrenzende Ost-Wiese war zu diesem Zeitpunkt für eine Neuan- saat mal wieder totgespritzt und umgebrochen worden. Foto: J. Loose. Diagramm 3: Beobachtungsintensität in 33 Jahren Betreuertätig- keit Die hier gegebene Beobachtungsmöglichkeit wird sowohl von Einheimischen als auch Urlaubern rege genutzt. Über Bis 1989 beteiligten sich bis zu elf FG-Mitglieder an regel- Infotafeln können sie an dieser Stelle auch etwas über das mäßigen Beobachtungen im NSG (vgl. Schlüsselvergabe Gebiet und deren Tier- und Pflanzenwelt erfahren. Einem für die Hütte). Die Arbeitsstation wurde anfangs für bis Kasten können Faltblätter zum NSG und anderes Material zu 18 Übernachtungen (1988) jährlich genutzt. Eine gleich- entnommen werden. Von hier starten in der Saison geführ- bleibend hohe Beobachtungsintensität im Gebiet konnte te Exkursionen mit kleineren Gruppen ins NSG. über alle Betreuungsjahre sichergestellt werden (Dia- Gleich nebenan im NSG befindet sich eine für die Pflanzen- gramm 3). Nach 1989 stammen die Beobachtungen aus dem welt des Gebietes bedeutsame Wiese mit Orchideenarten Gebiet weitgehend nur vom Betreuer. Soweit Arbeiten im und zahlreichen inzwischen selten gewordenen Pflanzen- NSG nicht durch eine Person allein erledigt werden konn- arten von extensiv bewirtschafteten Feuchtwiesenstand- ten (z. B. der Grundaufbau von künstlichen Brutinseln für orten. Für die Pflege dieser ca. 2 ha großen Wiese konnte Flussseeschwalben – siehe Pkt. 10.2) haben auch immer an- nach der Wende der Jagdpächter Karl Schäfer (†) gewon- dere FG-Mitglieder geholfen. nen werden, der mit einem RS 09 noch im Besitz der not- wendigen leichten Technik war und ansonsten die Wiese in Handarbeit beräumte.

Abb. 84: K. Schäfer bewirtschaftete die Orchideenwiese bis 2012 Abb. 85: Grabenverschluss im Randgraben auf der Nordostwiese. Foto: J. Loose. Foto: J. Loose.

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Im Herbst 2014 konnte eine seit langem durch mich als NSG-Betreuer und in der Funktion bei der Naturschutzbe- hörde vorbereitete Maßnahme zur Reduzierung des Nähr- stoffeintrages in den See umgesetzt werden. Nährstoffe konnten durch die regelmäßige Gülleausbrin- gung auf der Niedermoorwiese östlich des Sees (oft noch bis Mitte November) über die 1984 gezogenen Randgräben in den See gelangen. Diese Gräben wurden nun durch mehrere Staue verschlos- sen. Die Feuchtwiese soll jetzt anschließend in eine exten- sive Nutzung überführt werden. Aufgabe bleibt es für die nächsten Jahre, diese Maßnahme in gleicher Weise zumin- dest auch auf der nördlich des Sees liegenden Niedermoor- wiese umzusetzen. Voraussetzungen sind auch dort durch das bei der Landgesellschaft M-V liegende Eigentum für diese Flächen gegeben.

Die im Naturschutzgebiet am Ostufer liegende Orchideen- wiese bildet mit ihrer Artenvielfalt einen krassen Gegen- satz zu den im Umfeld intensiv genutzten Grünlandflächen. Hier kann bei den geführten Exkursionen in das NSG den Besuchern gezeigt werden, wie unsere extensiv genutzten Niedermoorwiesen früher einmal aussahen. Der Blüten- reichtum auf dieser ca. 2 ha großen Fläche fasziniert jeden. In untersuchten Kontrollflächen haben wir bisher 80 Pflan- Abb. 87: Das Steifblättrige Knabenkraut kommt an keiner anderen zenarten festgestellt. Diese Pflanzenvielfalt zieht auch eine Stelle unseres Kreises so häufig vor, wie hier auf der Ostwiese im mannigfaltige Insektenwelt an, die sich zu erfassen lohnt. NSG Breeser See. Foto: J. Loose. Jährlich wurden auf dieser Wiese die blühenden Orchideen gezählt und weitgehend Bestandsanstiege registriert.

Diagramm 5: Jährlich gezählter Bestand der blühenden Exemplare des Steifblättrigen Knabenkrautes

Abb. 86: Artenreiche Feuchtwiese am Ostufer des Breeser Sees. Foto: J. Loose.

Diagramm 4: Jährlich gezählter Bestand der blühenden Exemplare Abb. 88: Auf der Wiese stehen die Sumpf-Sitter oft dicht an dicht. des Sumpf-Sitters. Foto: J. Loose.

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Vermutlich durch die gute Pflegemahd der Fläche ist eine tausende gehende Zahl der Stare, die vielfach direkt vor Zunahme bei den beiden hier anzutreffenden Orchideenar- dem Beobachtungsturm in das Schilf zum Schlafen einfal- ten festzustellen. Vielleicht trägt die von mir praktizierte len, genannt. Die Beobachtung von diesem Punkt gilt quasi „Samenernte“ bei den Orchideen vor der Mahd auch dazu als „Geheimtipp“, der von umliegenden Besitzern von Feri- bei. Die Samenkapseln werden nach der Reife und vor der enwohnungen an die Urlauber vermittelt wird. Bei meinen Mahd abgeschnitten und das geerntete Saatgut hinterher Kontrollen im Gebiet kam ich mehrfach mit Urlaubern auf wieder auf der Fläche ausgebracht. Damit wird weitgehend dem Turm ins Gespräch und führte sie bei Interesse auch verhindert, dass Orchideensamen mit dem Mähgut aus der ins NSG oder nahm sie mit dem Boot während der Brutzeit Wiese ausgetragen wird. mit zu der nahe am Ufer gelegenen Flussseeschwalbenin- sel. Eier und Küken der Flussseeschwalbe hatten die meis- Der über Klein Breesen erreichbare Beobachtungsturm ten noch nie gesehen und nahmen diese Beobachtungen wird heute häufig durch Urlauber aufgesucht, die sich mit Begeisterung und Dankbarkeit auf. vielfach begeistert über die Artenvielfalt des Gebietes im Im Fazit kann ich feststellen, dass sich über den Turm im ausliegenden Gästebuch äußerten. Als besondere Erlebnis- NSG auch mit den dort vorhandenen Tafeln und der Vertei- se werden die Möglichkeit der Beobachtung des Ein- und lung von Info-Material eine Öffentlichkeitsarbeit sehr ef- Ausflugs der Kraniche zum Schlafplatz und die in die Zehn- fektiv umsetzen lässt.

Abb. 89: Von der öffentlichen Beobachtungskanzel am Ostufer des Sees hat man einen guten Einblick in das NSG und die hier errichteten Brutinseln der Flussseeschwalben sowie den Kranichschlafplatz im der Nordost-Lagune. Foto: J. Loose.

Abb. 90: Einblick in die Nordost- Lagune, in der sich auch tagsüber Kraniche aufhalten können. Mit einem guten Spektiv lassen sich hier die Fussringkombinationen bei beringten Kranichen leicht ablesen. Foto: J. Loose.

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8.1.3 NSG Upahler und Lenzener See

Wolfgang Köhler

Schutzgebietsdaten Einstweilige Sicherung am 05.07.1978 Behandlungsrichtlinie vom abgelöst durch VO Unterschutzstellung am 22.03.1982 VO mit Erweiterung vom 09.07.1999

Größe 520 ha davon Wasser 116 ha Upahler See 62,6 ha Lenzener See Karte 5 Quelle: Kartenportal LUNG

Bedeutung/Schutzziel Erhaltung und Pflege einer Seenlandschaft im stark reliefierten Gebiet der Hauptmoräne mit wertvollem Waldbeständen und reicher Tier- und Pflanzenwelt Schwerpunkt ist die Erhaltung der Wasserqualität beider Seen, insbesondere des Lenzener Sees mit seiner wertvollen Unterwasserflora.

1992 Integration in das EU-Vogelschutzgebiet DE 2339-402 Nossentiner/Schwinzer Heide 2007 Integration in das FFH-Gebiet DE 2238-302 Wald- und Gewässerlandschaft um Groß Upahl und Boitin

Das NSG verdankt seine Ausweisung als Schutzgebiet allein der Fachgruppe Ornithologie und Naturschutz Güstrow. Georg Strache hatte auf seinen zahlreichen Exkursionen im Kreis die Attraktivität und den Wert des Gebietes – hier zunächst des Upahler Sees – erkannt und in der Fachgrup- pe wiederholt für einen aktiven Schutz des südlichen Teils des Sees geworben, ohne dass ein spürbares Echo erfolgte. Erst als ich in meiner Funktion als zuständiger Oberförster empfahl, nicht nur einen Teil, sondern den gesamten See einschließlich der angrenzenden Waldflächen als Schutz- gebiet vorzuschlagen, kam wieder Bewegung in das Vor- haben. Als Gründe für eine Unterschutzstellung trugen wir neben der ornithologischen Bedeutung des Sees vor, dass Abb. 91: Luftbild vom Südteil des Upahler Sees, von dem wegen ■ der See noch frei von Bungalowbebauungen war, fehlender Zugänglichkeit kaum Beobachtungen vorliegen – 1999. ■ es nur ausnahmsweise privilegierten Bootsverkehr Foto: Ch. Berg. gab, ■ hier einer der ältesten bekannten Seeadlerbrutplätze einschließlich der extensiv genutzten Wiesen mit einzube- Deutschlands (mindestens seit 1920 belegt) lag, ziehen, damit das Gebiet abgerundet würde. Am Lenzener ■ eine gute Submersvegetation bei guter Wasserqualität See und auf der Halbinsel Bohnrat konnte der zu dieser existierte, Zeit noch seltene Fischotter nachgewiesen werden. ■ die umgebenden Buchenwaldflächen sehr naturnah und altholzreich und mit einem überdurchschnittlichen Trotz zum Teil heftigen Widerstandes von verschiede- Arteninventar ausgestattet waren. nen Seiten gelang es schließlich, dieses Gebiet bei einigen Grenzkorrekturen am 5.7.1978 als NSG mit einer Flächen- Zudem befanden sich mehrere frühhistorische Siedlungs- größe von 393 ha durch den Rat des Kreises Güstrow einst- reste im Gebiet. weilig sichern zu lassen. Die Ausweisung als NSG durch den Bezirkstag Schwerin erfolgte wie damals üblich erst im Adolf Kretschmann, als zuständiger örtlicher Revierförster Paket mit anderen Gebieten vier Jahre später. Nach einer und gleichfalls FG-Mitglied, schlug schließlich vor, auch Erweiterung am 9.7.1999 hat das NSG heute eine Größe von den Lenzener See und die dazwischen liegenden Wälder 520 ha.

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Abb. 92: Die erste Informationstafel für das NSG wurde durch Abb. 93: Von einer Studentin 1994 gemalte Tafel. Sie wollte alles Angela Martin angefertigt und von der FG 1980 auf der Ostseite unbedingt bunt wie die Lenzener Wiese gestalten. Die Tafel war des See aufgestellt. Foto: A. Martin. auch 2015 noch gut erhalten. Foto: J. Loose.

Adolf Kretschmann übernahm von Anfang an mit viel Engagement die Betreuung des Naturschutzgebietes. Er organisierte alle erforderlichen Pflegemaßnahmen auf den Wiesen im Uferbereich des Upahler Sees (Pastorkoppel, Lenzener Wiese und Rieselwiese). Ein örtlicher Landwirt führte mit leichter Maschinentechnik (RS 09) regelmäßig die Mahd, anfangs auch die Beräumung des Mähgutes durch. Beim Ablegen des Mähgutes am Rande der Wie- sen unterstützten ihn später Teilnehmer eines Ökocamps. Ebenso waren Teilnehmer eines Christlichen Jugendlagers und auch ein international besetztes Studentenlager, wel- Abb. 94: Auch die Kopfweidenpflege am Upahler See organisierte ches im Sommer in Lohmen Quartier bezogen hatte, bei A. Kretschmann. Durch die UNB wurde 1991 eine neue Info-Tafel den Pflegearbeiten behilflich. Den jungen Leuten war es erstellt. (noch mit beiden Naturschutzsymbolen) Foto: A. Martin. ein Bedürfnis, etwas für sie völlig Ungewohntes für die Natur zu tun. Adolf Kretschmann leitete sie mit Freude an ziellen Rückhalt für die Pflegearbeiten konnte anfangs die und war über ihre Einsatzbereitschaft auf den immerhin Untere Naturschutzbehörde, später das StAUN/StALUMM rund 8,5 ha großen Wiesenflächen begeistert. Den finan- Rostock absichern.

Abb. 95: FG-Exkursion am 9.5.1980 zum Upahler See (v.l.n.r.) – Georg Strache, Hans-Georg Müller, Heinz Mevius, Joachim Loose, Kurt Pohlmann, Klaus Lingsminat, Wolfgang Neubauer, Karl-Heinz Koop, Wolfgang Köhler. Foto: A. Martin.

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Abb. 96: Adolf Kretschmann am 31.12.2001 bei der Kontrolle des Pastorbruches, der 2001 erst sehr spät gemäht werden konnte. Foto: J. Loose.

1987 gab es vonseiten der im Umfeld des Upahler Sees wirt- Nutzfläche und Darstellung der negativen Auswirkungen schaftenden LPG (P) Güstrow und Gerdshagen sowie LPG auf das Schutzgebiet erstellt werden. Durch die politische (T) Lohmen und Karcheez die Absicht, den Upahler See als Wende ist auch hier keine weitere Umsetzung erfolgt. Beregnungsspeicher zu nutzen. Der Auftrag für dieses Pro- Interessant ist, dass heute unter anderen Voraussetzungen jekt war von der Oberflussmeisterei Schwerin (Ofm) ausge- im Rahmen der Umsetzung der EU-Wasserrahmenricht- löst worden. Am 04.12.1987 fand dazu eine Anlaufberatung linie (WRRL) und des Managementplanes für das FFH- mit Anwesenheit der Landwirtschaftsbetriebe, des planen- Gebiet DE 2238-302 „Wald- und Gewässerlandschaft um den Meliorationsbetriebes, der Wasserwirtschaft und der Groß Upahl und Boitin“ eine Wasserstandsanhebung des Forst sowie des Rat des Kreises statt. Heinz Stegemann als Upahler Sees unter Öffnung der Ableitung (Flöth graben) Sekretär für Jagd und Naturschutz hatte sich auch Wolf- geplant ist. Eine Machbarkeitsstudie liegt bereits vor gang Neubauer als KNB zur Seite geholt. Koll. Behrens von (BIOTA 2009). Die darin enthaltenen drei Varianten über der Ofm erläuterte das Ziel des Projektes. Man hatte vor, die Wasserstandshöhe im Upahler See wurden jedoch noch den See auf den Hochwasserschwellenwert anzuheben, um nicht auf ihre FFH-Verträglichkeit abschließend geprüft. in der niederschlagsarmen Jahreszeit das angestaute Was- Die Botanik-AG wird ein wachsames Auge auf die Orchi- ser für die Beregnung von 80 ha Weidefläche der LPG (P) deenbestände haben. Tarnow nutzen zu können. Die Vertreter des Naturschut- zes erklärten auf der Beratung bzw. schriftlich im Nach- gang, dass durch den Anstau die Randbereiche des Upahler Sees bis in den Juni hinein beeinflusst und damit u. a. die Orchideenbestände z. B. auf der Lenzener Wiese gefährdet würden. Im übrigen war festzustellen, dass die Vorgaben der NSG-Verordnung bei dem Projekt vollkommen unbe- achtet geblieben seien. Eine Seespiegelabsenkung durch die Beregnung würde in keinem Fall den natürlichen Was- serstandsschwankungen entsprechen. Im Ergebnis der Beratung sollte der Projektierungsauftrag auf Grund der Einwände dahingehend geändert werden, dass zunächst eine Studie erarbeitet wird. Dabei sollte ein Vergleich zwi- schen Ökonomie des Beregnungsprojektes und Ausfall von Abb. 97: Die Fachgruppe bei der „Abnahme“ der von A. Kretsch- eingeschränkten Nutzbarkeiten von landwirtschaftlicher mann errichteten Staubauwerke im NSG am 5.5.2001. Foto: J. Loose.

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Ein besonderes Anliegen von Adolf Kretschmann war auch 2003 wurde im NSG auf dem Bohnrath auf Grund der die Sicherung der notwendigen Wasserstände in den Wald- außergewöhnlichen Naturausstattung eine Naturwald- mooren und Bruchwäldern des NSG. Seine angelegten zelle mit einer Größe von 44,8 ha ausgewiesen, die von der Staubauwerke zeigen noch heute ihre Wirkungen. Wenn Abteilung Forstliches Versuchswesen in Schwerin betreut er auch ständig klagte, dass einigen Flächen heute Wasser wird. Erste Auswertungen stehen bisher noch aus. fehlt, liegen die Ursachen dafür weit außerhalb des NSG Leider ist es nicht gelungen, die kleine Kolonie von baum- oder sind teilweise klimatisch bedingt. brütenden Dohlen im Bohnrath zu erhalten. Der Versuch, durch das Anbringen von Dohlen-Nistkästen die wenigen Brutpaare zu stabilisieren, führte nicht zum Erfolg.

Die vorbildliche und intensive Betreuung des NSG durch A. Kretschmann endete im Jahr 2007 aus Alters- und Krankheitsgründen. Die Pflege der Lenzener Orchideen- wiese lief durch Organisation über das StALUMM Rostock weiter. Die Erfassungen der Zahl von blühenden Orchideen erfolgte auch weiterhin durch unsere Botanik-AG.

Abb. 98: Durch A. Kretschmann angestauter Bruchwald – hier am 5.5.2001. Foto: J. Loose.

Zur NSG-Betreuung von A. Kretschmann gehörte auch die Auseinandersetzung mit den Nährstoffeinspülungen insbe- sondere in den Upahler See durch Abwässer aus der Ge- meinde Groß Upahl und aus der Güllebewirtschaftung auf den seenahen Wiesen. Auch aus den angrenzenden Orten Klein Upahl und Lenzen liefen anfangs die häuslichen Ab- wässer völlig ungeklärt in beide Seen. Wenn A. Kretsch- mann hartnäckig an den Problemen dran blieb und auf Ab- stellung drängte, machte er sich selten Freunde. Mit der konsequenten Umsetzung der EU-Wasserrahmen- richtlinie und von geplanten Maßnahmen gemäß FFH- Managementplan ist zu erwarten, dass bald eine durch- schlagende dauerhafte Lösung gefunden wird. Durch den zielstrebigen und umsichtigen Einsatz von A. Kretschmann als Gebietsbetreuer gelang es, nach und nach wichtige Verbesserungen zu erreichen. Abb. 99: Das Fuchssche Knabenkraut auf der Lenzener Wiese blüht In der forstlichen Bewirtschaftung des NSG waren die Nut- später nach dem Breitblättrigem Knabenkraut. Foto: J. Loose. zungsauflagen der Forstwirtschaft auf Grund der guten Vorratsausstattung sehr hoch. Der Nutzungsdruck konnte durch das gute Zusammenwirken zwischen Revierförster A. Kretschmann und mir als zuständigen Oberförster redu- ziert und die Naturausstattung der Buchenwälder gestärkt werden.

Das Gebiet war stark von Kraftfahrzeugen frequentiert. Eine Sperrung des Weges zwischen Groß Upahl und Gar- den für den Fahrzeugverkehr führte zur spürbaren Beruhi- gung im Naturschutzgebiet. Das Seeadlerpaar hat seitdem Diagramm 6: Der Bestand der Breitblättrigen Knabenkräuter auf in wechselnden Horsten mit dazu beigetragen, dass der der Lenzener Wiese wurde fast jährlich durch die Botanik-AG Bestand in Mecklenburg weiter angestiegen ist. erfasst. Ursachen für die Schwankungen sind unbekannt.

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In seinem letzten Jahresbericht von 2007 beklagt Adolf Kretschmann, wie auch schon in Jahren zuvor, dass Stö- rungen verschiedenster Art und Intensität, sowohl als Be- gleiterscheinung zugelassener Nutzungen (Landwirtschaft, Jagd) als auch durch häufigen unbefugten Aufenthalt von Personen abseits der Wege zugenommen und inzwischen zu fast ständiger Unruhe im NSG geführt haben. Ebenso führte er regelmäßig das Problem der Zunahme von Prä- datoren als Ursache für die verringerten Bruterfolge bei Gänse- und Entenvögeln sowie Kranichen an.

Adolf Kretschmann verstarb im September 2015. Es ist zu hoffen, dass es der Naturschutzbehörde möglichst bald ge- lingt, einen entsprechenden Nachfolger für die Betreuung des NSG einzusetzen, damit die bisherige Arbeit kontinu- ierlich weitergeführt werden kann. Wir würden es sehr begrüßen, wenn dieser dann auch den Weg in unsere FG finden würde.

Abb. 100: Innerhalb des NSG von Wald umgeben steht ein alter Wildapfelbaum, der 1937 als Naturdenkmal ausgewiesen und von Adolf Kretschmann besonders gepflegt worden ist. (Dia-Kopie) Foto: A. Kretschmann.

Abb. 101: Blick in die Lenzener Wiese – der Sumpf-Pippau färbt die Wiese im Juni gelb. Foto: A. Martin.

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8.1.4 NSG Zehlendorfer Moor

Angela Martin (NSG-Betreuerin bis 1996)

Schutzgebietsdaten Unterschutzstellung am 1.6.1972 Behandlungsrichtlinie vom – keine – Größe ca. 90 ha in zwei Teilflächen – Nordteil 50,6 ha – Südteil 37,5 ha davon Röhrichte, Riede ~ 78,9 ha Wald, Gebüsch 9,2 ha (nur im Nordteil) Karte 6 Quelle: Kartenportal LUNG

Bedeutung/Schutzziel Einer der nach tiefgreifenden Entwässerungen letzten Teile eines langgestreckten Talmoores in der Augraben-Recknitz- Niederung mit der Zielstellung Revitalisierung des Durchströmungsmoores

– Das NSG ist in kein FFH-/SPA-Gebiet integriert.

Nachdem ich als Studentin das nähere Umfeld von Güst- mich zum Gebiet gelockt. Tatsächlich sah ich nun auch ein row unter Bewunderung des Naturreichtums kennenge- Männchen dieser Art über dem Gebiet gaukeln. Das Glück lernt hatte, begann ich, die etwas weiter entfernten NSG und die Seltenheit dieser Beobachtung konnte ich erst viele aufzusuchen, über die ich im NSG-Buch für die drei Nord- Jahre später so richtig ermessen. In der Fachgruppe und bezirke gelesen hatte. aus älteren Jahresberichten erfuhr ich, dass sich insbeson- 1977 stand ich erstmalig auf dem Zehlendorfer Damm und dere Reinhard Becker um die Ausweisung des Augrabenge- schaute von dort aus in das Gebiet. Selbstverständlich habe bietes als NSG wegen der hier vorkommenden seltenen Vo- ich diesen Weg nicht verlassen, so wie es das Gesetz vor- gelarten bemüht hatte. Ihm schwebte jedoch ein wesentlich gab! Die Angabe zum Vorkommen der Wiesenweihe hatte größeres Gebiet als das ausgewiesene NSG vor.

Abb. 102: Blick auf den Nordteil des NSG mit den Wald- und Gebüschflächen, im Vordergrund verläuft der Zehlendorfer Damm – Luftbild 1999. Foto: Ch. Berg.

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Abb. 103: Beim Brennversuch 1982 blieb das Feuer stecken. Abb. 104: Die erfolgreich abgebrannte Fläche 1984. Foto: A. Martin. Foto: A. Martin.

1979 oder 1980 startete die Jugendgruppe um Kurt Pohl- brüche“. Über diesen Einsatz wird in der TV-Dokumenta- mann eine Exkursion zu diesem NSG. Er war selbst er- tion des DFF von 1982 „Leute vom Kulturbund“ berichtet. staunt, wie grün das Moor jetzt aussah! Er hatte es nur (vgl. Kapitel 5.3) einige Jahre nicht gesehen – die Melioration hatte ganze Dem zweiten großen Problem, der alles erstickenden ge- Arbeit geleistet, auf der Fläche wuchsen viele nicht in ein waltigen Biomasseschicht, konnte in diesem durch Rispen- Moor gehörende Pflanzen. Seggen stark bultigen Gelände mit der in der damaligen LPG vorhandenen Technik nicht mit einer Mahd begegnet In den Jahren 1980/81 begann mein Ringen um dieses Ge- werden. Von dem Meliorationsbetrieb erhielt ich einen biet, ein Kampf gegen Windmühlenflügel. Eine Tatsache Hinweis auf geeignete Mähtechnik, aber einen genannten war für diesen nerven- und kräftezehrenden Kampf ein intakten Grabenhäcksler gab es nicht mehr. großartiges Leitmotiv: Trotz vieler Gegenstimmen kam nur eine Brennaktion in Das Zehlendorfer Moor ist das weit und breit einzige von Betracht. Ein Brennversuch im Februar 1982 erstickte im der Intensivierung ausgenommene Stück in der Augraben- Raureif. Erst am 18.2.1984 gelang eine lange vorbereitete Recknitz-Niederung. Aktion, bei der etwa 10 ha abgebrannt wurden. (Die Melioration wirkte aber auch in diesen Miniabschnitt Weil das Feuer wahrscheinlich zu flach über die Fläche hinein, und das Moor „blutete“ aus.) gegangen war, blieb die dicke Biomasseauflage fast unver- ändert. Zunächst schrieb ich an Herr Dr. Succow. Auf seine pflan- zensoziologischen Untersuchungen in diesem Teil des Au- Meine Bemühungen um eine Nutzung gingen weiter. Der graben-Recknitz-Flusstales basierte teilweise die Unter- Leiter der Abt. Landwirtschaft, Hans-Joachim Volkmann, schutzstellung. Daraufhin bekam ich Antwort von Herrn beim Rat des Kreises, dem auch der Naturschutz unterstellt Dr. Lebrecht Jeschke, der sofort einen Termin mit mir aus- war, äußerte sich zu meinen hartnäckigen Bemühungen machte. Die gemeinsame Begehung erfolgte am 12.3.1981. um dieses Problem-NSG nur dahingehend, dass wir das Das Fazit des Experten lautete: Hauptprobleme für dieses NSG dann eben aufgeben müssten. Moor waren (und sind bis heute) Wassermangel und Bio- masseüberschuss. Während die Vogelwelt in den Jahren bereits auf „Aller- welts-Arten“ geschrumpft war, bot die Pflanzenwelt noch Mit folgenden zwei Aktionen wollten wir den Wasserman- manche Überraschung. 1985 fand ich die Pracht-Nelke gel etwas eindämmen: ( Dianthus superbus) in einigen Trupps auf Rispen-Seggen- FG-Mitglied und Revierförster Adolf Kretschmann war es Bulten. Ein Bestand des seltenen Blauen Tarant (Swertia gelungen, im Südteil des Gebietes mit einem LKT, das war perennis) hielt sich trotz der erdrückenden Konkurrenz von ein Forstschlepper, die Seitengräben zu schließen. Diese Rauhhaar-Weidenröschen, Stechendem Hohlzahn, Kletten- führten nunmehr kein Wasser mehr zum Hauptvorfluter Labkraut u. a. mooruntypischen Arten. Augraben ab. Als Erhaltungsversuch legten Georg Strache und ich 1988 Im darauffolgenden Jahr 1982 verschlossen einige Mitglie- eine ca. 1,5 m x 2 m große Freifläche an, auf der wir Saatgut der der FG in mühsamer Handarbeit die Seitengräben im des sich in der Nähe befindlichen Tarant-Bestandes aus- Nordteil des NSG. Bereits während der Arbeitsstunden brachten. Bis einschließlich 1990 erfassten wir jährlich im sammelte sich recht viel Wasser hinter den Dämmen an. August/September die Blütenstängel. Die Zahl bewegte Diese Erdabdichtungen weichten jedoch schnell wieder sich zwischen 268 und 91. Im Jahr 1991 war nichts mehr zu auf, es gab Sickerstellen und bald auch schon „Damm- finden.

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Einige Suchaktionen mit mehreren Personen in den darauf- folgenden Jahren blieben ohne Erfolg. Der Bestand dieses Enzian-Verwandten war plötzlich zusammengebrochen. Damit war nicht nur einer der wenigen Fundorte dieser Pflanzenart verschwunden, sondern der nordwestliche Vorposten, so dass sich das Verbreitungsgebiet wieder ver- kleinert hatte. Bei einem Abendgespräch während einer Mongolei- Urlaubsreise 1985 kam ich mit dem Rostocker Joachim Matthes auch über das Zehlendorfer Moor ins Gespräch. Da er selbst Meliorationsfachmann ist, wollte er uns bei diesem „meliorativen Problemfall“ unterstützen. Nach ei- ner gemeinsamen Begehung Anfang 1986 fasste Joachim Matthes auf vier Seiten seine „Gedanken zum Zustand des NSG Zehlendorfer Moor“ zusammen. Wir erhielten wieder jede Menge Anregungen. Im Juli 1986 entstand aus einer gemeinsamen Begehung der Moorflächen mit Dr. Lebrecht Jeschke und Joachim Mat- thes ein Protokoll, in dem durch das ILN die Erarbeitung einer Konzeption zur weiteren Entwicklung versprochen wurde. Diese sollte mit den aktuellen Feststellungen zum Gebietszustand und Forderungen dann dem Rat des Bezir- kes Schwerin, Abt. Naturschutz unterbreitet werden. Hier tat sich dann jedoch nichts.

Zwischen 1983 und 1989 besprach ich viele Male in der Abteilung Melioration beim Rat des Kreises, vor allem mit Abb. 105: Blütenstand des Blauen Tarant – Swertia perennis. Gerhard Witt, mögliche meliorative Maßnahmen im Sinne Foto: J. Loose (Foto aus dem NSG Quasliner Moor – 2015). unseres Sorgenkindes „Zehlendorfer Moor.“ Als Grundpro- blem stellte sich stets dar, dass unser Gebiet zweigeteilt ist. in den dann beiden Moorflächen erzeugen könnte. – Doch Die jeweils dem NSG gegenüberliegenden Flächen wurden dann kam die Wende dazwischen, und es war wieder alles intensiv landwirtschaftlich genutzt, so dass am Augraben anders … nördlich des Autobahndurchflusses kein Anstau erfol- gen konnte, ohne die Nutzflächen zu beeinträchtigen. Um Um die Biomasse zu reduzieren, verhandelte ich für die dieses Grundproblem aus der Welt zu schaffen, schwebte Flächen südlich des Zehlendorfer Damms mit der LPG (T) Wolfgang Köhler vor, die dem NSG jenseits des Augrabens . Hier sollte eine Beweidung mit Jungrindern erfol- liegenden Flächen, die sowieso anscheinend brach lagen, gen. Es gab viele Bedenken von Seiten der LPG: Darf man zum NSG dazu zu bekommen. Wenn W. Köhler bei mir im eine Rinderherde auf eine absolut nicht mit Top-Kraftfutter StFB auftauchte, war oft das Moor der Mittelpunkt des Ge- ausgestatteten Fläche treiben? Versinken die Tiere? Was sprächs. Er hatte immer neue Ideen, um den Zustand des fressen sie, und finden sie überhaupt genügend? – Dann Gebietes zu verbessern. endlich waren 1988 doch Jungrinder im Moor‼ Und sie fra- ßen – wer hätte es gedacht! – Schilf! Toll, das Experiment Zu erwähnen ist in diesem Zusammenhang, dass es sich ja war gelungen. Allerdings erfolgte das Abknabbern recht nie um private Parzellen handelte, sondern es stets Flächen selektiv. Die Tiere hatten durch ihren Tritt keine vegeta- eines landwirtschaftlichen (oder forstwirtschaftlichen) Be- tionsfreien Flächen geschaffen, so stark war die Biomas- triebes waren und man damals damit ganz anders als heute seauflage in dem Gebiet. Sie weideten zunächst nur 14 Ta- mit privaten Flächen umgehen konnte (vgl. auch Auswei- ge im Moor. Bei einer Kontrolle durch Mitarbeiter des ILN sung von FND – Pkt. 8.2). Die Flächen jenseits des Augra- wurde eine längere Beweidung als unbedingt notwendig bens gegenüber dem Nordteil des NSG waren Eigentum erachtet. Die ebenfalls eingeladene und anwesende Verant- der LPG (P) Kritzkow. In zahlreichen Gesprächen und auch wortliche der LPG (T) hörte die Forderung aus berufenem einigen Begehungen mit den Landwirten war im Frühjahr Munde. Die Weidenutzung erfolgte dann auch noch etwas 1989 die Sachlage soweit gediehen, dass das NSG hier nach über die Wende hinaus. Die persönliche Verbindung war Westen hätte erweitert werden können. Damit wäre eine gegeben, weil die Mutter unseres FG-Mitgliedes Martin Anstauschwelle im Augraben nördlich neben dem Zehlen- Lemke in der LPG arbeitete und ein Auge drauf hatte, dass dorfer Damm möglich gewesen, die höhere Wasserstände das Experiment weiterlief.

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Abb. 106: Jungrinder auf dem Marsch in die Schilfflächen des südlichen NSG-Teils. Foto: A. Martin.

Abb. 107: Die Kühe fressen selektiv im hohen Schilf und schaffen es nicht ,die Biomasse nachhaltig zurück zu drängen. Foto: A. Martin.

Anfang 1989 wurde eine durch das ILN Greifswald Nach der Wende kam das von der EU geförderte Programm (Dr. Jeschke) erarbeitete Behandlungsrichtlinie für das der „Naturschutzgerechten Grünlandbewirtschaftung“ auf NSG Zehlendorfer Moor an den Rat des Kreises Güstrow die Tagesordnung. Da Fördermittel gezahlt wurden, die die übergeben. Mit Datum vom 03.05.1989 wurde diese als Be- Einschränkungen bei der Bewirtschaftung ausgleichen soll- schlussvorlage bestätigt. Neben der ständigen Erfassung ten, nahmen einige hier jetzt wirtschafteten Landwirte an von Pflanzenarten wurden als Aufgaben und Behandlungs- dem Programm teil. Auch dem NSG angrenzende Flächen grundsätze hiermit die extensive Beweidung der Flächen unterlagen diesem Extensivierungsprogramm. im Süden und auch im Norden vorgegeben.

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Durch das STAUN Rostock konnten 1992 und 1993 auch Fi- nanzmittel zum Einsatz einer Mähraupe bereit gestellt wer- den. Südlich des Zehlendorfer Damms liegende Teilflächen des NSG wurden gemäht. Mit dieser Spezialtechnik konn- ten auch Bulte von Rispen-Seggen gemäht werden. So sah man auch einmal die Moorfläche in ihrer Ebenheit.

Abb. 109: Das Mähgut wurde den Pferden als Futter angeboten. Foto: J. Loose

dass in der Fläche das Wasser fehlte. Um die Wirkungen von extensiver Bewirtschaftung und Mahd beurteilen zu können, wurden in den Jahren 1992, 93 und 95 auf dauer- haft markierten Kontrollflächen im südlichen Moorteil alle vorkommenden Pflanzenarten und deren Deckungsgrad ermittelt. Für diese Untersuchung gab es zwischen mir Abb. 108: Die Mähraupe im Südteil des NSG im Einsatz. als Leiterin der Botanik-AG und dem LAUN (dem heuti- Foto: J. Loose. gen LUNG) jeweils einen jährlichen Werkvertrag. Obwohl für eine belastbare Analyse Erfassungen über eine deut- Für eine nachhaltige Moor-Pflanzenentwicklung hätte die- lich längere Zeit notwendig gewesen wären, gab es ab 1996 se Aktion regelmäßig wiederholt werden müssen. Bei den keine Werkverträge mehr. Unsere Erfassungslisten ver- Begehungen des Gebietes fiel jedoch immer wieder auf, schwanden in Schubladen!

Abb. 110: Bei der Mahd der südlichen NSG-Fläche hat die Mähraupe auch die Bulte der Rispen-Segge entfernt. Foto: J. Loose.

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Nach der Wende kam es zu einem Bruch in den ehrenamtli- chen NSG-Betreuungen. Durch die UNB wurden zunächst dem Umweltministerium eine Liste mit den tätigen Betreu- ern übergeben. Diese erhielten anschließend von dort of- fizielle Betreuungsverträge für ihre NSG. Für die Betreu- ungsaufgaben gab es sogar eine pauschale Aufwandsent- schädigung. Die Zuständigkeit für fachliche Arbeiten in den NSG lag jedoch bei den Staatlichen Ämtern für Um- welt und Natur, zunächst für unser Gebiet beim StAUN Teterow, später beim StAUN Rostock. Die Mitarbeiter aus dem StAUN mussten sich mit den NSG vertraut machen und suchten mitunter die Naturschutz- gebiete ohne Kontaktaufnahme zu den Betreuern auf. Das Abb. 111: Die Mitglieder der Botanik-AG bei der Einrichtung einer irritierte uns Ehrenamtliche erheblich, die wir doch oft Kontrollfläche südöstlichen der Fischtreppe im erwarteten Vernäs- volles Engagement gezeigt hatten und nun plötzlich nicht sungsbereich. Foto: A. Martin mehr gefragt waren. So gingen auch wichtige Entscheidun- gen des StAUN über „mein“ NSG völlig an mir vorbei. Frus- Jahr unterließen wir weitere Untersuchungen. Die floris- triert gab ich Ende 1996 die ehrenamtliche Betreuung des tische Armut enttäuschte sehr – es gab keinerlei Sensati- NSG auf. onen, wir fanden nur Ubiquisten. Die Anstaumaßnahme hatte nicht die erhoffte Wirkung gezeigt. Es ist immer noch Die Fachgruppe, selbst die UNB war nicht beteiligt worden, viel zu wenig Wasser im Gebiet. Bei einer Kontrolle des als im Rahmen eines Bodenordnungsverfahrens der erste Gebietes im November 2015 fanden wir auf der ehemaligen Schritt der Investitionsmaßnahme „Renaturierung Zehlen- Kontrollfläche nur noch ein relativ trockenes eintöniges dorfer Moor“ geplant und umgesetzt wurde. Mit Baube- Sumpf-Seggenried vor. ginn im November 2004 und Fertigstellung im August 2005 wurde die unsererseits lange diskutierte Sohlschwelle im Aus heutiger Sicht haben wir den Eindruck, dass sich nie- Augraben nördlich der Autobahn A 19 als Fischtreppe er- mand mehr für das NSG richtig einsetzt und zuständig richtet. fühlt. Es ist für uns unverständlich, dass aus dem südlichen Planungsträger war der Wasser- und Bodenverband Moorbereich über das Grabensystem noch immer Wasser „ Nebel“, die Projektierung hatte das Ingenieurbüro KULTA abgeführt wird. aus Güstrow übernommen. Obwohl für das Gebiet erhebliche finanzielle Mittel einge- Ergänzend zur Sohlschwelle im Augraben wurde versucht, setzt wurden, erscheint die gesamte Bewirtschaftung der die jeweils dem Augraben angrenzenden Flächen außer- an das NSG angrenzenden Flächen nicht als der Moorer- halb des NSG nach Nutzungsaufgabe zu vernässen. Als haltung und -entwicklung dienend. Da wir als Fachgrup- Entgegenkommen an die Landwirte wurden Fanggräben pe bei den Entwicklungsmaßnahmen für das Zehlendorfer errichtet, die eine weitere Bewirtschaftung der Wiesenflä- Moor nicht mehr beteiligt wurden, können wir nur beur- chen ermöglichen sollten. teilen, was wir vor Ort oder heute mit der Möglichkeit von Google-Earth in Luftbildern erkennen können (vgl. Abb. Dr. Uwe Lenschow (LUNG) regte an, die Wirkung der 112 bis 115). Wasserzuführung anhand soziologischer Aufnahmen zu überprüfen. Am 31.07.2007 richteten wir als Botanik-AG Wir sehen es als erforderlich an, dass grundsätzlich über gemeinsam mit ihm im Südteil des NSG im vermuteten den Augraben ein höherer Wasserstand in die NSG- und Wirkungsbereich der Fischtreppe zwei Kontrollflächen mit die jeweils gegenüberliegenden Flächen wirken müsste. deutlicher Markierung ein (Abb. 111). Dazu wäre der Wasserstand vor der Fischtreppe noch hö- her zu legen und auch nördlich des Zehlendorfer Damms Dr. Christian Berg vom StAUN Rostock bemühte sich pa- eine Sohlaufhöhung im Augraben zu errichten. rallel, das ehrenamtliche Betreuersystem aus DDR-Zeiten Mit den heutigen Möglichkeiten dürfte es kaum Proble- wiederzubeleben. Ende 2007 unterzeichnete ich einen über me bereiten, über Kompensationsleistungen für Eingriffe drei Jahre und Ende 2010 einen über zwei Jahre laufenden in Natur und Landschaft die bewirtschafteten Flächen mit „Betreuungsvertrag“. lediglich einer Größe von 9,7 ha (A) bzw. 5,6 ha (B) – vgl. Abb. 118 – in eine extensive Bewirtschaftung mit deutlich Die Einrichtung der Kontrollflächen und die Pflanzenkar- erhöhten Wasserständen zu überführen. tierung war im ersten Jahr mit viel Aufwand begonnen worden. Die Kontrolluntersuchung ein Jahr später am Offenbar fehlt es hier an den „treibenden“ Kräften beim 29.07.2008 erfolgte mit weniger Elan; im darauffolgenden amtlichen Naturschutz.

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Abb. 112–115: In den Luftbildern sind die Zustände im NSG, die Entwicklung und Nutzung von Flächen in den Jahren 2004, 2008, 2013und 2015 erkennbar. Die 2015 im Rahmen der EU-WRRL realisierte Renaturierung des Spoitgendorfer Baches mit Einleitung in denAugraben nördlich der A19 hat keine Wirkung auf ein zusätzliches Wasserdargebot im Zehlendorfer Moor und diente allein der Herstellung eines durchgängigen Fließgewässers. (Foto-Quelle: Google Earth)

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Abb. 116: Die Fischtreppe im Au- graben nördlich der Autobahn A19 unmittelbar nach der Errichtung 2005. Foto: J. Loose.

Abb. 117: Der Augraben oberhalb und unterhalb der Fischtreppe ist 10 Jahre später bei unterlassener wasserwirtschaftlicher Unterhal- tung völlig zugeschilft. Fischwan- derungen erfolgen hier wohl kaum noch – 12.11.2015. Foto: J. Loose.

Erläuterungen der durch die Fachgruppe empfohlenen Maß- nahmen : Fläche A ( 9,7 ha) – Der Wasserabfluss aus dieser Fläche ist zu unterbinden. Die Fläche ist extensiv wie die hellgrün umrandete zu beweiden. Fläche B ( 5,6 ha) – Durch einen 2.Anstau des Augrabens (als Fischtreppe) unmittelbar nördlich des Zehlendorfer Damms ist die Fläche einer Sukzessionsentwicklung zu überlassen oder extensiv zu beweiden. Der Wasserstand im längs durch die Fläche laufen- den Graben ist ggf. anzuheben. Fläche C (23,8 ha) – Die Fläche ist viel zu trocken. Durch weitere Anhebung des Augrabens über die bereits realisierte Fischtreppe sind in dieser Fläche und dem südlichen Teil des NSG höhere Wasser- stände zu erzeugen. Die Fläche ist extensiv zu beweiden. §-Fläche – Die Fläche ist nach § 20 NatSchAG M-V geschützt. Eine Ver- nässung der Fläche durch Anstau des Augrabens entspräche dem Biotopschutz und wäre nicht ausgleichspflichtig.

Abb. 118: Projekt zur Renaturierung des NSG Zehlendorfer Moor Unsere Forderungen an die Naturschutzbehörde lauten: mit Vorschlägen der FG – braune Linie = bereits im Projekt 2005 Die Flächen A, B und C sowie die mit § gekennzeichne- neu errichteter Wirtschaftsweg. (Foto-Quelle: Google Earth) te Fläche sind in die jetzigen NSG-Flächen einzubeziehen. Ein NSG-Festsetzungsverfahren mit diesen neuen NSG- Grenzen ist kurzfristig einzuleiten. Die extensive Bewirt- schaftung und ggf. Auflassungen von Flächen sind festzu- legen.

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8.1.5 NSG Schlichtes Moor

Angela Martin (NSG-Betreuerin bis 1999)

Schutzgebietsdaten

Einstweilige Sicherung am 18.8.1976 (7,35 ha) Unterschutzstellung 22.3.1982 mit Flächenerweiterung

Behandlungsrichtlinie vom 19.8.1979

Größe 58 ha davon Moorfläche 7,35 ha Wald, Gebüsch ca. 50 ha Karte 7 Quelle: Kartenportal LUNG

Bedeutung/Schutz[iel Erhalt eines nahezu ungestörten Kesselmoores inmitten eines Laubwaldkomplexes

1992 Integration in das EU-Vogelschutzgebiet DE 2239-401 Nebel und Warinsee 2007 Integration in das FFH-Gebiet DE 2239-301 Nebeltal mit Zuflüssen, verbundenen Seen und angrenzenden Wäldern

Einige NSG im Kreis Güstrow hatte ich in den Jahren 1977 und 1978 bereits selbständig nach Angaben aus dem NSG- Handbuch mit dem Fahrrad erkundet. Dieses Moor jedoch wurde mir im Sommer 1979 von Hans-Georg Müller und Kurt Pohlmann gezeigt. Auf Grund seiner versteckten Lage war der Weg dorthin nicht so einfach zu finden.

Man musste einen steilen Abhang hinunter und stand vor einer Randschlenke, die sich zumindest die gesamte Ostsei- te entlang zog und unpassierbar schien. Ein dicker Buchen- stamm lag wie eine Brücke über der Schlenke. Über diesen krochen wir – später auch Gäste! – vorsichtig ins Gebiet. Bereits einige Jahre später zeigte sich, dass unsere Furcht vor der Grundlosigkeit dieser Schlenke fehl am Platz war. Die Bedeutung des Moores hatte unser FG-Mitglied Hans- Abb. 119: Die Krähenbeere ist neuerdings häufiger in den Randflä- Georg Müller entdeckt und sich für die einstweilige Siche- chen im Schlichten Moor zu finden. Foto: J. Loose. rung der reinen Moorfläche einschließlich des Schwar- zen Sees als Naturschutzgebiet durch den Rat des Kreises Dieses Moor bietet an Pflanzenarten alles, was ein solches Güstrow gemeinsam mit der Fachgruppe eingesetzt. Wie Feuchtgebiet in unseren Breiten erwarten lässt. Es wurde zu jener Zeit üblich, erfolgte durch das ILN-Zweigstelle deshalb auch immer wieder Besichtigungsobjekt. Greifswald nach Prüfung die begründete Antragstellung 1982 hatte ich als Forschungsstudent der Pädagogischen zur einstweiligen Sicherung als NSG beim Rat des Bezir- Hochschule im Rahmen des 4. Arbeits- und Exkursions- kes (6.9.1976). Die endgültige Unterschutzstellung durch treffen der Botaniker aus Mecklenburg die Organisation Beschluss des Bezirkstages geschah erst 1982 im Paket mit der Unterkunft und Verpflegung sowie die Führung ins anderen Schutzgebieten. Schlichte Moor als Abschlussexkursion übernommen. Hans-Georg Müller war 1983 auch der erste Gebiets- Damals wurde hier die Blasenbinse Scheuchzeria palustris betreuer. Als er sich aus der FG-Arbeit zurückzog, löste ihn entdeckt, was durch ein Dia belegt ist. 1984 Fritz Holst ab. G. Müller war mehr ein Botaniker als Diese Art ist hier danach nie wieder gefunden worden! – Ornithologe und zunehmend von der Naturschutzpolitik Wir kennen einen heute stabilen Bestand der Art nur noch der DDR enttäuscht. Von 1985 bis 1999 übernahm ich dann aus dem FND Nr. 29 „Torfmoosmoor SO Bolzsee“ (vgl. Pkt. die NSG-Betreuung mit offizieller Berufung. 8.2 und Abb. 154).

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Im gleichen Jahr habe ich Fernseh-Kameraleuten – sie Landschaft, die unsere ungefähr 45 Personen starke Exkur- drehten den Streifen „Leute vom Kulturbund“ – das Moor sionsgruppe durchfuhr. Nach einem längeren Anmarsch vorgestellt, in dem sie auch einige Einstellungen fanden. stürzte sich die Exkursionsgruppe auf die moorartige Randschlenke des Schwarzen Sees, die dem Moor nachge- Anlässlich der IV. Zentralen Botaniker-Tagung der DDR schaltet ist. Meine zum Weitergehen auffordernde Aussage, 1985 in Güstrow wurden drei Exkursionen organisiert, eine dass es doch noch viel besser käme, wurde von vielen mit davon hatte ich ins NSG Schlichtes Moor zu führen. Wäh- einem ungläubigen Gesichtsausdruck quittert. rend der Busfahrt erläuterte ich die Geomorphologie der

Abb. 120: Luftbild vom eigentlichen Schlichten Moor (1999) – Der zunehmende Baumaufwuchs im Südteil des Moores wird deutlich. Foto: Ch. Berg.

Als ganz besondere Pflanzenart ist im Schlichten Moor meter wurden 1984 bis 108 Individuen des Langblättrigen neben dem Rundblättrigen auch der Langblättrigen Son- Sonnentaus ausgezählt. nentau Drosera anglica zu finden. Im August 1985 sandte ich Saatgut von diesen Pflanzen in den Botanischen Gar- Eine Saatgutentnahme fand dann nochmals 1990 statt. Ich ten in Dresden und im September des gleichen Jahres an schickte den Samen nach einem von E. P. Dörfler geknüpf- Frau Spieß in die Biologische Station Serrahn (an dieser ten Kontakt an Hamburger Naturschützer (wir hatten dort Art sollten Experimente durchgeführt werden). In ihrem gleich nach der Wende einen Erfahrungsaustausch) für die Dankesschreiben drückte sie ihr Erstaunen über die Größe Aussaat in Mooren in der Umgebung von Hamburg, wo es des Vorkommens aus, was sie anhand des umfangreichen die Art früher auch einmal gegeben hatte. Kapselmaterials ermessen konnte. Auf einem Quadrat-

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Abb. 121: Der Langblättriger Sonnentau Drosera anglica hat große Bestände im Schlichten Moor. Foto: J. Loose.

Mitte der 1980er Jahren trocknete die Randschlenke aus, Absprache mit dem ILN einen Mini-Torfstich an, um einen und wir gingen bei Kontrollgängen „furchtlos“ an verschie- ähnlichen Effekt zu erzielen. Bereits zwei Jahre später war denen Stellen ins Moor. Die Frage nach einer „heimlichen“ diese kleine Fläche mit Torfmoosen völlig ausgefüllt. Entwässerung kam bei solchen Gelegenheiten immer wie- der auf. Beim Ablaufen des gesamten Randes konnte die- Mitte der 1980er Jahre konnte ich eine Exkursion mit Forst- se Befürchtung allein nach optischer Beurteilung zerstreut lehrlingen der Betriebsberufsschule Klueß ins Moor durch- werden. Als Ursachen für die zunehmende Trockenheit im führen. Die Reaktion der Jugendlichen war erstaunlich. Moor wurden zum einen die „nicht zu fassende“ großräu- Als sie an diesem grauen Novembertag auf der waldfreien mige Melioration und zum anderen viele Jahre mit ungenü- Moorfläche standen, waren sie wohl ein bisschen ergriffen gendem Niederschlag angesehen. und einer sagte: „So was habe ich noch nie gesehen.“ Um der Phase der Verheidung ein bisschen Paroli zu bieten, damit nicht alle an offene Schlenken angewiesene Arten, So ähnlich ging es vermutlich vielen Gästen, die das Moor wie z. B. der Langblättrige Sonnentau als Hauptattraktion, zum ersten Mal sahen und betraten. verschwinden, erhielten wir einen ungewöhnlichen Hin- weis. Als 1982 die Abschlussexkursion des Arbeitstreffens Nach meinem Unfall 1989 kam ich kaum noch ins Gebiet. ins Moor führte, fragte mich Rolf Rehbein, ein Botaniker Zunächst war es die Unmobilität, später auch eine Vielzahl aus Rostock, ob wir nicht eine NVA-Truppe an der Hand anderer Aufgaben. Für die Betreuertätigkeit in diesem NSG hätten. (Er hatte Erfahrungen mit gewagten Pflegeeinsät- war das nicht so erheblich. Im Vergleich zum Zehlendorfer zen.) Sie könnte uns im Gebiet durch eine Sprengung ei- Moor war die Betreuung hier fast ein „Selbstläufer“ – sie ne frische Fläche schaffen. Auf der könnten sich einige der konnte sich auf die reine Erfassung und Dokumentation sehr konkurrenzschwachen Moorpflanzen dann wieder von Wasserständen und Pflanzenentwicklung beschränken. entwickeln. Da wir nicht über diese Möglichkeit verfügten und uns für 1994 bot sich Ausgang des Winters eine „Mitfahrgelegen- das kleine Moor eine solche Maßnahme viel zu rabiat er- heit“. Auf Grund des Niederschlagsreichtums der voran- schien, legten Wolfgang Neubauer und ich im April 1984 in gegangenen Wochen war die Randschlenke gefüllt und

82 50 Jahre Fachgruppe Ornithologie und Naturschutz Güstrow die von Jahr zu Jahr weiter geschrumpfte kleine zentrale henbeere zu verzeichnen. Diese Art hatte im Moor in den Wasserfläche wieder etwas stärker ausgebildet. Der Sumpf- 1980er Jahren nur zwei sehr kleine Bestände. Das Aufkom- Porst-Bestand im randlichen Birkensaum hatte sich ausge- men beider Zwergstraucharten kann als Zeichen einer zu- breitet. Eine enorme Ausdehnung war auch bei der Krä- nehmenden Verheidung von Teilflächen angesehenwerden.

Abb. 122: Blick nach Norden in die ebene baumfreie Fläche des Schlichten Moores. Foto: J. Loose.

Abb. 123: Das Weiße Schnabelried Rhynchospora alba zählt zu Abb. 124: Sumpf-Porst Ledum palustre und Rauschbeere Vaccinium den bei uns nur im schlichten Moor vorkommenden Arten. uliginosum stehen am Rande des Moores. Foto: J. Loose. Foto: J. Loose.

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In den Jahren 1997 und 1999 führte Volkmar Rowinsky den. Pflegemaßnahmen wie die Entnahme der während der (Mitglied unserer Botanik-AG) im Auftrag des StAUN Ros- Trockenphasen aufgewachsenen Birken sind aktuell nicht tock innerhalb des Moores an verschiedenen Stellen Er- sinnvoll und könnten eine aus Naturschutzsicht negative kundungsbohrungen durch. Ich war bei den ersten Boh- Entwicklung sogar verstärken. rungen in diesem Moor dabei. Diese zeigten bereits, dass In anderen Mooren, wo wir mit „Pioniergeist“ die Moor- das Schlichte Moor zu einem der tiefgründigsten in M-V Birken entfernt hatten, mussten wir feststellen, dass im zählt. Im Ergebnis der Untersuchungen stellte V. Rowinsky Folgejahr ungleich mehr neue Birken aufgewachsen waren. fest, dass im Zentrum die Moormächtigkeit bei mehr als Nur bei gleichzeitiger Einflussnahme auf den Wasserhaus- 20 m lag und die Moorbildungsrate 4 mm/Jahr überstieg. halt kann eine Gehölzentnahme sinnvoll sein. ( siehe ROWINSKY, 2013) Da das Schlichte Moor nur vom Regenwasserdargebot ab- hängig und der Wasserstand nicht beeinflussbar ist, sind V. Rowinsky untersuchte im Rahmen dieses Auftrages auch solche Pflegemaßnahmen nicht erfolgreich. nochmals die Thematik, ob es wirklich keine Abflüsse aus 1999 ließ ich mich von meiner NSG-Betreuung ablösen. dem Moor gibt. Durch Höhenvermessungen und teilweise Volkmar Rowinsky sollte als „Moorspezialist“ in dem Ge- kleine Aufgrabungen im Randbereich bestätigte sich, dass biet die Ende der 1990er Jahre gemachten Beobachtungen aus dem Schlichten Moor kein Wasser abfließen kann. Bei fortsetzen und übernahm die Funktion des NSG-Betreuers. dieser extremen Kessellage ist eine Wasserableitung nicht möglich. Trockene Phasen, die letztlich zu einer fortschrei- Die Waldflächen des Naturschutzgebietes wurden in eini- tenden Verheidung führen, sind allerdings nicht nur natür- gen Jahren mitunter auch von Leuten aufgesucht, die nicht lichen Ursprungs (klimatische Einflüsse), sondern werden an der Moorvegetation interessiert waren. Im Umfeld des auch durch die großräumige Melioration infolge Beeinflus- Moores hatte mehrere Jahre ein Paar des Schwarzstorches sung der Grundwasserleiter bewirkt. erfolgreich gebrütet. Die Preisgabe dieses Brutplatzes in Im Gegensatz zu anderen NSG kann beim Schlichten Moor Forstkreisen und gar die geführten Exkursionen bis in keine Verbesserung des Zustandes durch Pflege- und Er- Horstnähe fand nicht bei allen FG-Mitgliedern Zustim- haltungsmaßnahmen erreicht werden. Die weitere Ent- mung. Das Ausbleiben der Horstbesetzung in den jüngeren wicklung der Gehölzbestände kann nur beobachtet wer- Jahren lag jedoch wohl nicht an dieser Bekanntmachung.

Abb. 125: Die zentral im Moor liegende Schlenke enthält von Jahr zu Jahr unterschiedlich viel Wasser, hier ein Foto vom 12.08.2008. Am Rand der Schlenke (hier im Vordergrund des Fotos erkennbar) steht auch das Weiße Schnabelried Rhynchospora alba. Foto: J. Loose

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8.1.6 NSG Gutower Moor und Schöninsel

Manfred Montschko (NSG-Betreuer bis 2006)

Schutzgebietsdaten

Einstweilige Sicherung als „Gutower Moor” mit einer Größe von 130 ha am 07.07.1993

Unterschutzstellung mit VO am 05.01.2000

Größe 360 ha davon Wasser 205 ha Grünfläche 73 ha Karte 8 Quelle: Kartenportal LUNG Ödland 60 ha Holzungen 9 ha Acker 6 ha Verkehrsfläche 3 ha Unland 0,5 ha

Bedeutung/Schutzziel Erhalt und Entwicklung des westlichen Teiles des Inselsees mit angrenzenden Durchströmungsmooren als Lebensraum für zahlreiche Tier- und Pflanzenarten sowie als überregional bedeutsames Rast-, Schlaf- und Nahrungsgewässer für Gänse- und Entenvögel seit 05/2004 zum FFH-Gebiet DE 2239–302 „Inselsee Güstrow“ mit Gesamtfläche von 694 ha gehörend, hier wegen seiner Characeenrasen und Vorkommen von FFH-Arten bedeutsam

Das Naturschutzgebiet blickt auf eine bewegte Entste- Besuch des NSG Zehlendorfer Moor auch eine Gebietsbe- hungsgeschichte zurück, auf die zunächst eingegangen gehung durch Dr. Jeschke und A. Martin. Eine abschließen- wird. de Befürwortung oder ein wissenschaftliches Gutachten Die floristische und faunistische Bedeutung des inzwischen des ILN ist in unseren Unterlagen nicht zu finden. zunehmend aufgelassenen Niederungsbereiches vom west- Zu dieser Zeit existierte in geringer Entfernung zum Gu- lichen Ausläufer des Inselsees bis nach Ganschow wur- tower Moor am Südwestende des Sumpfsee noch eine Flä- de von unserer Fachgruppe, deren Mitglieder zumeist als che mit der gleichen Habitatstruktur wie hier am Inselsee. ehrenamtliche Naturschützer gewirkt haben, bei einer Durch Intensivierung der Nutzung Mitte der 1980er Jah- Vielzahl von Begehungen und Bestandsaufnahmen bereits re wurden die Flächen in der Sumpfseeniederung jedoch in den 1970er Jahren erkannt. Im Jahre 1980 wandte sich hinsichtlich ihrer ökologischen Bedeutung erheblich ent- Adolf Kretschmann im Auftrag der FG mit einem Schrei- wertet (vgl. Kap. 8.3.3). Somit war der weitgehend intakten ben an das ILN in Greifswald und bat um die Erstellung Niederung am Inselsee bei Gutow ein zusätzliches Gewicht eines wissenschaftlichen Gutachtens für eine beabsichtigte als verbliebenes Rückzugsgebiet in diesem Bereich für viele Unterschutzstellung einer Fläche an der Südspitze des In- Arten beizumessen. selsees mit einer Größe von 42 ha. Beigefügt war auch eine Ende des Jahres 1988 gab es Bestrebungen der damals auf Begründung für eine Unterschutzstellung. Mit Schreiben den Flächen wirtschaftenden LPG (P) Zehna, die Niede- vom 16.7.1980 begrüßte das ILN unsere Initiative. Es war rungsflächen einer Wiedernutzbarmachung zuzuführen. zu lesen, dass es bereits aus botanischer Sicht in früheren Dabei wurde auf eine Studie aus den 1960er Jahren zurück- Jahren einen Antrag auf Ausweisung eines Schutzgebietes gegriffen. Am 07.12.1988 gab es mit Vertretern von Land- gegeben hatte, der damals keine Zustimmung beim Rat des wirtschaft, Meliorationsbau, Wasserwirtschaft und Rat des Kreises gefunden hatte. Dr. L. Jeschke betonte, dass auch Kreises sowie unserem FG-Mitglied Angela Martin in ihrer unbedingt wegen der herausragenden Unterwasservege- Funktion als Mitarbeiterin für Landeskultur und Natur- tation Teile des Sees sowie der „Burgwall“ in ein Natur- schutz des Staatlichen Forstwirtschaftsbetriebes eine Bera- schutzgebiet einbezogen werden müssten. Nach diesem tung und Variantendiskussion. Nachfolgend wurden dazu Antwortschreiben gab es dann in Verbindung mit einem schriftliche Stellungnahmen erarbeitet. Die verständlicher-

85 50 Jahre Fachgruppe Ornithologie und Naturschutz Güstrow weise negativ ausgefallene, fachlich fundierte Stellungnah- fasste die Fachgruppe Ornithologie und Naturschutz Güst- me der Naturschutzseite wurde letztendlich vom Rat des row ihre erste Eingabe. Diese wurde mit Schreiben vom Kreises verworfen. Damit war der Weg für die Erarbeitung 29.04.1989 (siehe Anhang 5) wenige Wochen vor den im einer für die Landwirtschaft zielführenden Aufgabenstel- Mai 1989 stattfindenden Kommunalwahlen an das Ministe- lung zur wirtschaftlichen Nutzung der Flächen frei. Auch rium für Land-, Forst- und Nahrungsgüterwirtschaft der wenn für das Jahr 1989 keine Mittel (erwartete Bausumme DDR abgeschickt und war damit eine „Wahleingabe“. Mit ca. 2,0 Mio. Mark) vorhanden waren, konnte sich niemand der Eingabe erwarteten wir „eine entsprechende Unter- sicher sein, dass die Umsetzung des Vorhabens nicht in den stützung in fachlicher Beurteilung der erarbeiteten Aufga- nachfolgenden Jahren doch noch erfolgen könnte. Um we- benstellung bei erforderlicher Wichtung der Natur- nigstens einen Teil der betroffenen Flächen zu retten, ver- schutzaspekte“.

Abb.126: Blick auf das Gutower Moor, im Hintergrund die Ortschaft Gutow und der Sumpfsee. Die Straße L17 durchschneidet das Gebiet – Luftbild von 1999. Foto: Ch. Berg.

Stellvertretend für 36 Mitglieder der FG hatten die Einga- Wende im Herbst 1989 dafür, dass das Vorhaben endgültig be acht Personen unterzeichnet. Im Text war unsererseits in der Versenkung verschwand. betont worden, dass dieser „Eingabe keinerlei private Am- Mit der einhergehenden Neustrukturierung der Verwal- bitionen zu Grunde liegen“. Weiter hieß es: „Wir erheben tungsbehörden und verstärkten Ausweisung von Schutzge- damit Einspruch gegen ein ständiges Zuwiderhandeln ge- bieten wurde das Gebiet auf Grundlage der durch Mitglie- gen die Artenschutzbestimmungen und in dem besonderen der der FG vorgelegten Bestandserhebungen als „Gutower Fall gegen die zu befürchtende Wiedernutzbarmachung Moor“ am 07.Juli 1993 in einer Größe von 130 ha als Natur- des oben genannten Grünlandes durch die LPG (T) Zehna.“ schutzgebiet einstweilig unter Schutz gestellt. Bereits kurz nach dieser Sicherstellung regte die Stadt Güstrow unter Die floristischen und faunistischen Erfassungen in der Nie- Inanspruchnahme ihrer hoheitlichen Planungsrechte die derung und am Gutower See wurden fortgeführt, während Erweiterung des Naturschutzgebietes auch auf den Land- vom angeschriebenen Ministerium ein Zwischenbescheid schaftsteil von Schöninsel an. Im weiteren Unterschutz- einging und beim damaligen Rat des Bezirkes Schwerin zu stellungsverfahren wurde dann mit Verordnung des Um- einer Zusammenkunft (ohne uns als Eingabeschreiber) ein- weltministeriums des Landes Mecklenburg-Vorpommern geladen wurde. Das Thema beschäftigte in den folgenden vom 05.01.2000 das Naturschutzgebiet „Gutower Moor und Wochen und Monaten mehrfach zahlreiche Personen, Be- Schöninsel“ in seiner heutigen Größe von 360 ha festge- triebe und Gremien. Letztendlich sorgte wohl die politische setzt.

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Da ich in direkter Nachbarschaft zum neuen Naturschutz- Bauchige und Schmale Windelschnecke, Keulige Schließ- gebiet aufgewachsen bin und hier in einer Schülerarbeits- mundschnecke und Zweizahn-Schnecke wurden von Fach- gemeinschaft die Grundlage für mein Interesse an Natur experten nachgewiesen und haben als Vertreter der Mol- und insbesondere die Vogelwelt gelegt wurde, übernahm luskenfauna eine große Bedeutung als FFH-Arten. ich von der Phase der Vorbereitung der einstweiligen Un- Bemerkenswerte Wasser- und Uferpflanzen sind Tannen- terschutzstellung an die Betreuung des Naturschutzgebie- wedel, Nadel-Sumpfsimse und Mittleres Nixkraut. Breit- tes und arbeitete intensiv an der Festsetzung mit. In die- und Steifblättriges Knabenkraut kommen in wenigen Ex- ser Zeit entwarf ich ein Faltblatt über das Naturschutzge- emplaren nur noch auf kleinen Pflegeflächen vor. Weiter biet, das ich zu eigenen Lasten für Besucher an geeigneten sind geringe Bestände von Sumpf-Sitter und Sumpf-Blut- Stellen angeboten habe. Während ich die avifaunistischen auge vorhanden. Der Schloßberg auf Schöninsel beher- Erfassungen selbst durchgeführt habe, versuchte ich auch bergt ein stabiles Vorkommen der Stinkenden Nieswurz Spezialisten für andere Artengruppen in das Gebiet zu ho- Helleborus foetidus, der Bruchwald im Süden der Insel den len, um möglichst umfassende Daten zur Artenausstattung Gefleckten Aronstab Arum maculatum. Bei beiden letztge- des NSG zu sammeln. nannten Arten habe ich während meiner Betreuertätigkeit Die Untersuchungen aus dieser Zeit untermauerten weit- jährlich die blühenden Pflanzen ausgezählt. gehend die Gründe, die Anfang der 1990er Jahre zur Unter- schutzstellung des Gebietes geführt haben. Faunistisch ist Ich wirkte an der Organisation und Durchführung von die Bedeutung des Inselsees als Rast- und Nahrungsgewäs- Pflegemaßnahmen z. B. auf den Orchideenwiesen mit. In ser für einheimische und nordische Gänse, Tauchenten und den ersten Jahren hatte ich die Hoffnung, den Bölkower Säger hervorzuheben. Zur Brutzeit sind Beutel- und Bart- Burgwall wieder einer Beweidung möglichst durch eine meise, Drosselrohrsänger, Blaukehlchen, Schlagschwirl, Mischherde aus Schafen, Ziegen und Bullen zuführen zu Wachtelkönig, Schwarzmilan und Rohrdommel anzutref- können. Die Umsetzung scheiterte jedoch immer daran, fen. Als Nahrungsgäste erscheinen u. a. See- und Fischad- dass die ursprüngliche Anbindung des Burgwalles von der ler, Baumfalke, Rotmilan und Kormoran. Sporadisch wer- Landseite über einen Knüppeldamm nicht mehr erkennbar, den Spuren vom Fischotter registriert. geschweige denn nutzbar war.

Abb. 127: Blick auf den Bölkower Burgwall, dahinter der „Schwanenhals“ als Verbindung zwischen Gutower und Inselsee – Luftbild von 1999. Foto: Ch. Berg.

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Anfang der 1990er Jahre habe ich als NSG-Betreuer für den führte zu allgemeinem Unmut, der auch in der Presse eine Neubau der Straße Gutow – Bülow als Ersatzmaßnahme Plattform gefunden hatte. den Einbau von Amphibientunneln und beidseitigen, fest Um die Berechtigung der Anlage nachzuweisen, habe ich installierten Leiteinrichtungen an der Landesstraße L17 mehrfach Kontrollfänge organisiert und durchgeführt. Un- zwischen Gutow und Badendiek im Bereich der Moornie- terstützung fand ich durch Mitarbeiter der RABS mbH und derung angeregt. Realisiert wurden dann auch zwölf Tun- des Fördervereins Region Güstrow e. V. Die Zählergebnisse nel aus verschieden großen Betonelementen mit oben offe- haben die Notwendigkeit der Anlage an dieser Stelle bestä- nen Belüftungsschlitzen (DN 400 und DN 200) und beidsei- tigt. Im Jahresbericht der FG 34/2001 sind Fangergebnisse tig auf einer Länge von je ca. 670 m festinstallierte Leitwän- dargestellt worden: de. Nach damaligen Kenntnisstand waren diese Durch- In der Zeit vom 29.2. bis 09.4.2000 wurden insgesamt 889 lasstypen amphibienökologisch und bautechnisch gute Frösche, Kröten und Molche in Eimern gefangen; vom Planungslösungen. Aber bereits im Juni 1994 zeigte sich, 12.02. bis 11.04.2001 waren es insgesamt 1.228 Tiere. dass die billigeren und weniger stabilen Elemente der Baugröße DN 200 dem intensiven Straßenverkehr auf die- Die Anlage wurde Jahre später noch einmal umgebaut. Die ser Straße und den Stoßbelastungen nicht standhielten. Leitwände mussten instandgesetzt werden, die Anzahl der Drei Tunnel mussten als Gefahrenstellen umgehend mit Tunnel wurde verringert, die nach oben offenen Betonele- Beton zugekippt werden. mente durch Stahlrohre in DN 400 ersetzt. Zuvor habe ich wieder Kontrollfänge (diesmal z. T. sogar Richtungsfänge) organisiert und durchgeführt, um Tunnel dort zu belassen, wo räumlich die Hauptkorridore bei der Amphibienwande- rung zu finden waren.

Während mit der Amphibienleiteinrichtung den Fröschen und Kröten geholfen werden konnte, stellt die quer durch das NSG verlaufende Landesstraße L17 eine erhebliche Zerschneidungslinie mit Wirkungen insbesondere auf die Vogelwelt dar. Häufig sind Verkehrsopfer am Straßenrand zu finden. Gegenüber dem Straßenverkehrsamt haben wir erfolglos bemängelt, dass die anfangs hier angeordnete Verkehrsgeschwindigkeit von maximal 60 km/h wieder aufgehoben wurde und nun alle aus der Ortschaft Gutow Abb. 128: Die offenen Lurchtunnel DN 200 zerbrachen sehr schnell kommenden Fahrzeuge voll bis auf 100 km/h beschleunigen unter der hohen Verkehrsbelastung. Foto: J. Loose können und dies auch tun.

Als NSG-Betreuer und Initiator wurde ich häufig auf die Mit Bewirtschaftern, Jägern, Kommunen und insbesondere Sinnhaftigkeit dieser Anlage angesprochen. Die Straße dem Förderverein Region Güstrow e. V. entstand eine ver- wies an jedem eingebauten Tunnel wegen des elastischen trauensvolle, konstruktive Zusammenarbeit. Durch letzte- Mooruntergrundes immer wieder Absackungen auf. Das ren wurden touristische Einrichtungen auf Schöninsel in- stand gehalten, ein Rundwanderweg mit Sitzgruppen angelegt und am Südufer auf Schöninsel eine Aussichtsplattform errich- tet. Nicht weit von dieser Plattform ent- fernt hatten Mitte der 1980er Jahren unsere damals neu in die Fachgruppe gekomme- nen „Jungs“, Uwe Gehlhar und Remo Wie- chert, eine Baumkanzel errichtet und von hier aus zahlreiche Beobachtungen von Wasservogelansammlungen im Gutower Teil des Inselsees notiert.

Abb. 129: In Anbindung an einen Rundwander- weg befand sich mehrere Jahre lang eine gern genutzte offene Beobachtungsplattform am Südufer von Schöninsel, die durch Brandstiftung verloren ging. Foto: M. Montschko.

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Da es inzwischen keinen Trägerverein mehr gibt, der die Unterhaltung einer neuen Beobachtungsplattform ab- sichern könnte, wurde sie bisher, nach der mutwilligen Zerstörung durch Brand, nicht wieder aufgebaut.

Im Naturschutzgebiet sind zwei große und eine kleine Ba- destelle vorhanden. Die beiden großen Badestellen in Gu- tow und Bölkow wurden im Zeitraum von 2012 bis 2013 im Zusammenhang mit dem Projekt der Stadt Güstrow „Er- lebnisvielfalt Inselee“ mit neuen Bootsanlegern für Rund- fahrten mit einem Kutter ausgestattet. Zudem wurden an diesen Badestellen Biotoiletten errichtet. Während durch die Kutterfahrten keine merklichen Belas- tungen des NSG zu spüren waren, wurden im Bereich von Bölkow Puthof nach 2010 eine Reihe von Ordnungswidrig- Abb. 131: Wiesenmahd mit der Motorsense (13.10.2012) keiten verzeichnet. Foto: B. Meder-Trost. Entgegen den geltenden Rechtsvorschriften (NSG-VO, §19 NatSchAG M-V) errichteten Einwohner zahlreiche neue Bootsstege, ohne dass die zuständige Naturschutzbehörde konsequent dagegen vorging. Ebenso sind Rodungen von Waldflächen bisher ohne Ersatzaufforstung geblieben. Da- durch ist nicht nur das Landschaftsbild in diesem Teil des NSG stark verändert worden, sondern wird auch die Vogel- welt im Uferröhricht erheblich beeinträchtigt.

Abb. 132: Guntram Trost, Mathias Schneider und Harry Jahr tragen das Mähgut an den Rand der Mähfläche (23.11.2013). Foto: B. Meder-Trost.

Abb. 130: Der Bölkower Burgwall ist zunehmend verbuscht – 2005. Foto: J. Loose

Ab 2013 starteten erste Pflegemaßnahmen auf dem Burg- wall. Diese wurden durch unser FG-Mitglied Guntram Trost als Bewohner der Gemeinde Mühl Rosin, zu der der Burgwall gehört, initiiert. In der Gemeinde wirkt ein Ver- ein, der sich den Namen der ehemals auf dem Burgwall ste- henden Burg Bisdede gegeben hat. In der Vereinssatzung ist auch der Schutz der Natur verankert. Vereinsmitglie- der wollen sich künftig auch um die Entwicklung auf dem Burgwall kümmern. Bei den bis 2015 erfolgten acht Ein- sätzen auf der Halbinsel arbeiteten acht bis zwölf Helfer etwa je zur Hälfte FG-Mitglieder und Bürger der Gemeinde Abb. 133: Die Feuchtwiese ist von den Hochstauden befreit. Foto: B. tatkräftig zusammen. Zwei Feuchtwiesen wurden in Hand- Meder-Trost. arbeit wiederholt gemäht, ebenso der Burghügel. Drei Ein- sätze dienten dem Entfernen eines großen Schlehengebü- Im Jahre 2015 wurden zwei Schafe und zwei Ziegen auf den sches auf dem Hügel. Auch auf der ehemaligen Wiesenflä- Burgwall gebracht. Da der Burgwall als Halbinsel nicht che mussten Büsche entfernt werden. von Land aus zu erreichen ist, wurden die Tiere mit einem

89 50 Jahre Fachgruppe Ornithologie und Naturschutz Güstrow aufwendig gefertigten Floß 600 m über das Wasser an- und Die im Zusammenhang mit der Betreuertätigkeit jährlich wieder abgefahren. zu verfassenden Berichte wurden von mir vertragsgemäß Diese Verfahrensweise hatte sich nicht als effizient erwie- an das Umweltministerium und zusätzlich an das zustän- sen. Die wenigen Tiere, die mit großem Aufwand auf die dige Staatliche Amt für Umwelt und Natur gereicht. Sie Halbinsel gebracht werden konnten, zeigten auf der gro- beinhalteten neben Aussagen zu den im Berichtszeitraum ßen Fläche kaum Wirkung. Neue Überlegungen sind für ei- entwickelten Aktivitäten und Ergebnissen hinsichtlich ne effektvolle Beweidung notwendig. Bestandsaufnahmen und Erfassungen auch Einschätzun- gen zum Entwicklungsverlauf des NSG und Informatio- nen über festgestellte Probleme oder Verstöße gegen die Schutzverordnung. Gerade im Bezug auf festgestellte Pro- bleme oder Verstöße konnte ich von Seiten des Staatlichen Amtes oftmals keine Aktivitäten zur Behebung der ange- sprochenen Punkte erkennen. Als Beispiel sei hier die über Jahre hinweg immer wieder in den Berichten angesproche- ne Situation der Bootsliegeplätze im Bereich der Badestel- le Bölkow genannt, die sich zum Großteil ungeordnet im schmalen Bruchwaldsaum östlich der Badestelle befanden. Ob da überhaupt etwas – und wenn ja, was – im Hinter- grund zur Behebung dieses Zustandes gelaufen ist, entzieht sich meiner Kenntnis. Abb. 134: Zickentransport mit dem Floß zum Burgwall. Der Informationsfluss zwischen Betreuer und dem STAUN Foto: B. Meder-Trost verlief überwiegend in nur eine Richtung. Daran änderten auch die jährlich einmal stattfindenden Treffen der NSG- Die Botanikergruppe beging das Gebiet 2014 und will dies Betreuer in den Räumen des STAUN nichts. Ich fühlte mich kontinuierlich fortsetzen, um Fortschritte in der Pflanzen- mit den Problemen allein gelassen – wie der einsame Rufer entwicklung durch Pflegeeinsätze zu dokumentieren. Eine in der Wüste. Eine solche Art von Zusammenarbeit emp- Begutachtung der Flächen durch Ilse Cöster von der Bo- fand ich als wenig zielführend, sie war für mich auf Dauer tanik-AG, die den Bereich aus früheren Zeiten gut kennt, deprimierend. brachte wichtige Erkenntnisse über ehemalige Standorte So habe ich dann die zeitweise mit dem Umweltministeri- besonderer Pflanzenarten. um vertraglich gebundene Betreuung des NSG zum Ende Die neu angelaufenen Pflegemaßnahmen wurden zuvor bei des Jahres 2006 abgegeben. Seitdem unterliegt das Natur- Exkursionen auf die Halbinsel von dem für die NSG zu- schutzgebiet keiner kontinuierlich planmäßigen Betreu- ständigen Mitarbeiter der UNB und dem StALU MM für ung mehr. Erfassungen erfolgen weitgehend nur noch spo- gut befunden und abgestimmt. radisch. Die planmäßigen Wasservogelzählungen, die ich bereits seit vielen Jahren am Inselsee durchgeführt habe, Während meiner Betreuertätigkeit hingegen habe ich eine werden jedoch von mir fortgesetzt. Unterstützung der Naturschutzbehörden – für die NSG war bis 2011 das STAUN Rostock zuständig – oftmals vermisst.

Foto 135: Blick vom Burghügel auf die verbuschte Feuchtwiese. Die Rückdrängung der Grau-Weide steht noch aus. 13.10.2012) Foto: B. Meder-Trost.

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8.1.7 Aktivitäten in anderen NSG

Joachim Loose

Ohne dass aus unserer Fachgruppe NSG-Betreuer wie in den vorgenannten NSG tätig waren, gab es doch eine Reihe von Aktivitäten in weiteren Naturschutzgebieten, mit denen sich einzelne Mitglieder der FG insbesondere gegen- über dem Rat des Kreises für die Sicherung von Gebieten eingebracht hatten. Über einiges, was nicht vergessen wer- den sollte, wird nachfolgend berichtet.

NSG Nebel (1) Ornithologisch interessant war und ist der Flusslauf der Nebel durch Brutvorkommen von Eisvogel und Gebirgs- stelze und im Winter als Rastgebiet von Wasseramseln. Die Qualität des Gewässers in ichthyofaunistischer Sicht wurde uns frühzeitig an einem FG-Abend durch den Leiter der AG Heimische Wildfische, Nils Hamann, erläutert. Mit 28 in der Nebel vorkommenden Fischarten gab es regional und im Ländervergleich, selbst im nördlichen Mitteleuro- pa keine ähnlich artenreichen Fließgewässer. Wir erfuhren auch von dem bedeutsamen Bestand der Kleine Flussmu- schel Unio crassus und den hier bereits 1982 in großer Zahl festgestellten Arten von Eintags- (18) und Steinfliegen (7), von denen einige Arten in der Nebel ihren einzigen Nach- weisort in der DDR hatten. Bereits ab 1987 bemühten sich die Biologische Station Serrahn (Dr. Spieß) und das ILN, Arbeitsgruppe Greifswald (Dr. Klafs) um eine einstweili- Karte 9: Lage der weiterhin beschriebenen NSG (1)–(4) ge Sicherung des Nebelabschnitts zwischen dem Krakower (Quelle: Kartenportal LUNG) See und damals noch der F 103 bei Klueß als Naturschutz- gebiet. Nach der einstweiligen Sicherung der Nebel am 5.4.1989 als Der Leiter unserer Fachgruppe und KNB W. Neubauer be- NSG, damals noch in Grenzen relativ nah zum Flusslauf mit richtete 1988 in einer Artikelserie der Schweriner Volks- einer Größe von ca. 90 ha, bemühte sich J. Loose in seiner zeitung über die faunistische Bedeutung des Flusslaufes. neuen Funktion als Amtsleiter Naturschutz um eine Fisch- Zur Sicherung der Wasserqualität in der Nebel stellte Neu- aufstiegshilfe am Wehr Kölln. Hier stürzte das Wasser über bauer dabei öffentlich fest, dass von vielen Betrieben noch eine Höhe von 1,80 m hinab, für Fische aus dem Unterlauf erhebliche Anstrengungen unternommen werden müssen. ein unüberwindbares Hindernis. Zu jener Zeit war nicht Gefordert waren besonders die angrenzenden Landwirt- daran zu denken, dass einmal dieses große Wasserbauwerk schaftsbetriebe der Tier- und Pflanzenproduktion, die Bin- jemals zurück gebaut werden könnte. Auf einer Länge von nenfischerei und auch Gemeinden mit unzureichender Ab- ca. 40 m wurde ein Gerinne aus Betonteilen errichtet, das wasserbehandlung. mit großen und kleinen Feldsteinen ausgelegt war. Als die Zu jener Zeit sollte die Forellenzucht bei Kuchelmiß aus- erste Umweltministerin von M-V Dr. Petra Uhlmann im gebaut werden. Notwendige Wasserableitungen aus der Oberlauf der zu einer symbolischen Einweihung Nebel zu diesen Anlagen und Wiedereinleitungen des mit einer Fischtreppe einlud (hier hatte man nur einige Holz- Futterresten und Pharmastoffen belasteten Wassers in die tröge ohne wirkliche Funktionalität symbolhaft installiert), Nebel waren Gründe für uns Naturschützer, sich vehe- war der ohne Presse errichtete Fischbypass bei Kölln be- ment gegen diese Ausbauabsicht zu stellen. Zur Sicherung reits in Betrieb. Auch ohne Appell der Ministerin hatten der Wasserqualität liegen von 1988/89 zahlreiche Proto- wir erkannt, dass unsere Flüsse und Bäche für wandernde kolle über Begehungen bei Landwirtschaftsbetrieben vor, Tierarten wieder durchlässig gemacht werden müssen. in denen die Leiter der Betriebe sowohl von N. Hamann Nach einer Optimierung der Steinpackungen im Gerinne (AG Heimische Wildfische) als auch durch W. Neubauer Kölln wurden von Januar 1994 bis Juni 1995 Probefänge und A. Martin auf Missstände aufmerksam gemacht und oberhalb der Fischtreppe durch unser FG-Mitglied Guntram Vorschläge zur Beseitigung unterbreitet wurden. Trost im Rahmen eines Projektes des Bundesministerium

91 50 Jahre Fachgruppe Ornithologie und Naturschutz Güstrow für Forschung und Technologie durchgeführt. Die anfangs G. Trost fasste die Effizienzuntersuchungen im FG-Jahres- von einigen Experten geäußerte Skepsis zur Wirksamkeit bericht Nr. 28/1995 zusammen. des kleinen Bypasses bei Kölln konnte mit den Ergebnissen – Für zehn Jahre dürften die knapp 20.000 DM Baukosten der Probefänge zerstreut werden. Es wurde die Funktions- gut angelegtes Naturschutz-Geld gewesen sein. Der in- fähigkeit durch den registrierten Aufstieg von 166 Bachfo- zwischen durchgeführte komplette Rückbau des Stau- rellen und elf anderen Fischarten in beträchtlichen Zahlen bauwerkes hat einen ungleich höheren Nutzen gebracht, belegt. dafür aber auch eine ganze Menge mehr gekostet.

Abb. 137: Ein Wanderweg führte über den Bypass zur Mühle Kölln. Foto: J. Loose.

Seit der Unterschutzstellung der Nebel war mehrere Jahre unser FG-Mitglied Wolfgang Köhler als Betreuer des NSG mit Vertrag des Umweltministeriums tätig. Schwerpunkt der Betreuung war die Überwachung des Fischottervor- kommens und die Pflege der Wälder beidseits der Ufer. We- Abb. 136: Von 1991 bis 2000 wirksamer Fischbypass an der Nebel gen mangelnder Informationen und Zusammenarbeit mit am ehemaligen Wehr Kölln (hier bei Niedrigwasser). Foto: J. Loose. den Behörden hatte auch er die Betreuung beendet.

NSG Cossensee (2) Ende der 1980er Jahre suchten Landwirtschaftbetriebe und Am 28.2.1990 endlich trafen sich Vertreter des Rates des ACZ überall nach der Möglichkeit, Niedermoortorf und Kreises, der verschiedenen Landwirtschaftsbetriebe und Seeschlamm als Dünger abzubauen. Beim Rat des Kreises der Naturschutzseite (Dr. Jeschke, Dr. Naake, Dr. Holst, Dr. hatten mehrere „Praxismodell“-Beratungen zu möglichen Neubauer). Gewinnungsorten stattgefunden. Es wurde auch vor gro- Für die Seeschlammgewinnung am Cossensee hatte man ßen Gewässern nicht halt gemacht. Untersuchungen erga- bereits 1989 einen breiten Erddamm angelegt und inzwi- ben, dass auch der Cossensee für den Abbau geeignete, er- schen schon mit dem Abbau an dem ca. Eine-Millionen- giebige Lager aufwies. Mark-Projekt begonnen. Dieses Projekt sollte nun auf For- Mit Schreiben vom 14.12.1988 hatte sich W. Neubauer in derung des Naturschutzes beendet werden. – Der gesamte seiner Funktion als Kreisnaturschutzbeauftragter an den Investionsaufwand war mit 2,5 Mio. Mark eingeplant und Gen. Volkmann als Stellvertreter des Vorsitzenden des Ra- bezog den Karower See und den Möllener See mit ein! – tes des Kreises Güstrow gewandt und auf die Bedeutung Vonseiten der Landwirtschaft verwies man darauf, dass des Cossensee sowie die nachteiligen Folgen bei einer See- man mit dem Einsatz von 150 m3/ha Seeschlamm große schlammgewinnung hingewiesen. Er stellte heraus, dass Mengen von Mineraldünger einsparen könne: Stickstoff die Mitarbeiter des Rates nach seiner Meinung für eine 0,9 dt/ha, Phosphor 0,4 dt/ha, Kali 0,2 dt/ha, Magnesium sachgerechte Entscheidung überfordert seien und für das 0,8 dt/ha und Kalk 28 dt/ha. Im Übrigen seien bereits erheb- Abschätzen der Folgen einer so tiefgreifenden Verände- liche Investitionen eingesetzt worden. rung dieses Landschaftselementes nicht sachkundig ge- Dr. Jeschke betonte auf der Beratung, dass der Cossensee macht wurden. Er bat um Unterstützung und forderte eine keineswegs krank sei und nicht saniert werden müsse, weil erneute Beratung ein. man seitens der „Abbauer“ auch immer wieder gern von

92 50 Jahre Fachgruppe Ornithologie und Naturschutz Güstrow

Abb. 138: Der Cossensee 2002 – im Norden von der L 11 aus gehend Abb.139: Der Cossensee 2013 – Quelle: Kartenportal LUNG die Schneise zur begonnenen Abbaufläche mit dem ersten Anschnitt (rote Pfeile) – Quelle: Kartenportal LUNG

„Seensanierung“ sprach. Zukünftig hätten Fragen des (40 % CaCO3) würde sich der bisherige Seetyp total ändern. Natur- und Umweltschutzes eine neue Wertigkeit. Für Es würde die gesamte Unterwasserlebewelt, insbesondere Maßnahmen wie Seeschlammgewinnung oder Seensanie- der wertvolle Armleuchteralgen (Characeen)-Bestand ver- rungen müssten Umweltverträglichkeitsprüfungen vorge- nichtet werden. nommen werden. Zu den weiteren unmittelbar folgenden Entscheidungen Ein Vorgriff auf das neue Recht in der Bundesrepublik – liegen uns keine Protokolle mehr vor. Aus den Unterlagen aber noch hatte der Rat des Kreises das Sagen. So been- von W. Neubauer ist jedoch ersichtlich, dass man wohl mit dete Gen. Volkmann auch diese Beratungsrunde mit der den vorgenannten Forderungen das Vorhaben (vermutlich Festlegung, dass man bis zum 16.03.1990 in einer Arbeits- wegen der nun entstandenen Unwirtschaftlichkeit) noch gruppe schriftliche Kompromisslösungen im Fall Cossen- hatte kippen können. see erarbeiten und sich am 6.4.1990 erneut treffen wolle, Zum Glück für den Cossensee kam die politische Wende um darüber zu entscheiden. Eine vom Naturschutz erar- noch rechtzeitig, und der See mit seinem Umland konnte beitete begründete Kompromisslösung enthielt die Forde- in seiner heutigen Qualität erhalten und als Naturschutz- rungen, den gesamten Röhrichtgürtel aus den vorgesehe- gebiet ausgewiesen werden. Fast bis zum Ende des Jahrtau- nen Flächen zur Seeschlammgewinnung herauszunehmen sends lagen die von dem Bagger benutzten Pontons noch sowie die Ränder der entschlammten Flächen mit solchen am Waldrand zum NSG. Böschungen zu versehen, dass die Ansiedlung von Schilf möglich wird. – Das war ein wirklich „fauler Kompromiss“, Mit dem NSG hatte sich dann anfangs insbesondere unser wie viele andere zu DDR-Zeiten, wo die Wirtschaftlich- FG-Mitglied K.-H. Koop beschäftigt, ohne dass er jedoch keit Vorrang hatte. Bei einer Entnahme der bis zu 10 m auch eine intensivere Betreuertätigkeit übernahm. mächtigen stark kalkhaltigen Seeschlammablagerungen

NSG Ahrenshäger See (3) Im Gefolge des kurz vor der politischen Wende durch die begründeten Antrag auf einstweilige Sicherung des Sees letzte DDR-Regierung auf Initiative von Prof. Michael einschließlich seines Umfeldes als Naturschutzgebiet. Als Succow beschlossenen Nationalparkprogramms wurden Unterschutzstellungsgrund wurden unsererseits der sehr durch den Bezirksbeauftragten mit Beschluss vom 1.10.1990 seltene Seentyp, die sehr gute Wasserqualität des Gewäs- auch eine ganze Reihe von neuen NSG im Bezirk Schwerin sers sowie die im See und an dessen Ufern und in einem ausgewiesen. Für den Ahrenshäger See (auch Brinksee ge- kleinen Randmoor vorkommenden seltenen Pflanzenarten nannt) gab es zuvor eine einstweilige Sicherung als NSG vorgetragen. Der Antrag wurde am 4.4.1990 durch Hannes durch den Rat des Kreises Güstrow. Nach Diskussion in Wrobel, der gerade erst „Chef“ der neuen Umweltbehör- unserer Fachgruppe stellte Wolfgang Neubauer mit Schrei- de im Kreis Güstrow geworden war, dem Rat des Kreises ben vom 10.2.1990 an den Rat des Bezirkes Schwerin den vorgetragen und mit Beschluss Nr. 14 bestätigt. Die Zeit

93 50 Jahre Fachgruppe Ornithologie und Naturschutz Güstrow für Naturschutzbeschlüsse war beim Kreis zu jener Zeit ge- nauso günstig, wie später in der scheidenden DDR beim Beschluss des Nationalparkprogramms. Als Besonderheit ist anzumerken, dass nach der Auswei- sung des NSG durch die Festlegung des Bezirksbeauftrag- ten von 1990 bis heute keine weiteren Schritte zur Erstel- lung einer NSG-VO erfolgt sind. Die mit der einstweiligen Sicherung durch uns erstellte Behandlungsrichtlinie dürfte u. E. keine Rechtskraft mehr haben, so dass für das Gebiet eigentlich dringend Handlungsbedarf bei der zuständigen Naturschutzbehörde besteht. Die Botanik-AG erfasste in größeren Abständen die Ve- getation im Randmoor und Seeufer. Hier befindet sich ein Abb. 140: Blick von der Straße auf den Ahrenshäger See. Standort der seltenen Binsen-Schneide (Cladium mariscus). Foto: J. Loose.

NSG Bockhorst (4) Vor der Wende gehörte das Gelände des heutigen NSG zum Vegetation als unbedingt notwendig ein. Bis zum heutigen Schießplatz und Panzerübungsgelände der Sowjetarmee. Tag hat sich allerdings leider auf den Magerrasenflächen Es bestand somit kein Zutritt in dieses Gebiet. Durch die nichts getan. Eine vom StAUN Rostock initiierte Bewei- militärische Sperrung und fehlende intensive landwirt- dung der zunehmend verbuschenden Niederungsflächen schaftliche Nutzung blieben diese Flächen nährstoffarmes mit Heckrindern über einen privaten Landwirt war als Offenland. vorrangig angesehen worden. Sie lief auf Grund entste- Nach dem Abzug der sowjetischen Truppen erkundeten hender administrativer Probleme nur wenige Jahre. Die FG-Mitglieder das Neuland. Botaniker erfassten einige flo- hohen Kosten für die Errichtung der aufwendigen Zaun- ristische Besonderheiten, die den vornehmlichen Grund anlage waren damit weitgehend in den Sand gesetzt. – Aus für eine Unterschutzstellung als NSG Ende 1994 bildeten. unseren ehrenamtlichen Reihen fand sich niemand für die Auf den nordöstlichen Hügeln befanden sich neben vielen Betreuertätigkeit des NSG. Allein unsere Botanik-AG war anderen bemerkenswerten Pflanzenarten der Sandmager- in größeren Abständen im Gebiet und machte regelmäßig rasen auch Bestände von Wiesen-Kuhschellen. Ohne Pfle- auf die immer dringender werdende Pflegenotwenigkeit geeingriffe bestand die Gefahr, dass diese Arten über kurz bei der zuständige Stelle aufmerksam. Es wäre auch an oder lang verschwinden würden. Bereits 1991 hatte unser der Zeit, einige der in den 1990er Jahren hauptamtlich für FG-Mitglied Volker Thiele die Schmetterlingsfauna auf den den Pflege- und Entwicklungsplan des NSG angefertigten damals noch intakten Magerrasen in drei Exkursionen An- Erfassungen zu aktualisieren. Schließlich gehört das NSG fang Juni und August erfasst. Mitsamt der gesammelten Bockhorst mit der Nr. DE 2139-301 zu den ausgewiesenen Raupen waren es 33 Arten. FFH-Gebieten, für die das Land M-V eine Berichtspflicht Das Gebiet galt als munitionsbelastet, so dass Gespräche gegenüber der EU hat. mit potentiellen Nutzern stets an diesem Umstand scheiter- ten. Staatliche Stellen konnten offiziell kein Risiko einge- hen. Anders die ehrenamtliche Seite. Reinhard Becker von unserer Fachgruppe war sofort für die so dringend not- wendige Mahd ansprechbar. Er hatte keine Bedenken vor eventuell auf der Fläche liegenden Blindgängern. An die notwendige Kleintechnik kam er durch gute Beziehung zu seinem früheren Betrieb (VEB Agrotechnik) heran. Mitte der 1990er Jahre unternahm er mit Angela Martin zunächst eine Geländebesichtigung, um die Flächen nach Pflege- bedürftigkeit einzustufen. Die ersten Runden mit dem RS 09 bewerkstelligte R. Becker ohne Vorkommnisse. Um Er- laubnis wurde nicht gefragt. Dann gab es Schwierigkeiten mit der Technik, die überwindbar waren. Das Projekt blieb jedoch leider durch den frühen Tod von R. Becker in den Anfängen stecken. Es fand sich wie so oft kein Ersatz. Wie- Abb. 141: Der nordöstliche Teil des NSG stellt sich als Magerrasenflä- derholt forderten wir eine Pflege bei den Mitarbeitern des che dar und bedarf zumindest auf den östlichen Hängen einer Pfle- Staatlichen Amtes in Rostock zum Erhalt der wertvollen gebewirtschaftung, damit er nicht verbuscht. (Quelle: Google Earth).

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8.2 Gebietsausweisungen und Betreuung – Flächennaturdenkmale (FND)

In vorliegender Zusammenstellung der Leistungen unserer ihrer Schutzwürdigkeit. Weitere Flächen kamen dazu, die FG-Mitglieder darf auch dieses Kapitel nicht fehlen, wenn- bei Erkundungsfahrten außerhalb der Dienstzeiten per gleich die Sicherung von Flächennaturdenkmalen mit der Fahrrad als schutzwürdig aufgefallen waren. hauptamtlichen Tätigkeit von Angela Martin ab 1983 als Für die geplante Unterschutzstellung bereiteten die Eigen- Mitarbeiterin für Landeskultur/Naturschutz im StFB eng tumsverhältnisse überhaupt keine Probleme. Fast alle Flä- verbunden war. chen waren „staatlich“, es gab nur die Unterscheidung, ob Die Initiative für die Unterschutzstellungen ging dabei die Forst- oder Landwirtschaft oder Kommunen die Flä- allein von ihr aus. An ihrer Arbeitsstätte ließ man ihr von chen in ihrem Wirtschaftsbereich führten. Anfang an freie Wahl über das Ausfüllen ihres Aufgaben- Mit den Rechtsträgern, die oft kein Interesse an den „nutz- feldes, d. h. es gab keinerlei direkte Aufgabenstellungen. losen“ Flächen hatten, musste über notwendige Pflegemaß- Bereits seit dem Inkrafttreten der Ersten Durchführungs- nahmen verhandelt werden, was nicht immer zu unserer verordnung vom 14.Mai 1970 zum Landeskulturgesetz der vollen Zufriedenheit ausfiel. DDR gab es die Möglichkeit, auch kleine wertvolle Gebiete als Flächennaturdenkmale auszuweisen. Die Größenvorgabe für FND beschränkte sich nach der Die Intensivierung in der Landwirtschaft war Ende der 1. Durchführungsbestimmung zum Landeskulturgesetz der 1970er Jahre inzwischen so weit vorangeschritten, dass DDR auf maximal 3 ha (ab 1985 bis 5 ha). Bei der Flächen- halbnatürliche (also ursprünglich vom Menschen geschaf- auswahl für unseren Kreis Güstrow behandelte man das fene) Standorte mit ihrer ganz typischen Pflanzen- und sehr „leger“. So hatte das Range Moor z. B. sogar 39 ha. Tierwelt nur noch in verschwindend kleinem Umfang Zunächst wurden dem Rat des Kreises 30 Flächen in einer vorhanden waren. Da das weitmaschige Netz von NSG in nach heutiger Sicht einfachen Auflistung zur Unterschutz- vielen Fällen nicht ausreichte, um ein möglichst breites stellung vorgeschlagen. Artenspektrum zu erhalten, musste auch bei uns dringend Als mit Ratsbeschluss Nr. 17 vom 25.7.1984 die einstweilige ein engeres Netz kleinerer Schutzgebiete ergänzt werden. Sicherung als FND erfolgte, war damals für Angela Martin eine aus ihrer Perspektive „schier endlose Geschichte“ zum Angela Martin berichtet selbst über diese Zeit: Abschluss gebracht worden. Aus heutiger Sicht verlief dieser Prozess aber überraschend schnell und ließe sich in Mir wurde ziemlich schnell ein „Makel“ in der Naturschutz- dieser Art jetzt nicht mehr umsetzen. arbeit des Kreises bewusst: Auf dem Territorium des Kreises befand sich kein einziges Unabhängig von dem eingereichten Antrag „sammelte“ Flächennaturdenkmal (FND). Angela Martin weiter kleine interessante und schutz- Die kleine und – wie sich später herausstellte – bedeu- würdige Flächen für eine spätere Unterschutzstellung. Es tendste Flachmoorfläche „Bornbruch“ wurde vom KNB bestand die Gefahr, dass Landwirtschaftsbetriebe auch zwar als FND geführt, hatte aber diesen Schutzstatus nicht Rest- und Splitterflächen in eine intensive Nutzung über- offiziell. führen könnten. Andererseits unterlagen Flächen einer Als eine meiner ersten Aufgaben stellte ich potentielle Sukzession und verloren ihren Wert für den Naturhaus- FND zu einer Übersicht zusammen. halt. Hier galt es gegenzusteuern. In der zunehmenden Den Anfang bildeten diejenigen Flächen, die bereits als in- Verarmung unserer Landschaft durch immer intensive- offizielle FND geführt wurden. Das waren zwei Flächen bei re Nutzung („Vernutzung“‼) erfüllten gerade solche Flä- Krakow am See und die Fläche des gelöschten NSG „Bin- chen die Funktion von Rückzugsgebieten. In Naturschutz- nendünen an der Recknitz“ bei Laage. Weiterhin erhielt ich kreisen wurde immer stärker darüber debattiert, dass vie- zufällig Unterstützung durch die Botaniker Mecklenburgs, le bedrohte Pflanzen- und Tierarten mit einem NSG-Netz deren drittes Exkursions- und Arbeitstreffen 1982 in Güst- nicht ausreichend geschützt werden können. Aus diesem row stattfand. Dabei trugen sie eine große Menge an Fund- Grunde waren kleine Schutzflächen außerhalb von NSG orten zusammen und hatten auch einige Flächen mit hoher notwendig. botanischer Bedeutsamkeit entdeckt, die als FND gesichert Mit Ratsbeschluss Nr. 65 vom 10.Juni 1987 wurden in werden sollten. ähnlich einfacher Weise schließlich weitere 15 kleine Einen Großteil der potentiellen FND bildeten jedoch Torf- Flächen einstweilig als Flächennaturdenkmal unter Schutz moosmoore und Brüche, die im Bereich des Forstbetrie- gestellt. bes lagen. Sie wurden zunächst nach der Standortsform Mit den nunmehr 45 Flächen waren wichtige Standorte aus dem Wirtschaftsbuch herausgesucht. Danach fuhr ich geschützter Pflanzen und selten gewordener Pflanzenge- mit dem Fahrrad zu den Flächen und überzeugte mich von sellschaften gesichert worden. Sozusagen als „Trittsteine“

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lagen die FND in unserem Kreis verteilt, konzentrierten Zum anderen wurde ein eisenhaltiger Quellbereich eines sich entsprechend der reicheren Naturraumausstattung im Nebenbachs zum Teuchelbach bei Bellin unter Schutz ge- Süden des Kreises (siehe Karte 10 und Tabelle 3). stellt, der in seiner Erscheinung als „Quelltopf“ für unseren Die allgemein gefährdetsten Biotope nahmen den größ- Bereich eine sehr seltene Erscheinung ist. ten Teil der Fläche ein. Bei den Mooren und Brüchen (28), Es war uns klar, dass die Sicherung der Flächen nur ein überwiegend in Waldlagen, konzentrierte sich das Schutz- erster Schritt zur Erhaltung der Artenvielfalt war. Einige anliegen auf die Erhaltung des gesamten Lebensraumes Flächen, wie u. a. die Orchideen- und Trollblumenwiesen Moor mit all seinen Bedeutungen im Naturhaushalt. Da- oder die Kuhschellenstandorte, bedurften regelmäßiger zu gehörte auch deren avifaunistische Relevanz z. B. als Pflege durch eine Mahd. Ebenso waren andere Gebiete, Kranich-Brutplatz (damals vor dem Bestandsanstieg noch wie Feuchtwiesen und Magerrasenflächen vor einer Ver- wichtiger als heute), Lebensraum für den Waldwasserläu- buschung zu bewahren. Es musste also gelingen, durch fer und potenziell auch als Revier für den Schwarzstorch ein Management langfristig die Bedeutung der Flächen zu und Schreiadler. sichern. Feuchtwiesen (6), die auf Flachmoorböden vor den durch- greifenden Meliorationsmaßnahmen überall großflächig Zu DDR-Zeiten war die einstweilige Sicherung von Schutz- vorhanden waren, bargen früher eine Fülle geschützter gebieten auch über längere Zeiträume gängige Praxis. Nach bestandsgefährdeter und vom Aussterben bedrohter Pflan- der Wende fiel es erst der neuen Naturschutzbehörde wie- zenarten. der auf, dass auch diese FND seinerzeit nur dem einstweili- Den Wiesenorchideen galt das besondere Augenmerk. gen Schutz unterstellt worden waren. Mit Beschluss Nr. 15 Breit- und Steifblättriges Knabenkraut wurden in ihren vom 23.10.1990 des Kreistages Güstrow erfolgte umgehend größten Vorkommen gesichert. Auch bei geringer Aus- die endgültige Unterschutzstellung der 45 Gebiete als Flä- dehnung diese Restflächen hatten z. B. die Feuchtwiese am chennaturdenkmale. Heute sind die Gebiete im Kartenpor- Lohmer See oder die Ochsenwiese am Linstower See auch tal des LUNG als FND dargestellt. Einige davon wurden ornithologisch ihre Bedeutung als Lebensraum für Bekas- nach der Wende jedoch in Erweiterungsflächen von Na- sine und Wachtelkönig. turschutzgebieten einbezogen: die Lehmkuppe westlich bei Ahrenshagen in das NSG Nebel, die Glaver Koppel und die Die für den kontinentaleren Bereich Mecklenburgs ty- Moorwiese am Wadehäng gingen ins NSG Krakower Ober- pischen Halbtrocken- und Trockenrasen (6) kommen in see ein. unserem Gebiet klimabedingt seltener vor. Die wenigen vorhandenen sind zumeist der Intensivierung zum Opfer In der neuen Naturschutzgesetzgebung wurden bestimmte gefallen. Der Cesserberg bei Mierendorf und der Abhang Lebensräume als gesetzlich geschützte Biotope verankert. am Linstower See waren noch mit relativ artenreichen Dazu gehören Moore, Sümpfe, Röhrichte und Riede, Nass- Pflanzengesellschaften ausgestattet. Magerrasenpflan- wiesen, naturnahe Bruchwälder, Feldgehölze und Hecken zen bedeckten ursprünglich die Höhenzüge nördlich von sowie Quellen. Die ausgewiesenen FND sind damit fast Laage, wobei Wiesen- und Gewöhnliche Kuhschelle die alle auch als sogenannte §20-Biotope gesetzlich geschützt. auffälligsten Vertreter waren. Die davon im aufgedüngten Dieser gesetzliche Status hat insofern eine Bedeutung, da Grünland übriggebliebenen Reste könnten sich bei strikter die damit geltenden Verbotstatbestände für geschützte Bio- Einhaltung der Behandlungsrichtlinie durch die Landwirt- tope heute konkreter und strenger greifen, als die „laschen“ schaft durchaus regenerieren. (zu DDR-Zeiten ausreichenden) Regelungen aus der FND- Zwei weitere Flächen gehörten den bisher aufgeführten Unterschutzstellung. Kategorien nicht an: das Feldgehölz (einer Naturwald zelle ähnlich) auf dem Hohen Berg bei Kuchelmiß mit einem Saum wärmeliebender Pflanzen und die Eichengruppe bei Zietlitz als Ansammlung von Einzelnaturdenkmalen.

Das Ende der 1970er Jahre gelöschte NSG Jasenberg mit einem wertvollen Bestand von Trauben-Eichen wurde 1987 wie bei der Löschung vorgesehen nunmehr als FND unter Schutz gestellt. Auch zwei reine Gewässerbiotope wurden in das FND- System integriert. Zum einen war das eine frühere Mer- gelgrube am Rande der Güstrower Südstadt. Sie war Laich- gewässer einer großen Population von Wechselkröten, die Abb.142: Die Entbuschung auf der Moorwiese am Lohmer See in der damals angrenzenden Gärtnerei ihren Lebensraum (FND-Nr. 22) wurde 1995 durch das StAUN Rostock aus dem fand. Moorschutz-Programm des Landes bezahlt. Foto: J. Loose.

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Die auf dem Papier stehenden Verbote nützen jedoch wenig, wenn die notwendige Pflege der Biotope nicht ab- gesichert wird. Während für einige bedeutende Flächen, wie die Moorwiese am Lohmer See, das Bornbruch und den Maeckelberg bei Krakow am See durch die Naturschutz- behörden regelmäßig die Mahd organisiert wurde, blieben andere Flächen unbewirtschaftet liegen.

Abb. 143: Blick in das FND Nr. 11 am Korleputbach (Standort von Trollblumen) – Die Trollblumen kommen ohne Mahd nicht mehr gegen die Hochstauden durch. Foto: J. Loose.

Für den Kuhschellenhügel bei Laage hatte sich A. Martin lange um ein Pflegemanagement bemüht. Es gab Hoffnung, Abb. 146: Im FND Nr. 8 „Rangemoor“ wurden Anfang der 1990er dass hier über die Stadt Laage etwas geschieht. Von einer Jahre größere Birken gerodet. Jetzt muss nur immer der Wasser- Schülergruppe wurde in einem Projekt sogar ein kleiner stand hoch gehalten werden. Foto: J. Loose. Lehrpfad mit Info-Tafeln über Pflanzen und Tiere angelegt und dazu ein Faltblatt erstellt. Der Lehrpfad ist inzwischen Eine Betreuung der FND besteht heute darin, dass die Bo- nur noch ein Trampelpfad. Eine erhoffte Pflegemahd oder tanik-AG jährlich einige der Gebiete kontrolliert und den die empfohlene Beweidung der Flächen blieben bisher aus. aktuellen Zustand feststellt. Darauf folgen Hinweise für Bei vielen Moor-FND ist kein Entbuschen als Pflegemaß- notwendige Pflegemaßnahmen an die UNB oder auch die nahme, sondern „nur“ die Einstellung eines höheren Was- Naturparkverwaltung in Karow. serstandes notwendig. Einige Moore um Reimershagen, Seltener wurden Pflegemaßnahme (Entbuschen, Plaggen) aber auch im Norden des Altkreises sind heute trocken ge- in kleinerem Maße auch durch die Gruppe selbst ausge- fallen und in der Folge bewaldet. Die zu Zeiten der Unter- führt. schutzstellung ursprüngliche vorhandene Moorvegetation So bemühten sich Ende Oktober 2007 zehn Mitglieder der ist heute nicht mehr zu finden. Botanik-AG und der FG Ornithologie und Naturschutz ge- meinsam, im Kalkflachmoor „Bornbruch“ am Stadtrand Abb. 144/145: Das FND Nr. 9 „Höhenzüge nördlich Laage“ (Kuh- von Krakow am See durch Abplaggen von Wiesenflächen schellen-Standort) hatte am 01.06.1983 offenen Bodenstellen, die die Lebensbedingungen für den Sumpf-Enzian zu verbes- am 26.10.2015 mit dicker Grasauflage und Ginsteraufwuchs belegt sern. waren. Fotos: A. Martin und J. Loose.

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Karte 10: Verteilung der 45 Flächennaturdenkmale (vgl. dazu Tabelle 3)

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Tabelle 3: Flächennaturdenkmale (FND) im Altkreis Güstrow

Lfd. Gebietsbezeichnung Größe (ha) Ökologische Bedeutung Größe*) (ha) § 20 **) Nr. Nr. GUE 1 Lindbeerenbruch 2,9 Bruchwald 1,62 08139 2 Blänke 7,0 Bruchwald 5,31 08143 3 Kuhwalzbruch 2,5 Bruchwald 2,51 08141 4 Bollbruch 4,7 Bruchwald 9,19 08141 5 Rothe See 6,9 Bruchwald 7,75 08021 6 Offener Krug 15,4 Moorvegetation 15,58 07973 7 Sumpfeichenmoor 0,9 Moorvegetation 3,58 07953 8 Rangemoor 39,0 Moorvegetation 40,23 07919 9 Höhenzüge N Laage 3,2 Halbtrockenrasen (Kuhschelle) 1,54 07511 10 Mühlbachniederung (Kl. Sprenz) 2,5 Feuchtwiese (Orchideen) 4,91 05892 11 Feuchtwiese am Korleputbach 1,3 Feuchtwiese (Trollblumen) 2,01 08835 12 Goldberg 1,0 Halbtrockenrasen 0,60 14324 13 Cesserberg 8,0 Halbtrockenrasen (Oszug) 6,06 13438 14 Saures Bruch 14,2 Bruchwald 13,48 14167 15 Ehem. Mergelgrube (Güstrow) 1,1 Laichgewässer für Lurche 0,62 11044 16 Crivitzer Moor (Lange Bruch) 7,1 Moorvegetation 13,77 13854 17 Das Rauhe Bocksmoor 4,5 Moorvegetation 5,05 15216 18 Lange Moor 2,3 Moorvegetation 3,20 15198 19 Langes Moor 7,7 Moorvegetation 1,85 – 20 Quellbereich-Zufluss zum Teuchelbach 0,4 Quelle 1,86 12523 21 Jasenberg 5,7 Traubeneichenbestand 5,76 – 22 Moorwiese am Ostufer des Lohmer See 7,1 Feuchtwiese (Orchideen) 9,2 12194 23 Breite Moor 3,9 Moorvegetation 5,07 12916 24 Scheide-Moor 3,2 Moorvegetation 3,81 15372 25 Kohramsmur 5,9 Moorvegetation 8,22 15389 26 Feuchtgebiet Revier Windfang 5,5 Moorvegetation 7,91 15410 27 Lehmkuppe bei Ahrendshagen --> NSG Nebel 0,5 Halbtrockenrasen 0,73 – NSG – 28 Hoher Berg bei Kuchelmiß 2,3 Südhangvegetation 4,75 15878 29 Torfmoosmoor SO Bolzsee 1,7 Moorvegetation 4,23 22561 30 Bruch am Brummelvitz See 3,2 Bruchwald (Orchideen) 3,64 22617 31 Große Moor 3,6 Moorvegetation 2,84 12811 32 Lange Moor 5,3 Moorvegetation 4,81 12815 33 Spukmoor (Speumast) 4,6 Moorvegetation 2,99 12809 34 Rathmannsmoor 1,5 Moorvegetation (2 Flächen) 3,42 22896 35 Maeckelberg 3,0 Halbtrockenrasen 3,38 22892 36 Flachmoor am Bornbruch 0,6 Kalkflachmoor (Orchideen, Sumpf-Enzian 0,62 22948 37 Großes Rahmannsmoor 3,7 Moorvegetation 4,09 22912 38 Moorwiese am Wadehäng --> NSG KOS 0,44 Feuchtwiese (Orchideen) 0,50 22874 39 Feuchtwiese am Grimmsee 5,7 Feuchtwiese (Trollblumen) 5,74 23190 40 Engelken-Moor 2,9 Moorvegetation 2,81 16467 41 N-Spitze Schwarzer See bei Bossow 2,1 Torfmoosmoor 2,20 22675 42 Eichengruppe bei Zietlitz 3,5 wertvoller Baumbestand (ND) 9,78 23098 43 Flachmoor Glaver Koppel --> NSG KOS 2,6 Flachmoorvegetation (Orchideen) 1,47 23307 44 Linstower Werder 6,1 Halbtrockenrasen, Hutung 10,71 23609 45 Ochsenwiese am Linstower See 3,4 Feuchtwiese (Orchideen) 3,32 23624

Angaben aus Umweltkartenportal LUNG M-V *) Größenangabe neu durch die Untere Naturschutzbehörde mit GIS-Programm ermittelt **) Auch nach § 20 NatSchAG M-V geschützter Biotop – Angabe der Biotop-Nr. (kursiv – Biotop ohne Kartierbogen)

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Breitblättriges Knabenkraut Sumpf-Läusekraut Trollblume Teufelsabbiss

Sumpf-Porst Rauschbeere Rosmarinheide oder Poleigränke

Rundblättriger Sonnentau Fettkraut Blasenbinse

Fieberklee Blutauge Pracht-Nelke

Abb. 147 bis 159: Zielarten bei der Ausweisung von Flächennaturdenkmalen auf Feuchtwiesen und in Mooren. Fotos: J. Loose

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Wiesen-Kuhschelle Gemeine Kuhschelle Borstgras

Karthäuser-Nelken Heide-Nelke

Acker-Wachtelweizen Stengellose Kratzdistel Golddistel

Wiesen-Schlüsselblume Frühlings-Segge Abb. 160 bis 170: Zielarten bei der Ausweisung von Flächennaturdenkmalen auf Trockenstandorten. Fotos: J. Loose.

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8.3 Entwicklungen und Beobachtungen in anderen Gebieten

Joachim Loose

Neben den Naturschutzgebieten, in denen wir regelmäßig Wenn es i. d. R. die Landwirte zulassen würden, könnten beobachtet haben, gelangten auch immer wieder andere vielerorts Entwicklungsmaßnahmen umgesetzt werden. Gebiete in den Fokus, wenn es hier zu besonderen Vogelan- Die Beobachtungen der hier festgestellten Wasservogel- sammlungen kam. Solche Gebiete waren oft kurzzeitig und Limikolenarten gingen in die Rubrik der bemerkens- überflutete Acker- oder Wiesenflächen, wie sie nach Hoch- werten Beobachtungen der jeweiligen FG-Jahresberichte wässern oder Defekten in Meliorationssystemen entstan- ein. den (z. B. Wiesensenke südlich Bellin, Wiesenflächen nörd- In einigen Gebieten außerhalb der NSG-Kulisse beobachte- lich Neu Strenz, Polderfläche westlich von Wattmanns- ten einzelne Ornithologen unserer FG über einen längeren hagen). Auf diesen Flächen zeigte sich, welches Potenzial Zeitraum. Von Zeit zu Zeit fassten sie ihre Ergebnisse in auch heute noch in der Landschaft steckt. den Jahresberichten zusammen. Über einige solcher Gebie- te wird nachfolgend berichtet.

8.3.1 Augrabengebiet

Mitte der 1990er Jahre wurden im Landkreis Güstrow Flä- Sie wurden hier nochmals in diese Dokumentation insbe- chen gesucht, auf denen eine neue Mülldeponie eröffnet sondere als Anregung aufgenommen, die Kartierungen in werden könnte. Ein Schweriner Planungsbüro war mit der diesem Bereich nach 20 Jahren zu wiederholen (Karten 11 Standortsuche beauftragt worden. Nach dem geologischen bis 14). Untergrund kamen Flächen mit vier Standortvarianten im Raum um Recknitz und Kritzkow in Frage. Da man sich schon bewusst war, dass die Nähe zur Augrabenniederung (als bedeutsame Vogelzugleitlinie klassifiziert) naturschutz- rechtlich Probleme bereiten könnte, wurde dem Standort- gutachten ein Gutachten über Vögel vorgeschaltet. Dieses umfasste eine Brutvogelkartierung sowie Zug- und Rastbe- obachtungen in einem ca. 4.720 ha großen Kontrollgebiet, welches etwa durch die Orte Spoitgendorf, Zapkendorf, Knegendorf, Liessow, Weitendorf und Kritzkow sowie die Abb. 171: Der Augraben vom Zehlendorfer Damm mit Blick in Rich- A 19 umgrenzt wurde. Die Gesamtfläche war nach ihrer tung Norden – rechts die NSG Flächen. Foto: J. Loose Biotopausstattung in 59 Einzelflächen unterteilt. Im Unter- suchungsgebiet lag auch das NSG Zehlendorfer Moor, in Der Untersuchungsraum für die Brutvogelkartierung be- dem lange Zeit keine Vogelerfassungen mehr durchgeführt stand – neben geringen Waldanteil – zu 88 % aus Offen- worden waren. Diese Kartierungen wurden (gesteuert land, davon waren 56 % Acker-, 29 % Grün- und 2 % Brach- durch die UNB) von Anfang April bis November 1996 von land. Die damals separat für die FG ausgewertete Fläche den FG-Mitgliedern Reinhard Becker, Martin Lemke, Joa- der Augrabenniederung umfasste 1.173 ha (90 % Wiese und chim Loose und Manfred Montschko übernommen. Einige Ödland, 4,5 % Brache, 5,4 % Wald und Gebüsch). Zahlrei- Ergebnisse sind im FG-Jahresbericht Nr.29/1996 dargestellt che Meliorationsgräben durchzogen die Wiesenniederung. worden. Hohe Siedlungsdichten u. a. von Braunkehlchen Vorrangig in den Hochstaudenfluren am Ufer der Gräben und Neuntöter in der Augrabenniederung waren nicht er- wurden Braunkehlchen registriert. Neuntöter verteilten wartet worden und geben heute ein Zeugnis davon, wie sich fast flächendeckend an den Strauchstrukturen und an häufig früher diese Arten in gemäßen und weitgehend un- den Waldrändern. Wie zu erwarten war, hielten sich Grau- gestörten Biotopen doch waren. ammern am Rande der Niederung entlang der Verkehrs- Es wurden auch Vergleichsdaten für Grauammer, Schlag- wege und Schlagschwirle in den feuchtnassen verschilften schwirl und Wachtelkönig angegeben. Zu letzterem gab Flächen auf. es ergänzend für das gesamte Augraben-Recknitztal von Für die Augrabenniederung errechneten sich nachfolgende Güstrow bis Laage 1997 eine Kartierung, die in diesem Jahr Siedlungsdichten: bis zu 27 Rufnachweisorte erbrachte. Die Einzelnachweise BP / km² Braun- Neuntöter Schlag- Wachtel- sind im Jahresbericht Nr. 30/1997 aufgelistet. kehlchen schwirl könig Mit heutiger Technik konnten die damals von Hand ange- fertigten Fundortkarten aufgearbeitet werden. SD 4,52 2,22 0,42 0,60

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Karte 11: Brutreviere des Braunkehlchen (62) - 1996 Karte 12: Brutreviere des Neuntöter (43) – 1996

Karte 13: Brutreviere von Grauammer (10), Schlagschwirl (9) und Karte 14: Rufnachweise des Wachtelkönig (27) im Augrabental Wachtelkönig (10) -1996 zwischen Güstow und Laage auf ca. 16 km Länge im Jahre 1997

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In dem vom Schweriner Büro Planung & Ökologie mit Da- gleich herangezogen werden können. Sie lassen sich nur tum vom 4.6.1997 aus unseren gelieferten Erfassungsdaten nicht mehr in ergänzende Kartendarstellungen umwan- zusammengestellten Gutachten zum Standortvergleich deln. Planerisch waren vom geologischen Untergrund her – Teil: Vögel – sind darüber hinaus einige Aussagen zu vier verschiedene Standorte für eine Deponie mit sich je- Brutvögeln enthalten, für die unserer FG nicht mehr alle weils überschneidenden Untersuchungsräumen zu prü- Originaldaten der Kartierungen vorliegen. Diese Angaben fen. Durch die Überlappung der Räume sind nachfolgende sind aber ebenso bemerkenswert, da sie zum heutigen Ver- Brutpaarangaben in der Tabelle 4 nicht addierbar.

Tabelle 4: Anzahl der Brutreviere je Art in einzelnen Teiluntersuchungsräumen im Vergleich

Untersuchungsraum UG-Größe gesamt: 4.720 ha CDEF 1.592 ha 1.498 ha 1.684 ha 1.776 ha Brutvogelart Anzahl der Brutpaare Bekassine 2111 Braunkehlchen 49 29 45 35 Grauammer 7799 Flussregenpfeifer 1111 Kiebitz – 3 4 – Kranich 1111 Neuntöter 31 25 28 26 Rotmilan 1 1 1 – Schafstelze 14 13 7 4 Schlagschwirl 7 4 14 12 Sperbergrasmücke – 1 1 1 Steinschmätzer 2 1 – – Wachtel 2 – 2 2 Wachtelkönig 5554 Wiesenpieper 39 17 19 15

Abgrenzung der Untersuchungsräume: C

Insbesondere die Vorkommen von Schafstelze und Wiesen- ein anderes Konzept der Müllentsorgung entschieden, so pieper mit gleichfalls hohen Siedlungsdichten sind weit- dass die Planungen nicht fortgeführt wurden. Durch diese gehend der Augrabenniederung zuzuschreiben. Hervorzu- Erstüberlegungen des Landkreises sind wir jedoch glückli- heben sind die noch damals festgestellten Brutreviere von cherweise zu einen Zeitdokument der Vogelverbreitung in Bekassine, Kiebitz, Sperbergrasmücke und Steinschmätzer. einem auch heute noch bedeutsamen Gebiet unseres Alt- Zum Glück für die Natur und die Einwohner der umliegen- kreises Güstrow gekommen. den Ortschaften hatte sich der Landkreis Güstrow bald für

8.3.2 Zuckerfabrikteiche / PVA-Teich Güstrow

Am 1.7.1960 wurde an der Verbindungschausee am Stadt- nächst an der Verbindungschaussee noch andere Zucker- rand von Güstrow mit dem Bau einer neuen Zuckerfabrik fabrikteiche in den Wiesen zur Nebel hin gegeben habe. begonnen, die am 20.10.1962 erstmalig in Betrieb ging. Zur Diese sind heute nicht mehr erkennbar. Die auf Abb. 172 Zuckerfabrik gehörte auch ein Komplex von Absetztei- dargestellten Teiche sind erst Ende der 1960er / Anfang der chen (ca. 40 ha) und zwei Verregnungsspeichern (18 ha) am 1970er Jahre entstanden. Auf diesen Flächen stand vorher Ostrand der Stadt (Abb. 172). Wald.

Bei der Manuskriptabfassung dieses Kapitels gab es von unseren wenigen „Altornithologen“ den bedeutsamen Hin- weis, dass es unmittelbar bei Produktionsaufnahme zu-

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Abb. 172: Standort der ehemaligen Zuckerfabrik Güstrow (rot), Absetzteiche (gelb) und Verregnungsspeicher (orange) – Luftbild nach dem Abriss der Zuckerfabrik (Quelle: Geoportal M-V), X = vermutliche Lage der ersten Zuckerfabrikteiche

Frühzeitig erfolgten durch Mitglieder der FG Vogelbeob- nahezu vollständig geschlossene, dekadenweise Zählreihen achtungen an den Teichen. Als bemerkenswerte Vorkom- für das Gebiet. men (wohl noch an den alten Teichen) wird in den ersten Im Jahresbericht Nr. 27/1994 legten sie Auswertungen für Jahresberichten der FG u. a. nachfolgendes vermerkt: den „Herbstlichen Wasservogeldurchzug“ vor. Unter den beobachteten 17 Schwimmvogelarten lag der Schwerpunkt 25.08.1968 Sichelstrandläufer 1 Ex. bei den Enten. Es wurden bei ihnen bemerkenswerte Ma- 01.09./8.09.1968 Knutt 1-2 Ex. xima erreicht: 04.09.1968 Brandgans 3 Ex. 08.09.1968 Waldwasserläufer 3 Ex. Stockenten – bis 700 Ex., 27.07.1969 Zwergstrandläufer 2 Ex. Krickenten – 400 Ex., 13.6.1970 Flussregenpfeifer 1 BP Löffelenten – 180 Ex. und 03.09/06.09.1970 Brandgans 1 juv. Pfeifenten – 120 Ex. 06.09. 1970 Wespenbussard 1 Ex. 06.09.1970 Knutt 1 Ex. Die Autoren stellten sich die Frage, wo für diese hier längere Zeit anwesenden Vögel die benötigte Nahrung herkommt. An den Teichen beobachteten oftmals Gruppen von fünf Sie kamen zu dem Schluss, dass die von der Zuckerfabrik bis acht Ornithologen der FG. Man hatte die Bedeutung der im Produktionsprozess ausgeschiedenen und in die Teiche Teiche erkannt. Die Beobachtungen reizten auch, da hier eingeleiteten Abwässer zu großen Teilen Humuserde und immer wieder besondere Vogelarten zu entdecken waren, Scheidekalk enthalten und damit den Teichen große Men- die im Binnenland seltener auftraten. Das damals erwähnte gen von Nährstoffen zugeführt werden. Hierdurch dürfte besondere Artenspektrum tritt auch heute nach mehr als 45 es zu enormer Produktion von neustonischen, planktoni- Jahren in dem unten beschriebenen kleineren Gebiet noch schen und benthischen Organismen mit zwar oft geringen immer auf. Artenspektren, aber dafür um so höherer Individuendich- te kommen. Dieser Sachverhalt war im Gebiet noch nicht Ab 1984 gab es für die Zuckerfabrikteiche planmäßige jähr- durch Beprobungen belegt worden. Die Autoren zogen ihre liche Beobachtungen in den Spätsommer-Herbstmonaten Schlüsse im Vergleich zu ausgewerteten Wasserproben aus (IX–XI) von Uwe Gehlhar und Remo Wiechert. Die Beob- den Rieselfeldern Münster, mit deren Naturschutzstation achtungsintensität wurde durch sie deutlich erhöht. Seit sie Kontakt aufgenommen hatten. 1992 erstellten die beiden jeweils von Juni bis November Im Jahresbericht Nr. 29/1996 berichteten Uwe Gehlhar und

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Remo Wiechert dann weiter über „Die Klärteiche als Rast- Durch den Solarpark wird ein einzigartiges Biotop gebiet für Limikolen“. Bis zu dieser Zeit waren hier 23 Limi- gerettet kolenarten notiert worden, darunter auch selten beobach- tete wie Austernfischer, Uferschnepfe, Säbelschnäbler und >Teile des Areals werden künftig wieder Watvögeln und Odinshühnchen. Amphibien als Rast- und Nahrungshabitat dienen. In die Häufigste Limikolenarten waren Kiebitz (1.000), Bekassine ehemaligen Absetzbecken und Klärteiche wurde seit der (310), Bruchwasserläufer (93), Flussuferläufer (58), Zwerg- Stilllegung der Zuckerproduktion 2008 kein Wasser mehr strandläufer (110), Alpenstrandläufer (42) und Kampfläufer gepumpt – das Ende des Naturrefugiums stand unmittelbar (51) sowie Großer Brachvogel (150), der die Teiche abends bevor. als Schlafplatz anflog. Bei ausreichend vorliegenden Daten- Im Zuge der Solarpark-Projektierung verständigte man material für häufige Arten (mind. 100 Beobachtungen) stell- sich in intensiven Gesprächen mit den Naturschutzbehör- ten die Autoren Zugverläufe beim Wegzug von Bekassinen, den auf vorgezogene Ausgleichsmaßnahmen. Bei der In- Alpenstrandläufer und Kampfläufer für den Zeitraum von stallation des Sonnenkraftwerks wird jetzt auf die Nutzung Juli bis Oktober dar. Auffällig waren jeweils noch Durch- der gesamten Fläche der ehemaligen Teiche als Aufstell- zugsspitzen der Arten im Oktober. Gegenüber dem Rastge- flächen verzichtet. „Über die Betriebsdauer der Photo- schehen an der Ostseeküste werden Kulminationspunkte an voltaik-Anlagen wird ein 7 ha großer Teil der alten Teich- den Zuckerfabrikteichen meist eine Dekade später erreicht. fläche wieder mit Wasser beschickt.“, erklärt der Leiter der Im Jahresbericht Nr.33/2000 stellt U.Gehlhar einen „Unge- NABU-Ortsgruppe, Joachim Loose. „So werden das Biotop wöhnlichen Durchzug des Bruchwasserläufer im Jahr 2000“ erhalten und den Watvögeln langfristig die Schlammflä- an den Klärteichen zur Diskussion. Ende Juli 2000 stieg der chen zur Zugzeit bereitgestellt. Mitglieder der NABU-Orts- Bestand rastender Bruchwasserläufer von einer üblichen gruppe werden die Entwicklung des Gebiets in den nächs- Bestandsgröße (bis 30 Ex.) „plötzlich“ auf 250 Vögel an. Als ten Jahren fachlich begleiten.“ < Ursachen für das längere Verweilen sieht der Autor ggf. ei- ne sehr günstige Nahrungstierentwicklung in den Teichen als auch einen hohen Bruterfolg an den skandinavischen Brutplätzen an – siehe dazu auch GEHLHAR (2001). Mit Schließung und Abriss der Zuckerfabrik Güstrow im Jahre 2008 fiel die Beschickung des Teichsystems aus dem Abwasser weg und die Teichflächen verlandeten zuneh- mend.

Mit Wegfall der Wasserflächen würde auch bald die Be- deutung als Rast- und Nahrungshabitat verschwinden. Als die Stadt Güstrow eine Überplanung der Teichflächen zur Aufstellung mit Photovoltaikanlagen beschloss, konnte sich die Fachgruppe über die NABU-Ortsgruppe Güstrow mit einem Gutachten über die Bedeutung der Klärteiche Abb. 173: Solarpark Güstrow 1 und 2 mit dem „PVA-Teich“ (rot) und einer Forderung zum Erhalt wenigstens eines Teiches, und zwar des nördlich gelegenen Verregnungsspeichers, Das Ausgleichsprojekt beinhaltete auch die Installation ei- einbringen. Dem Appell, der auch von der unteren Na- ner Förderpumpe, mit der bei Bedarf ein Zupumpen von turschutzbehörde gehört wurde, folgte die Stadt mit einer Grundwasser in den Teich ermöglicht wird. Mit der Pumpe Satzungsfestsetzung zum Erhalt und zur Gestaltung eines wurde eine Förderleistung von 16,5 m3/h erreicht. Auf For- Vogelrastgewässers. Dem Investor wurde von der Natur- derung der Vogelbeobachter und im Entgegenkommen er- schutzbehörde auferlegt, in einem dreijährigen Monitoring richtete der Investor auch innerhalb der PVA einen festen nachzuweisen, dass Belange des Vogelschutzes mit dem zu Beobachtungsturm und finanzierte die von uns errichtete erhaltenden und herzurichtenden Ersatzteich erfüllt wer- zweite Beobachtungshütte für einen guten Überblick über den können. den Teich.

Auf seiner Internetplattform Das dem Betreiber der PVA-Güstrow 2 von der Natur- http://wirsol.de/solar-photovoltaik/unternehmen/ schutzbehörde auferlegte und durch W. Köhler und J. Loose aktuelles-2/deatail/wirsol-baut-31-mw-solarpark- durchgeführte dreijährige Vogelmonitoring endete 2014 auf-alten-nordzucker-flaechen/show/Article/ mit einem Abschlussbericht, aus dem nachfolgend einige 079564efd67bf44fb355d3f408fec3b2/ bemerkenswerte Ergebnisse als Auszug – insbesondere berichtete der Investor bald nach Erteilung der Baugeneh- auch im Vergleich zu den früheren Beobachtungen – dar- migung: (Auszug) gestellt werden.

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Gegenüber den Beobachtungen, die sich bisher auf den Nach dem Monitoringzeitraum wurden die Planbeobach- Spätsommer-/Herbstdurchzug konzentrierten, wurden tungen am PVA-Teich in gleicher Intensität fortgesetzt. Als durch das von März bis November laufende Monitoring Problem zeigte sich, dass mit dem Sommerbeginn im West- durchgehende Datenreihen für einzelne Arten gesammelt teil des Teiches große Flächen trocken fallen und damit wie (vgl. auch Jahresbericht Nr. 47/2014; Manuskript für den in den Vorjahren als Nahrungshabitat für Limikolen aus- ORMV in Arbeit). fielen. Spätestens ab Juli musste auch 2015 wieder Wasser Als neue Erkenntnisse gegenüber den bisher vorliegenden zugepumt werden. Beobachtungen konnte festgestellt werden, dass

■ beim Bruchwasserläufer für das Jahr 2014 auch ein in- tensiver, auf kurze Zeit beschränkter Frühjahrsdurch- zug stattfand, ■ Kampfläufer sich fast in allen Monaten hier aufhalten und mehrere Durchzugsspitzen auftraten, ■ Bekassinen weniger im Frühjahrzug anwesend sind und von Juli bis Oktober mehrere Durchzugsspitzen gezeigt haben.

Es konnte bestätigt werden, dass gegenüber den früheren Zuckerfabrikteichen eine Reihe von Vogelarten nunmehr auf jetzt deutlich kleinerer Fläche dennoch in stattlicher Zahl anzutreffen ist. So wurde z. B. der Teich ab Mitte Abb. 174: PVA-Teich im Juli 2014 mit im Westteil trockengefalle- August von > 1.000 Kiebitzen genutzt und hielten sich über nen Flächen, Inseln und Beobachtungskanzeln (rot). Quelle Luft- längere Zeit im Herbst bis zu 175 Krickenten hier auf (vgl. bild: Google earth Diagramme 7 bis 12). Bemerkenswert ist, dass die verbleibende Wasserfläche von Die Flächen zwischen den Solarmodulen wurden bald ca. 2,5 ha immer noch als Schlafplatz von 100–300 Krani- auch von Vogelarten genutzt. Feld- und Heidelerche sowie chen (kurzzeitig fast 800 Ex.) und im Herbst von weit über Gold- und Grauammern hatten hier Brutreviere. In einigen 1.000 Grau-, später auch nordischen Gänsen genutzt wird. Hohlräumen in den Ständerwerken bauten Bachstelze und Hausrotschwanz Nester. Auf den geschotterten Fahrwegen Für die Botanik-AG war interessant, wie sich die zunächst brüteten mehrere Paare Flussregenpfeifer erfolgreich. sandige Rohbodenfläche mit Pflanzen besiedelte.

Diagramm 7

Diagramm 8

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Diagramm 9

Diagramm 10

Diagramm 11

Diagramm 12

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Abb. 175 bis 184: Im PVA-Teich regelmäßig beobachtete Limikolenarten (v.l.n.r./v.o.n.u.) Bruchwasserläufer, Waldwasserläufer, Kiebitz, Grünschenkel, Bekassine, Dunkler Wasserläufer, Rotschenkel, Flussuferläufer, Flussregenpfeifer, Kampfläufer. Fotos: J. Loose

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8.3.3 Polder Gutow

Trotz Intervention der Fachgruppe gelang es uns nicht, die einige tiefgreifende Umweltprojekte. Eines davon war die noch Mitte der 1980er Jahre durchgeführte Melioration der Renaturierung des Gutower Polders. Niederung am südlichen Ende des Sumpfsees zu verhin- dern. Mit hohem Aufwand waren hier ca. 13,8 km lange Bereits von 1990 bis 1999 war das Schöpfwerk im Gutower Entwässerungsgräben quer durch das ca. 73 ha große Ge- Polder im Winter abgestellt worden. Man sah regelmäßig biet gezogen und ein Schöpfwerk zur Wasserableitung in das Potenzial, was immer noch in der Fläche steckte. Auf den Sumpfsee gebaut worden. Später zeigte sich der gerin- Initiative des Wasser- und Bodenverbandes „Nebel“ wurde ge Nutzen dieser Maßnahme für die Landwirtschaft. Aber zum Sumpfsee hin ein Damm errichtet, um in nicht bewirt- ein Stück naturnahe Niedermoorfläche war damit unwie- schaftbaren Teilen der Polderfläche ganzjährig mehr Was- derbringlich verloren. Mit der politischen Wende gab es ser zu halten.

Abb. 185: Die Flächen des Gutower Polders im März 1999 sind voll überflutet. Foto: J. Loose.

Ab 2003 wurde dann ganzjährig kein Wasser mehr abge- Unter Mitwirkung der unteren Naturschutzbehörde gelang pumpt, was auf Dauer im südwestlichen Ackerhinterland es, den Gutower Polder in die Liste der zur Renaturierung sicher zu Problemen geführt hätte. vorgesehenen Flächen aufzunehmen. 2003/2004 konnte im Auch die Wegeverbindung Gutow-Bülow war zeitweilig im Rahmen des Moorschutzkonzeptes des Landes M-V nach Jahr nicht mehr passierbar. Es waren Lösungen zu finden. einer Projektierungsphase durch das Güstrower Ingenieur- büro KULTA die Maßnahme auf einer Projektfläche von 76,93 ha mit Planfeststellungsbeschluss vom 26.08.2005 bautechnisch umgesetzt werden. Projektträger und heuti- ger Flächenverwalter wurde die Landgesellschaft Mecklen- burg-Vorpommern mbH. Eine wie ehedem vorhandene ex- tensiv bewirtschaftete Feuchtwiese ließ sich mangels feh- lender Voraussetzungen bei Landwirten nicht wieder etab- lieren. Mit dauerhaften Wasser- und Schilfflächen wurde hier ein bedeutsamer Lebensraum in erster Linie für die Vo- gelwelt geschaffen. Die FG empfahl der Gemeinde Gutow, die Errichtung eines öffentlichen Beobachtungsturmes als Projektbestandteil zu fordern. Beim damalige Bürgermeis- ter Herrn Dr. Heinrich Murr (†) rannten wir offene Tü- Abb. 186: Der Weg zwischen Gutow und Bülow im März 1999 ren ein, und so entstand auf der Kuppe des „Dammbergs“ Foto: J. Loose. ein solches Bauwerk, wie es bereits in mehreren NSG er-

110 50 Jahre Fachgruppe Ornithologie und Naturschutz Güstrow richtet worden war. Leider stimmte der hier wirtschaften- serer FG-Kartei vom Sumpfsee und Gutower Polder sich- de Landwirt unserem etwas weiter nördlich in der Wiese tete und im Jahresbericht Nr. 37/2004 zusammenstellte. Mit vorgeschlagenen Standort für den Turm nicht zu. Man hät- den Beobachtungen von 2002 bis 2004 konnte die avifaunis- te von dort einen besseren Einblick in die Wasserflächen tische Bedeutung des Gebietes, welches sich künftig wieder gehabt als jetzt vom Wanderweg aus. Kontraproduktiv für naturnah entwickeln sollte, herausgestellt und damit das die Entwicklungsfläche wäre es gewesen, wenn der öffent- Renaturierungsprojekt begründet werden. liche Feldweg zwischen Gutow und Bülow auch weiterhin Die ganzjährig vorhandenen Wasserflächen im Polder frei für den Fahrzeugverkehr geblieben wäre. Der musste ziehen regelmäßig während des Frühjahrszuges größere unbedingt verhindert werden. Einig war man sich in der Entenscharen an. Maximal konnten hier >50 Schnatter-, gemeinsamen Projektdiskussion, dass der Weg nur als Fuß- 120 Spieß-, > 40 Löffel-, 55 Pfeif-, 70–90 Krick-, 10–16 Knäk-, und Radweg zu widmen war. Die notwendige Wasserab- 40 Tafel- und 50 Reiherenten gezählt werden. Als Brutvögel leitung aus dem Westteil der Fläche wurde nicht durch ein traten Zwerg-, Rot- und Schwarzhalstaucher auf. Rohr unter dem Weg realisiert, sondern als offener Gra- In den Röhrichten brüteten Wasser-, Teich- und Blessral- benverlauf, der auf großen Steinen gequert werden kann. len, Rohrweihe, Kranich, Rohrschwirl, Bartmeisen und al- Damit war eine wirksame Schikane zur Unterbindung ei- le vier Rohrsängerarten. Auf den kleinen Schlickflächen nes motorisierten Verkehrs gefunden. wurden von FG-Mitgliedern neun rastende Limikolenarten (Bekassine bis 100) notiert. Die von H. Kusch für den Polder insgesamt mit Daten belegten 79 Vogelarten sind sicherlich noch nicht alle hier vorkommenden. Eine weitere Zusam- menstellung erfolgte bisher nicht. Im Punkt „Bemerkens- werte Beobachtungen“ der FG-Jahresberichte erscheinen weiterhin zahlreiche Daten aus dem Polder. Herald Kusch hatte in einem Schaukasten des für die Be- sucher offenen Beobachtungsturms versucht, über die hier jeweils aktuell vorkommenden Vogelarten zu infor- mieren. Der Turm wird regelmäßig von Spaziergängern aufgesucht, leider auch von solchen, die ihre Spraydosen hier leeren müssen. Die Glasscheibe des Schaukastens im Turm war bald zerschlagen worden. Wir erkannten, dass es Abb. 187: Mit dem Projekt als Damm neu hergerichteter Fuß- und zwecklos war, hier weiter ehrenamtliche Arbeit zu inves- Radweg zwischen Gutow und Bülow. Foto: J. Loose. tieren und entsprechende Informationen anzubieten. Wir werden warten müssen, bis eine Jugend herangewachsen ist, die sich ohne Frust an der Gesellschaft einfach an dem Reichtum unserer Landschaft erfreuen kann.

Abb. 188: Eine wirksame Schikane verhindert einen motorisierten Fahrverkehr durch den renaturierten Polder. Foto: J. Loose

Im Herbst 2001 stand bei einer Gänsezählung am Sumpfsee Abb. 189: Vom Beobachtungsturm auf der Kuppe des „Damm- ein Maler mit einer Staffelei auf einem Hügel, der sich in- bergs“ hat man einen Einblick in die Wasserflächen. Foto: J. Loose. teressiert an den Zähler Joachim Loose wandte. Ihn faszi- nierten auch die vielen tausend Graugänse. Mit diesem Ge- Nach dem Wegzug von H. Kusch aus Güstrow beobachtete spräch war ein neues FG-Mitglied gewonnen. Mit Herald Helmut Richter jetzt häufiger hier. Kusch (KUC) fand sich auch gleich jemand, der als Einstieg Die ausgedehnten Schilfflächen beherbergen zahlreiche in die Materie die zahlreichen Beobachtungsdaten aus un- Rallenarten und schilfbewohnende Singvögel. Es ist ver-

111 50 Jahre Fachgruppe Ornithologie und Naturschutz Güstrow mutlich noch nie ein Ornithologe die 5,4 km lange Strecke regelmäßig nachgewiesen. Vor den Toren der Stadt Güst- um die Renaturierungsfläche gelaufen. row gelegen, ist das Gebiet gut erreichbar. Für junge Orni- Hier dürfte sich ein Ermitteln von Siedlungsdichten loh- thologen gäbe es ein lohnendes Betätigungsfeld. Spannend nen. In den großen Schilfflächen wird eine hohe Anzahl dürfte es auch sein, die im Gebiet ablaufende Sukzession von brütenden Bartmeisen vermutet. Im Sommer 2015 fing weiter zu verfolgen und in Zusammenhang mit Verände- Joachim Loose auf dem Verbindungsweg insgesamt 86 rungen in der Vogelwelt zu dokumentieren. Bartmeisen. Auch Blaukehlchen und Beutelmeisen wurden

Abb. 190: Blick vom Beobachtungsturm nach Norden in die Wasserflächen, die nicht nur Rastflächen für Entenvögel, sondern auch Schlaf- platz zeitweilig für bis zu 700 Kraniche sind. Im Hintergrund das Südende des Sumpfsees. Foto: J. Loose.

Abb.191: Gutower Polder mit dem ehemalig wirksamen Entwässerungssystem, roter Stern = öffentlicher Beobachtungsturm. ( Luftbildquelle: Kartenportal des LUNG)

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8.3.4 Polder Klaber

Über eine weitere „ertrunkene Wiese“ – ein neues Feuchtge- die Fläche als Wiese mit einem Grabennetz dargestellt. Die biet bei Klaber berichteten Sebastian Lorenz und Wolfgang hier ertrunkene Wiese gehörte zu jenen Flächen, aus denen Neubauer in den Jahresberichten Nr. 32/1999 und 33/2000. zu DDR-Zeiten mit Schöpfwerkspumpen auch noch etwas Bei einer Exkursion im späten Frühjahr 1998 fiel diese herausgeholt werden sollte – eine sogenannte Polderflä- ca. 2 ha große vernässte Senke zu Füßen des Breiten Ber- che, die ohne Wasserstandsenkung weitgehend unter Was- ges (Höhe 100,9 m) südöstlich von Klaber wohl das erste ser stehen würde. Ab 1990 hatte man das Schöpfwerk nicht Mal den Ornithologen der FG auf. Die Autoren berichte- mehr genutzt. Man hatte erkannt, dass die Kosten für eine ten, dass sich das Wasser der umliegenden flachen Hän- notwendige Pumpenreparatur nicht im Verhältnis zu dem ge in einer abflusslosen Senke sammelt. Bei schwankenden Nutzen standen, der von dieser Wiese erbracht werden Wasserständen entstanden hier insbesondere in den Som- konnte. In der Folge versumpfte die Wiesensenke wieder. mermonaten durch die Verdunstung kleine Schlickflächen. Es bildete sich nach und nach jene Wasserfläche, die von Bereits 1999 brüteten hier vier Paare des Rothalstauchers Lorenz und Neubauer vorgefunden wurde. und drei des Zwergtauchers erfolgreich. Bei einem Paar der Wie im Gutower Polder wurde 2007 schließlich für eine Knäkente wurde die Kopula beobachtet. In einer Tabelle dauerhafte Renaturierungslösung die Schöpfwerkspumpe wurden 31 Vogelarten genannt, die unmittelbar mit dem abgebaut. Die Behörden und der Wasser- und Bodenver- Feuchtgebiet in Verbindung standen. Erstaunlich waren die band Nebel einigten sich mit dem hier wirtschaftenden sich hier im Spätsommer sammelnden > 100 Bleßrallen. Zu Landwirt aus Klaber auf eine maximale Wasserhöhe für dieser Zeit fanden sich auch einige auf den Schlickflächen den Überlauf des künftigen Gewässers. Wie in Luftbildern Nahrung suchende Limikolenarten ein – gezählt wurden nachfolgender Jahre zu sehen ist, gab es im Sommer später mind. 65 Bekassinen, 15 Bruchwasserläufer, ein Flussregen- kaum noch Schlammflächen. Dafür nahm die Bedeutung pfeifer, drei Kampfläufer und zwei Waldwasserläufer. Auch des Flachgewässers als Schlafplatz für Kraniche permanent im Folgejahr 2000 beobachteten S. Lorenz und W. Neubauer zu. Bis zu 460 Kraniche wurden hier beim abendlichen Ein- hier planmäßig. Die Fläche fiel nie ganz trocken, und es flug durch die FG-Mitglieder K.-H. Koop und St. Thiel ge- konnten neue Brutnachweise erbracht werden. Es brü- zählt (Diagramm 13). teten erstmalig zehn Paare der Lachmöwe und ein Paar Schwarzhalstaucher, welches am 9. Juli Dunenjunge führte. Der Rothalstaucher brütete mit sieben Paaren und auch der Zwergtaucher wieder mit zwei Paaren. Als neue Limiko- lenart wurde ein Dunkler Wasserläufer notiert. Wiederum > 100 Bleßrallen hielten sich im Frühjahr und Spätsommer auf der kleinen Wasserfläche auf. Im August wurde erst- malig ein Trupp von 23 hier einfallender Kraniche gese- hen, der das Flachgewässer wahrscheinlich als Schlafplatz nutzte. Das neu entstandene Kleingewässer hat natürlich auch ei- Diagramm 13: Der Kranich-Schlafplatz wurde in einigen Jahren ne Vorgeschichte. Bereits im Messtischblatt von 1888 ist stärker genutzt.

Abb. 192: Blick vom Breiten Berg auf den Polder vor dem Rückbau des Schöpfwerkes. Mai 2006. Foto: A. Martin.

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Abb. 193: Blick vom östlich angrenzenden Acker über die Wasserfläche in Richtung Klaber, im Vordergrund Schlickflächen. Mai 2006. Foto: A. Martin Durch die Fixierung auf abendliche Beobachtungen von rungen darstellen könnte. Bei den Synchronzählungen an einfallenden Kranichen lagen in den Folgejahren kaum Kranichschlafplätzen wurde festgestellt, dass bei hohem noch Daten über andere tagsüber hier vorkommende Vo- Wasserstand im Gewässer die Kraniche zum nahe gelege- gelarten vor. Im Randbereich des Gewässers kann ein zu- nen Schlafplatz im Malchiner See auswichen. Andererseits nehmender Gehölzaufwuchs registriert werden. Das ent- stieg die Zahl im Polder Klaber, wenn die Rastbedingungen spricht einem üblichen Sukzessionsablauf auf solchen am Malchiner See ungünstig waren (vgl. KOOP, K.-H & S. Flächen. Es wäre interessant, wenn man die vorkommen- RETTICH, 2014). de Vogelwelt in Verbindung mit diesen Biotopverände-

Abb. 194: Der ehemalige Polder Klaber am 05.09.2014. Die am früheren zentralen Graben stehenden Sträucher sind bei höherem Wasser- stand weitgehend abgestorben. (Quelle: Google earth).

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8.3.5 Ochsenauge

In alten Messtischblättern (Nr. 849/2238) von 1882 bis 1950 ren gewann diese Fläche an Bedeutung für die Vogelwelt. wird die heutige Gewässerfläche südlich der Villa Marie in Auf einer kleinen Insel am Westrand des Gewässers brüte- Güstrow als Wiese bzw. Feuchtwiese dargestellt. Der Name ten ab 1990 ca. 100 BP Lachmöwen und ab 1991 die ersten „Ochsenauge“ taucht erstmalig in aktualisierten Flurkarten 2 BP Flussseeschwalben. Durch die untere Naturschutzbe- auf und deutet darauf hin, dass hier schon früher zumin- hörde wurde eine Tiefbaufirma in Verbindung mit einer dest zeitweilig eine Wasserfläche vorhanden war. von ihr begangenen Ordnungswidrigkeit beauflagt, diese In unserer Rubrik der „Bemerkenswerten Beobachtungen“ Insel durch eine ca. 6 m breiten tiefen Graben noch stärker in den FG-Jahresberichten taucht der Gebietsname erstma- vom Festland abzutrennen. Prädatoren sollte es erschwert lig 1990 auf. Hier muss bereits ein größeres Gewässer vor- werden, hier Beute zu machen. Zum Schutz dieses neu handen gewesen sein, da ein Brutnachweis des Rothalstau- entstandenen bedeutsamen Feuchtgebietes für die Vogel- chers mit zwei Jungen notiert wurde. Im Infrarot-Luftbild welt stellte die Fachgruppe über die UNB einen Antrag auf von 1991 ist die Gewässerfläche etwa 1,3 ha groß. Es kam einstweilige Sicherung als NSG. Bei der geringen Gebiets- um 1989 in der Entwässerungsleitung vom Hoppelloschen größe war diese Schutzkategorie sehr ungewöhnlich. Das See, die in das Grabensystem um den Sumpfsee führte, zu unmittelbar nach der Wende geltenden Naturschutzrecht einer Verstopfung in Höhe der Feuchtwiese. Zwischen dem ließ jedoch keine andere Möglichkeit zu, um einen wirksa- Flächeneigentümer, der die Seggenriedwiese ohnehin nicht men Schutz zu garantieren. Mit Verordnung von 1992 war nutzen konnte, dem Wasser- und Bodenverband Nebel und dann vom Umweltministerium die einstweilige Sicherung der unteren Naturschutzbehörde konnte die Erhaltung als NSG „Ochsenauge“ vorgenommen worden. einer Wasserfläche abgestimmt werden. In den Folgejah-

Abb. 195: Blick von Westen auf das Ochsenauge – 1992. Foto: J. Loose.

Schaut man heute in die FG-Jahresberichte, tauchen nach gans, Nilgans, Zwergseeschwalbe). In diesen Jahren be- 1991 bemerkenswerten Beobachtungen vom Ochsenauge obachteten hier insbesondere M. Fritsche, J. Loose und M. durchgängig nur bis etwa 1995 auf. Der Brutbestand der Montschko, gelegentlich auch K. Lingsminat, A. Martin Lachmöwe war auf 250 BP gestiegen. Auch Flussseeschwal- und W. Neubauer. ben brüteten zunehmend mit bis zu 25 BP. Regelmäßig zo- K. Lingsminat machte uns Mitte der 1990er Jahre darauf gen hier 3–5 BP Rothalstaucher erfolgreich ihre Jungen auf. aufmerksam, dass am Ufer des Ochsenauges zunehmend Schwarzhalstaucher (2–4 Ex.) konnten neben Schnatter-, Weidensträucher und -bäume aufwuchsen und plädierte Spieß-, Pfeif-, Knäk- und Löffelenten im Frühjahrsdurch- für deren Beseitigung. Bald war das Gebiet dann auch zum zug beobachtet werden. Das Gebiet wurde im Jahreszyklus großen Teil von Gehölzen umstanden. Es machte nur kei- relativ häufig durch FG-Mitglieder aufgesucht. So wurden nen Sinn, in die typischen Sukzessionsabläufe einzugrei- auch einige gelegentlich auf dem Ochsenauge auftauchen- fen. In regelmäßigen Abständen hätte man das wiederho- de seltener zu beobachtende Arten registriert (Streifen- len müssen.

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Gutow dort anzutreffen. Das Ochsenauge hatte an Bedeu- tung verloren. Mit Verordnung des Umweltministerium vom 14.09.1996 wurde die einstweilige Sicherung des Ochsenauges als NSG noch einmal verlängert. Ab 1998 war mit dem 1. Na- turschutzgesetz für M-V die untere Naturschutzbehörde bevollmächtigt, geschützte Landschaftsbestandteile (GLB) auszuweisen. Mit Verordnung vom 8.10.1998 wurde das Ochsenauge mit seinem Umfeld in einer Größe von 11 ha als GLB einstweilig gesichert. Die mit der Verordnung aus- gesprochenen Verbote für dieses Gebiet waren weitrei- chend und ähnelten denen für Naturschutzgebiete. Auf Grund der o. g. Veränderungen in der Vogelwelt des Ochsenauges hatte die UNB später auf eine endgültige Abb. 196: CIR-Luftbild von 1991 (Quelle: UNB) Unterschutzstellung als GLB verzichtet. Teile des „Och- senauges“ werden heute lediglich als geschützter Biotop Zu dieser Zeit wurde durch den Wasser- und Bodenver- (gue10948 und gue10949) ausgewiesen. Da das Gewässer band Nebel der Wasserstand im Sumpfsee erhöht. Im Süd- größer als 1 ha ist, fällt die Wasserfläche nicht unter den westufer des Sees starben große Flächen des Weidengür- Biotopschutz. Für die im Gewässer vorkommenden Tier- tels ab, und es entstanden dort größere Schlickflächen. Die arten gelten jedoch allgemeine Artenschutzbestimmungen. bisher am Ochsenauge brütenden Lachmöwen und Fluss- Wenngleich sich die Bedeutung des Biotops seit seiner Ent- seeschwalben zogen nach 1995 in dieses neue Gebiet um. stehung insbesondere für die Vogelwelt geändert hat, ist Die Frage, ob der Prädatorendruck am Ochsenauge zu groß es für uns Ornithologen durchaus lohnenswert, das Gebiet geworden war oder am Sumpfseeufer einfach nur die bes- nicht aus den Augen zu verlieren. So nah an der Peripherie seren Brutbedingungen herrschten und die Vögel deshalb der Stadt Güstrow gelegen, sollten wir die weiteren Verän- umgezogen waren, kann nicht beantwortet werden. Zu- derungen und Entwicklungen beobachten und stärker do- mindest die Flussseeschwalben waren nun etwas dichter kumentieren. Es könnte interessant sein, wie nachfolgende an ihrem Nahrungshabitat. Bei Vergrößerung der Lachmö- Notizen zeigen: Am 17.4.2003 beobachtete M. Montschko wenkolonie am Sumpfsee brütete ein Teil der Lachmöwen hier auch erneut einen Schwarzhalstaucher. In den Weiden dann 1998 und 2000 nochmals mit 200–250 BP kurzzeitig am des Ufersaums wurden 2010 und 2011 wiederum brütende Ochsenauge. Beutelmeisen festgestellt. Auf dem Gewässer hielten sich 2014 zahlreiche Enten auf.

Abb. 197: Luftbild von 2008 – Vor der Insel am Westufer ist der ausgebaggerte Graben noch erkennbar. (Quelle: Google earth). Abb. 198: Luftbild vom 06.06.2014 – Die südlich angrenzende Wiese ist zum Maisacker geworden. (Quelle: Google earth). In den Jahren von 1997 bis 2000 gelangten Kanadagans, Brandgans und Uferschnepfe nochmals als bemerkenswer- te Beobachtungen in die Jahresberichte. Abb. 199: Des Weiteren fand sich in den Weiden am Ufer des Och- senauges im Jahr 2000 erstmalig ein Brutnest der Beu- Das Ochsenauge mit den als telmeise. Früher am Ochsenauge beobachtete Rot- und geschützte Biotope farbig aus- Schwarzhalstaucher sowie zahlreiche Entenarten im Früh- gewiesenen Flächenteilen. jahrsdurchzug waren nach der Renaturierung des Polders Quelle: Kartenportal LUNG

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Spezieller Teil

9. Ausgewählte Darstellungen von Artbearbeitungen innerhalb von 50 Jahren

Einer Reihe von Vogelarten galt seit der Gründung der Illusorisch war sicher das 1973 anvisierte Ziel der Fach- Fachgruppe Ornithologie und Naturschutz Güstrow ein gruppe, für jede Vogelart oder Artengruppe einen Artbe- besonderes Augenmerk. Die Bestände dieser Arten wurden arbeiter einzusetzen, der sich kontinuierlich um die Daten- jährlich erfasst, und man bemühte sich, so recht schnell ei- sammlung kümmern sollte. nen Überblick zu ihrer Verbreitung in unserem Beobach- tungsgebiet zu erhalten. Durch die kontinuierliche Arbeit Auch mit einigen in größeren Zeitabständen in Gemein- mit diesen Arten kann heute belegt werden, wie sich über schaftsarbeit durch alle FG-Mitglieder wiederholten Erfas- einen langen Zeitraum fast lückenlos die Bestände zum Gu- sungen von ausgewählten Arten konnten die Entwicklun- ten oder Schlechten entwickelt haben. Wenn auch teilwei- gen in den Beständen dargestellt werden. Die Auswirkun- se die Artbetreuer im Laufe der Zeit wechselten, nahmen gen von intensiven Veränderungen in der Umwelt, insbe- andere Mitglieder der Fachgruppe deren Plätze ein und sondere durch die Landwirtschaft, lassen sich mit kontinu- widmeten sich mit gleicher Kraft „ihren“ Arten. Es wäre zu ierlich erhobenen Daten jedoch deutlich feiner aufzeigen, wünschen gewesen, dass auch noch einige andere Vogelar- wie es die nachfolgenden Abschnitte über sechs Vogelarten ten mit gleicher Intensität bearbeitet worden wären. zeigen.

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9.1 50 Jahre Weißstorch-Erfassung

Reinhard Schaugstat gesetzte 1.002 km2 große Kreisgebiet Güstrow). Boldebuck allein hatte 7 BP. Von über 20 Orten fehlten Angaben. Die Der ursprüngliche Waldbewohner brütete wie sein schwar- Storchendichte (STD) lag bei mindestens 25 BP/100 km2. zer Verwandter auf Bäumen. Mittelalterliche Rodungen Der damalige Kreis Güstrow gehörte zu den storchen- öffneten die Landschaft, und der Storch eroberte als Kultur- reichsten Regionen Deutschlands (Aussage von damals ein- folger Dörfer und Städte. Durch die Besiedlungsbewegung schl. Altkreis Bützow). des 13. Jhs. bezog er die nach Mecklenburg mitgebrachten Rohr-, selten auch strohgedeckten niederdeutschen Hal- lenhäuser, später auch Scheunen und Ställe. Auf den soge- nannten Weichdächern konnten die Vögel selbständig ihre Nester anlegen.

Abb. 201: Storchenhorst auf E-Mast in Reimershagen (1985) Foto: A. Martin.

Bei der nächsten Zählung 1912 wurden nur 87 Horstpaare ermittelt. Der dramatische Rückgang resultierte vornehm- Abb. 200: Storchenhorst in (um 1900). lich aus Bejagung und Abschuss. In Mecklenburg war der Foto: Archiv C. Vick. Vogel für die „Niederjagd schädlich“. 1913 wurde die „Scho- nung des Storches“ herzoglich angeordet. Bis zum ersten Manche hochgetürmten Horste waren gut 100 Jahre besetzt mitteleuropäischen Zensus 1934 stieg die Population deut- (Bansow 1830–1981, Siemitz 1860–1995 und Zehna 1850– lich an. Der damalige Kreis Güstrow (1.671 km2) hatte zu 1930). dieser Zeit die höchste mecklenburgische Storchendichte Infolge Zerfall, Abriss und Neubau vieler Gebäude bezogen (14,5 BP/100 km2 bezogen auf den Altkreis). – Die STD im die Störche zunehmend nach 1950 Hartdächer aus Ziegel, Memelgebiet betrug vergleichsweise 69 HP/100 km2. Dachpappe, Blech, Asbest, die oft eine künstliche Nistun- terlage hatten („Reiter“). Spontan wurden auch Bäume, Aus der Kriegszeit fehlen Daten gänzlich. Bei späteren Re- Schornsteine und Türme angenommen, oder die Vögel wi- cherchen sprachen ansässige Bauern einhellig von guten chen auf stromführende Elektromasten aus. Mehrfach fa- Nestbesetzungen, häufigen „Fünflinge“ und großen An- ckelten die Reisighorste durch Stromkontakte ab. sammlungen. Um 1950 beobachtete der Landwirt Schipp- mann aus Weitendorf (mündl.) jährlich bis 120 Vögel in den Zum Brutbestand Recknitzwiesen bei Laage-Weitendorf. Mitte des 18. Jhs. waren im Oderland so viele Jungstörche Von 1958–2015 unterlag der Brutbestand intervallartigen geschlüpft, dass sie wie Hühner verspeist wurden. Siemens Schwankungen. 1971/72 waren Rekordjahre (167 bzw. 142 (1793) nannte den mecklenburgischen Storch einen „be- Junge). kannten und bey unserm Landmann sehr gelittenen Zug- Bis 1974 betrug die STD 6 BP/100 km2. Ab 1991 kam es wie- vogel“. derholt zu sog. Störjahren mit einer Jungenanzahl unter 40. Um 1900 ist er deutschlandweit „eine alltägliche Erschei- Dieser Tiefststand wurde in den Folgejahren kaum ausge- nung“. Zander (1862) sagte: „Fast in allen Dörfern … nis- glichen. tend. In einigen Dörfern sieht man fast auf jedem Gebäude 2005 brach die Storchenpopulation in M-V zusammen. Als ein Storchennest, ja auf manchen sogar zwei.“ wesentliche Ursachen werden die Nahrungsverarmung in- Wüstnei und Clodius (1902) machten erste Bestands- folge Grünlandumbruch und Monokulturanbau sowie ext- erhebungen für Mecklenburg. Die Erfassung im damaligen reme Witterung während des Heimzuges und im Brutge- Amtsgerichtsbezirk Güstrow erfolgte 1901 in 180 Orten und biet angesehen. Auch unser Altkreis erholte sich seitdem ergab 249 besetzte Nester (Flächenbezug auf das 1952 fest- nicht und verharrt mit durchschnittlich 20 bis 22 reproduk-

118 50 Jahre Fachgruppe Ornithologie und Naturschutz Güstrow tiven BP und einer STD von 3 BP/100 km2 auf niedrigstem Ergebnisse der Storchenerfassungen einen festen Platz in Niveau. Laut Roter Liste der Brutvögel M-V 2014 ist der den Jahresberichten der FG. 1974 zählten die FG-Mitglieder Weißstorch in die Kategorie 2 – stark gefährdet – einge- auch die Störche im Nachbarkreis Bützow. Dabei wurde stuft worden. deutlich, dass dort die Storchendichte mit 9,2 BP/100 km2 deutlich über der vom Altkreis Güstrow lag. Akteure und Aktionen Als 1954 Georg Strache nach Güstrow kam, begann er sich mit dem Storchenbestand des Kreises zu beschäftigen. Sei- ne frühen Aufzeichnungen sind verloren gegangen. Die ersten Bestandserfassungen zum 2. Zensus 1958 und Daten von 1963 waren für spätere Auswertungen noch unvoll- ständig, da sie sich nur auf die Brutergebnisse beschränk- ten. Genaue Angaben zu den Horststandorten fehlten. Die Auflistung zeigt aber, dass der Weißstorch relativ häufig vorkam. Von 1964 bis 1966 liegen keine Aufzeichnungen vor. Seit 1967 wurden die Erhebungen alljährlich von der FG durchgeführt. Ab 1969 kontrollierten W. Neubauer den Raum um Krakow am See und G. Strache den nördlichen Teil des Kreises. Bis 1980 lieferten auch die FG-Mitglieder M. Böhlke, J. Mewius, K. Pohlmann, I. Schult und R. Wenk Daten aus Teilgebieten, danach auch A. Martin. Auf seinen Sommerfahrten wurde G. Strache oft von F. Anderlik und später von K. Lingsminat begleitet. Von G. Strache wurde eine Storchenkartei angelegt, in der die 1952 von SCHÜZ vorgeschlagenen Termini für Brutda- ten sowie die Beschreibung der Horste und ihre Standorte vermerkt wurden. Allmählich schuf er ein flächendecken- des Betreuungsnetz und fand in jedem Nistort „Adebar- eltern“, die ihn bei Beobachtungen und Arbeiten an den Horsten unterstützten. Die jährlichen Brutergebnisse des Weißstorches im Altkreis Güstrow wurden erstmalig im Jahresbericht Nr. 5 für das Jahr 1972 genannt. Von der Er- fassung 1973 gibt es dann im nachfolgenden Jahresbericht eine Kreisübersichtskarte mit den jeweiligen Horstbeset- Abb. 203: Mit Hilfe der Feuerwehr wurde der Storchenhorst auf dem zungen und Jungenzahlen. Ab nun hatten die jährlichen Schornstein in Lalendorf errichtet – 25.3.1995. Foto: Archiv.

Abb. 202: Karteikarte aus der Storchenkartei für Reimers- hagen.

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W. Neubauer und G. Strache berichteten über den Weiß- storch im Kreis Güstrow in den Ornithologischen Rund- briefen M-V H. 25/1982 und H. 34/1991. Die FG-Mitglieder R. Becker und R. Bischoff engagierten sich anfangs eben- falls stark für die Weißstörche. Zusammen haben sie ins- besondere in den 1960er und 1970er Jahren junge Weißstör- che in ihren Horsten beringt. Zusammen mit W. Neubauer, der gleichfalls in dieser Zeit im südlichen Kreisteil junge Weißstörche beringt hatte, waren es bis zum vorgegebenen Abbruch der Beringung von Weißstörchen Ende der 1970er Jahre wohl bis zu 380 Jungstörche.

Bei Neubauer (2004) sind die Rückmeldungen von ins- gesamt nur elf der bei uns beringten Störche aufgeführt. Interessant sind die Rückmeldungen eines am 3. 7. 1971 in Goldewin beringten Jungstorches. Der Storch wurde von 1982 bis 1992 jährlich als Brutvogel in Neustadt/Sebnitz (SA) abgelesen. Eine Reproduktion bei Weißstörchen im Alter von mehr als 20 Jahren ist nach Darstellungen der Vogelwarte Hiddensee nicht ungewöhnlich. Als ältes- ter Vogel wurde ein Weißstorch mit 29 Jahren registriert. Rückmeldungen von unseren tot oder verletzt aufgefun- denen Störchen liegen auch aus der CSSR, aus Rumänien, Südafrika und zwei Mal aus dem Sudan vor.

Ab 1985 unterstützte R. Schaugstat die Storchenerhebun- Abb. 204: Aufstellung des Nistmastes in Mamerow am 8.3.1995. gen und übernahm den südlichen Teil des Kreises. Mit der Foto: Storchenarchiv der FG. Kreisgebietsreform 1994 wurde G. Strache der Koordinator für die Datenzusammenstellungen der Ergebnisse aus den „Gestelle“. Ein Rückgang der Storchenbrutpaare lässt sich Altkreisen Bützow, Güstrow und Teterow, so dass die Na- also keineswegs durch ungenügend vorhandene Nistplätze turschutzbehörden (UNB und LUNG) für die neue Gebiets- begründen. größe (2.059 km2) zusammengefasste Daten erhielten. Als im Spätsommer 1999 unser Storchenvater „Schorsch“ Bei den Hilfsmaßnahmen für Störche muss auch der An- (Georg Strache) starb, konnte Reinhard Schaugstat nahtlos teil des Tierparks, des späteren Natur- und Umweltparks die Arbeiten am Weißstorch im Altkreisgebiet fortführen. (heute Wildpark) Güstrow gewürdigt und Herrn Klaus Tu- Nicht nur die Erfassungen des Brutbestandes standen auf scher unser Dank ausgesprochen werden. Schon frühzei- der Agenda der FG. Mit dem Wegfall von Weichdächern als tig wurden hier kranke und verletzte Vögel aufgenommen. Niststandorte war zunehmend praktische Naturschutzar- Seit 1982 betreuten mit Unterstützung von Tierarzt H. Mit- beit erforderlich. An geeigneten Nahrungsplätzen flochten telsdorf die Tierpflegerinnen Petra Koppe und Liane Kasch Mitglieder der FG Weidennetze über große Holzwagenrä- mindestens 40 Tiere. Die Mehrzahl konnte nach erfolgrei- der und stellten diese auf Holzmasten montiert mit ansäs- cher Pflege ausgewildert werden. Leider begrenzten die sigen Betrieben, Feuerwehren und LPGen in die Erde. Die Vogelgrippefälle bei Wildvögeln in den letzten Jahren aus älteste, seit 1979 angeflogene „Stange“ besitzt Zehlendorf. Sicherheitsgründen die Aufnahme von Wildvögeln (vgl. Fälle im Zoo Rostock 2014). 1980 betrug der Anteil aller Masthorste 43 %, derzeit sind es 98 %. – Ab 1995 wurden mit freundlicher Hilfe der WEMAG Mit den seit 2003/06 bei Jungstörchen angelegten ELSA- anstelle der Holzmasten ausgediente Betonmasten verwen- Ringen gelingen neuerdings vermehrt Ablesungen an brü- det. Die verzinkten Nisthilfen ließ bereits seit der Wende tenden Weißstörchen. Mit einem guten Fernglas oder auch die Untere Naturschutzbehörde aus Haushaltsmitteln für auf Fotos von Kameras mit großem Zoom lassen sich die den Artenschutz anfertigen und stellte sie uns ehrenamt- Ringe sehr gut ablesen, so dass heute mehr Daten gesam- lich tätigen Helfern zur Verfügung. In der seit Beginn der melt werden können. Von 2010 bis 2015 gelangten Able- Erfassungen durch Georg Strache angelegten und von sungen bei insgesamt zwölf mit ELSA-Ringen markierten Reinhard Schaugstat fortgeführten Storchenkartei sind Brutstörchen, vier davon brüteten in mehreren Jahren in von 1967 bis 2015 insgesamt 84 neu aufgestellte Nisthil- unserem Altkreisgebiet. Die Erbrütungsorte dieser Stör- fen enthalten. Dazu kamen ebenso viele privat errichtete che lagen im Westen und Südwesten, vier stammten aus

120 50 Jahre Fachgruppe Ornithologie und Naturschutz Güstrow dem Niederungsbereich der Elbe. Bemerkenswert waren Nach Aufarbeitung der Storchenkartei und Erstellung der Ansiedlungen je eines Storches 2011 in Ganschow aus Übersicht (Tabelle 5) für den Altkreis Güstrow musste R. Schweden (SVS 763) und 2013 in Striggow aus der Schweiz Schaugstat Datenkorrekturen in einigen Jahresberichten (SG 672 HES). bzw. auch in veröffentlichten Auswertungen (1982, 1991, 2004) von W. Neubauer und G. Strache vornehmen, die z. T. erheblich waren. Abweichungen gibt es bei den Zahlen für HPa, HPm und Juv.-Anzahl vom Anfang der Storchenerfas- sungen bis 1999. Sie resultieren aus Änderungen von HPx in HPo, nicht vollständig erfassten HP-Standorten als auch aus zahlreichen Druckfehlern. Die damals publizierten Diagramme geben auch bei nun- mehr geänderten Zahlen die grundsätzlichen Aussagen richtig wider. Die nachfolgenden Diagramme basieren auf den korrigierten Zahlenangaben. Die gravierenden Veränderung der Nahrungshabitatflächen für den Weißstorch, in Karte 15 dargestellt für den Raum Zehna/Bellin, werden deutlich, wenn die bis zur Wende vorhandenen Flächennutzungen mit den heutigen vergli- chen werden. Ausgangsdaten lieferte die vom Umweltministerium initi- Abb. 205: Der Weißstorch auf dem hochgewordenen Horst in Zehna ierte CIR-Befliegung von 1991. Aus den für M-V flächende- (Gärtnerei) trägt einen ELSA-Ring. Foto: J. Loose. ckend vorliegenden Infrarotaufnahmen wurde die Biotop- und Nutzungstypenkartierung aller Flächen für 1991 er- stellt. Aus aktuellen Luftbildern z. B. von Google Earth 2014 lassen sich deutlich die heutigen Dauergrünlandstandorte erkennen (in Karte 15 die Flächen mit roten Umrisslinien).

Wenn man zu Grunde legt, dass ein Weißstorch sein Futter nur effektiv im Radius von 1 bis 2 km Entfernung (rote und schwarze Kreise) von seinem Horst suchen kann, erscheint es nicht verwunderlich, dass die in Zehna lange Zeit be- setzten zwei Horste 1999 und 2015 aufgegeben bzw. nicht wieder mit einem Brutpaar besetzt wurden. Auch der in Bellin ab 1980 besetzte Horst blieb ab 2011 ohne Brutpaar. Die verbliebenen wenigen Nahrungshabitate bringen of- fenbar nicht mehr genügend Futter für erfolgreiche Bruten.

Der Wandel in der Flächennutzung sieht in sehr vielen Tei- Abb. 206: ELSA-Ring DEW 6X213 der Beringungszentrale Wil- len des Kreises und in Mecklenburg-Vorpommern ähnlich helmshafen – Der 2008 in Biebesheim am Rhein als Jungvogel aus. Große Flächen mit Dauergrünland, auf denen auch beringte Storch brütete von 2010–2014 erfolgreich in Zehna und Kühe weideten, mussten nach der Wende einem verstärk- war auch 2015 anwesend. Foto: J. Loose. ten Raps und Maisanbau weichen. Grünlandflächen werden in jüngerer Zeit vorwiegend nur Zu würdigen sind die von unseren beiden „Storchenvätern“ noch als intensive Mähwiesen genutzt. bei den Erfassungen aufgewendeten Stunden und Fahr- kilometer. Während der Zeitaufwand nicht ausdrückbar ist, können für Georg Strache weit über 20.000 Fahr-Kilometer zunächst mit dem Moped, später mit dem Auto abgerech- net werden. Reinhard Schaugstat radelte ca. 17.500 km zu den Störchen. Von 1958 bis 2015 sind in unserer Storchenkartei 3.805 aus- geflogene Jungvögel registriert. 310 Nestlinge wurden tot unter den Horsten gefunden oder verunglückten bei Flug- übungen.

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Diagramm 14: Besetzung der Storchennistplätze im Altkreis Güstrow durch Paare mit und ohne Bruterfolg.

Diagramm 15: Die aus der Zahl der Horst- paare errechnete Storchen- dichte sank kontinuierlich und pendelt sich in den letz- ten 10 Jahren um den Wert 3,0 HPa/100 km2 ein.

Diagramm 16: Mit dem Sinken der Storchendichte verringert sich auch der Nachwuchs bei den Weißstörchen.

Diagramm 17: Während die Gesamtjun- genzahl mit der HP-Zahl sinkt, bleibt die Jungenzahl je Brutpaar im langjährigen Mittel weitgehend konstant (Trendlinien).

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Karte 15: Lebensumfeld für den Weißstorch im Raum Zehna und Bellin im Zeitvergleich 1991 und 2014: Die roten Umrissflächen zeigen die nur noch vorhandenen Grünlandflächen von 2014.

Karte 16: Lebensumfeld für den Weißstorch im Raum Strenz – Bis auf eine kleine Erstaufforstung innerhalb der Grünlandfläche (Fläche grün schraffiert) und einem Teilumbruch von Grünland (Fläche rot schraffiert) sind gemäß aktuellem Luftbild heute die Grünlandflächen noch fast so vorhanden, wie sie 1991 in der Biotop- und Nutzungstypenkartierung ausgewiesen wurden. Seit 1991 ist der Horst in trenzS besetzt worden. (Datenquellen: siehe Karte 15)

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Interessant ist die Feststellung, dass der mit dem ELSA-Ring Nach der Jungenreproduktion befinden sich die erfolg- DEW 6X213 gekennzeichnete und von 2010 bis 2014 erfolg- reichsten Storchenhorste in Güstrow-Schweriner Straße reiche Brutvogel in Zehna (vgl. Abb. 206) im Jahre 2015 bei (119), Tolzin (108), (102), Lüssow (100), Prü- Ausbleiben seiner Partnerin den Horst verließ und sich neu zen (99), (96) und Karow (89) – in Klammern die Jun- in Strenz ansiedelte, wo er zunächst mit einem ebenfalls be- genzahl über alle dokumentierten Brutjahre – vgl. Tabelle ringten Weibchen (DEH HC 128) eine Brut begann. 5 auf den Folgeseiten. Das ursprünglich hier ansässige Brutpaar war noch nicht anwesend und vertrieb das neue Paar später von hier. Zu Schaut man sich zu diesen Orten das Umland an, stellt man diesen Erkenntnissen kam man nur durch die Beringung mit den Sumpfseewiesen, der Mühlbachniederung, der der Störche. Niederung südlich von Knegendorf und den Pferdewiesen Im Gegensatz zum Nahrungshabitat um Zehna gab es bis bei Plaaz sehr schnell fest, dass hier noch größere Grün- auf eine kleinflächige Aufforstung innerhalb einer Dauer- landflächen existieren. Hier ist wohl die Nahrungsbasis für grünlandfläche im Umfeld von Strenz keine gravierenden Störche noch ausreichend vorhanden. Eingriffe in die vorhandenen Grünlandbiotope, wie sie in der Biotop- und Nutzungstypenkartierung von 1991 dar- gestellt wurden. Das Storchenmännchen aus Zehna war offenbar durch das bessere Nahrungshabitate angelockt worden (vgl. Karte 16). Aber auch in diesem Gebiet wurde bereits aktuell begon- nen, einige Wiesenflächen südlich des Ortes in Ackerland umzuwandeln

Abb. 207 bis 214: Historische Fotos von Storchenhorsten in Diekhof – Marstall, Groß Bäbelin, Zehna – Gutshaus, – Speicher, Niegleve – Baumhorst, Striesdorf (1990), Strenz – Stahlrohr, Scheune Jahmen (1992) (v.l.n.r.) – Fotos: Storchenarchiv der FG.

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9.2. 50 Jahre Graureiher-Bestandserfassung im Altkreis Güstrow (1965–2015)

Reinhard Schaugstat

Nach dem DDR-Gesetz zur Regelung des Jagdwesens 1962 und 1984 waren Reiher jagdbar, wobei Kolonien Schonzei- ten hatten. 1972 bis 1983 sollen nach Aussagen von Anwoh- nern (E. Boltze u. a. mündl.) aus den Bäumen der Forellen- mast am Mühlenhof Kuchelmiß mehrere hundert Vögel geschossen worden sein. An der Forellenzucht Walkmöhl bei Dobbin wurden durch Jäger und Teichwirte zeitweise 50–70 fischende Reiher vertrieben. Drei erlegte Tiere trugen Ringe der Vogelwarten Hiddensee und Kopenhagen (NEUBAUER, 2004). 1970 ist der Graurei- her in der Bundesrepublik zum Jahresvogel gekürt worden.

Derzeit erscheint der für Gewässer charakteristische Vo- Abb. 216: Ausschnitt der Graureiherkolonie Gülzow auf einer gel seltener. Die Bestände schwanken und verringern sich. Kiefer – Mai 2007. Foto: J. Loose. Hauptgründe sind Nahrungsmangel, Holzeinschläge in Brutreviernähe (Gülzow) und Witterungseinflüsse. Horst- 1994 und 1995 brüteten zwei Paare auf der Seeadlervolie- paare wandern ab oder kehren von ihrer „Winterflucht“ bis re im NUP Güstrow, 2007 zwei Brutpaare mit acht Jungen Afrika nicht zurück. Andererseits bilden sich spontan An- im Mistorfer Teich (Look, R. Schaugstat). Von 2008 bis 2011 siedlungen, die rasch aufblühen und bald erlöschen oder hatten Graureiher die verschilfte Senke südlich von Tolzin umziehen. als Brutplatz erkoren. Nach Aufgabe dieses Brutplatzes bil- Frühe Anhaltspunkte von Reiherbrutplätzen finden wir in dete sich eine neue Kolonie bei Wattmannshagen. den Mecklenburgischen Flurkarten um 1870. So deuten die Flurnamen „Reiherhorst“ nördlich von Goritz und „Reiher- Genaue Daten zur Reiherstärke erbrachten fünf zentra- bruch“ bei Diekhof auf ehemalige Kolonien. le DDR-Zählungen von 1960 bis 1983. Für die Güstrower Detmers vermerkte 1912 im Grenzgebiet der Polchow 5–6 Fachgruppe erfasste W. Neubauer 1964–1967 die Horst- Horste ohne konkrete Angabe. paare der Kolonie Gülzow. Ab 1971 kontrollierten R. Be- Kuhk (1939) nannte die „Insel im Hohen Sprenzer See bei cker, R. Bischoff und W. Köhler die bekannten Brutkoloni- “ als Niststätte in den Jahren 1933, 1935 und 1936 en. Nach 1980 beteiligten sich J. Loose und G. Strache an (mit 40, 30 und 36 Horsten). 1940 bis 1942 existierte bei den Erfassungen. Wertvolle Informationen lieferten ferner Hägerfelde nach K. Pohlmann ein starker Bestand mit 70 V. Bösel, M. Fritsche, K.-H. Koop und St. Thiel. bis 90 Brutpaaren. In den 1940er Jahren soll nach R. Becker eine Brutkolonie nordwestlich des Hofsees bei Vietgest Das beträchtlichste Zahlenmaterial verdanken wir jedoch existiert haben. 1957 gab es im Lantower Holz 16 Reiher- Reinhard Becker. Während seiner 25-jährigen feldornitho- nester, von denen 6–7 besetzt waren (W. Kintzel). logischen Arbeit schuf er, wenn auch lückenhaft, eine so- Eine kleine Brutkolonie lag 1970 bis 1980 im Laager Moor lide Datei. bei Vipernitz (mündl. Schütt). Es wurden auch einige Ein- zelpaare im Kreisgebiet registriert – 1994 gab es zwei Hors- In einzelnen Jahresberichten der FG erschienen unter dem te am Dehmer See (R. Becker). Punkt der bemerkenswerten Beobachtungen gelegentlich auch Ergebnisse aus den Bestanderfassungen in den Brut- kolonien. Im Jahresbericht Nr. 16/1983 gibt R. Becker eine erste zusammenfassende Übersicht über die damals drei vorhandenen Brutkolonien in Gülzow, Dolgen und Rog- gow für den Zeitraum ab 1956. Seit 1994 betreuten K. Lings- minat und R. Schaugstat die Kolonien.

Mit Nr. 27/1994 hatten die Ergebnisse der Graureihererfas- sung einen festen Platz in den Jahresberichten gefunden. R. Schaugstat berichtete ausführlich über die jährlichen Abb. 215: Graureiher auf Kiefer. Foto: K. Kirschnick. Besetzungen in den Kolonien. Neben den Horstpaarzahlen

129 50 Jahre Fachgruppe Ornithologie und Naturschutz Güstrow wurden durch ihn besonders die Brutabläufe überwacht men für die Besetzung der einzelnen Kolonien ersichtlich und die flüggen Jungvögel gezählt. Die Tabelle 6 gibt eine ist, stiegen in Jahren nach Aufgabe einer Brutkolonie die Übersicht über die Besetzung der Kolonien in unserem Er- Brutpaarzahlen in anderen Kolonien an. Die Graureiher fassungsbereich. siedelten vermutlich aber auch in besser geeignete Gebiete außerhalb unseres Kreises um.

Abb. 217: Graureiherkolonie im Erlenbruchwald bei Serrahn. Foto: R. Schaugstat.

Gegenüber einem Maximalbestand im Jahre 2001 mit 207 Brutpaaren beherbergt der Altkreis Güstrow mit dem aktu- ellen Graureiherbrutbestand des Jahres 2015 von nur noch ca. 50 Brutpaaren in vier Brutkolonien (Gülzow/Parum, Güstrow-Nebel/NUP, Ridsenow und Wattmannshagen) nicht einmal zwei Prozent des Brutbestandes von Meck- lenburg-Vorpommern (vgl. dazu Völker, 2014). Die auch im Land ausgewiesene Abnahme des Brutbestandes fällt für den Altkreis Güstrow deutlich krasser aus. Von 2010 bis 2013 reduzierte sich der Landesbestand um ca. 12 %. Im Altkreis Güstrow verringerte sich der Bestand von 2008 Abb. 218: Graureiher zur Paarungszeit mit orange farbenem bis 2015 um ca. 32 %. Wie aus den nachfolgenden Diagram- Schnabel. Foto: J. Loose.

Diagramm 18: Graureiher-Brutpaare und Anzahl der Jungvögel im Altkreis Güstrow (Angabe für alle Kolonien)

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Diagramme 19 bis 23: Entwicklung der Brutpaar- zahlen in den einzelnen Graureiher-Kolonien

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Tabelle 6: Übersicht zur Besetzung der Graureiher-Brutkolonien

Kolonie- Dolgen Gülzow Güstrow Klaber Lüders- Neu Kras- Ridsenow Serrahn Tolzin Watt- standort Parum Nebel NUP Wockern hagen sow Rog- mannsha- gow gen Jahr 1965 /20/ 30// 1966 /20/ 25// 1967 /46/ 1968 1969 /12/ 1970 1971 2/0/ 51/51/ 1972 4/3//3/ 20/1/1 1973 6/4//50//3/ 20/8/ 1974 5/4//3/ 1975 /6//51//3/ 20/8/ 1976 /8//3/ 1977 15/11//42//3/ 1978 15/13/ 55/51//8/20 20/11/ 1979 /8//10/ 1980 13/0//70//8/ 1981 /0/ 1982 XXXXXX /16/ 1983 16/13/ 58/53/ 25/18/ 27/27/ 1984 /25//95//24/ 1985 /15//60/ 23/21/ 1// 1986 15/10/ 59/40/ 24/19/ 1987 15/12/ 59/54/ 26/24//2/ 1988 22/19/ 79/74/ 31/28/ 1989 92/86/ 35/33/ 1990 /20/ /102//35/ 1991 /22/ 110/101/ 34/29/ 1992 22/21/2/2/ 1993 3/2/ 1994 10/6/13 110/72/141 3/2/6 /2/ 58/48/84 8/8/ 1995 13/8/12 109/72/137 2/2//3/ 54/42/76 /5/ 1996 14/3/5 93/54/114 2/2/4/2/6 46/34/90 /5/ 1997 6/3/7 113/85/187 0/0/ 3/3/13 44/28/64 /1/ 1998 5/5/16 129/110/319 XXXXXX 5/4/13 38/29/79 /5/ 1999 8/6/17 156/130/357 9/7/23 40/33/93 /5/ 2000 9/7/19 153/132/ 17/13/49 36/33/84 /5/ 2001 11/11/25 156/130/356 24/22/64 44/39/100 /5/ 2002 9/1/0 162/133/342 2/1/2 21/2/0 47/42/107 11/8/21 2003 4/0 148/128/326 XXXXX 43/5/0 8/8/21 2004 0 157/130/289 22/5/6 9/8/19 2005 4/1/3 137/113/260 16/5/13 7/6/15 2006 4/1/ 100/60/139 2/2/1 7/5/11 6/5/14 10// 2007 3/2/5 103/79/190 6/0/ 12/11/27 16/13/33 2008 4/1/2 117/100/240 XXXXX 19/18/46 26/23/66 6/6/19 2009 2/0 81/55/134 11/6/14 24/21/61 4/3/10 2010 XXXX 45/33/79 /6/14 24/19/53 4/4/12 3// 2011 39/23/55 /6/13 22/18/60 4/3/0 3// 2012 41/21/61 16/8/20 /7/21 29/5/0 4/0/0 3// 2013 40/8/22 16/14/49 4/2/4 29/0/0 XXX 3// 2014 15/3/6 23/21/63 5/4/9 20/5/0 10/10/21 2015 11/2/0 43/34/90 5/5/14 XXXXX 10/7/22 – Zahlenangaben in der Reihenfolge: Horstanzahl/Anzahl der Brutpaare/Zahl der Jungen – Die Kennzeichnung XXX bedeutet das Ende der Koloniebesetzung.

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9.3 Arbeit mit den Adlern

Wolfgang Köhler

Als die Fachgruppe 1965 gegründet wurde, war über das Da anfangs alle Horste des Seeadlers bestiegen wurden, um Vorkommen und die Verbreitung unserer heimischen die Jungadler zu beringen, war es unumgänglich, die Re- Adler im Kreisgebiet nicht viel bekannt. Eine systemati- vierförster mit in die Beobachtungen einzubeziehen. Die sche Kontrolle erfolgte in der Vergangenheit leider nicht. Überwachung und Betreuung gingen schrittweise an die Vom Seeadler war bekannt, dass er in den großen Kiefern- Revierförster über. Die Überwachungstrecke beim Seeadler waldungen südlich von Krakow in einzelnen Brutpaaren läuft inzwischen direkt vom Revierförster zu Peter Hauff, vorkommen sollte. dem Koordinator für ganz Mecklenburg-Vorpommern. Ein Ähnlich sahen die Kenntnisse über den Fischadler aus. Von eifriger Sucher von neuen Seeadleransiedlungen in un- ihm waren nur drei Brutpaare bekannt (bei Bossow und bei serem Wirkungsbereich ist unser FG-Mitglied Reinhard Koitendorf jeweils auf einer Kiefer und bei Neu Strenz auf Schaugstat, der schon mehrere Horste gefunden hat. einem Elektromast). Der Schreiadler war zu dieser Zeit bereits kein Brutvogel Die Fischadlerbrutplätze im Bezirk wurden von Dr. Sieber mehr im Kreisgebiet. zunächst nur sporadisch erfasst. Erst Peter Hauff, versuch- Der Schutz aller Greifvögel, insbesondere der Adler, war te eine systematische Erfassung durchzusetzen und band zwar gesetzlich geregelt, es gab aber immer noch zum Teil mich in diese Arbeit ein. Mit der Zunahme der Brutpaar- gravierende Störungen. Der Hauptgrund für die offensicht- zahlen bei See- und Fischadler war die Arbeit und Berin- liche Abnahme der Bestände war jedoch der Einsatz von gung für beide Arten in einer Hand nicht mehr zu bewäl- chlorierten Kohlenwasserstoffen. Die Nebenwirkungen tigen, es erfolgte eine Arbeitsaufteilung. Nun übernahm dieser Insektizide insbesondere des DDT wurden aber noch ich die Kontrolle der Fischadler, nicht nur für den Kreis, nicht erkannt. sondern für den gesamten Bezirk Schwerin. Diese Ar- Einen Anfang zur systematischen Erfassung der See adler beitsteilung hat sich bewährt. Seit dem Jahre 2000 ist un- machte der Bezirksnaturschutzbeauftragte Dr. Hans Sie- ser FG-Mitglied Steffen Thiel dazu gestoßen, er soll in den ber aus Schwerin. Durch eine alljährliche Umfrage bei kommenden Jahren die Koordinierung bei den Fischadlern Gewährsleuten und persönliche Bereisungen wurden die übernehmen. Bestände von ihm im ganzen Bezirk Schwerin erfasst und dokumentiert. Kurze Zeit danach stieß Peter Hauff dazu, der später die Seeadlerkontrolle ganz übernahm. Für den Kreis Güstrow führte ich die jährlichen Kontrollen an den Seeadlerhorsten durch. In den Folgejahren konnten die Störungen in den Adlerrevieren durch Überzeugung und Aufklärungen konsequent zurückgedrängt werden. Trotz- dem erholten sich die Bestände nicht, die Nachwuchszah- len waren einfach zu gering. Das änderte sich erst, als die Nebenwirkungen der chlorierten Kohlenwasserstoffe be- kannt wurden und man den Einsatz dieser Mittel schließ- lich gesetzlich verboten hatte.

Abb. 220: Wolfgang Köhler an einem Horst des Fischadlers auf dem Mast einer Mittelspannungsleitung beim Beringen. Foto: St. Thiel.

Wurden anfangs alle vom Aussterben bedrohten Tierarten, also auch die Adlerarten, in der DDR von einem speziellen Arbeitskreis (AKSAT) überwacht, ging diese Arbeit nach der Wende an die Länder, in Mecklenburg-Vorpommern an das Landesamt für Umwelt und Natur (LAUN), jetzt Lan- desamt für Umwelt, Naturschutz und Geologie (LUNG) über. Jährlich werden dort in einer Projektgruppe Groß- vogelschutz die aktuellen Bestandesentwicklungen sowie Abb. 219: Peter Hauff und Wolfgang Köhler bei der Beringung von aufgetretene Probleme diskutiert und notwendige Schutz- zwei jungen Seeadlern. Foto: R. Langer. maßnahmen beraten.

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Während sich inzwischen die Bestände beim See- und an den jeweiligen Streben befestigt werden müssen, auf Fischadler kontinuierlich weiter erholt haben, ist der die Masten steigen. Damit ist das Besteigen eine sehr zeit- Bestand beim Schreiadler in M-V auf einem kritischen aufwendige Arbeit geworden. Die Jungvögel werden dann Niveau. Im Wirkungsbereich unserer Fachgruppe ist kein meist über ein Seil in einem Rucksack heruntergelassen Brutpaar zu finden. Nur gelegentlich kann man Schreiadler und am Boden beringt. Anschließend nehmen sie wieder an den Grenzen unseres Altkreises beobachten. den gleichen Weg nach oben. In den letzten Jahren haben sich einige Mitarbeiter der Energiebetriebe auch soweit Für die im Altkreis Güstrow brütenden Adlerarten ver- qualifiziert, dass sie die Beringung oben am Horst selbst zeichnen wir folgende Brutbestände (Stand 2015): ausführen können. Seeadler: 16 Brutpaare, 5,5 % von M-V (290 BP) Fischadler: 19 Brutpaare, 9,9 % von M-V (191 BP)

Von diesen 19 Fischadler-Brutpaaren brüten nur noch vier auf Bäumen, die übrigen auf Strommasten – vier auf 220 kV Leitungen, sieben auf 110 kV Leitungen und jeweils zwei auf 20 kV Trassen und auf Kunsthorsten.

Die überwiegende Nistweise des Fischadlers auf Strommas- ten bedingte eine enge Zusammenarbeit mit den Energie- unternehmen. Am Anfang unserer Arbeit stiegen wir zur Beringung ohne besondere Sicherheitsmaßnahmen auf die Masten der 110 kV bzw. 220 kV Leitungen. Nur die Mittel- spannungsleitungen mussten vorher abgeschaltet werden. Im Laufe der Jahre haben sich die Sicherheitsbestimmun- gen kontinuierlich erhöht. Gegenwärtig dürfen nur noch Abb. 221: Steffen Thiel (rechts) und ein Mitarbeiter der WEMAG Mitarbeiter der Energiebetriebe mit Sicherheitsgurten, die beringen junge Fischadler gleich oben im Horst. Foto: W. Köhler.

Tabelle 7: Fischadlerbrutplätze des Altkreises Güstrow mit Jungenzahl je Horst von 2003–2015 (als Ergänzung zu den Darstellungen in NEUBAUER, 2004)

2003 2004 2005 2006 2007 2008 2009 2010 2011 2012 2013 2014 2015 Langhagen 3322313233–32 Dersentin 2330333244223 Hinzenhagen 334203 Nienhagen 1223331332332 Charlottenthal 0303332333222 Neu Dobbin 3103201220––0 Wendorf 1311232133323 Lüssow 3223031233333 Schwiesow 13223222220–2 Windfang 2421221112222 Gerdshagen 22231–3012223 Lohmen 02–1––202200 Schwiggerow 032334333323 Bölkow 2203132323 Bossower (Kiefer) 213 Schönwolde 211232–2 Bornkrug 112222 Bansow Abz. 02–3 Bansow II 02–32– Tolzin 2322 Glave 0323 Carlsdorf 2333 Nienhagen II 1– Bossow (tote Kiefer) 3 Horste, besetzt 11 13 13 13 14 14 14 18 17 18 18 17 19 BP-erfolgreich 10 11 11 12 12 12 14 15 16 16 17 16 17 Junge 21 29 25 27 27 30 28 29 38 40 44 35 43

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Da die Abschaltungen bei den Mittelspannungsleitungen Insgesamt wurden in jedem Jahr etwa 3.000 km mit dem sehr aufwendig sind und die Horste auf diesen Leitungen Auto zurückgelegt, um all diese Arbeiten zu erledigen. oft Kurzschlüsse auslösen, sind die Energiebetriebe be- müht, die Horste von diesen Leitungen zu entfernen. Eine Möglichkeit ergab sich, die Horste bei der Rekonstruktion benachbarter 110 kV Leitungen auf diese umzusiedeln. Als andere Möglichkeit wurde die Aufstellung eines neuen Be- tonmastes mit Horstkorb in unmittelbarer Nähe praktiziert. Diese Maßnahme setzte aber immer auch das Einverständ- nis des jeweiligen Flächeneigentümers voraus. Auch war es erforderlich, dass die Horste auf den Betonmasten zur Beringung mit Hubwagen angefahren werden können. Die Umsiedlungen von Fischadlerbrutpaaren verliefen bisher erfolgreich. Sie sind sowohl für die Energieversorger als auch die Betreuer eine Erleichterung. Die Koordinierung mit den Verantwortungsbereichen der Energieunternehmern (e-dis, WEMAG, 50 Hertz, Meister- bereiche Bützow, Neustadt-Glewe und Lübz) sowie für Abb. 222: Fischadler-Brutpaar auf einem 110kV Mast. Foto: Loose. die einzelnen Leitungen erfordert einen enormen Arbeits- aufwand. Sie wurde dankenswerterweise von Herrn Rudi Langer, einem ehemaligen Mitarbeiter der Energiebetriebe übernommen, der uns seit Jahren bei den Beringungen be- gleitete.

Diagramm 24: Der Bestand der Fischadler zeigt ab Ende der 1980er Jahre einen deutlichen positiven Entwicklungstrend.

Abb. 224: Fischadler erhal- ten neben dem Metallring auch einen gut aus der Ferne ablesbaren Kennring – hier mit Abb. 223: Bei der Beringung drücken sich die Jungadler apathisch ins Nest. Foto: St. Thiel. dem Code 4XE. Foto: St. Thiel.

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9.4 Kraniche

Guntram Trost

Als großer imposanter Vogel stand der Kranich gleich mit Bildung der Fachgruppe für Ornithologie und Naturschutz in Güstrow im Interesse der Mitglieder. Der erste Eintrag in der Fachgruppenkartei stammt vom 20. 03. 1965 und be- zieht sich auf vier ziehende Kraniche über Krakow am See. Aber auch die ersten Brutverdachte stammen aus dem Gründungsjahr der Fachgruppe. Der erste konkrete Brut- nachweis findet sich für den 14. 05. 1968 auf den Karteikar- ten (Eintrag durch K. Pohlmann): ein Nest mit zwei Eiern am Schlenkengraben. Dieses Brutrevier bestand über viele Jahre, ist heute aber trocken und nicht mehr für die Brut geeignet. In der ersten Hälfte der 1960er Jahre befand sich die Kra- nichpopulation in Mecklenburg auf ihrem Tiefststand. Auch deshalb bestand ein großes Interesse der FG-Mitglie- der am seltenen Kranich. Eine Bestandserhebung für den Wirkungskreis der Fachgruppe wurde in den Unterlagen erstmalig für 1971 gefunden. An den 17 bekannten Brut- plätzen konnten sieben Jungtiere von fünf erfolgreich brü- tenden Paaren erfasst werden. In den seit 1968 erscheinen- Abb. 225: Berufungsschreiben zum Kranichbetreuer den Jahresberichten der Fachgruppe Güstrow findet sich der erste Beitrag zum Kranich in Nr. 7/1974. Dieser Bericht Anfangs mit Motorrad unterwegs kontrollierte er die Brut stammt von Wolfgang Köhler und umfasst für den Zeit- oder erfasste neue Brutplätze. Ab 2013 wurde die Koor- raum 1965 bis 1974 hauptsächlich den Zug der Kraniche. dinierung der Kranicherfassung von Guntram Trost und Ab dem Jahresbericht Nr. 11/1981 gibt es durchgängig den Beate Meder-Trost übernommen. jährlichen Kranichbericht. Autor war von Beginn bis 2012 In den Anfangsjahren war die Kontrolle der Kranichbrut- Karl Heinz Koop, anschließend stellte Guntram Trost diese plätze sehr übersichtlich und mit geringen Fehlern behaf- Darstellungen zusammen. tet. Im Laufe der Zeit konnte jedoch eine rasante Zunahme der Zahl der Brutpaare beobachtet werden. 2007 gab es in Nachdem im Jahre 1957 in der DDR ein „Arbeitskreis zum unserem Altkreisgebiet bereits über 100 bekannte Brutpaa- Schutze vom Aussterben bedrohter Tiere“ gebildet wurde, re. Die heutige Anzahl der Brutpaare liegt über 300 und kam es auf dessen Anregung im Jahre 1978 zur Entstehung eine exakte Kontrolle ist nicht mehr beherrschbar. Die der „Bezirksarbeitsgruppe Gefährdete Tierarten“ für den jährlichen Zunahmen der Brutpaare wiesen in den letzten Bezirk Schwerin. Die Leitung übernahm neben Wolfgang Jahren relativ hohe Zahlen auf: für 2013 bereits 25 Paare, Mewes und Peter Hauff auch das Güstrower Fachgrup- 2014 noch einmal 30 Paare und für 2015 wurden 50 besetz- penmitglied Wolfgang Köhler. Durch diese Arbeitsgrup- te Brutplätze neu aufgenommen. Einige dieser neuen Brut- pe wurden Kreisbeauftragte für Kranichschutz berufen plätze entstanden jedoch nicht im Jahr der Entdeckung, (Abb. 225). Aus der Güstrower Fachgruppe stellte sich Karl- sondern waren sicherlich schon zuvor belegt. Geschuldet Heinz Koop dieser Aufgabe. Einige Jahre noch in Zusam- sind diese Ungenauigkeiten der stetig zunehmenden Dich- menarbeit mit Friedrich „Fritz“ Anderlik, stimmte er die te der Brutplätze, die durch die Kranicherfasser nicht mehr Kranicharbeit im Gebiet bis zum Ende des Jahres 2012 ab. sofort entdeckt werden konnten.

Diagramm 25: Das Diagramm zeigt die Entwicklung des Kranich- Brutpaarbestandes im Altkreis Güstrow (1.002km2) nach Angaben der Fachgruppe Güstrow.

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Die Zugbewegungen der Kraniche und besonders natür- lich der Herbstzug, sind sehr auffällig. Zu Beginn der Datenerfassung durch die Fachgruppe waren auch die Zug- daten die häufigsten Eintragungen. Das änderte sich in den Jahren mit der Erkenntnis, dass auch andere Daten sehr wichtig für die Bewertung der Kraniche im Gebiet sind. Heute beziehen sich die meisten Daten auf die Besetzung der Brutreviere und den jährlichen Bruterfolg. Aber auch auf das Sammelgeschehen der heimischen Kraniche und auf den Zuzug der nordischen Vögel wird nun Wert gelegt. Diagramm 26: Besetzung des Kranichschlafplatzes am Breeser See In den zehn ersten Jahren des Bestehens der Fachgruppe im Jahresverlauf (Beispiel für 2014) finden sich jährlich etwa 30 Datensätze zum Kranich auf den Karteikarten. Heute erfasst die Fachgruppe jährlich um „Die Farbberingung von Graukranichen Grus grus mit die 1.000 Datensätze. einem Dreifarben-Code und die Besenderung mit Radio- Zählungen schlafender Kraniche wurden in früheren Zeiten sendern erfolgten in Europa erstmals 1988 in Spanien. In nur sehr sporadisch durchgeführt. Die Schlafplätze waren Deutschland werden seit 1989 Kraniche im Rahmen eines wahrscheinlich nur teilweise bekannt. Manche Plätze wur- internationalen Beringungsprojektes mit einer Individu- den nur zwei oder drei Jahre von Kranichen genutzt. An almarkierung versehen. Seit 1990 kommt das im Septem- den alten Schlafplätzen (Vorder- und Hintermoor bei Rum ber 1989 auf der internationalen Kranichtagung in Tallinn, Kogel, Großer Werder im Krakower Obersee, Püstenberg Estland, vereinbarte System mit drei verschiedenfarbe- bei Seegrube, Koppel westlich Striggow) übernachtete nur nen Kunststoffringen zum Einsatz.“ (Information aus dem eine geringe Zahl von Kranichen, die selten die 200er Marke Kranichinformationszentrum Groß Mohrdorf – siehe auch überstieg. Im Jahre 1995 entstand ein Schlafplatz am Ufer des http://www.kraniche.de) Breeser Sees, an dem durch den NSG-Betreuer von Anfang an kontinuierliche Zählungen durchgeführt wurden. Mit der Einführung der deutschlandweiten Synchronzählungen an den Schlafplätzen der Kraniche im Jahre 2010 werden alle bekannten Plätze im Fachgruppenbereich systematisch an Stichtagen kontrolliert. Aktuelle Schlafplätze befinden sich neben dem im NSG Breeser See in den renaturierten Poldern Gutow und Klaber, seit 2012 auch im neuen PVA-Teich öst- lich Güstrow und seit kurzem auch wieder auf dem Großen Werder im Krakower Obersee. Die Kranichschlafplätze kön- nen verschiedenen Sammel- und Rastregionen zugerechnet werden (vgl. Sonderheft 1 des ORMV, Band 48, 2014), zwi- schen denen es einen ständigen Austausch gibt.

Tabelle 8: Maximalzahlen der an Schlafplätzen bei den Synchronzählungen übernachtenden Kraniche

Jahr Datum Maximum Kranichanzahl 2010 09. Okt. 1.100 2011 01. Okt. 650 Abb. 226: Der am 29.06.1996 in Jellen beringte Kranich (kleines 2012 01. Okt. 660 Bild: originale Beringung) verlor nach und nach seine Ringe, kann 2013 06. Okt. 1.400 aber mit der Auffälligkeit des Ausbruches am ausgeblassten Ring 2014 18. Okt. 1.600 noch zugeordnet werden. Foto: M. Meder-Trost. 2015 12. Sept. 1.600 Der Schlafplatz am Breeser See wird bereits frühzeitig nach Die anfangs verwendeten individuellen Farbringe blichen der Rückkehr der Kraniche aus dem Winterquartier regel- leider mit der Zeit aus und konnten dann nicht oder nur mäßig durch eine hohe Anzahl genutzt. Seit mehreren Jah- schwer zugeordnet werden. Ab 2001 kamen durchgefärbte ren wird der Breeser See auch jährlich als Mauserplatz von Ringe zum Einsatz, die nicht ausbleichen. 20 bis 60 Vögeln genutzt, die Ende Mai bis Mitte Juni, dann meist flugunfähig, die umliegenden Wiesen zur Äsung nut- zen. Der Bruchwald des NSG bietet ihnen bei Störungen einen gut geeigneten Rückzugsraum.

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häufiger festgestellt. Durch die verringerte Entfernung zu nahen Überwinterungsgebieten finden sich unsere Brut- kraniche auch immer früher in ihren Revieren ein.

Karte 17: Nachweisorte des Kranichs aus Abb. 227 im ersten und zweiten Jahr. (Karte aus ICORA)

Ablesungen von Ringkombinationen gelingen besonders Abb. 227: Dieser Jungvogel stammt vom Nest bei Koppelow-Ausbau gut an den Schlafplätzen. Am Breeser See konnte mittels und wurde am 25.6.2014 beringt. Am linken Bein befindet sich die automatischer Wildkamera sehr viele Ringkraniche foto- Länderkennung – hier: gelb-blau-blau. Der Vogelwarten-Ring ist grafiert werden. unten am rechten Fuß. Foto: G. Trost.

Seit Beginn der Beringung werden auch Jungkraniche im Bereich Güstrow mit Farbringen ausgestattet. Ablesungen von Farbringen wurden regelmäßig durch zahlreiche Be- obachter unter der Internetadresse www.icora.de in eine internationale Datenbank eingegeben, mit der im Jahr 2008 gestartet worden war. Gegenwärtig fehlt leider ein Über- blick über diese Farb-Beringungen und eine Auswertung der Ringablesungen im Gebiet. Jeder Melder bekommt je- doch Einblick in die zahlreichen Ablesungen „seiner“ Kra- Abb. 228: Seltener waren Kraniche mit roten Ringen, die in Schwe- niche und kann deren Weg im Jahreszyklus und inzwischen den beringt worden waren, zu beobachten. Foto: Loose. auch über viele Jahre hin verfolgen. So kommen aber nur zufällig ausgewählte Kraniche zur Auswertung. In unserer Region hatte sich Dirk Seemann aus der FG Für den Jungkranich in Abb. 227 liegen bis zum 28. 12. 2015 Bützow mit der entsprechenden Empfangstechnik ausgestat- insgesamt 62 Folgeablesungen vor. tet und stellte die Anwesenheit von besenderten Kranichen Nach dem Flüggewerden zog er 2014 nicht in ein klassisches fest. Er informierte uns regelmäßig über seine Erfassungen. Winterquartier nach Frankreich oder Spanien, sondern frühzeitig Ende September lediglich bis Niedersachsen in Bilder aus dem Leben von Kranichfamilien: den Raum von Vechta (Umfeld des Goldenstedter Moores). Bereits ab dem 16. 01. 2015 wurde er wieder bei beobachtet. Hier und im Raum Suckwitz und Breeser See hielt er sich dann bis zum 11. 10. 2015 auf. Auch seinen zwei- ten Winter begann er mit Aufenthalten wieder im Umfeld des Goldenstedter und Freistetter Moors in Niedersachsen. Da zu vermuten ist, dass der Jungkranich seine erste Reise gemeinsam mit den Eltern begonnen hatte, wird hier ver- deutlicht, dass Überwinterungstraditionen wahrscheinlich von den Eltern übernommen werden und ein weiter Weg- zug bis nach Spanien immer häufiger ausfällt. Bei uns über- Abb. 229: Kraniche verteidigen ihr Brutrevier gegen Füchse auch winternde Kraniche werden in den jüngsten Jahren immer schon mal sehr heftig. Foto: B. Meder-Trost.

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Abb. 230: Dieses Nest liegt knapp 20 m von einem stark befahrenen Betonweg entfernt. Foto: B. Meder-Trost.

Abb. 231: Das Kranichpaar vom Gänserichsoll bei Lübsee hat ein Abb. 232: Im Ackersoll-Nest bei Nienhagen ist ein Küken bereits Gänseei zu ihren Kranicheiern getragen. Foto: G. Trost. geschlüpft, das zweite Küken hat seine Eischale angepickt. Foto: B. Meder-Trost.

Abb. 233: Die jungen Kranichküken sind noch nicht sehr ängstlich, wie hier am Bahndamm bei Klein Grabow. Foto: B. Meder-Trost.

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9.5 Saatkrähen

Joachim Loose

Der bei uns nur in Ortschaften nistenden Saatkrähe gelang es nie, eine Akzeptanz bei der Bevölkerung wie andere Vögel zu erlangen. Nicht nur, dass sie schwarz sind, ma- chen sie als Koloniebrüter viel Lärm und Dreck und stö- ren. So werden sie bestenfalls zähneknirschend geduldet, wenn man aus gesetzlicher Sicht nichts gegen sie und ihre Niststandorte unternehmen konnte. Oft genug unternahm man aber auch etwas gegen die „lästigen“ Vögel. Zu DDR- Zeiten war es durchaus üblich, dass die Feuerwehr zu Be- Abb. 234: Adulte Saatkrähen sind an dem markanten weißen ginn der Brutzeit ausrückte und die frisch gebauten Nester Grind an der Schnabelwurzel zu erkennen. Foto: J. Loose. herunterspritzte. Selbst nach der Wende stellte die Stadt Güstrow mehrfach bei der zuständigen Naturschutzbehör- Wolfgang Neubauer hatte zur Erstellung der Kreisavifau- de (LUNG, später UNB) Anträge, um genauso verfahren zu na intensiv recherchiert und alte Literatur ausgewertet. dürfen. Bürger wiesen uns darauf hin, dass die Saatkrähen Für die Saatkrähe sind aus den 1930er Jahren Kolonien doch die schönen Platanen, in denen die Krähen ihre Nes- von nachfolgenden Orten überliefert: bei Kobrow (Blocks- ter errichteten, nachhaltig schädigen würden, weil sie im- berg), Breesen (Parper Tannen), Koppelow (Nebelwaldun- mer wieder die frischen Zweige an den Baumspitzen für gen), Krakow am See (Wadehängsche Tannen), Liessow den Nestbau abbrächen. Es ist schon interessant, was Leute (Sandkruger Tannen), Mamerow (Schützenkopf), Striggow alles vortragen, um etwas erreichen zu können. Auch Jahr- (Fuchsberg) – zusammen max. 1.400 BP. zehnte zuvor hatten die Saatkrähen sich schon jedes Jahr an den Platanen zu schaffen gemacht, und den Bäumen Anfang der 1950er Jahre erfolgte eine Erfassung durch Mit- hatte es bisher offenbar nicht geschadet. Natürlich sind die arbeiter des Pflanzenschutzdienstes. Für die Orte Breesen, „Nebenwirkungen“ unter den Brutbäumen nicht zu leug- Boldebuck, Bülower Burg (Brunnen), Kobrow, Liessow, nen. Hier gehen Parkplätze verloren, oder man nimmt es Neu , Oldenstorf und Weitendorf (Friedhof) wird in Kauf, dass der Krähenkot auf den Autodächern landet. eine Zahl von ca. 2.990 BP genannt. Es wird vermutet, dass Leider beginnen die Saatkrähen sehr früh mit der Brut, da die damaligen Erfasser möglicherweise die BP-Zahlen hier haben die Platanen noch kein schützendes Laubdach, das etwas höher angesetzt haben, da diese als Grundlage für ist dann aber spätestens zum Jungenschlupf vorhanden. eine nachfolgende Bekämpfungsaktion dienen sollten.

Abb. 235: Brutkolonie am Wall in Güstrow mit Parkplätzen unter den Bäumen. Foto: J. Loose

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Ehemalige Kolonien von Saatkrähen befanden sich in Kla- ber, Rothspalk, Gülzow, Kobrow und Liessow, die zwischen 1956 und 1971 erloschen. Die kurzzeitig mit bis zu 105 BP in Spotendorf besetzte Brutkolonie wurde 1977 aufgegeben. Eine Brutkolonie im Park von Weitendorf existierte von 1986 bis 2002. Die Saatkrähen zogen in die beiden Städte Güstrow und Laage um. Hier brüten auch aktuell die Saat- krähen, in Güstrow in drei (bis fünf) und in Laage in zwei Teilkolonien im Stadtgebiet verteilt. Im Jahr 2004 gab es ergänzend 30 besetzte Nester am Gutshaus in Kronskamp. 2015 hat sich eine kleine neue Kolonie in Lüssow etabliert.

Durch die Mitglieder der FG wurden bereits sehr früh die Nester der Saatkrähen gezählt. Bestandszahlen für den Alt- kreis Güstrow waren mit größeren Abständen durch ver- schiedene FG-Mitglieder in den Jahresberichten aufgelistet worden: für 1975 (335 BP) und 1976 (487 BP) durch M. Böhl- ke, L. Daubner, A. Hertkorn, R. Otto und I. Schult, für 1982 durch J. Czech und K. Lingsminat. Angaben aus einzelnen Abb. 236: Bei dicht an dicht gebauten Nestern ist es vom Boden aus Jahren gingen auch in die Rubrik der bemerkenswerten Be- schwer, eine tatsächliche Nest-/Brutpaarzahl festzustellen. obachtungen in die Jahresberichte ein. Über längere Zeit- Foto: J. Loose. abschnitte wurden die Brutpaarzahlen aller Kolonien in den Jahresberichten Nr. 30/1997 durch J. Loose (1971–1997) Bei Erfassungen bereits im ersten Drittel des Monats April und Nr. 39/2006 durch R. Wiechert (1986–2006) aufgelistet. lag die Zahl der Nester/Brutpaare oft auch deshalb nied- Seit 2001 sind die Zählergebnisse generell in den Jahresbe- riger, weil die Krähen noch voll in der Bauphase waren. richten bei den Beobachtungen genannt worden. Mitunter fielen auch frische Nester den Frühjahrsstürmen zum Opfer. Bei der Erfassung der Brutpaarzahlen in Güstrow haben sich in den vergangenen Jahren hauptsächlich K. Lings- Durchgehende Zahlenreihen für die Brutkolonien der Saat- minat, J. Loose, R. Schaugstat und R. Wiechert beteiligt. Er- krähen liegen mit einigen Lücken ab 1981 vor. gänzende Angaben lieferten M. Polzin (ehem. Fritsche) und Es ist erkennbar, dass ab Mitte der 1980er Jahre der Gesamt- F. Vökler. Die Zählungen in Laage wurden durch E. Schlüter brutbestand im Altkreis Güstrow trotz einiger Erfassungs- durchgeführt. Gezählt wurde in der Regel Ende April. Bei lücken (oder Bestandsschwankungen) zugenommen hat. auseinanderliegenden Zählterminen verschiedener Zähler waren mitunter erhebliche Differenzen in der Brutpaarzahl festzustellen. Oftmals lag das daran, dass bei vielem Nest- materialeintrag und dicht nebeneinander gebauten Nestern die wirkliche Nesterzahl schwer zu ermitteln war.

Diagramm 27: Bestandszahlen in den einzel- nen Saatkrähenbrutkolonien

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Diagramm 28: Der Gesamtbrutbestand an Saatkrähen im Altkreis Güstrow nahm zunächst ab Mitte der 1980er Jahre zu und sank in den letzten fünf Jahren um ca. 3%.

Abb. 237: Lockere Brutkolonie in den Platanen beim Gymnasium am Wall in Güstrow – April 2015. Foto: J. Loose.

Abb. 238: Brutkolonie in den Linden an der Kirche in Laage – April 2013. Foto: J. Loose.

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Karte 18: Verteilung der historischen und aktuellen Saatkrähenkolonien im Altkreis Güstrow

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9.6 Was wir sonst noch zusammengetragen haben

9.6.1 Fische, Lurche und Kriechtiere

Guntram Trost das stärkste Vorkommen in M-V. Nach Rückgang der Meer- forellenlaichplätze im Bundesland (Tiefstand Mitte 1980er Fische – Die Gruppe der hier behandelten Fische bildet Jahre) konnten ab 1995 durch ein Fachgruppemitglied keine natürliche Einheit, es ist keine Verwandtschaftsgrup- Laichgruben und Tiere im Nebelzufluss Lüssower Mühl- pe. Morphologisch ähnliche Wassertiere sind zusammen- bach nachgewiesen werden. Diese Gruben befanden sich gefasst worden. Auch die Neunaugen werden an dieser im Mündungsbereich und in der Ortslage Lüssow. Stelle mit aufgeführt. In der Steinbek, einem Nebenbächchen des Teuchelbachs, In der Fachgruppe Ornithologie und Naturschutz Güstrow konnten 1995 auf etwa 100 Meter Fangstrecke 41 Bachneun- ist man auch mit der Ichthyologie (Fischkunde) befasst. In augen gefangen werden. Beachtenswert ist auch der Nach- den Jahresberichten der FG Nr. 25/1992 und 28/1995 findet weis von über 20 jungen Bachforellen. War doch diese Art man Berichte zur Fischfauna unseres Altkreises. etwa 1975 (nach einem „Chemieunfall“?) im Teuchelbach- system total verschwunden. Einwanderungen aus der Ne- In der Zeit von 1992 bis 2008 wurden einige Gewässer bel in den Teuchelbach konnten wegen der Querverbauung des Territoriums beprobt. Dabei kamen mehrere Fang- bei Kirch Rosin nicht stattfinden. Also muss die Bachforelle methoden zum Einsatz wie z. B. Elektrofischerei, Fallen- über 20 Jahre übersehen worden sein. und Netzfang, Tätowierungen oder Sichtbeobachtungen Eine historische Erfassung der Fischfauna durch Befragung (Erfassen der Laichplätze). von Fischern, die zwischen 1983 bis 1985 im Auftrag von Initiiert wurde das Ganze durch eine kleine Fischart. Beim Prof. Dr. sc. nat. H. Bremer von Studenten durchgeführt Waten durch Bäche und an Seeufern konnten 1991 mehr- wurde, ist wissenschaftlich leider nicht brauchbar. mals Schmerlen mit Aquariumskescher gefangen werden, Als Mitglied der Fachgruppe Güstrow bin ich Artbearbei- so beispielsweise im Inselsee und Gardener See, in Nebel, ter für die Fischarten Schlei, Karausche, Giebel, Flussbarsch Teuchelbach, Korleputer und Lüssower Mühlbach, Lößnitz und Kaulbarsch im „Verbreitungsatlas der Fische, Rund- und im Augraben. Für Mecklenburg-Vorpommern waren mäuler, Großmuscheln und Großkrebse in Mecklenburg- bis dahin nur wenige Vorkommen bekannt, so dass eine Vorpommern“ sowie Mitarbeiter für die Einführungstexte. Verdoppelung der Nachweisorte stattfand. Wie sich spä- ter herausstellte, hatte das aber nur mit dem damaligen Er- Für das Gebiet der Fachgruppe Güstrow sind folgende Arten fassungsstand zu tun. Dieser Fisch ist in unserem Bundes- nachgewiesen: (gebietsfremde [all-ochthone] Arten kursiv) land weit verbreitet. Wie überall in Europa sind strukturreiche, naturnahe Tabelle 9: Im Altkreisgebiet registrierte Fischarten Gewässer wesentlich arten- und individuenreicher als be- Neunaugen 1 Flussneunauge 2 Bachneunauge gradigte, degradierte Gräben. So konnten 1992 im Pludder- Aale 3 Aal bach nur 18 Fische in zwei Arten (Drei- und Neunstach- Karpfenfische 4 Döbel 11 Blei 5 Aland 12 Güster liger Stichling) und in der Polchow 40 Exemplare in 4 Arten 6 Rotfeder 13 Schleie (neben den beiden Stichlingsarten noch Hecht und Bach- 7 Plötz 14 Gründling neunauge) nachgewiesen werden. In der Bresenitz waren 8 Elritze 15 Bitterling es dagegen 12 Fischarten mit insgesamt 330 Individuen. 9 Moderlieschen 16 Karpfen 10 Ukelei 17 Karausche Über die Jahre von 1992 bis 1994 wurde die Nebel inten- 18 Giebel siv befischt. Dazu lag ein Auftrag des Bundesministeriums 19 Graskarpfen für Forschung und Technologie vor. Auch in besonders Dorngrundeln 20 Steinbeißer 21 Schlammpeitzger geschützte Bereiche des Naturschutzgebietes gab es da- Bachschmerlen 22 Schmerle durch einen erlaubten Zugang. Im Wasser der Nebel konn- Echte Welse 23 Wels Amerikanische 24 Zwergwels ten 32 Fischarten belegt werden, darunter allerdings auch Zwergwelse die allochthonen (gebietsfremden) Arten: Karpfen, Regen- Hechte 25 Hecht bogenforelle und Äsche. Lachsfische 26 Forelle 27 Kleine Maräne a – Meerforelle 28 Äsche Die Äsche, in mehreren Fließgewässern Mecklenburgs und b – Bachforelle 29 Regenbogen- forelle Vorpommerns ausgesetzt, hatte sich nur in der Nebel zwi- Schellfische 30 Quappe schen Güstrow und Krakow erwähnenswert etabliert. Stichlinge 31 Dreist. Stichling 32 Neunst. Stichling Gute Bedingungen in der Nebel findet auch die Elritze. Die- Echte Barsche 33 Flußbarsch 35 Kaulbarsch ses selten über 10 cm groß werdende Fischchen hat hier 34 Zander

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Lurche – Initiiert von Kurt Polmann und fortgeführt durch Angela Martin wurden die Beobachtungen von Lurchen und Kriechtieren über viele Jahre in Karteikarten einge- tragen. Die Daten waren jedoch kein Ergebnis systemati- scher Erfassungen, sondern sporadischer Beobachtungen. Das ist bei der Datenerhebung dieser Tiergruppen bis heu- te so geblieben. Es ist also nicht mit einem flächendecken- den Kenntnisstand zu rechnen. Alle Daten befinden sich inzwischen in einer landesweiten Datei und bilden so eine wichtige Quelle für die gegenwärtige Erarbeitung eines Verbreitungsatlasses der Lurche und Kriechtiere im Lande Abb. 240: Moorfrosch-Männchen sind im zeitigen Frühjahr zur Mecklenburg-Vorpommern. Paarungszeit himmelblau. Foto: W. Neubauer. In der folgenden Tabelle 10 wird gezeigt, in wievielen der 37 MTB/Q des Altkreises Güstrow die einzelnen einheimi- In der FG-Kartei sind in allen MTB/Q Sichtbeobachtungen sche Lurche bisher nachgewiesen wurden: des Teichfrosches dokumentiert. Der Teichfrosch ist keine Art im klassischen Sinne, sondern ein Hybride zwischen Tabelle 10: Lurchart gefunden in Anzahl von MTB- dem Seefrosch und dem Kleinen Wasserfrosch. Dieser Quadranten des Altkreises taxonomische Komplex ist schwer überschaubar. Hier ist eine Überprüfung zum Vorkommen vom Kleinen Wasser- Kammmolch 21 Rotbauchunke 35 Teichmolch 13 Laubfrosch 30 frosch und vom Seefrosch notwendig. Knoblauchkröte 21 Grasfrosch 30 Erdkröte 34 Moorfrosch 33 Kreuzkröte 2 Teichfrosch 37 Wechselkröte 10 Springfrosch 1

Über die Häufigkeit der Individuen liegen dabei keine Zah- len vor. Im Quadrant mit dem Nachweis des Springfrosches 19.. wurde nur ein Tier dieser Art gefunden. Die Art ist in un- serem Bereich äußert selten zu beobachten. Ein Nachweis liegt aus dem Jahre 1930 aus dem Umfeld von Schlieffen- berg vor. Eine Beobachtung des Springfrosches im Jahre 20.. 2008 in der Nähe von Liessow wurde bisher nicht bestätigt. In der Universität Rostock existiert ein historisches Prä- parat des Springfrosches mit der Ortsangabe „Wald bei Nienhagen“. Da der Ortsname Nienhagen in Mecklenburg mehrmals vorkommt, war eine Zuordnung nicht mög- 21.. lich. Am 13. 06. 2011 konnte dann von einem Fachgruppen- mitglied ein Springfrosch in einem Wald bei „unserem“ Nienhagen festgestellt werden. Damit kann das Uni- Präparat mit hoher Wahrscheinlichkeit örtlich zugeordnet 22.. werden – der Fundort liegt im Naturwaldreservat Scheef- grund (Neukloster-Teterower-Hügelmoränenbogen) an der Ostgrenze des Altkreises Güstrow. 23..

24..

..37 ..38 ..39 ..40 ..41

Karte 19: Notierte Artenhäufigkeit der Lurche je MTB/Q

Abb. 239: Der Fersentest zeigt, dass es sich um einen Springfrosch handelt – die Ferse ragt über die Schnauzenspitze. Foto: B. Meder-Trost.

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Kriechtiere – Intensive Untersuchungen zur Reptilienfau- haben großen Einfluss auf den Bestand der Schild kröte na im Altkreis Güstrow gibt es keine. Daten wurden von genommen. Ihr Lebensraum wurde durch Trockenlegung der Fachgruppe aber immer „nebenbei“ gesammelt. Alle von Sümpfen und Feuchtgebieten, Gewässerbegradigun- Arten dieser Gruppe haben in ihrem Bestand abgenommen gen, Zersiedelung der Landschaft und Ausbau des Straßen- und benötigen Schutz. Nach heutigem Stand weisen Rin- netzes mit erhöhtem Verkehrsaufkommen eingeschränkt gelnatter, Blindschleiche und Waldeidechse noch eine grö- und die Eiablageplätze zerstört. Früher hatten ausgewach- ßere Verbreitung in geeigneten Habitaten auf. Auch Zaun- sene Sumpfschildkröten keine Fressfeinde, heute sind eidechsen werden noch regelmäßig, oft an Bahndämmen, Waschbären eine große Bedrohung der letzten deutschen festgestellt. Außerdem zählen noch Kreuzotter, Schlingnat- Bestände in M-V und Brandenburg. In M-V gilt die Art ter und Sumpfschildkröte zu den heimischen Arten, auf die als „vom Aussterben bedroht“. Im Bereich Güstrow wer- nachfolgend eingegangen wird. den einzelne Tiere ab und an, aber sehr selten, nachgewie- sen, so beispielsweise an den Torfstichen bei Klueß, einem In einem Buch über Kirch Rosin beschweren sich die Kinder größeren Soll bei Neu Mierendorf und am Grundlosen in den 1920er Jahren über das Anlegen eines Torfstiches an See. Historische Vorkommen gab es auch um Güstrow, bei der Nebel. Ihre Angst bestand darin, keine Kreuzottern mehr Laage, Krakow am See, Koppelow und Schlieffenberg. für den Apotheker in Güstrow fangen zu können. Noch in den 1960er Jahren war die Art nicht selten – im Göldenit- zer Moor wurde professionell das „Schlangenmelken“ zur Serumherstellung durchgeführt. Durch Lebensraumverlust und Nachstellung (Totschlagen) ist der Bestand stark zu- rückgegangen. In M-V gilt die Art als „stark gefährdet“. In der Datenbank der Fachgruppe ist kein aktueller Fundort für den Raum Güstrow zu finden. Aus dem Bereich des Kra- kower Sees liegen jedoch ernstzunehmende Hinweise vor, denen allerdings noch nachgegangen werden muss.

Abb. 242: Diese Sumpfschildkröte wurde im Jahre 2009 im Grund- losen See gefangen und wieder ausgesetzt. Foto: R. Wiechert.

19..

Abb. 241: Am Nothafen Darßerort kroch diese weibliche Kreuzotter vor die Kamera. Foto: B. Meder-Trost.

20.. Die Schlingnatter – auch Glattnatter genannt – ist ein sehr heimliches Tier, das schwer nachzuweisen ist. In Deutsch- land ist sie die häufigste Schlange, in M-V gilt die Art als „vom Aussterben bedroht“. In unserem Umfeld gibt es seit 1929 keine Hinweise mehr auf diese Schlange. 21.. Bei Erhardt, A. (1933) ist dazu zu lesen: „Außerdem teilte mir Graf von Schlieffen mit, er habe die Schlingnatter seit langer Zeit (zuletzt 1929) häufig in einem Walde am kleinen 22.. Wendorfer Gardener See*) zwischen Schlieffenberg und Wen- dorf beobachtet. Hoffentlich werden hier bald Belegexemplare gefangen.“ *) 23.. Die Sumpfschildkröte war im Mittelalter in unserem Raum noch häufiges Nahrungsmittel zur Fastenzeit. Haupt- sächlich die menschlichen Eingriffe ab den 1950er Jahren 24.. ..37 ..38 ..39 ..40 ..41

* gemeint war der Garner See Karte 20: Notierte Artenhäufigkeit der Kriechtiere je MTB/Q

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Abb. 243 bis 256: Kammmolch, Teichmolch, Rotbauchunke, Moorfrosch, Grasfrosch, Teichfrosch, Kleiner Wasserfrosch, Springfrosch, Laub- frosch, Erdkröte, Waldeidechse, Zauneidechse, Blindschleiche, Ringelnatter (v.l.n.r. und v.o.n.u.). Fotos: B. Meder-Trost.. (Abb 246, 252, 253 und 256 Foto: Loose)

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9.6.2 Säugetiere

Wolfgang Köhler

Die Säugetiere standen leider nie im Focus unserer Beobachtungstätigkeit. Eine systematische Erfassung und Beobachtung erfolgte daher nicht. Zusammen mit Dr. Ralf Labes (†) habe ich trotzdem 1984 versucht, die Kenntnis- se zu diesem Zeitpunkt zusammenzufassen. Unsere Daten stammten insbesondere aus Gewöllanalysen, aus Sicht- beobachtungen und Jagdunterlagen. Im Ergebnis konnten 36 Säugetierarten (ohne Paarhufer) für unser Gebiet nach- gewiesen werden (Labes, R. u. W. Köhler, 1984). Bemerkenswert war damals die erste Feststellung eines Waschbären. Ein männliches Exemplar wurde am 1. 11. 1976 tot an einem Elektrozaun bei Güstrow gefunden. Weitere Abb. 257: Siebenschläfer in einem Holzbetonkasten. Foto: W. Köhler Nachweise wurden bis 1984 nicht getätigt. Heute ist diese Art allgegenwärtig. Inzwischen ist auch der Marderhund in unseren Kreis ein- gewandert und wird bei den Jagden häufig erlegt. Glücklicherweise hat sich die Befürchtung aus dem Jahre 1984 nicht bestätigt, dass mit dem Verschwinden des Fisch- otters in naher Zukunft zu rechnen sein wird. Die Otterbe- stände haben sich auf Grund umfangreicher Schutzmaß- nahmen und einer verbesserten Wasserqualität deutlich erhöht. Gegenwärtig kann an allen größeren Seen und an allen Fließgewässern mit seinem Auftreten gerechnet wer- den. Insbesondere die Untersuchungen im Naturpark Nos- sentiner/Schwinzer Heide haben viele neue Erkenntnisse zur Biologie dieser Art erbracht. Als weitere Art hat sich inzwischen der Biber bei uns an- gesiedelt. Seine typischen Nagespuren können nicht nur Abb. 258: Fledermäuse in einem geöffneten Spaltenkasten. Foto: W. entlang der Nebel, sondern auch an vielen anderen Stellen Köhler entdeckt werden. 1984 galt er noch als vom Aussterben be- droht. Winterquartiere, soweit sie bekannt waren, in den Mona- Seitdem Ende der 1990er Jahre erste Wolfsnachweise in ten Dezember, Januar und Februar kontrolliert. In einigen Sachsen bestätigt wurden, hat sich der Grauhund kontinu- Fällen mussten sie erst entdeckt oder hergerichtet werden. ierlich weiter ausgebreitet und wird auch gelegentlich bei uns gespürt. Eine Ansiedlung im Kreis erfolgte allerdings Anfang der 1990er Jahre hatte sich Jörg Bußmann von unse- noch nicht. rer Fachgruppe im Rahmen von ABM-Projekten und auch ehrenamtlich fast 10 Jahre lang mit der Erkundung von Bemerkenswert sind die Feststellungen der Siebenschläfer- Fledermauswinterquartieren und deren Optimierung be- vorkommen. Galt die Art in den 1980er Jahren noch als recht schäftigt. Insbesondere die Herrichtung der alten Eiskeller selten, können wir heute feststellen, dass Siebenschläfer in in Carlsdorf, Bülow, Groß Grabow, Lalendorf, Großen und allen größeren Buchenwäldern vorkommen. Insbesondere Kleinen Luckow sind seiner Initiative zu verdanken. (vgl. die Arbeit mit Fledermauskästen hat zu Kenntnissen seiner dazu auch Pkt. 10. 7) Es gibt allerdings noch einige weitere Verbreitung wesentlich beigetragen. Eiskeller, die als Winterquartier gestaltet werden müssten.

Am Schluss der damaligen Arbeit wurde vermerkt: „Die Diese und auch eine ganze Anzahl weiterer Quartiere Fledermausfauna bedarf einer weiteren Erforschung“. wurden von Jörg Bußmann, Ralf Koch und mir in einigen Jahren wiederholt aufgesucht und die Ergebnisse in die Um dieser Forderung gerecht zu werden, habe ich Kas- zentrale Fledermauskartei des Landes eingegeben. tenreviere in den Revieren Wilsen, Schwaan, Oettelin und Tarnow sowie in einigen anderen Waldgebieten installiert Nachfolgend werden einige Kontrollergebnisse von ausge- und jahrelang kontrolliert. Des weiteren wurden von mir wählten Winterquartieren aufgeführt:

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Eiskeller Bülow

Jahr Wasserfleder- Fransenfleder- Braunes Langohr Mausohr Zwergfleder- Art unbestimmt Gesamtzahl maus maus maus 2004 521 8 2005 2102 14 2006 3125 222 2007 19 27 6 1 53 2009 10 8 220 2013 71341 25

Eiskeller Carlsdorf

Jahr Wasserfleder- Fransenfleder- Braunes Langohr Mausohr Zwergfleder- Art unbestimmt Gesamtzahl maus maus maus 2004 – 2005 11 2 2006 112 2007 11 2 2009 – 2013 21 3

Eiskeller Großen Luckow

Jahr Wasserfleder- Fransenfleder- Braunes Langohr Mausohr Zwergfleder- Art unbestimmt Gesamtzahl maus maus maus 2004 12 8 222 2005 16 2 1 19 2006 14 1 116 2007 18 3 1 2 24 2009 91 10 2013 8 8

Eiskeller Kleinen Luckow

Jahr Wasserfleder- Fransenfleder- Braunes Langohr Mausohr Zwergfleder- Art unbestimmt Gesamtzahl maus maus maus 2004 2005 531 19 2006 10 10 1 7 2 30 2007 10 6 6 1 23 2009 8511 15 2013 11

Eiskeller Ziersdorf

Jahr Wasserfleder- Fransenfleder- Braunes Langohr Mausohr Zwergfleder- Art unbestimmt Gesamtzahl maus maus maus 2004 2005 2723 115 2006 5332 316 2007 6522 419 2009 55 1 11 2013 1146

Durch die Aufgabe des ehemaligen Polizeiobjektes in Folgejahren wird diese Anzahl sicher noch steigen. Es wur- Bossow konnten die dortigen sechs Bunker zu Fledermaus- den 7 Arten angetroffen. Am häufigsten waren Zwerg- quartieren hergerichtet werden, ehe alle anderen Bau- und Mückenfledermaus, daneben Fransen- Wasser- und lichkeiten abgerissen wurden. Bei der letzten Kon trolle Breitflügelfledermaus sowie Braunes Langohr und Großes wurden fast 500 (!) Fledermäuse darin festgestellt. In den Mausohr.

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In den kommenden Jahren soll in Güstrow der Anbau am „Derzschen Haus“ zu einem Fledermausobjekt hergerichtet werden. Wir hoffen, dass es zu einer ähnlich attraktiven Heimstätte für unsere Nachtjäger wird.

Durch die Fledermausgruppe um Herrn Pommeranz aus Rostock wurde in einem Waldgebiet bei Bützow im Au- gust 2003 ein nächtlicher Netzfang betrieben, um weite- re Erkenntnisse zu gewinnen. Vorrangig ging es um den Nachweis der Mopsfledermaus. Dieser gelang leider nicht, aber wir konnten als neue Art die bisher in unserem Gebiet nicht bekannte Große Bartfledermaus nachweisen.

Neben den Winterquartieren erfolgte durch mich auch die Kontrolle der angelegten Kastenreviere und einiger Natur- Abb. 260: Bei der Vogelberingung am Breeser See verfangen sich höhlen (siehe Tabelle 11). regelmäßig auch Wasserfledermäuse im Japannetz. Foto: J. Loose.

In den Kästen waren Zwerg-, Wasser-, Fransen-, Rauhaut- Neuere Darstellungen zu den Kleinsäugern (Mäuseartige) fledermäuse, Große Abendsegler und Braune Langohren. aus dem Güstrow-Bützower-Becken liegen seit der Aus- Unter den Zwergfledermäusen können einige Mücken- wertung von Gewöllen Anfang der 1980er Jahre nicht fledermäuse nicht ausgeschlossen werden. Mücken- und vor. Joachim Loose hatte bei seinen Kontrollen von 45 Kir- Zwergfledermaus wurden erst in neuerer Zeit in zwei chen auf das Vorhandensein von Eulen im Zeitraum von eigenständige Arten getrennt. Sie sind sehr schwer zu un- November 1981 bis März 1982 auch eine Vielzahl von Ge- terscheiden. Das eigentliche Differenzierungsmerkmal sind wöllen aufgesammelt und an Dr. Labes zur Analyse über- die Rufe, die in unterschiedlichen Frequenzen gesendet geben. Weitere Gewöllaufsammlungen erhielt jener von werden. den FG-Mitgliedern W. Köhler, K.-H. Koop, K. Lingsminat Außer den Fledermäusen und den Siebenschläfern wurden und K. Pohlmann. auch Hornissen, Wespen, Wildbienen, Mäuse (spec.?) und Nester von Meisen und Baumläufern in den Fledermaus- Ohne die Aussagen bei Labes R. u. W. Köhler (1984) wie- kästen vorgefunden. derholen zu wollen, wird zur Anschauung ergänzend das Die Anlage und regelmäßige Kontrolle von Kastenrevieren festgestellte Beutespektrum von Waldkauz und Schleiereu- ist also eine bewährte Methode um den Flattertieren in un- le wiedergegeben. Markant ist der deutlich höhere Anteil seren höhlenarmen Wäldern Quartiere zu bieten, die Arten von Feldmäusen und das schmalere Beutespektrum bei der zu bestimmen, aber auch um anderen Spezies Unterschlupf Schleiereule, was mit dem Jagdverhalten in der mehr offe- zu ermöglichen. neren Landschaft zusammenhängen dürfte.

Weitere Aussagen sind mit einmaligen Kontrollen im Jahr Neben den Gewinnern in den letzten Jahren gibt es auch nicht möglich. Verlierer. Außer Mauswiesel, Hermelin und Iltis, die Opfer ausgeräumter Landschaften geworden sein dürften, ist vor allem der Niedergang der Bisambestände bemerkenswert. Seit Jahren ist ein deutlicher Rückgang dieser Art festzu- stellen.

Im Jahre 1984 wurden z. B. entlang des Ufers vom Breeser See auf einer Uferlänge von ca. 2,5 km noch insgesamt 22 Bisamburgen im Schilf kartiert. Bereits Mitte der 1990er Jahre gab es keine Bisamburgen mehr. Als eine Ursache für das Verschwinden der Bisamratte in den meisten Gewäs- sern wird unsererseits die Zunahme von größeren Raub- säugern vermutet, hier insbesondere wohl auch des Fisch- otters und des Waschbären, denen die Jungen zum Opfer fallen dürften. Abb. 259: Braunes Langohr-Fledermausquartier. Foto: W. Köhler.

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Tabelle 11: Ausgewählte Ergebnisse einiger Kastenquartiere

Wilsen Tarnow Oettelin Schwaan abcdabcdabcdabcd 1986 57513 1988 57111 1991 60 49 3 4 1992 56 19 2 5 1993 51 60 2 4 1994 55 15 3 7

1997 46 8 2 – 1998 1999 26 1 1 – 42 3 2 – 2000 26 1 1 – 39 24 3 – 2001 25 4 1 – 39 18 4 – 2002 27 10 2 – 40 26 3 – 2003 26 4 2 – 40 4 2 – 2004 603141711– 2005 60 24 4 7 2006 36 5 2 – 2007 5611220 35173– 2008 56 16 2 11 17 8 2 – 34 4 3 – 2009 13 15 1 – 31 22 3 – 2010 55 39 3 1 13 13 1 – 29 45 4 – Erklärung der Spalten: a – Anzahl der Kästen c – Anzahl der Fledermausarten b – Anzahl besetzter Kästen d – Anzahl der Siebenschläfer

Diagramm 29: Ergebnisse der Beutetier- analyse aus Waldkauzgewöllen

Diagramm 30: Ergebnisse der Beutetier- analyse aus Schleiereulengewöllen

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9.6.3 Insekten (Libellen, Heuschrecken u. a.)

Angela Martin

Die FG „Ornithologie und Naturschutz“ beschäftigte sich Eine recht gute Zuarbeit wird beim Vogelfang mit Stellnet- – wie bereits zu lesen war – nicht nur mit der Vogelwelt. zen am Breeser See geleistet. Großlibellen gelangen sozu- Es lag für uns als „Hobby-Forscher“ auf der Hand, dass wir sagen als „Beifang“ regelmäßig in unsere Hände. Auf die- uns in erster Linie größeren Organismen, also Arten aus se Weise erweiterten wir unsere „spärliche“ Artenkennt- anderen Wirbeltierklassen zuwandten. Wir übersahen aber nis und nahmen einige Arten überhaupt erst oder als „gar auch die Wirbellosen nicht völlig. Dabei war es aber nur nicht so selten“ wahr. die Klasse der Insekten, die in wenigen Gruppen bei uns Uwe Thamm stellte im Jahresbericht Nr. 25/1992 die bisher Aufmerksamkeit erwecken konnte. Die meisten Ordnun- im Kreisgebiet nachgewiesenen Libellenarten zusammen. gen oder Familien der Insekten verlangen bereits das Wis- Martin Lemke trug während seiner Güstrower Zeit wesent- sen von Spezialisten. Es war uns klar, dass wir als Nicht- lich zur Datensammlung bei und brachte uns an einem FG- Entomologen mit dem Nachweis von Arten natürlich nur Abend einige Kenntnisse über Libellen näher. kleine Beiträge liefern können. Unser Ziel war und ist es, dass „Nebenbei-Beobachtungen“ der FG-Mitglieder nicht In DDR-Zeiten wurde die Daten an den Entomologen in den Schubladen (sprich: Beobachtungstagebüchern) ver- Dr. Wolfgang Zessin weitergeleitet, so dass sie nicht nur in schwinden, sondern den entsprechenden Fachkreisen zu- unserer Kartei „verstaubten“. fließen sollen. Die zweite Ordnung, die bei der ornithologischen Arbeit Während die Artbestimmung bei vielen anderen Insekten- zwangsläufig den „Weg kreuzt“, ist die der Heuschrecken, gruppen nur mit Fang und Präparierung möglich ist und von der bisher 47 Arten in M-V nachgewiesen wurden. Der ausschließlich Spezialisten vorbehalten bleibt, sind zwei Gesang der Heuschrecken ist die Parallele zur Vogelwelt. Ordnungen überschaubar und für uns einige Arten be- Ein Teil der Arten lässt sich am besten über die Gesänge stimmbar. Ohne zusätzlichen Zeitaufwand konnten einige ansprechen. Ornithologen dürfte dieser Fakt nicht ganz Arten bei unseren feldbiologischen Tätigkeiten sporadisch unbekannt vorkommen. Allerdings sind Vogelstimmen bei mit notiert werden: Libellen und Heuschrecken. einem Großteil der Ornithologen eine Achillesferse, dann auch noch Heuschrecken…!? Die Libellen sind mit ungefähr 70 Arten in Mecklenburg- Vorpommern vertreten. Es gibt einige Parallelen zur Vogel- welt: Libellen fliegen mehr oder weniger schnell und lassen sich mitunter aus einiger Entfernung, sogar mit Fernglas gut bestimmen. Einige wenige Mitglieder tragen ihre Libellenbeobachtun- gen in eine Art-Kartei ein. Ohne eine Häufigkeit einzelner Arten für unseren Altkreis abzuleiten, sind in Tabelle 12 die bisher beobachteten und in der Artkartei enthaltenen 43–45 Arten aufgeführt. (Die Spanne kommt durch selbst- kritische Bestimmungszweifel zustande.)

Abb. 261: Der Nachweis der Keilfleck-Mosaikjungfer im NSG Bree- Abb. 262: Die Sumpfschrecke mit markanter rot gefärbter ser See gelang zuerst über den Fang im Japannetz. Foto: J. Loose „ Beinschiene“ ist leicht bestimmbar. Foto: A. Martin.

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Einen Vorteil haben die Heuschrecken-Gesänge: Ihr Kon- LUNG M-V und AK Heuschrecken M-V). In drei Jahren zert setzt erst ein, wenn die meisten Vogelgesänge im haben wir es geschafft, Nachweise auf zehn MTB-Quadran- Hochsommer verstummt sind. Es ist also eine sinnvolle ten um Güstrow zu erbringen, auf denen bislang Beobach- Nebenbeschäftigung für Ornithologen bei sommerlichen tungen der Eichenschrecke fehlten. Beobachtungsgängen, auch die singenden Heuschrecken- Unsere Nachweise erhielten die Herren Dr. Wranik und arten zu notieren. Dr. Meitzner als Autoren des Verbreitungsatlases für die Die erst seit kurzem für diese Ordnung angelegte Excel- spätere Einarbeitung. tabelle wurde bisher fast allein von mir mit Daten gefüllt. Auslöser meines Interesses für die Heuschrecken war ei- Besonders bei den vom Frühjahr bis Spätherbst 14-tägig ne unverwechselbare Lautäußerung einer Art, die sich von stattfindenden Exkursionen der Botanik-AG in die ver- den schwirrenden Gesängen vieler Arten unterscheidet. schiedensten Biotope unseres Altkreises fallen regelmä- Man kann sie getrost als Laienart bezeichnen: die Sumpf- ßig auch Beobachtungen von Insektenarten an. Libellen schrecke Stethophyma grossum. Ihre Rufe (sog. Knipslaute) und Heuschrecken, aber auch Käfer, Haut- und Zweifüg- erinnern an das Klicken eines Kugelschreibers und unter- ler, Schmetterlinge und deren Raupen werden notiert und scheiden sich damit deutlich von den Zirplauten anderer meist auch zur Dokumentation fotografiert. Heuschrecken. Auf jedem einigermaßen feuchten Grün- land ist sie zu erwarten. Leider wird sie wie auch einige Tagfalterarten, die noch häufig oder wenigstens regelmä- Vogelarten bei vielen Beobachtungsgängen überhört. ßig anzutreffen sind, werden von den meisten von uns wahrgenommen. Es gibt jedoch auch darunter einige Ar- Es gibt auch eine Art, die Gemeine Eichenschrecke Mecone- ten, über die Fundnotizen dankbar von den entsprechen- ma thalassinum, die sich nicht durch die Stimme bemerk- den Fachleuten angenommen werden. bar macht. Im NSG Breeser See hatte J. Loose zur Kartierung der Falter zwar die Entomologen um Volker Thiele ins Gebiet geholt, aber mit Belegfotos aus verschiedenen Flächen des NSG konnte er die Anwesenheit von mindestens 58 Falterarten selbst nachweisen. Ebenso belegte er das Vorkommen von einigen Heuschrecken, Blattwanzen, Zweiflüglern, Wild- bienen, Käfern sowie Spinnenarten.

Infolge der raschen Entwicklung der Fototechnik kann bei Zufallsfunden auffälliger Arten durchaus mit der Kamera ein Artnachweis erbracht werden. Zur Schulung der FG-Mitglieder fanden in zeitlich größe- ren Abständen für diverse Insektengruppen von FG-eige- nen Leuten auch Vorträge bei unseren monatlichen Zu- sammenkünften statt. Im Oktober 1987 referierte Volker Thiele über geschützte vom Aussterben bedrohte Schmetterlinge und die Ursa- chen für ihren Rückgang. Erst über ein Jahr später folgte von ihm ein Beitrag zu den mannigfaltigen Schutzmög- lichkeiten der Schmetterlingsraupen. Im März 1989 schulte Abb. 263: Die Gemeine Eichenschrecke wird mit Taschenlampen- er uns über das Erkennen der wichtigsten Schmetterlings- licht nachgewiesen. Foto: J. Loose. gruppen. Von Januar bis Juni 1991 stellte er jeweils eine Tagfaltergruppe vor. Im April 1989 gab Angela Martin Hin- Man entdeckt sie in der Dämmerung und Dunkelheit an weise zu leicht erkennbaren Libellenarten. Stämmen von Eichen, aber auch anderen Laubbaumarten. Ab August bis in den Spätherbst kommen die Weibchen Neben der Schulungsabsicht wurde auch jedes Mal betont, aus den Baumkronen nach unten an den Stamm, um hier dass alle Mitglieder der FG doch möglichst viele Beobach- mit ihrem Legestachel ihre Eier in die Spalten der Borke tungen außer den Vogelarten für den späteren Eintrag in abzulegen. Mit einer Taschenlampe muss man nur den Artkarteien notieren sollen. Baumstamm ableuchten. Die hellgrünen Tiere fallen auf der dunklen Borke leicht auf. Die Schulungen auch zu diesem Themenkreis traten nach Für gezielte Erkundungsfahrten zur Suche von Eichen- der Wende in den Hintergrund und müssten in Anbetracht schrecken diente uns als Grundlage der Verbreitung satlas der Neuzugänge in der FG wieder in die FG-Pläne aufge- der Heuschrecken Mecklenburg-Vorpommerns (2008, Hrsg: nommen werden.

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Tabelle 12: In der Artkartei für den Altkreis Güstrow enthaltene Libellenarten (Stand 12/2015)

dt. Name wiss. Name dt. Name wiss. Name Familie Prachtlibellen Calopterygidae Familie Edellibellen Aeshnidae Gebänderte Prachtlibelle Calopteryx splendens Blaugrüne Mosaikjungfer Aeshna cyanae Blauflügel-Prachtlibelle Calopteryx virgo Braune Mosaikjungfer Aeshna grandis Familie Teichjungfern Lestidae Keilfleck-Mosaikjungfer Aeshna isoceles Gemeine Winterlibelle Sympecma fusca Torf-Mosaikjungfer Aeshna juncea Gemeines Binsenjungfer Lestes sponsa Herbst-Mosaikjungfer Aeshna mixta Glänzende Binsenjungfer Lestes dryas Grüne Mosaikjungfer Aeshna viridis Kleine Binsenjungfer Lestes virens Große Königslibelle Anax imperator Weidenjungfer Chalcolestes viridis Kleine Königslibelle Anax parthenope Familie Schlanklibellen Coenagrionidae Kleine Mosaikjungfer Brachythron pratense Becher-Azurjungfer Enallagma cyathigerum Familie Flussjungfern Gomphidae Hufeisen-Azurjungfer Coenagrion puella Gemeine Keiljungfer Gomphus vulgatissimus Fledermaus-Azurjungfer Coenagrion pulchellum Kleine Zangenlibelle Onychogomphus forcipatus Speer-Azurjungfer Coenagrion hastulatum Familie Segellibellen Libellulidae Großes Granatauge Erythromma najas Kleine Moosjungfer Leucorrhinia dubia Kleines Granatauge Erythromma viridulum Nordische Moosjungfer Leucorrhinia rubicunda Frühe Adonislibelle Pyrrhosoma nymphula Plattbauch Libellula depressa Große Pechlibelle Ischnura elegans Spitzenfleck Libellula fulva Kleine Pechlibelle Ischnura pumilio Vierfleck Libellula quadrimaculata Mond-Azurjungfer Coenagrion vernalis Großes Blaupfeil Orthetrum cancellatum Federlibelle Platycnemis pennipes Gebänderte Heidelibelle Sympetrum pedemontanum Familie Falkenlibellen Corduliidae Schwarze Heidelibelle Sympetrum danae Zweifleck Epitheca bimaculata Große Heidelibelle Sympetrum striolatum Glänzende Smaragdlibelle Somatochlora metallica Blutrote Heidelibelle Sympetrum sanguineum Gefleckte Smaragdlibelle Somatochlora flavomaculata Gefleckte Heidelibelle Sympetrum flaveolum Gemeine Smaragdlibelle Cordulia aenaturfosa Gemeine Heidelibelle Sympetrum vulgatum

Abb. 264 bis 267: Blutrote Heidelibelle, Große Königslibelle, Plattbauch im Vogelfangnetz, Blaupfeil-Weibchen (v.l.n.r.). Fotos: J. Loose.

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Mondvogel mit Raupe Zünsler (spec.)

Pappelschwärmer Abendpfauenauge

Gammaeule Lingusterschwärmer Purpurroter Zünsler

Raupen von Tagpfauenauge, Zimtbär, Gemeinem Ringelspinner und Schlehenbürstenspinner

Abb. 268 bis 279: Vielfältige Formen bei Schmetterlingen und ihren Raupen regen zum Fotografieren an und erweitern durch das erforder- liche nachträgliche Bestimmen die Artenkenntnisse. Im Internet findet man leicht Bestimmungshilfen. Fotos: J . Loose.

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10. Projektarbeiten der Fachgruppe

Eine ganze Reihe von Aktivitäten einzelner FG-Mitglie- Nach Diskussion in unserer FG haben wir uns nicht an der muss bei einer Rückschau auf 50 Jahre näher vorge- diesen Zählaktionen beteiligt, da u. E. nicht genügend Wis- stellt werden. Über eine oft lange Zeit und mit hohem En- senschaftlichkeit dahinter steht. gagement haben sich verschiedene Mitglieder speziellen Im Internet hat der NABU Ergebnisse der Zählungen Arten zugewendet, brutbiologische Daten ermittelt und präsentiert: Für den Landkreis Güstrow (Größe bis 2011: praktische Naturschutzarbeit geleistet. Mit kontinuierlich 2059 km2) beteiligten sich bei der Gartenvogelzählung 2015 durchgeführten Vogelzählungen wurden belastbare Da- insgesamt 56 Vogelfreunde, die in 44 Gärten oder Parks ins- ten zur Anwesenheit von Wasservögeln auf ausgewählten gesamt 2.339 Vögel gezählt hatten. In Süddeutschland fand Gewässern und in neuerer Zeit von Vögeln in der freien die Aktion deutlich mehr Zuspruch. Die Zahl der im Land- Landschaft im Winter und bisher einmal in der Brutzeit kreis Güstrow erfassten Gärten lag im Vergleich zu allen erhoben. Bundesländern lediglich bei 0,14 %, die gezählten Vögel bei Mit unseren Zählungen stellen wir uns nicht auf eine Stufe 0,2 %. Bei der Wintervogelzählung im Januar 2015 lag der mit den vom NABU in bundesweiten Aktionen seit einigen Anteil aus den im Landkreis Güstrow erfassten 86 Flächen Jahren initiierten Aufrufen zur „Stunde der Gartenvögel“ in gleich niedrigem Niveau (0,16 %). Gemeldete Vögel ha- oder „Stunde der Wintervögel“, bei denen die Bevölkerung ben 0,22 % am Bundesanteil. Die Ergebnisse der Zählungen zum Zählen von Vögeln aufgefordert wird. Bei diesen Ak- können für seriöse Aussagen im Bundesmaßstab für unsere tionen geht es nicht um exakte Bestandszahlen aller Vögel, Region damit keineswegs repräsentativ sein. sondern vielmehr darum, Häufigkeiten und Trends von Po- Dennoch sollte ein Blick auf andere Aktionen nie verges- pulationen zu ermitteln. Damit dies repräsentativ ist, sollen sen werden, vielleicht ist ja auch dort etwas für uns Aus- die Populationsdaten über mehrere Jahre verglichen wer- wertbares dabei. Bei der Gartenvogelaktion 2015 wurde den. So hofft man auf neue Erkenntnisse zur Entwicklung z. B. auch die Beobachtung eines Wiedehopfes aus dem einzelner Vogelarten sowie zu regionalen Unterschieden. Landkreis gemeldet – seriös ?

10.1 Mehr als 55 Jahre Forschung an Flussseeschwalben

Joachim Loose

Wolfgang Neubauer hatte zu Lebzeiten mehrmals von mir schwalben. Als Artbearbeiter für die Flussseeschwalbe in die Zusage abverlangt, dass ich seine Arbeiten mit den M-V pflegte er Kontakte in alle Teile der DDR und erstellte Flussseeschwalben fortsetzen werde – ein schweres Erbe. Übersichten über den Brutbestand der Flussseeschwalbe in Am Breeser See betrieb ich zwar mein Management bei den der DDR (1989) und für Mecklenburg-Vorpommern (1996). „Flusen“ auf künstlichen Inseln, und hin und wieder fing So konnte er auch mit vertiefenden Angaben aus den Brut- ich auch von ihm beringte Vögel. Aber es war doch recht kolonien die Habitatwahl von Flussseeschwalben für Ost- bald klar, dass ich nicht die Kraft finden würde, in gleicher deutschland (Stand bis 1997) auswerten. Durch die Berin- Intensität Flussseeschwalben zu fangen. Neben meinen gung von jungen Flussseeschwalben und zahlreiche Fänge Aktivitäten am Breeser See würde ich nicht auch noch am brütender Vögel mit von ihm selbst gebauten speziellen Krakower Obersee, im Kieswerk Langhagen, am Drewitzer Fangkörben sowie sehr vielen Rückmeldungen von seinen See und Dreiersee tätig werden können. An diesen Gewäs- ins Winterquartier ziehenden Seeschwalben konnte er den sern hatte Wolfgang Neubauer sich über 50 Jahre lang in- Zug, aber auch An- und Umsiedlungen der mitteleuropäi- tensiv mit Forschungen an Flussseeschwalben beschäftigt. schen Flussseeschwalben aufzeigen. Nach Ringfunden und Nach Durchsicht der auf seinem Computer abgelegten Da- Fängen brütender Vögel berichtete W. Neubauer auch über ten gehe ich davon aus, dass wohl alles von ihm ausgewer- zwei 27-jährige Flussseeschwalben, die noch in diesem ho- tet und publiziert worden ist. In verschiedenen Fachzeit- hen Alter an der Reproduktion beteiligt waren. schriften hat W. Neubauer mit zwölf Beiträgen zwischen Alle Auswertungsergebnisse im Detail mögen in seinen 1969 bis 2010 Themen zur Brutbiologie und zum Verhalten Veröffentlichungen (s. Anhang 2) nachgelesen werden. von Flussseeschwalben behandelt. Publikationen von ihm Nachfolgend erfolgt nur eine Übersicht zur Anzahl der von gibt es über Untersuchungen zur akustischen und visuel- ihm beringten und wiedergefangenen Flussseeschwalben, len Kommunikation von Flussseeschwalben insbesondere die in der Form nicht in seinen Publikationen zu finden war. bei der Jungenaufzucht, die Nahrung nestjunger Flusssee- Seit 1958 hat Wolfgang Neubauer nestjunge Flusssee- schwalben, die Beziehungen zwischen Paarbindung, Alter schwalben auf dem Großen Werder im Krakower Ober- und Bruterfolg sowie zu Zusammenhängen von Brutperi- see beringt, seit 1984 dann auch im Kieswerk Langha- ode, Schlupftermin und Überlebenschancen bei Flusssee- gen. Seit 1984 begann er an beiden Orten auch mit dem

156 50 Jahre Fachgruppe Ornithologie und Naturschutz Güstrow systematischen Fang und den Kontrollen von brütenden erhöht. Der Anteil markierter Vögel in der Krakower Kolo- Altvögeln auf ihren Nestern. 1998/2000 wurden die Fänge nie stieg von etwa 50 % auf 90 %–95 %, in der Kolonie Lang- auf vier Teilkolonien ausgedehnt – es kamen der Drewitz- hagen von etwa 50 % auf 80 %. Nur auf dieser Basis waren und Dreiersee dazu. Aus seinen Literaturangaben und den die o. g. Untersuchungen an den Seeschwalben für W. Neu- Kontroll listen der Beringungszentrale ergab sich die nach- bauer effektiv möglich. folgende Übersicht der von Wolfgang Neubauer insgesamt von 1958 bis 2013 beringten Flussseeschwalben:

Beringungen Juv. FGL Summe Ort / Summe 10.896 1.482 12.378

Krakower Obersee 6.861 775 7.636 Krakow (Untersee) 3 /1 –3 Langhagen 2.118 454 2.572 Drewitz/Dreiersee 1.875 253 2.128 andere /² 39 – 39

/1 – Solitärgelege auf Fischernetzen an der Promenade in Krakow am See /2 – Brutvorkommen am Ochsenauge und Sumpfsee Abb. 281: Wolfgang Neubauer bei der Entnahme einer auf dem Nach eigenen Aussagen war es W. Neubauer nie gelungen, Gelege gefangenen adulten Flussseeschwalbe. Foto: H. G. Müller. in seinen Kolonien sämtliche Küken eines Jahrganges zu fangen. Anfangs brüteten die Flussseeschwalben auf dem Großen Werder außerhalb der Lachmöwenkolonie im niedrigeren Gras. Vermutlich durch den Prädatorendruck siedelten sie sich später innerhalb der Lachmöwenkolonie an. Bei der zunehmend üppiger werdenden Vegetation wurde es schwieriger, alle weit auseinander liegenden Nester der Seeschwalben zu finden. Kam er zum Beringen nicht un- mittelbar nach dem Schlupf der Küken an die Nester, ver- ließen die größeren Küken bei seiner Annäherung das Nest und versteckten sich in der hohen, meist aus Brennnesseln bestehenden Vegetation. Ob die beringten Küken auch flügge geworden sind, ließ sich erst feststellen, wenn sie in den Folgejahren als Brutvögel wieder gefangen wurden.

Abb. 280: Flussseeschwalbenküken auf dem Großen Werder im Abb. 282: Ganz wichtig, die Notierung der Daten gleich vor Ort. idealen Beringungsalter. Foto: W. Neubauer. Foto: H. G. Müller.

Von 1984 bis 1992 hat sich in den von W. Neubauer kont- Bis einschließlich 2012 tätigte Neubauer die nachfolgende rollierten Kolonien am Krakower Obersee und im Kieswerk Anzahl von Kontrollfängen an den von ihm gefangenen Langhagen die Zahl der beringten Seeschwalben deutlich und beringten Jung- und Altvögeln:

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Kontrollfänge Gesamt Individuen Paare Zu jeder wiedergefangenen Flussseeschwalbe hatte Wolf- Ort/Summe 5.896 3.106 1.395 gang Neubauer eine Karteikarte, geordnet nach Ringnum- Krakower Obersee 3.644 1.860 892 mern, angelegt, auf der neben den Beringungs- und Wie- derfangdaten auch die Ring-Nr. der Brutpartner und des Langhagen 1.856 986 435 Nachwuchses vermerkt wurden. So entstanden sehr viele Drewitz/Dreiersee 396 260 68 Familiengeschichten.

Neben „seinen“ Vögeln fing er mit den Körben auch Brut- Da der Fang von Flussseeschwalben derzeit nicht in der vögel, die fremde Ringe trugen. Bis zum Jahr 2012 stammten von ihm betriebenen Form fortgeführt wird, wurden die die Beringungen aus Spanien (2), Niederlande (2), Belgien mehr als 1.800 Karteikarten vom KOS im Archiv des Natur- (4), Namibia (6), Südafrika (1), Polen (6), Dänemark (2) so- parks Nossentiner/Schwinzer Heide deponiert. wie aus den näheren ostdeutschen Brutkolonien: Breeser See (47), Bergen (1), Heuwiese (1), Kirr (14), Böhmke und Werder (7), Nonnenhof (2), Wismar (8), Walfisch (2), Dam- becker Seen (2), Moitin (3), Stolper See (1) und Kloster- walde (1). Es wurden auch zahlreiche von Neubauer beringte Fluss- seeschwalben von anderen Orten gemeldet (Stand 12/2015):

Wiederfunde (Zug + Winterquartier) England 2 Dänemark 1 Niederlande 11 Polen 1 Belgien 3 Frankreich 2 Spanien 3 Senegal 2 Gambia 1 Guinea 1 Sierra Leone 1 Liberia 2 Elfenbeinküste 1 Ghana 8 Togo 1 Gabun 1 Abb. 284: Ausschnitt aus der Kolonie am Drewitzsee – die Angola 2 Versteckmöglichkeiten für die Küken sind hier eingeschränkt. Namibia 12 Foto: W. Neubauer. Südafrika 13 Wiederfunde (als Brutvögel) Breeser See (4), Waren (1), Langenwerder (4), Walfisch (4), Riether Werder (5), Böhmke und Werder (5) und Molfsee/ SH (1).

Abb. 283: Wolfgang Neubauer beringte Flussseeschwalben stets Abb. 285: Diese hier auf dem Großen Werder brütende Flusssee- am linken Fuß. Zur Unterscheidung beringte Joachim Loose am schwalbe stammte nicht vom Krakower Obersee, da sie rechts Breeser See stets rechts, so konnten fremde Flusen bereits ohne Fang beringt war (vgl. Abb. 283). Ihr Fang war also besonders wichtig. vermutet werden. Foto: B. Meder-Trost. Foto: W. Neubauer.

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Im Schriftverkehr von Neubauer fanden sich aus dem Jahre 2005 Daten zur vermuteten Polygamie bei 34 brü- tenden Flussseeschwalben – Vögel waren parallel brütend auf verschiedenen Nestern gefangen worden. Nach seinem Kontakt mit Prof. Dr. Peter H. Becker, Wilhelmshaven, blie- ben Fragen offen, so dass hier dieses Thema nur erwähnt wird. Diagramm 31: Der Brutbestand der Flussseeschwalben am Krakower Obersee ging in jüngerer Zeit deutlich zurück.

10.2 27 Jahre Kunstinseln für Flussseeschwalben im NSG Breeser See

Joachim Loose

Anfang Juni 1989 hatten Flussseeschwalben mehrere Eier etwa 1,80 m über dem Wasserspiegel auf dem nur ca. 1 m2 großen Schilfdach eines Beobachtungsverstecks mitten im Breeser See abgelegt. Ein Brüten war hier chancenlos. Durch den NSG-Betreuer wurde daraufhin am 19.Juni 1989 eine etwa 3 m2 große Holzpattform mit einer spärlichen Kiesschüttung auf vorhandenen Pfählen vor dem Versteck installiert. Diese wurde sofort von einem Flussseeschwal- benpaar angenommen: Am 24. Juni war ein neues Dreier- gelege vorhanden, aus dem am 15. Juli ein Küken schlüpfte. Bereits am 4. August war dieses flügge. Die Flussseeschwal- be war damit ab 1989 erfolgreicher neuer Brutvogel im Ge- biet. Die fast zehn Jahre zuvor durch die Schüler-AG von Kurt Pohlmann errichtete, aber nicht fertiggestellte Brut- insel erfüllte doch noch ihren Zweck. Abb. 286: Auf dem Dach eines Versteckzeltes 1989 abgelegte Eier der Flussseeschwalbe. – Alle Fotos des Kapitels : J. Loose.

Abb. 287: Der Artikel in der SVZ vom März 1980 fand sogar eine Erwähnung in der Zeitung „Neues Deutschland“.

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Es begann die nachfolgend beschriebene Kolonieentwick- lung: Da Flussseeschwalben auch in den folgenden drei Jahren die eher baufällig wirkende spärlich mit einer zwei Zenti- meter hohen Kiesschicht belegte Plattform in zunehmender Brutpaarzahl besiedelten (1992 waren es bereits 9 BP), wur- de das Nistplatzangebot durch die Errichtung zweier neuer

Abb. 290: Insel 2 als Grundgestell aufgebaut auf Plastefässern.

Abb. 288: Insel 1 in den Anfängen der Flussseeschwalbenbruten

Nistmöglichkeiten angepasst. Insel 1 entstand als Neubau über der bisherigen Plattform auf den vorhandenen einge- rammten Birkenstämmen (Abb. 289). Die Insel 2 wurde als Floß auf Plastikfässern errichtet. Die jetzt angebotenen Flä- chengrößen lagen bei 5,2 bis 5,4 m2 (Abb. 290/291). Neben der Kiesschüttung wurden auch einige Rasensoden auf der Flächen locker verteilt, die später bei höher gewachsenem Gras den Küken auch Versteckmöglichkeiten und Witte- Abb. 291: Insel 2 nach der Fertigstellung. rungsschutz boten. Auch dienten sie zur räumlichen Tren- nung der oft nur 30 cm auseinander liegenden Neststand- orte (Abb. 292). 1995 war die BP-Zahl bereits auf 40 ange- stiegen und Insel 3, ebenfalls noch einmal als Brutfloß mit einer Fläche von 5,3 m2, wurde errichtet. Die Inseln waren im See so platziert, das zwischen ihnen Entfernungen von jeweils 350 bis 450 m bestanden. 2002 kam neben Insel 2 ein neues mit 17,1 m2 Brutfläche größeres Floß zum Einsatz, das als Kompensationsmaßnahme über die UNB durch ei- nen Investor gebaut worden war. (siehe Abb. 303).

Abb. 292: Die Nester der Flussseeschwalben haben oft nur Abstände von ca. 30 cm untereinander.

Die Inseln 2 und 3 waren bis dahin erneuert und als Pfahl- konstruktionen neu gegründet worden, da die Plastefässer über die Winter undicht geworden waren. Beim Neubau wurde die Insel 2 bereits 1998 auch gleich noch von 5,2 m2 auf 23,5 m2 vergrößert. Auch in den nachfolgenden Jah- ren war für die Inselunterhaltung und weitere Neubauten Abb. 289: Insel 1 nach Rekonstruktion. viel „Manpower“ erforderlich. Zäune waren zu erneuern,

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Die Entwicklung der Brutplatzangebote kann aus der Ge- samtübersicht in Tabelle 13 entnommen werden. Da während der gesamten Brutzeit wöchentlich ein bis drei Kontrollen zur Erfassung der Gelege, Ei- und Jungenzahlen erfolgten und in der Regel geschlüpfte Küken im Alter von 2–4 Tagen beringt wurden, konnten in den 27 Jahren des Bestehens der Brutkolonie am Breeser See interessante Da- ten gesammelt und ausgewertet werden. Bei im „Freiland“ ohne Einzäunung geschlüpften Küken in anderen Brutko- lonien bleibt es weitgehend unklar, wie viele der Küken tat- sächlich flügge geworden sind. Erst durch einen Wieder- fang beringter Küken in den Folgejahren erhält man dort Abb. 293: Beim Aufbau der Insel 4 gab es Unterstützung durch Aussagen. Mitarbeiter des Forstreviers Lohmen. Eine Teilauswertung von Brutergebnissen aus dem Bree- ser See von 1989 bis 1997 erfolgte bereits für das Themen- Substrat auf den Flächen neu auszubringen und verfaulte heft: Flußseeschwalbe (damals noch mit „ß“ geschrieben) Bretter zu ersetzen. Beim Inselaufbau auf eingerammten der Zeitschrift „Die Vogelwelt“ (LOOSE, J. 1998, Vogelwelt Pfählen kam es immer wieder zum Problem, dass im Laufe 119: 253–258). der Jahre die Pfähle immer tiefer in den morastigen Unter- Da die Kunstinseln mit einem ca. 50 cm hohen Zaun umge- grund einsanken. Die Plattformen gerieten unter Wasser ben sind und Küken sich nicht generell verstecken können, oder wurden bei Hochwasser im Frühjahr überflutet. war es möglich, Mortalitätsraten (Verluste durch Witterung Am einfachsten ließen sich die Standpfähle im Winter bei und Prädatoren) sowie Ausfliegeerfolge alljährlich detail- tragfähigem Eis einrammen. liert zu erfassen. Die Gelege wurden zuvor je Insel kartiert und nummeriert, die Eizahlen, Eiverluste und Schlupfra- ten, jeweils differenziert nach Erst- und Spätgelegen, auf- genommen. Die mittlere Gelegegröße lag bei Erstgelegen mit 2,80 signifikant über der von Spätgelegen (2,60). In den Anfängen der Koloniegründung bis 1997 konnte festgestellt werden, dass der Bruterfolg selbst unter Einbeziehung der 50 %igen Kükenverluste durch den Habicht mit 1,46 flüggen Jungen je Brutpaar ungewöhnlich hoch (ohne Prädation bis 1995 sogar bei 1,79 Küken/Paar) und damit deutlich höher als in anderen bekannten Brutkolonien war. Nur in den Jahren 1996 und 1997 unterschritt der Bruterfolg 0,9 Küken/ Paar, also den Wert, der derzeit für die mitteleuropäische Population als ausreichend zur Bestandserhaltung ange- nommen wird (WENDELN & BECKER 1998). Damit war Abb. 294: Neben der Insel wurden schwimmende Plattformen und der Bruterfolg am Breeser See so hoch, dass sich die Kolo- Hölzer für ausgeflogene Küken angebracht, die hier ausruhen nie nicht nur selbst erhalten, sondern anwachsen konnte. konnten, wenn sie den Flug über den Zaun zurück auf die Insel Dies spiegelt sich im Bestandsanstieg wider, der u. a. auf nicht gleich schafften. die Ansiedlung von kolonieeigenen Jungvögeln zurückzu- führen war (Nachweise durch Wiederfänge von eigenen beringten Vögeln auf Gelegen). Mit zunehmendem Alter der Brutkolonie am Breeser See beeinflussten verstärkt verschiedene Prädatoren das Brut- und Ausfliegeergebnis der Flussseeschwalben. Während bis 1997 im Wesentlichen nur Habicht und Silbermöwe als Prädatoren beobachtet wurden, erschien 2009 und 2010 auch der Mink auf den Brutinseln und richtete erheblichen Schaden an. Bei hohem Wasserstand nutzten 2011 anfangs der Brutzeit auch Fischotter einige der Inseln und haben durch ihre Anwesenheit auch tagsüber zunächst die Insel- besetzung durch Flussseeschwalben behindert. Möglicher- weise sind sie auch für die ersten Gelegeverluste verant- Abb. 295: Erfolgreich ausgeflogene Flussseeschwalben. wortlich.

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2012 und 2013 waren schließlich totale Ausfalljahre. Zwei bis vier Nebelkrähen hatten sich spezialisiert und räumten kontinuierlich die Gelege der Flussseeschwalben von allen Inseln ab. Es wurde zu keiner Zeit ein vollständiges Drei- ergelege aufgefunden, die Seeschwalben gaben die Kolonie frühzeitig auf. Die Brutsaison 2014 begann trotz der Störungen in den Vorjahren vielversprechend. Nebelkrähen hielten sich von den Brutinseln fern. Anfang Juni wurden wieder 110 Brut- paare auf ihren Vollgelegen registriert. Die ersten Jungen waren geschlüpft, und nun kam es zu massiver Prädation wiederum durch den Mink. Im Ergebnis wurde kein Junges Abb. 297: Das Grundgestell für den Neubau der Insel 1 besteht aus flügge. Die Kolonie wurde erneut vorzeitig von den Altvö- Lärchen-Stangenhölzern aus dem Forstamt Güstrow. geln verlassen. Nach drei Jahren Totalverlust war der Sai- sonstart 2015 spannend – würden die Seeschwalben wieder kommen? – Sie kamen! Bis Mitte Mai 2015 hatten wieder 68 Brutpaare die Inseln besetzt. Mitte Juni konnten 67 kleine Küken gezählt wer- den. Einige wurden zu diesem Zeitpunkt beringt. Als Ende Juni dann auch der Rest beringt werden sollte, gab es kein einziges lebendes Küken mehr auf der Insel.

Abb. 298: Ende April 2010 ist die neue Insel 1 ist für die Brutsaison fertiggestellt.

Abb. 296: Fraßreste von Flussseeschwalbenküken, die vermutlich von einem Mink stammten. Abb. 299: Beim Neubau der Insel 1 lag die Plattform ca. 80 cm über Einige wenige Kadaverreste ließen den Schluss zu, dass der Wasseroberfläche. Die Standpfähle sackten in den Folgejahren hier wieder eine Prädation durch den Mink oder auch soweit ab, dass die Plattform bei einem Sommerhochwasser 2012 teilweise überflutet wurde. Fischotter stattgefunden hatte, aber da zu dieser Zeit die Küken alle relativ klein waren, könnten auch andere Beu- tegreifer tätig gewesen sein. So passen die kleinen Küken Eine tagsüber laufende Kamera zeichnete 2009 zufällig eine in das Beutespektrum des Waldkauzes, der jedoch noch Sequenz auf, die zumindest im Einzelfall die Verringerung nicht als Prädator bestätigt werden konnte. Auch mehrere der Kükenanzahl von einer Kontrolle zur nächsten erklär- Graureiher hielten sich zu dieser Zeit auf dem See auf. Mit te, die unter der Rubrik "unbekannt verschwunden" notiert einer installierten Wildkamera gelang es bisher noch nicht, wurde. Es gelang ein Video-Beleg zum Verschleppen eines Erkenntnisse über die Prädatorenart bei kleinen Küken zu Kükens durch einen auf Nahrungsraub spezialisierten Alt- erlangen. Die Inseln sollen künftig lückenloser mit einer vogel. Als dieser den Fisch aus dem Schnabel des Kükens Kamera überwacht werden, wenn denn Flussseeschwalben griff, blieb der Fisch im Schlund des Kükens stecken, und auch nach dem nunmehr vierten Ausfalljahr erneut den das Küken wurde durch die Seeschwalbe von der Insel Breeser See als Brutplatz nutzen sollten. weggetragen. Solcherart schmarotzende Seeschwalben wurden mehrfach beobachtet.

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Abb. 300: Für die kleinen Küken befinden sich Dachhauben als Abb. 302: Insel 2 wurde anfangs weitgehend nur mit Sand und Kies Unterschlupf auf den Inseln. Auch die aufwachsenden Pflanzen und belegt. Grassoden bieten Versteckmöglichkeiten. Durch die erfolgten Ei- und Kükenprädationen in den Jah- ren 2012 bis 2015 waren für diesen Zeitraum keine statisti- schen Auswertungen wie für die Vorjahre möglich. Einer- seits konnten durch das Eierabsammeln durch Nebelkrähen keine Zahlen zu den tatsächlich gelegten Eiern ermittelt werden. Andrerseits wurde bei angespannter Situation in der Kolonie auf die bisher durchgeführten 1–3 Kontrollen pro Woche verzichtet, so dass keine absoluten Jungenzah- len erhoben wurden.

Abb. 301: Insel 3 wurde in mehrere Felder unterteilt, um den Stress für Küken durch adulte Seeschwalben zu reduzieren.

Abb. 303: Das als Kompensationsmaßnahme errichtete Brutfloss wurde zeitweilig von bis zu 50 BP besiedelt. Die geringe Höhe über der Wasseroberfläche machte es anschwimmenden Prädatoren (Mink und Fischotter) trotz des 50 cm hohen Zauns leicht, auf die Insel zu gelangen.

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Tabelle 13 – Entwicklung in der Flussseeschwalbenkolonie am Breeser See von 1989 bis 2015

Jahr Brutpaare Eizahl Anzahl ge- Flügge Flügge Flügge Nistplatzangebot Gesamte insgesamt gesamt schlüpfter gewordene Küken Küken und Störungen Nistplatz- Küken Küken *) % zum pro BP fläche Schlupf m²

1989 15111001,00 1 Insel ~ 1,0

1990 37441001,33 1 Insel 5,20

1991 5 15 7 7 100 1,40 1 Insel/1 Floß 10,60

1992 10 30 26 19 73,1 1,90 1 Inseln/1 Floß 10,60

1993 14 46 37 35 94,6 2,50 1 Inseln/1 Floß 10,60

1994 28 120 62 48 77,4 1,71 2 Inseln/1 Floß 10,60

1995 40 112 83 67 80,7 1,68 2 Inseln 10,60

1996 42 122 69 30 43,4 0,66 3 Inseln / Prädation 16,85

1997 38122120003 Inseln / 100 % Präd- 15,90 ation

1998 39 126 59 27 45,8 0,87 3 Inseln 35,20

1999 35 108 85 78 91,8 2,22 3 Inseln 35,20

2000 49 154 114 102 89,5 2,08 3 Inseln 43,70

2001 55 202 144 82 56,9 1,49 3 Inseln 43,70

2002 88 358 155 89 57,4 1,01 3 Inseln/1 Floß / Sturm 38,80

2003 95 325 192 111 57,8 1,17 3 Inseln/1 Floß / Sturm 66,00

2004 115 338 235 138 58,7 1,20 3 Inseln/1 Floß 66,00

2005 147 423 288 176 61,1 1,20 3 Inseln/1 Floß 66,00

2006 162 465 314 202 64,3 1,25 3 Inseln/1 Floß 66,00

2007 140 400 267 83 31,1 0,59 3 Inseln/1 Floß 66,00

2008 143 – 204 96 47,0 0,67 3 Inseln/1 Floß 66,00

2009 140 410 165 54 32,7 0,38 4 Inseln/1 Floß, Präd- 78,25 ation

2010 148 442 278 108 38,8 0,73 4 Inseln/1 Floß, Präd- 80,00 ation

2011 150 464 247 158 64,0 1,18 5 Inseln/1 Floß 84,25

2012 70?00005 Inseln/1 Floß, 100 % Ei- 84,25 Prädation – Nebelkrähen

2013 25?00005 Inseln/1 Floß, 100 % Ei- 84,25 Prädation – Nebelkrähen

2014 114 (305) (> 69)0004 Inseln/1 Floß 100 % 83,75 Prädation durch Mink

2015 68 (< 168) (> 67)0004 Inseln, 100 % Prädation 62,50

Summe: 4.794 3.048 1.715 63,7 1,025

(5.267) (3.184) 1989–2011

*) Differenzen zwischen flügge gewordenen und geschlüpften Küken gehen ohne Prädation zumeist auf Wettereinflüsse (Hitze, Kälte,rkregen Sta und Sturm) beim Schlupf zurück. Es wurden auch „unbekannt verschwundene Küken“ notiert.

164 50 Jahre Fachgruppe Ornithologie und Naturschutz Güstrow

Diagramm 32: Entwicklungen in der Flussseeschwalbenbrutkolonie im NSG Breeser See (Die Trendlinie gibt die Entwicklung der jüngsten Jahre bei den Jungen nicht wieder.)

Diagramm 33: Entwicklungen in der Flussseeschwalbenbrutkolonie im NSG Breeser See mit insgesamt geschlüpfter Kükenzahl

Diagramm 34: Ausfliegeerfolg der Küken von allen Inseln zusammen mit linearer Trendlinie (rote Pfeile – Jahre mit Prädationen)

165 50 Jahre Fachgruppe Ornithologie und Naturschutz Güstrow

Diagramm 35: Jährlich von allen Inseln flügge gewordenen Küken je Brutpaar. Ab dem Wert von 0,9 Küken/BP gilt, die Kükenzahl ist ausreichend zur Bestandserhaltung. Darüber hinaus kann sich örtliche Population selbst vermehren.

Diagramm 36: Ausnutzung der Brutplatzfläche bezogen auf Brutpaare auf allen Inseln

Abb. 304: Neuaufbau der Insel 2 über der abgesackten Plattform. Die unterhalb verbliebenen Latten wurden von ausgeflogenen Küken als Ruheplätze genutzt. Mit dem Überkragen der Plattform sollte es dem Mink erschwert werden, die Insel zu erklimmen.

166 50 Jahre Fachgruppe Ornithologie und Naturschutz Güstrow

10.3 Haubenlerchen – Farbberingungsprogramm in Güstrow 1987–2003

Angela Martin

Wenn ich heute in Güstrow durch Neubaugebiete aus den Die Annahme, dass wegen der vielen gefundenen Nester 1980er Jahren gehe, kommen mir diese trotz der umher- nur eine „semi-individuelle“ Beringung, d. h. die Jungen ei- wimmelnden Menschen „unbelebt“ vor – ich vermisse den nes Nestes erhalten die gleiche Kombination der Farbringe, lauten melodischen Ruf: „tri-tri-trü“. Vor zwei Jahrzehnten in Frage käme, wurde durch die Praxis zerstreut. Bei nähe- war dieser Vogelruf noch vielerorts allgegenwärtig zu rer Prüfung ergab sich dann auch schnell die Einsicht, dass hören und der trippelnde Vogel zwischen den Beinen der allein mit 6 Farben (weiß, schwarz, blau, grün, rot und gelb) Leute zu sehen, die Haubenlerche. so viele Kombinationen bei Verwendung von ein bis drei Farbringen an zwei Füßen in Verbindung mit dem Metall- ring der Vogelwarte möglich sind, dass eine größere An- zahl von Haubenlerchen individuell gekennzeichnet wer- den könnten. Damit waren auch die Auswertungsmöglich- keiten späterer Ablesungen wesentlich erweitert. – In den 17 Jahren Farbmarkierung wurden die Kombinationsmög- lichkeiten nicht ausgeschöpft.

Abb. 305: Junge Haubenlerchen in diesem Alter bleiben nach der Beringung nicht mehr im Nest. Foto: A. Martin.

Im Jahre 1981 hatte ich die Beringerprüfung als einzige Frau in diesem Lehrgang auf Hiddensee abgelegt und such- te nun eine konkrete Aufgabe. Die sollte realisierbar und bisher kaum oder noch gar nicht angepackt worden sein. Eine Bekannte, die in Greifswald studierte, machte mich auf die Art ‚Haubenlerche‘ als Beringungsobjekt aufmerk- sam. Die dortige FG praktizierte wohl gerade die nicht ganz einfache Nestersuche. Da ich bei unterschiedlichen Sperlingsvögeln der Suche Karte 21: Untersuchte Brutgebiete der Haubenlerche in Güstrow der Nester bereits als Kind und Jugendliche gern nachging und sie als spannend empfand, war diese zeitaufwändige TS – Teilgebiet der Südstadt – 47 ha (ab 1986) Methode kein Novum und nicht abschreckend für mich. ES – Neubau, Erweiterung Südstadt – 12 ha (ab 1997) Beharrlichkeit und Geduld ließen mich wohl die unend- NS – Neubau, Eigenheimsiedlung Bauhof – 13 ha (ab 1999) ZN – Zweites Neubaugebiet Nordstadt – 24 ha (ab 1996) liche Zahl an Beobachtungsstunden in all den Jahren mit EN – Erweiterung Nordstadt – 2 ha (ab 1999) Fassung tragen. NK – Neubau Krankenhaus – 10 ha ( ab 2000) IG – Industriegebiet (Teilbereich) – 12 ha (ab 2000) Offene Fragestellungen zu der Art waren im „Handbuch der Vögel Mitteleuropas“ – Urs N. Glutz von BLOTZHEIM (Hrsg.) im Kapitel über die Haubenlerche zu finden. Diese In den Jahren 1987 bis 2003 wurden 149 Nester gefunden waren Basis für die Beantragung eines Farbberingungspro- und 264 Jungvögel und nur zwei Altvögel farbberingt. Das gramms, denn nur so ließ sich klären, ob z. B. die Zwei- Fangen von Altvögeln in einem Lebensraum mit sehr dich- ergemeinschaften im Winter auch die späteren Brutpaare ter Besiedlung durch den Menschen war fast unmöglich. bilden. Es gelang zweimal jeweils auf dem Nest mit Jungvögeln

167 50 Jahre Fachgruppe Ornithologie und Naturschutz Güstrow

Diagramm 37: Während der Projektlaufzeit jährlich gefunde- ne Nester und Zahl der beringten Jungvögel der Haubenlerche in Güstrow jeweils mit den Trend- linien zur Entwicklung.

mit einem Fangkorb, der sonst bei Flussseeschwalben ver- ■ Haubenlerchen sind bei der Wahl des Nistplatzes verwendet wird. Die Auslösung per Hand war nur in zwei sehr anpassungsfähig. Sich in der Nähe bewegen- kleinen Innenhöfen in Kindergärten möglich. de Menschen und laufender Verkehr behindern eine Die Haubenlerchenberingung wurde bereits 1986, noch be- Nest anlage nicht. Eher wird sie begünstigt, da hier der vor der Farbberingungsantrag genehmigt worden war, als Prädatorendruck geringer ist. „normale“ Beringung begonnen. Insgesamt erhielten also ■ Haubenlerchen nehmen auch Flächen auf Grün- 289 Haubenlerchen Aluringe. Die Zahl beringter Vögel dächern in Höhen bis zu 18 m über dem Erdboden als innerhalb eines Jahres schwankte zwischen 4 und 33. Die Nistplatz an (KMG-Klinikum in der Nordstadt). höchste Zahl wurde nur zweimal erreicht. ■ Die Brutzeit beginnt mit dem Nestbau Ende März / Anfang April; der früheste Zeitpunkt, an dem fast Bereits im Jahr 2002 und stärker noch 2003 machte sich flügge Jungvögel beringt wurden, war der 22.4., als ein Bestandsrückgang bemerkbar, den ich aber nicht vor- späteste Beringung wurde der 24.8. registriert. dergründig wahrnahm. Ich war so auf das Auffinden der ■ Der Erbrütungsort führt nicht zu einer Prägung auf Nester fixiert, dass ich zunächst mehr die „Schuld“ nur als einen bestimmten Biotoptyp. Haubenlerchen, die in Nichterfolg bei mir sah. einem Innenhof aufwuchsen, siedelten sich in Gegen- 2004 und 2005 war der Bestand bei der Haubenlerche in den ohne Innenhöfe an, am Stadtrand aufgewachsene Güstrow soweit gesunken, dass die Nestersuche einen Vögel behaupteten Reviere im Stadtinneren. enormen Zeitaufwand erfordert hätte. Das Beringungspro- ■ Die von Jungvögeln im Folgejahr besiedelten Brut- jekt wurde abgebrochen. reviere wurden in der Nähe des Erbrütungsortes als Mit einer kurzen Zusammenfassung im FG-Jahresbericht auch in Entfernungen von bis über 3,7 km festgestellt. Nr. 38/2005 wurde die über 18 Jahre laufende und tausende Eine Brutansiedlung außerhalb der Stadt Güstrow Stunden umfassende Arbeit an den Haubenlerchen abge- konnte nicht belegt werden. schlossen. Nachfolgende Erkenntnisse konnten u. a. aus ■ Haubenlerchen unterliegen offensichtlich einer hohen diesem Projekt gewonnen werden: Mortalitätsrate. Lediglich 15 der insgesamt 266 farbig beringten Vögel konnten noch in nachfolgenden Brut- perioden beobachtet werden. Viele Fragestellungen des Projektes ließen sich daher nicht beantworten. ■ Gelege- und Jungenverluste treten vor allem durch die Mahd der Flächen, verwilderte Hauskatzen und auf den Flächen frei laufenden Hunden auf. Bei Neststand- orten in der Nähe von viel befahrenen Straßen fallen nicht flügge Junge auch dem Straßenverkehr zum Opfer. ■ Im Herbst werden offenbar die Reviergrenzen gelockert oder aufgehoben. ■ Bei der Art können Vögel auch unverpaart bleiben. Ein vermutlich männlicher Vogel wurde viele Male über Abb. 306: Präparat einer jungen Haubenlerchen mit angelegter eine Zeitdauer von über 1.479 Tagen beobachtet, er Farbringkombination (rechts: blau über Alu, links: blau-schwarz) – war nur kurzzeitig mit einem zweiten Vogel zu sehen. nach Straßentod. Foto: A. Martin.

168 50 Jahre Fachgruppe Ornithologie und Naturschutz Güstrow

Außer den für Haubenlerchen „normalen“ Brutplätzen wie Für die eigentlich für 2015 geplante Neuauflage der Avi- Seitenstreifen an Straßen, Verkehrsinseln und Gründä- fauna von M-V hatte ich mich als Artbearbeiter für die cher, wurde als kurioser Brutplatz auch der Versuch einer Haubenlerche zur Verfügung gestellt. So konnten Ergeb- Nestanlage auf einem völlig vegetationslosen Schrägdach nisse der unzähligen Stunden bei der Beobachtung der Art dokumentiert (Abb. 313). Allerdings kam es dort nicht zur in die Manuskriptabfassung u. a. wie folgt einfließen: Bebrütungsphase. Da das Nest nicht direkt kontrolliert werden konnte, blieb der Aufgabezeitpunkt unbekannt. Die Brut innerhalb eines Betonbrunnenringes war ebenso ungewöhnlich, da der brütende Vogel keine Möglichkeit zur Beobachtung des Geländes und damit sich annähern- der Feinde hatte (Abb. 309).

Abb. 310: Ackerrand-Biotop. Im Mai 1997 brütete ein Paar der Haubenlerche sogar fast 10 m vom Rand entfernt im Rapsfeld. Hier kann es zu Überschneidungen in der Habitatnutzung durch Feldlerchen kommen. Foto: A. Martin.

Abb. 307: Bruthabitat der Haubenlerche im Straßenrandbereich. Foto: A. Martin.

Abb. 311: KMG-Klinikum Güstrow mit großer Gründachfläche. (Luftbildaufnahme Google-Earth)

Abb. 308: Bruthabitat der Haubenlerche im Straßenrandbereich auf kleiner Verkehrsinsel. Foto: A. Martin.

Abb. 312: Innenhof – Gründach in der Südstadt. Foto: A. Martin.

Abb.309: 1995 hatte eine Haubenlerche im Neubaugebiet der Güstrower Nordstadt ein Nest innerhalb eines Brunnenringes am Rande einer Ödlandfläche errichtet. Die Brut verlief nicht erfolg- Abb. 313: Außergewöhnlicher Neststandort auf einem Ziegeldach reich. Foto: A. Martin. ohne jegliche Deckung. Foto: J. Loose.

169 50 Jahre Fachgruppe Ornithologie und Naturschutz Güstrow

Abb. 314: Nur wenn Straßenränder in der Brutzeit nicht komplett gemäht werden, haben Nester der Haubenlerche eine Chance. Diagramm 38: Verteilung der Neststandorte der Haubenlerche auf Foto: A. Martin. Habitattypen bei den Güstrower Untersuchungen. (vereinfachte Habitate)

Von 266 farbmarkierten Haubenlerchen konnten in der gesamten Projektlaufzeit nur 37 nach der Beringung (alle zusammen 179 mal) wieder beobachtet werden. Die Ab- lesehäufigkeit eines Vogels lag zwischen ein- und 26mal. Nur ein Vogel konnte über eine Zeitdauer von 1.479 Ta- gen 66 mal kontrolliert werden. Die Ursachen für die ge- ringe Zahl von Rückmeldungen (hohe Mortalität oder Ver- streichen der Vögel) sind nicht eindeutig geklärt. Nur drei farbig markierte Haubenlerchen wurden außerhalb der Stadt Güstrow in 5, 16 und 19 km entfernten Ortschaften ( Lüssow, Kronskamp und Möllen) beobachtet. Abb. 315: Küken im Beringungsalter drücken sich in die tiefe Nestmulde; nach dem Beringen verlassen sie sofort das Nest. Das Haubenlerchen-Projekt war auf der Homepage un- Foto: A. Martin. serer Fachgruppe www.ornithologieguestrow.de mit dem Aufruf zur Meldung von beringten Haubenlerchen vor- In der Güstrower Südstadt (ca. 47 ha) hielten sich in der gestellt worden. Einige Jahre nach dem Projektende fand Brutzeit bis Anfang des neuen Jahrtausends 5–7 Brutpaa- ich in meinem Posteingang eine Mail mit Betreff ‚Hauben- re auf, woraus sich eine Siedlungsdichte von 1,06–1,48 BP/ lerche‘. 10 ha ergibt. Die Gelegestärke betrug durchschnittlich 3,97 Eier. Über Ein Herr Karl-Wilhelm Kirsch (damals Lehrbeauftragter für alle Untersuchungsjahre ergab sich ein leicht sinkender Ökologie der Uni Lüneburg) hatte durch diese Homepage Durchschnitt. Bei den Güstrower Untersuchungen wurden Kenntnis von meinen Haubenlerchen-Aktivitäten erhalten. neben „normalerweise“ drei bis fünf Eiern in den Nestern Er befasste sich in Niedersachsen in einem NABU-Projekt acht Zweier- und ein Sechsergelege gefunden. mit den Haubenlerchen. Wenige Tage später kam es zu ei- Es traten sehr hohe Gelegeverluste auf. 55 von 143 Gelege nem persönlichen Kontakt, er besuchte mich und ich zeigte gingen vor der Beringung verloren. Sie wurden entweder ihm in der Güstrower Südstadt einige der früheren Brutha- aus unbekannten Gründen verlassen, oder die Eier oder die bitate der Haubenlerche. Herr Kirsch meinte, dass die vie- Jungen wurden geraubt. Als Prädatoren kamen an erster len von mir gesammelten Daten eine tiefere Auswertung Stelle verwilderte Hauskatzen in Frage. und Veröffentlichung erfahren müssten. Es sollte eventu- Fast jedes Brutpaar musste auf Grund hoher Gelegeverlus- ell möglich sein, mit den Daten den überall festgestellten te einige Nachgelege zeitigen. Aus diesem Grund erstreck- Niedergang des Bestandes der Haubenlerchen statistisch te sich die Brutperiode bis über den gesamten August. Die zu belegen. Mit Auswertungen meiner alten Aufzeichnun- Jungvögel wurden also bis weit in den September hinein gen begann eine lange und intensive Arbeitszeit. Manches gefüttert. Nach dem Verlassen des Nestes waren die Jungen hätte früher ausführlicher aufgeschrieben werden müssen. noch total flugunfähig und hielten sich in dieser Zeit sehr – Aber: Das Manuskript befindet sich nunmehr in der End- versteckt, so dass keine Beobachtungen vor dem 10.Tag phase der Bearbeitung. nach der Beringung gelangen. Erst im Alter von etwa 30–35 Tagen, wenn sie die volle Flugfähigkeit erreicht hatten, Der aktuelle Bestand 2015 beträgt maximal noch zwei Brut- aber noch oft gefüttert wurden, waren die Jungvögel regel- paare der Haubenlerche in Güstrow. mäßig zu beobachten.

170 50 Jahre Fachgruppe Ornithologie und Naturschutz Güstrow

10.4 Sperber – der kleine heimliche Greif

Angela Martin

Einen dunklen Schatten nur für Sekunden gesehen und da- 1984 und 1985 war das „Vorführrevier“, unser einziges be- nach evtl. Angstgeschrei einer Kleinvogelschar – das sind kanntes, wieder besetzt. Da wir gute Verbindungen zum im Winter mögliche Beobachtungen unseres heimlichsten regionalen Radiosender Schwerin hatten, gelang es mir, heimischen Greifs. Mitunter sieht man ihn ganz offen über die für Naturthemen gut ansprechbare Frau Barbara Klett das Terrain gleiten. Wir haben allerdings in diesem Fal- 1985 hierher zu locken. Der aufgezeichnete Beobachtungs- le meist keinen einheimischen Sperber bemerkt, sondern gang ins Sperberrevier wurde kurz darauf auch im Radio einen Wintergast aus skandinavischen Gefilden. gesendet. Damals konnte ich nur auf dieses einzige Revier verweisen. Erst im darauffolgenden Jahr kam ein zweites Mein Interesse an dieser heimlich lebenden Art wurde hinzu, 1987 waren es vier. durch einen Zufallsfund eines ornithologisch interessierten Obwohl die meist allein durchgeführten Suchaktionen vie- Forstlehrmeisters geweckt. Er fand 1983 bei der Arbeit mit le Hektar Waldfläche umfassten, war die Ausbeute äußerst den Lehrlingen in einem Kiefernstangenholz einen Sper- mager. Das lag nur zum einen an der äußerst geringen berhorst. Die Seltenheit dieses Fundes zu jener Zeit wurde Dichte, zum anderen aber wohl auch an der bei mir noch dadurch deutlich, dass zwei „altgediente“ Ornithologen un- mangelnden Erfahrung. Obwohl nach meinem schweren serer FG diesen Horst unbedingt sehen wollten und ihn Unfall kaum an ein Weitermachen zu denken war, begann sich von mir zeigen ließen. ich bereits 1991 – stets mit fremder Hilfe allerdings – alte Reviere und weitere Flächen mit sperbergeeigneten Baum- beständen abzugehen. Nach einigen Jahren ohne Erfolg, gelang erst 1995 ein Horstfund, der für mich nicht nur ornithologische Bedeutung hatte. Er war sozusagen ein ungewöhnlicher Beitrag für eine schneller fortschreitende Rehabilitation bei mir. Während die Zahl der Horstfunde zunächst recht beschei- den war, schien 1998 der Knoten mit fünf Horstfunden gerissen, neun Jahre später waren es dann stolze 28 Hors- te. Die Ergebnisse meiner Untersuchungen in den Jahren 1985 – 2010 an insgesamt 239 Horsten des Sperbers und 525 beringten Jungsperbern habe ich in einem Beitrag in der Fachliteratur publiziert (MARTIN, A., 2012). In den Folgejahren 2010 bis 2015 wurden meine bisherigen Erkenntnisse an dieser Vogelart bekräftigt. Abb. 316: Ein Sperberhorst befindet sich immer dicht am Stamm. Foto: A. Martin.

Die Standorte von See- und Fischadlerhorsten waren zu- mindest den Artbearbeitern bekannt, jeder Neufund kam noch Mitte der 1980er Jahre immer wieder einer kleinen Sensation gleich. Ähnliche Aufmerksamkeit hätte der „un- attraktive“ Sperber verdient, denn er war als Vogeljäger vom DDT-Einsatz ebenfalls sehr stark betroffen. Man kannte in Mecklenburg Anfang der 1980er Jahre kein be- setztes Sperberrevier mehr. Selbst bei unseren langjährigen Ornithologen waren die Kenntnisse über diese Greifvogel- art so gering, dass sie damals der Meinung waren, nun den letzten bekannten Horst aufgesucht zu haben. Sie vergaßen dabei (oder wussten es nicht besser), dass nicht wie bei al- len anderen heimischen Greifvögeln der bekannte Horst zu kontrollieren ist, denn der Sperber baut jedes Jahr einen neuen Horst. Dieser steht allerdings innerhalb des vom Sperber genutzten Revieres oft nicht weit entfernt vom Diagramm 39: Bei der Errichtung der Horste vom Sperber im Raum alten Horst. Güstrow genutzte Baumarten.

171 50 Jahre Fachgruppe Ornithologie und Naturschutz Güstrow

Diagramm 40: Die Geschlechterverteilung bei den Jungsperbern ist jährlich ganz unterschiedlich.

Tabelle 12: Brut größen in den erstiegenen Horsten von 1985 bis 2015 (n= 187)

Brutgröße 123456

Anzahl 5 14 26 56 66 20

Bei meinen Untersuchungen hatte ich den Schwerpunkt auf das Finden vieler besetzter Sperberreviere und -horste gelegt, um dadurch möglichst eine große Anzahl Jungsper- ber beringen zu können. So ganz selbstverständlich steht hier das Wort ‚Beringung‘, aber was bedeutet Beringung bei einer Art, die nicht am Boden, im Gebüsch oder in Nist- kästen brütet?

Abb. 317: Am 26.6.2015 gab es noch ein 5er Gelege, während Es muss Menschen geben, die diese meist 8–12 m hoch in zwei Tage zuvor die Jungen in einem anderen Horst bereits zum Bäumen angelegten Horste erklettern und die Jungen evtl. Beringen zu groß waren (vgl. Abb. 322). Foto: St. Thiel. gleich oben im Horst beringen oder uns am Boden war- tenden Ornithologen in einem Eimer herunterlassen. Es fanden sich zunächst stets FG-Mitglieder als Kletterer – Wolfgang Köhler und vor allem Fritz Anderlik waren die Aktivposten. Mitte der 1990er Jahren übernahmen es die jüngeren Mitglieder Remo Wiechert, Uwe Gehlhar und Jörg Bußmann.

Als erstmalig 1998 fünf Horste zu Buche standen und die Kletterei immer mehr Aufwand verursachte, konnte diese Arbeit nicht mehr durch FG-Mitglieder geschafft werden. Ich suchte nach anderen Möglichkeiten und fand schließ- lich Unterstützung bei professionellen Kletterern der Forst. Am 10.6.1999 war es dann soweit. Unser Drei-Mann-Team spielte sich gut ein, es machte von Jahr zu Jahr mehr Spaß. Henning Friz (seitdem alljährlich dabei) und Jannick Weid- ner waren Zapfenpflücker (heute sagt man ‚Baumsteiger‘), Abb. 318: Die Geschlechter lassen sich bereits bei den Nestlingen die in einem Forstrevier angestellt waren. Mit dem Revier- an der Größe der Fänge unterscheiden, hier: links ein Männchen, leiter sprach ich die Klettertermine zwei Wochen zuvor rechts ein Weibchen. Sie erhalten unterschiedliche Ringgrößen. grob und nach erneuter Kontrolle der Horste ganz konkret Foto: A. Martin. ab. 2006 ging alles trotz Vorbereitung kreuz und quer und

172 50 Jahre Fachgruppe Ornithologie und Naturschutz Güstrow plötzlich das: Die Beringung findet nicht statt. Damit war Bis einschließlich 2015 wurden 302 Horste gefunden und meine Arbeit einer gesamten Saison zunichte gemacht, 704 nestjunge Sperber aus 181 Horsten beringt. Im Ver- obwohl natürlich viele andere Daten trotzdem ermittelt gleich mit den Gesamtberingungsdaten der Beringungs- wurden, blieb als Lohn der Arbeit – die „Ernte“ – die Be- zentrale ist festzustellen, dass mehr als die Hälfte der in ringung aus. Was war geschehen? Ein Jahr später erklärte M-V beringten Nestlinge aus der Güstrower Region stam- sich mir der fatale Irrtum durch Bemerkungen der Klette- men. In den Jahren nach 2010 sind es jeweils fast 100 %. rer. Mitarbeiter der Forstverwaltung hatten Streit mit mei- ner Dienststelle, dem LUNG. Diese Mitarbeiter sahen es als selbstverständlich an, dass ich im Auftrag des LUNG arbei- tete, so wurde also dem LUNG die Hilfe bei der Beringung nicht gewährt. Wer hätte gedacht, dass eine Privatperson 1.000 Rad-km und hunderte Stunden für nichts und wieder nichts …! Dass dieser Irrtum selbst in höheren Forstkreisen recht peinlich angekommen sein muss, spüre ich seitdem indirekt in einer jährlichen anstandslosen Bewilligung der Kletterer.

Die Arbeit am Sperber hat mich weiterhin gefesselt, es hat sich mittlerweile auch ein großer Erfahrungsschatz ange- sammelt. Ab 2011 konzentriere ich mich zumeist auf das Finden aller Reviere und Horste in einem konkret abge- grenzten Untersuchungsgebiet. Das ist die vom Messtisch- blatt (MTB) 2239 umrissene Fläche einschließlich der un- Abb. 319: Rupfplätze des Sperbers befinden sich meist auf einer mittelbar angrenzenden Gebiete in einer Flächengröße von erhöhten Stelle. Foto: A. Martin. ~150 km2. Es beinhaltet u. a. die große zusammenhängende Wald- 2015 wurde erstmalig an zwei sehr gut ausgeprägten Rupf- fläche südöstlich von Güstrow, aber auch viele kleinteilige plätzen eine Wildkamera installiert. Beim ersten Einsatz Bereiche. Es werden auch Reviere in unmittelbar angren- konnte als Besonderheit gleich ein beringtes Weibchen zenden Gebieten gesucht, um handfestere Siedlungsdichte- fotografiert werden. Ob es sich um ein von uns als Jung- angaben vorweisen zu können. Da die Zahl der beringten vogel beringtes Weibchen gehandelt hat, konnte leider Jungsperber weiterhin nicht „ganz unwichtig“ ist, werden infolge unzureichender Auflösung der Wildkamera nicht alte Reviere, die ohne großen Kraft- und Zeitaufwand zu durch eine Ringablesung ermittelt werden. erreichen sind, „nebenbei“ ergänzend kontrolliert.

Abb. 320: Aufnahme mit Wildkamera an einem Rupfplatz.

Es entstand die Idee, künftig bei der Beringung junger Sperber eine Zusatzberingung mit Kennring vorzunehmen, wie sie z. B. beim Wanderfalken verwendet wird. Sollte es Karte 22: Untersuchungsgebiet MTB 2239 mit Sperberrevieren (rote gelingen, vorzugsweise an Rupfplätzen des Sperbers den Punkte) 2007 – die blaue Linie umreist das intensiv bearbeitete Kennring über Fotos einer Wildkamera abzulesen, ließen Waldgebiet Kirch Rosiner Forst. sich eine Reihe von Fragen beantworten, die derzeit offen

173 50 Jahre Fachgruppe Ornithologie und Naturschutz Güstrow sind. Bisherige Ringfundrückmeldungen betrafen fast aus- Dem Gedanken zeigte sich die Beringungszentrale durch- schließlich tote oder verunglückte Sperber. Mit dem Kenn- aus gewogen, wir bekamen grünes Licht für eine Antrag- ring wären Daten zu Brutorttreue, eventuelle Prägungen stellung. Bei entsprechender Ringbereitstellung könnten bei der Wahl der Nistbaumart, Partnerbeziehungen u. a. er- wir ab 2016 voraussichtlich die Basis für die Gewinnung mittelbar. ergänzender brutbiologischer Daten legen.

Abb. 321: Die fünf Jungsperber im Horst sind im besten Beringungsalter. Foto: St. Thiel.

Abb. 322: Diese Jungsperber verlassen bereits den Horst. Für die Beringung sind wir hier zu spät gekommen. Foto: J. Loose.

174 50 Jahre Fachgruppe Ornithologie und Naturschutz Güstrow

10.5 Das Projekt Wanderfalke – eine erfolgreiche Gemeinschaftsarbeit mit dem Landesjagdverband

Wolfgang Köhler

Eine für ganz Mecklenburg-Vorpommern bemerkenswerte Inzwischen war es mir gelungen, den neu gegründeten Aktion war die Wiederbegründung einer baumbrütenden Landesjagdverband (LJV) als Träger der Maßnahme zu ge- Wanderfalkenpopulation. Dieses Projekt wurde von einer winnen. Der LJV versteht sich als Naturschutzverband, der Projektgruppe unter meiner Leitung initiiert und durch- nicht nur die Jagd in traditioneller Weise betreibt, sondern geführt. auch aktiv für den Naturschutz, speziell den Artenschutz tätig wird. Ein Novum war, dass der Jagdverband eine Tier- Als Mitte des vorigen Jahrhunderts die organo-chloriden art mit ansiedeln will, die zwar dem Jagdrecht unterliegt, Pestizide auf den Markt kamen, ahnte zunächst niemand, aber nie bejagt werden wird. welche negativen Nebenwirkungen und Folgen diese In- Der LJV war sofort bereit, die nicht unerheblichen Kosten sektizide haben würden. Ganz besonders die Greifvögel, zu tragen und soweit möglich auch personell zu helfen. vor allem Adler und Wanderfalken als Spitzenprädatoren Durch den Umzug der Geschäftsstelle des LJV von Güst- wurden in ihrem Reproduktionsverhalten dermaßen ge- row nach Damm/Malchow bei Parchim ergab sich auch schädigt, dass die Gefahr bestand, dass sie innerhalb einer die Möglichkeit, einen geeigneten Auswilderungsplatz zu überschaubaren Zeitspanne aussterben würden. finden, der gut zu betreuen war und weit genug von Indus- Durch den engagierten Einsatz der Falkner gelang es, Nach- triebauten entfernt lag. zuchten bei Wanderfalken zu erzielen und diese schließlich wieder auszuwildern. Nachdem die Ursachen für die geringe Nachwuchsrate erkannt und anschließend beseitigt wurden, konnte man daran gehen, die enorm geschrumpfte Population wieder aufzubauen. Die baumbrütenden Wanderfalken, eine durch Prägung in der Ästlingsphase eigene Subpopulation, war aber total ausgestorben. Es bestand die Gefahr, dass das Diluvial- gebiet nördlich der Mittelgebirge von Wanderfalken frei bleiben würde. Wieder waren es einige Falkner, die die Vision hatten, durch Auswilderung und Prägung auf Bäume (in Kunst- horsten) eine neue Baumbrütergeneration zu begründen. Der Anfang wurde in der Naturschutzstation Woblitz in Nordbrandenburg gestartet. Abb. 323: Aufbau des Wanderfalken-Auswilderungskorbes. Foto: W. Köhler. Ich erklärte mich bereit, die Leitung zum Aufbau einer zweiten Auswilderungsstation in Mecklenburg-Vorpom- mern zu übernehmen. Sofort bekamen wir von Berufs- kollegen aus Schleswig-Holstein die Zusage, dass wir mit deren Unterstützung rechnen können und von ihnen Jung- falken aus der dortigen Zuchtstation zur Verfügung gestellt würden. Es stand die Frage, wo der Auswilderungsplatz auf- gebaut werden sollte. Die zunächst favorisierte Stelle in der Oberförsterei Krakow zerschlug sich, weil die Strukturen in der Forstwirtschaft nach der Wende völ- lig umorganisiert wurden. Der Tierpark in Güstrow als Ausweichstandort fiel ebenfalls aus, weil es zu viele In- dustriebauten in der Umgebung gab und die Gefahr sehr groß war, dass die Falken aus alter Tradition auf hohe Gebäude als Ersatz für die fehlenden Felsen ausweichen Abb. 324: Der Wanderfalken-Auswilderungskorb wurde bei würden. Damm/Malchow in einer Kiefer installiert. Foto: W. Köhler.

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Der Auswilderungskorb war so gestaltet worden, dass die Die ersten Falken wurden in Damm/Malchow 1995 ausge- Jungfalken bis zum Flüggewerden keinen menschlichen wildert. Im gleichen Jahr erfolgte die erste Wildbrut von Kontakt bekamen – das Futter wurde in einem Napf mit Falken in der Nähe von Woblitz, die dort 1990 ausgewildert einem Seilzug nach oben transportiert. wurden. Das erste Baum-Brutpaar in M-V etablierte sich im Jahre 2000, ebenfalls fünf Jahre nach Beginn der Auswil- derung, in der Nähe des Auswilderungskorbes. Der Terzel stammte aus unserem Auswilderungsprogramm, das Weib- chen stammte aus Woblitz. Die Bedenken des Nichtfindens waren damit also überflüssig. Ein schöner erster Erfolg: Es war gelungen, eine Tier(unter)- art, die ausgestorben war, durch die gemeinsamen Anstren- gungen von Naturschützern, Falknern und Jägern wieder in heimischen Gefilden anzusiedeln. Die Freude bei allen Beteiligten war sehr groß, vor allem beim LJV und beim DJV, der die erfolgreiche erste Brut zum Anlass nahm, der Projektgruppe den DJV-Naturschutzpreis 2001 in Höhe von 10.000,– DM zu zuerkennen.

Durch die Beringung mit Kennringen und ein Monitoring konnte für viele Vögel die Herkunft nachvollzogen und so auch verfolgt werden, wo sich unsere Falken ansiedelten.

Abb. 325: Steffen Thiel transportiert den gefüllten Futternapf mit dem Seilzug in den Auswilderungskorb. Foto: W. Köhler.

Zunächst gab es zwar Zweifel bei Mitgliedern des Arbeits- kreises Wanderfalkenschutz (AWS), ob der Platz wirklich optimal gelegen war. Es wurde vermutet, dass wegen der großen Entfernung zur Naturschutzstation Woblitz (ca. 100 km) kein Austausch mit den dort ausgewilderten Falken stattfinden würde. Wie sich bald zeigte, ging aber alles gut.

Abb. 327: Junger Wanderfalke mit dem Kennring „9D“. Foto: W. Köhler.

Zwischen 1995 und 2010, dem vorgesehenen Ende der Aus- setzungen wurden 201 Falken in Mecklenburg ausgewil- dert. Große Verluste traten in den ersten Jahren auf, als sich noch kein Paar angesiedelt hatte. Umherstreifende Jungha- bichte schlugen nachweislich einen erheblichen Anteil der Abb. 326: Jungfalken einer erfolgreichen Wildbrut auf einer Kiefer Jungfalken. Im Jahr 2000 trat ein schwerer Verlust ein, als nach der Beringung. Foto: St. Thiel. eine Pockenerkrankung den gesamten Jahrgang vernich-

176 50 Jahre Fachgruppe Ornithologie und Naturschutz Güstrow tete. Das Projekt wurde 2010 offiziell beendet. Es hatten In Zukunft gilt es, durch eine möglichst lückenlose Doku- sich bis dahin elf Paare angesiedelt, darunter eine Felsen- mentation, die weitere Entwicklung der Population zu be- brut auf dem traditionellen Brutplatz am Kreidefelsen auf gleiten. Rügen, neun Baumbruten und auch eine Gebäudebrut. Danksagung: Auf der feierlichen Abschlussveranstaltung zum Projekt Der Dank der Projektgruppe gilt ganz besonders dem LJV durfte ich als Initiator des Mecklenburger Projektes stell- für die allzeit gewährte gute Zusammenarbeit und dem vertretend für alle Beteiligten den Falco-perigrinus-Preis AWS für die stete fachliche Beratung. Ganz besonders sind 2010 entgegennehmen. wir Herrn Prof. Dr. Saar (Hamburg) für die uneigennützige Bereitstellung der Jungfalken zu Dank verpflichtet.

Abb. 328: Übergabe des Preises durch den Vorsitzenden des Arbeitskreises Wander- falkenschutz Herrn Dr. Gert Kleinstäuber. Foto: Wanderfalken-Archiv.

Interneteintragung bei OAMV.de

Wanderfalkenbestand in Mecklenburg-Vorpommern wächst weiter.

2015 wurden weitere Brutplätze dieser Falkenart in Meck- lenburg-Vorpommern durch Ornithologen und Urlauber entdeckt. Das durch den Landesjagdverband 1995 gestarte- te Projekt der Wiederansiedlung baumbrütenden Wander- falken hat sich zu einem Erfolg entwickelt. Nach dem Projektende der Jungenauswilderung im Jahre 2010 sind 2015 insgesamt 20 Brutplätze von Wanderfalken in M-V bekannt geworden, die ihren Verbreitungsschwer- punkt im Südteil unseres Landes haben. 14 Horste befinden sich auf Bäumen und je zwei in Felsen (Rügen), auf Gebäu- den sowie auf Hochspannungsmasten. Weitere Brutplätze werden vermutet und warten auf ihre Entdeckung.

Mitteilungen werden erbeten an: [email protected]

Wolfgang Köhler Rövertannen 7 d 18273 Güstrow Abb. 329: Adulter Wanderfalke aus erfolgreicher Baumbrut Foto: St. Thiel.

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Abb. 330: Da Falken keine eigenen Horste bauen, werden Kunsthorste angeboten und nach der Prägung auf Baumbruten auch von den Wanderfalken angenommen. Foto: St. Thiel.

Abb. 331: Junge Wanderfalken einer Wildbrut in einem Baumhorst. Der Beringer kommt gerade noch rechtzeitig. Foto: St. Thiel.

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10.6 Herrichtung von Trafohäusern als Lebensraum für Tierarten

Helmut Richter

Man hört sie selten, man sieht sie kaum, sie fliegen ge- Als erstes galt es, die in Frage kommenden Objekte über räuschlos, sie sind nachtaktiv. Sie können sehr gut hören die WEMAG zu ermitteln und ihre Erhaltungswürdigkeit und haben eine weitgehend unbekannte Lebensweise – zu prüfen. Baufällige Trafohäuser sollten nicht in die Wahl Eulen. Sie gehörten bei unseren Mitgliedern zu einer kaum kommen. Dann waren die künftigen Eigentumsverhältnisse bearbeiteten Artengruppe. Für sie trifft das Sprichwort zu: zu klären. Die NABU-OG oder die FG sollten nicht Eigen- „Aus dem Auge aus dem Sinn“. tümer werden. Es mussten durch J. Bußmann also zahlrei- che Verhandlungen und Überzeugungsgespräche mit den Bei einer Zwischenauswertung von Erfassungsdaten bei Gemeinden oder privaten Eigentümern geführt werden. der ersten Brutvogelrasterkartierung für M-V (1978–1982) Im Ergebnis konnte er elf künftige Ersatzquartiere im Alt- stellte man im Herbst 1981 in der FG fest, dass die Angaben kreis Güstrow für dieses Projekt sichern. Die Gebäude ste- für alle Eulenarten völlig unzureichend waren. Im Winter- hen vorwiegend im ländlichen Raum. Diese galt es nun, für halbjahr 1981/82 untersuchte J. Loose deshalb alle in un- die Bedürfnissen u. a. der Schleiereulen herzurichten. Diese serem Wirkungsbereich liegenden Kirchen auf Eulenbe- benötigen einen relativ großen, dunklen Kasten, der min- setzungen. Bei der Kontrolle von 33 Kirchen wurde durch destens in zehn Meter Höhe anzubringen war. Um diese Gewöllfunde die Schleiereule in vier und der Waldkauz in Höhe zu erreichen, entschied sich J. Bußmann, Etagen in 13 Kirchen nachgewiesen. M. Montschko untersuchte 1990 die entkernten Trafohäuser einzubauen, deren Zugang er den nördlichen und westlichen Teil des Kreises. Er konn- mit Treppen ermöglichte. (siehe Modell – Abb. 332) te 18 Bruten der Schleiereule, vornehmlich in Scheunen und Ställen nachweisen. 1998/1999 wurden alle Kirchen des Kreises durch die Kirchenverwaltung im Rahmen eines ABM-Projektes mit Schleiereulenkästen ausgestattet. Sei- tens der FG-Mitglieder gelang es nicht, diese Kästen in den Kirchen auf Besetzung und Bruterfolge zu kontrollieren, da sich bisher niemand der Artengruppe der Eulen gewidmet hat. Auf den extremen Rückgang insbesondere der Schleier- eule im letzten Jahrzehnt wurden wir durch andere Orni- thologen aufmerksam gemacht. Extreme Winter mit lan- gen Schneelagen und insbesondere Veränderungen in der Landwirtschaft dürften die Ursachen für den enormen Bestandseinbruch gewesen sein. In den Siedlungsgebie- ten gab es nur noch wenig Rückzugsgebiete, die für Brut- habitate in Frage kamen. Stallungen und Scheunen hatten oft keine Einfluglöcher mehr. Die Lagerung von Stroh und Heu erfolgte neuerdings weitgehend auf dem Acker, so dass Kleinnager als Nahrungsquelle im Brutumfeld kaum zur Verfügung standen. Abb. 332

Die von Jörg Bußmann 2004 an unsere Fachgruppe Orni- Auch die Schleiereulenkästen wurden durch ihn angefer- thologie und Naturschutz herangetragene Idee, stillgelegte tigt. Dabei zeigte er sich sehr erfinderisch – um die sperri- Trafohäuser des Energieversorgers WEMAG zu Brut stätten gen Kästen allein in die Höhe bringen zu können, fertigte für Schleiereulen auszubauen, passte in die zu dieser Zeit er sie in Einzelteilen vor und montierte sie erst an Ort und geförderten Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen (ABM). Die Stelle. Der Ausbau zog sich mehrere Jahre hin und wurde NABU-Ortsgruppe Güstrow stellte für die Fachgruppe mit einer Objektbegehung am 8.März 2012 durch die FG- einen Antrag auf finanzielle Förderung beim Staatlichen Mitglieder W. Köhler, J. Loose und J. Bußmann abgeschlos- Amt für Umwelt und Naturschutz (StAUN) Rostock, und sen. Im Abnahmeprotokoll wurde u. a. festgestellt: über die UNB wurde die Ausbaumaßnahme als ABM bei „Die im Auftrag der NABU-OG von Jörg Bußmann ausge- der ARGE mit Dringlichkeit befürwortet. Den Schleier- führten Arbeiten zur Nachnutzung der Trafostationen als eulen sollte geholfen werden, und unser FG-Mitglied hatte möglicher Nistplatz, insbesondere für Schleiereulen, sind für mehrere Jahre eine sinnvolle Beschäftigung. nicht zu beanstanden. Die notwendigen Einbauten von

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Stützen und Zwischendecken sowie Treppen wurden so Ich entschied mich ansonsten, den größten Teil der Falken- ausgeführt, dass ein sicheres Betreten der oberen Etagen kästen innerhalb der Trafohäuser zu installieren. Innenein- möglich ist. Ein Einbau von Leitern statt der installierten bauten von Brutkästen sind wettergeschützter und lassen Treppen wäre keine alternative Lösung (Sicherheits- und sich besser kontrollieren, machen aber einen Mauerdurch- Kostenfrage). Die Schleiereulen-Nistkästen entsprechen bruch erforderlich. Das Entfernen eines Keramikisolators dem Standard und sind gut für Eulen von außen anflieg- erbrachte die notwendige Öffnung. Ich habe die Falkenkäs- bar. Nachteilig für die Nutzung der Stationen durch andere ten mit einer abnehmbaren Rückseite versehen. So kann Vogelarten und Tiergruppen sind die in den meisten Stati- man den Bruterfolg kontrollieren. In Neu Kätwin und in onen vorhandene Zugluft und noch fehlende Nist- und Un- drei weiteren Objekten waren die Außentüren inklusive terschlupfmöglichkeiten. Diese Defizite sind zu beseitigen.“ der Schließtechnik in einem sehr schlechten Zustand. In Neu Kätwin wurde ein neuer Schließzylinder eingepasst. Im Abnahmeprotokoll wurden Ziele für die weitere Ent- Die Tür in Bülower Burg wurde vom Bildungsverein aus- wicklung der Trafohäuser festgelegt. Nicht nur Eulen son- und eingebaut und in ihrer Werkstatt fachgerecht restau- dern auch Falken, Fledermäuse, Hornissen, Singvögel und riert. Auch diese Tür erhielt ein neues Kastenschloss. Eben- Insekten sollten hier Nistmöglichkeiten erhalten. Jörg Buß- falls ein neues Schloss bekam die Tür in Augustenberg, an mann konnte bedingt durch seine Berufstätigkeit nur ein- der zuvor Einbruchspuren im Türblatt zu beseitigen waren. geschränkt diese Arbeit übernehmen, so dass ich für die- Ein Loch im Dach des Trafohauses machte mir dort große se Aufgabe angesprochen wurde. Ich sagte zu, ohne dass Sorgen. Dieser Schaden war schon im Abnahmeprotokoll Abnahmeprotokoll zu kennen. Schnell merkte ich, dass ich vermerkt. Nässeschäden an der Decke waren bereits sicht- eine sehr anspruchsvolle Aufgabe übernommen hatte, die bar. Die Höhe bis zum Loch im Spitzdach war mit einer von der naiven Vorstellung Schleiereulen zu beobachten, normalen Leiter nicht erreichbar. Über den Bürgermeister weit entfernt war. Es ging hauptsächlich erst einmal um von Hoppenrade, Herrn Dieter Maßmann, nahm ich Kon- Organisation und handwerkliches Geschick. Zur Umset- takt zur Feuerwehr Koppelow auf und erhielt großartige zung der Aufgaben stellte die NABU-Ortsgruppe einen Unterstützung. neuen Förderantrag beim StALUMM Rostock, der mit der beantragten Summe von 2.000,00 € bewilligt wurde. Um einen Einblick zu geben, werden die wesentlichen aus- geführten Arbeiten nachfolgend aufgeführt: Die teilweise historische Altbausubstanz der bis zu 100 Jahre alten Transformatorenhäuser führte dazu, dass auch bauliche Maßnahmen mit diesem Geld abgedeckt werden mussten. In Neu Kätwin drohte das Gebäude bedingt durch einen langen Riss im Obergeschoss auseinanderzubrechen. Nur ein Maurermeisterbetrieb war in der Lage, den To- talverlust des Gebäudes aufzuhalten. Die dazu aufgestell- te Rüstung nutzte ich, um einen Falkenkasten sowie zwei

Abb. 333: Nachgerüsteter Turmfalkenkasten im Innenraum von Trafostationen. – Alle Fotos des Kapitels: H. Richter. Abb. 334: Bei der Dachreparatur am Trafo Augustenberg halfen sechs KameradenInnen der Feuerwehr Koppelow. Fledermauskästen außen anzubringen. Mit Unterstützung der BB Gesellschaft für Beruf und Bildung GmbH Güstrow Die neue Feuerwehrleiter der Feuerwehr Koppelow wur- wurden alle Halter für die Falkenkästen nach meinen Vor- de zum ersten Mal von sechs Feuerwehr-Eleven in Augus- stellungen angefertigt. tenberg zum Einsatz gebracht. Dabei stellte sich heraus,

180 50 Jahre Fachgruppe Ornithologie und Naturschutz Güstrow dass ohne das Dach zu beschädigen es nicht einfach ist, Volker Bösel. Für die Lochsteine, die ich aus Lehm herstel- eine Stelzenleiter aufzustellen. Den jungen Leuten, darun- len wollte, suchte ich nach Angeboten in den Baumärkten ter auch zwei Mädchen, machte diese Übung großen Spaß, und musste feststellen: Lehm ist ein Nischenprodukt. da das Aufstellen der Leiter Ähnlichkeit mit dem Platzie- Durch Recherchen wurde ich in der Region fündig, so dass ren eines Liegestuhles hatte. Diesen Standort habe ich dann auch für alle drei Kästen Lehmsteine mit Löchern einge- mit einem Falkenkasten und einem Hornissenkasten aufge- setzt werden konnten. rüstet. Auch für das Trafohaus Hoppenrade waren ein Hornis- Die Nutzung der vervollständigten Trafohäuser durch Tie- senkasten, ein Falkenkasten und zwei Fledermauskästen re war bisher recht unterschiedlich. Das Nahrungsangebot vorgesehen. Die Öffnung des durch Vandalismus zerstör- im direkten Umfeld dürfte von Bedeutung gewesen sein. ten Glasbausteinfensters bot sich zum Einbau des Falken- Mit der zusätzlichen Ausstattung konnten schnell neue Be- kastens an. Die Glasreste habe ich entfernt und die Spal- siedlungen festgestellt werden. ten mit Dichtschaum ausgefüllt. Die Seitentür in Serrahn 2013/2014 registrierten wir Ausbau war im unteren Bereich sehr stark durchgerostet, ■ eine Schleiereule ohne Brut, so dass Raubsäuger leichten Zugang hatten. Ich entschloss ■ ein Waldkauzpaar mit fünf Eiern, mich, die Seitentür nicht zu reparieren, sondern sie einfach ■ ein Turmfalkenpaar mit drei Eiern, zuzumauern. Das war nachhaltiger. Die Eingangstür dage- ■ 14 Rauchschwalbennester, gen bekam einen neuen Schließzylinder. Im Obergeschoss ■ ein Bachstelzennest mit 3 Eiern, wurden alle überzähligen Öffnungen geschlossen. Ein Hor- ■ vier Hornissennester nissenkasten, ein Falkenkasten und zwei Fledermauskästen sowie die Nutzung der Station in Lohmen durch Dohlen sind dazugekommen. Auch in Oldenstorf, Vogelsang und und Schleiereulen (Gewöllfunde) in Neu Kätwin. Neu Strenz erfolgten diese Nachrüstungen. Bei den 18 angebrachten Fledermauskästen konnten wir Um auch Insektenhotels einbauen zu können, informierte noch keine Besiedlung feststellen. ich mich im Internet über deren Zweck, Größe und Ma- terial sowie zu Habitatansprüchen von Wildbienen. Mit In der Saison 2015 waren erfreulicherweise dann einer Skizze habe ich mich dann an die Lehrmeister der ■ eine erfolgreiche Schleiereulenbrut mit fünf Jungen Gesellschaft für Beruf und Bildung gewandt. Der Betrieb ■ eine erfolgreiche Turmfalkenbrut mit sechs Jungen übernahm vollständig die konstruktive und maschinel- ■ eine mit einem Waldkauz besetzte Station le Umsetzung der Holzarbeiten und schuf die Grundlage und wiederum Nester von Rauchschwalben und Bach- für die Ausgestaltung. Es sollte nun eigentlich ein Leichtes stelzen sowie Hornissennester zu verzeichnen. sein, drei leere Kästen mit dem entsprechenden Innenleben auszufüllen. Im Fazit ist festzustellen, dass die Trafostationen Heimstät- ten für Tiere geworden sind und zu hoffen ist, dass sich das künftig durch eine traditionelle Bindungen noch deut- lich erweitern wird. Die Arbeiten sind soweit erledigt. Jetzt können die reinen Beobachtungen und Kontrollen folgen, die mir anfangs vorschwebten.

Bereits 2015 gab es interessante Beobachtungen. Schlei- ereulen legten ein umfangreiches Nahrungsdepot an. So wurden innerhalb von zwei Wochen 16 Mäuse im Nistkas- ten, eine sogar im Einflugschacht abgelegt. Fragen werden zu beantworten sein: Was macht man mit Hornissennestern, die statt im angebrachten Hornissen- kasten im Einflugschacht von Schleiereulenkästen angelegt Abb. 335: Insektenhotel an der Südseite des Trafogebäudes in werden? Schabernack. Bei entsprechender Umgestaltung von Nistkästen mit ei- Beim Entwerfen der Kästen war ich sehr großzügig vorge- nem Schieber im Ausflugbereich könnte dazu übergegan- gangen, was sich dann als Nachteil erwies. gen werden, auch die jungen Turmfalken, Schleiereulen Ich musste eine Menge Materialien verschiedenster Art he- und Waldkäuze künftig zu beringen. ranschaffen. Bei der Bereitstellung von Holzscheiben un- Bisher wurde bei bereits zu großen Jungen darauf verzich- terstützte mich unser FG-Mitglied und Revierförster a. D. tet, da ein Abspringen der Jungen befürchtet worden war.

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Abb. 336: Turmfalken-Gelege in einem Schleiereulenkasten Abb. 340: Adulte Schleiereule vor dem Abfliegen aus der Station.

Abb. 337: Die jungen Turmfalken haben das Nest verlassen. Abb. 341: Vollständiges Schleiereulengelege am 4.4.2015.

Abb. 338: Ein Altvogel bringt Futter. Abb. 342: Die jungen Schleiereulen sind fast flügge – 22.6.2015.

Abb. 339: In vielen Stationen brüten auch Rauchschwalben. Abb. 343: Ein Waldkauz flog aus der Station Schabernack ab.

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Abb. 344 bis 354: Die hergerichteten Stationen im Überblick. Fotos: alle H. Richter.

Alt Sammit Augustenberg (3) Bülower Burg (8) Hoppenrade (2) (außerhalb Karte 23)

Neu Kätwin (10) Vogelsang (4) Oldenstorf-Suckwitz (6) Schabernack (1)

Lohmen (7) Serahn Ausbau (5)

Neu Strenz (9)

Karte 23: Lage der betreuten Trafostationen

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10.7 Fledermausschutz durch Quartierbereitstellung in Eiskellern

Joachim Loose<(nach Informationsmaterial von Jörg Bußmann)

Wenn wir mit unserer Broschüre die Aktionen der Fach- Über der Eingangstür blieb ein Einflugspalt für die Fleder- gruppe darstellen wollen, ist eine Trennung zwischen mäuse offen, die hoffentlich bald Einzug in ein neues Quar- beruflich durchgeführten Arbeiten und ehrenamtlichen tier halten sollten. Die Tür war für spätere Kontrollen der Tätigkeiten nicht immer einfach. Vielfach gibt es einen Fledermausforscher erforderlich. Jörg Bußmann berichte- gleitenden Übergang. te, dass am sanierten Eiskeller in Groß Grabow die Schlös- So waren die bereits bei der Herrichtung der Trafostationen ser dieser Tür ständig aufgebrochen wurden und er sich von Jörg Bußmann geleisteten Aufwendungen zu einem schließlich dazu entschließen musste, die Tür bis auf den gewissen Teil als reguläre Arbeit über die ARGE zu bewer- Spalt einfach zuzumauern (Abb. 358). ten. Ähnlich verhält es sich bei den von Jörg Bußmann vor- genommenen Herrichtungen von ehemaligen Eiskellern zu Quartieren für Fledermäuse. In beiden Fällen gingen die mit großem Engagement erledigten Arbeiten weit über eine von einem Arbeitgeber vorgegebenen Pflichten hin- aus. Es war in hohem Maße Eigeninitiative gefragt. Jörg Bußmann war an den Eiskellern auch aus denkmalspflege- rischen Aspekten interessiert und hatte sich deren Lage im Kreis erarbeitet. Die meisten ehemaligen Eiskeller waren als Müllkippen genutzt worden, bei vielen war das Gewöl- be eingestürzt. Um sie als geeignete Fledermausquartiere herzurichten, waren zunächst erhebliche Entrümpelungs- aktionen erforderlich. An erster Stelle war aber das Ein- verständnis der meist privaten Eigentümer einzuholen, mit Abb. 356: Entrümpelungsaktion des Eiskellers durch Schüler der denen dann seitens der NABU-OG Vereinbarungen abge- Klasse 10 a in Lalendorf. Foto: „Blitz“ schlossen wurden. Für das Entrümpeln suchte sich Jörg Bußmann Verbündete.

Abb. 357: Fertig sanierter Eiskeller als Fledermausquartier in Lalendorf. Foto: J. Bußmann. Abb. 355: So vermüllt und schlimmer sahen die meisten Eiskeller zu Beginn der Bauarbeiten aus. Foto: J. Bußmann.

Vielerorts waren ABM-Kräfte behilflich. Für den Eiskeller in Lalendorf fand er sie z. B. in der dortigen Schule – fünf Schüler der Klasse 10a packten kräftig zu. Weitere Unter- stützung gaben auch unsere FG-Mitglieder Herald Kusch und Carsten Vick sowie Siegfried Rüdiger aus der Botanik- AG, der gleichfalls im Denkmalsschutz mitarbeitet. Die Abfallbehörde des Landkreises stellte nach Bitte der UNB in allen Fällen kostenlos Müllcontainer für die meist meh- reren Kubikmeter Abfall bereit. Nach der Müllberäumung waren Sanierungsarbeiten am Mauerwerk auszuführen Abb. 358: Von der Unteren Naturschutzbehörde wurden für die und eine Verschließbarkeit des Einganges herzustellen. sanierten Eiskeller Info-Tafeln bereitgestellt. Foto: J. Loose.

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Inzwischen sind einige Jahre vergangen, so dass man hier jetzt auf mehr Einsicht hoffen kann und den Zugang dem- nächst noch einmal für qualifizierte Kontrollen herstellen sollte. Wie ein Blick durch die kleine Einflugöffnung ergab, kann davon ausgegangen werden, dass auch dieser Eiskel- ler von Fledermäusen als Quartier genutzt wird.

Abb. 359: Die Sicherung des Eiskellers in Groß Grabow anfangs nur mit einer Gittertür war ungenügend. Foto: J. Bußmann.

Als Erfahrung konnte vermittelt werden, dass es nicht reicht, wenn ein Eiskeller lediglich mit einer Gittertür ge- sichert wird, da damit für Fledermäuse nicht das erforder- Abb. 360: Im Keller von Groß Grabow hängende Fledermäuse, die liche zugluftfreie und feuchte Raumklima geschaffen nicht näher bestimmt werden konnten. Foto: J. Bußmann. werden kann. Dass sich die Arbeiten auch gelohnt haben, zeigen die nachträglichen Objektkontrollen zur Besetzung mit Fledermäusen (siehe dazu unter Pkt. 9.7.2). Leider konnten in Groß Grabow durch den zugemauerten Ein- gang keine Kontrollen durchgeführt werden.

Abb. 361: Kleine Fledermausarten nutzen die Ritzen im Mauer- werk. Foto: J. Loose.

Im Gebiet des Altkreises warten noch weitere Eiskeller auf eine Bewertung und ggf. eine Herrichtung zum Fleder- mausquartier. Im Rahmen von Kompensationsmaßnahmen für Eingriffe in Natur und Landschaft, die durch die Unte- re Naturschutzbehörde auferlegt werden, könnte es gelin- gen, dass weitere Fledermausquartiere entstehen. Für die Prüfung der Entwicklungsfähigkeit der Eiskeller und auch anderer Quartiere bleibt aber weiterhin das ehrenamtliche Engagement gefragt.

Zu Karte 24 Hergerichtete und von Fledermäusen als Quartiere genutzte Eiskeller (grün) befinden sich in: Bülow, Klueß, Groß Grabow, Lalendorf und Carlsdorf. Es sind weitere Eiskeller bekannt (rot), die einer Bewertung bedürfen und ggf. zum Fledermausquartier hergerichtet werden müssten: Weitendorf, Zehna, Bellin, Raden, Vogelsang, Mamerow, Klaber, Rothspalk, Kuchelmiß und Neu Sammit Karte 24: Lage von bekannten Eiskellern im Altkreisgebiet

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10.8 Nisthilfen für Mauersegler

Joachim Loose und Angela Martin

Bald nach der Wende begannen die Allgemeine Woh- Mitglieder waren bereits mit vielen anderen Aufgaben nungsgenossenschaft (AWG) und die Wohnungsgesell- ausgelastet und andere Bemühungen, u. a. Schüler einzu- schaft (WGG) in Güstrow mit den ersten Sanierungen von binden, schlugen fehl. Sporadische Beobachtungen einiger Wohnblöcken in den Plattenbausiedlungen. Die durch Her- Giebelwände brachten nur wenige sichere Brutnachweise. stellungs- und Montagefehler vorhandenen oder im Laufe Irgendwie stand das im krassen Gegensatz zu den individu- der Zeit entstandenen Spalten zwischen den Betonplatten enreichen Trupps, die vor allem im Juli den Luftraum über wurden durch Verschlussmasse oder das spätere Anbrin- der Güstrower Südstadt belebten. gen von Dämmplatten abgedeckt. Alle Appelle bei der AWG und der WGG, von sich aus neue Nistmöglichkeiten zu schaffen, verhallten zunächst ungehört. Das hätte Kosten verursacht, und bezüglich der Einhaltungspflicht von Artenschutzbelangen sah man die Nachweispflicht woanders. Durch den Druck der NABU- OG gelang es 1994 als Einzelfall im Durchgang des Wohn- blocks in der Friedrich-Engels-Straße 15/16 einen Mauer- seglerkasten mit 15 Löchern unter dem Dach zu montie- ren. Unterstützt hatte uns Hans-Hermann Wrobel, der als Umweltamtsleiter vom Landkreis zur AWG gewechselt war. Die AWG wollte die Besiedlung des Kastens abwarten. Sollte das positiv verlaufen, wollte man so weitermachen. Bei der Regionalen Arbeitsförderungs-, Beschäftigungs- Abb. 362: Die Spalten und Risse in den Giebelwänden der Wohn- und Strukturentwicklungsgesellschaft mbH (RABS) konn- blöcke boten ideale Quartiermöglichkeiten für Tiere. Foto: J. Loose. ten Anfang 1997 endlich zwei ABM-Stellen geschaffen werden, die sich mit dieser Gebäudebrüterproblematik be- Damit waren im Handumdrehen Nist- und Unterkunfts- schäftigten und bald straßenzugweise in Güstrow die Ge- möglichkeiten für mehrere Vogel- und Säugetierarten, ins- bäude erfassten, in denen Mauersegler ein- und ausflogen. besondere Mauersegler und Fledermäuse, aber auch Haus- Eine Schulung der gewonnenen Mitarbeiter bei der RABS sperlinge, verschwunden. Aus Artenschutzgründen musste wurde durch A. Martin in ehrenamtlicher Arbeit abgesi- sehr schnell etwas dagegen unternommen werden. chert. Bald lagen lange Adress-Listen vor, auf deren Basis die Untere Naturschutzbehörde bei Sanierungen auch de- tailliert den Einbau von Nisthilfen auferlegen konnte. Unser FG-Mitglied Reinhard Becker übernahm einen großen Part dieser anlaufenden Nistkasten-Aktion. Als Vorruheständler (er nutzte die damalige Möglichkeit, mit 55 Jahren aus der Berufstätigkeit auszuscheiden) hatte er sehr viel Zeit dafür aufgewendet. Er baute selbst zahlreiche Nisthilfen ein und leitete Bauarbeiter an. So wurden u. a. am 2.6.1997 nach Abstimmung mit dem Bau- und Schulamt des Landkreises seine Kästen am Distelberggymnasium an- gebracht. Herr Breitling, Direktor des Gymnasiums, sah die Mauerseglerkästen an seinem Haus gleichzeitig als Maß- Abb. 363: Nach der Sanierung gibt es an den Giebelwänden keine nahme für die praktische Umweltbildung der Schüler an. Nistgelegenheiten mehr. Foto: J. Loose. Eine andere Variante probierte R. Becker bei der Sanierung Unter den Vogelarten hatte sich der Mauersegler regelrecht der Wohnblöcke der August-Bebel-Straße 1–5 in der Güst- auf die Nistmöglichkeiten spezialisiert, die die Spalten zwi- rower Südstadt aus. In den unter dem Dach befindlichen schen den Platten boten. Energetisch stellten die Spalten Lüftungsöffnungen brach man einzelne Lamellen aus der Wärmeverlustquellen dar, die es zu beseitigen galt. Dieser Verblendung heraus, so dass hinreichend große Schlitze für Forderung war schwer zu widersprechen. den Einflug der Mauersegler entstanden. Nach dem Einbau Um den Bestandsverlust etwas genauer beziffern zu kön- eines Brettes hinter der Blende als Abgrenzung zum Innen- nen, hätte der aktuelle Brutbestand der Mauersegler we- dachraum entstanden die Nistplätze für Mauersegler auf nigstens grob erfasst werden müssen. Die wenigen FG- dem Mauerwerk des Wanddurchbruches.

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Abb. 364: Reinhard Becker beim Verschließen der Nistnische, Abb. 367: Hinter den Lüftungslöchern angebrachte Kästen könnten die hinter der Lüftungsblende entstand. In der Blende ist die auch kontrolliert werden. (Sanierte Wohnheime der Fachhochschule Einschlupföffnung erkennbar. Foto: Menzel, SVZ. für öffentliche Verwaltung Güstrow, ehemals PH Güstrow) Foto: J. Loose

Abb. 365: Auf eine Durchlüftung des Dachinnenraumes konnte man an den Stellen der präparierten Blenden verzichten. Abb. 368: Unter dem Dach außen angebaute Mauerseglerkästen in Foto: J. Loose der Bürgermeister-Dahse-Straße/Gutower Straße. Foto: Loose.

In dieser Form entstanden so in sanierten Wohnblöcken 25 Nach Erfassung der Mauersegler-Brutplätze wurde bei der neue Brutstätten – die Lokalzeitung berichtete im Novem- RABS eine Folge-ABM angesiedelt, in der man sich auch ber 1997 mit einem Foto darüber. Der Bauleiter der WGG um den Bau von Mauerseglerkästen und den anschließen- Herr Stiller war von der einfachen Methode überrascht und den Einbau in Gebäude kümmerte. Fachliche Hinweise zu unterstützte an anderen Baustellen weitere Maßnahmen. Nistmöglichkeiten hatte unserer FG zuvor Joachim Stapel Dort, wo der Dachraum mehr Bewegungsfreiheit bot, wur- aus Neubrandenburg gegeben, die wir an die RABS wei- de eine weitere Variante für den Einbau von Nistkästen tergaben. praktiziert (Abb. 366/367). Die Aktion der ABM-Kräfte wurde dann kurzzeitig zum „Selbstläufer“, so wie wir es uns als Unterstützung ge- An den fensterlosen Giebeln der Plattenbauten wurden auf wünscht hatten. Gemeinsam mit der Kreisvolkshochschule der Höhe des obersten Plattenspaltes oder direkt unter dem versuchte man, Bürgermeister und Bauämter aus den Städ- Dachüberstand Nistkästen für Mauersegler an der Außen- ten und Gemeinden in einem Erfahrungsaustausch zu ani- wand angebaut oder direkt in die Dämmplatten eingebaut. mieren – leider blieb hier die erwartete Resonanz aus. Mit der Zunahme vorzeigbarer Beispiele für gelungene An- und Einbauten von Niststätten stieg die Bereitschaft bei Gebäudeeigentümern, Bauherren und Baufirmen, in ähnlicher Form Maßnahmen umzusetzen. Nach vielen Be- mühungen wurden schließlich auch in Kronskamp und in Laage Nistkästen angebracht. Durch die Mitarbeiter der RABS wurden die von ihnen oder durch ihr Mitwirken in der Zeit von 1998 bis 2000 an- gebrachten Nistkästen registriert (siehe Tabelle 15). Neben dem Eingriff in die Mauerseglerniststätten wurden durch die Wärmedämmung der Plattenbauten auch zahl- Abb. 366: Ausbruch in der Abdeckung von Lüftungslöchern reiche Quartiere von Fledermäusen verschlossen. Reinhard Foto: J. Loose. Becker und Angela Martin kämpften daher auch darum,

187 50 Jahre Fachgruppe Ornithologie und Naturschutz Güstrow

Tabelle 15: Zusammenstellung der RABS über eingebaute Nisthilfen für Mauersegler Ort/Eigentum/Adresse Datum der Kasten- Mögl. Montage anzahl Brut- plätze Güstow – Private Häuser Schweriner Str. 31 03.06.1998 1 3 Neue Straße 1 b 13.08.1998 1 3 Plauer Straße 33 04.11.1999 3 N Kleine Wallstraße 6 23.03.1999 2 5 Lange Straße 13 01.04.1999 2 N Abb. 369: Hinter dem Fassadenschlitz befindet sich ein Fledermaus- Prahmstraße 37 07.04.1999 1 3 quartier. Der Kasten wurde in die Dämmplatten eingearbeitet – Ulrichplatz 3 14.04.1999 2 N alles ist von außen kaum sichtbar. Foto: SVZ Spaldingsplatz 14 27.05.1999 3 N Ulrichplatz 19 31.08.2000 2 4 dass neue Quartiere für Fledermäuse entstehen bzw. alte – Öffentl. Einrichtungen Spalten in den Platten auch weiterhin zugänglich bleiben. Parkhaus (Südstadt) 07.05.1999 5 N Im Gegensatz zu den zahlreichen Mauersegler-Ersatzquar- Seniorenresidenz (VS) tieren wurden jedoch nur an wenigen Stellen auch Schlitze Sankt-Jürgens-Weg 1999 2 N in die Dämmplatten eingearbeitet. Landkreis – Am Wall 4 14.06.1999 6 N Ehemal. PH, (VFS, LUNG) 16.08.1999 20 Der frühe Tod von Reinhard Becker Ende November 1997 Goldberger Str. verhinderte eine kontinuierliche Weiterarbeit. So erfolg- – Wohnungsgenossenschaft ten nach Abschluss der Arbeiten keine Effizienzkontrollen Elisabethstraße 12–14 10.06.1998 8 über die Annahme der neuen Brutstätten. Die ABM bei der Elisabethstraße 18–20 15.07.1998 8 RABS war im Dezember 2000 ausgelaufen. Wir hatten ge- Elisabethstraße 52–53 19.05.1998 6 hofft, dass die Leute, die sich zuvor sehr engagiert hatten, W.-Seelenbinder-Str. 12 07.04.1998 6 Straße der DSF 52–58 14.05.1998 3 15 sich auch danach ehrenamtlich den Mauerseglern widmen Hans-Beimler-Straße 9–12 20.04.1999 8 würden, was jedoch leider nicht geschah. – Wohnungsgenossenschaft Nord Unsere FG-Mitglieder waren mit anderen Aufgaben ausge- Lindenallee 1–4, 5–8, 9–13 Aug.–Sept. 42 lastet, so blieb auch bei dieser Vogelart die eigentlich wich- 1998 tigen Kontrolle bis heute aus. Es gibt einen kleinen Trost: Lärchenallee 16–19, 20–23 Auch ohne weiteres Zutun von ABM-Kräften oder FG-Mit- Platanenstr. 15–18, 19–22 gliedern wurden in den Folgejahren in Güstrow noch wei- – Wohnungsgesellschaft tere Niststätten für Mauersegler errichtet. Zum Teil resul- Ärztehaus am Distelberg 13.08.1998 10 tierte das aus den Auflagen der Naturschutzbehörden, aber Elisabethstraße 15–17 05.10.1998 10 es gab auch Eigeninitiativen bei AWG und WWG und pri- Clara-Zetkin-Str. 12–14 22.09.2000 10 vaten Bauherren. Die Erkenntnis, dass man Lebensstätten Haselstraße 7–10, 11–15 14.11.2000 3 von geschützten Tieren nicht einfach ohne Ersatzangebote Laage beseitigen darf, hat sich in Kreisen der Bevölkerung ver- – Private Häuser tieft. Einige Bürger haben uns und die Naturschutzbehör- Pinnower Straße 35 16.04.1998 4 8 de immer öfter darauf hingewiesen, wenn weitere Wohn- Breesener Straße 11 15.10.1998 2 4 blocks saniert wurden und man hier mal wieder „verges- ? 20.04.1999 1 2 sen“ hatte, Artenschutzmaßnahmen einzuplanen. Kronskamp Wenn wir sehen, wie Mauersegler heute die angebotenen – Bützower Wohnungsgesellschaft Nistkästen anfliegen, erinnern wir uns gern an die Aktivi- Neubaublocks – Haus täten von Reinhard Becker, der dazu den Grundstein legte. 112–116, 117–121, 122–126 10.09.1999 30 / N = Niststeine Es wäre nur wirklich wieder an der Zeit, dass der Bestand des Mauerseglers wenigstens in der Stadt Güstrow erfasst wird, um zu sehen, welchen Nutzen die Maßnahmen ge- In Kronskamp sind zwar inzwischen eine Reihe von Wohn- bracht haben. Mit den von der RABS notierten Standor- blöcken abgerissen worden, aber auch hier sahen wir 2013 ten von Nisthilfen werden gezielte Kontrollen erleichtert. auf Haubenlerchen-Suche im früheren Plattenbauviertel, – Wir stellen uns vor, dass das eine gute Projektarbeit wie sich ein Mauersegler aus einem der oben beschrie- für Schüler in der „umweltgerechten“ Stadt Güstrow sein benen Schlitze einer Lüftungsverblendung zwängte. – Sie könnte. sind noch da!

188 50 Jahre Fachgruppe Ornithologie und Naturschutz Güstrow

10.9 Dohlen und andere Kirchenbewohner

10.9.1 Die Dohlenkolonie in der Kirche von Laage

Eckhard Schlüter

Die Dohle ist der kleinste bei uns lebende Krähenvogel. Seit den 1980er Jahren existierte in der Laager Kirche ei- Sie lebt gesellig, ist im Allgemeinen ein Koloniebrüter, und ne Dohlenkolonie, deren Bestand 1985 mit 18 bis 22 Brut- weist in ihrer Bestandsentwicklung eine stark negative paaren angegeben wurde. Tendenz aus. Die Ursachen für diesen Bestandsrückgang Mitte der 1990er Jahre ging unser FG-Mitglied Reinhard sind sicherlich vielfältig. Da ist zum einen der nahrungs- Becker nur noch von einem Bestand von 10 Brutpaaren an ökologische Aspekt in Zusammenhang mit einer veränder- der Laager Kirche aus. ten Landnutzung in den letzten 20 Jahren. Auf der anderen Zu diesem Zeitpunkt startete die Jugendfachgruppe Orni- Seite kommt es immer wieder zum „Entzug von Brutstätten thologie und Vogelschutz des NABU KV Rostock e. V. (seit durch den Menschen“. (DWENGER, 1995). 2007 NABU Regionalverband Mittleres Mecklenburg e. V.) Dieses wurde besonders deutlich in den 1990er Jahren, als zusammen mit der Fachgruppe Fledermausschutz Rostock durch umfangreiche Rekonstruktionsmaßnahmen an Ge- ein Projekt, dass die Sicherung und Schaffung von Nist- bäuden die bis dahin von Dohlen genutzten Brutmöglich- plätzen und Quartieren geschützter Brutvogel- und Fleder- keiten verschwanden und für notwendigen Ersatz nicht mausarten in Mecklenburg Vorpommern zum Ziel hatte gesorgt wurde. und vom StAUN Rostock gefördert wurde. Während in Mecklenburg-Vorpommern 1975 noch von Am Standort Laage erfolgte im Winterhalbjahr 1995/96 der fraglichen 5.000 Brutpaaren ausgegangen wurde (PLATH, Einbau von 19 Nisthilfen, die bereits im Folgejahr zu 63 % L. 1989; SCHMIDT, K. 1987), und in den Jahren nach 1945 besetzt wurden und zu einem Anstieg der BP mit einem eine sicherlich noch größere Anzahl von Brutpaaren ange- Maximum von 26 (1998) führte. Es kann als ein Hinweis auf nommen werden kann, sank bis zum Jahr 1995 die Anzahl den enormen Bedarf der Dohlen nach sicheren Nistplätzen auf ungefähr 800 bis 1.000 Brutpaare – siehe STRACHE, gewertet werden. R.-R. (2006) in EICHSTÄDT et al.: Atlas der Brutvögel in Mecklenburg-Vorpommern. Bei den Dohlen war der stärkste Rückgang von allen Krähenvögeln in M-V zu ver- zeichnen. Diese Entwicklung führte dazu, dass in der „Ro- ten Liste“von 1992 eine Einstufung der Dohle in die Rubrik „Gefährdet“ erfolgte. Während die Dohle in der Liste von 2003 in die Kategorie „Vom Erlöschen bedroht“ rutschte, hat sich der Bestand nach der letzten Kartierung 2005–2009 anscheinend stabilisiert. Die Dohle kam in der aktuellen Roten Liste von 2014 in die Vorwarnliste. Der Positivtrend wird auch in Verbindung mit bestandsstützenden Maßnah- men gesehen. Am Beispiel der Kleinstadt Laage soll ge- zeigt werden, dass umsichtiges und engagiertes Handeln Abb. 371: Ein wesentliches Problem bei offenen Dohlennestern ist der negativen Bestandsentwicklung entgegenwirken kann. über die Jahre der enorme Nistmaterialeintrag. Foto: J. Loose.

Ein beabsichtigter Nebeneffekt dieser Maßnahme war, dass eine weitere Verschmutzung des Kircheninnenraumes nicht mehr stattfinden konnte, und so die Akzeptanz für die Dohlen im Kirchengemäuer bei der Kirchgemeinde weiter gestärkt wurde. Es ist anzunehmen, dass auch die BP der vereinzelten Frei- nester von der Maßnahme profitierten, da wegen des grö- ßeren Angebotes vor allem die sicheren Neststandorte ge- nutzt werden konnten.

Als im Jahre 2004 eine Sanierung des Turmes der Kirche in Abb. 370: Junge Dohlen in einem Rüstloch der Kirche Laage. Laage nötig wurde, legten wir in Zusammenarbeit mit dem Foto: F. Emmerich. zuständigen Planungsbüro umfangreiche Maßnahmen fest,

189 50 Jahre Fachgruppe Ornithologie und Naturschutz Güstrow die eine Gefährdung des Brutgeschehens ausschlossen. Es Seit dem Anbringen der Nistkästen und Nischenbret- konnte durchgesetzt werden, dass die notwendigen Bau- ter wird regelmäßig der Bestand der Jungdohlen erfasst. maßnahmen außerhalb der Brutzeit durchgeführt wurden, Gleichzeitig wurden die Vögel beringt. Seit 1999 erhielten und somit auch im Jahr der Sanierungsmaßnahmen der die Nestlinge zusätzlich auch Farbringe. Zwischen 1999 und Bestand an Brutpaaren nicht zurückging. 2011 dienten die zusätzlichen Farbmarkierungen nur der Zuordnung des beringten Vogels zur Brutkolonie. Durch künftige Beobachtungen der so gekennzeichneten Tiere, ggf. auch an anderen Dohlenbrutkolonien, sollten Fragen zum Verbleib der Jungvögel beantwortet werden. Die im Jahr 2012 zusätzlich zum Metallring erstmalige Beringung mit individualisierenden Farbringen mit Buchstaben-/ Zahlenkombination ermöglichte ein noch besseres Ablesen der Markierungen. Der Kennring ist ca. 2 cm lang und hat einen 4-teiligen Code aus Buchstaben und Zahlen. Bereits im ersten Jahr mit diesen Zusatzberingungen trafen die ers- ten Rückmeldungen über beobachtete Tiere ein.

Abb. 372: Ralf Emmerich bei der Anbringung eines Nistkastens hinter einem Mauerloch und eines Nischenbrettes (unten). Abb. 373: Mit einem zusätzlichen Farbring mit dem Code X46H Foto: F. Emmerich. markierte Dohle. Foto: NAJU Rostock.

Aus den folgenden Übersichten ist die Entwicklung des Dohlenbestandes an der Kirche in Laage zu entnehmen.

Diagramm 41: Anzahl der Dohlen-BP und durchschnittliche Anzahl der Jungvögel in Freinestern bzw. Nisthilfen (NH) in der Kirche Laage 1995–2008 nach R. Emmerich, F. Emmerich, H. Pommeranz, J. Schmidt in Dokumentation der Erfolgskontrollen von Artenschutz maßnahmen für die Dohle in Nordmecklenburg/Nordvorpommern 1994–2008. (EMMERICH, R. et al. 2008).

190 50 Jahre Fachgruppe Ornithologie und Naturschutz Güstrow

Tabelle 16: Ergebnisse der Bruterfolgskontrollen – Kirche Hervorzuheben bei den Bemühungen um den Erhalt der Laage (E. Schlüter u. R. Emmerich, F. Emmerich – JFG Dohlenkolonie ist auch das Verständnis der Kirchgemeinde Ornithologie & Vogelschutz Rostock) für die durchgeführten Maßnahmen. Im Jahre 2011 wurde sie daher vom NABU RV Mittleres Jahr Brutpaare Jungvögel Mecklenburg e. V. mit der Plakette „Lebensraum Kirch- 2009 15 35 turm“ ausgezeichnet. 2010 11 23 Ergänzend zu den Ausführungen über den Dohlenbestand 2011 16 48 in der Kirche von Laage ist noch zu erwähnen, dass im 2012 15 24 Stadtgebiet über Jahre hinweg auch „Kamindohlen“ ihre 2013 20 57 Heimstatt gefunden haben. Mindestens drei BP waren und sind nachzuweisen. 2014 15 39 Eine von unserem FG-Mitglied Klaus Lingsminat im Jahr 2015 18 47 2000 auf dem Friedhof festgestellte Brut in einer Linde konnte jetzt nicht mehr bestätigt werden. Einige Dohlen nutzten in der Vergangenheit andere vor- handene Nischen zur Aufzucht ihrer Bruten, die aber stets Es bleibt zu hoffen, dass die Bemühungen um den Erhalt dem Marder zum Opfer fielen. Im Frühjahr 2013 wurden bzw. die Erweiterung des Bestandes dieses sympathischen zusätzlich sechs dieser Nistmöglichkeiten auch durch Krähenvogels von Erfolg begleitet werden, damit „des Pas- Nischenbretter/Nistkästen gesichert und trugen so zu dem tors schwarze Tauben“ noch lange die Laager Bevölkerung günstigen Ergebnis in diesem Jahr bei. erfreuen.

10.9.2 Aktionen in Güstrow

Angela Martin

In Güstrows Stadtzentrum gibt es ein erhebliches Problem Mit dieser Argumentation konnten wir Pastoren und Pfar- mit dem Kot der verwilderten Haustauben. Im Dachge- rer überzeugen, dass mit der Anbringung von Nistkästen schoß des „Schlauchturmes“ in der Baustraße musste man keiner weiteren oder neuerlichen Beeinträchtigung Tür u. a. eine mehr als 10 cm dicke Kotschicht entsorgen. Am und Tor geöffnet würde. Rathaus verursachte Taubenkot ungemein starke Schäden an der Architektur. Deshalb war man bemüht, möglichst alle Nistmöglichkeiten für die Tauben auch in der Pfarrkir- che und im Dom zu verschließen. Unter den Bewohnern der Güstrower Kirchen waren aber die Dohlen nicht min- der vertreten. Ähnlich wie bei den Mauerseglern entstand für sie eine Wohnungsnot, als man mit Sanierungsarbeiten begann. Die Rüstlöcher in den Kirchen boten oftmals die einzigen Brutmöglichkeiten für Vogelarten, die auf solche höheren Kunstfelsen angewiesen sind. Mit dem Verschließen der Rüstlöcher wurde nicht nur Tauben der Zutritt verwehrt, sondern auch Dohlen, Turmfalken und Eulen.

Es musste Abhilfe geschaffen werden. Unmittelbar hinter den Rüstlöchern angebrachte Kästen würden verhindern, dass Vögel in den Kircheninnenraum gelangen. Tauben könnten die Kästen genauso annehmen. Wir vertrauten je- Abb. 374: Die innen eingebauten Nistkästen hinter den Rüst- doch darauf, dass Dohlen die Tauben aus den Kästen ver- löchen fallen nicht groß auf. Für den Einbau wurden lange Leitern drängen. benötigt. Foto: J. Loose.

191 50 Jahre Fachgruppe Ornithologie und Naturschutz Güstrow

Die Kästen wurden nach Bauanleitung in den Güstrower Kritisch anzumerken ist, dass es uns leider nicht gelang, Werkstätten angefertigt. Am 9.3.1996 war es so weit. Mit aus unserer FG dauerhaft Leute zu aktivierten, die nach den Unterstützung der Rostocker NAJU-Gruppe bauten eini- Kontrollen von 1996/1997 regelmäßig Erfassungen durch- ge aus unserer FG und weitere für diese Aktion gewonne- geführt hätten. Daten über die Effizienz unsere Maßnahme ne Personen in Dom und Pfarrkirche insgesamt 28 Kästen und auch konkrete Zahlen über die Brutpaare von Dohlen fachgerecht ein. oder Turmfalken (zwei Nistkästen für diese Art waren im Über diese Aktion lief dann auch eine Sendung im Radio Turm und der Glockenstube der Pfarrkirche installiert wor- M-V. Darin wurden fachliche Informationen über die Not- den) wurden über die Jahre daher nicht gesammelt. wendigkeit dieser Nistkastenaktion gegeben und der hohe Die Rostocker NAJU-Gruppe war gelegentlich nochmals organisatorische Aufwand für diese Arbeiten herausge- ohne Kontakt zu unserer FG in Güstrow und beringte z. B. stellt. die jungen Turmfalken im Nistkasten der Pfarrkirche. Wir stellten das fest, als Reinhard Schaugstat die Turmfalken beringen wollte und plötzlich (zu spät) feststellte, dass die Jungen bereits Ringe trugen – ein Jungvogel flog dann mit zwei Ringen (je einer an jedem Fuß) aus.

Abb. 375: Im Kirchengewölbe war der Einbau der Nistkästen einfacher, es konnte ohne Leitern gearbeitet werden. Foto: J. Loose

Abb. 378: Die jungen Turmfalken sind geschlüpft. Foto: J. Loose.

Die Kirchenverwaltung in Neubrandenburg startete zu jener Zeit auch ein ABM-Projekt, bei dem wohl fast alle Kirchen des Landes mit Nistkästen für Schleiereulen aus- gestattet wurden. Ein nachfolgendes Kontrollmonito- Abb. 376: In größeren Maueröffnungen im Güstrower Dom brüten ring wurde auch bei diesen Kästen leider von niemandem regelmäßig Turmfalken. Die Löcher sind an der Seite zum Innen- durchgeführt. raum mit Maschendraht versehen, um zu verhindern, dass Vögel in diesen gelangen können. Foto: J. Loose.

Abb. 377: Das Brut- geschehen konnte vom Innenraum kontrolliert werden. Foto: J. Loose.

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Die Standorte und Nummerierung der Dohlenkästen im Dom und in der Pfarrkirche:

Abb. 379: Anbringungsorte der Dohlenkästen im Dom Abb. 380: Anbringungsorte der Dohlenkästen in der Pfarrkirche

Abb. 381: Turmfalkenkasten über dem „Ausguck“ im Dach des Abb. 382: Turmfalkenkasten hinter den für Tauben verschlossenen Doms (Einbau am 9.3.1996). Foto: A. Martin. Schallluken der Pfarrkirche. Foto: A. Martin.

193 50 Jahre Fachgruppe Ornithologie und Naturschutz Güstrow

10.10 Wasservogelzählungen

Joachim Loose

Die Durchführung der Wasservogelzählungen in den Win- Die Zählergebnisse wurden auf vorgedruckten Lochkarten termonaten war eine der frühesten Gemeinschaftsaktionen eingetragen und über den BFA an die für die DDR tätige der Ornithologen in Mecklenburg. Sie wurde für unsere Zentrale für die Wasservogelforschung bei der Pädagogi- Region durch den Bezirksfachausschuss (BFA) Schwerin schen Hochschule Potsdam geleitet. Dort wurden die Da- koordiniert. ten nach Vorkommen der Arten insgesamt jeweils von Ok- Die Beteiligung an der Wasservogelzählung wird in der ers- tober bis März sowie unterteilt nach Bezirken ausgewertet ten Informationsschrift der Fachgruppe von 1967 alseine der und dann zeitversetzt als Manuskript gedruckt den Zäh- Hauptaufgaben der FG genannt. Die vorliegenden Unterla- lern zur Verfügung gestellt. Besondere Bedeutung wurde gen geben dabei jedoch keine Auskunft, an welchen Gewäs- der sog. Mittwinterzählung im Januar beigemessen, da zu sern wer und wann gezählt hatte. Erstmalig wird im Jahres- dieser Zeit witterungsbedingt mit den größten Migratio- bericht Nr. 5/1972 erwähnt, dass für die Wasservogelzählung nen der Wasservögel zu rechnen ist. (Singular!?) insgesamt ca. 120 Stunden aufgewendet wor- Die Zählungen an den in Karte 16 dargestellten Seen wur- den sind. Obwohl die Wasservogelzählungen offensichtlich den in der neueren Zeit durch W. Neubauer / S. Lorenz (1), in allen Jahren durchgeführt worden sind, wird über die J. Loose (2, 3, 5), M. Montschko (4) und K. Lingsminat / Zählergebnisse in keinem Jahresbericht der FG berichtet. W. Köhler / R. Wiechert / St. Thiel (6) durchgeführt. Spora- Aus der Leistungsabrechnung im Jahresbericht Nr. 13/1980 dische Zählungen am Radener oder Warinsee sowie Gänse- geht hervor, dass für die Wasservogelzählung insgesamt erfassungen am Hohen Sprenzer See erfolgten nicht mehr. 82 Stunden aufgewendet wurden und sich daran die FG- Mitglieder R. Becker (mit 6 Std.), R. Kaatz (15), A. Kretsch- Mit der Wende wurde die Zentrale für die Wasservogelfor- mann (6), K. Lingsminat (8), M. Nehls (15), W. Neubauer schung aus der Pädagogischen Hochschule Potsdam ausge- (8), K. Pohlmann (10) und G. Strache (14) beteiligt hatten. gliedert und ein Verein für Wasservogelökologie und Feuchtgebietsschutz e.V gegründet. Zur Verbesserung der Datenlage wurden Zählungen auch im September und im April in das Programm aufgenommen. Ab 2008 ging die Koordinierung und Auswertung der Wasservogelzählun- gen an die Bundesländer über. An unseren Freilanderfas- sungen hatte sich dadurch nichts geändert. Die vom LUNG für M-V vorgelegten Auswertungen (BIOM, 2014) haben durch einen lokalen Bezug nunmehr eine bessere Aussage- kraft (vgl. dazu Diagramme 42 bis 45).

Karte 25: Seen, die bei den Wasservogelzählungen kontrolliert Diagramm 42/43: Beobachtungen des Silberreihers im Winterzeit- wurden (1 – Krakower Obersee, 2 – Breeser See, 3 –Upahler See, raum in der Region West von M-V (ehemaliger Bezirk Schwerin) 4 – Inselsee, 5 – Sumpfsee, 6 – Parumer See; 7 – Hohen Sprenzer belegen im Jahresvergleich (oben) die allgemeine Zunahme der Art See – nur zeitweilig für Gänsezählungen) und das Ausweichen in andere Regionen während des Winters.

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Diagramm. 44: Das Auftreten der Graugans in der Region West Diagramm 45: Bestand des Haubentaucher auf dem Krakower kann im Vergleich zum ganzen Land M-V bewertet werden. Obersee in der Zählperiode 2013/2014

Die von uns kontrollierten Seen haben im Vergleich zu den Auch der Inselsee nimmt zu Beginn einer Vereisung der anderen in MV kontrollierten 231 Gewässern und Zähl- Seen zunächst die Wasservögel der Umgebung von Güst- strecken nur eine geringe Bedeutung für den Aufenthalt row auf. Die sehr flachen Seen Sumpfsee und Breeser See von Wasservögeln im Winter. Die bedeutenden Gebiete sind bei Minustemperaturen und Windstille bereits nach befinden sich an der Ostseeküste, im Binnenland sind es wenigen Tagen vollständig geschlossen. die großen Seen: die Müritz, der Schweriner See und der Mit den Stichtagzählungen der Wasservogelerfassun- Schaalsee. gen (immer am Wochenende, das dem 15. des Monats am Wenn die Gesamtzahl der bei den Zählterminen auf unse- nächsten liegt) können nicht alle Durchzugs- und Rastbe- ren Seen notierten Vögel gemäß den Angaben in Tabelle wegungen der Enten, Säger und Taucher erfasst werden. 17 doch vierstellig wird, liegt das an den hier mit erfassten Vielfach wurden maximale Bestände außerhalb der Termi- Grau-, Bleß- und Saatgänsen. Sehr gut werden die Durch- ne beobachtet. zugsspitzen bei Ankunft und Heimzug der nordischen Gänse abgebildet. Wir sollten es daher nicht versäumen, auch in der „un- Auch die besondere Bedeutung des Krakower Obersees attraktiven“ Zeit auf Exkursion zu gehen. Die Beobachtung (KOS) kommt gut zum Ausdruck. Wenn im Dezember und von Wasservögeln im Winter mit den bunten Farbtupfern Januar auf den anderen Seen wegen völliger Vereisung von Enten und Gänsesägern und kontrastreichen Schell- „Nullzählungen“ erfolgten, hatte der KOS zumindest noch enten und Zwergsägern sowie den „putzigen“ Zwergtau- einige offene Wasserflächen, auf denen sich die Wasservö- chern kann Ornithologen und Fotografen gleichermaßen gel dann konzentrierten. begeistern.

Tabelle 17: Stichtagssummen gezählter Wasservögel (alle Arten ohne „weitere Arten“)

Zählgebiet Sep Okt Nov Dez Jan Feb Mrz Apr

2010/2011 Inselsee 829 620 134 0 1.018 1.126 386

2012/2013 105 1.166 0 0 212 575

2010/2011 Sumpfsee 698 1.547 16 0 0 1.023 301

2012/2013 2.113 0 0 0 454 0 790 80

2010/2011 Parumer See 123 1.295 143 0 0 80 73 310

2012/2013 14 116 116 0 46 5.700 173 25

2010/2011 Breeser See 286 82 58 0 0 28 9 93

2012/2013 4 53 36 0 950 0 1.321 63

2010/2011 Upahler See 9 64 69 0 0 412 35

2012/2013 16 22 51 0 312 0 304 166

2010/2011 KOS 9.552 5.930 2.090 1.394 1.180 753 1.452

2012/2013 3.251 1.832 527 3.088 2.295

Erläuterungen: 0 = Zählung ohne Anwesenheit von Wasservögeln (Vereisung), grau hinterlegte Felder = keine Zählung durchgeführt

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Abb. 383: Wenn die Seen noch eisfrei sind, werden auch Graugänse zunehmend bei den Wasservogelzählungen im November und Dezember angetroffen. Foto: S. Lorenz

Abb. 384: Stockenten, Schellenten und Gänsesäger an noch eisfreier Stelle im Upahler See. Foto: K. Kirschnick.

Abb. 385: Zwergsäger-Männchen. Foto: B. Meder-Trost. Abb. 386: Schellentenpaar. Foto: B. Meder-Trost.

Abb. 387: Seeadler bei winterlicher Jagd auf die Bleßrallen im fast zugefrorenen Krakower Obersee. Foto: S. Lorenz.

196 50 Jahre Fachgruppe Ornithologie und Naturschutz Güstrow

10.11 Wintervogel- und Agrarvogelzählungen

Manfred Montschko

Wintervogelzählungen sind eine „Erfindung der Neuzeit“. Die Resonanz auf den Aufruf der OAMV war gut, von 2010 Ende des Jahres 2009 rief die Ornithologische Arbeitsge- bis 2015 wurden in M-V durchschnittlich 69 Zählstrecken meinschaft Mecklenburg-Vorpommern (OAMV) mit Dirk (n = 57 bis 79) begangen. 2015 waren es 68 Strecken. Schulze () als Koordinator zur Mitarbeit an der Mit Beginn des Erfassungsprogrammes im Januar 2010 Erfassung der Wintervögel bei frei wählbaren Zählstre- übernahmen mit Helmut Richter und Manfred Montschko cken auf. Ziel war eine Bestandsaufnahme der im Winter auch zwei FG-Mitglieder jeweils eine Begehungsstrecke. in Mecklenburg-Vorpommern vorkommenden Vögel. Die Nach drei Jahren erfolgreicher Zählungen und Weiterlei- Zählungen sollen als Ergänzung zu den Brutvogelkartie- tung der Unterlagen an die OAMV stellten die beiden Zäh- rungen die Datenlage zu Vorkommen und Verbreitung vor ler im Gespräch zufällig fest, dass sie (fast) die gleiche Stre- allem der Wald- und Feldvögel im Winter verbessern, um cke begangen haben! Das war natürlich ärgerlich und wohl so qualifizierte Daten auch für eine neue Avifauna von auch nicht im Sinne des Programmes. In Vorbereitung der M-V zu erhalten. Zählsaison 2013 wurden die Streckenführungen dann ab- Die Kartierstrecken sollten eine Mindestlänge von drei bis gestimmt. fünf Kilometern aufweisen, die Fläche möglichst einheit- H. Richter übernahm ab nun eine fünf Kilometer lange Stre- lich strukturiert sein. Es waren zwei Begehungen jeweils cke nördlich des Sumpfsees auf dem Langendammschen Anfang der Monate Januar und Februar durchzuführen. Die Weg vom Ortsausgang Güstrow bis Bülow. M. Montschko erhobenen Daten sowie ergänzend beschreibende Anga- zählte auf der gleichen Strecke weiter, die bereits in den ben zu den kontrollierten Flächen sollten in bereitgestellte Vorjahren von ihm begangen wurde. Diese weist eine Län- Erfassungsbögen übertragen werden. Es waren nur Vögel ge von 6,3 km auf. Die auch im Jahr 2016 durchgeführten aufzunehmen, die im direkten Bezug zur Fläche standen. Zählungen auf beiden Strecken wurden hier noch nicht Überfliegende Individuen waren nicht zu werten. Ab 2011 ausgewertet. wurden die festgestellten Vogelarten jeweils in ihrer An- Lage und Verlauf der Zählstrecken sind in den Karten 26 zahl den jeweiligen Lebensräumen zugeordnet gemeldet. und 27 dargestellt.

Karte 26: Zählstrecke Badendiek – Kirch Rosin / Mühl Rosin 2010 bis 2012 (schwarz – H. Richter) 2010–2015 (rot – M. Montschko)

Karte 27: Zählstrecke Güstrow – Bülow 2013 bis 2015 (H. Richter)

197 50 Jahre Fachgruppe Ornithologie und Naturschutz Güstrow

Die nachfolgenden Tabellen 18 und 19 zeigen die Zählergebnisse für die jeweiligen Zählstrecken. (Nicht beobachtete Vogelarten aus der Originalliste wurden zur Verkürzung der Tabellen weggelassen. Die Aufzählung der Arten folgt der Gliederung nach Artengruppen im Original.)

Tabelle 18: Zählergebnisse auf der Strecke Badendiek – Kirch Rosin 2010 bis 2012 und Güstrow – Bülow 2013 bis 2015 ermittelt durch H. Richter

Arten Vogelanzahl je Begehung 2010 2011 2012 2013 2014 2015 12.01. 08.02. 11.01. 16.02. 16.01. 20.02. 14.01. 23.02. 15.01. 24.02. 16.01. 11.02. Amsel 2 1 1 7 2 Misteldrossel 1 1 Rotdrossel 11 Wacholderdrossel 12 Ringeltaube 40 Rotkehlchen 1 Blaumeise 1 2 1 Kohlmeise 1 2482 5 Schwanzmeise 4 Feldsperling 12 12 Sperlinge allg. 8 25 Grünfink 3 Bergfink 1 Birkenzeisig 50 30 Buchfink 1 Erlenzeisig 30 Goldammer 12 32 59292 Buntspecht 1 1 1 Schwarzspecht 1 Eichelhäher 1 Elster 2 2 1 3 2 1 4 Nebelkrähe 2672 Rabenkrähe 3 3434180 Saatkrähe 19 8 Mäusebussard 1 1 1 1 1 1 Waldbaumläufer 2 Kleiber 2 Wintergoldhähnchen 1 Zaunkönig 1 Gänse allgem. 1.300 120 Nord. Gänse 100 235 Blässgänse 89 Saatgans 800 Graugänse 818 Höckerschwan 2 21 Kranich 2 3 4

198 50 Jahre Fachgruppe Ornithologie und Naturschutz Güstrow

Tabelle 19: Zählergebnisse auf der Strecke Badendiek – Mühl Rosin 2010 bis 2015 ermittelt durch M. Montschko

Arten Vogelanzahl je Begehung 2010 2011 2012 2013 2014 2015 06.01. 06.02. 05.01. 11.02. 06.01. 06.02. 02.01. 02.02. 03.01. 02.02. 03.01. 07.02. Amsel 7 3 2 6 11 1 16 5 3 6 Rotdrossel 711 Rotkehlchen 2 1 Wacholderdrossel 8 35 67 32 48 Ringeltaube 2 1 49 170 150 19 31 3 2 Blaumeise 3 2 7 2 1 4 3 1 3 Kohlmeise 33421145 12825 Sumpfmeise 11 Feldsperling 14 5 6 12 19 4 Haussperling 3 10 8864 Bergfink 1 Buchfink 4 1 13 3 16 1 Gimpel 2 7 5 2 3 6 Grünfink 13 74 90 41 8 7 20 Erlenzeisig 50 Stieglitz 20 14 16 2 Finken allg. 120 Goldammer 3 ca. 55 7 10 8 19 9 16 29 13 26 Grauammer 27 5 Buntspecht 1 1 1 3211 Schwarzspecht 1 1 Eichelhäher 2 2 3 1 2 Elster 3 1 115151 Kolkrabe 14 982947322 Nebelkrähe 1 1 6 16 1 1 3 5 Rabenkrähe 1 1 1 Saatkrähe 35 5 Mäusebussard 41131 3 111 Rauhfußbussard 1 1 Seeadler 1 3 1 Sperber 1 1 Turmfalke 1 Ohrenlerche 7 Kleiber 2 Zaunkönig 1 Wiesenpieper 1 Höckerschwan 2 Kranich 5 7 3 1 Graugans 4 2 30 60 14 2 Saatgans 62 Nord. Gänse 150 200 670 108 310 120 Silbermöwe 13 Waldkauz 1 Raubwürger 2

199 50 Jahre Fachgruppe Ornithologie und Naturschutz Güstrow

In lokaler Auswertung der bereits für sechs Jahre vorlie- Zu Agrarvogelzählungen hatte die OAMV im Februar 2015 genden Beobachtungsdaten ist auffällig und bemerkens- für das laufende Jahr aufgerufen. wert, dass Raufußbussarde als Wintergäste und Winter- Kiebitz, Feldlerche, Braunkehlchen, Wiesenschafstelze so- ansammlungen von Grauammern relativ selten notiert wie Grau- und Goldammer haben in den letzten Jahren wurden. Auch die ansonsten in Wintermonaten vielfach zum Teil drastische Bestandseinbußen hinnehmen müssen. feststellbaren größeren Schwärme von Wacholder- und Sie sind zu Problemvögeln geworden und mussten in die Rotdrosseln traten auf den Zählstrecken nur in geringen Rote Liste der gefährdeten Brutvogelarten Mecklenburg- Stückzahlen auf, was möglicherweise daran liegen könn- Vorpommerns aufgenommen werden. Als Vogel der Frei- te, dass entlang der Zählstrecken nicht ausreichend Beeren flächen hat lediglich das Schwarzkehlchen in den letzten tragende Sträucher und Hecken vorhanden waren. Als ty- Jahren kontinuierlich zugenommen. Die Erfassungen soll- pisch sind die Beobachtungen von größeren Stückzahlen ten zur Verbesserung der Datenbasis bei den erstgenann- von Ringeltauben bereits Anfang Januar anzusehen. Eben- ten Arten führen. Als Koordinator für diese Vorhaben warb so wie die Graugänse ziehen viele Ringeltauben im Winter Dietrich Sellin um Mitarbeit und hatte für eine einheitliche nicht mehr weg oder kommen immer früher zurück. Dokumentation die Vorgaben erarbeitet. Die Erfassung der Agrarvögel sollte auf selbst zu wählenden Erfassungsstre- Wenn bei den jeweils ca. 3 bis 4 Stunden dauernden Zäh- cken oder -flächen erfolgen. Dabei sollte die Fläche min- lungen und teilweise widrigen Begleitumständen (Schnee- destens 100 ha groß bzw. die Wegstrecke mindestens 5 km lagen und frostige Temperaturen, Fußmarsch auf unbefes- lang sein. Im Zeitraum vom 20.04. bis 20.06. waren sechs tigtem Terrain und über Ackerflächen) dann auch mal die Begehungen, je Dekade eine, vorgegeben, die in den Mor- Zufallsbeobachtung von sieben Ohrenlerchen (wie von mir genstunden zu absolvieren waren. Bei allen Kontrollen war am 08.02.2010 gesehen) gelingt, entschädigt das etwas für genau die gleiche Fläche/Wegstrecke zu bearbeiten. die Strapazen.

Abb. 390: Zählstrecke Laage – "Die Fünfer", E. Schlüter.

Abb. 388: Stieglitze suchen an Kletten nach Nahrung. Foto: H. Richter.

Abb. 391: Zählstrecke Bülow, H. Richter.

Vordergründig sollten Individuen der o. g. Arten mit re- vieranzeigenden Merkmalen (Gesang, revierverteidigend, Abb. 389: Rastender Schwarm von Wacholderdrosseln. Nestbau, fütternd usw.) aufgenommen werden, die Arten- Foto: J. Loose. liste war offen für Erweiterungen.

200 50 Jahre Fachgruppe Ornithologie und Naturschutz Güstrow

Tabelle 20: Beschreibung der Kontrollflächen Zählstrecke Landwirtschaft- Ein- Die liche Kulturen heit Bülow Badendiek Fünfer Wintergetreide ha 40 70 Raps ha 26 170 Mais ha 13 30 Sommergetreide ha 8 Lupinen ha 6 Grünland ha 3 6 andere ha 20¹ Gesamtgröße ha 96 276 Strukturelemente Abb. 392: Zählstrecke Badendiek, M. Montschko. Hecken m 250 10 1.200 Gräben m Aus der Fachgruppe Ornithologie und Naturschutz Güst- Baumreihen m row beteiligten sich mit Eckhard Schlüter (Zählstrecke "Die Wege m 6.240 5.000 5.900 Fünfer"), Helmut Richter (Zählstrecke Bülow) und Manfred Soll Stk. 6 2 10 Montschko (Zählgebiet Badendiek) drei Mitglieder auf je- andere Stk. 2 ² weils einer Fläche. Die Lage der Flächen bzw. Wegstrecken 1 = Brache und Siedlung sind den Abbildungen 390 bis 392 zu entnehmen. Um lan- 2 = ehemalige Siedlungsflächen <1 ha desweit vergleichbare Daten zu erhalten, waren während der Begehungen Angaben zur Beschaffenheit der kartier- Die Ergebnisse der Begehungen sind in den Tabellen 21 bis ten Flächen zu machen. Insbesondere sollten die jeweiligen 23 dargestellt. Nach Abschluss der Begehungen wurden landwirtschaftlichen Kulturen, ihre Bewirtschaftungster- die Ergebnisse in Erfassungsblätter übertragen und an den mine und Strukturelemente angegeben werden (vgl. dazu Koordinator der OAMV Dietrich Sellin zur Auswertung Tabelle 20). geschickt.

Die aufgenommenen Flächengrößen sind dabei wohl mit Es erscheint zweckmäßig, dass die Zählungen in den nach- einem gewissen Ungenauigkeitsfaktor behaftet, da der ver- folgenden Jahren weiter geführt werden. Die Auswertung meintlich kontrollierbare Raum beidseitig der begangenen für das gesamte Land wird sicher spannend. Bei lokalbezo- Wege nur geschätzt werden kann und damit stark subjektiv gener Auswertung bestätigt sich für den Kiebitz nach allge- beeinflusst ist. meinen Beobachtungen, dass er hier kein Brutvogel mehr auf Feldflächen ist. Für die bei uns untersuchten Feldflä- chen ist festzustellen, dass die Feld- Tabelle 21: Zählergebnisse Zählstrecke "Die Fünfer" (E. Schlüter) lerche keineswegs so selten ist, wie zunächst befürchtet worden war. Datum besetzte Die relativ hohe Zahl im Bereich Art 29.04. 06.05. 20.05. 28.05. 09.06. II/Juni Reviere Badendiek täuscht darüber hinweg, dass der Bestand der Feldlerche in Kiebitz 1 1 den letzten Jahrzehnten gemäß lang- 3 sM, 4 sM, 6 sM, 2 sM, 1 sM+ 2 sM fristiger Erhebungen tatsächlich Feldlerche 2 x 2, 3 x 2, 1 x 2, 1 x 2, 13 5 + 1 aber erheblich geschrumpft ist. Auf 4 x 1 3 x 1 5 x 1 2 x 1 dieser Fläche ist anscheinend noch 1 sM Braunkehlchen 1 2 x 1 4 x 1 3 ein guter Bestand vorhanden gewe- + 1 sen. Für Bestandseinschätzungen ist Schwarzkehlchen unbedingt zu bedenken, dass hier Wiesenschafstelze 2 x 1 nur eine Momentaufnahme erstellt wurde. 3 x 2, 1 sM 1 sM Grauammer 1 1 sM 1 3 1 x 1 + 1 + 2

1 sM, 1 sM, 1 sM 1 x 2, 1 x 2, Goldammer 1 x 2 3 x 2, 2 x 1 5 + 2 2 x 1 1 x 1 +3 5 x 1

201 50 Jahre Fachgruppe Ornithologie und Naturschutz Güstrow

Tabelle 22: Zählergebnisse Zählstrecke Bülow (H. Richter) Legende: * nur singende Individuen

Datum besetzte Art 22.04. 11.05. 18.05. 26.05. 02.06. 16.06. Reviere

Kiebitz 23422 2

Feldlerche 12* 9* 11* 12* 9* 12* 15

Braunkehlchen

Schwarzkehlchen

Wiesenschafstelze 484587

Grauammer 1 1 Abb. 393: Feldlerche im Bruthabitat. Foto: H. Richter. Goldammer 4112226

Tabelle 23: Zählergebnisse Zählstrecke Badendiek (M. Montschko) Legende: I Mai = 1. Maidekade nicht gezählt sM = singendes Männchen, ruf. = rufend

Datum/Dekade besetzte Art 30.04. I/Mai 17.05. 26.05. 06.06. 20.06. Reviere

Kiebitz

Feldlerche 32 45 48 sM 56 sM 49 sM 51

Braunkehlchen 1 2,1 1 sM 1 sM 1 sM 1

Schwarzkehlchen

Wiesenschafstelze 2,2 6 sM 9 sm 10 sM 9 + 3 + 2 Abb. 394: Eine Wiesenschafstelze nutzt Grauammer 1 sM 1 sM 2 sM 3 sM 1 sM 1 im Brutrevier den Raps als Singwarte. Foto: M. Montschko. Goldammer 5 x 1,1; 6 x 1,0; 5,2 7,1 10,1 10 5 x sm 1 x 1,1

Rebhuhn 1,1 1,1 1

Wachtel 1 ruf.

Karte 28: Aus den Punkten der Einzelbeobachtungen je Begehung der Zählstrecke (hier am Beispiel Bülow) können Rückschlüsse auf die besetzten Reviere der einzelnen Arten gezogen werden (vgl. Tabelle 22).

202 50 Jahre Fachgruppe Ornithologie und Naturschutz Güstrow

10.12 Wissenschaftliche Vogelberingung

Joachim Loose

Vogelberingungen hatten bereits frühzeitig einen festen Am Breeser See waren 324 Vögel in 30 Arten gefangen Platz in der Fachgruppenarbeit gefunden. worden. Das Artenspektrum entsprach dem, wie es im Die Beringerprüfung bei der Vogelwarte Hiddensee be- Schilfgürtel des Sees zu erwarten war und auch heute noch standen zuerst Reinhard Becker und Wolfgang Neubauer. vergleichbar auftritt (vgl. dazu Jahresbericht Nr. 22/1989). Ab 1981 wurde auch Angela Martin offiziell Beringer, 1989 Bereits damals standen 48 Bartmeisen (7,4 ad. und 37 diesj.) folgte Joachim Loose, nachdem er bereits mehrere Jahre als und drei Blaukehlchen (1 ad. M und 2 Juv.) auf der Liste, die Beringungshelfer tätig war. Steffen Thiel erhielt 2010 eine das erfolgreiche Brüten der Arten im NSG belegten. eingeschränkte Beringererlaubnis für Greifvogelarten. Im Jahresbericht Nr. 7/1974 werden die Beringungsergeb- Am Breeser See waren frühzeitig auch andere FG-Mitglie- nisse von Becker (153 Vögel) und Neubauer (408 Vögel) und der als Beringungshelfer tätig. Eine Vielzahl von Berin- die häufig beringten Arten einzeln genannt: Weißstorch gungen außerhalb von Krakow am See sind bis zur Wende 169, Flussseeschwalbe 88, Teichrohrsänger 43, Wiesen- 1989 als Beringergemeinschaft (BG) Krakow am See bei der pieper 40, Bartmeisen 39, Kolkrabe 38, Rohrammer 35, Beringungszentrale unter dem Namen von W. Neubauer Bachstelze 14, Flussuferläufer 13, Rohrweihe 12, Kiebitz registriert worden. Dadurch ist eine Aufschlüsselung auf und Eisvogel je 8, Singdrossel 7, Zilpzalp 6, Flussregen- einzelne Beringer heute nur mit großem Aufwand mög- pfeifer 5 und weitere 20 Vogelarten unter 5 Exemplaren. lich und ließe sich am ehesten über die Beringungsorte er- Hier wird deutlich, dass es neben einigen gezielten „Pro- stellen. grammarten“ damals noch weitgehend eine „Wald- und Wiesenberingung“ gab und fast alles, was man erreichen Eine erste Übersicht über gefangene und beringte Vögel konnte, einen Ring bekam. stellte M. Montschko im FG-Jahresbericht Nr. 6 für 1973 zu- NEUBAUER (2004) gibt in der „Vogelwelt des Altkreises sammen. Güstrow“ einen kurzen Einblick in die Schwerpunkte der Beringungstätigkeit der o. g. Beringer bis 2002. Hier können wir entnehmen, dass

■ Reinhard Becker vor allem in den 1960er/1970er Jahren Weißstörche (ca. 200), Bekassinen (48), Rohr- und Wiesenweihen (20 bzw.14) beringt hat; ■ Joachim Loose am Breeser See das Schwergewicht auf die Beringung von Schilfbewohnern (Bartmeisen 1.064, Blaukehlchen 43, Teichrohrsänger 2.912, Rohrschwirl 159, Rohrammer 716) und seit 1989 auch auf nestjunge Flussseeschwalben (777) aus Bruten auf Kunstinseln am See gelegt hat. Weiterhin hat er die im Natur und Umweltpark Güstrow (NUP) ab 1990 gepflegten und wieder ausgewilderten Vögel beringt. ■ Angela Martin (neben Beringungen am Breeser See) ab 1985 bis zu diesem Zeitpunkt 300 Jungsperber und ab 1986 nach aufwendigen Nestsuchen hauptsächlich Haubenlerchen (289, Farbmarkierung) beringte. ■ Wolfgang Neubauer Anatiden (Schnatterente 77, Höckerschwan 45), Kiebitze (265), Weißstörche (180), Lachmöwen (278 ad./ 1.000 juv.) Wintergäste (Birken- zeisige 191, Bergfinken 462, Kernbeißer 110, Wasser- amseln 33) und intensiv Flussseeschwalben (2.069 ad. / 8.259 juv.) beringte sowie etwa 2.600 brütende Fluss- seeschwalben kontrollierte.

Unerwähnt blieb, dass Wolfgang Köhler jahrelang in der Abb. 395: Fangschneise im Schilf des Breeser See (Beringungshelfer „BG Hauff“ Seeadler und vor allem zahlreiche Fischadler waren Ingolf Schult, Willi Brüshaver und Gerd Möller) beringt hatte. Die Fischadlerberingung übernahm ab 2010 Foto: K. Pohlmann (Archiv M. Montschko). Steffen Thiel.

203 50 Jahre Fachgruppe Ornithologie und Naturschutz Güstrow

Erwähnenswert sind die in der Kreisavifauna als Anhang Ebenso wurden am KOS viele in den genannten Län- enthaltenen Tabellen über im Kreis beringte Vögel mit dern, ergänzend auch in Polen und Finnland beringte Wiederfunden innerhalb und außerhalb des Altkreises (187 Lachmöwen gefangen oder gefunden (In den 1970er Indiv. in 23 Arten) sowie einer Auswahl der zur Verfügung Jahren tötete man am KOS Lachmöwen zur Reduzie- stehenden 3.114 Datensätze von Vögeln, die außerhalb des rung der Brutpaarzahlen!). Kreises beringt und im Altkreis wiedergefangen oder als Totfund registriert worden waren (233 Indiv. in 43 Arten). In einer weiteren Auswahltabelle werden eigene Wieder- Nicht aufgelistet wurden hier die 1.535 Wiederfunde und fänge am Breeser See dokumentiert. Kontrollen von Flussseeschwalben, da diese gesondert aus- Insbesondere für Teichrohrsänger liegen zahlreiche Rück- gewertet werden sollten. kehrbelege aus mehreren nachfolgenden Jahren von Indi- viduen über bis zu acht Jahre vor und belegen eine große Ortstreue dieser Art.

W. Neubauer gibt weiterhin eine Übersicht über die gesam- te Anzahl von uns beringter Vögel je Vogelart bis zum Jahr 2002: 24.618 Individuen in 96 Arten. Bis 2015 erhöhte sich die Zahl um weitere 8.868 Vögel auf insgesamt 33.492 beringter Individuen.

In den Jahresberichten Nr. 40/2007 und 43/2010 befinden sich ergänzende Auswertungen und Kommentierungen von Beringungen sowie weitere bemerkenswerte Wieder- funde von beringten Vögeln von 2003 bis 2010. Die in der Abb. 396: Brütende Flussseeschwalben wurden mit speziellen Fang- Kreisavifauna nur pauschal genannte Anzahl beringter körben auf den Nestern gefangen. Foto: J. Loose. Vögel je Art wird für den Zeitraum von 1988 bis 2007 jähr- lich und auf einzelne Gebiete/Programme bezogen darge- Mit den Daten offenbaren sich vielfach interessante Zug- stellt. Es wird deutlich, dass bereits Ende der 1980er Jahre bewegungen und andere durch die Beringung erkennbar die zuvor übliche „Wald- und Wiesenberingung“ eingestellt gewordene Lebensgeschichten. Nachfolgend einige inter- wurde. essante Beispiele: Von den bis 2010 im Jahresbericht aufgelisteten bemerkens- ■ Eine am 12.7.1967 nestjung im Zehlendorfer Moor werten Wiederfunden im Altkreis beringter Vögel sind beringte Wiesenweihe wurde am 23.8.1967 bei Dolni nachfolgend einige aufgeführt: Redice / CSSR erlegt. ■ Ein am 17.06.2005 bei Krakow am See nestjunges ■ Ein am 3.7.1971 nestjung in Goldewin beringter Weiß- Sperberweibchen wurde am 11.06.2006 erschöpft storch konnte von 1982 bis 1992 jährlich brütend in ( später tot) in La Garriga / Barcelona (Spanien) in Neustadt / Sebnitz (Sachsen) abgelesen werden. einer Entfernung von 1.524 km aufgegriffen und belegt ■ Für einen nestjung bei Klaber am 4.5.1972 beringten nochmals einen Zug nach Südwest. Graureiher liegt eine Rückmeldung vom 15.8.1972 als ■ Eine am Breeser See am 23.07.2006 beringte Bartmeise Totfund in Montemor Velho (Portugal) vor. (ad. M) wurde am 26.9.2007 bei Sörf Järden in Schwe- ■ Ein am 10.8.1976 als Fängling in den Zuckerfabrik- den kontrolliert und belegt die Expansion der Art auch teichen Güstrow beringter Flussregenpfeifer wurde nach Norden. nach drei Wochen am 3.9.1976 tot in Salina auf Malta ■ Für einen am 28.08.1997 nach einer Pflege im NUP (Italien) gefunden. ausgewilderten diesjährigen Turmfalken gibt es eine ■ Mindestens zwölf der von W. Neubauer am KOS von Rückmeldung (Ringfund) vom 18.01.2002 aus N´Gilli/ 1968 bis 1985 beringten Schnatterenten (77) wurden in Kati in Mali. Frankreich durch Jäger erlegt. (16 %) ■ Ein am 27.6.2001 bei Krakow am See nestjung bering- Zu den außerhalb des Kreises beringten und im Kreis ge- tes Sperberweibchen wurde am 15.2.2002 tot bei Belal- fundenen Vögeln sind nachfolgende Angaben interessant: cazar in Spanien aufgefunden und belegt den Südwest- ■ Für am Krakower Obersee, Drewitzer See, Dreier- zug junger Sperber über eine Entfernung von mehr als see, Breeser See und Kieswek Langhagen bzw. auch 2.190 km. außerhalb unseres Kreises beringte Flussseeschwalben ■ Für 28 am KOS nestjung beringte Lachmöwen sind Ab- belegen 26 Vögel nochmals die Zugwege bis nach Süd- lesungen und Totfunde aus den Niederlanden, Belgi- afrika. en, Frankreich, Großbritannien und Irland aufgeführt.

204 50 Jahre Fachgruppe Ornithologie und Naturschutz Güstrow

■ Eine in Polen am 3.7.1985 beringte Flussseeschwalbe wurde nach 25 Jahren am 4.6.2010 am Drewitzer See kontrolliert. ■ Eine am 11.09.2004 in Staffanstorf/Malmöhus in Schweden juvenil beringte Heckenbraunelle starb am 28.01.2005 am Stadtrand von Güstrow, vermutlich in dem gewählten Winterquartier. ■ Eine am 7.8.2005 im Kreis Schaumburg / Hannover (NS) diesjährige Schleiereule „wollte“ den Bestand in M-V auffüllen, wurde hier aber verhungert am 11.01.2006 Diagramm 46: Beringungsaktivitäten am Breeser See bei Matgendorf/Tet. gefunden. ■ Ein am 3.7.1988 in einem Horst bei Neuruppin (BB) beringter nestjunger Weißstorch konnte am 19.8.1996 brütend im Horst von Prüzen abgelesen werden und kam am 7.7.2007 ebenda als Brutvogel durch Strom- kontakt ums Leben.

Im PC von W. Neubauer befanden sich Beringungs- und Wiederfunddaten von Lachmöwen, die er uns bisher nicht vorgestellt hatte und auch nicht in den Zusammenstellun- gen im Jahresbericht Nr. 43/2010 berücksichtigt worden wa- Diagramm 47: Fangübersicht von Bartmeisen ren. Mitte Juni der Jahre 2002 und 2003 hatte W. Neubauer jeweils 200 bzw. 250 nestjunge Lachmöwen in der Kolonie Die als „Nebenprodukt“ der Bartmeisenberingung am auf dem Großen Werder beringt. Die bis 2008 vorliegenden Breeser See häufigste gefangene Vogelart war der Teich- 24 Rückmeldungen aus dieser Beringungsaktion stammen rohrsänger. weitgehend aus Belgien, den Niederlanden sowie Nieder- sachsen und belegen damit einen Westzug der Lachmöwen ab Spätsommer und das Verweilen während des Winters in diesen Gebieten.

Mit eigenen Wiederfängen am Breeser See konnte die of- fensichtliche Zunahme des Blaukehlchen in unserer Region (2010 gab es am Breeser See mindestens sieben Gesangsre- viere) und ihre Standorttreue belegt werden: Von den von 2000 bis 2015 hier beringten 121 Blaukehlchen (69 ad, 52 flügge Juv.) wurden in den Folgejahren 21 Indiv. (17,4 %) am Breeser See erneut gefangen. Für Bartmeisen hinge- Diagramm 48: Fangübersicht von Teichrohrsängern gen wird deutlich, dass mit ausbleibenden Wiederfängen offensichtlich ein weitgehendes Abwandern in andere Ge- Die unterschiedliche Anzahl der jährlich gefangenen biete nach der Brutsaison erfolgt: Von den in der Zeit von Teichrohrsänger lässt sich nicht mit einer eventuell gerin- 2000 bis 2015 am Breeser See beringten 1.460 Bartmeisen geren Zahl der Fangtage/Jahr begründen. Der Anteil von (238 ad., 1.222 flügge Juv.) wurden in den Folgejahren ledig- gefangenen Teichrohrsängern zur Gesamtzahl gefangener lich 20 Individuen (1,4 %) im Gebiet wiedergefangen. Vögel lag zwischen 2006 und 2015 bei 19,2 bis 36,0 %, in den beiden Störungsjahren 2008 und 2011 nur bei je 9,0 %. Für Außer den Programmberingungen von Flussseeschwalben, die Störungsjahre sind äußere Einflüsse anzunehmen. später von Haubenlerchen und Sperbern, erfolgten ab Mit- te der 1980er Jahre fast ausschließlich nur noch Beringun- Zur klassischen Beringung gehört immer der Wiederfang gen in mehreren Fangschneisen am Breeser See. Die Netze des beringten Vogels oder sein Totfund, um aus der Be- standen hier durchschnittlich an 29 Tagen im Jahr zwischen ringung weitere Erkenntnisse erzielen zu können. Mit der dem 12.4. und 23.10. – die Hauptfangtage lagen in den Mo- Methode von zusätzlichen Kennzeichnungen kann man naten Juni bis August. Ab 2001 beteiligten wir uns am bun- Daten erheben, ohne den Vogel selbst in der Hand gehabt desweiten Programm zur Beringung von Bartmeisen, wel- zu haben. Vornehmlich in den 1980er Jahren konnten vie- ches bis 2015 lief. le Mitglieder der Fachgruppe bei uns mehrere hundert mit Halsbändern markierte Graugänse ablesen.

205 50 Jahre Fachgruppe Ornithologie und Naturschutz Güstrow

Im Ornithologischen Rundbrief für Mecklenburg-Vorpom- mern (Heft 34/1991 S. 10–18) hat J. Loose die Zugdynamik an den Spätsommer-/Herbstsammel- und -rastplätze der Graugans im Kreis Güstrow beschrieben. Über die Able- sung des Codes bei 34 mit gelben Halsbändern markierten Graugänsen ließ sich deren Verweildauer in den Mona- ten August und September 1989 am Sumpfsee dargestellt. Durch Ablesungen am Sumpfsee und später auch an an- deren Orten, wurde erkennbar, dass der von RUTSCHKE (1987) beschriebene ansonsten übliche Zug im Herbst vom Binnenland an die Ostseeküste nicht generell stattfindet. Es wurde auch ein Zug von Graugänsen nach Süden ins Binnenland belegt.

Die Halsringmethode wird heute bei nordischen Bless- Abb. 398: Diesjähriger mit Fußringen beringter Kranich. Am linken und Saatgänsen angewendet. Im Vergleich zu den früher Fuß befindet sich die Länderkennung –blau-weiß-blau, rechts die zahlreich abgelesenen Graugänsen, die mit gelben Hals- individuelle Kennzeichnung – gelb-weiß-rot. (Der Vogel wurde am 25.6.2014 bei Striggow beringt.) Foto: B. Meder-Trost. ringen markiert waren, gelingen Sichtbeobachtungen bei nordischen Gänsen heute deutlich seltener. In Lettland und Litauen laufen Programme zur Beringung von Sing- Die mit Sendern über Satelliten gewonnenen Daten von schwänen. In jüngerer Zeit wurden mit blauen Halsringen Vögeln lassen uns heute quasi live ihren Zug ins Winter- markierte Singschwäne auch bei uns vermehrt beobach- quartier verfolgen. Die Ornithologie ist publikumswirk- tet. (Eingabe von Beobachtungen markierter Gänse und samer und spannender geworden. Könnten sich dadurch Schwäne im Internet unter www.geese.org) nicht auch junge Leute aus unserer Region für diese Sa- che begeistern und so zur „alt gewordenen“ Fachgruppe stoßen?

Das Ablesen von farbmarkierten Wasseramseln im Stadtbe- reich von Güstrow und an den neu entstandenen Fischtrep- pen hat zumindest eine Reihe von Bürgern aktiviert, die ansonsten nichts mit Vogelbeobachtungen zu tun hatten.

Abb. 397: Der mit Halsring markierter Singschwan (blauer Ring mit orangefarbenen Code 5e11) hielt sich am 13.12.2015 auf einem Acker bei Groß Breesen zusammen mit 70 Artgenossen auf. Foto: J. Loose

Mit farbigen Fußringen markierte Kraniche haben in neu- eren Jahren Ablesungen bei Graugänse abgelöst. Vielfach tragen Kraniche heute auch kleine Sender, so dass Spezi- Abb. 399: Mit Farbringkombination am 5.1.2013 an der Fischtreppe alisten mit einem Funkempfänger die Vögel im Dunkeln im Augraben beringte Wasseramsel. Foto: J. Loose. nicht einmal mehr sehen müssen, um deren Anwesenheit festzustellen. Die Möglichkeiten der Meldung von Beob- Die heute deutlich verbesserten Möglichkeiten der fotogra- achtungen im Internet (für Kraniche unter www.icora.de) fischen Dokumentation mittels Superzoom-Kameras führte führt heute zu immer schnelleren Auswertungen. zunehmend zu Belegen auch durch Fremde.

206 50 Jahre Fachgruppe Ornithologie und Naturschutz Güstrow

Die mit Spektiven oder auch einfachen Ferngläsern ables- baren Zusatzberingungen von Großvögeln wie bei Gänsen, Schwänen, Kranichen und vermehrt auch bei Singvögeln (Dohlen, Wasseramseln …) stellen eine gute Methode zur Datengewinnung dar, ersetzen jedoch nicht die herkömm- liche Beringung mit Fußringen und die ornithologische Feldarbeit. Auch die Farbringe müssen erst einmal ange- legt werden. Die zunächst für diese Broschüre geplante Ergänzung der von NEUBAUER (2004, S.173) angelegten Tabelle aller bis 2002 von unseren Beringern beringten Vogelarten würde hier den Rahmen sprengen. Abb. 400: Die am Nebelwehr Güstrow am 16.2.2015 fotografierte Wasseramsel ist nicht die auf dem Foto zuvor beringte. Die Lage Eine solche ergänzende tabellarische Übersicht wird in ei- der Farbringe ist genau zu beachten. Foto: K. Kirschnick. nem der nächsten Jahresberichte der FG vorgelegt werden.

Abb. 401: Mit schwarzem Halsring markierte Bleßgans mit dem Code XZC – auf die Ableserichtung ist zu achten. (Digiskopie mit Nicon Coolpix S8200 durch ein Spektiv Carl Zeiss Diascope 85 T*FL). Foto: J. Loose.

Abb. 402: Joachim Loose beim klassischem Fang von Bartmeisen mit Japannetz auf dem Weg durch den Gutower Polder. Die flüggen Jungvögel wechseln hier häufig zwischen den beidseitig liegenden Schilfflächen. (Juli 2015) Foto: K. Kirschnick.

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11. Resümee und Ausblick für die weitere Arbeit der Fachgruppe

Die Arbeit eines ehrenamtlich tätigen Ornithologen und Obwohl mit § 33 im Naturschutzausführungsgesetz für M-V Naturschützers war nach der politischen Wende nicht ein- die Berufung von Naturschutzwarten mit entsprechenden facher geworden. Viele Leute haben das Eigentumsrecht Befugnissen (in analoger Form zu den Naturschutzhelfern an Grund und Boden „wieder entdeckt“ und verhalten sich der DDR) geregelt ist, hat sich die Naturschutzbehörde bis nicht selten abweisend gegenüber Fremden, die mit Fern- heute geweigert, davon Gebrauch zu machen. Wir gehen gläsern durch die Landschaft ziehen. zwar unserer Arbeit in den Gebieten und mit den geschütz- Früher reichte es in den meisten Fällen, wenn man dem ten Arten weiter wie bisher nach, es gibt aber zunehmend LPG-Vorsitzenden Bescheid gesagt hatte, dass man auf den erheblichen Frust. Der war bereits in den vorherigen Ka- Flächen nach Vögeln Ausschau halten möchte. In der neu- piteln bei den NSG-Betreuungen zum Ausdruck gebracht en Zeit müssen wir uns stets auch auf solche „Hindernisse worden. und Beschwerlichkeiten“ einstellen. So ist es mitunter sehr Gemäß dem Namen unserer Fachgruppe fühlen wir uns hilfreich, wenn man die im Landesnaturschutzgesetz (§ 25) neben der Ornithologie nach wie vor dem Naturschutz ver- oder im Waldgesetz des Landes M-V (§ 28) enthaltenen Be- pflichtet. Reine Vogelbeobachtungen können immer nur tretungsrechte kennt und erforderlichenfalls kontern kann. der Anfang sein – wichtig sind die Interpretationen und Blamabel ist es, dass wir uns in der ehrenamtlichen Tätig- Reaktionen auf festgestellte Veränderungen. keit als Feldbiologen heute nicht mehr wie zu DDR-Zeiten als Naturschutzhelfer ausweisen können. Die Mitglieder Sehr bedauerlich ist, dass seitens der neuen Naturschutz- der Fachgruppe Ornithologie und Naturschutz besaßen verwaltungen zu uns ehrenamtlichen Naturschützern die fast alle einen bis 1990 gültigen Naturschutzhelferausweis Verbindung nicht in dem Maße gesucht wird, wie sie zu (vgl. Abb. 403). DDR-Zeiten zwischen unserer Gruppe und dem Sekretär für Naturschutz beim Rat des Kreises, Heinz Stegemann, existiert hatte. In den voranstehenden Kapiteln konnten wir zum Aus- druck bringen, wie unsere FG-Mitglieder in vielfältiger Weise über viele Jahre Schutzgebiete betreut und im Mo- nitoring vieler Arten Daten zusammengetragen haben, die auch den staatlichen Verwaltungen bei Entscheidungen hilfreich sind. Vielfach werden von staatlichen Stellen Daten von uns abgefragt, damit sie der Berichtspflicht zu FFH- und SPA- Gebieten überhaupt nachkommen können. Leider ist in den vergangenen Jahren dieser Informations- fluss immer einseitiger geworden. Weder die Kreisverwal- tung, noch das STAUN oder das LUNG haben den Kontakt ehrlich zu uns gesucht, im Gegenteil, wir kamen uns oft wie Bittsteller vor, wenn wir Hilfe brauchten. Wenn heute von ehrenamtlicher Arbeit gesprochen wird, werden im allge- meinen Sprachgebrauch darunter die mannigfaltigen Ak- tivitäten von Bürgern im sozialen Bereich verstanden. Die vielen hundert Stunden und nicht unwesentlichen Fahr- kosten, die unsere FG-Mitglieder für die Gebietsbetreuung und Arterfassungen aufwenden, werden kaum gewürdigt und nur in seltenen Fällen – und dann nur teil weise – fi- nanziell ausgeglichen (vgl. dazu Pkt. 7 – S. 47 Praxis vor 1990). Für die Betreuung von Naturschutzgebieten gab es nur bis 2011 eine vertragliche Regelung zwischen einzelnen FG-Mitgliedern mit dem Ministerium. Nach Übertragung der Zuständigkeiten für NSG an die Untere Naturschutz- Abb. 403: Bei den Naturschutzhelferausweisen sind insbesondere behörde läuft alles nur so „auf Zuruf“ weiter. Auf eine Be- die auf der Rückseite genannten Berechtigungen zu beachten. rufung als NSG-Betreuer oder Naturschutzwart verzich- tet man behördlicherseits einfach in der Hoffnung, dass

208 50 Jahre Fachgruppe Ornithologie und Naturschutz Güstrow die Ehrenamtlichen auch so weiterhin ihre Daten liefern liegen, fehlen doch gerade Siedlungsdichteangaben aus werden. den Schilfflächen während der Brutzeit. Das Vorkommen Mit der jüngsten Zuständigkeitsübertragung an die UNB von Bart- und Beutelmeisen, Blaukehlchen sowie aller drei wurde auch der bürokratische Aufwand für die Beringer Schwirl- und Rohrsängerarten sollte bereits Anreiz sein, im Land erhöht. So müssen nunmehr die Beringungsan- hier einmal näher in das Gebiet zu schauen. Zudem ist mit träge meist jährlich und getrennt für die einzelnen Krei- der Entwicklung der Fläche nach der Renaturierung auch se und gesondert für die Nationalparke bei den jeweiligen mit verschiedenen Rallenarten zu rechnen. UNB eingereicht werden, was besonders für die kreisüber- Eine hohe Siedlungsdichte bei Wasserrallen wird nach ers- greifenden Beringungen bei Adlern und Wanderfalken ten Einschätzungen vermutet und wäre mit Zahlen zu bele- stark behindernd ist. Wir sind der Meinung, dass generell gen. Der Einsatz von Klangattrappen während der Abend- die e h r e n a m t l i c h e Arbeit nicht erschwert, sondern und Nachtstunden dürfte hier gute Dienste leisten. erleichtert und gefördert werden sollte. Wir hoffen darauf, dass sich die Zusammenarbeit mit Für die Beobachtungen an unseren „Ostseen“ (Warinsee, unseren P a r t n e r n, den Naturschutzverwaltungen, ver- Krummer See, Wülwenowsee, Radener See) fehlt seit dem bessern wird. Diese Behörden betonen oft, dass sie auf uns Tode von Reinhard Becker ein Beobachter. Bei den ein- Ehrenamtliche bauen, es aber für uns oft bei einer Einbahn- zelnen Rasterkartierungen der Brutvögel war deutlich ge- straße belassen. worden, dass diese Landschaft eine überdurchschnittliche Von den in unserem Wirkungsbereich liegenden zehn Artenzahl je MTB aufwies. Naturschutzgebieten werden nur noch zwei durchgehend Ein großes Laubwaldgebiet am Rande der Stadt Güstrow ehrenamtlich betreut. Warum kümmert sich niemand um (Primerwald) ist nach der politischen Wende wieder zu- die anderen Gebiete? Kann hier auf eine Betreuung ver- gänglich geworden. Gemeinsam mit dem Tiefen See und zichtet werden? Die Naturschutzbehörde hat sicherlich insbesondere der südlich liegenden Feuchtniederung und keine Kapazität, in diesen wertvollen Gebieten auch noch dem sich zwischen See und Autobahn erstreckenden Öd- wissenschaftlich zu arbeiten. Wer schaut nach Verände- land (ehemalige Panzerübungsstrecke der sowjetischen rungen in diesen Gebieten und deckt Schädigungen auf? Armee) könnten hier interessante Nachweise für einen Warum wurden bei den Entwicklungsmaßnahmen im NSG „Waldläufer“ warten. Zehlendorfer Moor, die mit viel Geld bis heute kaum Wir- Die auf der Grundlage der EU-Wasserrahmenrichtlinie kungen zeigen, nicht die Erfahrungen der ehrenamtlichen (WRRL) bereits erfolgten Renaturierungen von Abschnit- Naturschützer genutzt und die langjährige Betreuerin des ten der Nebel zwischen Linstow und Dobbin, bei Hoppen- Gebietes in die Planungen mit einbezogen? rade und im Verlauf der Alten Nebel von Parum bis Wolken sowie des ersten Abschnitts der Recknitz zwischen Liessow Neben der notwendigen Kritik soll hier auch ein Blick auf und Laage haben neue Lebensräume entstehen lassen, die unsere kommenden Arbeiten geworfen werden. Wenn mit ihren Randflächen interessante Lebensräume für Vo- nicht gerade eine spezielle Kartierungsaufgabe ansteht, hat gelarten werden dürften. jedes FG-Mitglied sein „bevorzugtes privates“ Beobach- Ebenso sind zahlreiche Erstaufforstungsflächen dazuge- tungsgebiet oder seine Erfassungsaufgabe gefunden. In be- kommen, in denen die Besiedlung mit Vogelarten erfasst sonders attraktiven Gebieten in unserem Wirkungsbereich und dokumentiert werden sollte. werden die Vögel bereits seit längerer Zeit durch einen fes- Der Abbau von Kies und Sand wurde in unserem Altkreis ten Stamm von Mitgliedern beobachtet. Diese Langzeiter- nach der Wende erheblich ausgeweitet. fassungen sollen auf alle Fälle fortgeführt werden, dass gilt Die Bedeutung von Kiesabbauflächen war durch Wolfgang auch für die in den Kapiteln dieses Heftes näher genann- Neubauer insbesondere für das große Abbaugebiet Lang- ten Vogelarten. Bei den Beobachtungsgebieten gibt es noch hagen belegt worden. Neben den dort fortzuführenden Er- viele unzureichend beachtete Areale, in denen durchaus fassungen (Lachmöwen, Flussseeschwalben) gilt es aber mit Überraschungen zu rechnen ist. auch die kleineren Gewinnungsflächen bei Charlottental, Zietlitz-Groß Bäbelin, Spoitgendorf und Weitendorf konti- Auf die zweckmäßige Wiederholung von Siedlungsdichte- nuierlich im Blick zu behalten – die letzte Gesamtzählung untersuchungen im Augrabengebiet im Umfeld des NSG des Brutbestandes von Uferschwalben durch unsere Fach- Zehlendorfer Moor wurde bereits im Pkt. 8.3.1 hingewie- gruppe ist bereits lange her. sen. Die Ergebnisse dürften im Vergleich zu denen vor 20 Nicht ausreichend und regelmäßig beobachtet wird u. a. Jahren sehr interessant sein, auch wenn sie vermutlich nur auch im „Seemoor“ bei Jahmen (FFH-Gebiet!) und in ver- den Rückgang zahlreicher Arten des Offenlandes belegen schiedenen kleineren Flächen, die durch Auflagen der Na- werden. turschutzbehörde als Kompensationsflächen, meist in Ver- Die renaturierte Fläche des Gutower Polders ist ein noch bindung mit wasserbaulichen Maßnahmen, neu geschaf- wenig erforschtes Stiefkind. Wenngleich hin und wieder fen wurden (z. B. bei ) oder in Feuchtgebieten S Durchzugs- und Rastangaben von den Wasserflächen vor- Klaber am Waldrand oder N Kirch Kogel oder in solchen,

209 50 Jahre Fachgruppe Ornithologie und Naturschutz Güstrow die sich selbst zu Kleingewässern entwickelt haben (z. B. jene mit Herausgabe dieser Informationsschrift über die südlich Mühl Rosin, westlich Fuchsberg – Biotop-Nr. 50jährige Fachgruppen-Arbeit Interesse zu einer künftigen gue10985). Mitarbeit entwickeln werden. Ein großes „unbekanntes“ Gebiet befindet sich schließlich auch am nordöstlichen Stadtrand von Güstrow zwischen Bei unseren Beobachtungen in der Natur sind uns in den dem Klinikum und dem NSG Bockhorst. vielen Jahren immer wieder Flächen aufgefallen, die kurz- zeitig eine größere Bedeutung für Vogelarten erlangt hat- Mit einer derzeitigen Zahl von 15–18 Fachgruppenmitglie- ten. Oft waren es Vernässungen von Flächen, die durch dern können diese hier genannten Aufgaben nur schwer Havarien oder zerstörte Meliorationsleitungen entstanden vollständig abgearbeitet werden. und dann wieder repariert worden waren. Wir sehen sol- An Betätigungsfeldern und Beobachtungsaufgaben für che Flächen, bei denen eine Vernässung akzeptiert und auf neue Ornithologen mangelt es nicht. Wir müssen realis- Dauer erhalten oder bewusst initiiert wird, für die Zukunft tisch einschätzen, dass wir das Problem, diese neuen Or- als Areale mit einem bedeutenden Entwicklungspotential nithologen zu finden und zu aktivieren, nicht über den für Pflanzen- und Tierarten an. Aufbau einer Jugendgruppe schaffen können, wie es die Natürlich kommt auch der Erhaltung von Ödlandflächen Gründungsmitglieder der Fachgruppe Kurt Pohlmann und mit Hochstaudenvegetation oder von großflächigen Still- Wolfgang Neubauer als engagierte Lehrer an ihren Schu- legungsflächen für die Pflanzen- und Tierwelt eine große len einst taten. Aufkeimendes Interesse bei jungen und Bedeutung zu. sehr jungen Menschen im persönlichen Bekannten- und Verwandtenkreis sollte aber jeder unbedingt bestmöglich Mit der Darstellung einiger ausgewählter potenzieller Ver- fördern. nässungsgebiete in Anhang 6 hegen wir die Hoffnung, dass es künftig einmal gelingen wird, einige Flächen im Sinne Wenn man heute in den ornithologischen Online-Portalen des Naturhaushaltes als artenreiche Lebensräume in einer (oamv.de, ornitho.de) feststellt, dass hier für unseren Alt- überbeanspruchten Kulturlandschaft zu entwickeln und kreis auch Beobachtungsdaten von Personen eingetragen damit unseren Altkreis für die Vogelwelt und andere Ar- werden, die bisher keinen Kontakt zu unserer Fachgruppe tengruppen noch attraktiver zu machen. gesucht haben, ist vielleicht die Hoffnung berechtigt, dass

Abb. 404: Die großflächigen Überflutungen von Flächen bei Wattmannshagen im Bereich des Aalbaches östlich vom Warinsee sind regel- mäßig genutzte Nahrungshabitatflächen von durchziehenden Limikolenarten – 07.05.2013. Foto: J. Loose.

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Verwendete Abkürzungen

ABF Arbeiter und BauernFakultät LJV Landesjagdverband ABM Arbeitsbeschaffungsmaßnahme LPG (P) Landwirtschaftliche Produktions- ACZ Agro-Chemisches-Zentrum genossenschaft Pflanzenproduktion Ad./ad. Altvogel, adult LPG (T) Landwirtschaftliche Produktions- ADEBAR Atlas Deutscher Brutvogelarten genossenschaft Tierproduktion AG Arbeitsgemeinschaft, Arbeitsgruppe LUNG Landesamt für Umwelt, Naturschutz und AKSAT Arbeitskreis zum Schutz der vom Geologie (vorher LAUN) Aussterben bedrohten Tierarten MTB, MTB/Q Messtischblatt, Messtischblattquadrant AWG Allgemeine Wohnungsgenossenschaft NABU (KV/OG) Naturschutzbund Deutschland BFA Bezirksfachausschuss ( Kreisverband/Ortsgruppe) BG Beringergemeinschaft NP Nationalpark BP Brutpaar(e) NSG Naturschutzgebiet CIR Luftbilder in Infrarot NUP Natur und Umweltpark Güstrow DDA Dachverband Deutscher Avifaunisten (heute: Wildpark Güstrow) DDT Dichlordiphenyltrichlorethan NVA Nationale Volksarmee der DDR (in Insektiziden eingesetztes POS Polytechnische Oberschule Kontakt- und Fraßgift) RABS Regionale Arbeitsförderungs-, DJV Deutscher Jagdverband Beschäftigungs- und Struktur- DRA Deutsches Rundfunkarchiv entwicklungsgesellschaft EOS Erweiterte Oberschule StAUN Staatliches Amt für Umwelt und Natur (heute: Gymnasium) (später StALU) FFH FloraFaunaHabitat StALUMM Staatliches Amt für Landwirtschaft und FG Fachgruppe Umwelt Mittleres Mecklenburg FGL Fängling StFB Staatlicher Forstwirtschaftsbetrieb FND Flächennaturdenkmal SPA Special Protection Area GNU Gesellschaft für Natur und Umwelt (EU-Vogelschutzgebiet) HPa Horstpaare allgemein ORMV Ornithologischer Rundbrief HPm Horstpaare mit Jungen Mecklenburg-Vorpommern HPo Horstpaare ohne Junge OAMV Ornithologische Arbeitsgemeinschaft ILN Institut für Landschaftsforschung und Mecklenburg-Vorpommern Naturschutz UNB Untere Naturschutzbehörde JB Jahresbericht(e) der Fachgruppe VD Vertrauliche Dienstsache Ornithologie und Naturschutz Güstrow VEB Volkseigener Betrieb Juv./ juv. Jungvogel, juvenil VEG Volkseigenes Gut KB Kulturbund der DDR WEMAG Energieversorgungsunternehmen KNB Kreisnaturschutzbeauftragter WGG Wohnungsgesellschaft Güstrow KOS NSG Krakower Obersee WWD Wasserwirtschaftsdirektion KVHS Kreisvolkshochschule (hier: Küste – mit Sitz in Schwerin) LAUN Landesamt für Umwelt und Natur (später LUNG)

211 50 Jahre Fachgruppe Ornithologie und Naturschutz Güstrow

Literatur – Bezugnahme zu den einzelnen Beiträgen

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212 50 Jahre Fachgruppe Ornithologie und Naturschutz Güstrow

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213 50 Jahre Fachgruppe Ornithologie und Naturschutz Güstrow

Anhang 1

Mitgliederverzeichnis der FG-Ornithologie und Naturschutz Güstrow

Die nachfolgend aufgeführten 72 Personen werden un- Zu den FG-Versammlungen kamen regelmäßig zwischen 12 abhängig der Dauer ihres Erscheinens zu den Treffen der und 25 Mitglieder. Die Aktivitäten der einzelnen Mitglieder Fachgruppe in Güstrow als Mitglieder angesehen. Dar- waren stets weit gestaffelt. unter finden sich auch ehemalige Schüler aus den Arbeits- gemeinschaften von Kurt Pohlmann (Mühl Rosin) und Unabhängig einer Zugehörigkeit zu Organisationen Wolfgang Neubauer (Krakow am See), die sich durch be- (Kulturbund, NABU, OAMV u. a.) waren der Fachgruppe sonderes Interesse hervorhoben und auch später nach der auch stets solche Personen willkommen, die Interesse zum Schüler-AG aktiv blieben. Vogel- und Naturschutz hatten, sich aber das ornithologi- Einige der aufgeführten Mitglieder verließen die Fach- sche Wissen erst noch aneignen mussten. gruppe durch familiär- oder arbeitsbedingten Umzug in andere Gebiete, andere waren nur während des Arbeits- Jene Personen, die nur wenige Male zu den FG-Abenden er- oder Studiumsaufenthalt in Güstrow (z. B. am Pädagogi- schienen, dann aber wegblieben, weil sie sich hier vermut- schen Institut, später der Pädagogischen Hochschule) in lich nicht angesprochen fühlten, werden in der Mitglieder- der FG tätig, wieder andere blieben nach der politischen liste nicht aufgeführt. Wende aus verschiedenen Gründen fern.

Zum FG-Stamm gehörten:

Anderlik, Fritz – (And) Güstrow Koop, Karl–Heinz – (Ko) Krakow am See Becker, Reinhard (†) – (Be) Güstrow Knoche–Ulbricht, Ulrike – (Kn) Qualitz Bischoff, Reinhard – (Bi) Raden Kretschmann, Adolf (†) Groß Upahl Böhlke, Manfred Mühl Rosin Kusch, Herald – (Kuc) Güstrow Bomke, Angelika Laage Larsson, Käthe Laage Bomke, Dr. Eckart – (Bo) Laage Larsson, Otto Laage Bösel, Volker – (Bö) Diekhof Lemke, Martin – (Le) Kuhs Brüshaver, Willi – (Br) Bölkow Lingsminat, Klaus – (Li) Güstrow Busching, Wolf–Dieter (†) Weitendorf Loose, Joachim – (Lo) Güstrow Bußmann, Jörg – (Bu) Parum Lorenz, Sebastian – (Lor) Krakow am See Czech, Jürgen Güstrow Marczak, Torsten Bützow Dauber, Klaus (†) – (Daub) Güstrow Martin, Angela – (Ma) Güstrow Daubner, Lothar – (Dau) Güstrow/Schaber. Meder-Trost, Beate – (Me) Mühl Rosin Dobslaw, Christian – (Db) Güstrow Mevius, Jürgen – (Me) Mühl Rosin Eggers, Claus Laage Mevius, Heinz Mühl Rosin Eggers, Erika Laage Montschko, Manfred – (Mo) Güstrow Fritsche*, Maren – (Fri) Güstrow Müller, HansGeorg – (Mr) Güstrow Gehlhar, Uwe – (Ge) Güstrow Neubauer, Wolfgang (†) – (Neu) Krakow am See Hamel, Norbert – (Ha) Kirch Rosin Petzel, Siegfried – (Pe) Güstrow Hauff, Peter Güstrow Pohlmann, Kurt (†) – (Pm) Mühl Rosin Hertkorn, Andreas – (Her) Güstrow Rollwitz, Werner – (Rollw) Gülzow Holst, Fritz Güstrow Richter, Helmut – (HR) Güstrow Jahr, Harry Mühl Rosin Ritter, Gerit – (Ri) Dobbin Jänicke, Heike – (Jä) Güstrow Schaugstat, Reinhard – (Schau) Güstrow Jessen, Otto (†) Güstrow Schilf, Andreas Güstrow Kaatz, Reinhard Bölkow Schilling, Barbara Rachow Kainert, Frank Dobbin Schlüter, Eckhard – (Schl) Laage Kirschnick, Klaus Güstrow Schneider, Matthias Lüssow Köhler, Wolfgang – (Kö) Güstrow Schult, Ingolf – (Schu) Mühl Rosin

* Fritsche heute verheiratet – Polzin (Pol)

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Schulze, Silke (†) – (Sch) Klein Grabow Uhlig, Peter Güstrow Suchowski, Herbert Kirch Rosin Ulbricht, Joachim – (Ul) Qualitz Strache, Georg (†) – (Str) Güstrow Vick, Karsten Lalendorf Thamm, Uwe (†) – (Th) Güstrow Völkel, Marga – (Vö) Güstrow/Heidberg Thiel, Steffen – (Thi) Rothspalk Wenk, Andreas – (AW) Krakow am See Thiele, Volker Gülzow Wenk, Roland – (RW) Krakow am See Trost, Guntram – (Tro) Mühl Rosin Wiechert, Remo – (Wie) Güstrow

Personen mit einem Namenskürzel haben Daten in die umlaufende FG-Kartei eingetragen.

Der nachfolgende Personenkreis war mehrfach, aber nur Die in der von Kurt Pohlmann geleiteten Arbeitsgemein- über kurze Zeit bei den FG-Abenden oder Exkursionen an- schaft Vogelkunde tätigen Schüler wesend: Hannes Köhler, Bernd Meyer, Gerd-Rüdiger Möller, Ficker, Gabriel, Kurt Gierke, Heinz Goldberg, Henke, R. Otto, Walter Schneider, Uwe Steffanowski Hoffmann, Heino Holst, Dieter Hutte, Malicki, Karl-Heinz lieferten in dieser Gemeinschaft Beobachtungsdaten, Musche, M. Nehls, H. Nauendorf, Palleit, Hubert Polomski, fanden aber leider nicht wie einige andere aus der Gruppe Jörg Röhring, Markus Rudolf sowie Gisela Klingbeil und den dauerhaften Weg in die Fachgruppenarbeit. Elke Zielonka. (Die beiden Letzteren sind ständige Mitglieder in der Bota- nik-AG geworden.)

Wie es einmal anfing:

Kurt Pohlmann stellte im Jahresbericht der Fachgruppe Nr. 3 für 1970 dar, woher die Beobachtungsdaten stammten. 24 Mitglieder der Fachgruppe und 9 Freunde aus anderen Kreisen teilten die Daten im genannten Umfange mit. Kurt Pohlmann 61 Freund Walter 1 Dr. Schilf 3 Reinhard Becker 9 Wolfgang Neubauer 46 Ingolf Schult 6 Siegmar Müller 2 Joachim Malycki 5 Georg Strache 44 Gerd Möller 5 Freund Eske 2 Willi Brüshaver 4 Jürgen Mewius 31 Christian Dobslaw 4 Freund Palleit 2 Manfred Bölke 3 Wolfgang Köhler 21 Wolfgang Fritsche 3 Herr Grotmann 1 Herr Held 3 Manfred Montschko 16 Hubert Polomski 3 Herr Krägenow 1 Heino Holst 2 Norbert Hamel 15 Roland Otto 2 Herr Vogler 1 Peter Hauff 1 Lothar Daubner 12 Herr Jänicke 1 Herr Winkelmann 1 Walter Schneider 1 Bernd Meyer 12

Mit 324 Datensätzen waren die eingetragenen Beobachtungen 1970 noch recht überschaubar. Für den Jahresbericht Nr. 47/2014 musste eine Auswahl aus insgesamt 3.242 Datensätzen der in den FG-Karteikarten von den Mitgliedern eingetragenen Beobachtungen für die Rubrik „Bemerkenswerte Beobachtungen“ getroffen werden.

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Anhang 2

Literaturverzeichnis der Publikationen von FG-Mitgliedern sowie von anderen Autoren, die besondere von der Fachgruppe betreute Gebiete und Arten behandeln

(Die aufgeführten Literaturquellen berücksichtigen nur auf unseren Wirkungskreis bezogene Abhandlungen. Insbesondere Publikationen von fremden Autoren wurden nur aufgenommen, wenn der Inhalt unsere Arbeit berührte und wir Kenntnis erlangten.)

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216 50 Jahre Fachgruppe Ornithologie und Naturschutz Güstrow

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217 50 Jahre Fachgruppe Ornithologie und Naturschutz Güstrow

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218 50 Jahre Fachgruppe Ornithologie und Naturschutz Güstrow

NEUBAUER, W. (1971a): NSG Krakower Obersee – Brut- NEUBAUER, W. (1979b): Sichtbeobachtungen des Vogel- bericht 1970. Naturschutzarbeit in Mecklenburg 14: zuges an der Küste der Insel Usedom. Falke 26: 52. 168–170. NEUBAUER, W. (1971b): Frühjahrsdurchzug des Stein- NEUBAUER, W. (1979c): Überarbeitung der Artkapitel in wälzers (Arenaria interpres) im Binnenland. Beitr. der Avifauna – Gänsesäger, Schellente, Kolbenente. Vogelk. 17: 85. NEUBAUER, W. (1980a): Die Brutvorkommen des Gänse- NEUBAUER, W. (1971c): Zum Vorkommen der Kolben- säger (Mergus m. merganser) in der DDR. Danske ente, Netta rufina (Pallas), in der DDR. Beitr. fugle 32: 168–170. Vogelk. 17: 331–338. NEUBAUER, W: (1980b): Das NSG Krakower Obersee – NEUBAUER, W. (1972): Das NSG Krakower Obersee – Bericht 1979. Naturschutzarbeit in Mecklenburg 23: Bericht 1971. Naturschutzarbeit in Mecklenlenburg 32–34. 15: 68. NEUBAUER, W. (1982a): Der Zug mitteleuropäischer NEUBAUER, W. (1973a): Das NSG Krakower Obersee – Flussseeschwalben (Sterna hirundo) nach Ringfun- Bericht 1972. Naturschutzarbeit in Mecklenburg 16: den. Berichte der Vogelwarte Hiddensee 2: 59–82. 64–65. NEUBAUER, W. (1982b): Kurt Pohlmann zum Gedenken. NEUBAUER, W. (1973b): Ringfunde der Flussseeschwalbe Naturschutzarbeit in Mecklenburg 25: 45–46. (Sterna hirundo). Auspicium 5, H 4. NEUBAUER, W. (1982c): Wasservogelschutz, Landwirt- NEUBAUER, W. (1974a): Versuche zur Bestandshebung schaft, Fischerei und Erholungswesen im NSG der Schellente (Bucephala clangula). Beitr. Vogelk. Krakower Obersee (Feuchtgebiet von internatio- 20: 416–420. naler Bedeutung). Beitr. Vogelk 28: 35–40. NEUBAUER, W. (1974b): Das NSG Krakower Obersee NEUBAUER, W. & G. STRACHE (1982d): Bestands- Bericht 1973. Naturschutzarbeit in Mecklenburg 17: entwicklung des Weißstorches im Kreis Güstrow. 6061. Ornithologischer Rundbrief Mecklenburgs 25: 10–16. NEUBAUER, W. (1975): Das NSG Krakower Obersee – Bericht 1974. Naturschutzarbeit in Mecklenburg 18: NEUBAUER, W. (1983a) Der Einflug der Kanadagans im 41–42. Winter 1978/79 ins Binnenland der DDR. Falke 30, 378–383. NEUBAUER, W. (1976): Das NSG Krakower Obersee – Bericht 1975. Naturschutzarbeit in Mecklenburg 19: NEUBAUER, W. (1983b): Naturschutzarbeit im Kreis 42–43. Güstrow. Naturschutzarbeit in Mecklenburg26: 46. NEUBAUER, W. (1977a): Das NSG Krakower Obersee – NEUBAUER, W. (1985b): Naturschutzgebiet Krakower Bericht 1976. Naturschutzarbeit in Mecklenburg 20: Obersee (Faltblatt). 52–54. NEUBAUER, W. (1986): An- und Umsiedlung mittel- NEUBAUER, W. (1977b): Artkapitel Kolbenente, Schell- europäischer Flussseeschwalben (Sterna hirundo). ente, Gänsesäger in Klafs & Stübs: Die Vogelwelt Berichte der Vogelwarte Hiddensee 7: 42–46. Mecklenburgs. Jena 1977: 116, 123–124, 126–127. NEUBAUER, W. (1987): Avifauna Mecklenburgs 3.Auflage, NEUBAUER, W: (1978a): Das NSG Krakower Obersee – Artkapitel Eisvogel, Flussseeschwalbe, Gänsesäger, Bericht 1977. Naturschutzarbeit in Mecklenburg 21: Kolbenente, Schellente, Trauerseeschwalbe. 48–49. NEUBAUER, W (1988a): Ein Mauserplatz der Tauch enten NEUBAUER, W. (1978b): Experimentelle Untersuchungen im NSG Krakower Obersee. Ornithologischer zur akustischen und visuellen Kommunikation an Rundbrief Mecklenburgs 31: 25–29. der Flussseeschwalbe (Sterna hirundo) unter beson- NEUBAUER, W. (1988b): Ein Beitrag zum Anatiden- derer Berücksichtigung der Jungenaufzucht. Beitr. vorkommen des Krakower Sees. Beitr. Vogelk. 34: Vogelk. 24: 1–71. 253–285. NEUBAUER, W. (1979a): Das NSG Krakower Obersee – NEUBAUER, W. (1990a): Das Naturschutzgebiet Krakower Bericht 1978. Naturschutzarbeit in Mecklenburg 22: Obersee – Feuchtgebiet von internationaler Bedeu- 73–75. tung. Werbebroschüre 16 S.

219 50 Jahre Fachgruppe Ornithologie und Naturschutz Güstrow

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220 50 Jahre Fachgruppe Ornithologie und Naturschutz Güstrow

REUTER, F. (1938): Unveröffentlichter Bericht über die SPIESS, H. J. und P. BOLBRINKER (2002): Monitoring Brutvögel des Krakower Sees um 1910 an den submerser Makrophyten in nährstoffarmen Klar- Landesbeauftragten für Naturschutz. Naturschutz- wasserseen Mecklenburg-Vorpommerns des Jahres akten des Kreises Güstrow. 2001, Naturschutzarbeit in MV, 45: 1–8. REUTER, F. (1939): Bericht über die im Auftrage der THIELE, V., D. GRÄWE & B. BLUMRICH (2006): Fließ- Landesstelle für Naturschutz in Mecklenburg am gewässertäler in Mecklenburg-Vorpommern – 10. und 11. Juni 1939 vorgenommene Untersuchung typologische und faunistische Aspekte (Lepidopte- der Ornithologischen Verhältnisse des Natur- ra), Arch. Freunde Naturgeschichte Mecklenb. XLV, schutzgebietes auf dem Krakower See. Unveröffent- 39–54. licht in den Naturschutzakten des Kreises Güstrow. VÖKLER, F. (2014): Zweiter Brutvogelatlas des Landes ROWINSKY, V. (2013): Entwicklung und Erhaltung eines Mecklenburg-Vorpommern, Greifswald. extrem tiefgründigen Kesselmoores im Natur- WOLLERT, H., P. BOLBRINKER & J. SCHRAMM (2012): schutzgebiet „Schlichtes Moor“ (Mecklenburg- Zur Vegetation von Kessel-Regenmooren in Nord- Vorpommern). TELMA 43: 83–106. ost-Mecklenburg. Arch. Freunde Naturgeschichte SCHULZ, W. (1963): Eisrandlagen und Seeterrassen in der Mecklenb. LI: 37–63. Umgebung von Krakow am See in Mecklenburg. WÜSTNEI, C. (1899): Beiträge zur Vogelfauna Mecklen- Geologie 12: 1152–1168. burgs. Arch. Nat. Meckl. 52: 1–35. SCHULZ, W. (1967): Die geologische Situation im Natur- WÜSTNEI, C.. & G. CLODIUS (1900): Die Vögel der Groß- schutzgebeit „Krakower Obersee“. Naturschutz- herzogthümer Mecklenburg. Güstrow. arbeit in Mecklenburg 10: 32–36. ZANDER, H. D. F. (1862) Systematische Übersicht der SCHULZ, W. (1968): Spätglaziale und holozäne Spiegel- Vögel Mecklenburgs. Arch. Nat. Meckl 15. schwankungen an den westlichen Oberen Seen Mecklenburgs. Archiv der Freunde der Natur- geschichte in Mecklenburg, 14: 7–43. SCHULZ, W. (1994): Die geologische Situation im Natur- park Nossentiner/Schwinzer Heide. Naturschutz- arbeit in MecklenburgVorpommem, 37 (1): 33–40.

221 50 Jahre Fachgruppe Ornithologie und Naturschutz Güstrow

Anhang 3

Posterserien der Fachgruppe und der NABU-Ortsgruppe Güstrow (Zu Pkt. 5.2)

Die ersten Info-Tafeln der Fachgruppe (Abb. 405 bis 415) Die Reihe zum Biotop- und Artenschutz wurde bereits liefen als Wanderausstellung zum Biotop- und Artenschutz 1988 um sechs Tafeln über die von der Fachgruppe Orni- von Mitte 1987 bis Ende Juli 1991, vornehmlich durch die thologie und Naturschutz Güstrow betreuten Naturschutz- Schulen des Altkreises Güstrow. Die aus farbigem Pro- gebiete erweitert (Abb. 416 bis 421). Mit der Ausstellung spektmaterial gestalteten Tafeln waren in den Abmes- wurde versucht, bei Schülern ein Interesse für die Natur sungen von 900 x 700 mm in der Art von Wandzeitungen zu wecken. hergestellt, verglast und wurden mit einem zusammen- hängenden Ständersystem aufgestellt, konnten aber auch angehängt werden.

Abb. 405 bis 415

222 50 Jahre Fachgruppe Ornithologie und Naturschutz Güstrow

Sehr viele Eintragungen in einem Begleitheft zur Ausstel- Güstrow. Die Werbung von neuen Mitgliedern brachte je- lung belegen, dass man sich in den Schulen im Unterricht doch keine Erfolge. Auch die Hoffnung auf die Gründung mit den Themen beschäftigt hatte und die Schüler der von Schüler-Arbeitsgemeinschaften bei zunächst inter- Klassen 2 bis 9 zumindest kurzzeitig sensibilisiert werden essierten Lehrerinnen und Lehrern zerschlug sich sehr konnten. Ab 1990 machten wir mit den Tafeln auch gleich- schnell wieder. zeitig Werbung für die neu gegründete NABU-Ortsgruppe

Abb. 416 bis 421

223 50 Jahre Fachgruppe Ornithologie und Naturschutz Güstrow

In den Jahren 2008/2009 entstand eine recht anspruchsvol- schen und floristischen Besonderheiten vorgestellt (Abb. le Posterserie, mit der sich die NABU-Ortsgruppe Güstrow 423 bis 428). der Öffentlichkeit vorstellte (Abb. 422). Entsprechend der Der zweite Teil der Informationstafeln enthält Darstellun- Dominanz der Fachgruppe Ornithologie und Naturschutz gen und Auswertungen langzeitlicher Untersuchungen in der Ortsgruppe werden auf den Informationstafeln die ausgewählter besonderer Vogelarten im Kreisgebiet (Abb. Naturschutzgebiete des Landkreises, die von den Mitglie- 429 bis 434). dern der Fachgruppe betreut werden, mit ihren faunisti-

Abb. 422

224 50 Jahre Fachgruppe Ornithologie und Naturschutz Güstrow

Abb. 423 bis 426

225 50 Jahre Fachgruppe Ornithologie und Naturschutz Güstrow

Abb. 427 bis 430

226 50 Jahre Fachgruppe Ornithologie und Naturschutz Güstrow

Abb. 431 bis 434

227 50 Jahre Fachgruppe Ornithologie und Naturschutz Güstrow

Anhang 4

Ausstellung 80 Jahre Naturschutzgebiet Krakower Obersee

Vom 14.07. bis 04.09.2012 standen die von Wolfgang Neu- am See. Die hier in geringer Auflösung dargestellten Tafeln bauer mit Unterstützung durch Joachim Loose, Sebastian dienen nur der Übersicht, sie sind in höherer Auflösung als Lorenz und Angela Martin erstellten nachfolgend abgebil- pdf-Dateien im FG-Archiv vorhanden. Die insgesamt 22 deten Ausstellungstafeln in der Alten Synagoge Krakow Tafeln waren mit 147 hochwertigen Bildern bestückt.

Die 57 von Wolfgang Neubauer stammenden Bilder wurden für die Ausstellung ergänzt durch weitere Fotos von: H. Ebert (1), F. Eilrich (3), D. Hensel (1), F. Jolsten (1), O. Krone (6), J. Loose (9), S. Lorenz (2), Th. Martin (3), B. MederTrost (5), H. Müller (1), Neumann (1), G. Nowald (1), F. Prüß (3), J. Reich (3), W. Rolfes (13), W. Spillner (3), U. Steinhäuser (2), N. Stier (2), .W Thiel (2), D. Vorbusch (1), P. Wernicke (4), W. Wiehle (5), H. Zimmermann (19).

228 50 Jahre Fachgruppe Ornithologie und Naturschutz Güstrow

229 50 Jahre Fachgruppe Ornithologie und Naturschutz Güstrow

230 50 Jahre Fachgruppe Ornithologie und Naturschutz Güstrow

Abb. 435: Dr. Neubauer bedankte sich bei zwei FÖJlern aus dem Naturpark Nossentiner/Schwinzer Heide, die die Tafeln endgestaltet hatten. Foto: J. Loose.

Abb. 436/437: Die Ausstellung wurde passend zum Thema mit Leihpräparaten aus dem Müritzeum Waren gestaltet. Foto: J. Loose

231 50 Jahre Fachgruppe Ornithologie und Naturschutz Güstrow

Anhang 5

Wahleingabe der FG (siehe Pkt. 8.1.6)

232 50 Jahre Fachgruppe Ornithologie und Naturschutz Güstrow

233 50 Jahre Fachgruppe Ornithologie und Naturschutz Güstrow

234 50 Jahre Fachgruppe Ornithologie und Naturschutz Güstrow

235 50 Jahre Fachgruppe Ornithologie und Naturschutz Güstrow

Anhang 6

Landschaftsentwicklungsvisionen

Entwicklungsgebiete mit hohem Potenzial, soweit Landwirte einen Wasseranstau zulassen würden (die Flächen standen bereits einmal kurzzeitig unter Wasser)

Die Wiesensenke südwestlich von Bellin stand durch eine defekte Rohrleitung 1993 und 1994 unter Wasser. Sofort brüteten hier fünf bzw. neun Brutpaare des Rothalstauchers. Die Fläche war in der Durchzugszeit für zahlreiche Entenarten ein schnell angenommenes Rastgewässer.

Abb. 438

Die Ackersenke südwestlich vom Parumer See mit dem zentralen Soll (Biotop Nr. GUE10350) war Mitte der 1990er Jahre überschwemmt. Die große Wasserfläche mit den schlammigen Ufern wurde sofort zum Rastgewässer von Enten und Limikolenarten.

Abb. 439

Die Wiesensenke westlich von Gerds- hagen Hof an der Gemeindegrenze zu Klein Upahl besitzt am Ostrand Qell- hänge und entwässert über eine Rohr- leitung nach Nordwesten. Ende der 90er Jahre war die Rohrleitung verstopft und das Wasser floss über den Acker ab. Es war ein Kranichbrutplatz und ein großartiges Laichgewässer für Lurche entstanden.

Abb. 440

236 50 Jahre Fachgruppe Ornithologie und Naturschutz Güstrow

Das Seggenried südlich von Zehna – östlich der L17 (nicht als §20 Biotop erfasst) entwässert über einen offenen Graben nach Norden. Durch Einbau einer Sohlschwelle könnte das Seggen- ried vernässt werden und ein Kranich- paar, welches hier ein Revier besetzt hat, hätte einen geschützteren Brutplatz.

Abb. 441

Das am Südwestrand des Kritzkower Geheges angrenzende Seggenried wird durch einen Vorfluter durchflossen, der nach Westen verrohrt durch die Feldflächen verläuft. Ab Einlauf in die Rohrleitung könnte der Graben sehr einfach angestaut werden und damit das Seggenried wirksam vernässt werden. Bei einem Anstau sind im Oberlauf des Grabenzuges entstehende mögliche Aus uferungen zu beachten, die gleich- falls als aquatische Biotopanreicherung gelten könnten.

Abb. 442

Der Wiesenkomplex nördlich Neu Strenz war im Sommer 2011 über- schwemmt worden und sofort von mehr als 1000 Graugänsen und vielen Enten, Kiebitzen u. a. Limikolen genutzt worden.

Abb. 443/444

237 50 Jahre Fachgruppe Ornithologie und Naturschutz Güstrow

Über die Autoren

Joachim Loose (geb. am 19. Februar 1948) Im Alter von zwölf Jahren hatte er sofort zur Mitarbeit in der Fachgruppe Ornithologie und Na- das Glück, dass ihm in der Elbaue turschutz Güstrow, von der ihm zahlreiche Mitglieder bereits südlich von Tangermünde (SA) bekannt waren, anmeldete. Ein guter Einstieg für ihn war die der zehn Jahre ältere Dipl. Biolo- gerade anlaufende erste Rasterkartierung der Brutvögel, bei ge Wolfgang Lippert begegnete. So der er ein Messtischblatt zur Bearbeitung übernahm. fand Joachim Loose den Zugang zu Als 1981 Kurt Pohlmann starb, stellte J. Loose sich als Nachfol- der in Gründung befindlichen Ge- ger für die Betreuung des NSG Breeser See zur Verfügung. Seit meinschaft der Ornithologen der dem bringt er sich mit ganzer Kraft hier ein. Gleich frühzeitig Altmark. hat er den Bau einer Schutzhütte im Gebiet zur Unterstützung Die Beobachtungen in der Elbaue (heute Flächen im Bio- der wissenschaftlichen Arbeit und Vogelberingung initiiert. sphärenreservat Elbaue) und die spätere Betreuung des NSG Vorbild dafür waren ihm die guten Erfahrungen in seinem Schelldorfer See nahe seines Heimatortes sowie gemeinsame alten NSG Schelldorfer See, wo es eine solche Unterkunft als Gänsebeobachtungen mit W. Lippert prägten ihn. Als er nach schwimmende Hütte im Gebiet gab. Als sich mit der politi- dem Studium der Fertigungstechnik an der TU Dresden 1970 schen Wende 1990 der Aufbau einer Naturschutzverwaltung nach Mecklenburg, zunächst nach Parchim, kam, suchte er so- beim Landkreis Güstrow eröffnete, bewarb sich Joachim Loose fort durch die Vermittlung von Lippert den Kontakt zu Horst auf Anraten von Wolfgang Neubauer als Amtsleiter für Na- Zimmermann in Schwerin und durfte bald als einer von weni- turschutz und übte diese Tätigkeit als Quereinsteiger (später gen „Lewitz-Ornithologen“ auch wieder in einem besonderem nach strukturellen Änderungen als Sachgebietsleiter) bis zum Gebiet beobachten. Als kurzzeitiger Leiter der FG Ornitholo- Ende seiner beruflichen Arbeit im März 2011 aus. Die ehren- gie Parchim vertiefte er den Kontakt zu anderen Ornitholo- amtliche Arbeit im Naturschutz, die NSG-Betreuung und Vo- gen des Bezirks Schwerin. Mit seinem Umzug im Januar 1978 gelberingung sowie in der NABU-Ortsgruppe Güstrow nimmt nach Güstrow war es für ihn selbstverständlich, dass er sich auch danach weiterhin bei ihm einen breiten Raum ein.

Dr. Angela Martin (geb. am 17. Juli 1956) Mit knapp zehn Jahren hatte sie nächsten FG-Sitzung einzuladen. Ab Mai des Jahres 1978 den Besuch eines Gewässers in gehörte sie aber endgültig dazu und wurde in der Folge der Dresdner Umgebung bei den vor allem von Kurt Pohlmann in der Jugendgruppe zu allen Eltern durchgesetzt. Das war Exkursionen mitgenommen. Sie stellte für sich fest, dass wohl die Geburtsstunde des or- wahrscheinlich dieses Erlebnis eines gemeinsamen Interes- nithologischen Interesses von ses und damit das Ablegen der Außenseiterposition mehr Angela Martin. Ein Kleingewäs- zu ihrer Persönlichkeitsentwicklung beigetragen hat, als ser in der seenarmen Gegend bot obenhin gedacht wird. ihr erste ornithologischen Beobachtungen – neben den für Nach Abschluss ihres Forschungsstudiums wechselte heutige und mecklenburgische Verhältnisse „alltäglichen“ A. Martin 1983 aus dem Bildungsbereich in die Forstwirt- Arten wie Beutelmeise, Teichralle und Zwergtaucher war schaft, wo sie die Stelle einer Mitarbeiterin für Landeskul- hier Ende der 1960er Jahre die Zwergdommel eine Beson- tur und Naturschutz im Staatlichen Forstwirtschaftsbetrieb derheit. Obwohl die Eltern das erwachte Interesse nach Güstrow bis 1989 besetzen konnte. Hier gelang es ihr durch Kräften unterstützten, fehlte es ihr stets an einer fördern- ihre vorbereitende Tätigkeit, dass in den Kreisen Güstrow den Gemeinschaft. Kurze Kontakte gab es ab 1968 zu Leip- und Bützow ein System von 65 Flächennaturdenkmalen ziger Ornithologen, bei denen sie in den Sommerferien 1984 und 1987 durch die Kreistage unter Schutz gestellt Vorträgen lauschte, oder zu einer AG Entomologie an der wurde. Nachbarschule, die durch den Tod des Leiters ohne Nach- Nach einem folgenschweren Verkehrsunfall gelang es ihr, folger abrupt endete. mit viel Energie und Ausdauer langsam den Weg zurück in Am 20.1.1978 kam Angela Martin das erste Mal zur Fach- den Alltag zu finden. Nach der Wende wurden ihr in der gruppe in Güstrow. Bisher fühlte sie sich mit ihrem Inter- neuen Struktur der Forstdirektion West die verschiedens- esse zur Natur und Vogelkunde stets als Außenseiter, sogar ten Aufgaben zugemutet, bis sie schließlich ab 2004 zur an der Pädagogischen Hochschule Güstrow beim Studium Landeslehrstätte für Naturschutz beim LUNG wechselte. unter Biologie-/Chemie-Lehrerstudenten. Wie sie selbst Mit dem Jahr 2008 stieg sie freiwillig aus dem Berufsleben darlegte, war sie mit großen Überwindungsängsten zu die- aus, um sich voll und ganz einer vielfältigen ehrenamt- sem Interessenskreis gekommen, aber sie fühlte sich sofort lichen Tätigkeit zu widmen. wohl in dieser Gruppe von Menschen, die den gleichen Angela Martin leitet seit 1992 die FG Ornithologie und „Spleen“ hatten. Zunächst gab es da aber gewisse Start- Naturschutz und bereits seit 1981 die von ihr gegründete schwierigkeiten, denn man hatte es vergessen, sie zu der AG Botanik.

238 50 Jahre Fachgruppe Ornithologie und Naturschutz Güstrow

Die Mitarbeiter an einzelnen Kapiteln im Bild vorgestellt:

Wolfgang Köhler Eckhard Schlüter

Sebastian Lorenz Reinhard Schaugstat

Manfred Montschko Guntram Trost

Helmut Richter

239 50 Jahre Fachgruppe Ornithologie und Naturschutz Güstrow

Rückseite Vignetten von den Titelseiten der Jahresberichte Gestaltung der Vignetten: Dr. A. Martin U. Gehlhar (Die Vignetten von 23/1990, 24/1991, 34/2001, 38/2005, 39/2006 und 41/2008 stammen von U. Gehlhar.)

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GEOZON