LADA Niva 4x4 (typ VAZ 2121) Legendär – das ist das Wort, das den Niva am besten beschreibt. Wie sollte man ein Auto sonst nennen, das 3 Jahrzehnte lang unverändert – oder fast unverändert – gebaut wurde, in dieser Zeit auf 6 Kontinenten nichts von seiner Popularität einbüßte und noch so beliebt ist, dass die Produktion im Jahre 2007 abermals erhöht werden musste, damit weitere 45.000 Exemplare geliefert werden konnten? So unbestritten der phänomenale Erfolg des Niva heute sein mag, so selten waren jene, die am 5. April 1977, als das erste Modell das Werk verließ auch nur eine Kopeke auf das Auto gewettet hätten... Werfen wir einen Blick zurück auf 30 Jahre automobile Geschichte und eine den Globus umspannende Leidenschaft :

Anfang der 70er Jahre erlebte das Automobil mit der Entstehung von AvtoVAZ in der damaligen UdSSR einen wahren Boom. Erstmals konnte eine breite Bevölkerungsschicht Autobesitzer werden. Obwohl die ersten LADA-Modelle sehr robust sind, kommen sie nicht überall hin. In der Tat sind in vielen entlegenen Landstrichen die Strassen so schlecht, dass es ein Wagnis wäre, mit normalen Autos dort fahren zu wollen. Und die Lösung für das Problem? Ein Gelände-Fahrzeug, das überall hinkommt selbstverständlich! Im Jahr 1970 gibt es jedoch nur den Jeep Willys, der zu amerikanisch ist, den Land-Rover und den Land-Cruiser, die zu teuer sind. Außerdem gibt es den VW 181 und den Auto-Union Munga, die beide zu deutsch sind. Es gibt zwar auch den GAZ 69, dessen Produktion jedoch für die Mobilisierung der kommunistischen Truppen in der ganzen Welt vorgesehen ist. 1971 beschließt die Partei also, ihre Industrie in Bewegung zu setzen, um ein „Dorfauto“ bauen zu lassen. Im Klartext: ein Zivilfahrzeug, das in der Lage ist, dahin zu fahren, wo sonst kein normales Auto hinkommt! In der UdSSR der 70er Jahre war die Kreativität der Autobauer nicht von Marktgesetzen oder dessen Bedürfnissen geprägt, sondern folgte dem, was der Staat vorgab, so wie es in allen anderen Bereichen auch der Fall war... Es gab drei Werke, welche die Herausforderung annahmen: AZLK aus Moskau (hier wurde der berühmte gebaut), das Rüstungswerk IzhMash (hier wurde die Kalashnikov produziert...) und das junge AvtoVAZ-Werk. Vor allem für das letztere Werk bedeutete dieses Projekt eine große Herausforderung. Während die Konkurrenz bereits über solide Kenntnisse im Bereich der Nutz- und Militärfahrzeuge verfügte, hatte man im Werk in Togliattigrad bislang nur Strassen-Limousinen mit relativ geringem Hubraum gebaut. Die Ingenieure wendeten also gezwungenermaßen die einzige Technik an, die ihnen zur Verfügung stand: die der selbsttragenden Karosserie. In einer Zeit, als die Geländewagen-Welt noch auf die Stab-Rahmen- Karosserien schwor, war man sich sicher, dass dies eine Revolution darstellten sollte! Das Projekt wurde mit dem Code 2121 betitelt und von Vladimir Sergeevicha (Projektleiter), Piotr Mikhaïlovitch (General- Ingenieur) und Lev Petrovitch (Designverantwortlicher) geleitet. Es kam schnell zu einem ersten Zhiguli Prototypen mit 1300 cm³ Motor, der einige Monate später vorgestellt wurde. Um ein Haar wäre der Niva also ein billiger Abklatsch des legendären amerikanischen Jeeps geworden! Tatsächlich verfügte das erste Modell weder über ein Dach, noch über Türen! Eine Vorstellung, die dem Chef-Ingenieur gar nicht behagte. Er entrüstete sich darüber, dass seinen Genossen auf dem Lande nicht der gleiche Komfort und das gleiche Maß an Sicherheit zuteil werden sollten wie den Städtern! Die Designer machten sich also aufs Neue ans Werk und schufen eine Version mit einer kompletten Karosserie, bei der dann auch der stärkere 1600 cm³ Motor des zukünftigen Lada 2106 für Vortrieb sorgen sollte. Vater dieses neuen Designs, das sich an den ersten „FIAT" – , und hier vor allem am Konzept VAZ 1101 „Cheburashka " anlehnte, war der junge Pietr Prusov, der noch heute Beraterfunktion bei AvtoVAZ hat, und vor allem auch bei der Entwicklung des anderen Niva, des 2123 Pate stand, welches dann ja von Chevrolet geklaut wurde – wenn man so sagen darf...Aber kommen wir zurück zum 2121: seine Karosserie ist komplett aus Blech, er hat Fenster, 2 Türen, Heckklappe, Einzelradaufhängung vorne und permanenten Allrad-Antrieb mit zentralem oder hinterem Sperrdifferential. Diese technischen Lösungen waren für jene Zeit absolut avantgardistisch. Auf der normalen Strasse waren die Fahrleistungen folglich zwar eher bescheiden, im Gelände jedoch außerordentlich gut. Gefälle von bis zu 58%, Furten bis 60cm Tiefe und Schneehöhen von bis zu 1m konnten das Gefährt nicht stoppen, das dem Staat 1973 für Abnahmetests zur Verfügung gestellt wurde. In der damaligen UdSSR konnte tatsächlich nur gebaut und verkauft werden, was vorher durch das Zentralkomitee offiziell für gut befunden wurde. Während AZLK sich damit begnügt hatte, eine Art Mini-Kopie des alten UAZ 469 zu entwickeln, hatte Izhmash etwas mehr getan und ein Allrad- Fahrzeug mit geschlossener Karosserie entwickelt, die auf ein gekreuztes Chassis aufgeschweißt war und hinten auf einer steifen Federachse sowie vorne auf Einzel-Stahlfedern ruhte. Und so ist es nicht verwunderlich, dass die Moskauer schnell aus dem Spiel waren und nur das Team von Izhevsk dem Werk von AvtoVAZ den Sieg noch streitig machen konnte. Drei fürchterliche Tage härtester Tests im Sand, quer über gepflügte und aufgeweichte Felder und durch den Schnee machten Izhevsks Hoffnungen jedoch völlig zunichte... Entgegen aller Voraussagen hatten die jungen Ingenieure aus Togliattigrad das Duell mit erstaunlicher Leichtigkeit für sich entschieden, als ob das alles gar nichts wäre, sodass das die zuständigen Mitarbeiter des Ministeriums umgehend zur Unterzeichnung der Bestellung schritten! Von jenem Augenblick an arbeitete AvtoVAZ unaufhörlich an der Perfektionierung des Designs des Fahrzeuges, es wurden Aluminium-Stoßstangen eingeführt und die Form des Kühlers und der Scheinwerfer wurden angepasst. Zwei Jahre lang wurde ebenfalls an bedeutenden technischen Verbesserungen gearbeitet und das Auto in Uzbekistan härtesten Tests unterzogen, die über sämtliche normalen Standards weit hinausgehen. Außerdem ließ sich Porsche auf dieses Abenteuer ein, überarbeitete vor allem das Federungssystem und entwickelte ein Getriebe mit 2x4 Gängen, das ursprünglich für einen Porsche-Geländewagen vorgesehen war, der dann jedoch nie gebaut wurde. Die Deutschen können also mehr, als nur das Schütz links neben dem Lenkrad platzieren, so wie einige glauben! Das befand sich überdies schon vorher dort... Im November 1976 präsentierte AvtoVAZ dann endlich offiziell die Endversion des Projektes und der Lada 2121 war geboren! Er wurde „Niva“ getauft, das russische Wort für Kornfeld, denn dort so dachte man, sollte sein Lebensraum sein. Weniger als sechs Monate später startete die Produktion in Serie auf einer völlig neuen Fertigungslinie. Und somit begann die Geschichte ganz genau am 5. April 1977...