Mainzer Studien zur Buchwissenschaft 17

Unternehmer zwischen Markt und Moderne

Verleger und die zeitgenössische deutschsprachige Literatur an der Schwelle zum 20. Jahrhundert

Bearbeitet von Birgit Kuhbandner

1. Auflage 2009. Buch. 378 S. Hardcover ISBN 978 3 447 05658 8 Format (B x L): 17 x 24 cm Gewicht: 780 g

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2008 Harrassowitz Verlag · Wiesbaden

ISSN 0946-090X ISBN 978-3-447-05658-8 Inhalt

Vorwort ...... 7

I. Einführung ...... 9 1. Problemstellung und Vorgehensweise ...... 9 2. Forschungsstand und Quellenlage...... 20

II. Verleger und Umwelt...... 27 1. Wirtschaftlicher, gesellschaftlicher und branchenspezifischer Strukturwandel...... 27 a) Veränderungen der Lebensverhältnisse zwischen Industrialisierung, Modernisierung und Urbanisierung...... 27 b) Anpassungs- und Entwicklungsprozesse des Buch- und Verlagswesens...... 31 2. Verleger zwischen Produktion und Rezeption...... 39 a) Dichter, Schriftsteller, Autoren: Zum Rollenwandel der Literaten...... 39 b) Literaturleser, Literaturkäufer: Zum Funktionswandel der Lektüre ...... 56 3. Marktstruktur im langfristigen Wandel...... 72 a) Vorgänger und Vorläufer: Traditionsverlage des 19. Jahrhunderts und die neue Literatur...... 72 b) Koexistenz und Konkurrenz: Pressekonzerne und die neue Literatur...... 81

III. Verleger, Persönlichkeit und Unternehmen...... 89 1. Merkmale einer neuen Verleger- und Verlagsgeneration ...... 89 a) Die Verleger der Moderne: Sozialprofil und Sozialbeziehungen...... 89 b) Die Verlagsunternehmen der Moderne im Überblick: Programmstruktur und Geschäftsfelder...... 116

6 Inhalt

2. Aspekte der Unternehmensführung...... 154 a) Indikatoren kaufmännischer Verlagsführung: Unternehmensorganisation, Finanzierung und Kalkulation ...... 154 b) Indikatoren unternehmerisch-innovativer Verlagsführung: Bühnenvertrieb, Filmrechte und Reihenbildung...... 185

IV. Verleger und Autor...... 209 1. Der Rahmen: Vertragsbeziehungen und Honorargestaltung...... 209 2. Der Alltag: Autorenpflege und Autorenbindung ...... 243 3. Die Schnittstelle: Fallstudien zu Verlagskonkurrenz und Verlagswechsel ...... 275 a) Auf immer und ewig? Autoren und ihre (wechselnden) Verleger...... 275 b) Zwischenspiel im Zeichen des Naturalismus: Max Halbe und Josef Ruederer bei Georg Bondi...... 286 c) Unrast als Programm: Max Dauthendey bei Bruns, Juncker, Bonsels, Rowohlt und Langen...... 295 d) Der große Schnitt: Richard Dehmels Wechsel von Schuster & Loeffler zu S. Fischer ...... 308 e) Zwischen den Verlegergenerationen: Ricarda Huch bei Hertz und Haessel, Deutscher Verlagsanstalt, Diederichs und Insel...... 315

V. Schlussbetrachtung ...... 325

Quellen- und Literaturverzeichnis ...... 337

Namensregister ...... 369 I. Einführung

1. Problemstellung und Vorgehensweise

„Sind Sie aus Ihren Erfahrungen heraus nicht auch zu der Ansicht gekommen, daß es unmöglich ist, die Arbeiten – und immer gerade die besten Arbeiten – dem Publi- kum aufzudrängen, die das Ungeheuer Publikum nicht will?“1 Samuel Fischer wurde durch die Frage Franz Pfemferts der erste Teil seines später viel zitierten Diktums gleichsam in den Mund gelegt: „Dem Publikum neue Werte aufzudrän- gen, die es nicht will, ist die wichtigste und schönste Mission des Verlegers.“ 2 Pfemfert hat es nach einer Stenogrammskizze dem Berliner Verleger zugeschrieben und so eine präg- nante Stellungnahme herausgefordert, die rückblickend häufig als programmatisch für den Wesenskern einer ganzen Gruppe von Verlegern angesehen wird, die an der Schwelle zum 20. Jahrhundert mit ihren neu gegründeten Verlagsunternehmen der Moderne ein Forum boten und dabei stark von persönlichen Präferenzen geleitet wurden. So schwingt denn auch im Credo des von Eugen Diederichs skizzierten idealtypischen „Mustersortimenters“ ein vergleichbarer Ansatz mit: „Ich verkaufe meinen Kunden, was ich will“ – angelegt als Kontrast zu jenem Sortimenter, der Barbestellungen meidet und zunächst vorsichtig die Haltung des Publikums auszuloten versucht. 3 Unter ökonomischem Blickwinkel lässt sich das Problem weiter zuspitzen: Nicht markt- gängige Literatur soll geboten werden, sondern Werke, die sich ihren Markt und ihr Publi- kum erst erobern, wenn nicht gar erarbeiten müssen. Kurt Wolff brachte die Quintessenz von Samuel Fischers und Eugen Diederichs’ Äußerungen auf einen ganz ähnlich gelagerten Nenner: „Man verlegt entweder Bücher, von denen man meint, die Leute sollen sie lesen, oder Bücher, von denen man meint, die Leute wollen sie lesen. Verleger der zweiten Kate- gorie, das heißt Verleger, die dem Publikumsgeschmack dienerisch nachlaufen, zählen für uns nicht – nicht wahr?“ 4 Dies verweist zugleich auf die entscheidende Funktion, welche all jene Verlagsunternehmer auf ihrem jeweiligen Hauptarbeitsgebiet wahrnahmen, nämlich neuen inhaltlichen Strömungen und bislang unbekannten Autoren einen Markt zu schaffen. Speziell der Markt für zeitgenössische deutschsprachige Literatur bildet dabei jenes Markt- segment, das im Folgenden Gegenstand der Analyse sein soll. Dass es gerade hier nicht

1 Franz Pfemfert: Bruchstück einer Unterhaltung, in: Die Aktion 4 (1914), Sp. 601–605, hier Sp. 603. 2 Ebd. 3 Eugen Diederichs: „Zur Psychologie des Sortimenters“ (1905). DLA, A: Diederichs/Verlag/Jenaer Anfänge/Prosa, 95.2. Unter dem Titel „Zur Psychologie des Sortimenters. Reiseeindrücke” erschienen im Börsenblatt für den deutschen Buchhandel 76 (1909), Nr. 221 (23. September 1909), S. 10971– 10973 (Zitat S. 10972). 4 Kurt Wolff: Vom Verlegen im allgemeinen und von der Frage: wie kommen Autoren und Verleger zusammen, in: ders.: Autoren, Bücher, Abenteuer. Betrachtungen und Erinnerungen eines Verlegers, Berlin: Wagenbach 1965, S. 13–25, hier S. 14. 10 Einführung grundsätzlich auf den Massenmarkt ankommen konnte, hatte Samuel Fischer gegenüber Pfemfert deutlich zum Ausdruck gebracht. Sofern für bestimmte Werke „von vornherein feststeht, daß sie über einen gewissen engeren Kreis von Verstehenden nicht hinausdringen können“, komme es darauf an, „das Werk eines solchen Dichters in jene Kreise zu tragen, die es aufzunehmen vermögen.“ 5 Das Innovationsrisiko für den Verleger war bei dieser Markterschließung ein beträchtliches, denn nur ein etablierter Autorenname, der sich durch vorangegangene schriftstellerische Leistungen oder durch eine herausgehobene Position im öffentlichen Leben bereits profiliert hatte, konnte das prinzipielle Absatzrisiko des Unter- nehmens gering halten. 6 Wenn auch die Beziehung zwischen Autor und Verleger von elementarer Bedeutung für die Buchhandels- und Verlagsgeschichte ist, 7 so wäre eine Analyse des unternehmerischen Handlungsrahmens dennoch unvollständig, wenn die, allerdings deutlich weniger kontu- rierte Rolle des Publikums als potenziellem Rezipienten unberücksichtigt bliebe. 8 Neben dem Autor und dem Verleger wird daher der Leser als Marktfaktor zu einem Teil der Trias Schriftsteller – Verleger – Publikum 9 bzw. Produktion – Verbreitung – Konsumtion. 10 Das hier interessierende Marktsegment der zeitgenössischen deutschsprachigen Litera- tur scheint letztendlich durch die inhaltliche Charakterisierung als „Moderne“ hinreichend präzise umrissen. Der Begriff der „Avantgarde“ scheidet bereits deswegen aus, weil der zentrale Begriffsinhalt als „intellektuelle ,Vorhut‘ revolutionärer Massenbewegungen“ 11 den prinzipiellen Anspruch auf eine Umwälzung der gesellschaftlichen Verhältnisse mit einschließt, was nach überwiegender Meinung zwar auf die Kunstströmungen des Natura- lismus und Expressionismus, weitaus weniger jedoch auf die vielfältigen Gegenbewegun- gen im Gefolge des Naturalismus zutrifft, die zwischen 1895 und 1910 als (Neo-)Impressi- onismus, Neuromantik, Neuklassik, Jugendstil, Symbolismus oder Heimatkunst in Erschei-

5 Pfemfert, Bruchstück einer Unterhaltung, Sp. 603. 6 Gerhard Prosi: Ökonomische Theorie des Buches. Volkswirtschaftliche Aspekte des Urheber- und Ver- legerschutzes, Düsseldorf: Bertelsmann Universitätsverlag 1971 (= Gesellschaft und Kommunikation, Band 10), S. 27. 7 Für den hier interessierenden Zeitraum siehe in allgemeiner Perspektive etwa Stephan Füssel: Das Autor-Verleger-Verhältnis in der Kaiserzeit, in: York-Gothart Mix (Hrsg.): Naturalismus, Fin de siècle, Expressionismus 1890–1918, München: Deutscher Taschenbuch Verlag 2000 (= Hansers Sozial- geschichte der deutschen Literatur vom 16. Jahrhundert bis zur Gegenwart, Band 7), S. 137–154, sowie zum langfristigen Strukturwandel bis in die heutige Zeit ferner Heinz Friedrich: „Wer schreibt für wen und warum ...?“ Anmerkungen zum Strukturwandel im Verhältnis Autor/Verleger, in: Reinhard Witt- mann/Berthold Hack (Hrsg.): Buchhandel und Literatur. Festschrift für Herbert G. Göpfert, Wiesbaden: Harrassowitz 1982 (= Beiträge zum Buch- und Bibliothekswesen, Band 20), S. 420–430. 8 Hierzu etwa Hans Norbert Fügen: Die Hauptrichtungen der Literatursoziologie und ihre Methoden. Ein Beitrag zur literatursoziologischen Theorie, Bonn: Bouvier 1964 (= Abhandlungen zur Kunst-, Musik- und Literaturwissenschaft, Band 21), zum Publikum insbesondere S. 169–176. 9 So der Titel eines Verlagskatalogs von Georg Müller anlässlich des 10-jährigen Bestehens des Verlags. Schriftsteller, Verleger und Publikum. Eine Rundfrage. Zehnjahreskatalog Georg Müller Verlag Mün- chen, München 1913. 10 Hierzu Robert Escarpit: Das Buch und der Leser. Entwurf einer Literatursoziologie, Köln/Opladen: Westdeutscher Verlag 1961 (= Kunst und Kommunikation, Band 2). 11 Jost Hermand: Können Sezessionen Avantgarden sein?, in: Hartmut Kircher/Maria Kła ńska/Erich Kleinschmidt (Hrsg.): Avantgarden in Ost und West. Literatur, Musik und Bildende Kunst um 1900, Köln/Weimar/Wien: Böhlau 2002, S. 1–11, hier S. 1. Problemstellung und Vorgehensweise 11 nung traten 12 und häufig unter den Sammelbegriff des „Fin de Siècle“ gefasst werden. 13 Eine begriffliche Zusammenfassung all dieser literarischen Strömungen macht mit Blick auf die sich parallel vollziehenden Umwälzungen in Wirtschaft und Gesellschaft allein schon deswegen Sinn, weil sowohl der Naturalismus als auch die Gegenströmungen letzt- lich auf ihre jeweils eigene Weise versucht haben, Antworten auf die ökonomischen und sozialen Auswirkungen des industriekapitalistischen Systems zu finden. 14 Der Terminus „Moderne“ selbst geht auf den Literaturhistoriker Eugen Wolff zurück, der damit um 1886 einen Begriff prägte, welcher sich rasch mit dem deutschen Sprach- gebrauch verband. 15 Nur wenige Jahre später fand die „Moderne“ als „Bezeichnung für den Inbegriff der jüngsten sozialen, literarischen und künstlerischen Richtungen“ Eingang in zeitgenössische Konversationslexika. 16 In diesem Sinne können die Jahre 1890 bis 1914 als Eckdaten der deutschen literarischen Moderne gelten. 17 Das Ende mit dem Jahr 1914 an- zusetzen, entspricht der Orientierung an einem ereignisgeschichtlichen Datum; bei rein innerliterarischer Betrachtung könnte sich das Jahr 1910 – und damit der Übergang zum Expressionismus – als angemessener erweisen. 18 Der retrospektive Blick auf die Literaturgeschichte des späten 19. und frühen 20. Jahr- hunderts macht dabei deutlich, dass heutige Werturteile von der zeitgenössischen Einschät- zung erheblich abweichen können. Max Dauthendey, Max Halbe, Alfred Mombert, Richard Dehmel, Gustav Falke oder Carl Hauptmann finden sich mit ihren Werken heute kaum noch in allgemeinen Literaturgeschichten, auch wenn die zeitgenössische Wahrnehmung ein anderes Bild abgab. Vor diesem Hintergrund war es im Jahr 1905 höchst spekulativ von dem Verleger Richard Schuster – er stellt bei den folgenden paarweisen Namensnennungen

12 Ebd., S. 4 und 6–11. 13 Hierzu Mix, Naturalismus. Zur begrifflichen Erfassung des Terminus siehe auch die Sammelrezension von Arndt Brendecke: Fin(s) de siècle und kein Ende. Wege und Irrwege der Betrachtung von Jahrhun- derten, in: Historische Zeitschrift 268 (1999), S. 107–120. Zu dem gleichen Ergebnis kommt Stephan Füssel, der den Verlagen der Avantgarde im Wesentlichen jene Verlagshäuser zurechnet, die den Natu- ralismus und den Expressionismus, später auch den Dadaismus befördert haben. Stephan Füssel: Ver- lage der Avantgarde 1880–1930, in: Heinz Ludwig Arnold (Hrsg.): Aufbruch ins 20. Jahrhundert. Über Avantgarden, München: Boorberg 2001 (= Text + Kritik, Sonderband), S. 155–170. 14 Franz Norbert Mennemeier: Literatur der Jahrhundertwende. Europäisch-deutsche Literaturtendenzen 1870–1910, 2., verbesserte und erweiterte Auflage, Berlin: Weidler 2001 (= Germanistische Lehrbuch- sammlung, Band 39), S. 19. 15 Cornelia Klinger: Modern/Moderne/Modernismus, in: Ästhetische Grundbegriffe, Band 4, hrsg. von Karlheinz Barck, Martin Fontius, Dieter Schlenstedt u.a., Stuttgart/Weimar: Metzler 2002, S. 121–167, hier S. 139; Hans Ulrich Gumbrecht: Modern, Modernität, Moderne, in: Geschichtliche Grundbegriffe. Historisches Lexikon zur politisch-sozialen Sprache in Deutschland, Band 4, hrsg. von Otto Brunner, Werner Conze und Reinhart Koselleck, Stuttgart: Klett-Cotta 1978, S. 93–131, hier S. 120f.; Jürgen Schutte/Peter Sprengel (Hrsg.): Die Berliner Moderne 1885–1914, Stuttgart: Reclam 1987 (= Reclams Universal-Bibliothek, Nr. 8359), S. 13 (Einleitung). 16 Brockhaus, Band 11, 14. Auflage 1902, S. 952, zit. nach: Gumbrecht, Modernität, S. 121. 17 Klinger, Moderne, S. 140; Gumbrecht, Modernität, S. 123. 18 Renate Werner: Das Wilhelminische Zeitalter als literarhistorische Epoche. Ein Forschungsbericht, in: Jutta Kolkenbrock-Netz/Gerhard Plumpe/Hans Joachim Schrimpf (Hrsg.): Wege der Literaturwissen- schaft, Bonn: Bouvier Verlag Herbert Grundmann 1985, S. 211–231, hier S. 212f.; Paul Raabe: Die Autoren und Bücher des literarischen Expressionismus. Ein bibliographisches Handbuch in Zusam- menarbeit mit Ingrid Hannich-Bode, 2., verbesserte und um Ergänzungen und Nachträge 1985–1990 erweiterte Auflage, Stuttgart: Metzler 1992, S. 4. 12 Einführung jeweils seine Verlagsautoren denen Samuel Fischers voran –, folgende Namen in eine wer- tende Diskussion einzubringen: „Wem geben Sie die grössere Zukunft: Dehmel oder Hofmannsthal, Liliencron oder [Gerhart; B.K.] Hauptmann, Nietzsche oder der Ellen Key, der Meysenbug oder der Gabr. Reuter, Bierbaum oder Hartleben, Mombert oder Thomas Mann, David oder Schnitzler, Rilke oder Hermann Bang?“19 Den Markt für die zeitgenössische deutschsprachige Literatur jener Jahre abzubilden, ver- langt daher, von der heutigen Perspektive zu abstrahieren und jene Autoren samt ihrer Werke in die Analyse einzubeziehen, die seinerzeit als Marktteilnehmer auftraten und auch als solche wahrgenommen wurden. Nur auf der Basis dieser Autoren bzw. ihrer Werke lassen sich anschließend all jene Verlage ermitteln, die auf dem damaligen Markt für die Moderne eine Mittlerrolle eingenommen haben. Ein Beispiel für diese Vorgehensweise findet sich bei Estermann/Füssel, welche in ihrer Überblicksdarstellung über die belletristi- schen Verlage des Deutschen Kaiserreichs die Verlagsbeziehungen der Autoren zwischen 1871 und 1918 anhand der Angaben bei Wilpert/Gühring 20 analysiert haben und so die führenden Verlage auf diesem Gebiet ermitteln konnten.21 Das Manko dieser Methode benennen Estermann/Füssel selbst: Wilpert/Gühring fassen den Begriff des literarischen Autors sehr weit und es bedarf daher für die folgende Untersuchung einer weiteren Zuspit- zung des Autorenkreises auf die literarische Moderne im engeren Sinne. Ein Hilfsmittel bildet in diesem Zusammenhang die Zusammenstellung von Frenzel/Frenzel, die im Rah- men der Daten deutscher Dichtung eine nach den gängigen Epochen gegliederte, chronolo- gische Zusammenstellung wesentlicher Werke der deutschen Literaturgeschichte vorge- nommen haben, deren Auswahl das „Eigengewicht der epochalen Einzelwerke“ zweifellos betont, auch wenn dem zugleich „ein Verlust an dem abrundenden Gerank beiläufiger und meist nur im Rahmen der schöpferischen Individualität bedeutsamer Nebenwerke gegenübersteht, [...].“ 22 Die generelle Problematik der Auswahl wird dabei allerdings durch den Umstand gemildert, dass Frenzel/Frenzel durch ihren chronologischen Ansatz den literarischen Wertungs- und Entwicklungsprozess jener Jahre nachzuzeichnen versuchen und damit nicht der retrospektiven Versuchung erliegen, eine allzu klare Zuordnung einzel- ner Autoren zu ganzen Epochen vorzunehmen – ein unbestreitbarer Vorzug gerade wenn es

19 Richard Schuster an Richard Dehmel (Begleitbrief zu „Pro Memoria“), 5. Oktober 1905. SUB Ham- burg, DA: Br.: S 2403. 20 Gero von Wilpert/Adolf Gühring: Erstausgaben deutscher Dichtung. Eine Bibliographie zur deutschen Literatur 1600–1990, 2., vollständig überarbeitete Auflage, Stuttgart: Alfred Kröner 1992. Soweit nicht anders vermerkt, beziehen sich die bibliographischen Angaben zu den Erstausgaben einzelner Werke in der gesamten Arbeit auf dieses Nachschlagewerk. Auf den wiederholten Quellenbeleg wird daher im Folgenden aus Gründen der Übersichtlichkeit verzichtet. 21 Monika Estermann/Stephan Füssel: Belletristische Verlage, in: Geschichte des Deutschen Buchhandels im 19. und 20. Jahrhundert, Band 1: Das Kaiserreich 1871–1918, Teil 2, im Auftrag der Historischen Kommission hrsg. von Georg Jäger, Frankfurt am Main: Buchhändler-Vereinigung 2003, S. 164–299, hier S. 168–171. 22 Herbert A. Frenzel/Elisabeth Frenzel: Daten deutscher Dichtung. Chronologischer Abriß der deutschen Literaturgeschichte, Band 1: Von den Anfängen bis zum Jungen Deutschland, 35. Auflage, München: Deutscher Taschenbuch Verlag 2007, Vorwort (nicht paginiert). Problemstellung und Vorgehensweise 13 darum geht, das Wirken einzelner Verlage beim Erkennen und Durchsetzen neuer moder- ner Autoren nachzuzeichnen. Bei der Auswertung des zweiten Bandes für die Epoche des Naturalismus fällt für die Zeit vor 1890 insbesondere der Leipziger Verlag von Wilhelm Friedrich auf, der immerhin ein Viertel der hier erfassten 20 Titel auf sich vereinen kann. 23 Da die Wirksamkeit des 1878 gegründeten Verlags im Wesentlichen in die Zeit vor 1890 fällt – 1895 verkaufte Friedrich den literarischen Verlag –, soll das Unternehmen im Folgenden aus der Analyse ausgeblendet werden, ohne jedoch damit den Rang eines Verlegers mindern zu wollen, der gerade den Frühnaturalismus in Deutschland durchgesetzt hat. Die Früchte dieser Arbeit konnte zumindest zum Teil Samuel Fischer ernten, der als der Verleger des späten Natura- lismus in Deutschland gilt.24 Weitaus signifikanter stellt sich die Situation für die zwischen 1890 und 1913 publi- zierte Literatur des Naturalismus und seiner Gegenströmungen dar. Der S. Fischer Verlag kann von den 105 für diesen Zeitraum benannten Titeln immerhin 32 für sich beanspruchen und nimmt damit unangefochten den vordersten Rang ein. 25 Mit 11 Titeln liegt der Insel Verlag mit deutlichem Abstand an zweiter Stelle. 26 Schuster & Loeffler sowie der Albert Langen Verlag verzeichnen jeweils 4 Titel, 27 je 2 Titel entfallen auf den Georg Müller Ver- lag, den Axel Juncker Verlag sowie die Verlage von Eugen Diederichs und Bruno Cas- sirer. 28 Lediglich eine Publikation weisen der R. Piper Verlag und der Ernst Rowohlt Ver- lag auf. 29 Der Georg Bondi Verlag ist zwar zunächst auch nur mit einem Titel von Max Halbe präsent, doch kommt ihm nicht zuletzt als einzigem Verleger Stefan Georges eine besondere Bedeutung zu, dessen Werke als Ersterscheinungen zum Teil im Privatdruck bzw. in den Blättern für die Kunst oder unter dem Signet des Verlags der Blätter für die Kunst ausgewiesen werden und bei Frenzel/Frenzel mit mehreren Titeln erfasst sind. Für einige der Verlage wird die Bilanz noch geringfügig besser, wenn man in die Zählung die bis 1913 erschienenen, dem Expressionismus zugerechneten Werke einbezieht. Der Verlag

23 Zu den so erfassten Autoren zählen Detlev von Liliencron, Michael Georg Conrad, Hermann Conradi und Karl Bleibtreu. Herbert A. Frenzel/Elisabeth Frenzel: Daten deutscher Dichtung. Chronologischer Abriß der deutschen Literaturgeschichte, Band 2: Vom Realismus bis zur Gegenwart, 35. Auflage, München: Deutscher Taschenbuch Verlag 2007. 24 Hierzu Manfred Hellge: Der Verleger Wilhelm Friedrich und das „Magazin für die Literatur des In- und Auslandes“. Ein Beitrag zur Literatur- und Verlagsgeschichte des frühen Naturalismus in Deutsch- land, in: Archiv für Geschichte des Buchwesens 16 (1976), Sp. 791–1216, hier Sp. 851f. und 1163f. 25 Zur hier erfassten Autorenschaft des S. Fischer Verlags zählen , Johannes Schlaf, Max Halbe, , Arthur Schnitzler, Thomas Mann, Emil Strauß, Hugo von Hof- mannsthal, Hermann Hesse, Richard Beer-Hofmann, Karl Schönherr, Paul Ernst, Stefan Zweig, Rudolf G. Binding und Rudolf Alexander Schröder. 26 Die Titel stammen von Arno Holz, Hugo von Hofmannsthal, Ricarda Huch, Rainer Maria Rilke sowie Ernst Hardt. 27 Den Autoren von Schuster & Loeffler sind hier Detlev von Liliencron, Otto Julius Bierbaum und Richard Dehmel, den Autoren des Albert Langen Verlags Frank Wedekind, Jakob Wassermann und Ludwig Thoma zuzurechnen. 28 Die Titel verteilen sich auf folgende Autoren und Verlage: Wilhelm von Scholz, Erwin Guido Kolben- heyer (beide Georg Müller); Rainer Maria Rilke (Axel Juncker); Carl Spitteler, Agnes Miegel (beide Eugen Diederichs); Christian Morgenstern, Robert Walser (Bruno Cassirer). 29 Christian Morgenstern (R. Piper), Arnold Zweig (Ernst Rowohlt). 14 Einführung von Paul Cassirer rückt erst zu diesem Zeitpunkt in den Kreis der Mitkonkurrenten auf. 30 Über Frenzel/Frenzel hinaus wird hier der J.C.C. Bruns’ Verlag aufgenommen, der mit Autoren wie Alfred Mombert, Max Dauthendey oder Johannes Schlaf gleichermaßen als Konkurrent auf dem Markt für zeitgenössische deutschsprachige Literatur präsent war. All diese Verlage stellten nicht nur Neugründungen jener Jahre dar, sie ersetzten auch fast vollständig die bislang dieses Marktsegment dominierenden Verlage früherer literarischer Epochen, wie ein Blick in die Zusammenstellung bei Frenzel/Frenzel etwa für die Epoche des Realismus zeigt. 31

Gerade für jene Gruppe von Verlegern, die ihre Unternehmen im letzten Viertel des 19. Jahrhunderts gegründet haben, hat sich der Begriff des Kulturverlegers vergleichsweise fest im Sprachgebrauch etabliert. So benennt Reinhard Wittmann neben Wilhelm Friedrich, Samuel Fischer, Eugen Diederichs, dem Insel Verlag, Albert Langen und Kurt Wolff auch Bruno Cassirer oder Hans von Weber als Kultur- bzw. Individualverleger, denen es vor allem auf Breiten- und Massenwirkung angekommen sei. 32 Wittmann beruft sich bei seinen Ausführungen auf die Umschreibung von Manfred Hellge, welcher jedoch den Begriff des Kulturverlegers in diesem Kontext nicht direkt gebraucht und sich explizit auf den Verleger Wilhelm Friedrich bezieht, wenn er schreibt: „So verstanden ist Friedrich Intellektueller, Zeitgenosse, avantgardistischer Literat, der als Partner, Freund und Gleichgesinnter unter seinen Autoren lebt, sie finanziert, anregt, fördert, ihre ,Bewegung‘ organisiert, ihre Öffentlichkeit steuert, ihre Bücher und die gemeinsamen Zielsetzungen noch vor Gericht vertritt [...].“33 Wittmann weist zugleich darauf hin, dass das begriffliche Konstrukt des Kulturverlegers im Kern auf eine Arbeit von Helmut von den Steinen zurückzuführen ist, welche im Jahr 1912 das Kulturbuch dem Massenbuch gegenübergestellt hat. Kultur- und Massenbuch werden dort als sich ergänzende, durchaus auch parallel auftretende Erscheinungen beschrieben, die sich folglich oft bei den gleichen Verlagsunternehmen nachweisen lassen und auch auf

30 Zu den hier erfassten Autoren zählen Heinrich Mann, Alfred Mombert, Carl Sternheim, Georg Heym, Georg Trakl, Franz Werfel, Reinhard Johannes Sorge, Theodor Däubler, Ernst Barlach und Alfred Döblin. 31 Frenzel/Frenzel, Daten deutscher Dichtung, Band 2, S. 409–457. Einige weitere Verlage werden im Folgenden aus der Analyse ausgeblendet, da die bei Frenzel/Frenzel aufgenommenen Publikationen im Wesentlichen singuläre Erscheinungen sind, die sich im übrigen Verlagsprogramm nicht weiter wider- spiegeln. Hierbei handelt es sich zum einen um Ausläufer früherer Verlegergenerationen, zum anderen um Verlage der Heimatkunst, die sich oft nicht dem anspruchsvollen modernen Genre zurechnen las- sen. Zu diesen nicht berücksichtigten Verlagen zählen Göschen, Egon Fleischel, Staackmann, Cotta, Grote, Lehmann sowie Friedrich Fontane. Einige der letztgenannten Verlage finden sich dabei auch unter denjenigen, die Karlheinz Rossbacher explizit dem Markt für Heimatkunst zuweist, so die Berli- ner Verlage Fontane, Fleischel und Grote, ferner Staackmann in Leipzig. Gerade der Teilmarkt für Heimatkunst wird dabei in der Literatur als vergleichsweise beständig beschrieben: Verlagswechsel kamen eher selten vor, Verlagstreue war häufig an das Bestehen des Verlagsunternehmens selbst ge- knüpft. Karlheinz Rossbacher: Heimatkunstbewegung und Heimatroman. Zu einer Literatursoziologie der Jahrhundertwende, Stuttgart: Klett 1975, S. 101f. 32 Reinhard Wittmann: Geschichte des deutschen Buchhandels. Ein Überblick, München: Beck 1991, S. 279f. 33 Hellge, Wilhelm Friedrich, Sp. 1165. Problemstellung und Vorgehensweise 15 die gleiche Leserschaft abzielen können. So rechnet von den Steinen neben Diederichs auch Samuel Fischer, den Insel Verlag oder Georg Müller zu den Protagonisten des Kulturbuchs. Als typisch für das Massenbuch weist er unter anderem die preiswerten Buchreihen von S. Fischer, dem Insel Verlag und Eugen Diederichs aus, daneben aber etwa auch die Bücher des Ullstein-Verlags. 34 Auch Ulf Diederichs hat sich in einem Beitrag 1996 explizit des begrifflichen Phäno- mens des Kulturverlegers angenommen 35 und die Verbindung dieses Konstrukts mit dem Namen seines Großvaters 36 dargelegt. Diese Verbindung ist schon 1914 auf der Leipziger Internationalen Ausstellung für Buchgewerbe und Graphik (BUGRA) in Gestalt der Diede- richs’schen Buchkapelle öffentlich sichtbar geworden,37 was zugleich dem eigenen Selbst- verständnis des Verlegers entsprach. 38 Als konstitutives Merkmal des Kulturverlegers be- nennt Ulf Diederichs am Beispiel des Firmengründers eine dezidiert programmatische Aus- richtung des Verlags, die sich in Buchserien und Kulturzeitschriften sowie in der ständigen Verstärkung dieser Bemühungen durch Kataloge, Zirkulare und Anzeigen sowie öffentliche Wortmeldungen und Verlautbarungen des Verlegers zeigte. 39 Ähnlich oder gar synonym gebrauchte Begriffskonstrukte finden sich in zahlreichen weiteren Publikationen, die sich mit dem literarischen Leben an der Wende vom 19. zum 20. Jahrhundert befassen. Ute Schneider macht in ähnlicher Weise wie Wittmann zwischen Kulturverleger und literarischem Individualverleger keinen Unterschied und verweist auf das jeweilige Profil des Verlags, welches sich an einer bestimmten künstlerischen oder literarischen Richtung orientiert habe. Ziel eines jeden dieser Verleger sei es gewesen, „Autoren zu machen“ und dabei den Autor mit seinem Werk vollständig an das Unterneh- men zu binden. 40 An anderer Stelle hebt Ute Schneider die besondere Art der Autoren-

34 Helmut von den Steinen: Das moderne Buch, Diss. Universität Heidelberg 1912, S. 12, 25–32 und 36– 45. 35 Ulf Diederichs: Was heißt und zu welchem Ende wird man Kulturverleger? Ein weiterer Beitrag zum 100. Geburtstag des Eugen Diederichs Verlags, in: Buchhandelsgeschichte 1996/3, S. B 97–B 120. 36 Als zwei Beispiele von vielen aus jüngerer Zeit: Versammlungsort moderner Geister. Der Kulturver- leger Eugen Diederichs und seine Anfänge in Jena 1904–1914. Katalogbuch zur Ausstellung im Ro- mantikerhaus Jena 15. September bis 8. Dezember 1996, München: Diederichs 1996; Andreas Meyer: Der Verlagsgründer und seine Rolle als „Kulturverleger“, in: Gangolf Hübinger (Hrsg.): Versamm- lungsort moderner Geister. Der Eugen Diederichs Verlag – Aufbruch ins Jahrhundert der Extreme, München: Diederichs 1996, S. 26–89. 37 In einer Anfrage forderte der Arbeitsausschuss der Kulturgeschichtlichen Abteilung der BUGRA (Unterzeichner: Karl Lamprecht) Eugen Diederichs am 20. März 1914 explizit auf, das Wirken des „Kulturverlegers“ am Beispiel seines Unternehmens darzustellen. Diederichs, Kulturverleger, S. B 98. Bereits Helmut von den Steinen hatte 1912 Eugen Diederichs explizit als „Prototyp des modernen deut- schen Kulturverlegers“ etikettiert. Steinen, Das moderne Buch, S. 26. 38 In seinen Lebenserinnerungen hatte der Verleger 1927 diesen Begriff selbst gebraucht und seine Auf- gabe umrissen: „Kulturverleger sein heißt nicht dieses und jenes wichtige und schöne Buch verlegen, sondern unbeirrt von augenblicklichem Erfolg und dementsprechend unbekümmert um Tagesmode verlegen und an den Sieg der Idee glauben.“ Eugen Diederichs: Eugen Diederichs, in: Gerhard Menz (Hrsg.): Der deutsche Buchhandel der Gegenwart in Selbstdarstellungen, Band 2/Heft1, Leipzig: Felix Meiner 1927, S. 3–86, hier S. 20. 39 Diederichs, Kulturverleger, S. B 104. 40 Ute Schneider: Die „Romanabteilung“ im Ullstein-Konzern der 20er und 30er Jahre, in: Internationales Archiv für Sozialgeschichte der deutschen Literatur 25 (2000), S. 93–114, hier S. 94. 16 Einführung pflege und das Durchsetzen neuer literarischer Strömungen als Merkmale der Kulturverlage der Jahrhundertwende hervor;41 das Selbstverständnis des Verlegers, die Verlegerpersön- lichkeit und die verlagsspezifische Spezialisierung ebneten den Weg zum Programm- verlag. 42 Helga Abret benutzt in verschiedenen Publikationen zum Albert Langen Verlag den Begriff des Individualverlegers und setzt diesen im Wesentlichen mit dem literarischen Verleger gleich, bei welchem – im Gegensatz zum Typus des rein kommerziellen Verlegers – ökonomische Erwägungen nicht vorrangig für die Verlagsgründung gewesen seien. 43 Auch Wolfram Göbel ordnet den Kurt Wolff Verlag in die Reihe jener Individualverleger ein und hebt dabei vor allem die zentrale Rolle der Verlegerpersönlichkeit hervor, deren geschmackliche Präferenzen sich direkt auf das Verlagsprogramm ausgewirkt hätten. 44 Der Sammelbegriff des literarischen Verlags „als ein historisches Phänomen, nicht viel älter als das Jahrhundert“ findet sich schließlich bei Hans Altenhein. 45 Hinzu kommt, dass der Begriff des „Kulturverlegers“ in erheblicher Verwendungsbreite auch in verschiedenen weiteren Untersuchungen auf Verleger angewandt wird, die nicht zu jener Gruppe von Neugründungen Ende des 19. Jahrhunderts gehören, so bei Michael Davidis auf Wilhelm Hertz 46 und bei Peter de Mendelssohn auf die Verleger an der Schwelle zwischen dem späten 18. und frühen 19. Jahrhundert. 47 Stehen also gemäß der weiter oben getroffenen Auswahl die im Rahmen dieser Studie zu behandelnden Verleger bzw. Verlagsunternehmen bereits fest, so scheint ihre Zusam- menfassung unter einen gemeinsamen begrifflichen Nenner eher schwierig und in der For- schung widersprüchlich, in keinem Fall jedoch trennscharf zu sein. 48 Bezogen auf die

41 Dies.: Der unsichtbare Zweite. Die Berufsgeschichte des Lektors im literarischen Verlag, Göttingen: Wallstein 2005, S. 41. 42 Dies.: Profilierung auf dem Markt – der Kulturverleger um 1900, in: Roland Berbig/Martina Lauster/ Rolf Parr (Hrsg.): Zeitdiskurse. Reflexionen zum 19. und 20. Jahrhundert als Festschrift für Wulf Wül- fing, Heidelberg: Synchron Wissenschaftsverlag der Autoren 2004, S. 349–362, hier S. 354f. 43 Helga Abret: Albert Langen. Ein europäischer Verleger, München: Langen Müller 1993, S. 140; dies.: Unveröffentlichte Briefe von Albert Langen an Hermann Hesse, in: Recherches Germaniques 14 (1984), S. 175–208, hier S. 175. 44 Wolfram Göbel: Der Kurt Wolff Verlag 1913–1930. Expressionismus als verlegerische Aufgabe, in: Archiv für Geschichte des Buchwesens 15 (1975), Sp. 522–962, hier Sp. 549f. 45 Hans Altenhein: Ein immerhin geschäftliches Unternehmen. Zur Ökonomie literarischer Verlage, in: Merkur 31 (1977), S. 981–988, hier S. 981. 46 Hertz habe „in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts wohl am reinsten den Typus des qualitäts- bewußten, von den Traditionen des deutschen Idealismus geprägten Kulturverlegers“ repräsentiert. Michael Davidis: Der Verlag von Wilhelm Hertz. Beiträge zu einer Geschichte der Literaturvermittlung im 19. Jahrhundert, insbesondere zur Verlagsgeschichte der Werke von Paul Heyse, Theodor Fontane und Gottfried Keller, in: Archiv für Geschichte des Buchwesens 22 (1982), Sp. 1253–1590, hier Sp. 1585. 47 Peter de Mendelssohn: S. Fischer und sein Verlag, Frankfurt am Main: S. Fischer 1970, S. 43–49. 48 Dass der Begriff in Deutschland gerne, dabei häufig undifferenziert und mit geringer Aussagekraft bzw. Trennschärfe verwendet wird, lässt sich zum Teil auch damit erklären, dass der Typus des Kultur- verlegers aus der deutschen idealistischen Bildungstradition erwachsen ist und sich daher in dieser Form in vielen anderen Ländern nicht wiedergefunden hat. Gangolf Hübinger: Verlagsgeschichte als Kulturgeschichte, in: ders., Versammlungsort moderner Geister, S. 9–23, hier S. 9f. Zur Situation in anderen europäischen Ländern vgl. auch ders.: Verleger als Kulturberuf. Massenkommunikation im späten 19. und frühen 20. Jahrhundert, in: Buchhandelsgeschichte 2001/1, S. B 20–B 29, insbesondere S. B 24f.; ferner Helen Müller: Verlagswesen und europäische Massenkommunikationsgesellschaft um Problemstellung und Vorgehensweise 17

Struktur des Verlagsprogramms war all diesen Unternehmen ein gewisser Anteil am zeit- genössisch-deutschsprachigen Marktsegment zu eigen, den es im Rahmen des gesamten Verlagsprogramms entsprechend auszugestalten und gegebenenfalls zu ergänzen galt. Hier kommt es jenseits der Diskussion um die Begriffsprägung als Kultur- oder Individualverlag auf jene Entscheidungen und Strategien der Verleger an, die sie vor dem Hintergrund ver- schiedener endogener und exogener Faktoren einsetzen konnten und auch tatsächlich ein- gesetzt haben. Im Rahmen der Studie soll also jene Gruppe von Verlegern, die bislang allenfalls in Einzeluntersuchungen dargestellt worden ist, im Hinblick auf ihr unternehme- risches Wirken und ihre unternehmerische Wirksamkeit auf dem Markt für zeitgenössische deutschsprachige Literatur analysiert werden. Der Akzent liegt damit auf jenem Aspekt, der unter dem Begriff des „Medienunternehmers“ in der Forschung seit einiger Zeit diskutiert wird. Dies umfasst sowohl die persönlichen Merkmale der neuen Verlegergruppe als auch ihre jeweilige individuelle Handlungsweise auf dem gemeinsam bearbeiteten Teilmarkt – Befunde, die durch die vergleichende Zusammenschau zugleich verdichtet werden sollen. Damit richtet sich das Augenmerk jedoch stärker als bisher zugleich auf die gemeinhin zwischen Kunst und Ökonomie angesiedelte unternehmerische Aufgabe des Verlegers, 49 da gerade im betrachteten Marktsegment das Wirtschaften mit knappen Ressourcen eine spe- zielle Herausforderung darstellt, ist doch die Vermittlung neuer literarischer Richtungen und unbekannter Autoren in besonderem Maße ein schwer berechenbares Geschäft. Der in den vorgenannten begrifflichen Überlegungen zum Kultur-, Individual- oder auch literarischen Verleger teils explizit, teils aber auch nur indirekt angesprochene Anta- gonismus zwischen Kultur und Kommerz, Geld und Geist oder Kunst und Kalkül 50 – ökonomisch nichts anderes als ein Zielkonflikt, den es bei der Unternehmensführung sorg- sam abzuwägen gilt – lenkte zudem bisher davon ab, dass das Prinzip der Gewinnmaximie- rung zwar eine wesentliche Prämisse in der ökonomischen Theorie darstellt, dass aber eben jene Theorie gleichermaßen konzediert, dass es eine Vielzahl von Nebenzielen und Neben- bedingungen eines Unternehmens geben kann, welche die absolute Gewinnmaximierung relativieren. Sicherung des Unternehmensbestandes, Qualität des Angebotes, Ansehen in der Öffentlichkeit oder sozialethische Prinzipien können, zumal in kleinen oder mittleren

1900, in: Internationales Archiv für Sozialgeschichte der deutschen Literatur 27 (2002), S. 170–197, insbesondere S. 182–190. 49 Mit der Formulierung Kunst versus Ökonomie soll hier bewusst keine Klischeebildung verfolgt und verfestigt werden, wie sie Dirk Wetzel im Kontext einer Charakterisierung des Doppelcharakters des Buches („books are different“) feststellt und kritisch hinterfragt. Ursula Rautenberg/Dirk Wetzel: Buch, Tübingen: Niemeyer 2001 (= Grundlagen der Medienkommunikation, Band 11), S. 63–67, hier speziell S. 64f. Siehe ferner zur heutigen Produkt-, Preis- und Absatzpolitik im belletristischen Bereich – und damit zu den ökonomischen Zwängen aus der Perspektive eines erfahrenen Praktikers – Helmut Dähne: Das Buch als Ware, in: Kursbuch 133, Berlin: Rowohlt 1998, S. 71–86. 50 Hierzu beispielsweise Helga Abret: Kunst und Kommerz zwischen und Paris. Der Verleger Albert Langen (1869–1909), in: Schwabing. Kunst und Leben um 1900. Essays, hrsg. von Helmut Bauer und Elisabeth Tworek, Münchner Stadtmuseum 1998, S. 139–157; Johannes Ludwig: Medien- unternehmer zwischen Kunst und Kommerz, in: Günther Schulz (Hrsg.): Geschäft mit Wort und Mei- nung. Medienunternehmer seit dem 18. Jahrhundert, München: Harald Boldt Verlag im R. Oldenbourg Verlag 1999 (= Deutsche Führungsschichten in der Neuzeit, Band 22), S. 23–56; Florian Triebel: Der Eugen Diederichs Verlag 1930–1949. Ein Unternehmen zwischen Kultur und Kalkül, München: Beck 2004 (= Schriftenreihe zur Zeitschrift für Unternehmensgeschichte, Band 13). 18 Einführung

Familienunternehmen, so als wesentliche Parameter und Nebenbedingungen in die unter- nehmerische Zielfunktion eingehen und ein betriebsindividuelles Gewinnmaximum begrün- den. 51 Die Wirklichkeit ist also naturgemäß wesentlich komplexer und auch ein Verlags- unternehmer wird kaum jemals vollkommen altruistisch handeln können, wenn er auf den dauerhaften Bestand seines Unternehmens und eine sichere Erwerbsgrundlage seiner Mit- arbeiter – auch das ein Ausdruck von unternehmerischer Verantwortung – Wert legt. 52 Wer hingegen bar jeglicher Kapitalknappheit den Verlag von Büchern als reine Liebhaberei betreibt, wird sich wirtschaftlichen Erwägungen und Kriterien ohnehin von vornherein entziehen. Es macht daher also durchaus Sinn, Verlagsbetriebe unter dem allgemeinen Blickwinkel unternehmerischer Funktionen und Aufgaben zu betrachten. Diese bestehen zunächst so- wohl in der Bereitstellung von Risikokapital als auch im Treffen von Dispositionen inner- halb einer wirtschaftlichen Unternehmung, schließlich auch in der Durchführung und Um- setzung von Innovationen. Letztere Aufgabe wird von Schumpeter als zentrale Funktion betrachtet, die – und hier liegt ihre Anwendbarkeit auf den Verlagsbereich begründet – auch in der Erzeugung und Durchsetzung neuer Produkte bzw. neuer Qualitäten von Pro- dukten oder in der Erschließung neuer Absatzmärkte bestehen kann. 53 Das Verlagsgeschäft selbst umfasst als unternehmerische Aufgabenschwerpunkte die Beschaffung bzw. Aus- wahl der Manuskripte, die Kalkulation einschließlich der Preisfestsetzung und der Honorie- rung sowie zumeist die Vorlage der Kosten für die Herstellung. Ferner bezieht es – soweit das Unternehmen nicht über eigene Herstellungsmöglichkeiten verfügt – die Herstellungs- regie und schließlich den Vertrieb der hergestellten Erzeugnisse mit ein. 54 Kurz: Die Auf- gabe des Verlegers besteht im Kern darin, dem immateriellen Gehalt eines Manuskripts durch die Herstellung von Werkexemplaren eine materielle Existenz zu ermöglichen. Zur Darstellung dieser Zusammenhänge beschreitet die vorliegende Studie folgenden Weg: Hinsichtlich der exogenen Faktoren geht es im zweiten Hauptkapitel „Verleger und Umwelt“ dabei zunächst um die strukturellen Wandlungen auf dem Buchmarkt jener Jahre, die sich als prägende Voraussetzungen und Begleiterscheinungen auf den Markt für zeit- genössisch-deutschsprachige Literatur ausgewirkt haben. Zu diesem Zweck werden zu-

51 Rudolf Gümbel: Nebenbedingungen und Varianten der Gewinnmaximierung, in: Zeitschrift für han- delswissenschaftliche Forschung, Neue Folge 15 (1963), S. 12–21, hier S. 15f.; Klaus Macharzina: Un- ternehmensführung. Das internationale Managementwissen. Konzepte – Methoden – Praxis, 3., aktua- lisierte und erweiterte Auflage, Wiesbaden: Gabler 1999, S. 169–173. 52 Ähnlich Helmut Hiller: Der Verlagsbuchhandel, in: ders./Wolfgang Strauß (Hrsg.): Der deutsche Buch- handel. Wesen – Gestalt – Aufgabe, Gütersloh: Bertelsmann 1961, S. 52–161, hier S. 64f. 53 Hierzu Hans Jaeger: Unternehmer, in: Geschichtliche Grundbegriffe. Historisches Lexikon zur poli- tisch-sozialen Sprache in Deutschland, Band 6, hrsg. von Otto Brunner, Werner Conze und Reinhart Kosselleck, Stuttgart: Klett-Cotta 1990, S. 707–732; Joseph Alois Schumpeter: Unternehmer, in: Handwörterbuch der Staatswissenschaften, 8. Band, hrsg. von Ludwig Elster, Adolf Weber und Fried- rich Wieser, 4. Auflage, Jena: Gustav Fischer 1928, S. 476–487. 54 Hierzu Herbert G. Göpfert: Verlagsbuchhandel, in: Reallexikon der deutschen Literaturgeschichte, 2. Auflage, Band 4, hrsg. von Klaus Kanzog und Achim Masser, Berlin/New York: de Gruyter 1984, S. 650–677; Friederike Kästing: Verlagsbetriebe, in: Handwörterbuch der Betriebswirtschaft, 4., völlig neu gestaltete Auflage, hrsg. von Erwin Grochla und Waldemar Wittmann, Stuttgart: Poeschel 1976, Sp. 4181–4187; Helmut Bücking: Verlag, Verlagsbuchhandel und Unternehmer, Leipzig: Bibliographi- sches Institut 1931. Problemstellung und Vorgehensweise 19 nächst Aspekte der wirtschaftlichen, gesellschaftlichen und branchenspezifischen Entwick- lung aufeinander bezogen, um Ursachen und Wirkungen des Strukturwandels für den Buchmarkt sichtbar zu machen. Wenngleich sich der Fokus der vorliegenden Arbeit auf den Verleger als handelnden Akteur und auf sein Verlagsunternehmen richtet, so kommt eine umfassende Analyse der Marktgegebenheiten dennoch nicht umhin, die Bedürfnisse und Lebensbedingungen der Autoren zu beleuchten, die auf ihrem Weg zum Berufs- schriftsteller einen beachtlichen Rollenwandel und einen nicht minder erheblichen Wandel ihres eigenen beruflichen Selbstverständnisses zu durchlaufen hatten. Das ist umso wichtiger, als die Autoren mit dem ihnen eigenen Rollenverständnis als direkter Gegenpart des Verlegers auch im folgenden Text immer wieder in Erscheinung treten. Verweist hier die Überschrift „Dichter, Schriftsteller, Autoren“ auf verschiedene Rollenbilder und Rol- lenmuster, so tritt auch der Leser dem Verleger in unterschiedlichen Funktionen, allerdings in weniger konkreter und personalisierter Weise, als Marktfaktor gegenüber. Ob Literatur- käufer oder Literaturleser – allein diese begriffliche Gegenüberstellung vermittelt eine Idee von den enormen Schwierigkeiten, denen sich Verleger bei der näherungsweisen Bestim- mung ihrer Leserschaft ausgesetzt sahen. Der wesentliche Zweck dieses Abschnittes be- steht folglich zunächst in einer Analyse der relevanten Bevölkerungsschichtung; er zeigt die Möglichkeiten und Grenzen der Rezeption auf und stellt deren wesentliche Formen dar. Mit unmittelbaren Einflüssen des strukturellen Wandels auf das hier betrachtete Markt- segment beschäftigt sich das folgende Unterkapitel. Es stellt ausgewählte Universalverlage des 19. Jahrhunderts vor und zeichnet deren abnehmende Bedeutung als Vermittler zeit- genössischer deutschsprachiger Literatur nach. Eine Analyse des entsprechenden Um- wälzungsprozesses auf dem Buchmarkt wäre indes speziell für die Jahre 1890 bis 1914 ohne die neuen Pressekonzerne schlichtweg unvollständig, die aufgrund ihrer Marktmacht und Kapitalkraft durchaus auch Interesse an Autoren des modernen anspruchsvollen Genres zeigen konnten. Angesichts der vergleichsweise klaren Abgrenzbarkeit jener Verlegergeneration interes- sieren darüber hinaus zu Beginn des mit „Verleger, Persönlichkeit und Unternehmen“ über- schriebenen Hauptkapitels die Gemeinsamkeiten und Unterschiede hinsichtlich der biogra- phischen bzw. soziokulturellen Merkmale dieser Verlegergruppe, darunter Herkunft, Aus- bildung, Konnubium, Lebensstil oder berufsständisches Engagement, um speziell Auf- schluss über typische Karrieremuster und Informationen über den Grad der Homogenität innerhalb dieser Gruppe von Unternehmern zu erhalten. Bei einer daran anschließenden Detailbetrachtung des Marktes für zeitgenössische deutschsprachige Literatur selbst muss es zunächst darum gehen, den Stellenwert dieses Marktsegments innerhalb der einzelnen Verlage in Einzelbetrachtungen zu verorten und neben Autoren-, Richtungs- und Gattungs- präferenzen auch die Programmstruktur und die Geschäftsfelder der einzelnen Verlags- unternehmen darzulegen, da sich hier Spielräume zur Angebotsdiversifizierung und damit auch Optionen zur Querfinanzierung erschließen können. Die Rubrik Führungsverhalten, verlegerisches Selbstverständnis und Unternehmenskultur fällt demgegenüber bereits in das Folgekapitel, welches sich mit Aspekten der Unternehmensführung in kaufmännischer Hinsicht beschäftigt und dabei nicht nur Fragen nach Beschäftigtenzahlen und Beschäftig- tenstruktur, Geschäftsausstattung, Kapitalaufbringung und Verlagskalkulation aufwirft, sondern auch versucht, die finanziellen Spielräume und den Unternehmenserfolg auszu- loten, der sich nicht nur direkt in den Ergebnissen der Jahresabschlüsse widerspiegelt, son- 20 Einführung dern indirekt auch teilweise aus den Vermögensverhältnissen und Lebensgewohnheiten der Verleger abgeleitet werden kann. Aufschluss über das unternehmerisch-innovatorische Potenzial ergibt sich mit Blick auf ausgewählte Handlungsoptionen im Bereich des Büh- nenvertriebs, des Umgangs mit der bereits in ersten Ansätzen erkennbaren Frage der Ver- filmung literarischer Werke und der Reihenbildung. Letztere Verwertungsmöglichkeiten sollen als Indikatoren dienen, ob, inwieweit und aus welchen Gründen die hier betrachteten Unternehmer Marktchancen ergriffen und in welcher Form sie aktiv ihren Wirkungskreis gestalteten. In diesem Sinne wäre die „Antwort des alten Mediums auf die am Horizont erscheinenden neuen Medien [...] in einer kritischen Verlagsgeschichte des 20. Jahrhun- derts zu erweisen.“ 55 Jene Analyse, die den Blick auf das Gesamtunternehmen und die strategischen wie kon- zeptionellen Erwägungen der Verlagsunternehmer richtet, verengt unter dem Aspekt „Ver- leger und Autor“ die Perspektive auf die Handlungsoptionen, die sich den Verlegern im Umgang mit ihren zeitgenössischen Autoren boten. Als zentrales Handlungsfeld wird hier zunächst die Frage des Autorenhonorars analysiert, die um Themenkreise wie die Frage der Druckkostenzuschüsse oder des Honorarverzichts der Autoren bzw. weitere unterhalts- sichernde Vereinbarungen erweitert ist. Daran anschließend werden die verschiedenen Maßnahmen der Autorenpflege und -bindung ausgeführt, die von Alltagskontakten und privater wie geschäftlicher Autorenberatung über Verlagswerbung, Absatzförderung und Darlehensgewährung bis hin zur mäzenatischen Förderung und der Unterstützung der Reiseschriftstellerei reichen. Den gerade im hier betrachteten Marktsegment nach wie vor essenziellen Beziehungen zwischen Autor und Verleger widmen sich schließlich einige Fallstudien, die signifikante und in der Forschung bislang kaum ausgewertete Verlags- beziehungen analysieren und dabei verschiedene typische Verlaufsmuster ebenso heraus- arbeiten sollen wie typische Konfliktbereiche und spezifische Bedürfnisse der Beteiligten. Die Fallstudien fußen dabei schwerpunktmäßig auf unveröffentlichten Dokumenten zu Josef Ruederer, Max Halbe, Max Dauthendey, Richard Dehmel und Ricarda Huch sowie ihren jeweiligen Verlegern. Insgesamt soll so neben den Merkmalen und Erfolgsfaktoren der neuen Verlags- und Verlegergeneration auch ein differenziertes Bild der Kräfte- und Chancenverteilung auf dem Markt gezeichnet werden, auf dem diese Verleger als Medien- unternehmer agierten.

2. Forschungsstand und Quellenlage

Dass das Bild des Medienunternehmers in jüngerer Zeit neue und sehr vielfältige Züge gewonnen hat, lässt sich deutlich aus den einzelnen Beiträgen eines Tagungsbandes ablei- ten, den Günther Schulz 1999 unter dem Titel Geschäft mit Wort und Meinung. Medien-

55 Helmut Schanze: S. Fischer: Verlagsgeschichte als Kulturgeschichte, in: Neue Rundschau 97 (1986), S. 187–202, hier S. 189. Auf die Ausweitung der Fragestellung auf Übersetzungsrechte, Zeitschriftenvor- abdrucke oder die besonders signifikante Rolle der Buchkunst wurde verzichtet, da dies entweder den Rahmen des deutschsprachigen Marktsegments gesprengt oder die Thematik mit Blick auf den Zei- tungs- und Zeitschriftenmarkt bzw. kunsthistorische Aspekte zu stark erweitert hätte. Sofern die Ver- lage selbst hauseigene Zeitschriften im Programm führten, ist dies bei der Analyse der Programm- struktur bzw. Geschäftsfelder an entsprechender Stelle vermerkt.