200 Jahre Gemeindeorganisation in

Almanach zum Vorarlberger Gemeindejahr 2008 200 Jahre Gemeindeorganisation ISBN 978-3-902622-10-5

© Vorarlberger Landesarchiv, 2009 Grafische Gestaltung: Martin Caldonazzi I Atelier für Grafik Design, www.caldonazzi.at Druck: VVA Vorarlberger Verlagsanstalt,

Vorarlberger Landesarchiv Kirchstraße 28, 6900 Bregenz, Österreich www.landesarchiv.at 200 Jahre Gemeindeorganisation

Almanach zum Vorarlberger Gemeindejahr 2008

herausgegeben von Ulrich Nachbaur und Alois Niederstätter

im Auftrag der Vorarlberger Landesregierung

Bregenz 2009 Inhalt

Vorwort Ein selbständiges Land mit autonomen Gemeinden Herbert Sausgruber und Wilfried Berchtold 7 Festveranstaltung der Landesregierung und des Landtages am 90. Jahrestag der Selbständigkeits- erklärung des Landes Vorarlberg am Der Projektverbund „200 Jahre 3. November 2008 in Bregenz 73 Gemeindeorganisation“ - Gabriele Nußbaumer, „Das Land gliedert sich in Ulrich Nachbaur und Alois Niederstätter 9 Gemeinden“ 75 - Ulrich Nachbaur, Am 3. November 1918 – Zur Selbständigkeitserklärung des Landes Vorarlberg 77 Festveranstaltungen des Landes Vorarlberg - Jürgen Weiss, Das Land als verlässlicher Partner 87 und des Vorarlberger Gemeindeverbandes - Gerold Amann, Anregungen zur politischen Teilhabe in Vorarlberg seit 1945 – Ein Projekt im 200 Jahre Gemeindeorganisation in Vorarlberg Rahmen des Wahlpflichtfaches „Geschichte und 1808 bis 2008 Politische Bildung“ am Gymnasium Bregenz Festakt des Landes Vorarlberg und des Vorarlberger Blumenstraße 91 Gemeindeverbandes am 6. Juni 2008 in Götzis 15 - Kompositionsauftrag des Landes Vorarlberg an - Wilfried Berchtold, 60 Jahre Vorarlberger Gemeinde- Thomas Thurnher 95 verband – 200 Jahre Gemeindeorganisation 17 - Ulrich Nachbaur, Von den Ständen zu den Gemeinden 19 - Georg Fahrenschon, Bayern und Vorarlberg – Vorträge und Beiträge Freundschaft mit Tradition 25 - Herbert Sausgruber, Gemeinden mit Zukunft 29 - Peter Bußjäger, Was ist der Stand Montafon? – Wissenswertes zur Vergangenheit und Zukunft Der Vorarlberger Landtag und die Gemeinden eines eigentümlichen Gebildes 97 Symposium des Vorarlberger Landtages - Thomas Gamon, 200 Jahre Gemeindeorganisation am 22. Oktober 2008 in Bregenz 33 in – Wie funktioniert unser Gemeinwesen? 111 - Gabriele Nußbaumer, In bewährter Partnerschaft 35 - Alois Niederstätter, „Die bayerische Knechtschaft“ – - Wilfried Berchtold, Gemeinden sind bürgernah 37 Vorarlberg in den Jahren 1805 bis 1814 113 - Peter Bußjäger, Der Vorarlberger Landtag und die - Christoph Volaucnik, Feldkirch zur Bayernzeit 123 Gemeinden im Spiegel der Landtagsdebatten 39 - Alois Niederstätter, Von Dorfvögten und - Karl Weber, Die verfassungsrechtliche Position der Bannwarten – Die Entwicklung kommunaler Gemeinden in Vorarlberg – Bestandsaufnahme Strukturen in Vorarlberg seit dem Mittelalter 157 und Ausblick 49 - Jürgen Weiss, Regionale Zusammenarbeit der - Elmar Häusler, Bemerkungen zur Entwicklung des Ge- Vorarlberger Gemeinden 165 meindewahlrechts in Vorarlberg von 1864 bis 2008 57

Seite 4 - Gerald Mathis, Interkommunale Zusammenarbeit. - Mathias Moosbrugger, Jenseits von Bauernre- Neue Ansätze und Herausforderungen 169 publik und Bezegg – Neue Perspektiven auf die - Bertram Meusburger, Sozialkapital und Geschichte der Gerichtsgemeinde im Hinteren Nachhaltigkeit 183 Bregenzerwald 339 - Alois Niederstätter, Die kirchliche - Petra Walser, HeimatGemeinde 357 Matrikenführung bis 1939 185 - Birgit Ortner, Gemeinde – Ein Querschnitt - Josef Seidl, Der österreichische Standesbeamte aus 200 Jahren Gemeindegeschichte 359 – gestern und heute 193 - Alois Niederstätter, Die Bayernzeit in der - Ulrich Nachbaur, 96 Gemeindewappen Vorarlberger Historiografie 361 – Einführung in die Ausstellung „96 Gemeinde- - Ulrich Nachbaur, Vorarlberger Gemeinden wappen – Hoheitszeichen und Bürgerstolz“ 197 1849 bis 2008 – Eine Bestandsaufnahme 367 - Wappen der Vorarlberger Gemeinden 205 - Ulrich Nachbaur, Auswirkungen der bayerischen - Christoph Volaucnik, Feldkirch 1925 – Reformen von 1806 bis 1814 auf die Vorarlberger Der lange Weg zur Vereinigung von Feldkirch Verwaltungsstrukturen 371 mit Altenstadt, Tosters und Tisis 219 - Ulrich Nachbaur, „Marktgemeinde “ – Zum Werden und Wesen von „Marktgemeinden“ Fotonachweis 446 in Vorarlberg 259 - Michael Kasper, Die Herren im Tal – Die Monta- Orts- und Personenregister 447 foner Oberschicht zwischen 1780 und 1830 271 - Manfred Tschaikner, Herrschaft, Gericht, Steuer- genossenschaft, Kirchspiel und Gemeinde. Zur Verwaltungsgeschichte des Großraums in der Frühen Neuzeit 281 - Ulrich Nachbaur, Zur Entstehung der Montafoner Gemeindewappen 1927 bis 1967 301 - Andreas Rudigier, Die „Heimatkunst“ Konrad Honolds in Bezug auf die Montafoner Gemeindewappen 313 - Thomas Klagian, Das Gebiet der Stadt Bregenz im Wandel der Zeiten – Von den Marken des städtischen Gerichts zu den Grenzen der Gemeinde 321 - Hans Matschek, Das Sippenbuch von Schröcken 333

Seite 5 Seite 6 Demokratisches Fundament unseres Landes

2008 feierte Bayern sein 200-jähriges Verfassungsjubilä- tungen aus verschiedenen Perspektiven auszuleuchten. um. Vorarlberg gehörte zwar nur acht Jahre lang zum König- Das Vorarlberger Landesarchiv hat es übernommen, die reich Bayern, die Reformen wirken aber bis ind die Gegen- Veranstaltungen und Ergebnisse dieses „Gemeindejahres“ wart nach. in einem Almanach zu dokumentieren. Wir sind zuversicht- lich, dass diese Publikation Anklang finden und Interesse Mit der neuen Verwaltung erhielt Vorarlberg seine heutige wecken wird. Struktur. Die Bezirks- und Gemeindegrenzen wurden neu gezogen. Ein Großteil unserer Gemeinden geht auf die baye- Allen Projektpartnern und allen Autorinnen und Autoren sa- rische Gemeindereform von 1808 zurück. In einem lockeren gen wir ein herzliches Dankeschön! Projektverbund fanden sich 23 Partner zusammen, um das Thema „200 Jahre Gemeindeorganisation in Vorarlberg Für König Max Joseph waren die Gemeinden 1808 die un- 1808 bis 2008“ mit Ausstellungen, Vorträgen, Tagungen, terste Ebene einer Staatsverwaltung. Für uns sind sie das Filmen, Lesungen, Schülerprojekten und Festveranstal- demokratische Fundament unseres Landes.

Landeshauptmann Bürgermeister Mag. Wilfried Berchtold, Dr. Herbert Sausgruber Präsident des Vorarlberger Gemeindeverbandes

Seite 7 Seite 8 Der Projektverbund „200 Jahre Gemeindeorganisation“

Ulrich Nachbaur und Alois Niederstätter

1808 gab König Maximilian I. im Rahmen einer großen Website www.vorarlberg.at/2008 Staatsreform den Auftrag zur flächendeckenden Bildung Dr. Ulrich Nachbaur, Vorarlberger Landesarchiv politischer Ortsgemeinden im gesamten Königreich Bayern, zu dem Vorarlberg damals gehörte. Dieses Edikt war der Veranstaltungskalender Ausgangspunkt für eine Gemeindeorganisation, die Vorarl- 200 Jahre Gemeindeorganisation in Vorarlberg 1808-2008. berg in seinen Grundstrukturen bis heute prägt. Veranstaltungskalender, red. von Ulrich Nachbaur. Bregenz: Vorarlberger Landesarchiv, 2008, 60 Seiten 2007 schlug der Vorarlberger Gemeindeverband vor, das 200-Jahr-Jubiläum für einen Rückblick und Ausblick zu nüt- Veranstaltungen zen. Das Vorarlberger Landesarchiv übernahm die Koordi- nation einer historischen Veranstaltungsreihe und redigier- Was ist der Stand Montafon? – te einen Veranstaltungskalender sowie eine Website. Für Wissenswertes zur Vergangenheit und Zukunft eines den „Ausblick“ war der Gemeindeverband zuständig. Das eigentümlichen Gebildes Veranstaltungsmanagement der Landesregierung und die Vortrag von Univ.-Doz. Dr. Peter Bußjäger; Montafoner Mu- Landtagsdirektion organisierten die „offiziellen“ Veranstal- seen; 8. Mai 2008, 19:30 Uhr, , Gemeindeamt. tungen. 200 Jahre Gemeindeverwaltung – Es gelang, insgesamt 23 Partner in einem Projektverbund Interessantes aus dem Gemeindearchiv „200 Jahre Gemeindeorganisation“ zu bündeln, die das Ausstellungseröffnung mit Filmpräsentation „Der Mensch Thema „Gemeinde“ 2008 mit über 40 Veranstaltungen und im Mittelpunkt des Netzwerks Gemeinde“ von Primus Hu- Projekten in verschiedenster Art behandelten. Allen, die ber, Michael Mäser und Thomas Gamon; Marktgemeinde zum Erfolg beitrugen, sei herzlich gedankt! Nenzing; Nenzing, Ramschwagsaal, 8. Mai 2008.

Dieser Dank gilt speziell auch den Autorinnen und Autoren, 200 Jahre Gemeindeverwaltung – die bereit waren, ihre Vorträge und Beiträge zur Verfügung Interessantes aus dem Gemeindearchiv stellten, um die Ergebnisse dieses Vorarlberger Gemeinde- Ausstellung; Kulturreferat und Archiv der Marktgemeinde jahres in einem Almanach zu dokumentieren. Aus Sicht der Nenzing; Kurator: Gemeindearchivar Thomas Gamon; mit Geschichtswissenschaft können wir jedenfalls das Resü- Dokumentarfilmen von Thomas Gamon und Primus Huber; mee ziehen, dass wir der Auseinandersetzung mit diesem Nenzing, Wolfhaus, 8. Mai bis 15. Juni 2008. Thema zahlreiche neue Erkenntnisse verdanken, die zum Teil freilich nicht minder spannende neue Fragen aufwerfen. „Die bayerische Knechtschaft“ – Vorarlberg in den Jahren 1805 bis 1814 Projektorganisation Vortrag von Univ.-Prof. Dr. Alois Niederstätter, Vorarlberger Landesarchiv; Kulturreferat und Archiv der Marktgemeinde Koordinationsteam: Nenzing; Nenzing, Wolfhaus, 14. Mai 2008. Dr. Ulrich Nachbaur, Vorarlberger Landesarchiv Kuno Bachstein, Amt der Vorarlberger Landesregierung, Königlich bayerische Stadt Feldkirch Abt. Regierungsdienste (PrsR), Veranstaltungsmanagement Vortrag von Stadtarchivar Mag. Christoph Volaucnik; Stadt- Dr. Otmar Müller, Vorarlberger Gemeindeverband archiv Feldkirch; Feldkirch, Palais Liechtenstein, 16. Mai 2008.

Seite 9 Kindergarten früher – heute – Tag der offenen Tür der Marktgemeinde Nenzing – 50 Jahre Kindergarten Nenzing Wie funktioniert unser Gemeinwesen? Erzählabend mit „Tante Lore“ (Eleonore Bunschi) und der Marktgemeinde Nenzing; Nenzing, in allen Gemeinde- Kindergarteninspektorin Margot Thoma, Moderation Ge- einrichtungen, 31. Mai 2008. meindearchivar Thomas Gamon; Kulturreferat und Archiv der Marktgemeinde Nenzing; Nenzing, Wolfhaus, 18. Mai „Kinder in die Mitte“ – 2008. Gemeindevernetzungstreffen Amt der Vorarlberger Landesregierung, Abt. Gesellschaft „Das Nenzinger Dorfbuch“ und Soziales (IVa), „Kinder in die Mitte – Miteinander der Film von Volksschullehrer Josef Köppl 1941; Einleitung von Generationen“; , 2. Juni 2008. Gemeindearchivar Thomas Gamon; Kulturreferat und Archiv der Marktgemeinde Nenzing; Nenzing, Wolfhaus, 24. Mai Nebeneinander oder Miteinander? – 2008. Die „Parallelgesellschaft“ der politischen Christen- und Judengemeinde in Von Dorfvögten und Bannwarten – Vortrag von Dr. Harald Walser; Jüdisches Museum Ho- Die Entwicklung kommunaler Strukturen in Vorarlberg henems; Hohenems, Jüdisches Museum, 5. Juni 2008. seit dem Mittelalter Vortrag von Univ.-Prof. Dr. Alois Niederstätter, Vorarlberger 200 Jahre Gemeindeorganisation in Vorarlberg Landesarchiv; Marktgemeinde Rankweil; Rankweil, Rat- 1808 bis 2008 haus, 26. Mai 2008. Festakt; Vorarlberger Landesregierung und Vorarlber- ger Gemeindeverband mit Begrüßung durch Gemeinde- 7. Rheintalkonferenz – verbandspräsident Mag. Wilfried Berchtold und Vorträgen Land und Gemeinden an einem Tisch von Dr. Ulrich Nachbaur, Vorarlberger Landesarchiv: Von Vision Rheintal; Höchst, Pfarrsaal, 27. Mai 2008. den Ständen zu den Gemeinden, Staatssekretär Diplom- Ökonom Georg Fahrenschon: Bayern und Vorarlberg – „Die bayerische Knechtschaft“ – Freundschaft mit Tradition, Landeshauptmann Dr. Herbert Vorarlberg in den Jahren 1805 bis 1814 Sausgruber: Gemeinden mit Zukunft; Götzis, Kulturbühne Vortrag von Univ.-Prof. Dr. Alois Niederstätter, Vorarlberger AMBACH, 6. Juni 2008. Landesarchiv; Montafoner Museen; , Montafoner Heimatmuseum, 28. Mai 2008. Die Zukunft der Regionalplanungsgemeinschaften – Chancen, Perspektiven und Herausforderungen „Kinder in die Mitte“ – Studienreise nach Berlin Vortrags- und Diskussionsveranstaltungen; Verwaltungs- Amt der Vorarlberger Landesregierung, Abt. Gesellschaft akademie Vorarlberg, Schloss Hofen mit Referaten Bun- und Soziales (IVa), „Kinder in die Mitte – Miteinander der desratsvizepräsident Bundesminister a. D. Jürgen Weiss: Generationen“; Berlin, 29. bis 31. Mai 2008. Regionale Zusammenarbeit der Vorarlberger Gemeinden, DI Dr. Gerald Mathis, Institut für Standort-, Regional- und 25 Jahre „Stadt Hohenems“ – Fest am Schlossplatz Kommunalentwicklung, Dornbirn: Interkommunale Zusam- Volksfest; Stadt Hohenems; Hohenems, Schlossplatz, 30. menarbeit – Neue Ansätze und Herausforderungen, Mag. Mai bis 1. Juni 2008. Bertram Meusburger, Amt der Vorarlberger Landesregie-

Seite 10 rung, Büro für Zukunftsfragen: Bürgeschaftliches Engage- Feldkirch 1925 – ment, Sozialkapital und Nachhaltigkeit – Erfahrungsbe- Die Entstehung von Großfeldkirch richte aus Sicht des Landes Vorarlberg; offene Diskussion Vortrag von Stadtarchivar Mag. Christoph Volaucnik; Stadt- mit Bürgermeister Erwin Mohr, Vizepräsident des Vorarlber- archiv Feldkirch; Feldkirch, Palais Liechtenstein, 20. Juni ger Gemeindeverbandes und den Referenten; Moderation 2008. Dr. Otmar Müller, Vorarlberger Gemeindeverband; , Schloss Hofen, 11. Juni 2008. „Marktgemeinde Rankweil“ – Zum Werden und Wesen von „Marktgemeinden“ in Vorarlberg Von der Wiege bis zur Bahre – Vortrag von Dr. Ulrich Nachbaur, Vorarlberger Landesar- Personenstandsführung in alter und neuer Zeit chiv; Marktgemeinde Rankweil; Rankweil, Rathaus, 23. Juni 18. Vorarlberger Archivtag und Fachtagung für Standes- 2008. beamte; Vorarlberger Landesarchiv und Fachverband der österreichischen Standesbeamten, Landesgruppe Vor- Die Herren im Tal – Montafoner Eliten um 1800 arlberg mit Vorträgen von Univ.-Prof. Dr. Alois Niederstätter: Ausstellungseröffnung mit Einführungsvortrag von Mag. Mi- Die kirchliche Matrikenführung bis 1939, Josef Seidl: Der chael Kasper; Gaschurn, Tourismusmuseum, 24. Juni 2008. österreichische Standesbeamte – gestern und heute; Bre- genz, Landesarchiv, 16. Juni 2008. Die Herren im Tal – Montafoner Eliten um 1800 Ausstellung; Montafoner Museen; Kurator: Mag. Michael 96 Gemeindewappen – Kasper; Gaschurn, Tourismusmuseum, 24. Juni bis 26. Ok- Hoheitszeichen und Bürgerstolz tober 2008. Ausstellungseröffnung durch Landeshauptmann Dr. Her- bert Sausgruber mit Einführungsvortrag von Dr. Ulrich Orts- und Stadtmarketing – Neue Instrumente einer ge- Nachbaur, Vorarlberger Landesarchiv; Bregenz, Landhaus zielten und nachhaltigen Gemeinde- und Stadtentwicklung (Montfortsaal), 16. Juni bis 4. Juli 2008. Vortrag von Mag. (FH) Oskar Januschke, Stadtmarketing Lienz; Verwaltungsakademie Vorarlberg, Schloss Hofen; 96 Gemeindewappen – Lochau, Schloss Hofen, 10. September 2008. Hoheitszeichen und Bürgerstolz Ausstellung; Vorarlberger Landesarchiv; Kurator: Dr. Ulrich Vom Reichshof zum Patrimonialgericht – unter Nachbaur; Bregenz, Landhaus (Eingangshalle), 16. Juni bis bayerischer Herrschaft 4. Juli 2008. Vortrag von Gemeindearchivar Dr. Wolfgang Scheffknecht; Historisches Archiv der Marktgemeinde Lustenau; Luste- Starke Bürgergemeinschaft rettet das Dorf! nau, Kleiner Reichshofsaal, 24. September 2008. Exkursion des Landesnetzwerks „Bürgerschaftliches Enga- gement“ nach Rettenbach am Auerberg (Ostallgäu); Amt Frühneuzeitliche Gemeindestrukturen im Raum Bludenz der Vorarlberger Landesregierung, Büro für Zukunftsfragen; Vortrag von Univ.-Doz. Dr. Manfred Tschaikner, Vorarlberger Rettenbach, 17. Juni 2008. Landesarchiv; Montafoner Museen und Geschichtsverein Region Bludenz; , Davennasaal, 30. September 2008.

Seite 11 Hintergründiges aus Gemeindestuben – Der Amtsschim- Gemeinden bewegen – mel wiehert nicht nur, er zieht auch den Karren 3. Vorarlberger BewegungsFestSpiele Humoristisch-unterhaltsamer Abend; Fachverband der lei- Danke-Veranstaltung für alle Gemeindevertreterinnen und tenden Gemeindeangestellten Österreich, Landesgruppe –vertreter; Amt der Vorarlberger Landesregierung, Abt. Re- Vorarlberg mit Beiträgen von Altgemeindesekretär Adolf gierungsdienste (PrsR), Veranstaltungsmanagement; Bre- Vallaster, Mäder, Bürger und Stickermeister Otto Hofer, genz, Festspielhaus, 19. Oktober 2008. Lustenau, Altbürgermeister Harald Ludescher, Frastanz; Feldkirch, Schattenburg, 10. Oktober 2008. 25 Jahre Stadt Hohenems in Bildern Ausstellungseröffnung mit Kurzvortrag von PD Dr. Wolfgang „Kinder in die Mitte“ – Gemeindevernetzungstreffen Weber, Vorarlberger Landesarchiv; Stadt Hohenems; Ho- Amt der Vorarlberger Landesregierung, Abt. Gesellschaft henems, at&co regionales zentrum ems, 11. September und Soziales (IVa), „Kinder in die Mitte – Miteinander der 2008. Generationen“; Bludenz, 13. Oktober 2008. 25 Jahre Stadt Hohenems in Bildern Jeder Gemeinde ein Wappen – Konrad Honold und die Fotoausstellung; Stadt Hohenems; Hohenems, at&co regio- Montafoner Gemeindewappen nales zentrum ems, 11. bis 29. September 2008. Vorträge von Dr. Ulrich Nachbaur, Vorarlberger Landesar- chiv: „Soll diese Symbolhäufung Montafoner Gepflogenheit Der Vorarlberger Landtag und die Gemeinden werden? Zur Entstehung der Montafoner Gemeindewappen, Symposium; Vorarlberger Landtag; mit Vorträgen von und MMag. Dr. Andreas Rudigier, Montafoner Museen: Die Landtagsdirektor Univ.-Doz. Dr. Peter Bußjäger: Der Land- „Heimatkunst“ Konrad Honolds in Bezug auf die Montafo- tag und die Gemeinden im Spiegel der Landtagsdebatten, ner Gemeindewappen; Montafoner Museen; , Univ.-Prof. Dr. Karl Weber, Universität Innsbruck: Die ver- Altes Gemeindeamt (Wintersportsammlung), 14. Oktober fassungsrechtliche Position der Gemeinden in Vorarlberg. 2008. Bestandsaufnahme und Ausblick, und Dr. Elmar Häusler, Bemerkungen zur Entwicklung des Gemeindewahlrechts in Das Gebiet der Stadt Bregenz im Wandel der Zeiten – Von Vorarlberg; Bregenz, Landhaus, 22. Oktober 2008. den Marken des städtischen Gerichts zu den Grenzen der Gemeinde Ein selbständiges Land mit autonomen Gemeinden Ausstellung; Archiv der Landeshauptstadt Bregenz; Kura- Festveranstaltung am 90. Jahrestag der Selbständigkeits- tor: Stadtarchivar Mag. Thomas Klagian; Bregenz, Magazin erklärung des Landes Vorarlberg; Vorarlberger Landtag und 4, 16. Oktober bis 7. November 2008. Vorarlberger Landesregierung; mit Vorträgen von Dr. Ulrich Nachbaur, Vorarlberger Landesarchiv: Am 3. November Ein Sippenbuch für Schröcken 1918, Bundesratspräsident Bundesminister a. D. Jürgen Werkstattbericht und Buchpräsentation von Mag. Hans Weiss: Das Land als verlässlicher Partner, und Präsentati- Matschek; Vorarlberger Landesarchiv; Bregenz, Landesar- on des Projektes „Anregungen zur politischen Teilhabe in chiv, 17. Oktober 2008. Vorarlberg seit 1945“, Bundesgymnasium Bregenz-Blumen- straße, durch Serpil Polat, Simon Dörler und Max Feuer- stein; Bregenz, Landhaus, 3. November 2008.

Seite 12 Der Hintere Bregenzerwald als Gerichtsgemeinde und Projekt Stand – Politische Organisation in vormoderner Zeit Vortrag von Mag. Mathias Moosbrugger; Volkshochschule Anregungen zur politischen Teilhabe in Bregenzerwald-Egg; Egg, Gymnasium, 7. November 2008. Vorarlberg seit 1945 Projekt im Rahmen des Wahlpflichtfaches „Geschichte und 7. Landesfachtagung des FLGÖ Vorarlberg Politische Bildung“; Bundesgymnasium Bregenz-Blumen- Fachtagung des Fachverbandes der leitenden Gemeinde- straße; Projektverantwortlicher: Prof. Dr. Gerold Amann; angestellten Österreich, Landesgruppe Vorarlberg; mit Projektgruppe: Simon Dörler, Max Feuerstein, Kristina Gan- Beiträgen von Landeshauptmann Dr. Herbert Sausgruber: ner, Laura Häusler, Stefan Jungblut, Peter Kiraly, Julia Mo- Zusammenarbeit zwischen Land und Gemeinden, Bürger- ritsch, Stefan Niederer, Serpil Polat, Arnold Trojer, Leandros meister Mag. Wilfried Berchtold, Präsident des Vorarlberger Tsohataridis, David Uecker; in Kooperation mit der Volks- Gmeindeverbandes: Wissenswertes aus dem Vorarlberger hochschule Bregenz und der Gesellschaft für Politische Bil- Gemeindeverband, DGKS Rosemarie Wilfling, connexia dung – Pflege und Gesundheits GmbH: Entwicklungen in der stationären Langzeitpflege – Aktuelles zum Thema Pfle- ge, DKfm. Robert Kroha, Rinke Unternehmensberatungs GmbH: Konzeption des Feuerwehrwesens – Am Beispiel des Projekts „Feuerwehr 2020“ der Stadt Feldkirch, Fer- dinand Gabriel, Gemeindeinformatik GmbH: Dokumenten- managementsystem (DMS) – Ein Projekt der Gemeinde- informatik – aktueller Stand, Mag. Wolfgang Figl, Bank : Aktuelle Finanzmarktsituation – Auswirkungen auf die Gemeinden; Schwarzach, Hofsteigersaal, 13. November 2008

Gemeinde Lech 1808 bis 2008 Ausstellungseröffnung; Gemeinde Lech; Lech, Museum Huberhus, 28. November 2008, mit Vortrag von Dr. Petra Walser.

Gemeinde Lech 1808 bis 2008 Sonderausstellung; Gemeinde Lech; Kuratorinnen: Dr. Pe- tra Walser und Mag. Birgit Ortner; Lech, Museum Huberhus, 28. November 2008 bis 26. April 2009

Seite 13 Seite 14 200 Jahre Gemeindeorganisation in Vorarlberg 1808 bis 2008

Festakt des Landes Vorarlberg und des Vorarlberger Gemeindeverbandes Götzis, Kulturbühne AMBACH, 6. Juni 2008

„Jetzt geht’s los!“ Franz Lehár (1870 bis 1948), Marsch Jugendsinfonieorchester Mittleres Rheintal (Leitung: Mag. Markus Pferscher)

60 Jahre Vorarlberger Gemeindeverband – 200 Jahre Gemeindeorganisation Bürgermeister Mag. Wilfried Berchtold, Präsident des Vorarlberger Gemeindeverbandes

Von den Ständen zu den Gemeinden Dr. Ulrich Nachbaur, Vorarlberger Landesarchiv

„Herrreinspaziert!“ Carl Michael Ziehrer (1843 bis 1922), Walzer aus der Operette „Der Schätzmeister“ 1904, op. 518 Jugendsinfonieorchester Mittleres Rheintal (Leitung: Mag. Markus Pferscher)

Bayern und Vorarlberg – Freundschaft mit Tradition Staatssekretär Dipl.-Ökonom Georg Fahrenschon, Bayerisches Staatsministerium der Finanzen

Gemeinden mit Zukunft Landeshauptmann Dr. Herbert Sausgruber

Überreichung des „Jugend-Bravo“ an das Jugendsinfonieorchester Mittleres Rheintal

„’s Ländle meine Heimat“ Landeshymne (1949), Text und Musik: Anton Schmutzer 1905/07

Empfang

Seite 15 Seite 16 Festakt „200 Jahre Gemeindeorganisation in Vorarlberg 1808 bis 2008“ Götzis, Kulturbühne AMBACH, 6. Juni 2008 Wilfried Berchtold (geb. 1954 in Feldkirch), Mag. rer. soc. oec., seit 1991 Bürgermeister der Stadt Feldkirch und seit 1995 Präsident des Vorarlberger Gemeindeverbandes (Österreichische Volkspartei)

60 Jahre Vorarlberger Gemeindeverband – 200 Jahre Gemeindeorganisation Wilfried Berchtold

Vor 200 Jahren wurde eine neue Gemeindeordnung er- bzw. der Verbleib bis zum Jahre 1814. In diesem Jahr kam lassen, die heute – im Zusammenhang mit einer ganzen Vorarlberg mit Ausnahme einiger Gemeinden des Westall- Reihe von weiteren Veranstaltungen – der Anlass zu die- gäus zurück zum Hause Habsburg. Geblieben aus dieser Zeit ser Ausstellung ist. Der Schwerpunkt der Ausstellung liegt ist aber, was weniger bekannt ist, die bayerische Gemein- jedoch nicht bei dieser Gemeindeordnung, sondern bei deorganisation. Auch wenn wir die Gemeindeorganisation, den gesellschaftlichen Rahmenbedingungen dieses Ereig- wie wir sie aus der österreichischen Bundesverfassung ken- nisses. nen, nur mehr wenig mit der damaligen Organisation ge- meinsam hat, so hatte doch die territoriale Abgrenzung für „Jetzt geht‘s los“. Mit diesem Marsch von Franz Lehár hat unsere Gemeindeorganisation nachhaltige Wirkung. das Jugendsinfonieorchester Mittleres Rheintal auch eine stimmige Einbegleitung in unseren heutigen Festakt gege- In dem 200-jährigen Zeitraum haben sich die Grenzen der ben und ich darf diesem Orchester, diesem jungen Klang- Gemeinden wenig verändert, was auf den ersten Blick nur körper, dazu herzlich danken und gratulieren. für Historiker interessant erscheint, ist aber die Erkenntnis, dass sich die Bedeutung der Gemeinden seither und vor Zu Beginn des Vorarlberger Gemeindetages durfte ich schon allem auch seit dem rasanten Globalisierungsprozess sogar darauf hinweisen, dass der heutige Tag einen Rückblick in noch verstärkt hat. Wenn eine Gebietskörperschaft nicht in die Geschichte unserer Gemeinden und des Gemeindever- Frage gestellt wird, dann ist es die Gemeinde. bandes bietet, aber auch Anlass ist, den Blick in die Zukunft zu richten. Die Gemeinde steht nicht nur sprichwörtlich dem Bürger am nächsten, sie ist für die Bürger begreifbar. Die Bürgerinnen Vor 60 Jahren haben die Vorarlberger Gemeinden be- und Bürger können mitreden, Entscheidungen nachvoll- schlossen, eine überparteiliche Interessensvertretung zu ziehen und fühlen sich auch in ihren Anliegen vertreten. gründen, zur Stärkung nach innen und gegenüber externen Denn 200 Jahren Gemeindeorganisation in Vorarlberg in Partnern wie Land und Bund nach außen. einem Festakt zu gedenken, heißt, auch die Bedeutung der Gemeinden für die Zukunft herauszustreichen. Nicht ohne Dieses Jubiläum feiern wir in einer Broschüre, in der wir ei- Stolz dürfen die Gemeinden auf die Entwicklung, die sie nen kurzen Rückblick auf die vergangenen sechs Jahrzehnte seit ihrer Gründung gemacht haben, zurückblicken. und einen Ausblick in die Zukunft machen, und ich darf ih- nen empfehlen, im Anschluss an diese Veranstaltung diese Von der Wiege bis zur Bahre ist die Gemeinde Ansprech- Broschüre mitzunehmen und sich Zeit zu nehmen, sich über partner, Servicestelle und Dienstleister für unsere Bürger. uns und die Arbeit des Vorarlberger Gemeindeverbandes zu Es gibt kaum Bereiche, in welche die Gemeinde nicht ein- informieren. gebunden ist, sei dies die Kinderbetreuung, die Schule, die Daseinsvorsorge, die Sicherheit, die Altenpflege, die Frei- Auf das Jubiläum „200 Jahre Gemeindeorganisation in zeitgestaltung und vieles mehr. Vorarlberg“ aufmerksam gemacht hat uns Dr. Ulrich Nach- baur vom Vorarlberger Landesarchiv. Als Präsident des Vorarlberger Gemeindeverbandes ist mir das Selbstbestimmungsrecht der Gemeinde als Kern der Denn Geschichtsinteressierten bekannt ist die Eingliede- Gemeindeautonomie ein besonderes Anliegen. Nicht die rung Vorarlbergs in das Königreich Bayern im Jahre 1805, Gemeindezusammenlegung, schon gar nicht die von oben

Seite 17 verordnete, trägt den Interessen der Bürger Rechnung, son- Ich begrüße als Vertreter der Diözese Feldkirch Herrn Ge- dern vielmehr eine verstärkte Kooperation ist das Gebot der neralvikar Dr. Benno Elbs. Für alle Mitglieder der Vorarlber- Stunde. Die Gemeindezusammenarbeit hat in Vorarlberg, ger Landesregierung und die Mitglieder des Vorarlberger hält man sich die vielen verschiedenen Kooperationsformen Landtages, der gesetzgebenden Körperschaft, begrüße ich vor Augen, immerhin sind es über 300, eine lange Tradition. stellvertretend den Landtagspräsidenten Gebhard Halder, Trotzdem gibt es je nach Situation in der Gemeinde bzw. in herzlichen Dank. Ich heiße den höchsten Repräsentanten der Region immer noch zahlreiche Aufgaben, die sich hier- aller 2.358 österreichischen Gemeinden, den Präsidenten für besonders eignen würden. Leider ist oft erst die sprich- und Bürgermeister Helmut Mödlhammer, herzlich will- wörtliche Not Motor für die Zusammenarbeit. Nutzen wir kommen. Ich heiße alle Abgeordneten zum Bundesrat, die aber schon jetzt die Chancen und Möglichkeiten, die eine Bürgermeister, die ehemaligen politischen Funktionäre, Kooperation bietet. Gemeinsam mit dem Land Vorarlberg und sie sind in großer Zahl hier, auf Bundes-, Landes-, und ist der Vorarlberger Gemeindeverband ständig bemüht, die Gemeindeebene willkommen und darf dafür stellvertretend Rahmenbedingungen, sei es im organisatorischen, sei es unsere beiden ehemaligen Landeshauptleute Dr. Herbert im finanziellen Bereich zu verbessern. Keßler und Dr. Martin Purtscher begrüßen. Ich freue mich, dass ihr diesem Festakt beiwohnt, über viele Jahrzehnte Die heutige Jubiläumsfeier, geschätzte Festgäste, war na- habt ihr mit Wohlwollen die Geschicke der Vorarlberger Ge- türlich auch Anlass, hochrangige Vertreter des heutigen meinden begleitet, herzlichen Dank. Ich heiße willkommen Bayern einzuladen. Da Staatsminister Erwin Huber leider alle Repräsentanten öffentlicher Institutionen, Bedienste- kurzfristig absagen musste, darf ich in seiner Vertretung ten des Landes und der Gemeinden. sehr herzlich Herrn Staatssekretär Georg Fahrenschon vom Staatsministerium für Finanzen begrüßen und ihm für das Ein herzlicher Gruß und ein großes Dankeschön gilt noch- Kommen danken. Weiters darf ich Vertreter jener westall- mals dem Jugendsinfonieorchester der Musikschule Mitt- gäuischen Gemeinden begrüßen, die gemeinsam mit uns leres Rheintal, das mit seinen Beiträgen der Veranstaltung an das Königreich Bayern angegliedert worden sind, leider zusätzlich noch einen besonderen Charakter verleiht. aber nicht mehr ins Habsburgreich zurückkehrten, auch ih- Zurückkommend auf das Ausgangsjahr 1808, das Anlass nen ein herzliches Willkommen. Diese gute Zusammenar- des heutigen Festaktes ist, darf ich auch noch auf das Ver- beit über die Grenzen manifestiert sich unter anderem auch anstaltungsprogramm hinweisen, über den Jahresablauf, im laufenden Interreg-Programm und stellvertretend darf und in diesem Zusammenhang vor allem einem Mann ein ich Landrat Dr. Elmar Stegmann vom Landratsamt Lindau herzliches Dankeschön für seinen unermüdlichen Einsatz und den Landratstellvertreter vom Landratsamt Oberallgäu aussprechen, Dr. Ulrich Nachbaur. „Von den Ständen zu bei uns hier in Vorarlberg herzlich willkommen heißen. den Gemeinden“ lautet der Titel des Referates, das Ulrich Nachbaur, ein Historiker, der seine Arbeit neben den histo- Ich freue mich und das unterstreicht die Bedeutung dieses rischen Aspekten immer auch als Verpflichtung zum Blick Festaktes, insbesondere aber auch die Interessensvertre- in die Zukunft sieht. „Von den Ständen zu den Gemeinden“ tung der Gemeinden, die Gemeindeorganisation im Allge- – ich darf den Referenten, darf Ulrich Nachbauer nun zu meinen, dass eine so große Anzahl von Ehrengästen aus diesem Festvortrag ans Rednerpult bitten. Herzlichen Dank unserem Lande unserer Einladung gefolgt sind. Und ich und herzlich Willkommen! darf an der Spitze sehr herzlich unseren Landeshauptmann Dr. Herbert Sausgruber begrüßen.

Seite 18 Festakt „200 Jahre Gemeindeorganisation in Vorarlberg 1808 bis 2008“ Götzis, Kulturbühne AMBACH, 6. Juni 2008 Ulrich Nachbaur (geb. 1962 in Feldkirch), Dr. iur., M.A., seit 1997 Mitarbeiter im Vorarlberger Landesarchiv

Von den Ständen zu den Gemeinden

Ulrich Nachbaur

Stellen Sie sich ein ideales Land vor. Kein Land in dem schaften im Vorarlbergischen mit ihren Inklavierungen, die Milch und Honig fließen. Nein, es ist ein armes Land, aber Grafschaft Hohenems, die Grafschaft Königsegg-Rothen- ein frommes Land freier Männer, ein gottbegnadetes Land fels, die Herrschaften Tettnang und Argen und die Stadt Lin- stolzer Bürger und Bauern, die sich ihr Recht selbst geben, dau nebst ihrem Gebiete“ an Bayern abtreten,1 das sich für die selbst zu Gericht sitzen, ihr Land selbst verteidigen. Ein seine Verluste bereits zuvor mit Erweiterungen in Schwaben selbständiges Land, dessen Schicksal die Landstände weit- und Franken schadlos gehalten hatte. gehend selbst bestimmen, die den Kaiser in Wien einen gu- ten Mann sein lassen und seinen Vögten erbitterten Wider- Das Herzogtum Bayern wurde seit 1799 von Maximilian IV. stand leisten, die dem Absolutismus und der Aufklärung Joseph regiert, den seine „Landeskinder“ später den „gu- trotzen, die mannhaft eine ideale Demokratie behaupten ten Vater Max“ nennen werden. Der Wittelsbacher musste – bis ruchlose Invasoren das gelobte Land besetzen, bis darauf bedacht sein, dass sein Herzogtum nicht zwischen der wortbrüchige bayerische Tyrann das freiheitstrunkene Frankreich und Österreich aufgerieben wird. 1805 wechsel- Volk versklavt, bis es seine gottlose Münchner Bürokraten te Bayern auch formell auf Napoleons Seite. Dafür wurden unterjochen. ihm in Pressburg nicht nur Gebiete zugesprochen, sondern mit 1. Jänner 1806 auch eine Rangerhöhung zum „König- Es mag weh tun, aber von diesem Idyll dürfen wir uns getrost reich“. – Die Tage des Heiligen Römischen Reichs deutscher ein gutes Stück weit verabschieden. Die Entstehungsge- Nation waren endgültig gezählt. schichte unseres Landes ist originell und spannend genug. Ein kurzes, heftiges und nachhaltiges Kapitel schrieb die Das „Königreich Bayern“ reichte nun vom Main bis an den bayerische Regierung von 1805 bis 1814. Gardasee, vom Bodensee bis Passau an der Donau. Und Kö- nig Maximilian I., oder mehr noch sein dynamischer Mini- Sie merken es: Ich will den Anwalt des Teufels mimen und ster Maximilian Joseph Freiherr von Montgelas, setzten ihre eine Lanze für die Bayern brechen, die Vorarlberg endgültig Bemühungen fort, das bunt zusammengewürfelte König- in die Moderne führten. reich zu einem bürokratischen Musterstaat des aufgeklär- ten Absolutismus zu formen. Die Reformen galten ganz Es war eine stürmische Zeit der politischen und geistigen Bayern und wurden in München nicht zur gezielten „Knech- Neuordnung Europas, die Napoleon mit seinen Revoluti- tung“ der Vorarlberger ersonnen. onsheeren erzwang und hervorrief. Für Gebietsverluste ent- schädigten sich die weltlichen Reichsfürsten mit geistlichen Vielleicht bot gerade Vorarlberg gute Voraussetzungen, hat- Fürstentümern und Reichstädten. Es begann ein großes te sich doch bereits die österreichische Regierung seit 50 Tauschen und Feilschen. So gelangten 1804 endlich auch Jahren um eine Modernisierung bemüht, um eine Profes- die Vorarlberger Enklaven Blumenegg und St. Gerold an sionalisierung der Verwaltung, um die Förderung der Wirt- das Haus Österreich. Weitere Erwerbungen eröffneten eine schaft, der Schulbildung, des Gesundheitswesens – freilich neue vorderösterreichische Perspektive. Doch dazu kam es nicht ohne Widerstand in der Bevölkerung; zumal jener, die nicht mehr. etwas zu verlieren hatten, wie das bei Reformen so ist.

Österreich verlor einen weiteren Koalitionskrieg gegen Am 19. Jänner 1806 empfing König Maximilian in München Frankreich. Im Frieden von Pressburg musste es am 26. eine Delegation der Vorarlberger Stände zur Huldigung. Am Dezember 1805 unter anderem Tirol und „die sieben Herr- 13. März wurde im Gasthaus „Löwen“ in Bregenz die Über- nahme des Landes zelebriert.

Seite 19 In welcher Verfassung traf es der königliche Kommissär an? gerichtet worden. Beides stimmt nicht. – Aber in welcher Verfassung präsentierten sich die vielbesungenen „Land- Von einem „Land Vorarlberg“, wie wir es heute kennen, stände“? konnte noch nicht die Rede sein, auch wenn sich die kaiserliche Verwaltung ab 1750 verstärkt bemüht hatte, In Vorarlberg hatten die Prälaten und der Adel keine Land- die Herrschaften vor dem Arlberg unter der Bezeichnung standschaft. Die österreichische „Landschaft“ vor dem „Vorarlberg“ zusammenzubinden, von oben ein einheit- Arlberg, die ab dem 15. Jahrhundert allmählich Gestalt liches Territorium zu formen. Wenn sich die Stände seit etwa annahm, bildeten ausschließlich die drei Städte und 21 1780 als „Stände des Landes Vorarlberg“ bezeichneten, be- bäuerliche Gemeinwesen. Diese protodemokratische Lan- zog sich das nur auf den historischen Kernbestand, den die desvertretung war im heutigen Österreich eine Ausnahme, Grafschaften Feldkirch, Bludenz, Sonnenberg und Bregenz in Vorderösterreich und Schwaben eher die Regel. bildeten. Die Reichgrafschaft Hohenems und der Reichs- hof Lustenau unterstanden zwar ebenfalls dem Kreisamt Es war attraktiv, habsburgisch zu werden. In Österreich war für Vorarlberg, waren aber im Schwäbischen Reichskreis der Himmel hoch und der Kaiser weit. Deshalb setzten die verblieben. Ähnliches galt für die kurz zuvor erworbenen Stände alles daran, auch österreichisch zu bleiben. Nicht Reichsherrschaften Blumenegg und St. Gerold. von ungefähr gaben die Dornbirner 1655 die Losung aus: „Lieber schweizerisch, lieber schwedisch, lieber tot als Erst die Bayern hoben formell die „Staatsgrenzen“ inner- emsisch!“. Die Stände vor dem Arlberg formten das Land halb Vorarlbergs auf, integrierten die Herrschaften in einen von unten. modernen Territorialstaat,2 beseitigten damit allerdings auch die Landesstrukturen. Die Herrschaften wurden pro- Doch die Zeiten, in denen sie uns als „Länderbund“ ent- visorisch in die Provinz Schwaben eingegliedert3 und 1808 gegentreten, waren längst vorbei. Wie überall im Reich mit der neuen Kreiseinteilung dem Illerkreis zugeschlagen.4 hatten die Stände ihren Zenit schon vor fünf, sechs Gene- rationen überschritten. Sie waren ein spätmittelalterliches Bereits mit Verordnung vom 16. November 1806 hatte der Kö- Auslaufmodell. nig die Vereinheitlichung der staatlichen Behördenorgani- sation nach bayerischem Muster angeordnet: Die Ge- Eine Mitwirkung an der Rechtsetzung kam den Landständen richts- und Verwaltungsfunktion wurden auf Ebene der nie zu. Ihre historische Kernaufgabe war die Organisation Unterbehörden sieben Landgerichten übertragen, ein- einer Landesverteidigung und die Bewilligung von Hilfs- schließlich des Landgerichts Weiler im Allgäu, das 1814 truppen und außerordentlichen Steuern. Folglich war ihnen bei Bayern bleiben wird. – Auf diese Landgerichte gehen die Verumlagung und Vereinnahmung der landesfürstlichen die 1849/50 errichteten Bezirkshauptmannschaften und Steuern übertragen, die sie zum Teil gegen Fixbeträge ab- Bezirksgerichte zurück. – Für die Finanzverwaltung wurden gelöst hatten, sie die Mehrerträge also selbst verwenden Rentämter in Bregenz und Feldkirch errichtet. Sämtliche konnten. Bei diesem Finanzausgleich vermochten die Dienstposten wurden mit heimischen Beamten besetzt, die dominierenden Städte Feldkirch und Bregenz die anderen bisher dem Kaiser oder den Ständen gedient hatten.5 Stände über Jahrhunderte zu übervorteilen.

Mitunter steht zu lesen, in einem seien bereits 1806 die Auch in Altbayern kontrollierte die vom Adel dominierte Stände abgeschafft und an ihrer Stelle Gemeinden ein- Landschaft das Steuerwesen, was für einen modernen

Seite 20 Verwaltungsstaat unannehmbar war. Im Juni 1807 ordnete Das Reformtempo Montgelas war enorm, etliches unaus- König Maximilian die Aufhebung aller landschaftlichen Kas- gegoren, der Münchner Verwaltungszentralismus extrem sen an;6 gleichzeitig eine Steuerreform. Zu diesem Zweck und nur beschränkt effektiv. Bis in den letzten Winkel griff wurden Steuerdistrikte gebildet,7 an denen 1857 unsere Ka- der absolutistische Staat ordnend ein. Dagegen regte sich tastralgemeinden anknüpfen werden. Das bayerische Steu- überall Widerstand. Ermutigt von Anfangserfolgen der ös- erprovisorium von 18118 sollte in Vorarlberg allerdings noch terreichischen Armee gipfelte er in Tirol und Vorarlberg bis 1881 in Geltung bleiben. 1809 in der so genannten „Volkserhebung“.

Im österreichischen Vorarlberg waren der Adel und die Die Mobilisierung der alten, kriegserprobten Landesmiliz Geistlichkeit schon seit Jahrzehnten besteuert worden, gegen eine völker- wie staatsrechtlich legitime Herrschaft hatte sich bereits die kaiserliche Verwaltung um mehr war Hochverrat. Doch während Wien vierzig Jahre später na- Gerechtigkeit und Einnahmen bemüht. Hier traf die tional-bürgerliche Revolutionäre mit kurzsichtiger Brutali- Vermögenssteuerreform wohl mehr das städtische und tät bestrafen wird, ließ München kluge Milde walten und dörfliche Patriziat, das seine ärmeren Steuergenossen, so schaltete auch in seinem Reformeifer einen Gang zurück. gut es ging, bei der Verumlagung benachteiligte. Nicht nur auf den Hinterwald traf zu, dass nur Männer mit dickem Dieser kostspielige Aufstand – entschuldigte sich der Be- Bauch und großem Misthaufen Ammann werden können, zauer Landrichter – habe auch die Bemühungen um die gegen deren Herrschaft der „gemeine Mann“ schon vor Gemeindebildung zurückgeworfen. Er stützte sich noch auf hundert Jahren revoltiert hatte. die Gerichtsgemeinden Bregenzerwald, und Mit- telberg. Mit dem Entzug der Steuerverwaltung wurden die Stände endgültig entmachtet. Am 1. Mai 1808 erließ Maximilian Was ist unter „Gerichtsgemeinden“ zu verstehen? eine „Konstitution für das Königreich Baiern“,9 mit der alle Sonderverfassungen, Privilegien und landschaftlichen Von den Ständen als landschaftliche Korporation sind be- Korporationen aufgehoben wurden.10 Für 16. Mai berief der grifflich die einzelnen Stände zu unterscheiden, die ge- Kreiskommissär die Standesrepräsentanten ins Feldkircher wissermaßen „Mitglied“ der Landschaft waren. Ihre Ver- Rathaus ein und teilte ihnen in aller Ruhe die Auflösung der fassung und Rechtsstellung war sehr unterschiedlich. Weil Landschaft mit. einige Anteil an der landesfürstlichen Gerichtsbarkeit hat- ten, wurden sie auch als „Gerichte“ bezeichnet. Doch seit Die in Eile ausgearbeitete Konstitution war nur eine Rumpf- dem ausgehenden 17. Jahrhundert waren sie weitgehend verfassung, die durch „Organische Edikte“ ergänzt werden auf staatlich kontrollierte Verwaltungsgenossenschaften sollte. Späteren Ansprüchen an eine moderne Verfassung zurückgestutzt worden, die auch landesfürstliche Aufgaben vermag sie nicht standzuhalten. Aber sie erging immerhin zu besorgen hatten. Spätestens mit der modernen Straf- vierzig Jahre vor einer österreichischen Konstitution. Sie und Zivilrechtskodifikation – mit der Österreich Bayern ebnete den Weg von einer Untertanengesellschaft in eine weit voraus war – erodierten die gewohnheitsrechtlichen Bürgergesellschaft. Sie war das Grundgesetz einer „Revolu- „Landsbräuche“. Gericht und Ammannschaft wurden ge- tion von oben“, die in Österreich bereits Joseph II. (1780 bis trennt, die Rechtssprechung – endlich – professionalisiert. 1790) geprobt hatte. Freiheit, Gleichheit und Brüderlichkeit – Nicht von ungefähr hatte zum Beispiel die Hexenverfol- – vor allem die Gleichheit – wurden von oben verordnet und gung im „ständisch-demokratischen“ Vorarlberg über die streng kontrolliert. Maßen gewütet, bis ihr die landesfürstliche Verwaltung Einhalt gebieten konnte.

Seite 21 Nach dieser josefinischen Regulierung verfügten 1790 von diese Zeit setzte sich zunächst im Kirchenbereich allmäh- den 24 „Gerichten“ noch 14 über eine niedere Zivilgerichts- lich das Wohnsitzprinzip und damit die Territorialgemeinde barkeit und noch vier zudem über eine beschränkte Straf- durch. gerichtsbarkeit. Denn bis in diese Zeit und noch darüber hinaus war nicht Zumal kleinere Stände, wie das Gericht Jagdberg, gaben so sehr entscheidend, wo man wohnte, sondern welcher den Behörden zu verstehen, dass sie auch mit anderen Gemeinde man angehörte. Gemeinden waren noch vorran- übertragenen Staatsaufgaben intellektuell und finanziell gig Personengemeinschaften. Dabei konnten sich Gerichts- überfordert seien. Das Gericht Jagdberg löste sich de facto gemeinden, Dorfgemeinden, Kirchspielgemeinden, Wirt- bereits vor der Bayernzeit in seine Gemeinden auf, die be- schaftsgenossenschaften, Steuergenossenschaften usw. reits Jahrhunderte zurückreichten. über lagern; im Übrigen auch mit Genossenschaften von Leibeigenen, in die nicht zuletzt unsere „freien“ Wälder und Und weshalb, fragen Sie zu Recht, feiern wir dann heute Walser zahlreich steuern mussten. „200 Jahre Gemeindeorganisation“, wenn es doch schon weit davor Gemeinden gab? Solange die Gemeinden Träger der Sozialfürsorge blei- ben, und das war bis 1938 der Fall, bleibt der Aspekt des Nun, zum einen bestanden nicht in ganz Vorarlberg neben Personenverbandes elementar: Bis dahin konnten Gemein- den Gerichten auch dörfliche Gemeindestrukturen; und wo den Mitglieder ohne Heimatrecht ausweisen, wenn diese es sie gab, entsprachen sie nicht unseren heutigen Vorstel- oder ein Angehöriger einen „bescholteten Lebenswandel lungen von Gemeindeorganisation. führen, oder der öffentlichen Mildtätigkeit zur Last fallen“;11 und nur Heimatberechtigte, die zudem das Bürgerrecht be- Neben den drei Städten gab es auch Landgemeinden, die saßen, waren an den Gemeindenutzungen beteiligt. Des- ab dem 14. Jahrhundert ein Stück weit eine demokratische halb kandidierten „Nichtbürgerparteien“ gegen „Bürger- Selbstverwaltung erlangten, die über Zwing und Bann, also parteien“. – Diese Zweiklassenbürgerschaft lebt bis heute über ein Satzungsrecht und Polizeibefugnisse verfügten, in Form subventionierter Agrargemeinschaften fort. vor allem über den Flurzwang. Diese frühen Gemeinden entstanden im ehemals rätoromanischen Oberland. Die- Worin lag das Entscheidende der bayerischen Gemeinde- se Dorfgemeinden bestanden neben den Gerichten. Hier reform von 1808? kam die Gerichtsgemeinde fast einem Gemeindeverband gleich. Im übrigen Vorarlberg nahm die Gerichtsgemeinde Mit dieser Gemeindereform sollten zwei Grundprinzipien sämtliche Gemeindefunktionen wahr, bildeten sich kaum verwirklicht werden, die uns heute selbstverständlich sind: zusätzliche Gemeindestrukturen aus; sehen wir von den die Ortsgemeinde und die Einheitsgemeinde – und das in Pfarrgemeinden ab. einem vernünftigen Zuschnitt.

Beim Aufbau einer professionellen Staatsverwaltung Am 28. Juli 1808 erließ Max Joseph ein „Organisches Edikt spannten bereits die Österreicher zunehmend die Pfarrer über die Bildung der Gemeinden“.12 Die Gemeindegrenzen ein. Denken wir nur an das 1784 „verstaatlichte“ Matriken- hatten sich grundsätzlich an den gleichzeitig abzuteilenden wesen, das, wie die Einführung der Hausnummerierung, Steuerdistrikten zu orientieren. Die Vermarkung der Orts- auch der Rekrutierung für das stehende Heer diente. – Um gemeinden sollte innerhalb eines Jahres abgeschlossen werden.

Seite 22 Die Gemeindeverfassungen sollten vereinheitlicht werden, Eine Ausnahme vom Territorialprinzip bildete eine poli- und es sollte nur noch eine einzige Gemeinde geben, die tische „Judengemeinde“ Hohenems als Personalgemeinde, für alle Verwaltungsangelegenheiten – also zugleich für die die 1878 vor dem Verwaltungsgerichtshof die Integration politischen, ökonomischen, finanziellen, kirchlichen, schu- in die territoriale „Christengemeinde“ Hohenems erringen lischen und sonstige Zwecke – zuständig ist. In diesem wird. Sinn ließ der König am 24. September 1808 ein „Edikt über das Gemeinde-Wesen“ folgen,13 eine detaillierte und für Etliche Stände blieben als Vermögensgemeinschaften der ganz Bayern einheitliche Gemeindeordnung. Nachfolgegemeinden noch einige Jahre oder Jahrzehnte be- stehen, die Stände Montafon und Bregenzerwald bis heute. Sie sah Gemeinden als öffentliche Körperschaften mit ein- Zudem dauerten Lastenverbände verschiedener Gemein- geschränkter Rechtsfähigkeit vor, allerdings ohne nennens- den fort oder wurden neu begründet, wie Straßen-, Brü- werte Selbstverwaltung. Die Reform zielte nur auf staatliche cken-, Wuhr- oder Schulkonkurrenzen. Verwaltungssprengel auf unterster Ebene ab. Die Städte, Märkte und Landgemeinden wurden unter die strenge „Ku- Die Gemeindereform von 1808 bedeutete den Übergang ratel“ der übergeordneten Behörden gestellt, die sich um zu territorial abgegrenzten Ortsgemeinden – zu Gebiets- Kompetenzen stritten. Besonders verheerend wirkte sich körperschaften – mit staatlichen Aufgaben und einer staat- die Entziehung der Vermögensverwaltung aus. Diese Ge- lich beaufsichtigten Selbstverwaltung aufgrund einer ein- meindeverfassung erwies sich als undurchführbar und wird heitlichen Gemeindeverfassung, wie wir sie heute kennen. in Bayern zehn Jahre später reformiert werden. Wenn auch der Weg zu einer demokratischen Selbst- Grundsätzlich dürfte das ehemalige Vorarlberg gute Voraus- verwaltung noch weit war, markiert für Vorarlberg bereits setzungen für die Gemeindebildung geboten haben, zumal das Jahr 1808 den Ausgangspunkt einer modernen Gemein- es keine Grundherrschaft gab. Wo bereits Stadt- und Dorf- deorganisation und nicht erst das Revolutionsjahr 1848/49. gemeinden bestanden hatten, ging sie relativ leicht von- statten. Andernorts wurden Gerichtsgemeinden zum Teil 1813, nach dem traumatischen Russlandabenteuer Napo- einfach auf eine Dorfgemeinde reduziert. Das war zum Bei- leons, wechselte Bayern wieder an Habsburgs Seite. Im spiel beim großen Dornbirn der Fall, während sich das klei- Juli 1814 kehrte Vorarlberg, bis auf das Westallgäu, zu Ös- ne Gericht Höchst in drei Dorfgemeinden aufspaltete. terreich zurück; als modernisiertes und erstmals ins sich geschlossenes Land. Die Landgerichte Montafon, Sonnenberg (mit Ausnahme des Gerichts Tannberg), Feldkirch und Dornbirn wiesen be- Die alten Eliten erhofften sich eine Wiederherstellung ehe- reits in der Gemeindefinanzstatistik für 1809/10 die neue maliger Zustände. Doch die österreichische Regierung war Gemeindeeinteilung aus. Für 1811/12 war auch das Land- weitsichtig genug, die bayerischen Reformen weitgehend gericht Bregenz soweit, während das Landgericht Inner- beizubehalten. Sie wahrte Vorarlberg damit einen Vor- bregenzerwald immer noch mit den ehemaligen Gerichts- sprung auf dem Weg in das Industriezeitalter. gemeinden operierte. Die Landstände wurden 1816 nur auf dem Papier wieder- errichtet. Der Landtag von 1848 wird mit seinem ungemein fortschrittlichen Verfassungsentwurf klar mit der land- ständischen Tradition brechen.

Seite 23 Eine Gemeinderegulierung für Tirol und Vorarlberg knüpfte 1 Friedenstraktat zwischen Sr. Majestät dem Kaiser der Franzosen, König 1819 an die bayerischen Reformen an; weiterhin unter den von Italien und Sr. Majestät dem Kaiser von Österreich vom 26.12.1805, Vorzeichen eines zentralistischen Absolutismus, den 1848 Königlich-Baierisches Regierungsblatt [fortan: RBl.], S. 50, Pkt. VIII. bürgerliche Revolutionen ins Wanken brachten. 2 Ausdrücklich im Rahmen der Verordnung vom 16.11.1806, die Organisation von Vorarlberg betreffend, RBl. 1806 S. 433. Das Provisorische Gemeindegesetz von 1849 gab schließlich 3 Verordnung vom 26.04.1806, die Vereinigung der vorarlbergischen für ganz Österreich den Anstoß zur Bildung von Ortsgemein- Herrschaften mit der schwäbischen Provinz betreffend, RBl. 1806, S. den mit einem „natürlichen“ und einem vom Staat „übertra- 199. genen“ Wirkungskreis. Es dauerte aber noch geraume Zeit, 4 Allerhöchste Verordnung vom 21.06.1808, die Territorial-Eintheilung des bis der vielbemühte Artikel I – „Die Grundfeste des freien Königreichs Baiern betreffend, RBl. 1808, S. 1481. Staates ist die freie Gemeinde“ – Gestalt annehmen konnte. 5 Wie Anm. 3. Dieses Gesetz wurde nach drei Jahren wieder aufgehoben. 6 Verordnung vom 08.06.1807, die Gleichheit der Abgaben, Steuer- Rektifikation und Aufhebung der besonderen landschaftlichen Steuer- Der 1861 errichtete konstitutionelle Vorarlberger Landtag Kassen betreffend, RBl. 1807, Sp. 969. nahm sofort Beratungen über eine neue Gemeindeordnung 7 Verordnung vom 13.05.1808 die Provinz Bayern betreffend, RBl. 1808, auf, die Kaiser Franz Joseph 1864 schließlich genehmigte. Sp. 1089; abgewandelt für die Provinz Schwaben, RBl. 1808, Sp. 1275. 8 Edikt vom 30.09.1811 über die Reklamationen wider das allgemeine 1817 zählte Vorarlberg knapp 100 Gemeinden,14 1917 wa- Steuer-Provisorium, RBl. 1811, Sp. 1521; Verordnung vom 22.11.1811, das ren es 104, 1937 99 und 1945 90 Gemeinden. Die Zusam- allgemeine Steuer-Mandat für das Etatsjahr 1811/12 betreffend, RBl. menlegungen in nationalsozialistischer Zeit wurden jedoch 1811, Sp. 1745. großteils wieder rückgängig gemacht. Während die Zahl 9 RBl. 1808, Sp. 985. der österreichischen Gemeinden inzwischen halbiert wur- 10 Zudem Verordnung vom 01.05.1808, die Aufhebung der dermaligen de, blieb es in Vorarlberg seit 1947 unverändert bei 96 Ge- landschaftlichen Korporationen betreffend, RBl. 1808, Sp. 961. meinden, mit dem höchsten Anteil an Klein- und Kleinstge- 11 Gemeindeordnung 1935, LGBl. Nr. 25/1935, § 22 Ausweisung. meinden. – Und wehe, es möchte schon wieder einer über 12 RBl. 1808, Sp. 2789. Strukturreformen nachdenken; kaum, dass wir die baye- 13 RBl. 1808, Sp. 2405. rischen halbwegs verdaut haben. 14 Ausweis über die gemischten Gerichte in Tyrol und Vorarlberg, wie solche vom 1. Mai 1817 an, in Gemäßheit des allerhöchsten Patents Vorarlberg ist kein ideales Land. Aber es ist ein gutes Land. vom 14. März 1817 zu bestehen haben, und über die ihren Bezirken Es ist unser Heimatland. zugewiesenen Gemeinden und Ortschaften (Vorarlberger Landesarchiv: Kreisamt I, Publikum 1817).

Seite 24 Festakt „200 Jahre Gemeindeorganisation in Vorarlberg 1808 bis 2008“ Götzis, Kulturbühne AMBACH, 6. Juni 2008 Georg Fahrenschon (geb. 1968 in München), Diplom-Ökonom, 2007 bis 2008 Staatssekretär im Bayerischen Staatsministerium der Finanzen, seit 30. Oktober 2008 Bayerischer Finanzmi- nister (Christlich-Soziale Union)

Bayern und Vorarlberg – Freundschaft mit Tradition

Georg Fahrenschon

Nach diesem exzellenten Vortrag des Advokaten, der einen ner auf ihrem letzten Weg zu begleiten. Ich glaube, es trifft bayerischen Jubiläumsmarsch verdient hätte, haben Sie, auf Ihr Verständnis, dass ich deshalb eingesprungen bin, meine Damen und Herren, mit diesem wunderbaren Wal- sehr gerne, selbstverständlich. Ich kann ihnen versichern, zerstück alles wieder ins rechte Licht gerückt. Man möchte vom Widerstand habe ich heute nichts gespürt, im Gegen- sagen, „tu felix Austria“, du gehst die Dinge einfach be- teil. So eine Vorgabe kommt selten vor, dass dem Staatsse- schwingt, lebensfroh und am Ende ausgesprochen erfolg- kretär mit einem Walzer aufgespielt wird. reich an. II. Historische Gemeinsamkeiten von Vorarlberg Zunächst möchte ich mich natürlich recht herzlich bedan- und Bayern ken für Ihre Einladung zum Vorarlberger Gemeindetag. Es freut mich sehr, heute bei ihnen hier im schönen Rheintal, Die Ereignisse des Jahres 1809 kennzeichnen dennoch den in Götzis zu sein. Grund, warum gerade ich heute vor Ihnen stehe: Vorarlberg gehörte 9 Jahre lang von 1805 bis 1814 zum Königreich Ba- I. Einleitung yern.

Zugegeben, einen kurzen Moment war ich als ihr baye- Diese kurze Phase hatte als „bayerische Knechtschaft“ in rischer Gast verwundert, ausgerechnet nach Götzis einge- Erinnerung an die Volkserhebung des Jahres 1809 lange laden zu sein. Denn, lieber Herr Bürgermeister, weisen Sie Zeit in Ihrer Landesgeschichtsschreibung einen denkbar Götzis als einen „der Hauptorte des Widerstandes gegen schlechten Ruf. die bayerische Regierung in Vorarlberg in Jahre 1809“ aus. Der Götzner Adlerwirt und Landesschützenmajor Johann El- Als Mitglied der Bayerischen Staatsregierung und freiheits- lensohn wird im gleichen Atemzug als „maßgeblich an der liebender Altbayer freut es mich daher natürlich, wenn ich Volkserhebung dieses Jahres beteiligt“ genannt. beobachte, wie die jüngere Generation der Landeshistori- ker um ein deutlich ausgewogeneres Bild der bemüht ist. Ich hab mich dann noch ein bisschen schlau gemacht und hab dann an der Stelle im Grunde gesagt, Götzis ist keine Heute wird betont, dass das Land in diesen Jahren einen schlechte Wahl, denn für den Staatssekretär im Finanzmi- enormen Modernisierungsschub erlebte. Es wurden ent- nisterium wäre Dornbirn doch schwieriger geworden. Im scheidende Weichen für die weitere wirtschaftliche, poli- Zusammenhang mit der Einführung der Garnsteuer wurde tische und kulturelle Entwicklung des Vorarlbergs gestellt. in Dornbirn einmal ein Steuereintreiber von aufgebrachten Frauen überfallen, und am Ende soll es auch Fälle gegeben Ein wesentlicher Eckstein war dabei das bayerische haben, wo die Steuerleute bis nach Lindau gejagt wurden, Gemeindeedikt von 1808. Mit ihm war der endgültige deshalb habe ich den Landrat mitgebracht, Herrn Steg- Übergang vom mittelalterlichen Personenverband zu Orts- mann; also wenn‘s eng wird, sind Sie hier mit von Nöten. gemeinden und zu einer staatlich beaufsichtigten Selbst- verwaltung verbunden. Ich darf die besten Grüße vom bayerischen Minister- präsidenten und auch vom bayerischen Finanzminister Mit der neuen Verwaltung erhielt Vorarlberg seine heutige Erwin Huber überbringen. Beide haben heute die trau- Struktur. Ein Großteil der Gemeinden in Vorarlberg geht auf rige Pflicht, die langjährige Staatsministerin und stell- diese Gemeindereform von 1808 zurück. vertretende Ministerpräsidentin Mathilde Berghofer-Weich-

Seite 25 Zwar lag sicherlich für „unseren“ König Max Joseph und Arbeitsplätze. Die Kommunalpolitik steht hier unter seinen großen Reformminister Graf Montgelas 1808 der einem ständigen Druck. Schwerpunkt auf den Gemeinden als der untersten Ebene einer zentralisierten Staatsverwaltung. Dennoch bildet die Gerade in einer Grenzregion wie in Vorarlberg und erst Begründung von Subsidiarität und Selbstverwaltung aber recht hier im Rheintal muss man es betonen: Die Kon- aus heutiger Sicht in Vorarlberg wie in Bayern ein entschei- kurrentensituationen sind in der grenzüberschreitenden dendes Fundament der Demokratie. globalisierten Wirtschaft immer vielfältiger geworden. Die Gemeinden und Städte stehen nicht mehr nur mit Damals stellte sich den bayerischen Reformern eine Grund- ihren örtlichen Nachbarn im Wettbewerb, sondern auch frage: Wie kann man ein Gemeinwesen am zweckmäßigsten mit ausländischen und in bestimmten Branchen mit organisieren? Standorten weltweit.

Herr Präsident Wilfried Berchtold hätte es in seinem Gruß- t ;VN%SJUUFO8JSMFCFOJOFJOFS8PIMTUBOETHFTFMMTDIBGU wort zum Jubiläumsjahr 2008 nicht treffender auf den Die Ansprüche der Bürger an eine bedarfsgerechte Da- Punkt bringen können: Auch wenn die Frage nach zweck- seinsvorsorge und Infrastruktur steigen stetig. Bei dem mäßiger Organisation nüchtern und bürokratisch klingt, sie Werben um die Menschen geht es aber zusätzlich auch ist immer brandaktuell: um das Angebot möglichst zeitgemäßer und attraktiver sozialer, kultureller und sportlicher Angebote. Sie entscheidet auch gegenwärtig stets von neuem über Le- bensqualität und Zukunftsfähigkeit unserer Gesellschaften t -FU[UMJDIJTUBVDIBOEJFTP[JBMFO1SPCMFNGµMMF[VEFO- und unserer beider Staaten. ken, denen sich die Kommunen in immer anspruchs- volleren Maß zu stellen haben. Hier steigen nicht nur III. Kommunale Aufgabenstellungen heute die Fallzahlen, sondern auch die Anforderungen an die Aufgabenerfüllung. Quantität und Qualität der Hilfe wer- Wie lauten die Herausforderungen, die auf die Kommunen den gerade vor dem Hintergrund des demographischen heute in Vorarlberg wie in Bayern warten? Ich werde versu- Wandels zu einer wesentlichen Herausforderung für die chen, vier zentrale Fragestellungen zu umreißen: Kommunen. t ;VOµDITU JTU BO EJF [VOFINFOEF .PCJMJUµU EFS .FO- IV. Gemeinsame Antworten schen zu denken. Die Arbeitsplatzwahl bestimmt heute vielerorts die Ortswahl, nicht mehr umgekehrt. Hieraus Was sind die Antworten moderner Kommunalpolitik auf resultiert eine große Fluktuation der Bevölkerung. Die diese Aufgabenstellungen? Kommunen haben hierauf zu reagieren. Die offene Ge- sellschaft fordert, Gemeinschaft gerade vor Ort zu stabi- Lassen Sie mich eines gleich vorweg betonen: Viele auf- lisieren, Neubürger einzubinden und somit immer wie- gezählten Herausforderungen lassen sich nicht durch der Integrationsarbeit zu leisten. kommunale Alleingänge in den Griff bekommen. Nicht im Alleingang einer einzelnen Kommune, nicht im Alleingang t &TCMFJCUKFEPDIOJDIUOVSCFJEFS*OUFHSBUJPOOFVFS#ŸS- ihrer Gesamtheit - aber vor allem: ger. Viel stärker als je zuvor beschäftigt die Kommunen heute der stetige Wettbewerb um neue Investoren und Auch nicht im nationalen Alleingang!

Seite 26 Ich möchte dies nur anhand von drei Beispielen aufzeigen, Bayern hat hier intensiv die Vorarbeiten in Österreich bei denen wir um Antworten auf ganz ähnliche Weise in beobachtet und ich möchte sagen: Bayern hat dabei von Vorarlberg wie in Bayern ringen: Österreich gelernt!

1. Konnexitätsprinzip 2. Ländlicher Raum

Als bayerischer Finanzstaatssekretär, Kreisrat und langjäh- Ich kenne die stetigen Bemühungen des Österreichischen riger Gemeinderat liegen mir natürlich zuallererst die kom- Gemeindebundes, bei den Finanzausgleichsverhandlun- munalen Finanzen am Herzen. gen über den Bevölkerungsschlüssel Verbesserung für die kleinen Gemeinden im ländlichen Raum zu erreichen.Auch Ich kann mich noch gut daran erinnern, wie der kommu- für die bayerische Kommunalpolitik ist die Förderung des nalen Familie in Österreich im Jahre 1996 mit der Einigung ländlichen Raumes ein zentrales Thema: über den Konsultationsmechanismus ein großer Erfolg geglückt ist. Mit diesem Instrument wird verhindert, dass Bayern verfolgt hier einen ganzheitlichen Ansatz: Stadt und den Kommunen ohne deren Zustimmung finanzielle Bela- Land werden nicht als Gegenspieler gesehen, sie ergänzen stungen durch Bund oder Land aufgebürdet werden. Dieser sich vielmehr gegenseitig. Erfolg hat seinerzeit den Forderungen der Kommunen in Deutschland nach Einführung eines vergleichbaren Schutz- Dabei setzt Bayern auf eine bewusste staatliche Lenkung mechanismus großen Auftrieb gegeben. und Förderung. Die Landesplanung gibt das Leitziel „wert- gleicher Lebensbedingungen“ – nicht inhaltlich gleicher – Seit 2004 haben auch wir in Bayern eine ähnliche Regelung: im ganzen Land vor. Hieran halten wir fest, so dass sich alle das Prinzip der Gesetzeskonnexität: Wer bestellt, bezahlt. staatlichen Ebenen zu ihrer Verantwortung für den länd- Es dient dem Schutz der Kommunen vor finanzieller Über- lichen Raum bekennen. forderung durch neue Aufgaben. Überträgt der Staat den Kommunen Aufgaben, hat er gleichzeitig Bestimmungen Im Zuständigkeitsbereich des Finanzministeriums haben über die Deckung der Kosten zu treffen. Verbleibende Mehr- wir reagiert, indem wir in den kommunalen Finanzaus- belastungen sind auszugleichen. gleich neben seiner allgemein hohen Ausgleichswirkung mehrere Instrumente eingebaut haben, die besonders dem Die Vorschrift bedeutet einen sehr nachhaltigen Schutz für ländlichen Raum zugute kommen: zum Beispiel die finanzielle Leistungsfähigkeit der Kommunen. Zum ei- nen wirkt sie vorbeugend, indem sie Staat und Kommunen t HF[JFMUF 1SPKFLUG¤SEFSVOHFO  EBNJU LMFJOF (FNFJOEFO die finanziellen Folgen des Handelns möglichst frühzeitig nicht ewig für ein Projekt ansparen müssen, vor Augen führt. Zum anderen ist sie gerade deshalb effek- tiv, weil sie auf das Miteinander setzt: Wenn der Staat den t LN1BVTDIBMFOGŸS#BVVOE6OUFSIBMUEFS4USB•FO EJF Kommunen Aufgaben im Sinne des Konnexitätsprinzips progressiv sind, je mehr km pro 1000 Einwohner zu be- überträgt, setzt er sich mit den kommunalen Spitzenver- dienen sind, bänden an einen Tisch und der nötige Ausgleich wird – nach Möglichkeit -einvernehmlich festgelegt. t FJOFHFTPOEFSUF#F[VTDIVTTVOHEFS4DIŸMFSCFG¤SEFSVOH und manches andere mehr...

Seite 27 t 6OE 'ŸS (FNFJOEFO  EJF VOUFS #FW¤MLFSVOHTSŸDLHBOH Wir sind uns einig: Wir haben das Subsidiaritätsprinzip in leiden, wurde ab 2006 gezielt ein Demographiefaktor Europa nicht durchgesetzt, damit Brüssel dieses zentrale eingeführt. Die betroffenen Gemeinden werden in Bezug Erfolgsprinzip auf bürokratischen Weg wieder aushebelt! auf ihren Finanzbedarf vorübergehend noch so behan- delt, als hätten sie noch mehr Einwohner. Sie haben so IV. Schluss etwas mehr Zeit, um notwendige Anpassungen vorneh- men zu können. Bei allen Sachfragen ist für mich ein Gedanke von entschei- dender Bedeutung: Ich bin überzeugt, dass wir in unserem Vielleicht ist hierunter auch die eine oder andere Anregung Gemeinwesen nur gemeinsam und nur von unten nach für Sie. oben unseren Aufgaben gerecht werden können. Den Drei- klang von Subsidiarität, Solidarität und Personalität, den 3. Europäische Herausforderungen die katholische Soziallehre im letzten Jahrhundert prägte, halte ich für zeitlos gültig. Lassen Sie mich zuletzt noch kurz auf Herausforderungen eingehen, vor die wir gemeinsam von europäischer Ebene Der Kerngedanke ist aber noch älter: Er hat bereits vor 200 gestellt sind: Jahren die bayerischen Verwaltungsreformen getragen und er ist heute aktueller denn je. Der Vertrag von Lissabon von Ende 2007 bringt erstmals die ausdrückliche Achtung der kommunalen Selbstverwaltung Das Miteinander von Staat und Kommunen muss aus dieser durch die EU. Man möchte fast den Vergleich zur Zentrale Tradition heraus Maxime unseres Handelns bleiben! der Nordatlantischen Verteidigungsgemeinschaft führen; vor deren Hauptquartier in Brüssel steht ein großes Monu- Gleichzeitig stellt sich keine der angesprochenen Fragen ment und das ist überschrieben mit dem Spruch: „Wach- nur im Inland oder ist mit nationalen Alleingängen in den samkeit ist der Preis der Freiheit“. Allein der Vertrag ist eine Griff zu bekommen. gute Grundlage, aber es gilt genauestens zu verfolgen, wel- che Überlegungen die Europäische Kommission in Brüssel Wir haben voneinander zu lernen und müssen Lösungen anstellt. Vorgaben der EU engen die Kommunen erheblich gemeinsam angehen. ein und bringen oft hohen bürokratischen Aufwand. Deshalb schließe ich meinen Beitrag zu Ihrer Eindrucks- Ich denke hier zum Beispiel an die Vorstellungen der EU zur vollen Veranstaltung mit dem Appell: Lassen Sie uns ge- Liberalisierung der Daseinsvorsorge, ich denke an europa- rade zwischen Vorarlberg und Bayern unsere gemeinsame weite Ausschreibungspflichten. Bayern wendet sich hier Kommunale Herkunft zum fruchtbringenden Dialog nutzen. mit allem Nachdruck gegen EU-Pläne, die die Kommunale Gott schütze unsere beiden Länder in Freundschaft mit Tra- Selbstverwaltung bedrohen! dition! Herzlichen Dank für ihre Aufmerksamkeit.

Die EU darf die Kommunen nicht aus den Bereichen Was- ser- und Energieversorgung verdrängen - weder durch ord- nungspolitische Maßnahmen, noch durch zu hohe bürokra- tische Hemmnisse.

Seite 28 Festakt „200 Jahre Gemeindeorganisation in Vorarlberg 1808 bis 2008“ Götzis, Kulturbühne AMBACH, 6. Juni 2008 Herbert Sausgruber (geb. 1946 in Bregenz), Dr. iur., seit 1989 Mitglied der Vorarlberger Landes- regierung, seit 1997 Landeshauptmann von Vorarlberg (Österreichische Volkspartei)

Gemeinden mit Zukunft

Herbert Sausgruber

Ein Jubiläum, 200 Jahre einer neuen Gemeindeverfassung. ob eine juristische Zuständigkeit besteht oder nicht. Das Der Rückblick fordert auch einen Ausblick und diese neue sollten wir in der Bedeutung nicht unterschätzen! Ich habe Sicht des Historikers über das Geschehen vor 200 Jahren in den Jahrzehnten meiner Tätigkeit wirklich häufig erlebt, und die positiven Seiten der Modernisierung zeigt auch, dass irgendwelche Problemstellungen auftauchten. Ich war welchen Charme ein scharfer Intellekt hat, vor allem, wenn dann heilfroh, dass ich an dem Ort einen Bürgermeister, Ge- man so direkt an das Thema herangeht wie Dr. Nachbaur. meindevorstände oder Gemeindevertreter gefunden habe, Wenn ich mir vorstelle … Landammann. Die Funktion ist die sich um die Angelegenheit kümmerten und versuchten, zwar nicht ganz parallel mit meiner vergleichbar, aber doch selbst eine Lösung zu organisieren. Sie haben dabei nicht ähnlich. Misthaufen und Bauch, wenigstens eines hätte danach gefragt, ob sie juristisch zuständig sind – in der Re- mir gefehlt, ich danke also schon aus diesem Grund den gel waren sie es nicht. bayrischen Nachbarn für die Modernisierung vor 200 Jah- ren. So etwas ist doch für gut zu erachten. Ebenso ist es gut, dass die Gemeinden emotionelle Identifikation, Heimat- Der Wert der Gemeinde steht insgesamt und abstrakt nicht bewusstsein und Heimatgefühl vermitteln – wie immer in Diskussion, wohl aber der Wert der einzelnen Gemeinde man das dann werten mag. Das ist ein Wert – vor allem in und auch von bestimmten Gemeindetypen. Das wird disku- einer Zeit, wo sehr viel großräumig geregelt wird, sehr viel tiert und wurde auch im vergangenen Jahr in unserem Land Fremdbestimmung auf die Menschen zukommt und sie das recht intensiv diskutiert. Der Zugang ist immer derselbe. Es auch so empfinden – und sie sind dankbar für Bereiche, ist ein möglicher Zugang, der schon Sinn macht, aber nur die Heimatgefühl und Identität vermitteln. Funktionell – einen Teil der Wirklichkeit abbildet. Es ist ein verwaltungs- und das sollten wir sehr hoch schätzen – knüpft sich sehr technischer Zugang, der die Kosten der Verwaltungsstruktur viel an ehrenamtliches Engagement. Ehrenamtliches Enga- beurteilt und unterstellt, dass bei größeren Gemeindeein- gement ist sehr prägend für viele Qualitäten in unserem Le- heiten die Kosten geringer seien. Das ist im Übrigen eine ben. Sehr viel ehrenamtliches Engagement hängt an diesen Überlegung, die bei anderen Reformansätzen – ob Schule Gemeinderealitäten an. Wenn man die Gemeinderealität oder Gesundheit – sehr stark im Vordergrund steht. Dieser reduziert, kann es passieren, dass auch die Motivation, eh- Gesichtspunkt hat eine gewisse Bedeutung, aber seine renamtlich tätig zu ein, reduziert wird und damit nachlässt. Schlichtheit und Einseitigkeit sollte man schon etwas in- tensiver diskutieren und einige andere Gesichtspunkte zu Was wäre mit unseren Qualitäten im Bereich der Sicherheit, mindestens auch betrachten. im Bereich des kulturellen Geschehens, im Bereich des so- zialen Lebens, im Bereich des Sportes – um jetzt nur eini- Das fällt manchen Menschen schwer. Wenn man sie nach ge nicht unwesentliche Lebensbereiche zu nennen – wenn dem „Warum“ fragt, stellt man häufiger fest, dass es sich die ehrenamtlichen Strukturen vor allem in den dörflichen um Menschen handelt, die nicht so sehr mit anderen Men- Gemeinden, die in der Regel gemeindeweise organisiert schen direkt Kontakt haben, häufig nicht so sehr mit der sind, in der Form plötzlich nicht mehr lebendig wären? Das praktischen Umsetzung von solchen organisatorischen Fra- sind Gesichtspunkte, die Bürokraten weniger interessieren, gen befasst sind und daher die Dinge etwas abstrakter be- weil sie es auf Grund ihrer Entfernung in ihrer Lebenswelt urteilen. Einer der Vorteile dessen, was sich in den Gemein- auch nicht mehr so wahrnehmen. Wir sollten sehen, dass den abspielt, ist sicher eine „Kultur des sich Kümmerns“ wir – wenn wir die Qualitäten in diesen Bereichen aufrecht um Entwicklungen im menschlichen Leben. Herausforde- erhalten wollen – die Motivation zum Ehrenamt und die rungen werden in Angriff genommen, unabhängig davon, Vernetzung von Familienleistungen und ehrenamtlichen

Seite 29 Leistungen mit professionellen Diensten auf hohem Niveau leicht eine Schule in Warth oder Schröcken für überflüssig halten, denn es gibt keine Volkswirtschaft der Welt – auch und nicht mehr bezahlbar erklärt. unsere nicht –, die in der Lage wäre, flächendeckend für all diese Qualitäten zu bezahlen. Das heißt: wenn die Motiva- Dann sinkt aber die Qualität der Struktur und der Versor- tion sinkt, sinkt auch die Qualität der Leistung – und das gung und es verstärken sich die Elemente für Absiedlung. großflächig. Diese Zusammenhänge sollte man durchaus sehen und daher viel Energie und auch Geld – wenn man es hat – da- Im kommunalen Bereich engagieren sich bei uns etwa für einsetzen, dass auch kleine Gemeinde in entlegenen 2.000 Vorarlbergerinnen und Vorarlberger ehrenamtlich in Gebieten in die Lage versetzt werden, zu investieren in eine Gemeindevertretungen und Ausschüssen. Auch diese Form Grundstruktur dessen, was Menschen heute erwarten – des ehrenamtlichen Engagements hängt an der Gemeinde was vor allem junge Leute erwarten –, damit sie bleiben. und ihrer Existenz. Ein zweiter Gesichtspunkt, der zur Wert- Dazu zählt die Ausstattung im Bereich Bildung, die kultu- schätzung auch für kleinere Gemeinden beiträgt, ist unser rellen und sportlichen Zugänge, entsprechende Wohnmög- wichtiges Ziel, vergleichbare, gleichwertige Lebensverhält- lichkeiten, auch Möglichkeiten im Bereich der Kommuni- nisse in Stadt und Land zu haben. Das ist zunächst eine kation und die Pflege. Das heißt: Gemeindeförderung für wirtschaftliche Herausforderung, die hier nicht zur Debatte Investitionen, Ausgleich für vergleichbare Lebensverhält- steht, aber natürlich erwähnt werden soll. Arbeitsplätze in nisse. Aus den genannten Gründen unterstützen wir bei- den auch entlegenen Regionen zu haben – die Funktion des spielsweise Kleingemeinden bei der Kanalisationsgebühr, Tourismus für diese Aufgabe, wo Industrie und Gewerbe damit die Gebühren vergleichbar sind. Sonst kannst du in das nicht so gut können. Im Weiteren zählt dazu aber auch als Durchschnittsverdiener nicht ohne weiteres woh- die Vorsorge für eine ordentliche Qualität von Einrichtungen nen. Das sollte man aber können. Die Gesetzgeber, die die und Diensten, die eine Familie heute erwarten kann. Standards entwickeln und ständig weiter hochschrauben mit guten Begründungen, sollten sehr darauf achten – das Der Maßstab für die Qualität und Attraktivität lässt sich wie ist auch eine Mahnung an uns –, dass man die Standards überall auf der Welt an den Indikatoren Besiedelung und nicht so weit hinaufschraubt, dass in wichtigen Diensten, Absiedelung ablesen. Wenn die Jungen gehen, kann man Ehrenamtliche nicht mehr mitkommen. Solche Tendenzen sich darauf verlassen, dass etwas nicht optimal funkti- gibt es und darunter würden insbesondere die kleinen Ge- oniert. Wenn die Jungen bleiben, dann weiß man – auch meinden leiden. wenn die Opposition etwas anderes behaupten würde –, dass es funktioniert. Wir liegen in diesem Bereich nicht Bei der aktuellen Diskussion um die Pflege habe ich schon schlecht. Wir sind nicht perfekt, denn es gelingt uns nicht die Sorge, dass es passieren könnte, dass man die Stan- ganz, die Entwicklung zu stoppen. Aber wir erreichen doch dards medizinischer Notwendigkeiten so hoch schraubt, recht gut, dass auch junge Familien in entlegenen Gebieten das kleine Heime in kleinen Gemeinden, die aber sehr bleiben. Zu den nötigen Voraussetzungen gehört beispiels- beliebt sind bei den Leuten, wirtschaftlich keine Überle- weise das Vorhandensein einer ordentlichen Wasserversor- benschancen haben. Dort müssen wir schauen, dass wir gung in der Gemeinde. Es ist auch ein Vorteil, wenn es eine ein Maß finden, das noch umsetzbar ist und wir nicht vor Schule im Ort gibt. Haben wir aber eine Bundeskompetenz, lauter gutem Willen und Lobbyismus das gute Maß verlie- meine Damen und Herren, weiß ich nicht, ob – wenn das ren. Und es gilt natürlich, bei dieser Analyse auch eines Geld knapp ist und es ist knapp – irgendjemand nicht auf anzusprechen, das heute schon mehrfach betont wurde. die Idee kommt, die Schlüssel zu verändern, das heißt viel- Der Vorteil der Kleinräumigkeit, der Überblickbarkeit des

Seite 30 „Dazuschauen Könnens“ hat den Nachteil, dass – in einer wirklich Grundsätze, die Spielräume lassen. Ordentliche Welt, in der die Mobilität enorm zugenommen hat und in Mechanismen, die sicherstellen, dass da nicht irgendeine vielen Bereichen natürlich die Gemeindegrenzen, und weit bürokratische Institution ins Detail hinein regelt. Die Kunst mehr als nur die Gemeindegrenzen, überschritten werden – ist heute nicht mehr die Frage, wie ordnen wir Sachbereiche teilweise auch großräumigere Lösungen notwendig werden. eindeutig zu? Das ist eine weitverbreitende Illusion, aber sie wird dadurch nicht besser, dass sie jetzt von der Bun- Um diesem modernen Bedürfnis der Menschen entgegen- desregierung wieder aufgenommen wird. Die Kunst besteht zukommen und zu entsprechen, gilt es, Kooperationen heute darin, großräumig eben nur Grundsätze und Stan- zu entwickeln. Gefordert sind unsere Intelligenz und die dards zu fixieren, partnerschaftlich und gemeinsam, recht Selbstverwaltungsfähigkeit der Gemeinden, die unbedingt beweglich, nach Sachbereichen auch recht unterschiedlich. erhalten bleiben muss. Wir sagen klar: Kooperation und Das kann sich im Laufe der Zeit auch ändern. So kommen nicht Fusion oder gar Zwangsfusion. Aber die Kooperation wir der Realität am nächsten. Spielräume für die Regionen muss funktionieren, noch besser funktionieren, als es vor innerhalb von Grundsätzen. Das wäre eine zukunftsorien- der Kooperation der Fall war. Ich bin sehr dankbar, dass dies tierte, partnerschaftliche und grundlegende Reform und es der Gemeindeverband aktiv betreibt und ich bin froh, dass ist sehr, sehr bedauerlich – ich sage das jetzt noch einmal die Partnerschaft zwischen dem Land und dem Gemein- –, dass die Bundesregierung und auch die Sozialpartner deverband so gut funktioniert. Ich würde mir wünschen, – vor allem die Wirtschaft auf Bundesebene – wieder in dass die Partnerschaft zwischen Bund und Ländern so gut den alten Trott der Notwendigkeit der absoluten Trennung funktionieren würde. Dort gibt es Verbesserungspotential, der Kompetenzen verfällt. Das bringt uns nicht wesentlich vor allem, was die Praxisbezogenheit und den Tiefgang der weiter. Diskussion betrifft. Etwas weniger Überschriften und etwas mehr Bezug zur praktischen Realität würde dort ganz enorm Damit darf ich nun schließen und mich entsprechend un- helfen – auch in der Diskussion um eine Staatsreform, wo serer Tradition einer beispielhaften Jugendinitiative wid- nämlich das Ländermodell, was die Kompetenzen angeht, men. Das hier anwesende Jungendsymphonieorchester der Versuch eines Kooperationsmodells ist, das sich ein macht nicht nur wunderschöne Musik, sondern engagiert Stück weit davon verabschiedet, dass man in einer mo- sich in vielfältiger Weise auch sozial. Mehrere Jahre hin- dernen Welt in der Lage sei – wie vor 150 Jahren, wo man durch hat es Konzerte und die Erlöse von Konzerten sozi- das noch konnte – Lebensbereiche wirklich eindeutig und alen Zwecken gewidmet. Die Aktion „Jugend vor den Vor- guten Gewissens einer Ebene zuzuordnen. Das geht heute hang“ dient – das wissen Sie – dem Ziel, der Öffentlichkeit nicht mehr, auch wenn man sich wünschen könnte, dass bekannt zu machen, dass Jugendliche in unserem Land es so wäre. sehr viel mehr tun – und zwar Positives mehr tun –, als sie tun müssten. Das in der Öffentlichkeit transportierte Es gibt heute keinen Bereich mehr, wo ich – auch als über- Klischee, dass Jugendliche eher mit negativen Aktivitäten zeugter Föderalist – sagen würde, die Europäische Union verbunden werden, entspricht nicht der Realität. Dieses habe dort überhaupt nichts verloren. Praktisch überall Orchester ist ein Beispiel dafür und ich darf ihnen nun als braucht man bei unserer Lage bestimmte Grundstandards, Dank den Jugend-Bravo überreichen und eine Einladung zur großräumige Grundsätze, die nicht nur nationale, sondern Oper „Tosca“ für die Bregenzer Festspiele übergeben. Ich – eben weil Lindau näher ist als Eisenstadt – europäische hoffe sie haben Freude damit. Standards sein sollten. Aber eben nicht im Detail und nicht parzellenscharf bei jedem „Kleinschmarren“, sondern

Seite 31 Einladung

zum Symposium "Der Vorarlberger Landtag und die Gemeinden"

Seite 32 Der Vorarlberger Landtag und seine Gemeinden

Symposium des Vorarlberg Landtages Bregenz, Landhaus, 22. Oktober 2008

In bewährter Partnerschaft Landtagsvizepräsidentin Dr. Gabriele Nußbaumer

Gemeinden sind bürgernah Bürgermeister Mag. Wilfried Berchtold, Präsident des Vorarlberger Gemeindeverbandes

Der Landtag und die Gemeinden im Spiegel der Landtagsdebatten Landtagsdirektor Univ.-Doz. Dr. Peter Bußjäger

Die verfassungsrechtliche Position der Gemeinden in Vorarlberg – Bestandsaufnahme und Ausblick Univ.-Prof. Dr. Karl Weber

Bemerkungen zur Entwicklung des Gemeindewahlrechts in Vorarlberg Dr. Elmar Häusler

Diskussion

Empfang

Seite 33 Seite 34 Festveranstaltung „Ein selbständiges Land mit autonomen Gemeinden“ Bregenz, Landhaus, 3. November 2008 Gabriele Nußbaumer (geb. 1956 in), Dr. iur., seit 1999 Mitglied des Vorarlberger Landtages, seit 2004 Landtagsvizepräsidentin

In bewährter Partnerschaft

Gabriele Nußbaumer

Es freut mich sehr, Sie alle im Gedenkjahr „200 Jahre Ge- Ihnen allen ein herzliches Dankeschön für Ihre Bereit- meindeorganisation in Vorarlberg“ zu unserer heutigen schaft, als Experten diesen Abend mit Ihren profunden Aus- Fachtagung „Der Vorarlberger Landtag und die Gemeinden“ führungen und Meinungen zu bereichern und uns so Stoff hier im Montfortsaal begrüßen zu können. für die anschließende Diskussion zu liefern.

Ich darf Ihnen auch die Grüße unseres Landtagspräsidenten Die Gemeinden sind auf vielfältige Weise mit dem Landes- Gebhard Halder übermitteln, der wegen einer Erkrankung parlament verbunden, was sich etwa darin zeigt, dass das diesen Termin kurzfristig absagen musste. Gemeindegesetz und das Gemeindewahlrecht im Landtag beschlossen werden. Auch die finanziellen Beziehungen Einen herzlichen Willkommensgruß darf ich dem Prä- zwischen dem Land und den Gemeinden beruhen auf sidenten des Vorarlberger Gemeindeverbandes, dem Feld- Beschlüssen des Landtages. Darüber hinaus spielen die kircher Bürgermeister, Herrn Mag. Wilfried Berchtold, ent- Gemeinden in der Verfassungsstruktur des Landes eine bieten. wichtige Rolle und wirken an der Landesgesetzgebung auf verschiedene Weise mit. Ich begrüße auch sehr herzlich die Referenten des heutigen Abends: Eines der wichtigsten Ziele unserer Landespolitik ist es, die guten Lebensverhältnisse in unserem Lande zu sichern. Herrn Landtagsdirektor und Leiter des Föderalismusinsti- Den Gemeinden kommt dabei eine ganz entscheidende Be- tuts, Dozent Dr. Peter Bußjäger, der uns über den Landtag deutung zu. und die Gemeinden im Spiegel der Landtagsdebatten infor- mieren wird. Ein - wie ich meine - schier unerschöpfliches Dank einer guten Gemeindeförderung und des vielfältigen Thema, da die Gemeinden immer wieder Gegenstand von Engagements der Gemeinden verfügen wir über eine aus- Diskussionen im Landesparlament sind. gezeichnete kommunale Infrastruktur. Auch die Zusam- menarbeit zwischen Land und Gemeinden kann als sehr Herrn Professor Dr. Karl Weber von der Universität Inns- gut bezeichnet werden. Das Land hat bereits in der Vergan- bruck. Er wird die verfassungsrechtliche Position der Ge- genheit die Entwicklung der Gemeinden in bewährter Part- meinden beleuchten, eine Bestandsaufnahme vornehmen nerschaft gefördert und das Zusammenspiel, die Koopera- und uns einen Ausblick dazu geben. tion zwischen Land und Gemeinden, darf in unserem Land als sehr gut beschrieben werden. Im Zeichen geänderter Herrn Hofrat Dr. Elmar Häusler, der als langjähriger Leiter Aufgabenstellungen, denen vor allem auch die Gemeinden der für das Gemeinderecht zuständigen Abteilung im Hause unterworfen sind, muss sie aber auch angepasst, teils neu als Experte und Kenner einen Blick auf die Entwicklung des ausgerichtet werden. Und diese Bereitschaft gilt es, immer Gemeindewahlrechts in unserem Land wirft. wieder auf beiden Seiten einzufordern.

Seite 35 Die Gemeinden sind auch erste Ansprechpartner, wenn es um die Anliegen und Belange der Bürgerinnen und Bürger geht. Laut einer vom Landtag und vom Institut für sozial- wissenschaftliche Regionalforschung in Auftrag gegebenen Meinungsumfrage sind 82 Prozent der Bevölkerung die Ge- meindevertretungen wichtig bis sehr wichtig.

Nicht verschweigen will ich, dass hier an zweiter Stelle mit 72 Prozent bereits der Landtag folgt. Wesentlich weniger bedeutsam sind mit 38 Prozent der Nationalrat und mit 34 Prozent das Europäische Parlament. Dies zeigt eindrücklich ein Bekenntnis zu den bestehenden Strukturen.

Die Menschen fühlen sich eben ihrem unmittelbaren Leben- sumfeld - den Gemeinden, ihrer Region - mehr verbunden.

Und noch eines förderte die Untersuchung zu Tage: Die Vorarlbergerinnen und Vorarlberger sehen ihre Interessen nicht nur durch die Gemeindevertretungen und den Land- tag besser wahrgenommen, sie sprechen sich in hohem Maße auch für mehr Kompetenzen auf regionaler Ebene aus.

Wir wollen mit diesem Symposium im Gedenkjahr „200 Jah- re Gemeindeorganisation in Vorarlberg“ einen Blick auf das Beziehungsgeflecht von Land und Gemeinden werfen und anhand dessen die Entwicklung näher beleuchten.

Ich wünsche Ihnen einen interessanten Abend und darf Sie jetzt schon im Anschluss zu einem kleinen Empfang einla- den.

Seite 36 Symposium „Der Vorarlberger Landtag und die Gemeinden“ Bregenz, Landhaus, 22. Oktober 2008 Wilfried Berchtold (geb. 1954 in Feldkirch), Mag. rer. soc. oec., seit 1991 Bürgermeister der Stadt Feldkirch und seit 1995 Präsident des Vorarlberger Gemeindeverbandes (Österreichische Volkspartei)

Gemeinden sind bürgernah

Wilfried Berchtold

Vorab ein herzliches Dankeschön an Landtagspräsident Gemeinden sind bürgernah Gebhard Halder und Landtagsdirektor Dr. Peter Bußjäger für das Zustandekommen der heutigen Veranstaltung, die Vorarlberg ist jenes Bundesland, das den Föderalismus am dazu dienen soll, das Verhältnis zwischen Gemeinden und vehementesten einfordert. Was auf staatlicher Ebene gilt, Landtag näher zu beleuchten. nämlich nur jene Aufgaben an die größere Einheit zu dele- gieren, die sie nicht selber wahrnehmen kann, gilt im Sinne Ein Dankeschön aber auch an den Ideengeber der Veran- der Subsidiarität zwischen Land und Gemeinden. staltungsreihe „200 Jahre Gemeindeorganisation in Vorarl- berg“, an Dr. Ulrich Nachbaur, der den Anstoß für ein hoch Die Gemeinden sind dabei jene staatlichen Einrichtungen, interessantes und vielfältiges Programm gegeben hat, das die den Bürgerinnen und Bürgern am nächsten stehen und bis Jahresende insgesamt 42 (!) verschiedene Veranstal- im Zeitalter der Globalisierung kommt ihnen eine zuneh- tungen umfassen wird und dem diesjährigen Jubiläum der mend bedeutendere Rolle zu. Gemeinden auf hervorragende Weise gerecht wird. Gratu- lation! Von der „Wiege bis zur Bahre“ sind die Gemeinde Ansprech- partnerin, Servicestelle und Dienstleisterin für unsere Bür- Bedeutung des Landtags für Gemeinden gerinnen und Bürger. Es gibt kaum Bereiche, in welche die Gemeinde nicht eingebunden ist: Kinderbetreuung, Anlässlich des Vorarlberger Gemeindetages am 6. Juni Schule, Daseinsvorsorge, Sicherheit, Altenpflege, Freizeit- dieses Jahres in Götzis haben wir in einem eigenen Festakt gestaltung und vieles mehr. der Geburtsstunde der Gemeindeorganisation in Vorarlberg gedacht. Die bayerische Gemeindereform von 1808 war es, Gemeinden in Gesetzgebung eingebunden die den Grundstein für eine demokratische Selbstverwal- tung der Gemeinden in Vorarlberg gelegt hat. Es hat viele Um all diese Aufgaben im Sinne der Bürger wahrnehmen zu Jahrzehnte gedauert, bis die moderne Gemeindeorganisati- können, braucht es entsprechender Rahmenbedingungen: on die heutige Form angenommen hat. Eine entscheidende Rolle hat dabei stets der Vorarlberger Landtag gespielt, Ich spreche dabei nicht nur von entsprechender finanzieller denn im Rahmen der bundesstaatlichen Verfassung ist er Ausstattung, sondern ebenso von der Mitwirkung der Ge- es, der die Aufgaben der Gemeinden und ihre Organisation meinden an der Gesetzgebung von Land und Bund. festlegt. Der Vorarlberger Landtag hat mit der Gemeindeverfassungs- Es freut mich daher sehr, dass im Rahmen der Veranstal- novelle im Jahre 1969 Neuland betreten, als es darum ging, tungsreihe zu „200 Jahre Gemeindeorganisation in Vorar- die Gemeinden stärker in den Gesetzgebungsprozess ein- lberg“ auch der Vorarlberger Landtag in einem eigenem zubinden: Symposion die Beziehungen zwischen der gesetzgebenden Körperschaft des Landes und der Gemeinden beleuchtet – Damals wurde die bis heute bestehende Möglichkeit ge- rück- aber auch vorausblickend. schaffen, dass zehn Gemeinden eine Volksabstimmung in- itiieren und damit auf einen Landtagsbeschluss einwirken

Seite 37 Elmar Häusler, Karl Weber, Peter Bußjäger, Gabriele Nußbaumer, Wilfried Berchthold

können. Dass dieses Instrumentarium bislang noch nicht Danke für gute Zusammenarbeit mit eingesetzt werden musste, zeigt deutlich, wie groß das dem Gemeindeverband gegenseitige Bemühen auf Landes-, aber auch auf Gemein- deseite nach sachgerechten Lösungen ist. Dem Land Vorarlberg war es stets wichtig, einen Ansprech- partner zu haben, der die Anliegen der Vorarlberger Ge- Gemeindevertreter bringen Bürgernähe in den meinden koordiniert und vertritt. Der Vorarlberger Ge- Landtag meindeverband nimmt diese Rolle wahr und ich bin stolz, dass wir in den letzten Jahrzehnten eine Vertretung aufbau- Traditionell sind viele Gemeindevertreter auch Mitglied des en konnten, die seitens des Landes als Ansprechpartner Landtags. (Im Jahre 1984 wurden sogar acht Bürgermeister ernst genommen und entsprechend eingebunden wird. in den Landtag gewählt.) Und wenn auch immer wieder Diese Stärke des Gemeindeverbandes gründet nicht zuletzt Stimmen laut werden, die sich dagegen aussprechen, dass darin, dass der Vorarlberger Gemeindeverband als einziger Bürgermeister ein Landtagsmandat bekleiden, so möchte Gemeindeverband in Österreich alle Gemeinden vertritt. ich gerade bei dieser Gelegenheit betonen, wie wichtig auch die Bürgernähe für den Landtag ist. Und diese Bürgernähe Als Präsident des Gemeindeverbandes möchte ich die heu- ist nicht zuletzt durch die Bürgermeister, Vizebürgermeister tige Veranstaltung dazu nutzen, unseren Partnern in der und Gemeinderäte in diesen Gremien in besonderer Weise Landesregierung zu danken für die gute Zusammenarbeit sichergestellt. in den letzten Jahren. Ich verbinden damit den Wunsch, dies auch in Zukunft in ähnlicher Weise fortführen zu kön- nen – im gemeinsamen Interesse, vor allem aber zum Wohl der 367.300 BürgerInnen und Bürger in den 96 Vorarlberger Gemeinden.

Seite 38 Symposium „Der Vorarlberger Landtag und die Gemeinden“ Bregenz, Landhaus, 22. Oktober 2008 Peter Bußjäger (geb. 1963 in Bludenz), Univ.-Doz. Dr. iur., seit 2003 Direktor des Vorarlberger Landtages und seit 2001 Direktor des Instituts für Föderalismus in Innsbruck.

Der Vorarlberger Landtag und die Gemeinden im Spiegel der Landtagsdebatten 1861 bis 2008 Peter Bußjäger

1. Einleitung: Das Land und die Gemeinden – 2. Der Landtag und das Gemeindegesetz – eine Einführung eine Kernaufgabe des Landtages

Staatsrechtlich betrachtet bilden die Gemeinden – noch a) Meilensteine immer – eine Untergliederung des Landes, auch wenn sie sich rechtlich und faktisch bereits so stark von den Ländern Es ist für das Verhältnis von Landtag und Gemeinden be- emanzipiert haben, dass man in Österreich von einem so- zeichnend, dass zu den ersten vom Vorarlberger Landtag genannten Drei-Ebenen-Föderalismus spricht, also Bund, beschlossenen Gesetzen (nachdem der Landtag mit dem Länder und Gemeinden. umfassend. Februarpatent 1861 eingerichtet worden war) die erste Vorarlberger Gemeindeordnung gehörte, die im Land selbst Unter Einbeziehung der europäischen Ebene ergibt dies ein kreiert wurde. Seit 1861 lassen sich in der Entwicklung des so genanntes Mehrebenensystem mit einer vierfach gestuf- Vorarlberger Gemeinderechts fünf bzw. sechs Meilensteine ten öffentlichen Aufgabenbesorgung, die trotz aller Unter- erblicken, je nachdem, ob man die 1998 verankerte Direkt- schiede in der staatsrechtlichen Ausformung heute schon wahl des Bürgermeisters als solchen betrachten will oder fast in ganz Europa den Regelfall bildet. nicht.

Das Land unterscheidet sich in einem wesentlichen Punkt Letztere wird hier ausgeblendet, weil die Entwicklung von den Gemeinden: es ist Träger von Gesetzgebungshoheit des Gemeindewahlrechtes Gegenstand des Beitrags von und gemäß Art. 115 Abs. 2 der Bundesverfassung zuständig, Elmar Häusler „Bemerkungen zur Entwicklung des Ge- innerhalb der mitunter recht eng gezogenen Schranken der meindewahlrechts von 1864 bis 2008“ ist. Bundesverfassung die Gemeindeorganisation und die Ge- meindeaufsicht zu regeln. Demnach sind die großen Meilensteine neben der Ge- meindeordnung 1864 die Gemeindeordnungen 1904 und Wenn man das Verhältnis zwischen Landtag und Gemeinden 1935, das Gemeindegesetz 1965 und die Novelle zum Ge- näher beleuchten will, stellen sich verschiedene Fragen: meindegesetz 1985. t 8FMDIFO  &OUXJDLMVOHFO LFOO[FJDIOFO EBT(FNFJOEF Die großen Zeitspannen zwischen diesen Meilensteinen, recht? innerhalb deren freilich auch immer wieder kleinere Novell- t 8FMDIF%FCBUUFOŸCFSEJF(FNFJOEFOXVSEFOJN-BOE ierungen erfolgten, veranschaulichen, dass Kontinuität ein tag geführt und welche Haltungen zu den Gemeinden wesentliches Merkmal der Entwicklung des Vorarlberger wurden typischerweise eingenommen? Gemeinderechts darstellt. Man kann zahlreiche Instituti- t 8BSFOEJF(FNFJOEFO1BSUOFSPEFSXVSEFOTJFBMTFJOF onen des heutigen Gemeinderechts bis zur Gemeindeord- dem Landuntergeordnete Körperschaft behandelt? nung 1864 zurückverfolgen und wohl noch in die Zeit davor, t 8JFXBSFOEJF(FNFJOEFOJN-BOEUBHWFSUSFUFO  wenngleich unter anderen Bezeichnungen.

Anhand einiger Beispiele aus der Landtagsgeschichte soll Dies ist aber - wie noch zu zeigen sein wird - lediglich der nunmehr versucht werden, diese Fragen zu beantworten, äußere Eindruck. Tatsächlich war die Entwicklung differen- ohne dabei den Rahmen zu sprengen. zierter, vielfältiger und keineswegs geradlinig, sondern von zahlreichen Verwerfungen geprägt, die Ausdruck der jewei- ligen Zeithaltung waren.

Seite 39 b) Zäsuren 1863 widmete der Landtag der Gemeindeordnung nicht we- niger als acht volle Sitzungen. Der stenographische Bericht Wie war es überhaupt zur ersten Gemeindeordnung Vor- umfasste 250 Seiten, was heutzutage seinesgleichen sucht. arlbergs gekommen? Das 1815 auch für Vorarlberg einge- führte Allgemeine Bürgerliche Gesetzbuch aus dem Jahre Dieses Gesetz erhielt allerdings vorerst nicht die er- 1811 hatte noch in den §§ 21 und 27 vorgesehen, dass die forderliche kaiserliche Sanktion. Erst nachdem der Landtag Gemeinden, da sie wie „Rasende, Wahnsinnige oder Blöd- ein Jahr später allen von der Regierung gewünschten Abän- sinnige unfähig sind, ihre Verhältnisse selbst gehörig zu derungen Rechnung trug, konnte das Gesetz als Gemeinde- besorgen, unter einer besonderen Vorsorge der öffentlichen ordnung 1864 in Kraft treten. Dennoch war das Gesetz ein Verwaltung stehen“. Diese Bestimmung, die mit der Zeit in- Meilenstein, es war die erste moderne Gemeindeordnung haltlich obsolet geworden war, wurde jedoch erst mit dem Vorarlbergs. neuen Gemeindegesetz des Jahres 1965 formell aufgeho- ben.1 Auf die näheren Institutionen der alten Gemeindeordnung einzugehen, wird bewusst verzichtet. Es würde den Rah- 1849 hat das provisorische Gemeindegesetz des Kaisers men sprengen. Es sei lediglich angemerkt, dass wesent- für die gesamte Monarchie den legendären Leitsatz auf- liche Institutionen des heutigen Gemeinderechts bereits gestellt, der praktisch jedem Juristen bekannt ist: „Die in der Gemeindeordnung von 1864 enthalten waren: Die Grundfeste des Staates ist die freie Gemeinde“. Deutlicher Gemeindevertretung, der Gemeindevorstand, der Gemein- kann der Unterschied zwischen dem Metternichschen Poli- devorsteher (Bürgermeister), die Unterscheidung zwischen zeistaat und der revolutionären Ordnung nicht beschrieben dem eigenen und übertragenen Wirkungskreis. werden, wenngleich „nur“ knapp mehr als 30 Jahre dazwi- schen lagen. 1867 wurde die Rahmengesetzgebung des Reiches bereits wieder abgeschafft. Die Länder, die damals noch keine Sehr rasch wurde diese am Grundsatz der Subsidiarität Gliedstaaten eines Bundesstaates waren, sondern vielmehr orientierte Gesetzgebung wieder aufgegeben. 1851 wur- wie die Gemeinden nur eine Art Selbstverwaltungskörper de als eine der ersten Maßnahmen des erstarkten Neo- bildeten, erhielten nunmehr die umfassende Kompetenz absolutismus das provisorische Gemeindegesetz durch zur Regelung des Gemeindewesens. kaiserliches Patent wieder aufgehoben. Die Tage des Ne- oabsolutismus waren allerdings gezählt. Die Gemeindeordnung 1904 brachte von der Struktur her wenig Änderungen. Aus heutiger Sicht, nämlich vor 1862 wurde nach einigen Schwierigkeiten vom damaligen dem Hintergrund eines Erkenntnisses des Verfassungs- Reichsrat ein neues Reichsgemeindegesetz in Kraft ge- gerichtshofes,3 sind lediglich präzisere Regelungen über die setzt,2 das jedoch nur ein so genanntes Rahmengesetz Nutzung des sogenannten Gemeindegutes bemerkenswert. war. Die entsprechenden Ausführungsgesetze hatten die Weiters wurde eine Klärung des Verhältnisses von Heimat- 1861 neu eingerichteten Landtage zu erlassen. Von daher recht und Bürgerrecht vorgenommen. Das sogenannte Hei- ergab sich, dass eine der dringlichsten Aufgaben des neu- matrecht war für frühere Gemeinderechte noch von großer en Vorarlberger Landtages darin bestehen sollte, ein neues Relevanz, bildete es doch den Vorläufer der heutigen sozi- Gemeinderecht zu schaffen. alrechtlichen Ansprüche.4

Seite 40 Die nächste Zäsur stellte die Gemeindeordnung 1935 dar, Ortsgemeindeverbänden. In weiterer Folge traf sie präzi- von welcher Restbestände, wie die wohlbekannten Hand- sere Regelungen über das Gemeindegut, die im Grunde die und Zugdienste oder die wichtige Verpflichtung des Bür- Vorlage für das Gesetz über das Gemeindegut im Jahre 1998 germeisters, nach Beendigung seiner Funktion Akten und bildeten. andere Dokumente zu übergeben, auch heute noch in Kraft sind. Sie werden gelegentlich als Relikte feudalistischer Die Gemeindeordnung 1935 galt nach 1945 mit einigen An- Traditionen fehl interpretiert. Die Gemeindeordnung von passungen, die sich aus der Wiedererrichtung eines demo- 1935 war im Übrigen - wie man so schön sagt - ein Kind ih- kratischen Staates ergaben, weiter. Als mit der Novelle zum rer autoritären Zeit. Die Notwendigkeit zur Erlassung eines Bundesverfassungsgesetz 1962ein größerer Änderungsbe- neuen Gemeinderechts hatte sich aus der autoritären Ver- darf geschaffen wurde,7 wurde der Landesgesetzgeber neu- fassung des Ständestaates ergeben. Diese hatte zwar die erlich aktiv. Die Gemeindeverfassungsnovelle des Jahres Gemeindeselbstverwaltung beibehaltet, aber die demokra- 1962 hatte nämlich eine – im Vergleich zu anderen Bundes- tischen Strukturen in den Gemeindevertretungen, wie auf staaten – durchaus untypische Emanzipation der Gemein- der Bundesebene und im Landtag, zugunsten einer berufs- den mit sich gebracht. Diesen Beitrag behandelt jedoch ständischen Zusammensetzung beseitigt. Wesentlichster Karl Weber in seinem Referat. Inhalt war die Stärkung des von den Gemeindetagen ge- wählten Bürgermeisters. Den von zwei Juristen privat ver- Das Gemeindegesetz 1965 trug nicht nur den Anforderungen fassten erläuternden Bemerkungen in der kommentierten des Bundesverfassungsgesetzes Rechnung, sondern stellte Gesetzesausgabe zufolge sollte „tiefer Sinn seiner Stellung eine grundlegende Modernisierung des Gemeinderechtes die unlösbare Verankerung mit alemannisch-demokra- dar. tischer Führungsart“ sein. Weiters heißt es: „In unserem Lande dürfen wir darauf vertrauen, dass der wirtschaftlich Man geht wohl nicht fehl, das Gemeindegesetz 1965 als die und politisch gesunde Sinn unseres Volkes in der Wahl der größte gesetzgeberische Leistung des Landes im Zeitraum Bürgermeister den rechten Weg finden wird.“5 zwischen 1945 bis 1970 zu bezeichnen. Erst in den frühen 70er Jahren wurden Gesetze mit vergleichbarer Qualität Die erläuternden Bemerkungen des Kommentars verwiesen und Bedeutung geschaffen, wie etwa das Sozialhilfegesetz unter anderem auf die „unter gewissenhaften, von großem 1971, das Baugesetz 1972, das Raumplanungsgesetz 1973 Ernste getragenen Beratungen durch den Landtag“. Die Be- und das erste Landesbedienstetengesetz 1972. ratungen im Plenum jedenfalls waren freilich nur äußerst kurz gewesen. Außer dem Berichterstatter meldete sich Ein besonderes Merkmal des Gemeindegesetzes 1965 war kein Abgeordneter zu Wort.6 Die Ausführungen des Bericht- die intensive Beteiligung des Landtages. Nicht nur, dass die erstatters verweisen allerdings auf die erfolgten Ausschuss- Beratung im Plenum intensiv und das Niveau hochstehend beratungen und ein Gutachten des Landtages zu einem vo- war. Wie 1863, also knapp über 100 Jahre zuvor, erfolgten rangegangenen Regierungsentwurf, was darauf schließen äußerst eingehende Beratungen. lässt, dass die Beratungen doch intensiver waren, als es den Anschein haben mag. Die Regierungsvorlage wurde im Rechtsausschuss noch- mals überarbeitet, wobei freilich fast nur legistisch - tech- Immerhin erweiterte die Gemeindeordnung 1935 die Mög- nische und sprachliche Änderungen erfolgten. Wie den lichkeit der Zusammenarbeit zwischen den Gemeinden Landtagsprotokollen entnommen werden kann, wurde das durch die Schaffung von Verwaltungsgemeinschaften und Gesetz, das ja von vielen einfachen Gemeindevertretern

Seite 41 verstanden werden sollte, „einer sprachlichen Überprüfung 1935 der Landtag berufsständisch zusammengesetzt war, durch Sachverständige auf dem Gebiet der Legistik“ unter- ist ein Vergleich allerdings nicht zulässig. zogen.8 Diese Übung wurde später nur noch einmal, näm- lich im Zuge der Erarbeitung des Jugendgesetzes im Jahre Die Novelle 1988 erhielt nur die Unterstützung der ÖVP und 1998 wiederholt.9 der FPÖ. Die Sozialdemokraten und die Grünen, die gerade ein halbes Jahr zuvor erstmals in der Geschichte des Vorar- Eine umfassende Novelle des Vorarlberger Gemeindege- lberger Landtages in das Landesparlament eingezogen wa- setzes erfolgte im Jahr 1985, also genau 20 Jahre später.10 ren, verweigerten die Zustimmung. Die Sozialdemokraten Die direkte Demokratie in den Gemeinden wurde erleichtert, bemängelten, dass die unmittelbare Demokratie nicht weit die Informationsrechte der Gemeindevertreter erweitert, genug reiche und erachteten das Gemeindegesetz als ein die Bildung von Berufungskommissionen ermöglicht. Die zu enges „Korsett“ für die Gemeinden. Ein wesentlicher Möglichkeit eines Misstrauensvotums gegenüber dem Bür- Punkt war weiters, dass der Gemeindevorstand nicht min- germeister wurde eingeführt. Diese Novelle markiert im We- destens ein Viertel der Zahl der Gemeindevertreter betrug, sentlichen den gegenwärtigen Stand des Gemeinderechts. wie dies die Sozialdemokraten gefordert hatten.11 Die grün- alternativen Abgeordneten hielten das Gemeindegesetz für c) Bewertung zu wenig direktdemokratisch und umweltfreundlich.12

Betrachtet man die Rechtsentwicklung rückblickend, so fällt Die Entwicklung des Vorarlberger Gemeinderechtes ent- auf, dass von einem wesentlichen Aspekt, nämlich dem Ge- sprach der zunehmenden Emanzipation der Gemeinden. meindewahlrecht, abgesehen, die Impulse für Änderungen Während die Gemeindeordnungen vor dem Ersten Welt- des Vorarlberger Gemeinderechts in den meisten Fällen von krieg die Gemeinden tatsächlich zumindest teilweise wie außen kamen: Grundlage der Gemeindeordnung von 1864 Unmündige behandelten und die Gemeindeordnung 1935 war das Reichsgemeinderahmengesetz von 1862, das über- vor allem den autoritären Bürgermeister im Fokus hatte, ist haupt erst eine Kompetenz des Landes zur Regelung des das Gemeindegesetz 1965 von einer deutlichen Betonung Gemeinderechts schuf. Die autoritäre Bundesverfassung der Selbständigkeit der Gemeinde geprägt, die auch darin 1934 führte zur Gemeindeordnung 1935, die Gemeindever- zum Ausdruck kam, dass erstmals die 96 Gemeinden im fassungsnovelle 1962 zum Gemeindegesetz 1965. Gesetz ausdrücklich angeführt wurden, dadurch als eine besondere Garantie ihrer Eigenständigkeit erhielten. Der Keines Impulses von außen bedurfte hingegen die Novelle Abgeordnete Robert Bösch von der FPÖ hatte recht, wenn er 1985, die jedoch stark von der Novelle zur Landesverfas- sagte: „Durch das Gemeindegesetz 1965 wird die Gemein- sung 1984 beeinflusst war. deautonomie auf einen Stand aufgewertet, wie wir ihn aus der Geschichte kaum kennen.“13 Kennzeichnend für einen sehr weitreichenden Grundkon- sens über die Bedeutung der Gemeinde als Trägerin der Auch was die innere Organisation der Gemeinden betrifft Verwaltung war die Tatsache, dass das Vorarlberger Ge- ging die Tendenz – abgesehen von der rückschrittlichen Ge- meindegesetz 1965 einstimmig verabschiedet worden war. meindeordnung 1935 – stetig in Richtung Demokratisierung, Hinsichtlich der Vorläuferregelungen war dies zwar auch Aufwertung der Rechte der Gemeindevertreter, Transparenz der Fall, auf Grund der anderen Zusammensetzung des gemeindlicher Entscheidungen und verbesserter und effi- Landtages, sei es, weil es in der Zeit zwischen 1861 und zienterer Rechtskontrolle. Auf der anderen Seite wurde die 1918 keine Parteienlandschaft wie heute gab, sei es, weil rechtliche Dichte der Gemeindeaufsicht reduziert.

Seite 42 Den einen mag diese Entwicklung zu langsam, den anderen Bereits in den Folgejahren wurde die Landesumlage massiv zu schnell vor sich gegangen sein – Faktum ist, dass diese gesenkt und gleichzeitig die Gemeindeförderung intensi- Entwicklung unleugbar vorhanden ist. viert. Diese Anpassungen wurden vom Landtag jeweils ein- stimmig, anlässlich der erforderlichen Anpassungen an die bundesrechtlichen Rahmenbedingungen, insbesondere 3. Zwischen Landesumlage und Gemeindestruktu- der Finanzausgleichsgesetze, beschlossen. ren: Ein altes und ein neues Thema im Landtag Kritik an der Landesumlage seitens der Sozialdemokraten Unter den vielen sonstigen Themen, die im Verhältnis zwi- konzentrierte sich in den 195916 und 196717 anlässlich fälliger schen Landtag und Gemeinden anzuführen wären, möchte Novellierungen des Gesetzes darauf, dass die Landesumla- ich zwei herausgreifen. Das erste zieht sich wie ein roter Fa- ge durch Verordnung der Landesregierung und nicht durch den durch die Landtagsdebatten vieler Legislaturperioden, den Landtag selbst festgesetzt werde. Dieser Kritik konnte nämlich die Landesumlage. sich 1967 auch die FPÖ anschließen.18

Sie ist heute recht umstritten. Von der ÖVP und der FPÖ Im Grundsatz blieb die Landesumlage und ihre Funktion un- wird sie als ein Instrument einer Art Finanzausgleich un- bestritten. Die Novelle 1986 wurde praktisch diskussions- ter den Gemeinden verteidigt, von Sozialdemokraten und los angenommen.19 Die nächste Novellierung 1994 erfolgte Grünen mehr oder weniger stark bekämpft und als Instru- ebenfalls einstimmig, wenngleich von ÖVP, SPÖ und FPÖ ment der Refinanzierung des Landes durch die Gemeinden beteuert wurde, dass die Landesumlage abzuschaffen wäre, betrachtet. wenn man sie nicht mehr brauchen würde.20 Einstimmig er- folgte auch die Änderung 1996, wenngleich ein Antrag der Ein Gesetz über die Einhebung einer Landesumlage wurde Sozialdemokraten, das Höchstausmaß der Landesumlage erstmals 1948 beschlossen, bis 1952 jährlich, jeweils für auf 6,3 Prozent herabzusetzen, abgelehnt worden war.21 ein Jahr, befristet. Die Höhe der Landesumlage wurde vom Landtag selbst festgesetzt. Dies wurde 1952 zu umständ- Erst in der laufenden Legislaturperiode des Landtags und lich und das Gesetz über die Einhebung einer Landesum- zwar 2006 und 2008 wurden Forderungen von SPÖ und lage beschlossen 14 die die Höhe der Landesumlage der Grünen artikuliert, die Landesumlage gänzlich abzu schaf- Verordnungsgebung der Landesregierung überließ.15 Alle fen. Hier wird also ein gewisses Aufbrechen eines einstmals diese Gesetze wurden einstimmig beschlossen. Das Ge- bestehenden Konsenses deutlich. setz fungierte in den ersten Jahren tatsächlich als eine Art Finanzierungsinstrument zugunsten des Landes, das nicht Es gibt aber auch neue Themen, was die Gemeinden und auf eigene Finanzierungsquellen zurückgreifen konnte. Die den Landtag betrifft, nämlich die in den letzten Jahren erst- Landesumlage war ursprünglich in der astronomischen mals zur Sprache gekommenen überkommenen Gemein- Höhe von 20 Prozent der ungekürzten Ertragsanteile der destrukturen. Auch wenn die Zahl der Gemeinden und ihr Gemeinden an den gemeinschaftlichen Bundesabgaben Territorium in der Geschichte des Landes immer wieder Ver- angesiedelt und wurde schließlich mit Verordnung auf 15 änderungen unterworfen waren, so bildeten diese Fragen Prozent eingeschränkt. Eine Verbesserung für die finanz- doch selten Gegenstand der Diskussionen im Landtag. schwachen Gemeinden ergab sich allerdings erst, als 1959 die Berücksichtigung der Finanzkraft der Gemeinde bei der Bemessung der Landesumlage eingeführt wurde.

Seite 43 Nach 1945 und nach dem Trauma zwangsweiser Gemeinde- 4. „Wenn es dem Land gut geht, dann geht es auch fusionen in der Zeit des Nationalsozialismus wurde die den Gemeinden gut.“ – Positionen der Fraktionen Existenz der 96 Gemeinden des Landes Vorarlberg durch zu den Gemeinden Jahrzehnte hindurch als praktisch unumstößliches Fak- tum gehandelt. Dies zeigt sich auch in der einstimmig ge- Die Entwicklung des Gemeinderechts, die veränderte Positi- tragenen Vorgangsweise des Landtages 1945, die in der on der Gemeinden im Laufe der Zeit ist eine Sache. Eine an- nationalsozialistischen Zeit erfolgten Gemeindefusionen dere ist die Frage, welche generelle Haltung des Landtags rückgängig zu machen, bzw. darüber Volksabstimmungen gegenüber den Gemeinden auszumachen ist. abzuhalten, sofern diese dem Volkswillen entsprachen.22 Der Landtag freilich ist keine monolithische Einheit, son- Keine Fraktion wollte die freie Entscheidungsmacht der Ge- dern besteht aus den verschiedenen Fraktionen, die, wie es meinde darüber anzweifeln ob sie ihre Existenz als eigen- der Natur des politischen Diskurses entspricht, auch völlig ständige Körperschaft aufgeben sollte oder ob sie Koopera- unterschiedliche Positionen einnehmen können. tionen eingehen wollte, anzweifeln. Hier brachten erst die letzten Jahre einen gewissen Wandel, indem erstmals die Vorweg sei eines klargestellt: Der Landtag bekannte sich Sozialdemokraten die Sinnhaftigkeit möglicher Gemeinde- stets nicht nur zur Institution der Gemeinde als solcher, fusionen prüfen lassen wollten.23 Einher mit – wenngleich sondern – und das ist das entscheidende – auch zur Ge- in der Minderheit verbleibenden – Zweifeln über die Effi- meindeselbstverwaltung. zienz der bestehenden Gemeindestrukturen geht die von allen Fraktionen einhellig getragene Forderung nach einer Nicht nur das. Es fand und findet im Grunde noch heute Verstärkung der Gemeindekooperationen.24 Solche wur- – zumindest verbal! - ein Wettbewerb um die gemeinde- den erstmals 2002 mit einem einstimmig angenommenen freundlichste Fraktion statt. Dabei spielte der Begriff des selbständigen Antrag, mit dem gefordert wurde, den Vorar- Föderalismus bei allen Fraktionen immer wieder eine Rolle. lberger Gemeindeverband bei der Entwicklung von Pilotpro- Ein gängiger Leitsatz war die Formel „Föderalismus auch jekten zu unterstützen, zum Thema gemacht.25 nach unten“, womit gemeint war, dass das Land nicht nur gegenüber dem Bund auf Föderalismus pochen sollte, son- Während man einen noch recht vagen Allparteien-Konsens dern sich vorbildlich föderal auch gegenüber den Gemein- über die Sinnhaftigkeit von Gemeindekooperationen fest- den verhalten sollte. stellen kann26, lassen sich für die Zukunft bereits erste Aus- einandersetzungen darüber prognostizieren, was die Frage Sämtliche Fraktionen verwendeten diesen Ausspruch, so der demokratischen Kontrolle der Gemeindekooperationen auch der Abgeordnete Winder im Jahre 1979: „Wir Sozia- betrifft. Die wohl noch nicht ganz zu Ende geführten Diskus- listen verlangen aber Föderalismus, nicht nur gegenüber sionen rund um den Stand Montafon dürften die Vorboten dem Bund, sondern auch nach unten gegenüber den Ge- einer neuen Entwicklung sein. meinden.“27 Diese Aussage war überhaupt der gängige Ar- gumentationstopos der Sozialdemokraten nach 1945.

Die zitierte Aussage hätte 1979 wohl auch nicht jenes Aus- maß an Resonanz gefunden, hätte der Abgeordnete nicht auch noch angefügt, dass Vorarlberg die schlechteste Gemeindeautonomie in Österreich habe und am zentral-

Seite 44 istischsten von allen Bundesländern verwaltet werde. Diese gebe.32 Landesrat Dr. Guntram Lins wurde folgender Leit- Aussage führte dem Landtagsprotokoll zufolge auch zu hef- spruch zugeschrieben: „Wenn es dem Land gut geht, geht tigsten Unmutsäußerungen seitens der Mehrheitsfraktion. es auch den Gemeinden gut.“33

Im Jahre 1991 wurde – diesmal von einer Vertreterin der Die Dichotomie Zentralismus und Föderalismus spiegelte Grünen – folgende Aussage getätigt: „Föderalismus kann sich auch in der Haltung gegenüber der Aufsicht über die nicht nur dahingehend interpretiert werden: Mehr Kompe- Gemeinden wieder. Im Prinzip war man sich bei der Be- tenzen für die Länder, weg vom zentralistischen Bund, son- schlussfassung des Gemeindegesetzes 1965 hinsichtlich dern wahre Föderalisten sind für uns jene, die ihren Födera- der Gemeindeaufsicht einig, dass diese weniger im Sinne lismus auch im eigenen Land praktizieren, das heißt mehr einer Kontrolle, als vielmehr unterstützend und beratend Kompetenzen der Gemeinden, mehr Kompetenzen in kleine ausgeübt werden sollte.34 Die Sozialisten teilten diese Auf- Einheiten.“28 fassung zwar im Grundsatz, waren jedoch der Meinung, dass der Katalog der Aufsichtsrechte über die Gemeinde Besonders bezeichnend ist in diesem Zusammenhang zu weit ging. Aus diesem Grunde wurde das Recht der Auf- eine Äußerung des Abgeordneten Dr. Kopf (WdU) aus dem sichtsbehörde, Vertreter zu Gemeindevertretungssitzungen Jahre 1952, der den Gemeinden geradezu Staatscharak- zu entsenden, abgelehnt.35 ter zubilligte: „Wenn wir beim Bunde sagen: Lass uns die uns verfassungsmäßig zustehende Autonomie und Selbst- Der Landtag der vergangenen Jahrzehnte war, so glaube ich verwaltung, dann müssen wir auch den Gemeinden das festzustellen zu können, insgesamt von einer merklichen gleiche zugestehen […] auch die Gemeinden verlieren mehr Zurückhaltung geprägt, was Eingriffe in die Organisation und mehr von dem gesunden Urprinzip, das man Gemein- der Gemeinden betraf oder auch die Behandlung interner deautonomie heißt und die Gemeinden sinken immer mehr Angelegenheiten der Gemeinde betraf. Diese Zurückhal- herunter zu kleinsten Verwaltungsorganismen, anstatt dass tung fand auch darin ihren Ausdruck, dass während Jahr- die Gemeinden kleine Staaten im Staate wären, so wie die zehnten Rechnungshofberichte, die die Gemeinden betra- Entwicklung aus Jahrhunderten heraus sie eigentlich ge- fen, im Landtag nicht behandelt wurden. schaffen hat.“29 An anderer Stelle tätigte Dr. Kopf 1953 fol- gende Aussage: „Ich habe die Auffassung, die Gemeinde Es deutet sich vielleicht auch hier ein gewisser Paradigmen- kann niemals eine Verwaltungsbehörde sein. Die Gemeinde wechsel an, wenn in der laufenden Gesetzgebungsperiode ist eine autonome Körperschaft und eine autonome Körper- von diesem Grundsatz Abstand genommen wird. Auch der schaft kann nie als Verwaltungsbehörde bezeichnet wer- immer wieder zu hörende Ruf nach einer Kontrolle aller Ge- den, weil sie für sich selber ein Staat im Staate ist…..30 meinden durch den Landes-Rechnungshof gehört zu einem solchen Paradigmenwechsel, der zwar, wie es scheint, nicht Sowohl die ÖVP, als auch die FPÖ, die sich verständlicher- die Landtagsmehrheit auf seiner Seite hat, aber andeutet, weise gegen den Vorwurf des Zentralismus gegenüber den dass das Verhältnis zwischen Landtag und Gemeinden in Gemeinden stets verwahrten, wendeten immer wieder ein, der Zukunft möglicherweise doch spannungsgeladener wer- dass das Land Vorarlberg „mit Abstand die höchste Ge- den könnte. Auffallend sind auch die immer zahlreicheren meindeförderung habe“,31 oder manifestierten, dass sich Anträge, die zur Änderung des Gemeindegesetzes einge- Land und die Gemeinden nicht auseinanderdividieren lie- bracht werden. Auch diese haben noch nicht die Landtags- ßen und es keine „Front zwischen Land und Gemeinden“ mehrheit hinter sich.

Seite 45 Vergleichsweise umstritten war im Jahre 1965 eine Bestim- dass sich unter den ÖVP-Abgeordneten, die, nebenbei ge- mung des Gemeindegesetzes, die es heute überhaupt sagt, auch die deutliche Mehrheit unter den Abgeordneten nicht mehr ist. § 67 des Gemeindegesetzes (heute § 71) stellen, besonders viele Bürgermeister befinden. Es sind beschränkte nämlich die Führung wirtschaftlicher Unter- dies seit 1945 nicht weniger als 24. Auch Abgeordnete der nehmungen durch die Gemeinde auf die Befriedigung FPÖ waren Bürgermeister, insgesamt vier. Und schließlich eines Bedarfs der Bevölkerung und auf den Umstand, die SPÖ: Sie hat nicht nur mit dem legendären Bregenzer dass der Bedarf durch einen Privaten nicht genauso befrie- Bürgermeister Fritz Mayer eine Bürgermeister gestellt, son- digt wird. Die Art und der Umfang des Betriebes müssen dern noch fünf weitere. Lediglich die Grünen haben in den in einem angemessenen Verhältnis zur Leistungsfähigkeit 24 Jahren, die sie nun unter wechselnden Bezeichnungen der Gemeinde stehen. Die ÖVP begründete diese Regelung dem Landtag angehören, noch keinen Bürgermeister im im Grunde mit wirtschaftsliberalen Erwägungen, die dem Landtag gestellt. Subsidiaritätsprinzip verpflichtet waren: Der Staat sollte nur tätig werden, wenn eine Leistung durch die Privaten Zwei Bürgermeister, Karl Tizian und Siegfried Gasser er- in unzureichender Weise erbracht wurde.36 Die Sozialisten klommen sogar das höchste Amt im Landtag und damit das lehnten eine solche Einschränkung der Wirtschaftstätigkeit zweithöchste im Land: Sie wurden Landtagspräsidenten. der Gemeinde ab,37 hingegen lag von der FPÖ eine konkrete Äußerung zu diesem Punkt nicht vor. Es lässt sich allerdings Noch zahlreicher als die Bürgermeister waren und sind wei- vermuten, dass diese Bestimmung unterstützt wurde. tere Gemeindefunktionäre, von den Vizebürgermeisterinnen und Vizebürgermeistern abwärts, über Gemeinderäte bis Die Einschränkung der freien wirtschaftlichen Betätigung hin zu den Gemeindevertretern im Landtag vertreten. Ihre der Gemeinde auf Zwecke der Daseinsvorsorge und die Zahl ist so groß, dass sie gar nicht zu ermitteln ist. Deutlich Subsidiarität gegenüber der privaten Leistungserbringung mehr als die Hälfte der gegenwärtigen Mitglieder des Vorar- steht durchaus in einem gewissen Spannungsverhältnis lberger Landtages übt noch ein Amt in einer Gemeinde aus. mit der bundesverfassungsrechtlich garantierten freien Dies unterstreicht die meines Erachtens durchaus positive wirtschaftlichen Betätigung der Gemeinde,38 was seither Verschränkung zwischen Gemeinden und Landtag auch in rechtlich nie problematisiert wurde. politischer Hinsicht.

5. Die Vertretung der Gemeinden im Landtag 6. Zusammenfassung und Ausblick Eine Darstellung des Verhältnisses des Landtages zu den Gemeinden kann nicht darauf verzichten, sich mit der Ver- Die Gemeinden waren und sind, wie der vorangegangene tretung der Gemeinden im Landtag auseinander zu setzen. Abschnitt gezeigt hat, nicht nur gut im Landtag vertreten, Tatsächlich haben Bürgermeister im Landtag – es herrscht das Bekenntnis zu den Gemeinden gehört gleichsam seit in Österreich allgemein keine Unvereinbarkeit dieser bei- jeher zum Allparteienkonsens im Vorarlberger Landtag. Der den Funktionen – stets eine maßgebliche Rolle, und zwar in Landtag hat sich bemüht, für möglichst große Kontinuität (fast) allen politischen Kräften gespielt. Auf Grund der Tat- im Gemeinderecht zu sorgen. sache, dass die weitaus überwiegende Zahl der Vorarlber- ger Gemeinden von Bürgermeistern geführt werden, die der Gewisse Paradigmenwechsel sind nichtsdestoweniger fest- ÖVP angehören oder ihr nahe stehen, verwundert es nicht, zustellen: In der Haltung der Fraktionen gegenüber der Lan-

Seite 46 desumlage etwa oder in der Einstellung gegenüber den In- 1 § 92 Gemeindegesetz, LGBl. Nr. 45/1965. strumenten der Gemeindeaufsicht: Während bis in die 60er 2 RGBl. Nr. 18/1862. Jahre ÖVP und FPÖ für eine relativ strenge Gemeindeauf- 3 Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom 11.06.2008, B 464/07. sicht eintraten, waren die Sozialdemokraten großzügiger. 4 Stenographische Sitzungsberichte [fortan: StenSib] 9. Vorarlberger Heute scheint sich diese Einstellung in gewisser Hinsicht Landtag [fortan: LT] 1. Session 1903, Beilage 40. umzukehren. 5 Alfons Troll/Fritz Schneider, Gemeindeordnung für das Land Vorarlberg, Bregenz 1935, S. 81. Ein anderes Thema ist erst seit wenigen Jahren Gegenstand 6 StenSib 15. LT 1935, 7. Sitzung 24.07.1935, S. 72. der Landtagsdebatten: Das Infragestellen bestehender 7 BGBl. Nr. 205/1962. Gemeindestrukturen kannte bislang keine Präzedenzfälle. 8 StenSib 20. LT 1965, 9. Sitzung 28./29.10.1965, S. 163. Der Grundkonsens über die notwendige Verstärkung von 9 Siehe auch StenSib 26. LT 1998, Beilage 74, und StenSib 27. LT 1999, 1. Gemeindekooperationen weist darauf hin, dass die geän- Sitzung 27.01.1999, S. 2. derten wirtschaftlichen und finanziellen Verhältnisse von 10 StenSib 24. LT 1985, Beilage 7. den Gemeinden ein neues Reagieren erfordern. 11 Siehe StenSib 24. LT 1985, 5. Sitzung 22.05.1985, S. 132 ff., die Wortmeldung des Abgeordneten Günter Keckeis (SPÖ), StenSib 24. LT Dennoch ist anzunehmen, dass Landtag und Gemeinden 1985, 5. Sitzung 22.05.1985, S. 132 ff. auch in Zukunft eng und mehr oder weniger harmonisch 12 Siehe ebenda, S. 137 ff., die Wortmeldung des Abgeordneten Manfred miteinander verbunden sein werden und zwar aus einem Rünzler (AL/VGÖ). Grund, den Finanzlandesrat Adolf Vögel im Jahre 1955 an- 13 StenSib 20. LT 1965, 9. Sitzung 28./29.10.1965, S. 171. führte: „Ich kann mir nicht vorstellen, dass ein Landtag, 14 StenSib 17. LT 1951, Beilage 19. dessen Abgeordnete ja alle aus der Gemeinde kommen, zum 15 StenSib 17. LT 1952, 2. Sitzung 14.01.1952, S. 14. Schaden der Gemeinde eine […]Gesetzgebung beschließen 16 Wortmeldung von Landtagsvizepräsident Pius Moosbrugger (SPÖ), würde, die vollständig gegen die Gemeinden geht.“39 StenSib 19. LT 1959, 4. Sitzung 21./22.12.1959, S. 66ff. 17 StenSib 20. LT 1967, 2. Sitzung 01.03.1967, S. 14 ff, Wortmeldung des Abgeordneten Dr. Walter Peter (SPÖ). 18 Ebenda, S. 19, Wortmeldung des Abgeordneten Alfred Eß (FPÖ, dagegen noch der Abgeordnete Werner Melter, FPÖ, StenSib 19. LT 1959, 4. Sitzung 21./22.12.1959, S. 67 f). 19 StenSib 24. LT 1986, 3. Sitzung 09.04.1986. 20 StenSib 25. LT 1994, 1. Sitzung 02.02.1994. 21 StenSib 26. LT 1996, 4. Sitzung 08.05.1996. 22 Gesetz über die Außerkraftsetzung der in den Jahren 1938 bis 1945 erfolgten Vereinigungen von Gemeinden, StenSib 16. LT, Beilage 13/1946; vgl. die Diskussion StenSib 16. LT, 3. Sitzung 21.03.1946, S. 3 f. 23 Der Selbständige Antrag „Finanzielle Auswirkungen möglicher Gemeindefusionen“ wurde in 2007 gegen die Stimmen der SPÖ abgelehnt (StenSib 28. LT 2007, Beilage 26 und 4. Sitzung 08.05.1997). 24 Siehe etwa StenSib 28. LT, Beilage 103/2006, und die darüber abgehaltene Diskussion in StenSib 28. LT 2007, 1. Sitzung 31.01.2007. 25 StenSib 27. LT 2002, 4. Sitzung 08.05.2002, zur Beilage 17/2002.

Seite 47 26 Dieser Allparteien-Konsens äußert sich beispielsweise in der einstimmig angenommenen Ausschussvorlage „Infrastrukturerhebung und Gemeindekooperation“, StenSib 28. LT 2007, Beilage 43. Siehe auch die Äußerung des Klubobmannes der ÖVP, Rainer Gögele, StenSib 28. LT, 1. Sitzung 31.01.2007: „Einigkeit besteht darin, dass inhaltlich etwas weitergehen muss, dass Gemeindekooperationen etwas Gutes sind.“ 27 StenSib 23. LT 1979, 2. Sitzung 21.03.1979, S. 40. 28 So die Abgeordnete Jutta Kräutler-Berger (Grüne Alternative), Sitzungsberichte XXV. Vorarlberger Landtag, 1. Sitzung 1991, S. 41. 29 StenSib 17. LT 1952, 10. Sitzung 29.12.1952, S. 151. 30 StenSib 17. LT 1953, 1. Sitzung 30.03.1953, S. 7. 31 StenSib 25. LT 1990, 10. Sitzung 12.-14.12.1990, S. 716, Landesrat Dr. Guntram Lins (ÖVP), 32 Ebenda, S. 787, Abgeordneter Günter Lampert (ÖVP), StenSib 25. LT 1990. 33 So die Abgeordnete Christine Werber (ÖVP), StenSib 25. LT, 6. Sitzung 04.-6.07.1990, S. 326. 34 Vgl. StenSib 20. LT 1965, 9. Sitzung 28./29.10.1965, S. 225, die Wortmeldung der Abgeordneten Elfriede Blaickner (ÖVPI, 35 Vgl. ebenda, S. 226, die Wortmeldung des Abgeordneten Dr. Walter Peter (SPÖ). 36 Vgl. ebenda, S. 172 ff., die Wortmeldung des Abgeordneten Dr. Martin Purtscher (ÖVP). 37 Vgl. ebenda, S. 168 f., die Wortmeldung des Abgeordneten Dr. Walter Peter (SPÖ). 38 Art 116 Abs 2 Bundes-Verfassungsgesetz. 39 StenSib 18. LT 1955, 9. Sitzung 19.12.1955, S. 74.

Seite 48 Symposium „Der Vorarlberger Landtag und die Gemeinden“ Bregenz, Landhaus, 22. Oktober 2008 Karl Weber (geb. 1953 in Hall/Tirol), o. Univ.-Prof., Dr. iur., seit 1991 ordentlicher Universitätsprofessor für Öffentliches Recht, Finanzrecht und Politikwissenschaft an der Universität Innsbruck.

Die verfassungsrechtliche Position der Gemeinden in Vorarlberg Bestandsaufnahme und Ausblick Karl Weber

I. Die verfassungsrechtliche Positionierung der galt ein verfassungsrechtliches Provisorium, das die Grund- Vorarlberger Gemeinden sätze des monarchischen Gemeinderechts in die Bundes- verfassung inkorporierte und bis weit hinauf in die Zweite Das Thema des Symposions „Der Vorarlberger Landtag Republik prolongierte. und die Gemeinden“ deutet zunächst auf die landesver - fassungsrechtliche Positionierung der Vorarlberger Ge- Die Organisation und die Aufgaben der Gemeinden sind meinden hin. Tatsächlich bleibt dem Landesverfassungs- in Österreich bundesverfassungsrechtlich detailliert ge- gesetzgeber nur wenig Spielraum für eine eigenständige regelt. Dies stellt an sich eine bundesstaatliche Anomalie landesverfassungsrechtliche Positionierung der Gemein- dar, die nur historisch erklärbar ist. Ein Blick in die Verfas- den im Lande. Die Gemeinden sind vielmehr durch die sungen unserer bundesstaatlichen Nachbarn zeigt, dass Bundesverfassung formell und materiell stark determi- das Gemeinderecht in weitem Umfang dem gliedstaatli- niert. Gleichwohl sind die Beziehungen der Gemeinden chen Gesetzgeber übertragen ist. Daher findet sich in den zum Landtag sehr intensiv. Allerdings ist die rechtliche bundesstaatlichen Verfassungen unserer Nachbarstaaten Beziehung zwischen Gemeinden und Landtag stärker auf im Wesentlichen lediglich die kommunale Bestandsga- einfachgesetzlicher Ebene angesiedelt als im Bereich des rantie, die Bundesverfassungen enthalten sich jedoch de- Landesverfassungsrechts. Wesentliche Kernaufgaben der taillierter Aussagen über Funktion und Organisation der Gemeinden werden landesgesetzlich geregelt. Das ge- Gemeinden. Aus den Materialien zur B-VG-Novelle 1962 samte Gemeindeorganisationsrecht als Ausführungsrecht ergibt sich deutlich, dass die österreichischen Gemeinden bundesverfassungsgesetzlicher Vorgaben, das Dienstrecht, diesen bundesstaatstypischen Weg nicht gehen wollten. Baurecht, Raumordnungsrecht, der große Bereich der So- Der Österreichische Gemeindebund und der Österrei- zial- und Kulturverwaltung, das kommunale Umweltrecht chische Städtebund, die die Gemeindeverfassungsnovelle und viele andere kommunale Aufgaben werden vom Lan- 1962 inhaltlich weitgehend vorbereitet hatten, wollten die desgesetzgeber, also vom Landtag geregelt. Dabei kommen Gemeinden in der Bundesverfassung und nicht in den Lan- Landtag und Gemeinden vor allem im Vorfeld der Gesetzes- desverfassungen verankert wissen, da sie nicht allein den werdung immer wieder zusammen. Es wäre ein reizvolles Ländern „ausgeliefert“ sein wollten. Eine bundesverfas- Thema eines eigenes Referats, die Wechselbeziehungen sungsrechtliche Regelung des Gemeinderechts sollte zum zwischen Landtag und Kommunen und ihre gegenseitige einen erhöhten Bestandsschutz der Gemeinden bewirken, Beeinflussung darzustellen. Das mir gestellte Thema be- zugleich aber auch eine bundesweite Homogenität des Ge- fasst sich aber mit verfassungsrechtlichen Fragen, wobei meinderechts sicherstellen. Daher findet sich in den Art. 115 hier der Bundesverfassung verstärktes Augenmerk zu ff Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) auch eine beinahe ka- schenken ist. suistische Determinierung des Organisations- und Funktio- nenrechts der Gemeinden. Dies hat freilich zur Folge, dass die Landesverfassungen im Bereich des Gemeinderechts II. Die Gemeinden in der Bundesverfassung de facto den Charakter von Ausführungsgesetzen zum Bun- und in der Landesverfassung desverfassungsrecht haben, weil ihnen diesbezüglich nur wenig Spielraum im Rahmen der Verfassungsautonomie Mit der Gemeindeverfassungsnovelle 1962 wurden jene der Länder bleibt. Wenn also im Folgenden von der verfas- bundesverfassungsrechtlichen Grundlagen der Gemeinde- sungsrechtlichen Stellung der Gemeinden in Vorarlberg die organisation und der Gemeindeaufgaben geschaffen, die Rede ist, so bezieht sich dies in erster Linie auf die Bun- bis heute gültig sind. Bis zu dieser Verfassungsnovelle 1962 desverfassung. Das Vorarlberger Landesverfassungsrecht

Seite 49 unterscheidet sich hinsichtlich der Gemeinden nur wenig angelegt. So entstanden im Laufe der Jahre doch eini- von den übrigen landesverfassungsrechtlichen Bestim- ge Forderungen an den Bundesverfassungsgesetzgeber, mungen in Österreich. Diese landesverfassungsrechtlichen die, unter Beibehaltung der rechtlich verankerten Struk- Bestimmungen haben weitgehend nur rezitativen Charak- turen, moderne Entwicklungen ins Gemeinderecht einbe- ter und geben in großem Umfange narrativ den Bestand des ziehen sollten. Hier zeigt sich freilich eine Schattenseite Bundesverfassungsrechts wieder. der bundesverfassungsrechtlichen, also zentralistischen Struktur des österreichischen Gemeinderechts. Die Länder Zumindest aus gesamtösterreichischer Sicht lässt sich können für ihre Gemeinden entsprechende Reformen nur konstatieren, dass sich das Gemeinderecht, wie es durch marginal vornehmen, sie müssen sich vielmehr auf gesamt- die Gemeindeverfassungsnovelle 1962 und einige spätere österreichischer Ebene einigen, um Forderungen nach einer Verfassungsreformen verwirklicht wurde, im Großen und Änderung der Bundesverfassung wirkungsvoll zu artikulie- Ganzen bewährt hat. Dieses Verfassungswerk bietet auch ren. Änderungen des Gemeinderechts auf Bundesebene heute noch die Grundlage für ein demokratisches und ef- sind umso schwieriger zu realisieren, je knapper die Parla- fizientes Rechtsleben in den österreichischen Gemeinden. mentsmehrheit für eine bestimmte Regierungskonstellati- Gleichwohl haben die rasanten ökonomischen, sozialen, on ist. Hat eine Regierung nur mehr eine einfachgesetzliche kulturellen und ökologischen Entwicklungen der letzten Mehrheit, erweisen sich Verfassungsreformen – um solche Jahre auch vor den Gemeindestuben nicht Halt gemacht. handelt es sich bei Gemeinderechtsreformen – äußerst Die Europäisierung und Internationalisierung des Rechts schwierig zu realisieren. Gleichwohl gelang es den österrei- stellt auch die Gemeinden vor große Herausforderungen. chischen Gemeinden durch ihre inzwischen bundesverfas- Viele Entwicklungen, die vom historischen Gemeindever- sungsrechtlich verankerten Interessensvertretungen, sich fassungsgesetzgeber nicht einmal erahnt werden konn- im Österreich-Konvent gut zu positionieren. Wenn auch ten, durchdringen heute das kommunale Rechtsleben der Österreich-Konvent ohne konkretes Ergebnis blieb, so nachhaltig. Viele dieser strukturellen Änderungen im zeigte sich bei dessen Beratungen, dass die Anliegen der Gemeindeleben haben schon in der Vergangenheit recht- Gemeinden durchaus auf offene Ohren stießen. Im Entwurf liche Adaptierungen erfordert. Dabei wurde das Meiste auf der „Expertengruppe Staats- und Verwaltungsreform“ im unterverfassungsrechtlicher Ebene realisiert. Dies erfolgte Bundeskanzleramt vom 11. März 2008 finden sich auch zum Teil auf einfachgesetzlicher Ebene, vieles ist auch im eine Reihe der Forderungen des österreichischen Gemein- Bereich der Privatwirtschaftsverwaltung realisiert worden. de- und Städtebundes legistisch aufbereitet. Darauf soll im E-Government, New Public Management, Public Private Folgenden noch eingegangen werden. Partnership und andere moderne Schlagworte sind inzwi- schen aus dem kommunalen Leben nicht mehr wegzuden- ken. Auch die Weiterentwicklung der Gemeindeaufgaben, III. Die Gemeinden im System des österreichischen insbesondere auf dem Gebiet der Daseinsvorsorge wurde Bundesstaates und des europäischen Mehrebenen- zum Teil einfachgesetzlich aber viel häufiger im Rahmen staates der Privatwirtschaftsverwaltung gemäß Art. 116 Abs. 1 B-VG weiter entwickelt. Die Diskussion um den österreichischen Föderalismus war jahrzehntelang vom traditionellen staatsrechtlichen Obwohl sich das Gemeinderecht der Österreichischen Verständnis des Verhältnisses von Bund und Ländern Bundesverfassung im Großen und Ganzen bewährt hat, einerseits und von regionalistischen Phänomenen, die hat es im Laufe der Jahrzehnte doch eine gewisse Patina staatsrechtlich nur schwer erfassbar waren, anderer-

Seite 50 seits geprägt. Während die Gemeinden in der Regional- benerfüllung in einem Mehrebenensystem ins Zentrum der ismusdebatte des europäischen Integrationsprozesses staatsrechtlichen Diskussion, so wird man zweifelsfrei an eine eher diffuse als klar definierte Rolle einnahmen, den Gemeinden als Träger basaler und bürgernaher Verant- kamen sie in der Diskussion um den staatsrechtlichen wortung nicht vorbeikommen. In einem modernen gemein- Föderalismus in Österreich so gut wie nicht vor. Denn die wohlverwirklichenden Bundesstaat stellen die Gemeinden staatsrechtliche Diskussion um den österreichischen Fö- unverzichtbare rechtliche und politische Ebenen im Sinne deralismus war jahrzehntelang traditionell vom staats- des Subsidiaritätsprinzips dar. rechtlichen Verständnis des Verhältnisses von Bund und Ländern geprägt. Die unterschiedlichen Spielarten, des In diesem Sinne ist es naheliegend, bei einer Neuschaffung Bund – Länder-Verhältnisses (Dezentralisationstheorie, der Österreichischen Bundesverfassung auch die Gemein- Staatenstaatstheorie, Drei-Kreise-Theorie) reflektierten den in die Programmnorm des Art. 2 B-VG in irgendeiner ausschließlich das verfassungsrechtliche Verhältnis von Weise einzubinden. Staatstheoretisch würde eine solche Bund und Länder. Dabei stand die Souveränitätsfrage im Einbindung der Gemeinden in die Programmnorm des Art. Zentrum der Diskussion. Diese Föderalismusdebatte wurde 2 B-VG auf eine Umdeutung des derzeitigen Bundesstaats- insbesondere zwischen der „Wiener Schule“ und und Ver- verständnisses eines zweigliedrigen Bundesstaates hin tretern der „komplexen Bundesstaatstheorien“ geprägt. zu einem dreigliedrigen führen. Eine solche revolutionäre Felix Ermacora, Peter Pernthaler, Fried Esterbauer, Peter Konzeption, wie sie der Österreichische Gemeindebund Bußjäger und andere prägten diese Debatte. Das Erkennt- in den Beratungen des Österreich-Konvents einzubringen nisinteresse dieser Föderalismusdebatte bestand insbe- versuchte, findet heute freilich noch keinen fruchtbaren sondere in der Bekämpfung der von Hans Kelsen, aber auch Boden. So wurde in den Diskussionen des Österreich- von Zaccaria Giacometti geprägten Auffassung, dass dem Konvents diese Idee einer Neuformulierung des Art. 2 B-VG Bund die alleinige Souveränität zukomme, während die nicht weiter verfolgt. Die Föderalismusdiskussion im Öster- Länder – analog zu den Gemeinden – lediglich dezentra- reich-Konvent hatte ohnehin genug sprengstoffgeladene lisierte Selbstverwaltungskörper seien. Ob man diese nun, Fragen zu klären. wie es Giacometti formulierte, als „potentielle Selbstver- waltungskörper“ bezeichnete oder nicht, die „komplexe Staatstheorie“ kämpfte jahrzehntelang gegen die Gleich- IV. Unverzichtbare gemeindeverfassungsrechtliche setzung von Ländern und Gemeinden an. Dabei stand – wie Elemente in der Österreichischen Bundesverfas- schon erwähnt – vor allem die Souveränitätsfrage im Zen- sung trum dieser Überlegungen. Das Prinzip der Einheitsgemeinde stellt heute eines der tra- Spätestens mit dem Beitritt Österreichs zur Europäischen genden verfassungsrechtlichen Grundsätze des Kommunal- Union wurde klar, dass die Souveränitätsfrage in einem rechts dar. Dieses ökonomisch nicht unumstrittene Prinzip europäischen Mehrebenensystem obsolet, wenn nicht läuft auf eine gewisse Nivellierung der kommunalen Struk- anachronistisch geworden ist. In der europäischen Gemein- turen hinaus. Nach dem Prinzip der Einheitsgemeinde sind schaftspolitik steht nicht sosehr die Frage der Effizienz die Gesetzgeber verpflichtet, bei der Zuweisung von öffent- der innerstaatlich gegliederten Gebietskörperschaften lichen Aufgaben an staatliche oder autonome Behörden im Vordergrund, sondern ausschließlich die Effizienz der das Subsidiaritätsprinzip zur Anwendung zu bringen. Nur Aufgabenerfüllung – durch welche Gebietskörperschaft dann, wenn eine Staatsaufgabe von allen Ortsgemeinden auch immer. Stellt man aber die Optimierung der Aufga- auf Grund ihrer Finanz- und Verwaltungskraft bewältigt wer-

Seite 51 den kann, darf der Gesetzgeber eine öffentliche Aufgabe Ein besonderes Merkmal des Gemeinderechts ist die dem eigenen Wirkungsbereich der Gemeinden zuordnen. Einbindung der kommunalen Strukturen in das bundes- Dieses Prinzip wurde insbesondere von Ökonomen radi- staatliche Finanzverfassungsrecht. Der Bund dominiert das kal kritisiert, es hat sich jedoch im Großen und Ganzen Finanzverfassungs- und Finanzausgleichsrecht nachhaltig. bewährt. Der Österreichische Gemeindebund drängte bei Die Gemeinden sind ebenso wie die Länder im Finanzverfas- allen Reformschritten auf eine Erhaltung dieses Prinzips sungsrecht weitgehend machtlos gegen den dominierenden der Einheitsgemeinde. Rechtspositivistisch lässt sich dazu Bundeseinfluss. Zwar hat der Verfassungsgerichtshof nicht viel sagen, aus einer verfassungspolitischen Sicht (VfGH) in seiner Judikatur zum „Finanzausgleichspaktum“ würde jedoch die Aufgabe des Prinzips der Einheitsgemein- die Rolle der kooperativen Finanzausgleichsentwicklung de die Aufwertung von Ballungsgebieten und die Abwertung besonders hervorgehoben, die Gemeinden sind auf Grund des so oft gepriesenen „ländlichen Raums“ bedeuten. Eine des Finanz-Verfassungsgesetzes (F-VG) jedoch nach wie vor nach Gemeindegrößen und Verwaltungskraft differenzierte an zahlreiche beinahe obrigkeitliche Bevormundungen, De- Aufgabenzuweisung an verschiedene Gemeindetypen wür- tailvorgaben für die Haushaltsplanung und den Budgetvoll- de mit Sicherheit wieder zu jenen unseligen Diskussionen zug sowie an eine Reihe von anderen sehr formalistischen der Gemeindegebietsreformen der 1970-er Jahre zurückfüh- Kriterien gebunden. ren, deren Ergebnisse zweifellos nicht zufriedenstellend waren. Die einzelne Gemeinde hat nach Österreichischen Bundes- verfassung und auch nach den Landesverfassungen kei- Ein weiteres zentrales Element des Gemeindeverfassungs- nen Bestandschutz. Zwar ist die Gemeinde als Institution rechts ist die Autonomie der kommunalen Rechtsetzung bundesverfassungsrechtlich vor der Abschaffung – an und Vollziehung. Im eigenen Wirkungsbereich sind die Ge- die ohnehin niemand denkt – geschützt, der Bestand der meinden autonom, das heißt frei von Weisungen. Sie unter- einzelnen Gemeinde ist jedoch maßgeblich vom Willen liegen zwar einer Staatsaufsicht, die zum überwiegenden des einfachen Gesetzgebers abhängig. Zwangsweise Ge- Teil von den Ländern, zum Teil aber auch vom Bund wahrge- meindeauflösungen und Gemeindefusionierungen sind nommen wird, diese stellen jedoch eine reine Rechtmäßig- nach dem geltenden Verfassungsrecht ohne weiteres mög- keitskontrolle dar, die gewährleisten soll, dass die Gemein- lich. den ihren Wirkungsbereich nicht überschreiten und sich an Bundes- und Landesgesetze halten. Die Gemeindeaufsicht in einem wohlverstandenen Sinn dient sohin der Wahrung V. Reformbedarf auf Verfassungsebene der Gemeindeautonomie ebenso wie der Wahrung der sub- jektiven Rechtsphäre der Gemeindebürger. 1. Allgemeines

Rechtsstrukturell vorgegeben ist die Beschränkung der Analysiert man den Reformbedarf an Hand der Not- kommunalen Gestaltungsmacht auf das Gemeindegebiet. wendigkeiten der täglichen kommunalen Arbeit, so kristal- Auch interkommunale Kooperationen können dieses Prin- lisieren sich einige Fragen heraus, die ebenso naheliegend zip nicht aushebeln. Die interkommunale Kooperation wie staatstheoretisch schwer zu realisieren sind. Neben der kann daher niemals über die Bezirks- bzw. Landesgrenzen Einbeziehung der Gemeinden als gleichwertige bundes- hinausgehen, da die Gemeinden zwar Geschöpfe der Bun- staatliche Partner ist hier insbesondere die Stellung der desverfassung, organisationsrechtlich aber solche des Lan- Gemeinden im Finanzverfassungsrecht zu nennen. Dane- desrechts sind. ben bringt die kommunale Praxis eine Reihe von Problemen

Seite 52 zum Vorschein, die bei gutem Willen verfassungsrechtlich österreichischen Finanzverfassung insgesamt ähnlich un- durchaus lösbar sind, die aber, da das Gemeinderecht bun- befriedigend wie die der Länder. Im Zuge einer Aufwertung desverfassungsrechtlich sehr intensiv determiniert ist, nur der Länder und Gemeinden in der Finanzverfassung sollte durch den Bundesverfassungsgesetzgeber einer Lösung zu- daher nach der – vielleicht utopischen – Vorstellung der ös- geführt werden können. terreichischen Gemeinden der Finanzausgleich als Paktum, also als staatsrechtliche Vereinbarung zwischen Bund, Län- In diesem Zusammenhang taucht immer wieder die Fra- dern und Gemeinden erlassen werden können. ge auf, inwieweit es noch sinnvoll ist, das Gemeinderecht so detailliert in der Bundesverfassung zu verankern. Eine Dass ein solches Vorhaben verfassungsrechtlich grund- Überlassung der Gemeindeorganisation und der Gemeinde- sätzlich möglich ist, hat der Bundesverfassungsgesetz - aufgaben an den Landesgesetzgeber, so könnte man mei- geber mit dem Bundesverfassungsgesetz über Ermächti- nen, würde viele Probleme einfacher lösen lassen. Diesem gungen des Österreichischen Gemeindebundes und des Einwand sei freilich entgegnet, dass die Probleme nicht nur Österreichischen Städtebundes erstmals aufgezeigt. Zwar einzelne Gemeinden eines Bundeslandes betreffen, son- sind damit eine Reihe von verfassungsstrukturellen Proble- dern dass es eine Reihe von Problemen gibt, welche die men verbunden, diese sind jedoch durchaus lösbar. Gemeinden gesamtstaatlich erfassen. Außerdem enthalten diese Probleme nur geringen parteipolitischen Zündstoff. 3. Neuordnung der interkommunalen Zusammenarbeit Eine Verwirklichung der kommunalen Forderung könnte daher durchaus in einer „kleinen“ Gemeindeverfassungs- Der 1984 eingeführte Art. 116 a B-VG ermöglicht die Schaf- novelle“ verwirklicht werden. fung von Gemeindeverbänden. Gemeindeverbände sind damit die einzige öffentlichrechtliche Verbindung von Ge- meinden mit einer eigenen Rechtspersönlichkeit. Gemein- 2. Die Einbeziehung der Gemeinden in die bundesstaatli- deverbände sind aus dem heutigen kommunalen Leben chen Verträge des Art. 15 a B-VG nicht mehr wegzudenken. Ohne sie müssen wohl zahlreiche kommunale Aufgaben auf die staatlichen Ebenen gehoben Bund-Länder-Verträge und Länderverträge nach Art. 15 a werden, was im Sinne des Subsidiaritätsprinzips sicher B-VG enthalten vielfach Regelungsgegenstände, zu deren nicht erstrebenswert ist. Obwohl sich die Gemeindever- Vollziehung die Gemeinden berufen sind. Ein formales Mit- bände im Großen und Ganzen bewährt haben, zeigt sich in wirkungsrecht auf Vertragsabschluss kommt den Gemein- der sich rasch wandelnden Welt doch ein Strukturproblem: den derzeit nicht zu. Daher ist es verständlich, dass auch Art. 116 a B-VG beschränkt die Einrichtung von Gemeinde- die Kommunen beim Abschluss von 15 a-B-VG-Verträgen ein verbänden auf die Landes-, zum Teil auch nur auf die Be- Mitwirkungsrecht verlangen. zirksgrenzen. Diese Beschränkung wird oftmals als Hemm- nis für eine effiziente interkommunale Aufgabenbesorgung Der tiefere Hintergrund dieser Forderung ist jedoch der gesehen. Interkommunale Zusammenarbeit soll nach den Wunsch der Gemeinden nach einer gleichwertigen Mitwir- Vorstellungen des Österreichischen Gemeindebundes nicht kung beim paktierten Finanzausgleich. Zwar anerkennt an den Landesgrenzen Halt machen, sondern soll auch auf der VfGH schon derzeit den Finanzausgleich als föderalis- länderübergreifende regionale und kommunale Zusam- tisches Paktum, das sogar Gleichheitsbedenken gegen menarbeit ausgedehnt werden. Wenn etwa Gemeinden eine finanzausgleichsrechtliche Norm verdrängen kann, mit ähnlichen Interessen spezifische öffentlichrechtliche gleichwohl ist die Situation der Gemeinden im System der Kooperationsformen entwickeln wollen, so soll ihnen dies

Seite 53 nicht deshalb verwehrt werden, weil sie im Grenzbereich von zwei oder mehreren Bundesländern liegen. Obwohl sich der Aufgabenkatalog des Art. 118 Abs. 3 B-VG durchaus bewährt hat, sind heute zweifelsfrei einige Ge- Dass länderübergreifende Gemeindeverbände Probleme meindeaufgaben nicht mehr zeitgemäß. Als Beispiel seien aufwerfen können, sei nicht verkannt. Vor allem die Fragen hier etwa die Gemeindevermittlungsämter, die freiwillige der Finanzierung, mehr jedoch die Fragen der unverzicht- Feilbietung beweglicher Sachen, aber auch das örtliche Ge- baren Staatsaufsicht stellen Probleme dar. Allerdings zeigt sundheitswesen genannt. Alle drei Bereiche haben in der der Entwurf der Expertengruppe, dass hier durchaus kon- modernen Gesellschaft nicht mehr die gleiche Bedeutung, struktive Lösungen angedacht werden können. die sie noch vor hundert Jahren hatten. Hier haben Flexibi- lität, soziale Mobilität und die Entstehung neuer Konfliktre- 4. Neuformulierung der Gemeindeaufgaben gelungsmechanismen zu einer weitgehenden Funktionslo- sigkeit dieser kommunalen Aufgaben geführt. Dafür steht Derzeit sind die Aufgaben des eigenen Wirkungsbereiches aber heute die Daseinsvorsorge im Zentrum kommunaler der Gemeinde in einer Kombination aus dem allgemeinen Aufgabenerfüllung. Eine Aufnahme der Daseinsvorsorge Subsidiaritätsprinzip (Art. 118 Abs. 2 B-VG) und einer de- in den Aufgabenkatalog der Gemeinden wird von diesen monstrativen Enumerierung von Einzelkompetenzen (Art. nicht zuletzt deshalb gefordert, da eine Anerkennung die- 118 Abs. 3 B-VG) formuliert. Vergleicht man die demonstra- ser Aufgaben zwangsläufig auch eine Berücksichtigung im tiv aufgezählten Gemeindekompetenzen des Art. 118 Abs. 3 Finanzausgleich finden muss. War die Daseinsvorsorge im mit den Gemeindeaufgaben des Reichsgemeindegesetzes „Fiedler-Entwurf“ in der Liste der enumerierten Aufgaben 1862 so fällt eine weitgehende Übereinstimmung – nicht der Gemeinde im eigenen Wirkungsbereich enthalten, so nur in terminologischer Hinsicht – auf. Angesichts des ho- siedelt sie der Entwurf der Expertenkommission im Art. 116 hen Alters der in Art. 118 Abs. 3 B-VG formulierten Aufgaben B-VG an. Dem kann durchaus zugestimmt werden, werden stellt sich doch die Frage nach der Zeitgemäßheit eines sol- doch die meisten Aufgaben der Daseinsvorsorge heute von chen Aufgabenkataloges. den Gemeinden in den Rechtsformen der Privatwirtschafts- verwaltung geführt. Eine genauere Durchleuchtung der Gemeindeaufgaben im eigenen Wirkungsbereich gibt ein überraschendes Bild: Zu- 5. Reform der Stellung der Gemeinden in der Finanzverfas- nächst hat der VfGH in seiner Judikatur das Subsidiaritäts- sung und im Finanzausgleich prinzip des Art. 118 Abs. 2 mit Augenmaß und nach durch- aus vernünftigen Kriterien interpretiert. Der VfGH hat dem Das System der österreichischen Finanzverfassung ist durch Subsidiaritätsprinzip einen dynamischen und flexiblen ein hohes Maß an Zentralismus und Unitarismus gekenn- Charakter verliehen, der die Rechtswahrung der Gemein- zeichnet. Dieter Bös hat dafür den Ausdruck des „Principal den durchaus fördert. Das Subsidiaritätsprinzip ist aber Agent“-Systems geprägt. Nicht nur die Länder, auch die nicht starr, sondern ermöglicht es auch durchaus – wie es Gemeinden sind im System des Finanzausgleichs formal etwa das Beispiel der Abfallwirtschaft zeigt – dass zuneh- und inhaltlich nachgeordnete Gebietskörperschaften, de- mende Komplexität der Aufgabenbesorgung nicht zwangs- ren prozedurale Stellung im Bundesstaatsvergleich äußerst läufig zu einer generellen Zentralisierung führen muss, schwach ist. Zwar wurde durch den Konsultationsmecha- sondern dass auch in diesem sehr heiklen Problembereich nismus die Stellung der Gemeinden im bundesstaatlichen noch durchaus Gestaltungsspielraum für die Gemeinden Finanzsystem erheblich verbessert. Nunmehr können sich gegeben sein kann. die Gemeinden gegenüber Belastungen durch Bundes- und

Seite 54 Landesgesetzgeber zur Wehr setzen. Die schwammige „Fi- es auf gut österreichisch auszudrücken. Daher fordern die nanzausgleichsgerechtigkeit“ des § 4 F-VG bot bis dahin Gemeinden die Ausdehnung des ortspolizeilichen Verord- einen weit geringeren Schutz. Gleichwohl enthält die ös- nungsrechts über Missstände hinaus zu einem Instrument terreichische Finanzverfassung neben der grundsätzlichen der Gefahrenabwehr. Schlechterstellung der Gemeinden und Länder gegenüber dem Bund auch eine Reihe von zentralistischen Bevor- Im Entwurf der Expertenkommission wurde diesem Anlie- mundungen, die die Gemeinden bei den Versuchen, eine gen nicht nur Rechnung getragen, der Entwurf geht darüber moderne und effiziente Budgetpolitik zu schaffen, immer noch hinaus. Zukünftig soll nach den Vorstellungen der Ent- wieder hindert. Die Gemeinden fordern daher zunächst wurfsverfasser ein umfassendes gesetzesergänzendes und eine Aufwertung dahingehend, dass die finanzausgleichs- gesetzesvertretendes Verordnungsrecht der Gemeinden im rechtliche Verhandlungspflicht nunmehr verfassungsrecht- eigenen Wirkungsbereich eingeführt werden. In diesem lich festgeschrieben werden soll. Wie schon erwähnt, ist es Bereich soll sohin das strenge Legalitätsprinzip des Art. ein langfristiges Ziel der Gemeinden, den Finanzausgleich 18 Abs. 2 B-VG weitgehend dispensiert werden. Für die Ge- zu einem echten Paktum hin zu entwickeln, der zwischen meinden würde dies einen beträchtlichen Gewinn an Flexi- gleichberechtigten bundesstaatlichen Partnern abge- bilität bedeuten und sie in die Lage versetzen, ein umfang- schlossen wird. Auch die Ausdehnung des Konsultations- reiches kommunales Gefahrenmanagement zu installieren. mechanismus auf Steuergeschenke des Bundes zu Lasten der anderen Gebietskörperschaften ist im Forderungska- 7. Bestandsgarantie der Einzelgemeinde talog der Gemeinden enthalten. Schließlich soll noch eine Reihe von inzwischen überholten Vorgaben für die Budget- Nach geltendem Verfassungsrecht ist zwar die Institution führung, das Haushaltsrecht und anderes mehr beseitigt „Gemeinde“ als solche bundesverfassungsrechtlich abge- werden. sichert, die einzelne Gemeinde hat jedoch keine Bestands- garantie und damit auch keinen Schutz vor einer zwangs- 6. Reform des ortspolizeilichen Verordnungsrechts weisen Auflösung bzw. Fusionierung mit einer anderen Gemeinde. Nach wie vor sehen alle Gemeindeordnungen Neben dem Notverordnungsrecht des Bundespräsidenten eine Gemeindeauflösung bzw. Gemeindefusionierung auch ist das ortspolizeiliche Verordnungsrecht das einzige ver- gegen den Willen der Gemeinde nach bestimmten recht- fassungsunmittelbare Rechtsetzungsinstrument außerhalb lichen Verfahren vor. der Gesetzgebung. Im Falle eines bereits bestehenden oder unmittelbar drohenden Missstandes kann die Gemeinde Die Diskussion um die „optimale“ Gemeindegröße be- auch ohne einfachgesetzliche Vorgaben durch Verord- schäftigt die Ökonomie und Verwaltungswissenschaft nungen Maßnahmen setzen, um den Missständen Herr zu schon seit Jahrzehnten. Dabei ist freilich zu beachten, dass werden. es sich dabei nicht um ausschließlich ökonomische Fragen handelt, sondern dass hier auch demokratische Kosten mit In der Praxis hat sich immer wieder ein Strukturproblem zu veranschlagen sind. Während sich Gemeindezusam- gezeigt: Die Gemeinden können nur tätig werden, wenn ein menschlüsse, die auf freiwilliger Basis erfolgten, durchaus Missstand bereits eingetreten ist oder unmittelbar auszu- bewährt haben, haben die zwangsweisen Fusionierungen brechen droht. Erst dann ist den Gemeinden ein Handeln in den 1970-er Jahren des letzten Jahrhunderts durchaus möglich. Für die Gemeindebürger bedeutet dies freilich, problematische Ergebnisse gebracht. Seit dieser Zeit geht dass „etwas passiert sein muss, damit etwas passiert“, um man mit Zwangsreformen auch entsprechend vorsichtig

Seite 55 um. Freilich ist die Frage nach der idealen Gemeindegröße immer wechselnden Moden unterworfen. Um auch für die einzelne Gemeinde einen Bestandsschutz zu erreichen, sieht der Entwurf der Expertenkommission nunmehr vor, dass Gemeindezusammenschlüsse, Gemeindeauflösungen oder Ähnliches nur mit Zustimmung aller betroffenen Ge- meinden erfolgen dürfen.

8. Ausblick

Die vorherigen Ausführungen haben gezeigt, dass sich das Gemeinderecht zwar im Großen und Ganzen bewährt hat, dass aber doch Anpassungen an eine sich ändernde Welt notwendig und entsprechend dem österreichischen Konzept der Gemeindeverfassung vom Bundesverfassungs- gesetzgeber zu realisieren sind. Der Entwurf der Experten- kommission ist ein Schritt in die richtige Richtung. Es muss allen ein Anliegen sein, starke und leistungsfähige Kommu- nen auch in Zukunft als Basisorganisationen des Staates zu haben. Eine „Gemeindeverfassungsnovelle 2009/10“ könnte bei gutem Willen aller Beteiligten kein utopisches Vorhaben sein. Denn die Forderungen der Gemeinden orientieren sich an parteipolitisch neutralen sachlichen Notwendigkeiten. Es bleibt zu hoffen, dass das derzeitig harmonische Klima innerhalb der Regierung auch den Ge- meinden insoweit zugute kommt, als diese möglichst rasch ihre Forderungen eingelöst erhalten.

Seite 56 Symposium „Der Vorarlberger Landtag und die Gemeinden“ Bregenz, Landhaus, 22. Oktober 2008 Elmar Häusler (geb. 1939 in Bludenz), Dr. iur., war von 1975 bis 2002 Vorstand der Abtei- lung Innere Angelegenheiten im Amt der Vorarlberger Landesregierung.

Bemerkungen zur Entwicklung des Gemeinde- wahlrechts in Vorarlberg von 1864 bis 20081 Elmar Häusler

Vorbemerkung I. Die Zeit der Monarchie

„Bemerkungen zur Entwicklung des Gemeindewahlrechts.“ 1. Gemeinde-Wahlordnung 1864 Warum dieses Thema? Der Vorarlberger Landtag hat im Jahre 1864 gemeinsam mit der Gemeinde-Ordnung eine Gemeinde-Wahlordnung Die Rechtfertigung mag das Generalthema „Der Vorarlber- beschlossen.2 ger Landtag und die Gemeinden“ bieten. Immerhin hat der Landtag mit dem Wahlrecht einen nicht unerheblichen Die Erlassung dieser Gesetze war von einigen Geburtswe- Aspekt des kommunalen Lebens bestimmt. Mehr an objek- hen begleitet, wobei die Schwierigkeiten vor allem in der tiver Rechtfertigung ist nicht zu finden. Schließlich ist es Gemeinde-Ordnung lagen. Diese Gesetze sind nicht im eine subjektive Entscheidung, für die ich mir die Verantwor- Schoße des Landtages herangereift, sie basieren auf einer tung mit dem Herrn Landtagsdirektor teile. Regierungsvorlage, das heißt einer Vorlage der Regierung in Wien. So möchte ich Sie denn in das Jahr 1864 – damit in die An- fangsjahre des heutigen Landtages - zurückführen und von Für die Erlassung der Gemeinde-Ordnung und der Gemein- dort ausgehend einige Bemerkungen zu einer knapp 150 de-Wahlordnung hatte das Reichsgemeindegesetz aus Jahre dauernden Entwicklung anbringen. 1862,3 das war ein Rahmengesetz (etwa dem heutigen Grundsatzgesetz vergleichbar), bestimmte Vorgaben ge- Warum Bemerkungen? macht. Die wohl inhaltsschwerste Bedingung für die Ge- meinde-Wahlordnung besagte, dass das Landesgesetz „die Weil nicht mehr möglich ist, wenn eineinhalb Jahrhunderte Bildung der Gemeindevertretung durch eine Wahlordnung in 30 Minuten – oder einige mehr – gepackt werden sol- mit gebührender Rücksichtnahme auf die Sicherung der In- len. Ich beschränkte mich dabei auf die Wahl der Gemein- teressen der höher Besteuerten“ zu regeln hat.4 devertretung. Besonderes Augenmerk möchte ich auf die Entwicklung der Wahlberechtigung, des Wahlsystems und Zu dem von der Regierung dem Landtag vorgelegten der Stimmabgabe, als den für den Außenstehenden sin- Entwurf einer Gemeinde-Ordnung und einer Gemeinde- nenfälligsten Vorgang, legen. Wahlordnung hat der Landtag zahlreiche, vor allem die Gemeinde-Ordnung betreffende Änderungen beschlossen. Vorerst aber noch ein Wort zur Terminologie: Bis 1919 heißt Diese konnten nicht die kaiserliche Sanktion erlangen. Den das Organ, das wir heute Gemeindevertretung nennen, Bemängelungen hat der Landtag schließlich vollständig „Gemeindeausschuss“. Gemeindevertretung hingegen war entsprochen. Am 22. April 1864 haben die beiden Gesetze der Oberbegriff für den Gemeindeausschuss und den Ge- die Sanktion des Kaisers erhalten. meindevorstand mit dem Gemeindevorsteher.

Seite 57 a) Wahlberechtigung besagte, dass nicht eigenberechtigte Personen das Wahl- recht durch ihre Vertreter, die in ehelicher Gemeinschaft Aktives Wahlrecht lebende Gattin durch ihren Ehegatten, andere eigenbe- rechtigte Frauenspersonen durch einen Bevollmächtigten Wahlberechtigt waren (vereinfacht dargestellt): auszuüben haben. Der Staat, das Land und die öffent- I. Gemeindemitglieder, insofern sie österreichische lichen Fonde wurden als Grund- und Hausbesitzer oder Staatsbürger waren, nämlich Inhaber einer Gewerbeunternehmung durch eine bevoll- 1. Gemeindebürger mit Steuerleistung und mächtigte Person vertreten. Analoges galt auch für Korpo- Ehrenbürger; rationen, Vereine und Gesellschaften. 2. (nur) Heimatberechtigte (die nicht auch zugleich Gemeindebürger waren), und zwar Passives Wahlrecht a) Ortsseelsorger der Christen und Rabbiner, b) Beamte, Wählbar als Ausschuss- oder Ersatzmänner waren nur die- c) Offiziere i. R., jenigen Gemeindemitglieder männlichen Geschlechtes, d) Militärparteien ohne Truppenzugehörigkeit, welche wahlberechtigt waren, das 24. Lebensjahr zurück- e) Doktoren, welche ihren akademischen Grad gelegt hatten und sich im Vollgenusse der bürgerlichen an einer inländischen Universität erhalten hatten, Rechte befanden. f) Vorsteher und Oberlehrer an Volksschulen, Direktoren und Lehrer an höheren Schulen, Zum aktiven und passiven Wahlrecht gab es einige Ausnah- g) Besteuerte; men und Ausschlussgründe. 3. bei einer Steuerleistung von mind. 2 Gulden: Haus- oder Grundbesitzer und selbständig Erwerbstätige b) Bildung der Wahlkörper (auch wenn sie nicht in der Gemeinde wohnten); Das aktive Wahlrecht war sehr wesentlich von einer Steuer- II. Inländische juristische Personen mit einer Steuer- leistung abhängig. Das Gemeindewahlrecht war daher ein leistung von mind. 2 Gulden. Zensuswahlrecht. Um der Vorgabe des Reichsgemeinde- gesetzes zu entsprechen, das heißt, um die Interessen der Die unter I. 2. a bis f genannten Personen wurden im allge- höher Besteuerten gebührend zu berücksichtigen, waren meinen Sprachgebrauch als so genannte Intelligenzwähler die Wahlberechtigten in Wahlkörper zu gliedern. bezeichnet. Zum Zwecke der Wahl des Gemeindeausschusses war vom Das aktive Wahlrecht war also überraschender Weise durch Gemeindevorsteher zunächst ein Verzeichnis aller wahl- kein Wahlalter beschränkt. Ebenso überraschend: Frauen berechtigten Gemeindemitglieder anzufertigen. waren vom Wahlrecht nicht ausgeschlossen. Das Verzeichnis hatte zu enthalten: Das Wahlrecht war in der Regel persönlich auszuüben. Hie- – die Ehrenbürger, von bestanden Ausnahmen. Damit ist die Überraschung – die Gruppe der heimatberechtigten Gemeindemitglieder auch schon zu Ende. Die wohl bedeutendste Ausnahme unter Angabe der allfälligen Jahresschuldigkeit an di- rekten Steuern,

Seite 58 – die übrigen Wahlberechtigten in der Reihenfolge der c) Wahlvorgang Höhe der Jahresschuldigkeit an direkten Steuern sowie die nur in die Vermögenssteuer einbezogenen unter An- Zur Durchführung der Wahl hatten sich die Wahlkörper ab- gabe der Steuerbeträge, gesondert zu versammeln. Zuerst wählte der dritte, hierauf – Summe aller Steuer-Jahresschuldigkeiten. der zweite, zuletzt der erste Wahlkörper. Jeder Wahlberech- tigte konnte aus allen wählbaren Gemeindemitgliedern In der Regel waren drei Wahlkörper zu bilden. Die Gesamt- ohne Unterschied des Wahlkörpers wählen. steuersumme der Steuer- Jahresschuldigkeiten wurde in drei gleiche Teile geteilt. Es bestand keine Wahlpflicht. In den ersten Wahlkörper gehörten: – die Wahlberechtigten, die nach den fortlaufenden Zah- Der Wahlakt war öffentlich. Die Wähler wurden in der Rei- len des Verzeichnisses das erste Drittel der Gesamtsteu- henfolge, wie ihre Namen in der Wählerliste eingetragen ersumme zu entrichten hatten, waren, zur Abstimmung aufgerufen. – die Ehrenbürger, Ortsseelsorger, Behördenchefs, wahl- berechtigten Stabsoffiziere. Jeder zur Abstimmung aufgerufene Wähler hatte nach sei- In den zweiten Wahlkörper gehörten: nem Wunsche so viele Personen zu nennen, als der Wahl- – die Wahlberechtigten, die nach den fortlaufenden Zah- körper, dem er angehörte, Ausschuss- und Ersatzmänner len das zweite Drittel der Gesamtsteuersumme zu ent- zusammen zu wählen hatte. Die Stimmabgabe fand also richten hatten, öffentlich und mündlich, d. h. ohne Stimmzettel, statt. – die sonstigen Beamten, sonstigen Offiziere i. R, die Mi- Jede Abstimmung war sogleich in Gegenwart des Wählers litärparteien ohne Truppenzugehörigkeit, die Doktoren, in die hiezu vorbereiteten Rubriken der Stimmliste neben die Vorsteher und Oberlehrer an Volksschulen, die Di- dem Namen des Wählers einzutragen. Damit wurde beur- rektoren und Lehrer an höheren Schulen. kundet, wer wen gewählt hatte. In den dritten Wahlkörper gehörten: – die übrigen Wahlberechtigten. In jedem Wahlkörper waren in der nötigen Anzahl jene mit den meisten Stimmen zu Ausschussmännern und Ersatz- Je nach Anzahl der Gemeindemitglieder waren zwischen männern gewählt. Das Wahlresultat des dritten Wahlkör- 9 und 30 Ausschuss- und Ersatzmänner zu wählen. Sie pers war bekannt zu geben, bevor der zweite Wahlkörper waren auf die einzelnen Wahlkörper zu gleichen Teilen zu wählte, und jenes des zweiten Wahlkörpers, bevor der erste verteilen. zur Wahl schritt. Der Wähler des höheren Wahlkörpers bzw. die politischen Gruppierungen kannten somit das Ergebnis Die Wahlperiode dauerte nur drei Jahre. Es gab keinen im niedrigeren Wahlkörper und konnten nun das Stimmver- landeseinheitlichen Wahltermin. Nach einem Viertel- halten bzw. die letzten Werbeaktivitäten darauf abstellen. jahrhundert Erfahrung damit hieß es, jedes Käferjahr ist auch ein Wahljahr.5 Es bestand Pflicht zur Annahme der Wahl. Wer eine Wahl ohne gerechtfertigten Entschuldigungsgrund nicht an- nahm, war strafbar.

Seite 59 Die Gemeinde-Wahlordnung 1864 legte ein Mehrheits- Die Befürworter verwiesen darauf, dass wahlverfahren fest, wie wir es im Prinzip (freilich ohne Glie- – auch in England, der politisch fortschrittlichsten Nation, derung in Wahlkörper) heute auch noch kennen. Mit dem die geheime Abstimmung angestrebt werde, Mehrheitswahlverfahren verbindet man die Vorstellung von – die Wähler abhängig seien und sich nicht getrauten, ih- einem Verfahren, das abseits von Parteien stattfindet. Das rer wahren Absicht entsprechend zu stimmen, mag heute, wo das Mehrheitswahlverfahren lediglich als – bei offener Abstimmung die Wahlbeteiligung gering blei- Ersatzverfahren dient und nur mehr in kleineren Gemein- be, den stattfindet, vielleicht zutreffen. Nach dem Eindruck, – die Mehrheit des Volkes für die geheime Abstimmung den die Landtagsmaterialien und die damalige Presse für sei. die Zeit der alleinigen Herrschaft dieses auch bei den Land- tagswahlen in Geltung gestandenen Verfahrens vermitteln, Die Gegner machten geltend, dass ist dies zumindest für die größeren Gemeinden zu relati- – in der vorbildlichen Schweiz die offene Abstimmung üb- vieren. Die gewählten Mandatare waren dort eindeutig den lich sei, politischen Parteien zuzuordnen. – die geheime Abstimmung den offenen und geraden Cha- rakter des Volkes verderbe, Geheimnistuerei und fal- Der Begriff „Mehrheitswahl“ taucht erstmals in der Gemein- schen Schein fördere, dewahlordnung 1909 auf. Mit der Gemeindewahlordnung – die Abstimmung mit Stimmzetteln nirgendwo in Öster- 1959 wurde er, weil er eigentlich ein anderes Verfahren be- reich eingeführt und die Zustimmung der Regierung un- zeichnet, beseitigt und durch den Begriff „Wahlverfahren gewiss sei, in Ermangelung von Wahlvorschlägen“ ersetzt. In Vorarl- – die geheime Abstimmung Wahlumtriebe begünstige. berg lebt der Begriff im allgemeinen Sprachgebrauch frei- lich nach wie vor weiter. Er wird auch hier im Sinne dieses Zustellung von Stimmkuverts Sprachgebrauches verwendet. 1903 wurde mit der Novelle LGBl. Nr. 16/1903 ein erster 2. Die Novellen bis 1909 Schritt zur Absicherung der geheimen Abstimmung getan. Es wurde die bisher schon verschiedentlich geübte Zustel- Die Gemeinde-Wahlordnung 1864 war in ihren Grundzügen lung von Stimmkuverts zur Pflicht. Zugleich wurden Anfor- politisch umstritten. Sie war auch nicht ausgereift. Bis zum derungen an die Stimmkuverts definiert. Der Referent be- Jahre 1909 wurde sie dreizehnmal novelliert. mängelte damals – technisch auf der Höhe der Zeit – „dass […] man auch ohne Zuhilfenahme von Röntgenstrahlen, so- a) Novellen LGBl. Nr. 13/1867 und LGBl. Nr. 16/1903 bald man nur ein Kuvert gegen das Licht hielt, nicht nur die Farbe des Stimmzettels, sondern auch die einzelnen darauf Abstimmung mit Stimmzetteln verzeichneten Namen ersehen konnte.“7 Die Kuverts muss- ten nunmehr nicht nur aus undurchsichtigem, sondern Eine frühe Korrektur betraf die Abstimmung. Die Novelle auch aus starkem Papier sein. LGBl. Nr. 13/1867 führte die Abstimmung mit Stimmzetteln ein. Die Meinung hiezu war nicht einhellig.6 Die Frage der geheimen oder öffentlichen Abstimmung war ein vieldisku- tiertes Thema.

Seite 60 b) Novelle 13/1885 „Die Behandlung dieser ‚Grundzüge’ im Plenum des Hauses förderte eine Unmasse von Wahlschwindeleien und Das Zensuswahlrecht in Verbindung mit dem Wahlkörper- raffinierten Praktiken zutage, sodass dem ganzen Hause system war nicht nach dem Sinn des Landtages, genauer eine Reform der Gemeindewahlordnung als unabweisbar gesagt, nicht im Sinne der seit 1870 im Landtag bestehen- erschien und die Grundzüge einstimmige Annahme fan- den Mehrheit. Die bestehende Regelung hatte dazu geführt, den.“11 dass das Verhältnis der Zahlen der Wahlberechtigten der Wahlkörper vor allem in größeren Gemeinden zunehmend Die angesprochenen Unzukömmlichkeiten vermitteln ein auseinanderklaffte und daher als ungerecht empfunden bedenkliches Bild:12 wurde. So wird von Dornbirn – allerdings als einem Extrem- – Es wurden überhöhte – zum Teil unmittelbar vor der fall – berichtet, wo sich die Zahl der Wahlberechtigten des Wahl erstellte – Steuerbekenntnisse abgegeben, wo- I. Wahlkörpers zur Zahl der Wahlberechtigten des III. Wahl- durch dann ein Wahlrecht oder ein Wahlrecht in einem körpers wie 1:48 verhielt. 45 Wählern im I. Wahlkörper stan- höheren Wahlkörper erlangt wurde. Den Mehrbetrag an den 264 im II. und über 2200 im III. Wahlkörper gegenüber.8 Steuern deckten Interessierte ab. – Zur Begründung einer Wahlberechtigung war auch das Der Landtag hatte wiederholt eine Änderung des Zustandes steuerliche Einbekenntnis einer nicht bestehenden Zim- versucht, war aber an der Regierung gescheitert. Diese mervermietung besonders verbreitet. hatte in den vorgeschlagenen Regelungen eine nicht aus- – In Familien wurde Vermögen auf Ehegattin und Kinder reichende Sicherung der Interessen der höher Besteuerten so verteilt, dass die Ehegattin und die Kinder wahlbe- gesehen. rechtigt wurden. Das Wahlrecht wurde dann durch den Ehemann und Vater ausgeübt. Einen gewissen Erfolg konnte der Landtag mit der Novelle – Bei der Erstellung der Listen wurde unterschiedlich vor- LGBl. Nr. 13/1885 erzielen. Nach dieser Novelle mussten gegangen, insbesondere wurde die Vermögenssteuer der erste und der zweite Wahlkörper (abhängig von der unterschiedlich berücksichtigt. Zahl der wahlberechtigten Gemeindemitglieder) drei- bis – Bei Liegenschaftsverkäufen erfolgte die Steuerzu- sechsmal so viele Wahlberechtigte haben, als Ausschuss- schreibung an den neuen Eigentümer – je nachdem wie und Ersatzmänner zu wählen waren. Andernfalls waren die es besser passte – sofort oder verzögert. Wahlkörper durch Wahlberechtigte aus dem nachfolgenden – Stimmzettel bzw. Kuverts wurden mit Zeichen versehen, Wahlkörper zu ergänzen. Die Reform sollte wenigstens die damit kontrolliert werden konnte, wie jemand abge- größten Härten der bisherigen Bestimmungen mildern.9 stimmt hatte. Ähnliches wurde mit Farben von Stimmzet- teln oder pappendeckelartigen Stimmzetteln versucht. 3. Gemeindewahlordnung 1909 – Wähler wurden kurz vor der Abstimmung genötigt, ihren Stimmzettel gegen einen anderen auszuwechseln. Eine umfangreichere Änderung brachte erst die Gemein- – Ein k. k. Beamter soll damit geprahlt haben, einem Wäh- dewahlordnung 1909.10 Die Bemühungen zu einer Neure- ler den Stimmzettel aus dem Sack gestohlen und dafür gelung reichten in das Jahr 1903 zurück. Im Oktober 1904 einen anderen Stimmzettel hineingesteckt zu haben. hatte der Landtag Grundzüge für eine neue Gemeindewahl- ordnung beschlossen. Im Bericht des Landesausschusses Die beklagten Vorfälle stammen aus der Zeit vor dem Inkraft- heißt es hiezu rückblickend: treten des Gesetzes betreffend Bestimmungen zum Schutze der Wahl- und Versammlungsfreiheit, RGBl. Nr. 18/1907.

Seite 61 Die für die Erneuerung der Gemeindewahlordnung notwen- Das Wahlrecht war in der Regel persönlich auszuüben. digen Verhandlungen mit der Regierung zogen sich in die Eine in ehelicher Gemeinschaft lebende Ehegattin hatte ihr Länge. Die Regierung lehnte die angestrebte Abschaffung Wahlrecht durch ihren Ehemann auszuüben. Wenn der Ehe- des Wahlkörpersystems in den größeren Gemeinden und mann selbst wahlberechtigt war, hatte er für beide nur eine den Ersatz dieses Systems durch die Verhältniswahl ab, Stimme. Juristische Personen übten das Wahlrecht durch weil das gegen Artikel XI des Reichsgemeindegesetzes ver- die zur Vertretung nach außen berufenen Personen aus. stoße, hatte jedoch keine Einwendungen gegen die Einfüh- rung des Proportionalwahlrechtes innerhalb der Wahlkör- Wählbar als Ausschuss- oder Ersatzmänner waren dieje- per in Gemeinden mit mehr als 2000 Einwohnern und die nigen Personen männlichen Geschlechts, welche wahlbe- Bildung eines IV. Wahlkörpers in Gemeinden mit mehr als rechtigt waren, das 24. Lebensjahr zurückgelegt hatten 4000 Einwohnern. und im Vollgenusse der bürgerlichen Rechte standen.

Die neue Gemeindewahlordnung ist verhältnismäßig de- b) Neugliederung der Wahlkörper tailliert und enthält bereits viele Regelungen, wie man sie heute noch kennt. Wesentliche Neuerungen waren: Die Wahl erfolgte in Wahlkörpern. Abhängig von der Größe – die Erweiterung bzw. Neugestaltung des Wahlrechtes, der Gemeinde war in vier, drei oder einem Wahlkörper zu – die Neugliederung der Wahlkörper, wählen. Während in den Wahlkörpern I bis III jeweils gleich – die Einführung des Verhältniswahlrechtes für größere viele Mandate zu wählen waren, entfielen auf den IV. Wahl- Gemeinden. körper nur rund halb so viele Mandate wie in einem der an- deren Wahlkörper. a) Erweiterung bzw. Neugestaltung des Wahlrechtes Die Wahlberechtigten waren in Abhängigkeit von Die wesentlichsten Änderungen im Wahlrecht bestanden – Ehrenbürgerschaft, nach dem Bericht des Wahlreformausschusses darin, dass – Zugehörigkeit zur Schicht der Intelligenzwählerschaft, die in ehelicher Gemeinschaft lebenden Eheleute gemein- – Höhe der Steuerleistung und sam nur eine Stimme hatten und dass unter Vormund- – Dauer ihres ordentlichen Wohnsitzes schaft oder Kuratel stehende Personen kein Wahlrecht in die Listen der einzelnen Wahlkörper aufzunehmen. mehr besaßen.13 c) Einführung des Verhältniswahlrechtes Das aktive Wahlrecht war erstmals auch vom Erreichen eines bestimmten Wahlalters – dem 24. Lebensjahr – ab- Für Gemeinden mit mindestens 2000 Einwohnernwurde für hängig. In Gemeinden mit einem vierten Wahlkörper waren die Wahl der Gemeindeausschüsse und Ersatzmänner die auch Personen männlichen Geschlechts wahlberechtigt, Verhältniswahl eingeführt. wenn sie einen dreijährigen ordentlichen Wohnsitz be- saßen. In diesen Gemeinden gab es somit ein allgemeines Es ergab sich folgendes Zusammenspiel von Einwohner- Männerwahlrecht. zahl, Zahl der Wahlberechtigten, Zahl der Wahlkörper und Wahlverfahren:

Seite 62 Gemeinde Wahlkörper Wahlverfahren 4000 und mehr Einwohner 4 Wahlkörper Verhältniswahl 2000 – 3999 Einwohner und mindestens 60 Wahlberechtigte 3 Wahlkörper Verhältniswahl Weniger als 2000 Einwohner und mindestens 60 Wahlberechtigte 3 Wahlkörper Mehrheitswahl Weniger als 60 Wahlberechtigte 1 Wahlkörper Mehrheitswahl

Auch in Verhältniswahlgemeinden wurde in Wahlkörpern übergeben, der es dann in die Wahlurne zu legen hatte. gewählt. Dem Verhältniswahlsystem entsprechend wur- Die Vorlage des Landesausschusses wollte davon abge- den hier nicht Einzelpersonen, sondern Listen, und zwar hen und das Einlegen des Kuverts dem Wähler überlassen. gebundene Listen (ohne die Möglichkeit des Reihens oder Wenn dabei – was nicht auszuschließen war – schlussend- Streichens), gewählt. Die Wahlvorschläge mussten von 20 lich zu viele Wahlkuverte in der Urne waren, sollte vor der Wahlberechtigten unterfertigt sein. Auswertung durch Los die überzählige Anzahl von Kuverts entfernt werden. Auf Grund von Bedenken der Staatsregie- Als Verhältniswahlverfahren war das Hagenbach-Bischoff- rung wurde – wohl zu Recht – eine Regelung im Sinne des Verfahren anzuwenden,14 wobei das erste bei diesem Ver- Bisherigen getroffen. Das Kuvert war also weiterhin dem fahren anfallende Restmandat der im betreffenden Wahl- Vorsitzenden zu übergeben. Das gilt auch heute noch. (Die körper stimmenstärksten Partei, ein allenfalls zweites vor laufender Kamera abstimmende politische Prominenz Restmandat der im betreffenden Wahlkörper zweitstärksten entzieht sich allerdings beharrlich dieser letzten Kontrolle Partei zuzuweisen war. Die Mandate wurden den Kandi- des Abstimmungsvorganges.) daten in der Reihenfolge des Wahlvorschlages zugewiesen. 4. Wahlpflichtgesetz d) Sonstiges Gleichzeitig mit der neuen Gemeindewahlordnung 1909 Durch die im selben Jahr erfolgte Novellierung der Gemein- wurde in einem eigenen Gesetz16 die Wahlpflicht einge- deordnung wurde die Funktionsperiode von drei auf fünf führt. Im Bericht des Wahlreformausschusses wird dies Jahre verlängert.15 damit begründet, – dass Rechte und Pflichten im Allgemeinen und so auch Die Vorschriften zur geheimen Abstimmung wurden wei- Wahlrecht und Wahlpflicht korrelativ seien, ter verfeinert: – dass die Wahlpflicht die Wahlagitation mäßige und – recht bemerkenswert –, Die Stimmzettel müssen nun aus weißem, nicht steifem – dass sie dem einzelnen Wähler erst die volle Freiheit in Papier sein und dürfen keine äußeren Kennzeichen tragen. der Ausübung des Wahlrechtes gebe.17 Die Erfahrungen mit der Wahlpflicht bei den Reichsrats- Bei der Verhältniswahl ist der Stimmzettel in einer Wahl- wahlen seien, so im Bericht weiter, von allen Parteien als zelle in das Kuvert einzulegen. äußerst wohltuend erklärt worden. Zur Frage Verhältniswahl und Wahlpflicht führt der Bericht aus: Wenn die Wahlpflicht Nach den bisherigen Regelungen hatte der Wahlberechtigte für alle Fälle wünschenswert erscheine, so sei sie für die Ver- seinen Stimmzettel bzw. sein Kuvert dem Vorsitzenden zu hältniswahlgemeinden geradezu eine Notwendigkeit. Pro-

Seite 63 porz und Wahlpflicht bedingten sich gegenseitig. Nur dann, II. Die Zeit der 1. Republik wenn Wahlpflicht bestehe, werde die Gemeindevertretung einer Verhältniswahlgemeinde so zusammengesetzt sein, 1. Gemeindewahlordnung 1919 dass alle Parteien und Interessengruppen der betreffenden Gemeinde ihrer wirklichen Stärke entsprechend vertreten a) Allgemeines sind. Eigenartigerweise spricht der Bericht des Wahlreform- ausschusses die oft geringe Wahlbeteiligung nicht an. So Nach dem Untergang der Monarchie ging der Landtag da- lag beispielsweise die Wahlbeteiligung im Wahljahr 1891 in ran, eine neue Gemeindewahlordnung zu schaffen. Die Egg bei 16,1 Prozent (502:81), in Lingenau bei 12,4 Prozent neue Regelung, die Gemeindewahlordnung 1919,20 war den (233:29) und in bei 4,6 Prozent (279:13).18 Grundsätzen des allgemeinen, gleichen, direkten und ge- heimen Wahlrechtes verpflichtet. Damit ist die Abkehr vom Den Materialien zufolge war die Wahlpflicht nicht umstrit- Zensuswahlrecht vollzogen. Juristische Personen sind ten. Im Jahre 1919, als es darum ging, das aus der Monar- nicht mehr wahlberechtigt. chie stammende Landesgesetz über die Wahlpflicht bei Reichsratswahlen auf die Wahlen zur konstituierenden In Gemeinden mit mehr als 1600 Einwohnern sowie in den Nationalversammlung umzustellen, traten die Gegensätze Industriegemeinden Bürs, , , Lochau, hervor. Auf dem Hintergrund des inzwischen (1919) ein- Nüziders und in den Gemeinden, die vom Landesrat (er ent- geführten Frauenwahlrechtes wurde von der Opposition spricht etwa der heutigen Landesregierung) als Industrie- darauf hingewiesen, dass ein großer Teil der Frauen in Ver- gemeinden anerkannt wurden, wurde nach dem Verhältnis- legenheit sei, was sie mit dem Geschenk des Wahlrechtes wahlverfahren gewählt. anfangen sollten.19 Eine Frau, die trotz aller Wahlagitation nicht wählen will und zur Wahl gezwungen wird, werde eine In den übrigen Gemeinden galt das Verfahren der relativen Partei wählen, die nicht die Demokratie auf ihre Fahne ge- Stimmenmehrheit. In größeren Mehrheitswahl-Gemein- schrieben hat. Mit der Wahlpflicht – so der Sprecher der den (Gemeinden mit mehr als 200 Einwohnern) wurden Opposition weiter - wolle man in erster Linie jene erfassen, die Wahlberechtigten in zwei Wahlkörper geschieden, wo- die sich um die politische Entwicklung am allerwenigsten bei im ersten die Steuerträger und ihre Ehegattinnen und gekümmert haben. Die Arbeiterschaft, die um dieses Recht Kinder, sofern sie im gemeinsamen Haushalt lebten und gekämpft habe, habe die sehr begründete Furcht, dass da- wahlberechtigt waren, und im zweiten die übrigen Wahl- mit ihr Einfluss eingeschränkt und unrechtmäßig zurückge- berechtigten zusammengefasst wurden. Die zu wählenden drängt wird. Mandate waren auf die Wahlkörper nach dem Verhältnis der ihnen angehörenden Wahlberechtigten aufzuteilen, sodass die Gleichheit des Wahlrechtes gewahrt war. In klei- nen Gemeinden wurde in einem Wahlkörper gewählt.

b) Wahlberechtigung

Aktiv wahlberechtigt war jeder in der Gemeinde heimatbe- rechtigte deutschösterreichische Staatsbürger ohne Unter- schied des Geschlechtes, der das 20. Lebensjahr vollendet

Seite 64 und in der Gemeinde seinen ordentlichen Wohnsitz hatte. Nach der verfassungsrechtlichen Vorgabe darf die Wähler- Zum aktiven Wahlrecht gab es einige Ausschlussgründe. Es schaft in Wahlkreise aufgeteilt werden, eine Aufgliederung bestand Wahlpflicht. in herkömmliche Wahlkörper ist hingegen nicht mehr ge- stattet. Das bedeutete, dass die beim Mehrheitswahlver- Passiv wahlberechtigt waren alle Wahlberechtigten, die fahren in größeren Gemeinden vorgesehene Aufteilung in das 24. Lebensjahr zurückgelegt hatten und nicht ausge- Wahlkörper nicht mehr möglich war. schlossen oder ausgenommen waren. 3. Novelle LGBl. Nr. 45/1928 Wer eine Wahl ohne gerechtfertigten Entschuldigungsgrund nicht annahm, war nach wie vor strafbar. Die Novelle LGBl. Nr. 45/1928 hat vor allem das Verfahren bei der Einbringung der Wahlvorschläge geändert. Nach c) Verfahren bisherigem Recht war, wenn kein Wahlvorschlag einge- bracht wurde, das Mehrheitswahlverfahren anzuwenden. Die Wahl ist nun einheitlich für das gesamte Land auf ei- Die Regelung konnte dazu führen, dass Wählergruppen im nen Sonntag auszuschreiben. Die bei der Verhältniswahl Vertrauen darauf, dass eine Mehrheitswahl stattfinden wer- erforderlichen Wahlvorschläge bedurften der Unterschrift de, keine Wahlvorschläge einbrachten und durch das unter von 25 Wahlberechtigten. Die Mandate waren nach dem Umständen kurzfristige Einbringen eines Wahlvorschlages d’hondtschen Verfahren aufzuteilen. Nicht gewählte Bewer- überrascht wurden. ber wurden Ersatzmänner. Um dies zu verhindern, wurde mit der Novelle ein An- 2. Gemeindewahlordnung 1924 meldeverfahren eingeführt. Erst mit der Erstattung einer Anmeldung wurde für alle Wählergruppen eine Frist zur Am 20. Oktober 1920 wurde die Bundes-Verfassung be- Einbringung von Wahlvorschlägen eröffnet. Dieses Anmel- schlossen. Die Vorgaben der Verfassung machten eine deverfahren wurde von der Opposition als Erschwerung Anpassung des Gemeindewahlrechtes erforderlich, was gewertet, weil sowohl für die Anmeldung als auch für den mit der Gemeindewahlordnung 1924 geschah.21 Dies betraf Wahlvorschlag Unterschriften beizubringen waren.24 1950 – neben einer Ausweitung des Wahlrechtes auf nicht hei- und 1998 sollte es hiezu Erleichterungen geben. So wur- matberechtigte Bundesbürger – vor allem das Mehrheits- de in der Gemeindewahlordnung 1950 bestimmt, dass ein wahlrecht und die Wahlkörper. während der Anmeldefrist eingebrachter Wahlvorschlag gleichzeitig als Anmeldung gilt. Damit konnte das doppelte Das Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) kannte für Gemein- Beibringen der Unterschriften vermieden werden. Ab der den nur das Verhältniswahlverfahren.22 Es wurde daher das Novelle LGBl. Nr. 63/1998 genügen dann bei Wahlvorschlä- Mehrheitswahlverfahren, wie der Berichterstatter im Land- gen, die von Parteifraktionen eingebracht werden, die be- tag ausführte, „…[als] ein Notbehelf für den Fall [belassen], reits in der Gemeindevertretung vertreten sind, die Unter- dass in einer Gemeinde nach dem Verhältniswahlverfahren schriften der Mehrheit der Fraktion. die Gemeindevertretung [mangels Wahlvorschlägen] gar nicht gewählt werden kann.“23

Seite 65 4. Novelle LGBl. Nr. 1/1929 Die eingeführte Deutsche Gemeindeordnung kannte keine Gemeindevertretung mit Entscheidungskompetenzen. Die Wenige Wochen nach einer zwischenzeitlich erfolgten Wie- noch am ehesten vergleichbaren Gemeinderäte hatten die derverlautbarung wurde die Gemeindewahlordnung durch Aufgabe, den Kontakt zur Bevölkerung zu pflegen und den LGBl. Nr. 1/1929 erneut novelliert. Weil wegen der unter- Bürgermeister zu beraten. Die Gemeinderäte waren vom schiedlichen Größe der von den Parteien ausgegebenen Bürgermeister im Einvernehmen mit der NSDAP zu berufen. Stimmzettel aus der Dicke des Wahlkuverts auf die Wahl- entscheidung des Wählers geschlossen werden konnte, wurde bestimmt: IV. Die Zeit der 2. Republik

„Der Stimmzettel muss aus weichem, weißlichem Papier 1. Vorläufiges Gemeindegesetz 1945 sein und darf in den Verhältniswahlgemeinden das Aus- maß von 14 Zentimeter in der Länge und von 11 Zentimeter Nach dem Wiedererstehen Österreichs im Jahre 1945 waren in der Breite nicht überschreiten.“ die Verhältnisse neu zu ordnen. Zunächst wurde eine vorläu- fige Regelung getroffen. Nach dem Vorläufigen Gemeinde- Damit hatte der nicht amtliche Stimmzettel seine höchste gesetzes 194528 trat an die Stelle der Gemeindevertretung, Sicherheitsstufe erreicht. solange sie noch nicht auf Grund des allgemeinen, glei- chen, unmittelbaren und geheimen Verhältniswahlrechtes gewählt werden konnte, der Provisorische Gemeindeaus- III. Die Zeit von 1934 bis 1945 schuss.29 Die Mitglieder des Provisorischen Gemeindeaus- schusses waren vom Provisorischen Landesausschuss auf 1. Verfassung 1934 Grund von Vorschlägen der Verbände der drei anerkannten politischen Parteien in der Gemeinde zu ernennen. Die Verfassung 1934 brachte eine Abkehr von der bishe- rigen Art der Bestellung der Gemeindevertretung.25 Der 2. Gemeindewahlordnung 1950 Gemeindetag (so hieß nun die Gemeindevertretung) sollte aus Vertretern von gesetzlich anerkannten Kirchen und Re- Eine definitive Regelung brachte die Gemeindewahlord- ligionsgesellschaften, des Schul-, Erziehungs- und Volksbil- nung 1950.30 Sie knüpfte an das Gemeindewahlrecht vor der dungswesens, der Wissenschaft und der Kunst sowie aus Verfassung 1934 an. Die neue Gemeindewahlordnung bil- Vertretern der Berufsstände bestehen.26 Die Regelung oblag dete die Grundlage für demokratische Wahlen nach einer dem Landesgesetzgeber. Der Vorarlberger Landtag hat eine Pause von 21 Jahren. Die letzte Gemeindevertretungswahl solche Regelung nicht erlassen. hatte im Jahre 1929 stattgefunden.

2. Deutsche Gemeindeordnung a) Wahlrecht

Nach dem Anschluss Österreichs an das Deutsche Reich Wahlalter war das 20. Lebensjahr. Vom Wahlrecht in die wurde in Österreich die Deutsche Gemeindeordnung ein- Gemeindevertretung war unter anderem ausgeschlossen, geführt.27 Sie installierte das „Führerprinzip“ mit der vollen wer sich am Tage vor der Wahlausschreibung noch nicht und ausschließlichen Verantwortung des Bürgermeisters. ein Jahr in der Gemeinde aufgehalten hatte, wenn der Aufenthalt offensichtlich nur vorübergehend war. Diese

Seite 66 Ausnahme basierte auf einer verfassungsgesetzlichen Er- b) Abstimmung mächtigung aus dem Jahre 1929, die heute noch gilt.31 Die Aufnahme einer dementsprechenden Bestimmung in die Der Wähler konnte erstmals bei einer Gemeindevertre- Gemeindewahlordnung stieß auf Widerstand. Streitpunkt tungswahl waren damals die Saisonarbeiter auf Baustellen.32 – einen freien Wahlwerber anfügen, – Kandidaten streichen und Für die Wählbarkeit war die Zurücklegung des 24. Lebens- – Kandidaten reihen. jahres erforderlich. Diese Neuerungen wurden von der Nationalrats- bzw. Das Wahlalter wurde bis zum Jahre 1950 verhältnismäßig Landtagswahl übernommen. Sie wurden nicht allseits gut wenige Male geändert. Ab dem Jahr 1950 setzte hier etwas geheißen. Keine Partei, die als Partei überhaupt zur Gel- mehr Bewegung ein. Die folgende Tabelle mag dies verdeut- tung kommen will – so hieß es von den Gegnern –, wird lichen: sich das Recht nehmen lassen, darüber zu bestimmen, wer als Kandidat auf die Liste gesetzt wird. Es ist unmöglich, Fundstelle Aktives Passives dass man sich von indifferenten Leuten, von solchen, die im LGBl. Nr. Wahlrecht Wahlrecht sich das ganze Jahr nicht um die Partei kümmern, von po- 22/1864 - - 24 litisch Ungeschulten die Kandidatenlisten aufstellen lässt 16/1909 24 24 und dazu aufruft.33 35/1919 20 24 10/1950 20 24 c) Ermittlung des Wahlergebnisses 23/1969 19 23 3/1975 19 21 Die Verteilung der Mandate auf die Parteien erfolgte nach 17/1979 19 19 dem d’hondtschen Verfahren. Die Verteilung der Mandate 16/2004 18 18 auf die Wahlwerber erfolgte mit Hilfe von Wahlpunkten, 23/2008 16 18 entsprechend der Reihung auf dem Stimmzettel. Gestri- chene oder auf dem Stimmzettel nicht aufscheinende Wahl- werber erhielten keine Wahlpunkte. Vom Streichen von Es bestand – nach wie vor – die grundsätzliche Pflicht zur Kandidaten waren in erster Linie die bekannten Persönlich- Annahme der Wahl. keiten der Partei betroffen.

Dieses System ist daher bei den Parteien – sofern sie es nicht ohnehin abgelehnt hatten – zunehmend unbeliebter geworden. Ein prominenter Politiker konnte ihm trotzdem eine positive Seite abgewinnen, wenn er meinte, wer an einem Kandidaten seine Wut auslassen und ihn streichen will, muss jedenfalls für seine Partei stimmen.34

Seite 67 3. Novelle LGBl. Nr. 23/1969 Die folgenden Gemeindevertretungswahlen waren nun ohne Mehrheitswahlverfahren durchzuführen. Dies führte Mit der Novelle LGBl. Nr. 23/1969 wurde die Pflicht zur An- dazu, dass in einer Reihe von Gemeinden lediglich ein nahme der Wahl beseitigt. einziger – durch Vorwahlen oder Absprache zwischen den politischen Gruppierungen erstellter – Wahlvorschlag ein- 4. Novelle LGBl. Nr. 17/1979 gebracht wurde.

Um möglichen Manipulationen auf den von einer Wähler- Bereits kurze Zeit nach der Kundmachung des Erkennt- gruppe ausgegebenen Stimmzetteln vorzubeugen, wurden nisses bemühte sich der Landtag mit einer Entschlie- mit der Wahlnovelle LGBl. Nr. 17/1979 Vorkehrungen getrof- ßung36 um die Möglichkeit, das Mehrheitswahlverfahren fen: wiederum ersatzweise einführen zu können. Das Anliegen – Das Reihen und Streichen von Kandidaten durfte nur fand keine allseitige Zustimmung.37 Für das ersatzweise durch Handschrift oder auf andere nicht vervielfältigte anzuwendende Mehrheitswahlverfahren wurde von sei- Art vorgenommen werden. nen Befürwortern stets ins Treffen geführt, dass es – dem – Änderungen durch Druck oder sonstige Vervielfältigung verbreiteten Wunsch der Bevölkerung kleinerer Gemeinden durften nicht vorgenommen werden. entsprechend – eine Wahl ermögliche, die parteipolitische Auseinandersetzungen vermeidet. Auf der anderen Seite Derartige Änderungen galten – sollten sie dennoch vorge- wurde argumentiert, dass beim Mehrheitswahlrecht Min- nommen worden sein – als nicht beigesetzt. derheiten nicht entsprechend ihrer Stärke vertreten sind. Die Mehrheitswahl sei ein Kastensystem. Es finde keine of- 5. Mehrheitswahlerkenntnis des fene Auseinandersetzung statt. Probleme würden vielfach Verfassungsgerichtshofes unter den Tisch gekehrt.38 Interessanterweise wurde im Jah- re 1919 von der Mehrheitsfraktion, die ein Mehrheitswahl- 1984 hat der Verfassungsgerichtshof den 8. Abschnitt des verfahren in kleineren Gemeinden befürwortete, bei Einfüh- Gemeindewahlgesetzes über das Mehrheitswahlverfah- rung der Verhältniswahl in solchen Gemeinden Ähnliches, ren aufgehoben.35 Der Gerichtshof befand, dass dieses nämlich „Familien- und Vetternwirtschaft“, befürchtet.39 Verfahren zu dem von der Verfassung gebotenen Verhält- niswahlverfahren im Widerspruch stehe. Der Gerichtshof 6. Novelle LGBl. Nr. 67/1997 meinte, dass die Regelung des 8. Abschnitt des Gemein- dewahlgesetzes (GWG) nicht bloß Vorkehrungen für eine 1997 wurde mit der Novelle LGBl. Nr. 67/1997 die so ge- Übergangsperiode treffe, sie ermögliche vielmehr die Wahl nannte Kommunalwahl-Richtlinie umgesetzt und aus- des Gemeinderates für eine normale Funktionsperiode. Das ländischen Unionsbürgern, die einen Hauptwohnsitz in der aber widerspreche dem verfassungsgesetzlich festgelegten Gemeinde haben, das aktive und passive Wahlrecht bei Grundsatz der Verhältniswahl, weil damit neben dem Ver- Gemeindevertretungswahlen eingeräumt.40 hältniswahlrecht gleichrangig und alternativ noch ein weiteres Wahlsystem etabliert werde.

Seite 68 7. Novelle LGBl. Nr. 63/1998 sie nur einen geringeren Stimmenanteil zu erwarten hatten, Stimmzettel für die gesamte Wählerschaft bereitstellen und Das Jahr 1998 brachte mit der Novelle LGBl. Nr. 63/1998 – dies mit in der Regel geringeren personellen und finanzi- abgesehen von der hier nicht behandelten Bürgermeister- ellen Ressourcen. direktwahl – drei wesentliche Neuerungen:41 Der amtliche Stimmzettel ist nach Hause zuzustellen, da- a) Wiedereinführung des Mehrheitswahlverfahrens mit – so die Befürworter – der Wähler sich in Ruhe die Vergabe der Vorzugsstimmen überlegen kann. Die Oppo- Die Novelle setzte das im Jahre 1984 vom Verfassungsge- sition meinte, es bedürfe keiner besonderen Vorstellungs- richtshof aufgehobene Mehrheitswahlverfahren wieder in kraft, um zu erkennen, dass viele Stimmzettel in Gruppen- Kraft. Dies geschah auf Grund einer entsprechenden bun- arbeit ausgefüllt und damit die Prinzipien der geheimen desverfassungsgesetzlichen Ermächtigung, wonach für und persönlichen Wahl ad absurdum geführt werden.43 den Fall, dass keine Wahlvorschläge eingebracht werden, Nach § 40 Abs. 1 GWG kann das Ausfüllen des Stimmzet- in der Wahlordnung bestimmt werden kann, dass Personen tels in der Wahlzelle oder außerhalb des Wahllokales ge- als gewählt gelten, deren Namen auf den Stimmzetteln am schehen. In der Wahlzelle muss ein ausreichender Vorrat häufigsten genannt werden.42 an amtlichen Stimmzetteln aufliegen (§ 28 Abs. 4 GWG), aus dem sich der Wähler bedienen kann, etwa wenn er Das Mehrheitswahlverfahren wurde – wie dargestellt – den zugestellten Stimmzettel nicht bei sich hat, sich beim unterschiedlich beurteilt. Wie dem auch sei, jede Wähler- Ausfüllen geirrt hat oder eine Wahl treffen will, die vom gruppe, die befürchtet, durch organisierte Wahlwerbung außerhalb des Wahllokales ausgefüllten Stimmzettel ab- anderer Gruppen (Parteien, Interessengruppen, Verwandt- weicht. schaften) ausgebootet zu werden, kann die Mehrheitswahl durch Einbringung eines Wahlvorschlages ausschließen. c) Vorzugsstimmen

Bei den Gemeindewahlen im Jahr 2000 haben 14 Gemein- Die dritte bedeutsame Änderung betraf die Einflussnah- den nach dem Mehrheitswahlverfahren gewählt. In 26 Ge- me des Wählers auf die Wahlwerber. Nach der bisherigen meinden stand nur eine einzige Parteiliste zur Wahl. Im Jahr Rechtslage konnte der Wähler Kandidaten reihen oder 2005 war die Wahl in 12 Gemeinden nach dem Mehrheits- streichen. Das hat da und dort zu innerparteilichen Ne- wahlverfahren durchzuführen. In 26 Gemeinden gab es nur gativwahlkämpfen mit organisierten Streichungen oder eine Parteiliste. Bei der Gemeindevertretungswahl 1980, Parteistimmzetteln mit ausgewählten Kandidaten geführt. der letzten Wahl vor der Aufhebung des Verfahrens durch Das Reihen und Streichen wurde nun durch ein System zur den Verfassungsgerichtshof, wurde in einem Drittel der Ge- Vergabe von Vorzugsstimmen ersetzt, das von den letzten meinden nach dem Mehrheitswahlverfahren gewählt. Wahlen sicherlich noch geläufig ist. Der Negativwahlkampf sollte – wenn schon innerparteilicher Kampf – zu einem Po- b) Amtlicher Stimmzettel sitivwahlkampf werden.

Mit der Novelle wurde als wesentliche Neuerung auch der Dem herkömmlichen System des Reihens und Streichens amtliche Stimmzettel eingeführt. Der amtliche Stimmzet- und dem Vorzugsstimmen-System ist bei aller Verschieden- tel wurde vor allem von den kleineren Parteien vehement heit eines gemeinsam: Sie wirken sich vor allem in den vor- gefordert. Bis zu seiner Einführung mussten sie, auch wenn deren Listenrängen aus.

Seite 69 8. Novelle LGBl. Nr. 16/2004 Für die Wahlen zu den Landtagen und zu den Gemeinde- vertretungen ergab sich aus den beiden zitierten Erkennt- Mit der Novelle LGBl. Nr. 16/2004 wurde – dem Mainstream nissen des Verfassungsgerichtshofes keine unmittelbare vom „mündigen Bürger“ nachgebend – die Wahlpflicht Notwendigkeit zu gesetzgeberischem Handeln. Die Wahlbe- aufgehoben. rechtigung in diese Vertretungskörper war ja nach der Ver- fassung an den ordentlichen Wohnsitz bzw. Hauptwohnsitz 9. Novelle LGBl. Nr. 23/2008 gebunden.

Im Jahre 1985 hat der Verfassungsgerichtshof die rechtswis- Im Jahre 2007 hat der Bundesverfassungsgesetzgeber in senschaftlich und politisch umstrittene Frage der Zulässig- einem politischen Paket (nicht etwa nur als Ermächtigung keit der Briefwahl entschieden.44 Der Gerichtshof meinte, an den Gesetzgeber, sondern verpflichtend auch für die dass die Briefwahl gegen die Verfassungsprinzipien der Wahlen in die Landtage und Gemeindevertretungen) „geheimen“ und „persönlichen“ Wahl verstoße. – die Briefwahl (nunmehr ohne Beschränkung auf einen Auslandsaufenthalt) eingeführt und Vier Jahre später hat der Verfassungsgerichtshof ausge- – das Alter für das aktive Wahlrecht mit der Vollendung sprochen, dass der Ausschluss der Auslandsösterreicher des 16. Lebensjahres und für das passive Wahlrecht mit durch den einfachen Gesetzgeber in Widerspruch zur der Vollendung des 18. Lebensjahres festgesetzt.46 Bundes-Verfassung stehe.45 Die Nationalratswahlordnung Diese Regelungen über das Wahlalter und die Briefwahl wa- und das Bundespräsidentenwahlgesetz machten nämlich ren das Thema der kürzlich in Kraft getretenen, (vorläufig) das Wahlrecht entgegen Art. 26 Abs. 1 erster Satz B-VG und letzten Novelle zum Gemeindewahlrecht. Art. 60 Abs. 1 B-VG vom ordentlichen Wohnsitz im Inland abhängig. Schlussbemerkung Für den Bundesgesetzgeber bestand nun Handlungsbe- darf. Die Lösung, Auslandsösterreichern das Wahlrecht Ich darf zum Ende kommen. Ich hoffe, dass die Bemer- einfach dadurch zu ermöglichen, dass sie zur persönlichen kungen wenigstens da und dort auch bemerkenswert waren Stimmabgabe vor inländischen Wahlbehörden zugelassen und zumindest drei mir wesentlich erscheinende Entwick- werden, wurde – soweit ich sehe – nicht diskutiert. Eine lungslinien unseres Gemeindewahlrechtes nachzuzeichnen solche Lösung wäre wohl einer Verhöhnung gleichgekom- vermochten, nämlich men. So wurde nun zunächst im Wege besonderer Verfas- – vom Zensuswahlrecht des Jahres 1864 zum allgemei- sungsbestimmungen und später durch eine in das B-VG nen Wahlrecht der Männer und Frauen im Jahre 1919 bis aufgenommene Ermächtigung Auslandsösterreichern und zu seiner heutigen Ausgestaltung, Österreichern, die sich auch nur vorübergehend im Aus- – von der mündlichen Abstimmung im Jahre 1864 zur land befanden, die Stimmabgabe im Ausland ermöglicht. geheimen Abstimmung mit Stimmzetteln bis hin zum Die Kompliziertheit des Vorganges führte dazu, dass ca. 20 amtlichen Stimmzettel im Jahre 1998, bis 25 Prozent der an die Wahlbehörden gelangten Stimm- – vom alleinigen Mehrheitswahlverfahren der Jahre 1864 kuverts nicht ausgewertet werden durften. bis 1909 zu dem unterschiedlich gestalteten Nebenei- nander von Mehrheitswahl und Verhältniswahl in den Jahren 1909 bis heute.

Seite 70 Bei einer Wahlordnung für die Gemeindevertretung geht es 1 Um den Anmerkungsapparat ergänztes Manuskript des Vortrages, wie bei jeder Wahlordnung um Verteilung von Macht. Was der am 22. Oktober 2008 auf dem Symposium „Der Vorarlberger dabei der einen Gruppierung vielleicht von Nutzen ist, ge- Landtag und die Gemeinden“ im Rahmen der von der Vorarlberger reicht einer anderen möglicherweise zum Nachteil. Erinnert Landesregierung und dem Vorarlberger Gemeindeverband sei beispielsweise an die Frage der offenen oder geheimen ausgerichteten Veranstaltungsreihe „200 Jahre Gemeindeorganisation in Abstimmung, die Schritte von Zensus und Wahlkörper zum Vorarlberg 1808 – 2008“ mit geringfügigen Kürzungen gehalten wurde. allgemeinen Wahlrecht, an die Themen Wahlpflicht, Wahl- 2 LGBl. Nr. 22/1864. alter oder Briefwahl. In den parlamentarischen Materialien 3 RGBl. Nr. 18/1862. finden sich nicht allzu viele Aussagen, in denen eigener 4 Artikel XI des Reichsgemeindegesetzes 1862. Vorteil oder fremder Schaden als motivierend einbekannt 5 Benedikt Bilgeri, Geschichte Vorarlbergs, Bd. 4: Zwischen Absolutismus worden wäre. und halber Autonomie, Wien/Köln/Graz 1982, S. 401. 6 Siehe die Wortmeldungen in der Debatte der Landtagssitzung vom 29. Bei diesem Befund könnte man meinen, dass beim „Ja“ Dezember 1866 (Stenographische Sitzungsberichte [fortan: StenSib] des oder „Nein“ zu wahlrechtlichen Regelungen nur die ins Tref- 1. Vorarlberger Landtages [fortan: LT] 5. Session 1866, 12. Sitzung S. 182 fen geführten, honorigen Argumente entscheidend waren ff.). und kaum ein Auge auf eigenen oder fremden Nutzen oder 7 Abgeordneter [fortan: Abg.] Jodok Fink in der Landtagssitzung vom 29. Schaden geworfen wurde. Ob dem – nach den Erfahrungen, Dezember 1902 (StenSib 9. LT 1903, 5. Sitzung, S. 42) . die wir tagtäglich auch mit uns selbst machen – tatsächlich 8 Abg. Adolf Rhomberg in der Landtagsitzung vom 2. September 1984 so sein konnte, darf ich Ihrer Vermutung anheim stellen. (StenSib 6. LT 1. Session 1884, 9. Sitzung, S. 62). 9 Bericht des landtäglichen Ausschusses vom 29. August 1884 (10. der Beilagen zu StenSib 6. LT 1. Session 1884). 10 LGBl. Nr. 16/1909. 11 Bericht des Landesausschusses vom 4. September 1908 (15. der Beilagen zu StenSib 9. LT 5. Session 1908). 12 Siehe hiezu die Wortmeldungen in der Landtagssitzung vom 31. Oktober 1904 (StenSib 9. LT 2. Session 1904, 14. Sitzung). 13 Bericht des Wahlreformausschusses vom 1. Oktober 1908 (48. der Beilagen zu StenSib 9. LT 5. Session 1908). 14 Dieses Verfahren gilt heute für das erste Ermittlungsverfahren bei der Landtagswahl, wobei Restmandate nach dem d’hondtschen Verfahren aufzuteilen sind. 15 LGBl. Nr. 15/1909. 16 LGBl. Nr. 18/1909. 17 Bericht des Wahlreformausschusses vom 1. Oktober 1908 (50. der Beilagen zu StenSib 9. LT 5. Session 1908). 18 Bilgeri, Geschichte Vorarlbergs 4 (wie Anm. 5), S. 411. 19 Landeshauptmannstellvertreter Fritz Preiß in der Sitzung der provisorischen Vorarlberger Landesversammlung vom 21. Jänner 1919 (StenSib Provisorische Landesversammlung 1918/19, 8. Sitzung, S. 7 f.). 20 LGBl. Nr. 35/1919.

Seite 71 21 LGBl. Nr. 1/1924. 39 Dr. Josef Mittelberger und Dr. Ferdinand Redler in der Sitzung der 22 Art. 119 B-VG. Landesversammlung vom 24. April 1919 (StenSib Provisorische 23 Berichterstatter Dr. Ferdinand Redler in der Landtagssitzung vom 11. Landesversammlung 1918/19, 15. Sitzung, S. 3 u. 9). Jänner 1924 (StenSib 12. LT 1924, 3. Sitzung, S. 3). 40 Novelle LGBl. Nr. 67/1997. 24 Siehe hiezu die Wortmeldungen des Abg. Linder in der Landtagssitzung 41 Novelle LGBl. Nr. 63/1998. vom 14. November 1928 (SteSib 13. LT 1928, 10. Sitzung, S. 17, 21 ff.). 42 BGBl. Nr. 504/1994. 25 BGBl. II Nr. 1/1934. 43 Abg. Dr. Günter Keckeis in der Landtagssitzung vom 10. Juni 1998 26 Art. 127 der Verfassung 1934. (StenSib 26. LT, 5. Sitzung, S. 317). 27 Art. I der Verordnung über die Einführung der Deutschen 44 Erkenntnis vom 16. März 1985, Sammlungsnummer 10.412. Gemeindeordnung im Lande Österreich, Gesetzblatt für das Land 45 Erkenntnis vom 16. März 1989, Sammlungsnummer 12.023. Österreich Nr. 408/1938. 46 BGBl. I Nr. 27/2007. 28 StGBl. Nr. 66/1945. 29 Art. 7 VGemG. 30 LGBl. Nr. 10/1950. 31 Art. 119 Abs. 2 B-VG, in Kraft getreten am 11. Dezember 1929. 32 Landesrat Jakob Bertsch in der Landtagssitzung vom 26. Jänner 1950 (StenSib 17. LT 1950, 1. Sitzung, S. 3 f.). 33 So sinngemäß Landesrat Bertsch (ebenda, S. 7). 34 So sinngemäß Landesstatthalter Dr. Gerold Ratz zum Verfasser in einem heute nicht mehr datierbaren Gespräch. 35 Erkenntnis vom 20. Jänner 1984, Sammlungsnummer 9.912. 36 Entschließung vom 25. April 1984 betreffend das Wahlverfahren bei Gemeindevertretungswahlen in Ermangelung von Wahlvorschlägen (Beschlussfassung: StenSib 23. LT 1984, 3. Sitzung, S. 118). Die Entschließung geht auf den selbständigen Antrag der Abg. Dr. Anton Sutterlüty und Genossen betreffend das Wahlverfahren bei Gemeindevertretungswahlen in Ermangelung von Wahlvorschlägen zurück (10. zu StenSib 23. LT 1984). Eine weitere gleichartige Entschließung stammt vom 11. März 1992. Ihr liegt ein selbständiger Antrag der Abg. Dipl. Ing. Batlogg und Kollegen zugrunde (62. Beilage zu StenSib 25. LT 1991). Debatte und Beschlussfassung: StenSib 25. LT 1992, 2. Sitzung, S. 106 ff. 37 Siehe die Debatte in der Landtagssitzung vom 25. April 1984 zu TOP 5 (StenSib 23. LT 1984, 3. SitzungS. 110 ff.). 38 Abg. Dr. Arnulf Häfele in der Landtagssitzung vom 25. April 1984 (StenSib 23. LT 1984, 3. Sitzung, S. 114).

Seite 72 Ein selbständiges Land mit autonomen Gemeinden

Festveranstaltung der Landesregierung und des „Wirf deiner Sehnsucht Anker“ – „Nimm den Tag“ Landtages am 90. Jahrestag der Selbständigkeits- Komposition: Thomas Thurnher (geb. 1966) erklärung des Landes Vorarlberg Text: Elisabeth Marx (geb. 1946) Bregenz, Landhaus, 3. November 2008 Schulchor des Sacré Coeur Riedenburg, Bregenz (Leitung: Mag. Hubert Herburger)

Das Land als verlässlicher Partner „Liedle, Liedle“ Bundesratspräsident Bundesminister a. D. Jürgen Weiss Komposition: Wilhelm Fritz (1918 bis 1995) Text: Fritz Thevenet (1894 bis 1936) Anregungen zur politischen Teilhabe in Vorarlberg Schulchor des Sacré Coeur Riedenburg, Bregenz seit 1945 (Leitung: Mag. Hubert Herburger) Serpil Polat, Simon Dörler, Max Feuerstein Vorstellung eines Projekts des Gymnasiums Bregenz Das Land gliedert sich in Gemeinden Blumenstraße im Rahmen des Wahlpflichtfaches Landtagsvizepräsidentin Dr. Gabriele Nußbaumer „Geschichte und Politische Bildung“ (Leitung: Prof. Dr. Gerold Amann) „Vu Afang a“ Komposition: Thomas Thurnher (geb. 1966) Überreichung des „Jugend-Bravo“ an die Projekt- Text: Elisabeth Marx (geb. 1946) gruppe Schulchor des Sacré Coeur Riedenburg, Bregenz (Leitung: Mag. Hubert Herburger) ’s Ländle meine Heimat Landeshymne (1949), Am 3. November 1918 Text und Musik: Anton Schmutzer 1905/07 Dr. Ulrich Nachbaur, Vorarlberger Landesarchiv Empfang

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EINLADUNG

Seite 74 Festveranstaltung „Ein selbständiges Land mit autonomen Gemeinden“ Bregenz, Landhaus, 3. November 2008 Gabriele Nußbaumer (geb. 1956), Dr. iur., seit 1999 Mitglied des Vorarlberger Landtages, seit 2004 Landtagsvizepräsidentin

„Das Land gliedert sich in Gemeinden“ Gabriele Nußbaumer

Ich darf Sie recht herzlich zur Festveranstaltung am 90. Die Männer, die am 3. November 1918 zusammengetreten Jahrestag der Selbständigerklärung des Landes Vorarlberg waren – noch handelte es sich im Landtag ausschließlich begrüßen. Sie steht unter dem Titel „Ein selbständiges um Männer – hätten es sich gewiss nicht träumen lassen Land mit autonomen Gemeinden“ und ist in die Veranstal- würden, welch florierendes Land 90 Jahre später dieses tungsreihe „200 Jahre Gemeindeorganisation in Vorarlberg Ereignisses gedenken würde. Auch wenn wir heute gerade 1808 – 2008“ eingewoben. angesichts der gegenwärtigen Finanzkrise und eines sich anbahnenden Konjunktureinbruchs alle etwas besorgt Stellvertretend für alle Gemeindemandatare haben der sind: Wir können doch zuversichtlich sein, dass wir uns in Landtag und die Landesregierung zum offiziellen Abschluss der Krise behaupten werden und unseren Wohlstand wah- des „Gemeindejahres“ die aktiven und ehemaligen Mit- ren können. Vielleicht sollten wir uns am Mut und der Ent- glieder der Gemeindevorstände zu dieser Veranstaltung schlossenheit der provisorischen Landesversammlung von eingeladen. Ich möchte auch Sie an dieser Stelle aus- damals ein Beispiel nehmen. drücklich herzlich begrüßen. Wie die im Vorarlberger Landesmuseum gerade laufende Das Land Vorarlberg bringt mit dieser Veranstaltung seine Ausstellung über den „Kanton Übrig“ zeigt, waren freilich Verbundenheit mit den Gemeinden zum Ausdruck. „Das viele Menschen in unserem Land auch damals von der Zu- Land gliedert sich in Gemeinden“, so steht in Art. 72 un- kunft des selbständigen Landes Vorarlberg in Österreich serer Landesverfassung in trockener rechtlicher Formulie- keineswegs überzeugt. Sie alle machten während der Er- rung verankert. Umgekehrt setzt sich aber auch das Land sten Republik eine schwierige Zeit durch. Umso wohltuen- aus den Gemeinden zusammen. Es ist nicht von oben nach der hebt sich davon die Entwicklung seit 1945 ab. unten, sondern von unten nach oben aufgebaut. Wir sind seither einen dem Gedanken der Eigenständigkeit Der 30-köpfigen provisorischen Landesversammlung, die und Bewahrung von Gestaltungsfähigkeit verpflichteten sich am 3. November 1918 konstituierte, gehörten 19 Ver- Weg gegangen. Auf diesem Weg in Österreich und in Euro- treter der Christlichsozialen, 6 Deutschfreisinnige und pa waren die Gemeinden ein wichtiger Partner des Landes. 5 Sozialdemokraten an. Unter dem damaligen Landes- Land und Gemeinden sollten sich auch in Zukunft nicht aus- präsidenten Dr. Otto Ender wurde die bis dahin gemein- einander dividieren lassen. sam bestehende Verwaltung des Landes mit Tirol von der Landesversammlung für aufgehoben erklärt. Gleichzeitig Lassen Sie mich noch einige Worte zur musikalischen Um- deklarierte die Landesversammlung Vorarlberg als eigenes, rahmung der heutigen Veranstaltung sagen, die sehr gut selbständiges Land und den Beitritt zu Deutsch-Österreich. zum Anlass passt:

Den Mitgliedern der provisorischen Landesversamm- Das Land Vorarlberg vergibt zu besonderen Anlässen Kom- lung war an diesem Tag wohl nicht zum Feiern zumute. Es positionsaufträge an Vorarlberger Musikschaffende. Auf herrschte kriegsbedingt unvorstellbare Not. Die Menschen Vorschlag der Kunstkommission Musik erging der Auftrag in Vorarlberg – aber nicht nur hier - hungerten. Die alte an Thomas Thurnher aus Dornbirn, für diese Festveranstal- Weltordnung war hinweg gefegt worden. Die österreich- tung zwei Musikstücke zu komponieren. Die Texte stammen ungarische Monarchie war zusammen gebrochen und ihre von Elisabeth Marx aus Götzis. Ihr Großvater Dr. Johann Völker strebten auseinander. Josef Mittelberger, der spätere Finanzlandesrat und Fi-

Seite 75 nanzminister, war genau der Mann, der 1918 an der Vorarl- berger Selbständigkeitserklärung mitgearbeitet und diese schließlich im Landtag verlesen hat. Nun, nach neunzig Jahren, werden Texte seiner Enkeltochter im Rahmen der Festveranstaltung zu hören sein.

Es freut mich sehr, dass ich heute Abend sowohl den Kom- ponisten Thomas Thurnher als auch die Autorin Elisabeth Marx in unserer Mitte begrüßen darf und heiße sie beide herzlich willkommen.

Und nun dürfen wir uns auf die Uraufführung „Vu Afang a“ freuen. Dargeboten wird das Lied vom Schulchor des Sacré Coeur Riedenburg, dem beim Bundesjugendsingen 2007 in Bregenz das Prädikat „ausgezeichnet“ verliehen wurde.

Mehr zum 3. November 1918 werden wir im Anschluss von Dr. Ulrich Nachbaur vom Vorarlberger Landesarchiv hören, der uns sicherlich wieder ein Kostprobe seines enormen Wissens um die historischen Zusammenhänge in unserem Land und seines großen Talents, diese auch zu vermitteln, liefern wird.

Seite 76 Festveranstaltung „Ein selbständiges Land mit autonomen Gemeinden“ Bregenz, Landhaus, 3. November 2008 Ulrich Nachbaur (geb. 1962 in Feldkirch), Dr. iur., M.A., seit 1997 Mitarbeiter im Vorarlberger Landesarchiv

Am 3. November 1918

Zur Selbständigkeitserklärung des Landes Vorarlberg Ulrich Nachbaur

Am 3. November 1918 wurde der Waffenstillstand mit Italien werde. Karl rief seine Völker auf, an dem großen Werk durch unterzeichnet. Doch die österreichischen Truppen erfuhren „Nationalräte“ mitzuwirken, die aus den Reichsratsabge- nicht oder wollten nicht mehr wissen, dass die Kampfhand- ordneten jeder Nation gebildet werden sollten.2 lungen erst am 4. November eingestellt werden sollten. Sie legten ihre Waffen nieder und wurden von den Italienern In diesem Manifest klingt das 14-Punkte-Friedenspro- überrannt, die in diesem einen Tag 350.000 Gefangene gramm des amerikanischen Präsidenten Woodrow Wilson machten, darunter viele Vorarlberger. vom Jänner 1918 mit. Es baute auf das nationale Selbstbe- stimmungsrecht und stellte den Völkern Österreich-Ungarns So grub sich der 3. November 1918 als Tag der Demütigung freieste Gelegenheit zu autonomer Entwicklung in Aussicht. und des Zorns in die Erinnerung einer Generation ein, wo- bei sich der Zorn bei nicht wenigen auch gegen das Kaiser- Das Kernproblem Ungarn hatte Karl ausgenommen. Doch haus richtete, die, wie mein Großvater, ihre Niederlage der alle seine Völker bildeten Nationalräte, und wollten nichts „Katzelmacherin“ Zita zuschrieben, die sie verraten habe. mehr voneinander wissen.

1916 war der junge Karl dem greisen Franz Joseph auf den Am 21. Oktober 1918 traten im Niederösterreichischen Thron gefolgt. Im Frühjahr 1917 hatte er über seinen Schwa- Landhaus in Wien die Abgeordneten der deutschen Reichs- ger Sixtus von Bourbon-Parma mit der Entente Geheimver- ratswahlkreise als provisorische Nationalversammlung des handlungen über einen Sonderfrieden angeknüpft; und neuen Staates Deutschösterreich zusammen. Am 25. Okto- dies geleugnet, als die „Sixtusaffäre“ im April 1918 aufflog, ber wurde in Prag ein tschechoslowakischer Staat ausgeru- die den Kern der Dolchstoßlegende bildete. Gerne wurde fen. Am selben Tag bildete sich in Budapest ein Nationalrat, später Jodok Fink zitiert, der einmal gesagt haben soll: „Der der die Realunion mit Österreich aufkündigte und die un- Kaiser meint es recht, er meint es sicher recht. Aber man garischen Truppen heimrief. Nach Jahrhunderten zerfiel das sollte Tag und Nacht bei ihm sein, Tag und Nacht.“1 Reich unter Habsburgs Kronen binnen weniger Tage.

Österreich-Ungarn war völlig erschöpft, die Lage trostlos, Eine der Schlüsselfiguren in Wien war der 65jährige Bre- auch in Vorarlberg. Es herrschten Hunger und Not. Das Land genzerwälder Bauer Jodok Fink (1853 bis 1929), der zu und seine Menschen waren ausgezehrt und müde. Zu allem den einflussreichsten Abgeordneten des österreichischen Überfluss grassierte noch die „Spanische Grippe“; eine Reichsrats zählte und nun endgültig in die Rolle eines Pandemie, die weltweit Millionen Menschen das Leben Staatsmanns schlüpfte.3 kostete. Die Christlichsozialen hatten kein klares Konzept. Wie sollte Am 3. November 1918 war der Zerfall Österreich-Ungarns sich eine staatstragende Partei verhalten, als das Vielvöl- nicht mehr aufzuhalten. kerreich auseinander driftete?

Am 16. Oktober hatte Kaiser Karl einen Rettungsversuch Klubobmann Landeshauptmann Prälat Johann Nepomuk unternommen und die Umwandlung der erstarrten Doppel- Hauser (1866 bis 1927) lag mit Grippe im Bett.4 So übernahm monarchie in einen „Bund freier Völker“ angekündigt, auf sein Stellvertreter Fink in den ersten Tagen die Führung. Als deren „Selbstbestimmung“ das neue Reich sich gründen entschiedener Demokrat fand er sich rasch zurecht und verhandelte mit den anderen Parteien die Gründung des neuen Staates.

Seite 77 Die Nationalversammlung wählte Fink bei der Konstitu- Die „Los von Tirol!“-Parole hatte seit 1849 wesentlich zur ierung am 21. Oktober für die Christlichsozialen in ihr Ausformung eines Vorarlberg-Bewusstseins beigetragen; dreiköpfiges Präsidium und damit auch in den Vollzugs- zu einer Landesidentität, die stark föderalistisch geprägt auschuss, wo Fink die Leitung der Gruppe Volkswirtschaft wurde, ein Stück weit sogar sezessionistisch. und Ernährung übernahm und eine Delegation nach Berlin führte. Sobald Klubobmann Hauser halbwegs genesen war, Seit 1870 dominierten die „Schwarzen“ den Landtag. Die erklärte Fink telegrafisch seinen Rücktritt vom Präsidenten- Deutschnationalen hatten zuletzt gerade noch zwei von 25 amt.5 Mandaten behauptet.6 Die Sozialdemokraten waren chan- cenlos, da Franz Joseph eine Demokratisierung des Wahl- Am 30. Oktober schuf die Nationalversammlung die grund- rechts verweigert hatte. legenden Einrichtungen der Staatsgewalt. Die Frage der Staatsform ließ sie offen, denn noch traten die Christ- Wie aber würde die künftige Verfassung Deutschösterreichs lichsozialen offiziell für eine demokratische Monarchie ein. aussehen? Welche Rolle sollten die Länder künftig spielen? Hauser wurde ins Präsidium gewählt, Fink als einfaches Sollten sie überhaupt noch eine Rolle spielen? – Es galt zu Mitglied in den Staatsrat. Jetzt galt es Vorarlberg. handeln.

Wie alle Kronländer verfügte Vorarlberg ab 1861 über einen Am 22. Oktober stimmten sich Ländervertreter in Wien ab. Landtag, der zur Führung der autonomen Landesverwaltung Vorarlberg vertrat vermutlich Jodok Fink, der seit 1890 dem einen Landesausschuss wählte. Der Landeshauptmann Landesausschuss angehörte. Sie versicherten die National- wurde allerdings vom Kaiser aus dem Kreis der Abgeordne- versammlung der Unterstützung der autonomen Landes- ten ernannt und war allein dem Kaiser verantwortlich. Ohne verwaltungen und ließen durchklingen, dass ohne Länder kaiserliche Sanktion konnte kein Landesgesetz in Kraft tre- kein Staat zu machen sein wird, zumal mit der Auflösung ten und nur der Kaiser konnte den Landtag einberufen, was des zentralen Verwaltungsapparates zu rechnen sei. Die im letztmals 1913 der Fall gewesen war – ein Scheinparlamen- Volk verankerten, demokratisch auszubauenden Landes- tarismus. ausschüsse seien berufen, „nicht nur bei der Liquidierung des bisherigen, sondern auch beim Neuaufbau des neuen Neben der bescheidenen autonomen Landesverwaltung Staatswesens mitzuwirken“.7 des Landtages bestand für alle Länder eine mächtige staat- liche Landesverwaltung, die von kaiserlichen Beamten ge- Der Vollzugsausschuss reagierte drei Tage später mit ei- führt wurde. Eine Besonderheit bestand nun darin, dass ner Vorlage an die Nationalversammlung, die beschlie- diese staatliche Landesverwaltung für Tirol und Vorarlberg ßen wolle: „Bis zur endgültigen Festsetzung der deutsch- gemeinsam von einer k. k. Statthalterei in Innsbruck ge- österreichischen Verwaltungsorganisationen werden zur führt wurde, der auch die k. k. Bezirkshauptmannschaften Vertretung der Länder provisorische Landesversammlungen Bregenz, Feldkirch und Bludenz unterstanden. Wenn der und Landesausschüsse berufen. Die deutschen politischen Vorarlberger Landtag 1907 und 1913 vehement eine eigene Parteien jedes Landes haben zu vereinbaren, in welcher „Landesregierung“ für Vorarlberg forderte, zielte er auf die Weise die provisorischen Landesversammlung zusammen- Errichtung einer eigenen kleinen Statthalterei in Bregenz gesetzt werden soll, wie in jenen Ländern, wo Landesaus- ab. schüsse noch nicht bestehen, solche zu bilden, und in je- nen Ländern, wo nicht alle Parteien im Landesausschusse

Seite 78 vertreten sind, Berufungen in die Landesausschüsse erfol- Reichsratswahl 1911 erzielt habe, stehe ihr ein Mandat zu.14 gen sollen. Von der Konstituierung der provisorischen Lan- In weiteren Verhandlungen wurde die Mandatszahl von 20 desversammlungen und Landesausschüsse ist der Voll- auf 30 erweitert, um allen Parteien eine regionale und be- zugsausschuss zu verständigen.“8 rufliche Repräsentation zu ermöglichen.15

Doch die Ländereliten warteten einen Beschluss der Natio- Diese Verhandlungen dürfte Jodok Fink geführt haben, der nalversammlung nicht ab. In den Landeshauptstädten wur- am 1. November, an Allerheiligen, in Bregenz eintraf und den Fakten geschaffen, schon um das drohende Chaos in Dr. Otto Ender (1875 bis 1960) aufsuchte, der mit Grippe im den Griff zu bekommen. Bett lag.16 Fink hatte sich auf Ender festgelegt. Der 43jährige Rechtsanwalt und Oberdirektor der Hypothekenbank sollte Nun, da die alten Strukturen zerfielen, galt es, die Gunst Vorarlberg in die neue Zeit führen. der Stunde für eine demokratische Machtverschiebung in Richtung Bregenz zu nützen. Leider sind wir über die Vor- Ender hatte eine Wohnung in der Hypothekenbank in der gänge nicht gut unterrichtet. Kirchstraße (heute Landesarchiv), wo sich am Nachmittag die christlichsozialen Vertrauensmänner trafen. Während Abstrus ist die Cincinatus-Legende, die ratlose Landes- sich Ender am Allerseelentag einer Rosskur unterzog, wur- versammlung habe Jodok Fink vom Pflug weg nach Bregenz de mit den Deutschfreisinnigen und den Sozialdemokraten gerufen.9 weiterverhandelt und die Regie für die Konstituierung fest- gelegt. Sie sollte im ehemaligen Hotel „Österreichischer Fink war in Ernährungsfragen in Deutschland unterwegs,10 Hof“ über die Bühne gehen, das der Landesausschuss 1916 als das christlichsoziale „Vorarlberger Volksblatt“ am 26. als Landhaus angekauft hatte. Oktober „von verläßlicher Seite“ zu berichten wusste, dass auch für Vorarlberg die Schaffung eines „deutschen Volks- Es war höchste Zeit. Die Hiobsbotschaften aus Tirol über- rates“ im Zuge sei.11 Das Vorbild bot wohl Tirol. schlugen sich. Wilder Rückzug, marodierende Truppen, Auflösung auch in Vorarlberg. Selbst der Bregenzer Bezirks- Später nahmen die Deutschfreisinnigen die Initiative für hauptmann Josef Graf Walderdorff (1862 bis 1933) drängte sich in Anspruch.12 Folgen wir der Erinnerung Adolf Rhom- zu schnellem, selbständigem Handeln.17 bergs (1851 bis 1921), fand am 30. Oktober eine Parteisit- zung der Christlichsozialen statt.13 Seit 28 Jahren diente der „Seine Exzellenz“ Adolf Rhomberg, der letzte vom Kai- kränkelnde Dornbirner Fabrikant seinem Land und seinem ser ernannte Landeshauptmann, berief die Provisorische Kaiser als Landeshauptmann. Nun erhielt Rhomberg den Landesversammlung ein.18 Am 3. November 1918, ein Auftrag zu Verhandlungen, die er mit dem deutschnatio- Sonntagvormittag, begrüßte er im Landhaus am See 19 nalen Bregenzer Bürgermeister Dr. Ferdinand Kinz (1872 Christlichsoziale (darunter die Mitglieder des bisherigen bis 1935) und dem sozialdemokratischen Eisenbahner Fritz Landesausschusses), sechs Deutschfreisinnige und fünf Preiß (1877 bis 1940) führte. Sozialdemokraten. Rhomberg schloss mit der Mahnung: „Arbeiten Sie vereint und lassen Sie sich in dieser ernsten Am 1. November meldete die sozialdemokratische „Vorarl- Zeit allein von dem Grundsatz leiten: wenig Worte und vor berger Wacht“, die Bildung eines „Volksrates“ sei beschlos- allem Taten!“19 sen worden. Je 1.000 Stimmen, die eine Partei bei der

Seite 79 Nachdem Rhomberg aus gesundheitlichen Gründen Auf Antrag Natters bestellte die Landesversammlung im verzichtet habe,20 schlug Fink Otto Ender als „Landes- Proporz einen „Landesrat“ mit neun Mitgliedern und Er- präsidenten“ vor, den deutschfreisinnigen Lehrer Franz satzmitgliedern. Auf Antrag Preiß räumte sie dem Lan- Natter als ersten Stellvertreter, den Sozialdemokraten Fritz desrat Handlungsvollmachten ein und beauftragte den Preiß als zweiten. Ender erklärte, dass gewiss Staatsrat Fink Landespräsidenten, den Staatsrat und die Statthalterei in der Berufenste gewesen wäre, aber in Wien unentbehrlich Kenntnis zu setzen. Alle Beschlüsse wurden ohne Debatte sei.21 Der spätere christlichsoziale Landesrat und Finanzmi- einstimmig gefasst. nister Dr. Josef Mittelberger (1879 bis 1963) verlas folgenden Entschließungsantrag, auf den sich die drei Parteien geei- Dieser Vorgang wirkt im Rückblick unspektakulär: Keine nigt hatten: Brandreden, kein Volk auf den Straßen, keine Blumen, kein Blut, und doch war es eine Revolution – eine revolutionäre „Die Vorarlberger Landesversammlung erklärt sich als die Staatsgründung. gesetzgebende Körperschaft für das Land Vorarlberg. Ihre Mitglieder wurden von den politischen Parteien entsendet Eine Landesversammlung nahm für Vorarlberg ein nicht und vertreten das Land an Stelle des früheren Landtages, weiter begründetes Selbstbestimmungsrecht in Anspruch bis eine aus Neuwahlen hervorgegangene Vertretung be- und brach mit der konstitutionellen Landesordnung. – Spä- stellt ist. ter wird Ender damit argumentieren, der Kaiser habe die Völker entbunden und die einzelnen Länder seien mit dem Die Vorarlberger Landesversammlung führt durch einen Wegfall der Pragmatischen Sanktion und der Reichsverfas- aus ihrer Mitte gewählten Landesrat die Verwaltung des sung von 1867 wieder selbständig dagestanden.23 Dabei Landes. Wie in anderen Kronländern wurde die Führung der konnte sich Ender rückblickend allenfalls auf das Manifest politischen und autonomen Verwaltung in einer Hand ver- vom 16. Oktober berufen, denn noch hatte Karl keine Ver- einigt; damit hat sich das Land Vorarlberg jene Selbstän- zichtserklärung abgegeben. digkeit gegeben, die es schon lange einmütig erstrebte. Vorarlberg bildet von nun an nicht mehr ein gemeinsames Die Landesversammlung gründete zunächst ein selb- Verwaltungsgebiet mit Tirol, sondern erklärt sich auf Grund ständiges Land Vorarlberg und erklärte dann dessen Bei- des Selbstbestimmungsrechtes als eigenes selbständiges tritt zu Deutschösterreich. Land im Rahmen des deutsch-österreichischen Staates. Der Landesrat tritt daher an die Stelle des bisherigen Landes- Sie ging über die demokratische Erweiterung des Landes- ausschusses und übernimmt überdies die Führung der bis ausschusses hinaus und bestellte einen „Landesrat“, dem jetzt der k. k. Statthalterei zugewiesenen Geschäfte. sie auch die bisher staatliche Landesverwaltung unterord- nete. Die Vorarlberger Landesversammlung stellt sich als drin- gendste Aufgabe, das Volk Vorarlbergs in dieser Zeit Die Selbständigkeitserklärung war im Kern also weit mehr schwerster wirtschaftlicher Not und raschester politischer als nur eine „Unabhängigkeitserklärung von Tirol“, als die Entwicklung in Ordnung und Ruhe in eine bessere Zeit des Kündigung der staatlichen Verwaltungsgemeinschaft, auch Friedens hinüberzuleiten. Sie will insbesonders alle Kräfte wenn diese im Vordergrund stand, um die drängenden Pro- zusammenfassen, um die Ernährung unseres Volkes zu si- bleme in den Griff zu bekommen. chern.“22

Seite 80 Freilich entbehrte die Landesversammlung einer demo- Aus dem Westen wehte ein republikanischer Wind. Wäh- kratischen Legitimation. In deutschfreisinnigen Kreisen rend der barocke „Landesbischof“ Sigmund Waitz (1864 hätte man sich von sofortigen Wahlen eine stärkere Ver- bis 1941) in einem Kanzelbrief noch für die Beibehaltung tretung erwartet. Doch die Zeit habe gedrängt, begründete der monarchischen Staatsform in einem nur mehr fiktiven der „Vorarlberger Volksfreund“ die Vorgansweise; zudem Österreich-Ungarn warb,28 trug der nüchterne Staatsrat Fink wären Neuwahlen erst dann gerechtfertigt, „wenn unsere in Wien das Seine dazu bei, den Weg in die Republik zu eb- Wähler von den Fronten alle wieder zurückgekehrt sein wer- nen. Als der christlichsoziale Klub am 11. November zusam- den“.24 – Eine Rechnung ohne die Wirtin, ohne das Frau- mentrat, wusste er bereits, dass der Kaiser noch am selben enwahlrecht. Die Landtagswahl im April 1919 werden die Tag „auf jeden Anteil an den Staatsgeschäften“ verzichten Frauen dominieren. Sie werden mit großer Mehrheit christ- werde.29 „Jodok Fink verdolmetschte in kühler, emotions- lichsoziale Männer wählen; die ersten Frauen erst 40 Jahre loser Darlegung, wie ein Notar bei einer Todfallsaufnahme, später in den Landtag einziehen. die Situation und die Folgerungen: Republik. Die große Mehrheit folgte ihm in ihrem Beschluß.“30 Von einer Hochstimmung konnte am 3. November 1918 kei- ne Rede sein. „Der formelle Teil der Versammlung war in Am 12. November 1918 rief die Nationalversammlung in knapp einer Stunde erledigt und glaubte man allenthalben, Wien die Republik aus – begleitet von Tumulten vor dem eine etwas gedrückte Stimmung wahrzunehmen,“ berichte- Parlament. „Rote Garden“ hatten aus der neuen, rot-weiß- te die „Vorarlberger Wacht“.25 roten Staatsflagge den weißen Mittelstreifen herausgeris- sen. Am Tag darauf stellte sich in Bregenz die christlichsozi- Selbst aus der Schweiz mehrten sich Nachrichten über Un- ale Landespartei ausdrücklich „auf den gegeben Boden der ruhen. Sofort nahm der Landesrat den Aufbau einer Volks- Republik.“31 – Am 24. März 1919 wird Karl von Habsburg- wehr in Angriff. Telegrafisch teilte er dem Staatsrat in Wien Lothringen auf dem Weg ins Schweizer Exil mit einem „Feld- sowie der Statthalterei, dem Militärkommando und dem kircher Manifest“ seinen Verzicht widerrufen und das Parla- Tiroler Nationalrat in Innsbruck die Selbständigkeitser- ment mit dem fragwürdigen Habsburgergesetz antworten. klärung mit, ebenso den Bezirkshauptmannschaften. Den Staatsrat ersuchte der Landesrat, die Statthalterei und die Am 14. November 1918 trug die Nationalversammlung mit Bezirkshauptmannschaften anzuweisen, sich dem Landes- einem Gesetz betreffend die Übernahme der Staatsgewalt rat unterzuordnen.26 Dem Militär und der Exekutive machte in den Ländern der bundesstaatlichen Realität Rechnung.32 der Landesrat klar, dass er „die gesamte Zivil- und Mili- In der Debatte trat Jodok Fink entschieden für eine Überwin- tärgewalt als Vollzugsorgan des deutsch-österreichischen dung der Doppelverwaltung und gegen den überkommenen Volkes übernommen [habe].“27 bürokratischen Zentralismus, gegen die Beamtenherr- schaft, ein. Einen demokratischen Staat müsse man „von Der Bezirkshauptmann von Bregenz, der als Regierungs- unten zu bauen anfangen“, beim Fundament und nicht kommissär im Landtag den Kaiser vertreten hatte, sollte beim Dach.33 Selbst Staatskanzler Dr. Karl Renner (1870 bis nun Weisungen von einem Landesrat entgegennehmen? 1950), ein Verfechter des demokratischen Zentralismus, Leicht fiel das den stolzen Staatsbeamten gewiss nicht, musste diese Linie vertreten. Vor die Frage gestellt, entwe- zumal alle ihrem Kaiser heilige Eide geschworen hatten, der ganz zu „bureaukratiseren“ oder ganz zu „autonomisie- der zu einer Randfigur verblasste. – Sollte Karl Staatsober- ren“ habe man sich dem Geist der Zeit entsprechend für das haupt des neuen Deutschösterreich werden?

Seite 81 letztere entscheiden müssen, „nämlich dort die Volksregie- Behörden und den behördlichen Verfügungen des Staates rung einzuführen,“ selbst auf die Gefahr hin, dass dadurch Deutschösterreich sich unterwerfen.“37 – Doch von so einem die Gesetzlichkeit schwinden könnte.34 Kotau konnte in Bregenz wie in Innsbruck keine Rede sein. In Innsbruck ging es vorrangig um die Tiroler Landesein- An die Stelle der ehemaligen Landesausschüsse tra- heit, in Bregenz um eine Vorarlberger Alternative zu einer ten „Landesräte“ zur Führung der autonomen Landes- Zukunft im Deutschen Reich. verwaltung. Parallel dazu wurden die staatlichen Behörden „Landesregierungen“ unterstellt, die ebenfalls von den Denn die Nationalversammlung in Wien proklamierte Landesversammlungen zu wählen waren. In beiden Kollegi- am 12. November nicht nur die „demokratische Republik alorganen führte der Landeshauptmann den Vorsitz. Vorar- Deutschösterreich“, sondern erklärte sie zugleich „zum Be- lberg stand vor der besonderen Herausforderung, neben standteil der Deutschen Republik“.38 Und das war mehr als dem Amt des Landesrates ein neues Amt der Landesregie- eine Absichtserklärung, das war ein Verhandlungsauftrag. rung aufzubauen, das bis 1921 schrittweise die Geschäfte Nicht von ungefähr wird die Weimarer Verfassung des Deut- der ehemaligen Statthalterei in Innsbruck übernehmen schen Reiches den Vertretern Deutschösterreichs bis zum wird, die nun als Amt der Tiroler Landesregierung firmierte. Beitritt bereits beratende Stimme in der Länderkammer Die Überwindung des Verwaltungsdualismus wird erst 1925 (Reichsrat) zugestehen.39 gelingen. Es lag auf der Hand, dass Deutschösterreich nur als Land Wurde mit diesem Verfassungsprovisorium bereits ein und nicht als Bundesstaat dem Deutschen Reich beitreten demokratischer Bundesstaat selbständiger Länder vorge- könnte, dass ein Anschluss an Deutschland das Ende der zeichnet? selbständigen Länder bedeuten musste.

Am 12. November 1918 hatte die Nationalversammlung Die Vorarlberger Industrie orientierte sich politisch sofort in nicht nur die Staats- und Regierungsform festgelegt, son- Richtung Norden um, bedeute für sie das Deutsche Reich dern auch die „feierliche Beitrittserklärung der Länder, doch einen Ersatz für den verlorenen österreichisch-unga- Kreise und Gaue des Staatsgebietes“ zur Kenntnis genom- rischen Binnenmarkt. Die Mehrheit der Bevölkerung trat men und diese Gebiete „unter den Schutz der ganzen Nati- aber entschieden für eine andere Option ein, für den Bei- on gestellt“.35 „Die Grundlage unserer staatlichen Tätigkeit tritt zur erprobt demokratischen und kleinräumig föderalen sind die Länder und Kreise, die im freien Entschluß ihren Schweiz, die vom Krieg weitgehend verschont geblieben Beitritt zu dem Staate Deutschösterreich vollzogen haben,“ war. erklärte Staatskanzler Renner, der zweifellos nicht im Ver- dacht stand, ein Föderalist zu sein.36 Aber Renner stammte Karl Renner wird 1938 in seiner anbiedernden Anschluss- aus Mähren und die Nationalversammlung erhob Anspruch begeisterung behaupten, es seien „alle Länder, mit Aus- auf die Sudetenländer, auf Westungarn, die Südsteiermark nahme Steiermarks, selbst Vorarlberg, trotz der landes- und Südkärnten und nicht zuletzt auf Südtirol, soweit die verräterischen Umtriebe Enders, […] vom ersten bis zum deutsche Zunge klang. Zudem versuchte Renner, die Län- letzten Tage überwiegend Freunde des Anschlusses“ an der an die Kandare zu nehmen. Sie hätten sich mit ihren Deutschland gewesen.40 – Das Gegenteil war der Fall: Beitrittserklärungen „den Beschlüssen der provisorischen Eine massive Bürgerbewegung machte Druck in Richtung Nationalversammlung unterworfen und erklärt, daß sie den Schweiz.

Seite 82 Als am 12. März 1919 die Konstituierende Nationalver- Vergeblich – wie 1922 auch eine Geheiminitiative der Ge- sammlung mit einem Gesetz über die Staatsform den An- meinde , die ebenfalls ein „Freistaat“ werden schlussartikel feierlich bekräftigte,41 stimmten die Vorar- wollte,45 als Österreich finanziell und politisch vor dem lberger Abgeordneten dagegen und erklärten, dass die Zusammenbruch stand und Landeshauptmann Ender die Beitrittserklärung der Landesversammlung vom 3. Novem- Schweiz um Waffenhilfe gegen einen zu befürchtenden Ein- ber 1918 nur provisorischen Charakter habe: „Unser Volk marsch der Italiener ersuchte. Mit Hilfe des Völkerbundes will durch einen selbstgewählten Landtag oder durch eine gelang jedoch die Sanierung der Staatsfinanzen, wofür sich allgemeine Volksabstimmung über den endgültigen An- Österreich zur Aufrechterhaltung seiner Unabhängigkeit schluß entscheiden und lehnt eine bindende Entscheidung verpflichtete. Die Schweiz blieb den Vorarlberger vorenthal- durch die Nationalversammlung mit Übergehung der Län- ten oder erspart, das Deutsche Reich vorerst auch. der ab.“42 1923 verabschiedete der Landtag letztlich eine neue Landes- Das bekräftigte zwei Tage später die Landesversammlung verfassung im Korsett des Bundes-Verfassungsgesetzes von in Bregenz und verabschiedete eine ungemein fortschritt- 1920, als „selbständiges Bundesland der demokratischen liche Landesverfassung. Vorarlberg „soll ein Freistaat im Republik Österreich“, das als „selbständiger Staat“ alle wahrsten Sinne werden“, erklärte Berichterstatter Mittel- Hoheitsrechte ausübt, die nicht ausdrücklich dem Bunde berger, ein Freistaat, „in dem das Volk selbst regiert, selbst übertragen sind oder werden.46 – Und um die „Eigenstaat- verwaltet, selbst seine Verhältnisse ordnet, selbst aber lichkeit des Landes“ stärker zu betonen, führte der Landtag auch die Verantwortung trägt.“43 Diese Verfassung orien- nach Schweizer Mustern den Titel „Landesstatthalter“ ein.47 tierte sich an der Schweiz, war eindeutig auf einen „Kanton Vorarlberg“ zugeschnitten.44 Am 3. November 1918 konnte die Landesversammlung die Zukunft nicht voraussehen. Aber in einem war sie sich si- Am 11. Mai 1919 erhielt der Landesrat in einer Volksabstim- cher: Dass die Gestaltung der Zukunft wie des täglichen Le- mung den klaren Auftrag, mit Bern Verhandlungen über ei- bens soweit möglich in Vorarlberg selbst bestimmt werden nen Eintritt Vorarlbergs in die Schweizer Eidgenossenschaft soll, bürgernah und demokratisch. aufzunehmen.

Hätten unsere Eltern, Groß- und Urgroßeltern 1919 mit 80 Prozent für einen Anschluss an Deutschland gestimmt, wür- den wir Vorarlberger nach wie vor als tadellose Patrioten gelten und nicht als unsichere Kantonisten.

In den Friedensverträgen diktierten die Sieger vier Monate später das Anschlussverbot, schrieben sie die Grenzen Deutschlands und Österreichs fest, vorbehaltlich einer an- deren Entscheidung des Völkerbundes. Darauf baute Vorar- lberg und trat 1920 mit einer Denkschrift an den Völkerbund heran.

Seite 83 1 Hermann Deuring, Jodok Fink. Wien 1932, S. 190. 15 VVF 08.11.1918, S. 1. – Die VW 01.11.1918, S. 2, bezifferte die 2 Kaiserliches Manifest 16.10.1918, zitiert nach: Vorarlberger Volksblatt Stimmenverteilung 1911 mit Christlichsoziale Partei 15.865 (= 65,47 %), [fortan: VVB] 19.10.1918, S. 1. Deutschfreisinnige Partei 4.933 (20,36 %), Sozialdemokratische Partei 3 Vgl. z.B. Friedrich Funder, Vom Gestern ins Heute. Aus dem Kaiserreich (14,17 %). Die erste Mandatsvereinbarung sah vor: CSP 16 (= 64 %), DFP in die Republik. Wien/München 1952, S. 182-183 u. 463. 5 (20 %), SDP 4 (16 %). Die endgültige Mandatsverteilung: CSP 19 (= 4 Vgl. Reichspost [fortan: RP] 22.10.1918 Morgenblatt [fortan: M], S. 3, und 63,33 %), DFP 6 (20 %), SDP 5 (16,67 %). RP 24.10.1918 M, S. 2. 16 Zum Folgenden: Huebmer, Ender (wie Anm. 10), S. 26-27. 5 Stenographisches Protokoll [fortan: StenProt] Provisorische 17 Schneider, Rhomberg (wie Anm. 13), S. 151. Nationalversammlung [fortan: PNV], 2. Sitzung 30.10.1918, S. 15 18 Die Sitzung wurde nicht stenographisch, sondern nur dem Verkauf (Telegrammtext ohne Datum). Vgl. RP 31.10.1918 M, S. 2. nach protokolliert: Stenographische Sitzungsberichte [fortan: StenSib] 6 Eines der 25 Mandate stand dem Generalvikar für Vorarlberg als Provisorische Vorarlberger Landesversammlung [fortan: PLV], 1. Sitzung Virilstimme zu. 03.11.1918. Weiteren Aufschluss bieten die Parteizeitungen: VVB 7 StenProt PNV, 2. Sitzung 30.10.1918, S. 17. Vgl. VVB 25.10.1918, S. 2; RP 05.11.1918, S. 4; VVF 05.11.1918, S. 1-2; VW 08.11.1918, S. 1. – Zum Teil 23.10.1918 M, S. 2. interessant sind auch die Rückblicke 1928: VW 03.11.1923, S. 1-2; VVF 8 Wiener Zeitung [fortan: WZ] 26.10.1918, S. 4-5, RP 26.10.1918 M, S. 2. Vgl. 03.11.1928, S. 1-2; VVB 03.11.1928, S. 1-2, und 05.11.1928, S. 1-2; StenSib VVB 31.10.1918, S. 2; Vorarlberger Volksfreund [fortan: VVF] 31.10.1918, 13. Vorarlberger Landtag [fortan: LT], 9. Sitzung 03.11.1928. S. 2. 19 VVB 05.11.1918, S. 4. 9 Deuring, Fink (wie Anm. 1), S. 114. 20 Ebenda: „Der Redner erklärte weiter, die Absicht, den vieljährigen, 10 Aus Zeitungsberichten lässt sich, mit Vorbehalt, Folgendes schließen: verdienten Landeshauptmann Exzellenz A. Rhomberg als Am 23. Oktober leitete Fink noch eine Klubsitzung in Wien (RP Landespräsidenten in Vorschlag zu bringen, sei gescheitert am 24.10.1918 M, S. 2). Am 24. Oktober traf die Delegation abends in Gesundheitszustand des Herrn Landeshauptmannes; jener sei zwar Berlin ein (VVB 27.10.1918, S. 2), am 25. Oktober wohnte sie dort einer wesentlich besser als vor einem halben Jahre und würde es ihm Reichstagssitzung bei (WZ 26.10.1918, S. 9), am 26. Oktober nahm ermöglichen, die Leitung der gewöhnlichen Landesausschußgeschäfte Fink in Berlin an einem offiziellen Abendessen teil (VVB 30.10.1918, wieder zu übernehmen. Herr Rhomberg getraue sich jedoch nicht, S. 2), am 27. Oktober waren nur noch zwei andere Delegierte in Berlin die Leitung der Landesverwaltung zu übernehmen, umso weniger als (WZ 28.10.1918, S. 2). Am 1. November berichtet das Vorarlberger sein Arzt ihm dringend davon abgeraten habe. Der Redner bedauerte, Volksblatt, die Reichsratsabgeordneten Fink und Dr. Franz Stumpf von dem Vorschlag Abstand nehmen zu müssen: ‚Wir alle sind dem (Tirol) seien in den letzten Tagen in Dresden und in München wegen Herrn Landeshauptmann großen Dank schuldig für die selbstlose und Lebensmittelaushilfe vorstellig geworden (VVB 01.11.1918, S. 2). Laut unparteiliche Geschäftsführung im Laufe der langen Zeit.“ Hans Huebmer, Dr. Otto Ender. Dornbirn 1957, S. 26, traf Fink am 1. 21 Ebenda wird Ender wörtlich zitiert: „Wir müssen die Gründe Seiner November in Bregenz ein. Exzellenz gelten lassen. Wir waren nicht in der Lage, Herrn Fink an diese 11 VVB 26.10.1918, S. 3. Stelle zu setzen, da unsere Landesinteressen und seine Mitgliedschaft 12 VVF 08.11.1918, S. 1. im Staatsrat dessen Anwesenheit in Wien erfordern. […].“ 13 Karin Schneider, „So suchte er zu nützen eben, auch viel im öffentlichen 22 StenSib PLV, 1. Sitzung 03.11.1918, S. 6; LGBl.Nr. 1/1918. Leben“. Die Memoiren des Vorarlberger Landeshauptmanns Adolf 23 StenSib 11. LT 1. Session 1919, 6. Sitzung 08.07.1919, S. 74. Rhomberg. Edition und Kommentar (Quellen zur Geschichte Vorarlbergs 24 VVF 08.11.1918, S. 1. 5). Regensburg 2002, S. 150. 25 VW 08.11.1918, S. 1. 14 Vorarlberger Wacht [fortan: VW] 01.11.1918, S. 2.

Seite 84 26 Vorarlberger Landesarchiv: Amt des Vorarlberger Landesrates 46 Gesetz vom 30.07.1923 über die Verfassung des Landes Vorarlberg, LGBl. 7000/1918, fol. 115-140. – Das „Gesetz- und Verordnungsblatt für die Nr. 47/1919, Art. 1. gefürstete Grafschaft Tirol und das Land Vorarlberg“ erschien zwar noch 47 Antrag Dr. Josef Mittelberger, StenSib 11. LT 4. Tagung 1923, 12. Sitzung bis 12.12.1918, allerdings enthielt es nur noch Kundmachungen und 30.07.1923, S. 10. Anordnungen für Tirol, ab 06.12.1918 der Tiroler Landesregierung. Ein „Vorarlberger Landesgesetzblatt“ für 1918 wurde erst am 13.03.1919 herausgegeben und versendet; als Kundmachungsorgan diente zunächst die „Vorarlberger Landeszeitung“ (LGBl.Nr. 9/1918). 27 Vorarlberger Landesarchiv: Amt des Vorarlberger Landesrates 7000/1918, fol. 249. 28 VVB 10.11.1918, S. 3 u. 5. 29 Kundmachung vom 1.11.1918, Vorarlberger Volksblatt 12.11.1918, S. 3. 30 Funder, Vom Gestern ins Heute (wie Anm. 3), S. 592-593. 31 Beschluss der Parteileitung, VVB 14.11.1918, S. 1. 32 StGBl.Nr. 24/1918. 33 StenProt PNV, 4. Sitzung 14.11.1918, S. 113. 34 Ebenda, S. 112. 35 StenProt PNV, 3. Sitzung 12.11.1918, S. 80 (Beschluss). 36 Ebenda, S. 77. 37 StenProt PNV, 3. Sitzung 12.11.1918, S. 77. 38 Gesetz über die Staats- und Regierungsform, StGBl.Nr. 24/1918, Art 1 und 2. 39 Verfassung des Deutschen Reiches vom 14.08.1919, RGBl. 1919, S. 1383, Art. 61. 40 Die Gründung der Republik Deutschösterreich, der Anschluß und die Sudetendeutschen. Dokumente eines Kampfes ums Recht, hg., eingeleitet und erläutert von Karl Renner (Wien 1938 [Nachdruck]); mit einer Einführung von Eduard Rabofsky. Wien 21991, S. 40. 41 StGBl.Nr. 174/1919. 42 StenProt Konstituierende Nationalversammlung, 3. Sitzung 12.03.1919, S. 47 (irrtümlich protokolliert „Erklärung der Provisorischen Nationalversammlung vom 3. November 1918“, statt „Provisorischen Landesversammlung“). 43 StenSib PLV, 13. Sitzung 14.03.1918, S. 2. 44 LGBl.Nr. 22/1919. 45 Ulrich Nachbaur, Vorarlberger Territorialfragen 1945 bis 1948. Ein Beitrag zur Geschichte der Vorarlberger Landesgrenzen seit 1805 (Forschungen zur Geschichte Vorarlbergs 8). Konstanz 2007, S. 34-36.

Seite 85 Seite 86 Festveranstaltung „Ein selbständiges Land mit autonomen Gemeinden“ Bregenz, Landhaus, 3. November 2008 Jürgen Weiss (geb. 1947 in Hard), 1991 bis 1994 Bundesminister für Föderalismus und Verwaltungsreform, seit 1979 Mitglied des Bundesrates, seit 1997 ständiger Vizepräsident, im zweiten Halbjahr 2008 Präsident des Bundesrates.

Das Land als verlässlicher Partner

Jürgen Weiss

Ulrich Nachbaur ist es mit seinem Referat wie schon so allem in Wien unsere Treue zum gemeinsamen Vaterland oft gelungen, historische Ereignisse in einer Interesse we- spöttisch in Zweifel gezogen wird, ertragen wir im leider we- ckenden Weise ins Licht zu rücken. Dafür sage ich herz- nig verbreiteten Wissen darum, dass sich wenige Monate lichen Dank. später auch in Salzburg und Tirol Volksabstimmungen für eine Loslösung von Österreich ausgesprochen hatten, aller- Selbständigkeit auch Gründungsdokument der dings mit jeweils 98 % für einen Anschluss an Deutschland. Republik Das Misstrauen hängt wohl auch stark damit zusammen, Die Vorarlberger Selbständigkeitserklärung vom 3. Nov- dass wir Vorarlberger seit jeher entschieden für Eigen- ember 1918 ist auch ein nicht unwesentliches Grün- ständigkeit eintreten und Föderalismus in Österreich noch dungsdokument der Republik Österreich. Vorarlberg war immer häufig als Partikularismus oder gar als Separatis- damit nämlich das erste Land, das – wenngleich mit dem mus missverstanden wird. Vorbehalt der Selbstbestimmung -seinen Beitritt zu der am 20. Oktober in Aussicht genommenen Republik erklärte. Gründungsgeschichte maßgeblich mitgeprägt Im Rahmen der Bürgerinitiative Pro Vorarlberg sollte spä- ter einmal die Frage eine Rolle spielen, ob dieser Vorbehalt Vorarlberg baute am neuen Staat tatkräftig mit, wenngleich eigentlich jemals zurückgenommen worden oder noch auf- mit einem etwas anderen Zugang zu den Begriffen Föder- recht sei. alismus und Eigenständigkeit. Erinnern sollten wir uns in dieser Stunde vor allem an Vizekanzler Jodok Fink, den wir Anschlussbemühungen an die Schweiz als einen der Gründerväter unserer Republik bezeichnen dürfen. Er setzte sich bereits in der Endzeit der Monarchie Die späteren Bemühungen um einen Anschluss an die entschieden und erfolgreich für die republikanische Staats- Schweiz tun dem keinen Abbruch und müssen vor dem Hin- form ein. Vier Mandate mehr für seine Partei und der erste tergrund gesehen werden, dass wenige Tage später am 12. frei gewählte Kanzler der Republik hätte nicht Karl Renner, November 1918 in Wien ein Staat proklamiert wurde, der als sondern wohl Jodok Fink geheißen. Beide müssen in einem „Bestandteil der Deutschen Republik“ in gewissem Sinne Atemzug genannt werden, wenn es um die Gründungsge- seine Selbstaufgabe bereits festgeschrieben hatte. Die schichte der Republik geht. Der Bauer aus war Vorarlberger konnten damals dem Deutschen Reich mit sei- bis zu seinem Tod eine der prägenden und tragenden Per- ner zwischenzeitigen Räterepublik wenig abgewinnen. Die sönlichkeiten der jungen österreichischen Demokratie. Schweiz hingegen versprach nicht nur ein Ende des Hungers, sondern auch jene demokratischen und föderalistischen Nach 1945: Aufstieg Vorarlbergs Strukturen, für die man so lange gekämpft hatte. Dement- sprechend deutlich fiel das Votum bei der Abstimmung vom Ohne die Länder war 1918 ebenso wenig ein Staat zu ma- 11. Mai 1919 über die Aufnahme von Verhandlungen mit der chen wie 1945 nach der Befreiung von der nationalsozia- Schweiz aus. Verhandelt wurde dann allerdings nie, denn listischen Gewaltherrschaft. Nicht die Republik Österreich die Siegermächte unterbanden zur Vermeidungen von Bei- hat das Land Vorarlberg geschaffen, es hat vielmehr zwei- spielsfolgen jegliche Anschlussbestrebungen. Diese Zeit mal die Republik mitbegründet. Sie schöpfte ihre Kraft ist übrigens derzeit in einer sehenswerten Ausstellung im sowohl 1918 als auch 1945 aus den Ländern, die sich ihrer Landesmuseum gut dokumentiert. Dass seit damals vor tragenden Rolle durchaus bewusst waren. In den Wieder-

Seite 87 aufbaujahren nach 1945 war die bundesstaatliche Struktur Bewegung, sondern wie zuvor das Rundfunkvolksbegehren ein wesentlicher Bestandteil der österreichischen Erfolgs- für einen unabhängigen Rundfunk eine Protestbewegung geschichte. Starke Länder waren und sind eine notwendige gegen die zentralistische Erstarrung der damaligen groß- Voraussetzung für ein starkes Österreich. Diese Stärke hat en Koalition. Die Initiative hat auch tatsächlich einiges in mit den Gemeinden ein tragfähiges Fundament, ohne das Bewegung gebracht: So kamen die auf Eis gelegten Ver- ein Gemeinwesen keine Stabilität hätte. Gerade im Gemein- handlungen über das Forderungsprogramm 1976 der Bun- dejahr 2008 soll daran nicht vorübergegangen werden. desländer wieder in Gang, es kam zur Verfassungsnovelle 1984 und nicht zuletzt beruhte der Forderungskatalog 1985 Stolz auf die Vergangenheit, optimistisch in die der Länder unter anderem auf den Inhalten der Vorarlberger Zukunft Föderalismus-Volksabstimmung von 1980.

Das heutige 90-Jahr-Jubiläum bietet die Gelegenheit, in- Föderalismus und EU nezuhalten, um des Erreichten dankbar zu gedenken und mit Zuversicht in die Zukunft zu gehen. Selbstbestimmung, Auch in der Europäischen Union spielt der föderale Gedanke Eigenständigkeit und Freiheit galten in der jüngeren Ver- eine immer wichtiger werdende Rolle. Damit Europa bei den gangenheit bisweilen etwas verstaubt, sie haben aber an- Menschen Zustimmung findet, ist es ganz wesentlich, dass gesichts einer unaufhaltsamen Globalisierung einen ganz Aufgaben, die besser vor Ort erfüllt werden können, auch neuen Stellenwert bekommen. Unsere Vorfahren haben dort gelöst werden. Es geht um ein vernünftiges Gleichge- 1918 die Chance für einen Neubeginn mutig ergriffen, die wicht von einheitlichen Standards und notwendigen Frei- Ungunst der Zeit hat allerdings die Kräfte verzehrt. 1945 bot räumen für die regionalen und kommunalen Ebenen. Sie sich eine neue Chance, diesmal unter günstigeren Vorzei- sind näher an den Bürgerinnen und Bürgern und wissen chen. 1995 wurde mit dem Beitritt zur Europäischen Union daher in der Regel besser Bescheid, welche Maßnahmen die Möglichkeit genutzt, an einer inzwischen unverzicht- Not tun und den größten Erfolg bringen. Zudem bietet Nähe baren Friedens- und Wohlstandsgemeinschaft mitzubauen. der Entscheidungsträger auch unvergleichlich größere Mög- lichkeiten der Einflussnahme der Bürgerinnen und Bürger Föderalismus in Vorarlberg hat Tradition auf das politische Geschehen. Diese Unmittelbarkeit und Überschaubarkeit kann durch noch so ausgefeilte Beteili- Der 3. November 1918 ist auch ein Anlass, um über die Zu- gungsmöglichkeiten weder in den Nationalstaaten noch in kunft des Föderalismus nachzudenken. Die Vorarlberger mi- der Europäischen Union ersetzt werden. schen sich, um ein Bonmot des Schweizer Dramatikers Max Frisch aufzugreifen, gerne in ihre eigenen Angelegenheiten Länder tragen konstruktives Element in sich ein. Sie wissen sehr gut, was Verantwortung für Eigenstän- digkeit bedeutet und sind gegenüber Bevormundung sen- Ebenso wie 1918 und 1945 sind die Länder und Gemeinden sibel. Erinnert sei hier abgesehen von der revolutionären auch heute keine auseinanderstrebenden Teile eines grö- Schiffstaufe in Fußach an den Juni 1980, als die Bevölke- ßeren gemeinsamen Ganzen, sondern sein Fundament. Ge- rung Vorarlbergs ihrer politischen Vertretung in einer Volks- rade weil wir selbstbewusste Vorarlbergerinnen und Vorar- abstimmung den Auftrag erteilte, mit dem Bund über mehr lberger sind, sind wir auch gute Österreicher und Europäer. Eigenständigkeit der Länder und eine stärkere Stellung der Gemeinden zu verhandeln. Es war keine Los-von-Wien-

Seite 88 Ausblick

Wir feiern heute den 90. Jahrestag der Selbständigkeit un- seres Landes. Es hat sich seither beachtlich entwickelt und wir können zu Recht stolz sein auf das, wofür unsere Vorfah- ren das Fundament gelegt und in schwerer Zeit hart gear- beitet haben. Im Rückblick darauf und in der Verantwortung vor den nachfolgenden Generationen sind wir gefordert, diesen Weg fortzusetzen. Vorarlberg soll auch in Zukunft ein geachtetes, wirtschaftlich starkes sowie sozial und öko- logisch verantwortungsbewusstes Land sein. Das gilt umso mehr, als wir dafür heute günstigere Voraussetzungen als 1918 haben.

Dank

Ich schließe mit einem Dank an Herrn Dr. Ulrich Nachbaur, der mit viel Einfallsreichtum und Mühe das Gemeindejahr 2008 konzipiert und den umfassenden Veranstaltungska- lender zum Jubiläumsjahr erstellt hat. Ein herzlicher Dank gebührt auch dem Schulchor des Sacré Coeur Riedenburg unter der Leitung von Mag. Hubert Herburger für die fest- liche Umrahmung dieser Veranstaltung.

Seite 89 Seite 90 Festveranstaltung „Ein selbständiges Land mit autonomen Gemeinden“ Bregenz, Landhaus, 3. November 2008 Gerold Amann (geb. 1956 in Hohenems), Dr. phil., seit 1979 Lehrer am Bundesgymnasium Bregenz-Blumenstraße

Anregungen zur politischen Teilhabe in Vorarlberg seit 1945 Ein Projekt im Rahmen des Wahlpflichtfaches „Geschichte und Politische Bildung“ am Gymnasium Bregenz Blumenstraße Gerold Amann

Im Rahmen der Veranstaltungsvorbereitungen zum Ju- Konkrete Besonderheiten: biläumsjahr 2008 („200 Jahre Gemeindeorganisation in t Anrede in der Du-Form („Du bist Jungbürger“) Vorarlberg“) regte Dr. Ulrich Nachbaur vom Vorarlberger t Keine geschlechtergerechte Sprache, nur männliche Landesarchiv auch Schülerprojekte zu kommunal- und Anrede („Du bist Jungbürger“, „Das Land wird von Män- landespolitischen Themen an und lud interessierte Grup- nern geführt“). pen zu einem Vorgespräch ins Landesarchiv ein. Die Wahl- t Vorarlberg-Zentriertheit. Diese zeigt sich in der Verein- pflichtfachgruppe „Geschichte und Politische Bildung“ vom nahmung im Namen der Landsmannschaft („Wir jungen Gymnasium Bregenz-Blumenstraße griff diese Anregung Vorarlberger sind…“), in der Verherrlichung des eigenen auf. Nach dem Orientierungsgespräch im Archiv und einem Landes und der Landschaft, im Volkspatriotismus und in längeren Diskussionsprozess an der Schule einigte sich die übertriebener Heimatliebe („…wo alles Denken und Han- Gruppe auf das Thema „Anregungen zur politischen Teilha- deln des einzelnen in eine tiefe Liebe zur Heimat, ihrer be in Vorarlberg seit 1945“. Konkret erarbeitet wurde dann Landschaft und ihren Menschen gebettet ist…“). ein historischer Rückblick („Anregungen zur politischen t Befürwortung des ständestaatlichen Modells auf Lan- Teilhabe in Vorarlberger Jungbürgerbüchern der Fünfziger- desebene („Daß wirkliches Glück für Heimat und Volk nur und Sechzigerjahre“), gefolgt von einem Blick in die Gegen- sein kann, wo der einzelne … an dem ihm zugewiesenen wart („Gegenwärtige Bemühungen zur politischen Teilhabe Platze für das Geschick der Gemeinschaft sorgt.“). im Rahmen von Jungbürgerfeiern“) und einer Erhebung der t Vermittlung eines „Wir“-Gefühls („Wir Vorarlberger politisch Beheimatung und des politischen Interesses von sind Föderalisten“). Gymnasiasten mittels eines Fragebogens. Das Ergebnis die- t Hinweise auf eine stammesmäßige Eigenart, die schon ser Arbeit durfte die „Junghistorikergruppe“ im Rahmen der fast an die NS-Rassenlehre erinnert („…und die aleman- Festveranstaltung am 90. Jahrestag der Selbständigkeitser- nische Wesensart gewann schließlich die Oberhand…“; klärung des Landes Vorarlberg am 3. November 2008 im „…blutsmäßige Vermischung verschiedener Stämme…“). Foyer des Landhauses präsentieren. t Betonung von alemannischen Charaktereigenschaften. Der Alemanne wird als „klarer, nüchterner Denker“, als 1) Ein Blick in Vorarlberger Jungbürgerbüchern der „Demokrat“ und als „freiheitsliebend“ tituliert. Fünfziger- und frühen Sechzigerjahre t Sonderstellung Vorarlbergs innerhalb des Bundes- staates mit grundsätzlicher Abgrenzung von den an- Auffallend ist die große Diskrepanz der politischen Sprache deren Bundesländern. zwischen damals und heute insbesondere beim Einsatz der t Einwanderer bleiben unerwähnt, obwohl es schon da- rhetorischen Mittel. mals viele gab (z.B. Italiener, Kärntner, Steirer).1

Seite 91 2) Politische Anregungen in gegenwärtigen Jung- 3) Schülerbefragung bürgerfeiern Befragt wurden alle Schülerinnen und Schüler der 6., 7. und Es wurden Recherchen in ganz Vorarlberg angestellt. Da- 8. Klassen am Bundesgymnasium Bregenz-Blumenstraße. bei stelle sich heraus, dass die Gemeinden ganz unter- Die Antworten in der Tendenz: schiedliche Zugänge zu ihren Jugendlichen suchen (Beob- achtungsjahr 2007). Drei Schwerpunktbildungen können t Würdest du von deinem Wahlrecht Gebrauch machen? als typisch gelten: Eine überwältigende Mehrheit (83 %) möchte wählen gehen.. t Schwerpunkt Unterhaltung (Beispiel Bregenz): Die t Wen würdest du wählen? Landeshauptstadt gibt alle zwei Jahre einen Empfang Bei den Gymnasiasten liegen die Grünen klar voran für die Bregenzerinnen und Bregenzer, die das Wahlal- (34%), gefolgt von der ÖVP (19%) und der SPÖ (14,5 %). ter erreicht haben. Sie erhalten eine persönliche Einla- Es ist allerdings zu bedenken, dass Gymnasiasten an- dung. Neben einer Ansprache durch den Bürgermeister ders wählen als andere Oberstufenschüler. Mündliche und den Jugendstadtrat gibt es ein unterhaltsames Pro- Parallelbefragungen an HAK und HTL haben ergeben, gramm, das in Kooperation mit einigen Jungbürger/in- dass dort die FPÖ jene Position einnimmt, welche die nen vorbereitet wird.Die Feier wird organisiert durch den Grünen am Gymnasium haben. Jugendservice. t 8BTEFOLTUEVŸCFSEJF&6  t Schwerpunkt Information (Beispiel Dornbirn): Die Stadt Eine klare Mehrheit (60%) steht der EU positiv gegenü- Dornbirn hatte eine ganz neue Idee: Sie zeigte den Jung- ber. bürger/innen im Rahmen der Feier die städtischen Ein- t 4PMMEBT-BOE7PSBSMCFSHEJF1PMJUJLJOÁTUFSSFJDITUµS- richtungen wie zum Beispiel Polizei, INATURA, Stadtbü- ker mitbestimmen? cherei… Das überraschende Ergebnis: Gymnasiasten sind Föde- t Schwerpunkt Tradition (Beispiel Egg): Nach einem ge- ralisten (69% Ja-Antworten) meinsamen Gottesdienst ging man in den „Löwen“, wo t 8JF[VGSJFEFOCJTUEVNJUEFS1PMJUJLJOEFJOFS(FNFJO- man den Tag mit Blasmusik ausklingen ließ. de? Es zeigt sich ein hoher Zufriedenheitsgrad mit den Hei- Noch traditionellere Feiern sind in kleineren Gemeinden matgemeinden (54%). des Nachbarlandes Tirol zu beobachten. Zum Beispiel be- t *OXJFXFJULBOOTUEVEJSFJOF"LUJWJUµUJOVOEGŸSEFJOF ginnt die Feier in Sellrain mit einer Heiligen Messe in der Gemeinde vorstellen? Kirche St. Quirin, anschließend marschieren die Jugend- Nur 27% können sich eine eventuelle Aktivität in bzw. für lichen unter den Klängen der örtlichen Musikkapelle zum die Gemeinde vorstellen. Gasthof Neuwirt, wo dann die eigentliche Feier abgehalten t 8BT XŸSEFTU EV WFSµOEFSO  XFOO EV QPMJUJTDI FOU- wird. scheiden könntest? Die häufigsten Antworten: Mehr tun für Integration / Ge- brannter Alkohol ab 16 erlauben / Mehr direkte Demo- kratie / Wahlalter wieder auf 18 hinaufsetzen, da Jugend- liche leicht manipulierbar bzw. sich nicht interessieren / Mehr Jugendarbeit.

Seite 92 t 8FJ•UEV XBTFJOF+VOHCŸSHFSGFJFSJTU  Nur knapp die Hälfte der Befragten kann sich etwas da- runter vorstellen. t 8FOOKB8ŸSEFTUEVBOFJOFS+VOHCŸSHFSGFJFSUFJMOFI- men? Von jenen, die über Jungbürgerfeiern Bescheid wissen, ziehen nur 47% eine Teilnahme in Erwägung. t 8JFXŸSEFTUEVKVOHF.FOTDIFO[VS5FJMOBINFBO1P- litik anregen? Die häufigsten Antworten: Jüngere Politiker / Wahlpartys / Werbung für Politik / Bessere politische Bildung an den Schulen. t 8BTWFSTUFITUEVVOUFS1PMJUJL  Die häufigsten Antworten: Diskussionen / Interessen öffentlich vertreten / Organisation des Staates / Lügen, Geldgier, Macht / Wenn sich Leute fertigmachen / Viel reden, nichts dahinter. t 8BTEFOLTUEVBMMHFNFJOŸCFSEJF-FJTUVOHFOVOTFSFS Politiker? Fast zwei Drittel der Befragten haben ein negatives Bild von Politikern. t #JTUEu für einen Einwanderungsstopp und warum bzw. warum nicht? Das erstaunliche Ergebnis (angesichts des hohen Grün- wähleranteils): Über 40% sprechen sich für einen Ein- wanderungsstopp aus (Begründungen: Schon zu viele Ausländer da / Sie passen sich nicht an / Zunehmende Aggressivität); 43,5 % sind dagegen (Begründungen: Überalterung verhindern / Kulturelle Vielfalt / Mobilität als Menschenrecht / Arbeitskräftebedarf).

Projektgruppe: Simon Dörler, Max Feuerstein, Kristina Gan- ner, Laura Häusler, Stefan Jungblut, Peter Kiraly, Julia Mo- ritsch, Stefan Niederer, Serpil Polat, Arnold Trojer. Leandros Tsohataridis, David Uecker, Dr. Gerold Amann (Projektleiter)

1 Zitate aus den Vorworten zu den Vorarlberger Jungbürgerbüchern von 1953 und 1962.

Seite 93 Seite 94 Festveranstaltung „Ein selbständiges Land mit autonomen Gemeinden“ Bregenz, Landhaus, 3. November 2008

Kompositionsauftrag des Landes Vorarlberg an Thomas Thurnher

Das Land Vorarlberg vergibt zu besonderen Anlässen Kom- Gedanken von Thomas Thurnher positionsaufträge an Vorarlberger Musikschaffende. Auf Vorschlag der Kunstkommission Musik erging der Auftrag Die Texte stammen von Elisabeth Marx aus Götzis. Ihr Groß- an Thomas Thurnher, für die Festveranstaltung „Ein selb- vater Dr. Johann Josef Mittelberger, der spätere Finanzlan- ständiges Land mit autonomen Gemeinden“ am 3. Novem- desrat und Finanzminister, war genau der Mann, der 1918 ber 2008 zwei Musikstücke zu komponieren. an der Vorarlberger Selbständigkeitserklärung mitgearbei- tet und diese schließlich im Landtag verlesen hat. Nun, nach neunzig Jahren, werden Texte seiner Enkeltochter im Komponist Thomas Thurnher Rahmen der Festveranstaltung zu hören sein.

Thomas Thurnher wurde 1966 in Dornbirn geboren. Er Ich fand beide Texte sehr passend für die Feierlichkeiten. gründete bereits während der Schulzeit ein kleines Vokal- Es steckt die Thematik „Heimat, Ursprungsland“ drinnen, Ensemble. Für dieses Ensemble entstanden seine ersten aber die Texte sind gleichzeitig so offen, dass, so glaube Arrangements. ich, viele Menschen, die sich über den Begriff „Heimat“ Ge- danken machen, einen Zugang zu den Liedern finden kön- 1981 bis 2006 Organist in Dornbirn – St. Leopold. nen, ganz gleich, wie sie zum Herkunftsland stehen. Es ist 1985 bis 1993 Studium (Musikpädagogik) an der Wiener auch weniger die Rückschau auf ein verklärtes „Hoamatle“ Musikhochschule. gemeint, als vielmehr die Vision eines Landes der Zukunft. 1996 bis 2004 Kompositionsstudium am Vorarlberger Lan- Berührend erscheint mir besonders der Gedanke, dass die deskonservatorium bei Herbert Willi. Studienabschluss mit Mädchen von der Riedenburg, die ja meist „auf gutem Bo- Auszeichnung. den“ wurzeln konnten und denen ja die Zukunft noch offen Ab 1993 Lehrtätigkeit als Musikerzieher am Bundesreal- steht, die Lieder vortragen. Das stellt die Texte doch in ei- gymnasium in Dornbirn-Schoren. nen noch intensiveren Zusammenhang. Im selben Jahr gründete er die Vokalgemeinschaft „Ensem- ble Kontrapunkt“, die er bis 2004 leitete. 1994 bis 2007 Leiter des Kirchenchores St. Leopold in Dorn- Autorin Elisabeth Marx birn-Hatlerdorf. Derzeit Organist in Dornbirn – St. Martin und in Lustenau- Geboren 1946, lebt mit ihrer Familie in Götzis. Von Beruf Di- Rheindorf und Kirchdorf. plomierte Krankenschwester. Von 1965 bis 1975 in diesem Seit 1998 Musikerzieher am neuerrichteten Gymnasium in Beruf tätig, davon drei Jahre als Entwicklungshelferin in Lustenau. Tansania. Seit 1996 in Pension. 1999 Mit der Aufführung seiner Werke beim Festival „texte und töne“ im ORF-Funkhaus in Dornbirn stellte er sich und Schreibt seit 1997 Lyrik in Mundart und Hochdeutsch. Im sein Schaffen erstmals einer größeren Öffentlichkeit vor. November 2000 erscheint “wachgerüttelt“ als erste Publi- Aufführungen seiner Werke in Vorarlberg, in den ande- kation in Buchform. Seither diverse Veröffentlichungen in ren Bundesländern, in Liechtenstein und in Deutschland Zeitschriften, Lesungen und Rundfunksendungen. Ihre Aus- folgten. einandersetzung mit der Sinnhaftigkeit des Lebens findet 2004 Förderpreis des Chorverbandes Vorarlberg. auch in Bildern und Zeichnungen ihren Ausdruck.

Seite 95 vu Afang a Schulchor des Sacré Coeur Riedenburg guata Boda finda zum Wurzla Der Schulchor setzt sich derzeit aus 57 Schülerinnen im und Wachsa Alter von 11 bis 19 Jahren zusammen, die am Sacré Coeur macht stark Riedenburg das Gymnasium oder die Höhere Lehranstalt fürs Leaba für wirtschaftliche Berufe besuchen. Seit 24 Jahren wird der abr stark wöra Schulchor von Mag. Hubert Herburger geleitet. kamma o uf stoanigam Grund wemma ahiwurzlat Die Höhepunkte der Aktivitäten des Schulchores während wia a Weattrtanna dieser Zeit bildeten die CD-Produktion der „Adventmusik“ von Anton Heiller, die Teilnahme beim Österreichischen wirf deiner Sehnsucht Anker Bundesjugendsingen (1995, 1998, 2004, 2007 in Bregenz), ins Herzland von morgen die Mitwirkung bei einem Arpeggione-Konzert in Hohenems trinke aus dem Brunnen der Träume mit Pergolesis „Stabat mater“ sowie die Chorreisen nach Zukunftsquelle Niederösterreich, Ungarn, Tschechien, Polen, Deutschland, Hoffnung nährt dein Wollen Belgien, Frankreich, Spanien, Italien und in die USA. nimm den Tag die Schale den Krug voll Schweiß und Wut dem Weh dass dich knochentief quält nimm den Weg ans Herz pflücke das Wort das trägt traue dem Schimmer Licht folge dem Pflug wegwundweit der sich gräbt wider die Zeit in die bergende Scholl

Seite 96 Vortragsreihe der Montafoner Museen; Vandans, Gemeindeamt, 8. Mai 2008 Peter Bußjäger (geb. 1963 in Bludenz), Univ.-Doz. Dr. iur., seit 2003 Direktor des Vorarlber- ger Landtages und seit 2001 Direktor des Instituts für Föderalismus in Innsbruck.

Was ist der Stand Montafon?

Wissenswertes zur Vergangenheit und Zukunft eines eigentümlichen Gebildes Peter Bußjäger

1. Kurzer Rückblick auf die Verwaltungsgeschichte 2. Grundlagen des „Politischen“ Standes des Montafons und des Forstfonds

Der Stand Montafon ist eine Institution der Gemeinde- 2.1. Das Standesstatut 1865 verwaltung des Montafons mit langer Tradition. Dessen un- geachtet ist seine rechtliche Qualifikation alles andere als Man setzt seit 1832 dem „politischen Stand“ (mit Lorüns einfach. Der Stand Montafon war bis zur Gemeindeordnung und Stallehr) die im „Forstfonds“ vereinigten Gemeinden von 1864 als eines der vormals 24 Gerichte (auch als „Stän- gegenüber. Die beiden Gebilde sind rechtlich klar zu tren- de“ bezeichnet) ein Relikt der landständischen Verfassung. nen, auch wenn die Praxis, wie noch zu zeigen sein wird, Der Stand hatte zwar keinerlei rechtliche Grundlagen, war gelegentlich zu einer Vermengung neigte. jedoch für die Gemeinden zur gemeinsamen Regelung be- stimmter Angelegenheiten, wie Forstsachen, Straßen- und Als mit der Gemeindeordnung von 1864 erstmals ein Ge- Brückenbauten, Weg- und Wuhrbauten zuständig. meinderecht für Vorarlberg zur Verfügung stand, wurde auch der Stand Montafon einer formellen Regelung unter- Von besonderer Bedeutung war der im Jahre 1832 erfolgte worfen. Auf der Grundlage von Beschlüssen der Gemein- Erwerb der Wälder des Montafons durch die Standesge- devertretungen der zehn Gemeinden des Montafons wurde meinden, die bis dahin im Eigentum des Aerars standen. am 7. März 1865 ein Standesstatut erlassen, das vom Vorar- Die acht Gemeinden, Bartholomäberg, Gaschurn, Schruns, lberger Landesausschuss gemäß den §§ 86 und 88 der Ge- , St. Anton, St. Gallenkirch, Tschagguns und Vand- meindeordnung am 20. März 1865 genehmigt wurde und ans erwarben ca 8.000 ha Waldungen vom Staat, die in ihr somit in Kraft treten konnte. ungeteiltes Miteigentum übergingen.1 § 1 des Statuts sah die Bestellung eines Standesaus- Die Verwaltung dieses großen Waldbesitzes stellte die Ge- schusses für das Montafon in Angelegenheiten vor,3 „wel- meinden vor neue Aufgaben. Zu beachten ist, dass an dem che die gemeinsamen Interessen aller oder mehrerer Ge- Waldkauf lediglich acht der zehn „Standesgemeinden“ teil- meinden des Bezirkes Montafon, sowohl innerhalb ihres nahmen, nicht jedoch die Gemeinden Lorüns und Stallehr, selbständigen wie des übertragenen Wirkungskreises die eine gemeinsame Waldnutzung mit Bludenz hatten und berühren; dergleichen sind: Die Verwaltung des Standes- daher ihren Holzbedarf gedeckt fanden.2 vermögens und der Montafonischen Feuerassekuranz,4 die Administrierung der Standeswaldungen, gemeinschaftliche Die Spitze des Standes Montafon bekleidete seit 1832 der Maßnahmen bei Epidemien und Viehseuchen,5 die Straßen- so genannte Standesrepräsentant, ein von den Vorstehern konkurrenz,6 Marschkonkurrenz,7 die Vertretung des Stan- der im Stand Montafon vereinigten Gemeinden gewählter des vor Gericht, Abgabe gemeinschaftlicher Gutachten auf Funktionär. Ihm zur Seite stand der Ausschuss, welcher von Aufforderung der politischen Behörden oder des Landes- den Gemeindevorstehern des Montafons gebildet wurde. ausschusses etc.“.

Der Standesausschuss sollte sich gemäß § 2 aus den je- weiligen Bürgermeistern der 10 Gemeinden des Monta- fons zusammensetzen, die aus ihrer Mitte den Standes- repräsentanten wählen. Die Verwaltung des Forstfonds sollte jedoch nur den Bürgermeistern der im Forstfonds zu- sammengeschlossenen acht Gemeinden zustehen.8

Seite 97 Der Standesrepräsentant sollte den Stand Montafon nach gemeinschaftlichen Vermögens [...] durch einen von den außen vertreten (§ 4) und wurde auf die Dauer von drei betheiligten Gemeinden zu bestellenden Ausschuß zu ge- Jahren gewählt. Der Standesausschuss sollte nach Bedarf, schehen.“ aber mindestens einmal jährlich „zur Prüfung des Prälimi- nars“ (des Haushaltsvoranschlages) „und der Jahresrech- Das rechtliche Verhältnis zwischen den beiden Zweigen nung“ zusammen treten (§ 7). Die Einberufung war durch des Standes Montafon war nur insoweit klar, als im „Forst- den Standesrepräsentanten möglich, wenn sie von vier fonds“ eben die im gemeinsamen Eigentum stehenden Ausschussmitgliedern, dem Landesausschuss (die dama- Standeswaldungen zu verwalten waren und dort alle Fragen lige „Landesregierung“) oder der „politischen Bezirksbe- behandelt wurden, die die Verfügung über diese Wälder in hörde“ (der Bezirkshauptmannschaft) verlangt wurde. irgendeiner Weise beeinflussten. Es war auch klar, dass an den Entscheidungen in diesen Angelegenheiten die Vertre- Eine Beschlussfassung war mit Stimmenmehrheit möglich, ter der Gemeinden Lorüns und Stallehr nicht mitwirkten. bei Stimmengleichheit galt der Antrag als abgelehnt, für die Beschlussfähigkeit sollte die Anwesenheit von mindestens Der politische Stand blieb in seiner Bedeutung lange Zeit sieben Mitgliedern erforderlich sein (§ 8). hinter dem dominierenden Forstfonds zurück. In dieses Bild fügt sich, dass sehr lange, über 1945 hinaus, die Ver- Die Beratungen sollten öffentlich sein, über die gefassten treter der Gemeinden Lorüns und Stallehr nur sehr spärlich Beschlüsse war ein Protokoll zu führen (§ 9). an den Sitzungen des Standesausschusses teilnahmen. Erst sehr spät, nämlich seit 1965, wurde die Trennung zwi- Rechtlich nicht ganz einfach ist zu klären, welche Auftei- schen den beiden Zweigen auch in der Verwaltungspraxis lung – das heute noch gültige – Standesstatut der Zustän- sichtbar: Über die Sitzungen von politischem Stand und digkeiten zwischen dem Standesrepräsentanten und dem Forstfonds wurden erst jetzt getrennte Tagesordnungen und Standesausschuss vornimmt. Das Statut berief den Stan- Protokolle erstellt! desrepräsentanten als zur Vertretung nach außen befugt, was diesen in der politischen Realität zu einem allgemei- 2.2. Die Finanzierung des Standes Montafon nen Vertretungsorgan des Montafons machte und ihm auch landespolitische Bedeutung verlieh. Das Schweigen des Die Finanzierung des politischen Standes sowie des Standesstatuts über weitere Kompetenzen des Standesre- Forstfonds erfolgt im Grundsatz aus eigenen Finanz- präsentanten lässt grundsätzlich rechtlich keinen anderen ierungsquellen. Dies sind im Falle des Forstfonds in erster Schluss zu, als dass sämtliche Entscheidungsbefugnisse Linie Einkünfte aus der Waldbewirtschaftung, aber auch beim Standesausschuss ruhen und der Standesrepräsen- aus Jagdverpachtung. tant lediglich die Beschlüsse des Ausschusses zu vollzie- hen hat. Die Abgänge des politischen Standes werden durch eine so genannte Standesumlage abgedeckt, die auf die Ge- Gemäß dem schon erwähnten § 86 der Gemeindeordnung meinden nach Maßgabe ihres Bevölkerungsanteils umge- 1864 hatte „die Besorgung der aus dem bisherigen Ge- legt wird. Beim Forstfonds wurde bisher auf die Einhebung richtsverbande herrührenden gemeinschaftlichen Angele- einer förmlichen Standesumlage verzichtet.9 Dies konnte genheiten mehrer Gemeinden und die Verwaltung dieses verständlicherweise nur solange erfolgen, als die Erträge

Seite 98 aus der Waldbewirtschaftung positiv waren. Diese gingen einen „Wegmacher“ für sechs Monate an, dessen Aufgabe jedoch in den letzten Jahren zurück. Auf der Grundlage es ist, die Straßen in einigermaßen tauglichem Zustand zu eines Bewirtschaftungskonzeptes werden daher seit 1987 erhalten.12 Der Stand Montafon fördert aber etwa auch die auch von den Forstfondsgemeinden Beiträge für die Wald- Feuerwehren13 und hat einen Arzt angestellt.14 Am 16. Juni bewirtschaftung eingehoben.10 Auf freiwilliger Basis leisten 1883 wird sogar noch ein zweiter „Standesarzt“ angestellt, auch die Seilbahngesellschaften im Montafon sowie die der die Aufgabe hatte, die Armen zu behandeln.15 Vorarlberger Illwerke AG Beiträge zur Waldbewirtschaftung. Schließlich wird der Forstfonds wesentlich über den Fonds Als die Entscheidung ansteht, ob die Fischerei im Montafon zur Rettung des Waldes mitfinanziert. So betrugen zwi- gemeindeweise oder für das gesamte Tal geregelt werden schen 1994 und 2003 die Förderungen von Bund und Land soll, entscheidet sich der Standesausschuss für eine ge- 28,73 Prozent der Gesamteinnahmen des Forstfonds, wäh- samthafte Lösung. Die Erträge sollen in die Standeskasse rend die Bewirtschaftungsbeiträge der Forstfondsgemein- fließen.16 Bemerkenswert ist, dass der Stand kurzfristig den sowie die Beiträge der Vorarlberger Illwerke AG und der sogar eine „Zeichenschule“ während der Wintermonate fi- Seilbahnen 13,27 Prozent der Gesamteinnahmen betrugen. nanziert.17 Dies bedeutet, dass gegenwärtig etwa 42 Prozent der Ein- künfte nicht unmittelbar aus dem Betrieb des Forstfonds Seit Beginn der 1890er Jahre stand ein für das gesamte erfließen. Montafon bedeutsames Vorhaben im Mittelpunkt der Sit- zungen des Ausschusses, nämlich die Errichtung einer Die Gebarung des politischen Standes und des Forstfonds Bahn von Bludenz nach Schruns. Die Angelegenheit zog waren erst ab den frühen 60er Jahren streng getrennt. In sich über ein Jahrzehnt hinweg. Erst am 18. Dezember 1905 der Vergangenheit wurde verschiedentlich wurde auch konnte der Betrieb aufgenommen werden. beim politischen Stand auf die Einhebung der Standesum- lage verzichtet, was letztlich aus dem Budget des Forst- 3.2. Umbruchszeit: 1918 bis 1938 fonds bezahlt wurde. In den nach 1918 in ungemein dichter Folge abgehaltenen Sitzungen des Standesausschusses standen Fragen der 3. Von der Verwaltungsgemeinschaft zum Regional- Waldbewirtschaftung und die Behandlung von Nutzungsan- verband - Entwicklungslinien des Standes Monta- sprüchen und –wünschen im Mittelpunkt. Dies ist auch ein fon von 1865 bis in die Gegenwart Indiz für eine ausgesprochene Mangelsituation, wie sie in dieser Zeit angesichts einer allgemeinen Brennstoffknapp- 3.1. Aufbau und Konsolidierung: 1865 bis 1918 heit auch tatsächlich bestand. Die schon vor dem Ersten Weltkrieg bestehende Holz knappheit wurde noch drama- Die Bandbreite der Themen, auf die sich die getroffenen tischer, die Konflikte mit der Forstbehörde häuften sich. Die Entscheidungen bezogen, war schon von Beginn an groß: Nutzungen mussten eingeschränkt werden, Weiterverkäufe Es wird auch deutlich, dass die vom Stand Montafon wahr- von Holzbezügen sollten unterbunden werden.18 Insbeson- genommenen Aufgaben über die im Standesstatut aufgeli- dere wurde die Vergabe von Holz an Nicht-Standesbürger steten hinausgingen, was vor allem für das Veterinärwesen eingeschränkt, indem diese einen deutlich erhöhten Betrag gilt.11 Der Stand stellte aber auch im Frühjahr regelmäßig zu bezahlen hatten.19

Seite 99 Allerdings setzte sich der Standesausschuss bereits sehr 3.4. Die Zeit seit 1945 früh mit anderen Themen auseinander und beschließt 1919 eine weiteren Ausbau des Litzkraftwerks.20 Der Übergang zu friedlichen, demokratischen und rechts- staatlichen Verhältnissen nach 1945 verläuft in den Proto- 3.3. Nationalsozialistische Herrschaft: 1938 bis 1945 kollen der Standessitzungen ohne erkennbare Zäsur.

Der erste Zusammentritt unter dem nationalsozialistischen Mit Beginn des 80er Jahrs des 20. Jahrhunderts dominierte Regime fand am 24. Juni 1938 statt. Der neue Vorsitzende, das rechtliche Schicksal des Forstfons die Beratungen in Heinrich Dajeng, „teilt mit, dass er von der Kreisleitung der Forstfondsvertretung. Es ging dabei um die Frage, ob Bludenz-Feldkirch der NSDAP als kommissarischer Leiter der Forstfonds eine Agrargemeinschaft war und demgemäß des Standes Montafon, in der Eigenschaft als Standes- nach den Bestimmungen des Flurverfassungsgesetzes zu repräsentant, bestellt worden sei. Eine Wahl im Sinne des regulieren wäre. Standesstatutes habe somit vorläufig zu entfallen.“ Dazu kam, dass sich in der Zwischenzeit auch der Waldzu- Die neue Zeit brachte auch eine Gefährdung der bisherigen stand massiv verschlechterte. Offenbar war dies Resultat Strukturen des Standes Montafon: Am 30. Dezember 1941 der Übernutzung der gut zugänglichen Waldgebiete in den votierte der Standesausschuss energisch gegen Pläne des vergangenen Jahren und der schlechten Erschließung der Landrates von Bludenz den „politischen“ Stand Montafon abgelegeneren Wälder. zu einem so genannten Zweckverband von acht Gemein- den zu reduzieren und die bisherige Verwaltungsgemein- In den Beratungsgegenständen des Standesausschusses schaft der zehn Talgemeinden aufzugeben. Im Hintergrund manifestiert sich dagegen ein massiver Wandel: Die Auf- des Protests dürfte aber auch gestanden sein, dass der gaben des Standes Montafon in der Gewährleistung eines Standesrepräsentant entsprechend dem damals herr- gemeindeübergreifenden Netzes von Dienstleistungen schenden Führerprinzip massiv aufgewertet und die demo- werden immer größer, Kinderbetreuung und mobile Hilfs- kratischen Entscheidungsstrukturen im Standesausschuss dienste zählen zu den wichtigsten Angeboten. beseitigt worden wären.

1944 nannte sich der Stand Montafon im Protokoll aller- 4. Binnenstrukturen dings bereits „Zweckverband Stand Montafon“.21 Die Zahl der Gemeinden wurde zwar nicht verändert, die Struktur 4.1. Sitzungen des Standesausschusses und der Forst- des Standes jedoch ganz entscheidend: Die demokratische fondsvertretung Organisation war beseitigt. Sämtliche Sitzungen des Standesausschusses fanden seit Die Bezeichnung als Zweckverband wurde allerdings jeher in Schruns statt. Damit wurde auch der Rang von verschiedentlich nach 1945 vom Stand Montafon selbst Schruns als administrativer Mittelpunkt des Tales, wo ja verwendet,22 obwohl sie in den wieder in Kraft gesetzten auch das Gericht verankert war, gestärkt. Rechtsgrundlagen (Gemeindeordnung 1935) nicht mehr vor- gesehen war. Der Standesausschuss trat in den ersten Jahren nach 1865 in unregelmäßigen Abfolgen zusammen: Es gab Jahre, in de- nen überhaupt keine Tagung stattfand,23 in einem anderen

Seite 100 Jahr gab es gleich fünf Sitzungen.24 Die Sitzungen wurden 4.2. Die Rolle des Standesrepräsentanten: Oberbürgermei- nach Bedarf einberufen und in den Anfangsjahren, bedenkt ster des Montafons? man die im Vergleich zu heute schwierigen Kommunikati- onsverhältnisse, erstaunlich kurzfristig. Sie dienten zuwei- Der Standesrepräsentant erfüllt durch seine Funktion zwei- len auch nur einem einzigen, gerade aktuellen Thema.25 fellos eine besondere Rolle. Er wird durch die überörtlichen Aktivitäten des Standes gleichsam zum Oberbürgermeister Mit der neuen Legislaturperiode im Jahr 1965 wurde eine bis des Tales, das er in dieser Funktion auch gegenüber außen heute bestehende Neuerung eingeführt: Die 20 Sitzungen vertritt. Diese Rolle wird zudem durch lange Amtsperioden des Standesausschusses und die 46 Sitzungen des Forst- gestützt: fonds werden getrennt abgewickelt, wofür durchaus gute Gründe sprechen, wenn man den unterschiedlichen Kreis 1832, offenbar am Tag des Übergangs der Wälder in das Ei- der beteiligten Gemeinden bedenkt. Ausschlaggebend gentum des Standes, war Mathias Drexel aus Tschagguns dürfte gewesen sein, dass seit kurzer Zeit der Obmann der zum ersten Standesrepräsentanten gewählt wurden. Er lei- Agrargemeinschaft St. Gallenkirch die Gemeinde St. Gal- tete den Stand bis 1847, als Jakob Jochum, Gemeindevorste- lenkirch im Forstfonds vertrat – nicht jedoch im politischen her von Schruns, das Amt übernahm. Jochum blieb bis 1867 Stand. Dies musste in Sitzungen, bei denen sowohl Angele- in dieser Funktion.29 genheiten des Forstfonds als auch des politischen Standes beraten wurden, auf die Dauer zu kompliziert werden. Was Franz Josef Stemer eröffnete die erste protokollierte Sitzung die Intensität der Sitzungen betraf, wurde damit ein Höchst- des Standesausschusses am 3. Mai 1867. Stemer war zu stand erreicht. diesem Zeitpunkt bereits gewählter Standesrepräsentant und übte diese Funktion bis 1889 aus. Sein Nachfolger und An den Sitzungen der Forstfondsvertretung nahm seit 1975 Sohn, Jakob Stemer, war von 1889 bis zum 17. April 1919 nun auch für Vandans statt dem Bürgermeister der Obmann Standesrepräsentant.30 Bei dieser Sitzung des Standes- der Agrargemeinschaft Vandans teil.26 ausschusses, der ersten nach dem Ende des Ersten Welt- krieges, treten zwei Kandidaten an: Der altgediente Jakob Bemerkenswert ist, dass mit Beginn des Jahres 1985 die Stemer, seit 30 Jahren (!) in dieser Funktion und Josef Georg Wahrnehmung des Stimmrechtes der Gemeinde St. Gallen- Jochum, Gemeindevorsteher aus Tschagguns. Auf beide kirch durch die Agrargemeinschaft nicht mehr zugelassen Kandidaten entfielen fünf Stimmen, sodass es, das erste wurde. Diese statutenwidrige Praxis wurde nunmehr nicht und einzige Mal im Untersuchungszeitraum, zu einer Ent- mehr länger toleriert. Schon einige Zeit zuvor, war es üblich scheidung durch Los kommen musste. Das unter Aufsicht geworden, den Bürgermeister wieder neben der Agrarge- von Gemeindevorsteher Gebhard Martin aus Stallehr ge- meinschaft einzuladen.27 zogene Los entschied zu Gunsten von Jochum, der jedoch, was bemerkenswert ist, nicht einmal zwei Monate in dieser In dem während der 80er Jahre über die Standeswaldungen Funktion verbleibt: Bei der am 6. Juni 1919 durchgeführten geführten Rechtsstreit rückte auch die Frage der Öffentlich- Wahl zum Standesrepräsentanten unterliegt er mit zwei keit der Sitzungen des Standesausschusses ans Licht. Tat- Stimmen klar dem aus den Gemeindewahlen vom 18. Mai sächlich ist diese im Standesstatut (§ 9) bereits verankert, 1919 gegen Stemer als Sieger hervorgegangenen Gemein- seitens der Standesbürger waren bis zu diesem Zeitpunkt devorsteher von Schruns, Franz Wachter. Die Hintergründe aber niemals entsprechende Ersuchen vorgebracht wor- dieser Wahlvorgänge liegen im Unklaren. Eine Zeitungsno- den.28 tiz vermeldet, Jochum sei für die restliche Dauer bis zu den

Seite 101 Gemeindewahlen (also für nur kurze Zeit) zum Standesre- Kessler neuerlich zum Standesrepräsentanten (mit sieben präsentanten gewählt worden.31 Man wird daher von einer Stimmen, je eine entfielen auf Bürgermeister Peter Wach- Abwahl von Stemer auf Grund beträchtlicher Unzufrieden- ter36 aus Gaschurn und Bürgermeister Franz Marent aus heit im Standesausschuss auszugehen haben.32 Schruns) gewählt.

Am 10. April 1929 findet abermals eine Wahl des Standes- In der Folgezeit glichen sich die „Legislaturperioden“ repräsentanten statt, die Franz Wachter aus Schruns wie- des Standesausschusses eindeutig an die Gemeinde- derum für sich entscheidet, obwohl in der Zwischenzeit am wahlperioden an, wie etwa aus dem Protokoll vom 7. März 10. Februar 1924 Gemeindewahlen stattgefunden hatten. 1960 zum Ausdruck gelangt: „Damit schließt der Vorsitzen- Auf Wachter entfallen acht Stimmen, Franz Josef Bitschnau de die letzte Sitzung des Standesausschusses in dieser Le- aus Vandans erhält eine Stimme. In der Folge verzeichnen gislaturperiode.“ die Protokolle erstmals wieder 1949 die Wahl eines Stan- desrepräsentanten: Am 16. Mai 1960 wird neuerlich Josef Kessler mit neun ge- gen eine Stimme zum Standesrepräsentanten gewählt. Der Von 1938 bis 1945 war Heinrich Dajeng von den National- mittlerweile 80-jährige Kessler zog sich vor den Gemeinde- sozialisten eingesetzter Standesrepräsentant. Nach 1945 wahlen 1965 aus der Politik zurück. Bei der Wahl zum Stan- ist Bürgermeister Jakob Hueber aus Schruns ebenfalls ein desrepräsentant am 3. Mai 1965 entschied Bürgermeister eingesetzter und nicht gewählter Funktionsträger. Er war Peter Wachter aus Gaschurn erst im 2. Wahlgang, nachdem seit 1945 Bürgermeister von Schruns, wurde dann aber im im ersten keiner der Kandidaten die absolute Stimmen- Jahre 1947 von der Gemeindevertretung abgewählt. Den- mehrheit erlangt hatte, das Rennen für sich. noch behielt er – entgegen dem Standesstatut – bis zum 13. Mai 1949, als erstmals seit langer Zeit wieder eine Wahl Die folgende Legislaturperiode brachte wiederum einen eines Standesrepräsentanten stattfand, diese Funktion.33 Wechsel in der Funktion des Standesrepräsentanten. Land- Ein Revisionsbericht der Landesregierung vom 7. März 1949 tagsabgeordneter Bürgermeister Ignaz Battlogg aus St. stellte der Geschäftsführung durch Hueber ein katastro- Anton37 wurde am 11. Juni 1970 in diese Funktion berufen. phales Zeugnis aus und sprach von einer „etwas zu ‚autori- Die Entscheidung fiel denkbar knapp aus: In einer Kampf- tären’ Geschäftsführung“, die dazu geführt hatte, dass „in abstimmung siegte Battlogg über den Amtsinhaber Peter den letzten Jahren der Standesausschuss von der Führung Wachter, was auf eine gewisse Unzufriedenheit im Aus- der Standesgeschäfte weitgehend ausgeschaltet war“.34 schuss mit dem Standesrepräsentanten schließen lässt. Gleichsam zum Trost wurde Wachter dann mit 9 Stimmen Gewählt wurde am 13. Mai 1949 mit acht gegen eine Stim- ohne Gegenstimme zum Stellvertreter gewählt, Wachter me (nicht anwesend war der Bürgermeister von Stallehr) lehnte jedoch zunächst ab. Erst als ein erneuter Wahlgang der Landtagsabgeordnete Bürgermeister Josef Kessler aus eine Pattsituation zwischen Bürgermeister Erwin Vallaster Bartholomäberg.35 aus Bartholomäberg und Bürgermeister Raimund Wachter38 aus St. Gallenkirch ergab, nahm Wachter die Wahl an.39 Eine neuerliche Wahl am 31. Mai 1950 bestätigt Josef Kess- ler mit sieben gegen eine Stimme in seinem Amt. Nun- Damit war wiederum eine landespolitisch bedeutsame Per- mehr wurde es offenbar üblich, die Wahlen zum Standes- son gewählt, denn Battlogg war bereits seit dem 18. Okto- repräsentanten in Abstimmung mit den Gemeindewahlen ber 1959 Landtagsabgeordneter und behielt diese Funkti- durchzuführen. In der Sitzung vom 7. Mai 1955 wurde Josef on bis zu seinem Tod am 22. August 1981. Ignaz Battlogg

Seite 102 wurde nach den Gemeindewahlen 1975 in der Sitzung vom Am 9. Mai 1995 erfolgte die Wiederwahl ohne Gegenstim- 17. Juni 1975 nochmals ohne Gegenstimme in diesem Amt me. Stemer gab dieses Amt am 12. März 1996 an den Bür- bestätigt. Bei der Wahl des Stellvertreters entfielen sieben germeister von Schruns, Erwin Bahl,48 ab, der ohne Gegen- Stimmen auf Raimund Wachter aus St. Gallenkirch und drei stimme zum neuen Standesrepräsentanten gewählt wurde. Stimmen auf Ernst Pfeifer40 aus Gaschurn. Bahl wurde in dieser Funktion am 9. Mai 2000, wiederum ohne Gegenstimme, bestätigt. Battlogg legte jedoch, was in der Geschichte des Standes bis dahin ungewöhnlich war, während einer laufenden Rückblickend zeigt sich, dass mit Ausnahme der Vorgänge Legislaturperiode, nämlich im Dezember 1976, diese Funk- 1918 (Stemer gegen Jochum) und 1970 (Wachter gegen Batt- tion zurück.41 Ausschlaggebend war zweifellos die Arbeits- logg) kein einziges Mal ein amtierender Standesrepräsen- überlastung, die sich aus seiner Funktion als Standes- tant wieder abgewählt wurde. repräsentant, Bürgermeister, Landtagsabgeordneter und Landwirtschaftskammerpräsident ergab, gewesen. Zum Standesrepräsentanten wurden verständlicherwei- se regelmäßig Personen gewählt, denen nicht nur intern Sein Nachfolger wurde Bürgermeister Erwin Vallaster aus besondere Durchsetzungsfähigkeit zugetraut wurde, son- Bartholomäberg42, der dieses Amt auch in der neuen Le- dern die auch als geeignet erschienen, die Talschaft nach gislaturperiode vom 10. Jänner 1977 bis 1985 innehatte. außen zu vertreten. Oftmals bekleideten die Standes- Vallaster war ohne Gegenstimme gewählt worden. Am 3. repräsentanten neben ihren Aufgaben als Bürgermeister Juni 1980 wurde Erwin Vallaster ein weiteres Mal zum Stan- noch weitere politische Spitzenpositionen: Ignaz Battlogg desrepräsentanten gewählt, wenngleich nicht einstimmig: und Siegmund Stemer sind in diesem Zusammenhang Zwei Stimmen entfielen auf Eduard Bitschnau43 aus Tschag- bereits genannt worden. Josef Kessler (Standesrepräsen- guns. Stellvertreter wurde, entsprechend der Praxis, einem tant von 1949 bis 1965) war vom 11. Dezember 1945 bis 24. Außerfrattner Standesrepräsentanten einen Innerfrattner Oktober 1949 Landtagsabgeordneter. Während der Ersten Stellvertreter (und gegebenenfalls umgekehrt) beizustel- Republik war Franz Wachter, Standesrepräsentant von 1919 len, Bürgermeister Wachter aus St. Gallenkirch gegen eine bis 1938 für den Unabhängigen Bauernbund Landtagsabge- Stimme zugunsten von Bürgermeister Heinrich Sandrell44 ordneter von 1919 bis 1923.49 aus Gaschurn. 4.3. Standesverwaltung 1985 übernahm Bürgermeister Siegmund Stemer aus St. Anton45 ohne Gegenstimme die Funktion des Standes- Bereits in den ersten Sitzungsprotokollen taucht neben repräsentanten, wiederum eine Persönlichkeit, die alsbald dem Standesrepräsentanten und dem Standesausschuss auch politisch weiter aufsteigen sollte. Stemer, seit dem ein weiteres, im Standesstatut nicht genanntes Organ auf, 7. November 1989 auch Landtagsabgeordneter und bald der Standeskassier.50 darauf zum Klubobmann aufgestiegen, wurde am 30. Mai 1990 neuerlich mit sieben gegen zwei Stimmen (zugunsten Eine Standesverwaltung im heutigen Sinne gab es aller- von Bürgermeister Fritz Rudigier46 bzw. Burkhard Wachter47) dings noch nicht. Am 2. Oktober 1920 wird entschieden, gewählt. Sein Stellvertreter wurde abermals Bürgermeister dass der Stand Montafon zur Bestreitung der Standes- Heinrich Sandrell aus Gaschurn. verwaltungskosten für die Angestellten jeweilig die Höhe des Gehaltes des Gemeinde- und Standeskassiers Josef Ganahl trägt. Bis 1938 war die Standesverwaltung von der Gemeindeverwaltung von Schruns „miterledigt“ worden.51

Seite 103 Mit der Herausbildung einer Standesverwaltung steht in Zu rekapitulieren ist, dass sich die Besorgung der Verwal- Zusammenhang, dass die Standesverwaltung auch ein ei- tung der Standeswaldungen und der anderen im Standes- genes Amtsgebäude erhielt. Das erste eigene Verwaltungs- statut von 1865 angeführten Angelegenheiten auf § 86 der gebäude wurde jedoch erst 1954 errichtet. Gemeindeordnung von 1864 gründete. Die Gemeindeord- nung von 1904 regelte in ihrem § 86 inhaltlich dasselbe. Die Einsetzung des ersten forstlichen Betriebsleiters Dipl.- Demzufolge judizierte der Verwaltungsgerichtshof in einer Ing. Quido Scheier kam relativ spät, berichtete er doch am Entscheidung aus dem Jahre 1932: „Es ist unbestritten, 31. Juli 1984 der Forstfondsvertretung, dass jene Bestän- dass der Stand Montafon eine öffentlich-rechtliche Körper- de, die gut erschlossen sind und wo die Nutzung relativ schaft ist und dass die Verwaltung des Standesvermögens problemlos ist, in der Vergangenheit „regelrecht geplün- gemäß den Bestimmungen der Gemeindeordnung vor sich dert“ worden seien.52 Er wies auf die Notwendigkeit der zu gehen hat.“ Diese Verwaltung erfolgte damals nach wie Erschließung der bisher noch im Urzustand befindlichen vor auf der Basis der Gemeindeordnung von 1904. Dement- Wälder hin sowie vor allem auch auf die Notwendigkeit sprechend erklärte der Verwaltungsgerichtshof: „Die gan- der Reduktion des Wildbestandes, die oberstes Gebot sei. ze Vermögens verwaltung des Standes Montafon stellt sich Allerdings verblieb auch Dipl. Ing. Scheier nur kurze Zeit. als eine Verwaltung des mehreren Gemeinden gehörenden Die Funktion wurde mit Beginn 1986 durch Dipl. Ing. Hubert gemeinschaftlichen Vermögens dar, wie sie § 86 GemO. Malin besetzt. Seit Mitte der 80er Jahre wurde der forstliche regelt.“ Der Verwaltungsgerichtshof nahm also im Jahr Betriebsdienst professionalisiert und modernisiert. Dies 1932 die Existenz einer öffentlich-rechtlichen Körperschaft führte auch zu Überlegungen, für die Standesverwaltung als gegeben an, die allerdings von der Gemeindeordnung und den forstlichen Betriebsdienst eine neue Unterkunft zu selbst gar nicht konstituiert wurde, sondern nur die Verwal- schaffen. tung durch den Standesausschuss legitimierte!

Zu Beginn der 90er Jahre wurden die Bemühungen, für die Die Unsicherheit in der rechtlichen Qualifikation des Stan- Standesverwaltung ein neues Gebäude zu errichten, kon- des Montafon, die sich auch in der Art und Weise wider- kreter. Am 11. November 1995 wurde das neue Standesge- spiegelt, in der sich der Verwaltungsgerichtshof 1932 an der bäude offiziell in Verwendung genommen. entscheidenden Frage vorbeischlich, wie diese öffentlich- rechtliche Körperschaft denn zustande gekommen wäre, zeigt sich auch im sonstigen rechtlichen Umgang mit dem 5. Recht Stand Montafon, der im Grundbuch als „Interessentschaft“ eingetragen wurde.53 Bemerkenswert ist dabei, dass ein und 5.1. Die rechtliche Behandlung des Standes Montafon im derselbe Begriff unterschiedliche Körperschaften, nämlich Gemeinderecht Vorarlbergs im einen Fall den 10-gliedrigen „politischen“ Stand, im an- deren Fall den achtgliedrigen „Forstfonds“ kennzeichnete.54 Es ist angesichts der wirtschaftlichen und politischen Be- deutung des Standes Montafon bemerkenswert, dass seine Bei der Bezeichnung „Interessentschaft“ handelte es sich juristischen Grundlagen äußerst unklar sind. Woraus ergibt um keinen Rechtsbegriff des damaligen Gemeinderechts, sich diese kritische Beurteilung? vielmehr wurden umgangssprachlich Agrargemeinschaften, Alpgenossenschaften und ähnliche gemeinschaftliche Körperschaften mit diesem Ausdruck bedacht.

Seite 104 In der Verwaltungspraxis wurde der Stand Montafon mit Diesen Erfordernissen entsprach der Stand Montafon dem Inkrafttreten der Gemeindeordnung 1935 als Verwal- in seiner Gesamtheit nicht. In den Folgejahren bis zum tungsgemeinschaft, der politische Stand ab dem Inkrafttre- Anschluss und der Einführung reichsdeutschen Rechts ten des Gemeindegesetzes im Jahre 1965 als Gemeindever- wurden der Landesregierung keine Satzungen vorgelegt, band betrachtet.55 Der Forstfonds dagegen wurde ab dem geschweige denn, dass es zu einer ausdrücklichen Geneh- Jahre 1953 als Agrargemeinschaft im Sinne des Flurverfas- migung einer Verwaltungsgemeinschaft gekommen wäre, sungsgesetzes qualifiziert. obwohl inhaltlich das Standesstatut durchaus als eine die- sen Vorschriften entsprechende Satzung qualifiziert hätte Festzuhalten ist, dass sich beide Rechtsauffassungen, werden können. nämlich die Qualifikation des „politischen“ Standes als Gemeindeverband und jene des Forstfonds als Agrar- Eine neue Rechtslage ergab sich mit dem Inkrafttreten gemeinschaft auf ziemlich schwankendem Boden bewegen. des Gemeindegesetzes von 1965. Das neue Gemeinde- Dabei soll hier zunächst auf den politischen Stand einge- gesetz kannte Gemeindeverbände, nicht aber Verwaltungs- gangen werden: gemeinschaften. Für das Zustandekommen eines Ge- meindeverbandes wäre die Erlassung einer Verordnung Wie oben erwähnt regelte noch § 86 der Gemeindeordnung der Landesregierung erforderlich gewesen, was im Fall des von 1904 den Stand Montafon wie die seinerzeitige Rechts- Standes Montafon nachweislich nie geschah (§ 89). grundlage, § 86 der Gemeindeordnung von 1864. Eine Neuerung trat dagegen mit der Gemeindeordnung von 1935 Nach der Übergangsvorschrift des § 91 Abs 6 des ein: Eine dem bisherigen § 86 Gemeindeordnung von 1904 Gemeindegesetzes des Jahres 1965, das in seinen wesent- entsprechende Bestimmung gab es nicht mehr, wohl aber lichen Strukturen heute noch in Kraft ist, bestehen Verwal- die Möglichkeit der „Vereinigung von Gemeinden zur ge- tungsgemeinschaften im Sinne des § 11 der Gemeinde- meinschaftlichen Geschaftsführung“ in § 11 (Verwaltungs- ordnung 1935 fort, sofern sie den Bestimmungen des § 89 gemeinschaft). Die Verwaltungsgemeinschaft konnte im entsprechen. Rechtsverkehr – wie dies beim Stand Montafon gängige Praxis war – als eigene juristische Person auftreten. Hoheit- Von den Aufgaben her betrachtet entspricht der Politische liche Befugnisse hatte sie nicht. Stand Montafon völlig solchen Gemeindeverbänden, eben- so was die Organisation betrifft. Der Stand Montafon bil- Die Verwaltungsgemeinschaft konnte jedoch nur auf Grund- dete aber, wie dargelegt, keine Verwaltungsgemeinschaft. lage einer „auf Gemeindetagsbeschlüssen beruhenden Ist daraus zu schließen, dass der Gesetzgeber des Jahres schriftlichen Vereinbarung der beteiligten Gemeinden“ zu- 1965, dem die Existenz des Standes Montafon ja gewiss stande kommen. Die Vereinbarung war in einer Satzung nicht unbekannt war, ausgerechnet im 100. Jahr seines niederzulegen und bedurfte der Genehmigung der Landes- Bestehens diese traditionsreiche Körperschaft auflösen regierung (Abs 3). Schließlich war noch eine Kundmachung wollte? Wohl nicht! Er hat vielmehr den Stand Montafon vor- im Landesgesetzblatt durch die Landesregierung erforder- gefunden und weiterleben lassen, allerdings mit einer sehr lich (Abs 4). unklaren Rechtsfolge.

Seite 105 Ein weiteres Jahr ist von Bedeutung: 1985, also 20 Jahre nachfolgeprobleme bei der Anpassung an die neuen Be- später, erfolgte eine neuerliche Novelle des Gemeindege- stimmungen auszuschließen.56 Daraus kann nun nichts setzes, in welcher verankert wurde, dass sich Gemeinden anderes entnommen werden, als dass der Vorarlberger zur Besorgung einzelner Aufgaben des eigenen Wirkungs- Landesgesetzgeber von der Existenz des Standes Monta- bereiches durch Vereinbarung zu Gemeindeverbänden fon ausgegangen ist und diesen wohl auch materiell als zusammenschließen können. Eine solche Vereinbarung einen Gemeindeverband betrachtet hat und ihn auch nicht ist mit Verordnung der Landesregierung zu genehmigen. auflösen wollte, selbst dann, wenn es die Montafoner ver- Weiters wurden nunmehr neben den Gemeindeverbänden absäumen sollten, den Stand endlich auf eine rechtliche auch Verwaltungsgemeinschaften als zulässig erklärt. Grundlage zu stellen. Eine solche klare Rechtsgrundlage für den politischen Stand liegt indessen noch immer nicht vor. In der Übergangsbestimmung des Art III Abs 4 der ge- nannten Novelle wurde bestimmt, dass Verwaltungsge- 5.2. Der Forstfonds eine Agrargemeinschaft? meinschaften, die auf Grund der Gemeindeordnung 1864, 1904 und 1935 gegründet wurden und ihre Aufgaben noch Die rechtliche Auseinandersetzung um die Standeswälder erfüllen, bis längstens 31. Dezember 1988 als Gemeinde- wurde von mir schon an anderer Stelle dargestellt.57 Hier verbände neu zu bilden waren. Immerhin kann man der Be- soll nur angeführt werden, dass der Stand Montafon Forst- stimmung entnehmen, dass Verwaltungsgemeinschaften fonds nach 1945 irrigerweise als sogenannte unregulierte58 auf der Grundlage der Gemeindeordnung 1864, als solche Agrargemeinschaft behandelt wurde.59 konnte man den Stand nämlich betrachten, als bestehende Institutionen anerkannt wurden. Am 23. April 1980 stellte ein „Proponentenkommittee“, das auch ungefähr 1.000 Unterschriften von nutzungs- Freilich: Die Zeit, einen solchen Gemeindeverband zu grün- berechtigten Standesbürgern gesammelt hatte,60 einen den, wurde nicht genutzt, vielleicht wusste man im Monta- Antrag auf Regulierung der rechtlichen und wirtschaftlichen fon auch gar nichts von der neuen Rechtslage, zumindest Verhältnisse der im Eigentum des Forstfonds befindlichen kann den Protokollen der Standessitzungen nicht der ge- Liegenschaften. ringste Hinweis entnommen werden, dass den Bürgermei- stern die Notwendigkeit des Handelns überhaupt bewusst Das Proponentenkommittee legte auch den Entwurf eines war. Vielleicht war man auch der Meinung gar keine Verwal- neuen Statuts vor, das den Forstfonds in eine regulierte tungsgemeinschaft, sondern eben ein Gemeindeverband Agrargemeinschaft umwandeln sollte, was auf den Wider- „sui generis“ bereits zu sein und deshalb keine Aktivitäten spruch der Gemeinden stieß. Nach einem schier endlosen setzen zu müssen. Genaueres wissen wir leider nicht. Rechtsstreit entschied der Verwaltungsgerichtshof am 28. März 1996 endgültig, dass es sich beim Stand Montafon Der Landtag war sich der Problematik dagegen klarer be- Forstfonds um keine Agrargemeinschaft handelte. wusst: Berichterstatter Landtagsabgeordneter Ernst Fritz führte aus, dass mit der Übergangsbestimmung unter 5.3. Die Änderungen durch das Gesetz über das anderem auch der Stand Montafon gemeint war. Mit der Gemeindegut vorgeschlagenen Übergangsregelung sollten nun die von der Praxis als existent behandelten Gemeindeverbände Das Gesetz über das Gemeindegut aus dem Jahre 1998, in ihrem Bestand deshalb anerkannt werden, um Rechts- in dem klargestellt wurde, dass an jenen Grundstücken,

Seite 106 die, wie der Stand Montafon, noch immer Gemeindegut Nach dieser Entscheidung kann davon ausgegangen wer- bildeten, die Nutzungsberechtigten nur solche Ansprüche den, dass die rechtliche Verankerung des Forstfonds durch hatten, soweit ihr Haus- und Gutsbedarf reichte, machte in das Gesetz über das Gemeindegut und die ausführenden seinem § 15 den Forstfonds auch formell zu einem Gemein- Bestimmungen in der Forstfondsverordnung keinen wei- deverband, der er im Grunde die vergangenen Jahrzehnte teren Anlass zu juristischen Streitigkeiten geben sollten. immer gewesen war. Freilich, als entsprechend den Vorga- ben des § 20 Abs 7 des Gesetzes die Forstfondsgemeinden spätestens im Jahre 2003 eine Vereinbarung hätten treffen 6. Schlussbetrachtung sollen, in der neue Satzungen (also ein besonderes Statut für den Forstfonds) zu erlassen gewesen wären, kam es auf Der Stand Montafon erweist sich im Rückblick des 19. und Grund Widerstands der Gemeinden Gaschurn und Vandans 20. Jahrhunderts als eine bemerkenswerte Einrichtung, die nicht dazu. Dies führte dazu, dass die Landesregierung auf gerade heute besonders zukunftsfähig erscheint. Dies darf der Grundlage der zitierten Gesetzesbestimmungen ersatz- nicht darüber hinwegtäuschen, dass er in der Vergangen- weise an Stelle der freien Vereinbarung der Gemeinden Sat- heit auch schwere Krisen erlebt hat und auch nicht völlig zungen erlassen musste, die mit der Forstfondsverordnung unbestritten war. LGBl. Nr. 1/2005 schließlich ergingen. Beachtlich ist vor allem die Wandlungsfähigkeit des „Poli- Die Gemeinde Gaschurn bekämpfte sowohl die tragenden tischen Standes“, der sich immer wieder aktuellen, sozi- Bestimmungen des Gesetzes über das Gemeindegut be- alen und wirtschaftlichen Bedürfnissen des Montafons an- treffend den Forstfonds als auch die Forstfondsverordnung passen konnte. Es ist eigenartig, wie gerade dieses Relikt beim Verfassungsgerichtshof – eine überraschende Maß- der landständischen Verfassung auch heute noch so viele nahme, nachdem es zumindest einige Jahre lang den An- öffentliche Aufgaben zu erledigen vermag. Das will nicht schein hatte, als gehörten die Rechtsstreitigkeiten um den heißen, dass es nicht auch Anpassungsbedarf geben mag: Forstfonds endgültig der Vergangenheit an. Bemerkenswer- Die rechtlichen Grundlagen sind veraltet und die Ansprüche terweise fühlte sich die Gemeinde Gaschurn durch die ge- gegenüber einer transparenten und effizienten öffentlichen setzliche Regelung, die an der nunmehr 175-jährigen Praxis Verwaltung steigen. Ihnen wird auch der Stand Montafon in gerade nichts änderte, in ihrem verfassungsgesetzlichen der Zukunft entsprechen müssen. Recht auf Selbstverwaltung beschränkt. Die Forstfondsver- ordnung wurde wegen der Regelungen über die Finanzie- rung des Forstfonds, die ebenfalls nur die langjährige Pra- 1 Dieser Vorgang des Waldkaufes ist dargestellt bei Erwin Bahl, Der Stand xis rechtlich fixierten bekämpft. Montafon. Diplomarbeit Universität Innsbruck 1990, S. 15; Peter Bahl, Der Stand Montafon. Diplomarbeit Universität Innsbruck 1964, S. 17; In seiner Entscheidung vom 11. Oktober 2005, G 42/05, V Josef Henrich, Der Standeswald im Montafon, in: Feierabend 14 (1932) 38/05, wies der Verfassungsgerichtshof sämtliche Anträge 18, S. 275 und 283 ff.; Siegfried Marent, Die Agrargemeinschaft Stand der Gemeinde Gaschurn ab. Das Gesetz über das Gemein- Montafon – Forstfonds. Diplomarbeit Universität Innsbruck 1972, S. 53; degut war demnach konform mit der verfassungsrechtlichen Wolfgang Pfefferkorn, Der Stand Montafon, in: Montafoner Heimatbuch. Kompetenzverteilung und mit dem Selbstverwaltungsrecht Schruns 1980, S. 343ff. der Gemeinde. Gegenüber der Forstfondverordnung äußerte 2 Pfefferkorn, Stand Montafon (wie Anm. 1), S. 343. der Verfassungsgerichtshof ebenfalls keine Bedenken. 3 Der Standesausschuss wird in der Praxis auch als Standesvertretung bezeichnet. Im vorliegenden Beitrag wird die ursprüngliche Bezeichnung

Seite 107 beibehalten. Dagegen wird das entsprechende Organ im Forstfonds als 14 Dem „Standesarzt“ Dr. Josef Huber wird am 6. März 1875 das Entgelt auf Forstfondsvertretung bezeichnet. 170 Gulden erhöht. 4 Die Angelegenheiten dieser auf das Montafon begrenzten 15 Er erhält dafür 400 Gulden Entschädigung (siehe Protokolle vom 21. Feuerversicherung beschäftigten den Standesausschuss in den März 1883 und 16. Juni 1883). Folgejahren bis in die Erste Republik immer wieder. Sie war offenbar 16 Protokoll vom 31. Oktober 1882. bereits 1822 gegründet worden und entfaltete ihre Tätigkeit bis 17 Am 2. Juli 1885 wird entschieden, dass die Zeichenschule wieder (!) von 1938 (siehe Protokoll des Standesausschusses vom 30. Dezember Dezember bis Februar abgehalten werden soll, wozu 300 Gulden aus 1941). Soweit im Folgenden auf die Protokolle des Standes Montafon der Standeskasse zur Verfügung gestellt werden. Jedes besuchende verwiesen wird, sind damit die im Standesarchiv zugänglichen Mitglied soll 5 Gulden bezahlen müssen. Am 20. November 1886 digitalisierten Protokolle des Standesausschusses bzw. der wird jedoch die neuerliche Einrichtung dieser Zeichenschule mit der Forstfondsvertretung gemeint. Begründung abgelehnt, weil diese nur sehr nachlässig besucht worden 5 Diese Aufgabe ist heute durch die entsprechenden Rechtsvorschriften sei. auf dem Gebiet des Gesundheits- und Veterinärwesens weitgehend 18 Siehe Protokoll vom 10. März 1921. staatlichen Behörden zugewiesen. In den Folgejahren hat sich der 19 Protokoll vom 30. August 1921. Standesausschuss immer wieder mit der Anstellung und Entlohnung 20 Siehe Protokoll vom 15. Oktober 1919. von Tierärzten und mit der Tierseuchenbekämpfung befasst. 21 Siehe Protokoll vom 11. Juli 1944. 6 Gemeint war damit die Erhaltung und Verwaltung von Straßen. 22 Siehe Protokoll vom 14. März 1962. Auch diese Aufgabe nimmt der Stand heute nicht mehr wahr, da 23 1868, 1888, 1897, 1916 und 1917. die entsprechenden Rechtsvorschriften (Bundesstraßengesetz, 24 1911. Landesstraßengesetz) ausdrücklich andere Behörden zum Vollzug 25 So etwa am 16. Jänner 1873 der Bekämpfung der Maul- und bestimmen. Klauenseuche in den Gemeinden Bartholomäberg und Silbertal. 7 In diesen Angelegenheiten sind bemerkenswerterweise kaum 26 Siehe Protokoll der Forstfondsvertretung vom 16. Juli 1976. Aktivitäten des Standesausschusses festzustellen. 27 Protokoll der Forstfondsvertretung vom 18. Juni 1985. 8 Erst viel später, nämlich 1959, erfolgte der Zusatz, dass der 28 Siehe Protokoll der Forstfondsvertretung vom 19. April 1988. Bürgermeister auch Standesbürger sein musste. 29 Siehe dazu das Protokoll über die Festsitzung des Standesausschusses 9 Information von Herrn Standessekretär Mag. Johann Vallaster. vom 12. April 1832. 10 Information durch Herrn Standessekretär Mag. Johann Vallaster. 30 Zur „Familie Stemer“ siehe auch Ulrich Nachbaur, Über das Werden und 11 Aus dem Protokoll vom 2. Jänner 1871 geht beispielsweise hervor, dass Wesen von „Marktgemeinden“ in Vorarlberg. Die Markterhebung von der Stand Montafon dem „Kristian Juen Wasenmeister oder Abdecker Schruns 1927, in: Ulrich Nachbaur/Peter Strasser, Die Markterhebung von Montafon“ ein jährliches Gehalt zahlt, dessen Erhöhung Juen nun von Schruns. Marktgemeinden in Vorarlberg (Montafoner Schriftenreihe begehrt. Juen erreicht zwei Jahre später, am 11. August 1873 eine weitere 13). Schruns 2004, S. 48-52, hier S. 49 f. Erhöhung von 200 Gulden auf 300. 31 Ebenda, S. 53. 12 Siehe etwa die Beschlüsse vom 1. April 1871 und 2. April 1872 sowie vom 32 Siehe ebenda, S. 53. 25. März 1873. 1919 wird dann beschlossen, dass die Gemeinden sich 33 Maßgebend für die Neuwahl dürfte die Kritik durch das von nun an selbst um diese Aufgabe bemühen sollen (siehe Protokoll Landesrevisionsamt der Landesregierung gewesen sein, das vom 17. Juni 1919). in seinem Schreiben vom 27. April 1949, Zl IIIa-98/2, diese 13 So etwa die von Schruns am 28. Juli 1874 mit 200 Gulden. Weiters Unzulänglichkeit aufgegriffen hatte. Die Sachlage war deshalb leistet der Stand immer wieder eine Unterstützung für den Ankauf von prekär, weil die Landesregierung die „Beschlüsse des satzungswidrig Löschfahrzeugen oder Feuerspritzen. zusammengesetzten Standesausschusses“ nicht als rechtswirksam anerkannte.

Seite 108 34 Siehe ebenda. schlechthin und der Interessentschaft Stand Montafon („Forstfonds“) 35 Bürgermeister von Bartholomäberg von 1927 bis 1938 und von 1945 bis obliegt zwei gesonderten Ausschüssen, die durch die Entsendung je 1965. eines Vertreters der beteiligten Gemeinden gebildet wird. Den Vorsitz bei 36 Bürgermeister von Gaschurn von 1945 bis 1972. beiden Ausschüssen führt der so genannte Standesrepräsentant, der 37 Bürgermeister von St. Anton von 1947 bis 1981. von den gewählten Vertretern aller Gemeinden des Tales gewählt wird. 38 Bürgermeister von St. Gallenkirch von 1970 bis 1984. Dieser Standesrepräsentant ist auch zur Vertretung der beiden 39 Siehe dazu auch die Darstellung bei Erwin Vallaster, Mein Leben im Interessentschaften nach außen befugt. Beide Interessentschaften Bergtal Montafon. Für Familie und Politik. Hard 2000, S. 322. werden durch den gegenwärtigen Standesrepräsentanten Franz 40 Bürgermeister von Gaschurn von 1972 bis 1980. Wachter, Bürgermeister von Schruns, HNr. 479, vertreten.“ 41 Siehe Sitzung der Forstfondsvertretung vom 14. Dezember 1976. (Aktenvermerk des Amtes der Vorarlberger Landesregierung vom 25. 42 Bürgermeister von Bartholomäberg von 1965 bis 1990. Juni1 968, IIIa-98/3 im Besitz des Verfassers). 43 Bürgermeister von Tschagguns von 1975 bis 1990. 55 Siehe etwa Protokoll vom 19. Juli 1962. 1949 wurde der Stand Montafon 44 Bürgermeister von Gaschurn von 1980 bis 2000. im Bericht des Revisionsamtes der Landesregierung vom 7. März 1949 45 Bürgermeister von St. Anton von 1981 bis 1997. ausdrücklich noch als Verwaltungsgemeinschaft qualifiziert. 46 Bürgermeister von St. Gallenkirch seit 1985. 56 Stenographische Sitzungsberichte 24. Vorarlberger Landtag, 5. Sitzung 47 Bürgermeister von Vandans seit 1985. am 22. Mai 1985, S. 150. 48 Bürgermeister von Schruns seit 1995. 57 Siehe dazu Peter Bußjäger, „….zu Luxusbauten wird kein Holz 49 Nachbaur, Marktgemeinden (wie Anm. 30), S. 54. verabfolgt!“ – Die Geschichte des Forstfonds des Standes Montafon, in: 50 Siehe Protokoll vom 26. November 1867, in dem die Standesrechnung Der Montafoner Standeswald. Beiträge zur Geschichte und Gegenwart des Standeskassiers Peter Maklott von Schruns genehmigt wurde. Am eines kommunalen Forstbetriebes, hg. von Hubert Malin/Bernhard 24. Mai1879 wird als bisheriger Standeskassier Theodor Durig genannt, Maier/Monika Dönz Breuß (Montafoner Schriftenreihe 18) Schruns 2007, der entsprechend dem Beschluss des Standesausschusses vom selben S. 9-14. Tag von Franz Josef Maklott aus Schruns abgelöst werden sollte. Am 58 Das Wort „unreguliert“ bedeutet in diesem Zusammenhang, dass noch 23. Oktober 1879 wird jedoch in der Sitzung des Standesausschusses keine „Ordnung der rechtlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse“ im mitgeteilt, dass Maklott sein Amt nicht angetreten habe. An seiner Stelle Sinne des Flurverfassungsgesetzes durch die Behörde erfolgt war. wird Johann Josef Bitschnau aus Schruns gewählt. 59 Der Aktenvermerk des Amtes der Vorarlberger Landesregierung vom 51 Dies ist dem Bericht des Landesrevisionsamtes der Landesregierung 25. Juni 1968, IIIa-98/3 (wie Anm. 54), verweist dementsprechend vom 7. April 1949, Zl IIIa-98/2, zu entnehmen. ausdrücklich darauf, dass der Forstfonds des Standes Montafon seit 52 Vgl. die instruktive Darstellung bei Vallaster, Mein Leben (wie Anm. 39), 1951 als Agrargemeinschaft behandelt worden sei. S. 345. 60 Vallaster, Mein Leben (wie Anm. 39), S. 350, spricht von 650. 53 Die Grundbuchseintragung lautet: „Interessentschaft Stand Montafon bestehend aus den Gemeinden a) St. Anton, b) Bartholomäberg, c) Silbertal, d) Schruns, e) St. Gallenkirch, f) Gaschurn, g) Tschagguns, h) Vandans, i) Lorüns, j) Stallehr.“ „Interessentschaft Stand Montafon bestehend aus den Gemeinden a) St. Anton, b) Bartholomäberg, c) Silbertal, d) Schruns, e) St. Gallenkirch, f) Gaschurn, g) Tschagguns, h) Vandans.“ 54 Anlässlich der Grundbuchsanlegung im Jahre 1933 wurde unter Grundbuchsanlegungsprotokoll Nr. 408 folgende Eintragung gemacht: „Die Verwaltung und Gebarung der Interessentschaft Stand Montafon

Seite 109 „Unsere Gemeinde“ – Aktionstag in Nenzing

Seite 110 Veranstaltungsreihe „200 Jahre Gemeindeorganisation in Nenzing“, Nenzing, 8. Mai bis 15. Juni 2008 Thomas Gamon (geb. 1957 in Schruns), Sonderschullehrer und Gemeindearchivar der Marktgemeinde Nenzing

200 Jahre Gemeindeorganisation in Nenzing

Wie funktioniert unser Gemeinwesen? Thomas Gamon

Das Archiv und Kulturreferat der Marktgemeinde Nenzing Kindergärten und unser Seniorenheim präsentierten ihre haben gemeinsam mit dem Landesarchiv die Einführung Arbeit, Einblicke in die Arbeit des Gemeindevorstands und der Gemeindeorganisation in Vorarlberg vor 200 Jahren der Gemeindevertretung sowie der Feuerwehr ergänzen den zum Anlass genommen, ein Programm mit zahlreichen Ak- Film. tivitäten zu erstellen. Aktionstag Ausstellung Was passiert im Rathaus? Welche Aufgaben übernimmt Ein wichtiger Teil davon war die Ausstellung „200 Jahre eine moderne Gemeindeverwaltung? Was stellt die Markt- Gemeindeverwaltung Nenzing“ mit dem Motto: Wie funk- gemeinde Nenzing der Bevölkerung zur Verfügung? tionierte früher unser Gemeinwesen? Sie beinhaltete eine punktuelle Darstellung von früheren Gemeindeaufgaben Diese Fragen wurden im Rahmen eines Aktionstages aller und bot einen Einblick in das politische und wirtschaftliche Gemeindeeinrichtungen beantwortet. Im Ramschwag- Geschehen aus jener Zeit. Für die Gestaltung wurden be- saal präsentierten die Gemeindevertretung, alle Unter- wusst nur Akten und Dokumente, die sich auch im Archiv ausschüsse sowie die Arbeitsgruppe „Familiengerechte der Marktgemeinde Nenzing befinden, verwendet. Auch Gemeinde“ und das Nenzinger e-5 Team ihre Arbeit in Form wurde versucht, spezielle historische Eigenheiten von Nen- einer kleinen Ausstellung und standen der Bevölkerung zing in die Ausstellung einzubinden. für Fragen zur Verfügung. Im Kindergarten Bahnhofstraße wurde eine Sonderschau gezeigt, das Seniorenheim hatte Dazu kamen einige kleinere „Jubiläen“, die in der Aus- seine Türen geöffnet und der Bauhof und das Wasserwerk stellung thematisiert wurden. So feierte der Kindergarten zeigten ihre Gerätschaften und ihre Einrichtungen. Nenzing seinen 50. Geburtstag und vor 50 Jahren wurde das heutige Rathaus an anderer Stelle neu erbaut. Einen Den Abschluss des Tages bildete unter dem Motto „Jazz am Rückblick gab es auch anlässlich der Erhebung zur Markt- Rathausplatz“ ein Konzert mit dem Big Band Club Dornbirn. gemeinde gemeinsam mit Frastanz vor 15 Jahren. Rahmenprogramm Film Zur Ausstellung im Wolfhaus kamen verschiedene Veran- Als Kontrapunkt zur Ausstellung wurde ein Dokumentarfilm staltungen wie der Vortrag von Univ.-Prof. Dr. Alois Nieder- über die Marktgemeinde Nenzing, wie sie sich im Jahr 2008 stätter vom Vorarlberger Landesarchiv zum Thema: „Die präsentiert, von Primus Huber, Michael Mäser und Thomas bayerische Knechtschaft“ – Vorarlberg in den Jahren 1805 Gamon mit dem Titel „Die Marktgemeinde Nenzing stellt – 1814. Erstmals wurde auch ein ganz besonderer Film aus sich vor“ gedreht. Das Motto hier lautete: Wie funktioniert dem Jahr 1941 der Bevölkerung gezeigt. Dieser Film, der unser Gemeinwesen? mit „Das Nenzinger Dorfbuch“ betitelt ist, blieb dank Josef Grass und Primus Huber bis heute erhalten und zeigt äu- In dieser Momentaufnahme unserer Gemeinde stellten ßerst seltene Einblicke zu einem Dorfgeschehen vor fast 70 die Mitarbeiter ihre Aufgabe im Rathaus vor ebenso wie Jahren. Der Film wurde wie der aktuelle Dokumentarfilm zur der Bauhof und das Wasserwerk. Die fünf verschiedenen Marktgemeinde Nenzing jeweils am Ende der Ausstellungs- zeiten gezeigt.

Seite 111 Der Erzählabend mit der ersten Kindergartentante „Tan- Programmübersicht: te Lore“ und der Kindergarteninspektorin Margot Thoma zum Thema Kindergarten früher - heute mit der Moderati- Ausstellung: on durch Thomas Gamon fand im restlos vollen Wolfhaus- Dauer: 8. Mai bis 15. Juni 2008 Dachboden statt. Öffnungszeiten: Sonntag, 18 – 20 Uhr, Mittwoch 19 – 21 Uhr, Donnerstag 14 – 17 Uhr und nach Vereinbarung Zu allen Aktivitäten und Programmpunkten konnten wir ca. 1500 Besucher begrüßen. Donnerstag, 8. Mai, 20 Uhr Filmpräsentation „Die Marktgemeinde Nenzing stellt sich vor“ im Ramschwagsaal anschließend: Ausstellungseröffnung im Wolfhaus – Dachboden

„Die bayerische Knechtschaft“ - Vorarlberg in den Jahren 1804 – 1814 Vortrag von Univ.-Prof. Dr. Alois Niederstätter, Vorarlberger Landesarchiv Mittwoch, 14. Mai, 20 Uhr, Wolfhaus – Dachboden, Eintritt frei

„Kindergarten früher – heute“ 50 Jahre Kindergarten Nenzing Erzählabend mit der ersten Kindergartentante „Tante Lore“ (Eleonore Bunschi) und der Kindergarteninspektorin Margot Thomas Sonntag, 18. Mai, 20 Uhr, Wolfhaus Dachboden, Eintritt frei

„Das Nenzinger Dorfbuch“ – ein Film aus dem Jahr 1941 Sonntag, 24. Mai, 20 Uhr, Wolfhaus – Dachboden, Eintritt frei

„Unsere Gemeinde“ - Ein Tag bei allen Gemeindeeinrichtungen Samstag, 31. Mai, 11 – 17 Uhr, Nenzing, Gemeindeeinrichtungen, Eintritt frei

Seite 112 Vortragsreihe der Marktgemeinde Nenzing; Nenzing, Wolfhaus, 14. Mai 2008 Vortragsreihe der Montafoner Museen; Schruns, Montafoner Heimatmuseum, 28. Mai 2008 Alois Niederstätter (geb. 1955 in Bregenz), Dr. phil., a. o. Univ.-Prof., leitet seit 2001 das Vorarlberger Landesarchiv

„Die bayerische Knechtschaft“

Vorarlberg in den Jahren 1805 bis 1814 Alois Niederstätter

Mit dem Ausbruch der Französischen Revolution im Jahr Freizügigkeit aus dem Katalog der Staatsziele. Josephs To- 1789 sollte Europa in eine Phase tiefgreifender macht- und leranzpatente galten für die evangelischen und orthodoxen gesellschaftspolitischer Veränderungen treten, deren Nach- Christen sowie für die Juden. wirkungen auch die Strukturen des liberal-demokratischen Verfassungsstaats bis heute prägen. Die aufgeklärte Weltsicht sollte in allen Lebensbereichen Einzug halten, jegliche Form des Aberglaubens, aber auch Beträchtliche Neuerungen hatte es in Österreich schon zu- barocker Prachtentfaltung bekämpft werden. Verboten wur- vor gegeben, freilich nicht vom Volk ertrotzt, erzwungen, de insbesondere religiöses Brauchtum, wie das Wetterläu- sondern von Kaiser Joseph II. als Landesfürst der habsbur- ten, die am Karfreitag in den Kirchen aufgestellten heiligen gischen Erblande verordnet. Sein ungeduldig in Angriff ge- Gräber, das Ausräuchern der Häuser an bestimmten Fest- nommenes Reformwerk war, weil vor allem dem Begriff der tagen, das Anbringen von Votivgaben und -bildern, eben- öffentlichen Wohlfahrt verpflichtet, „modern“. Besonderes so auch Wallfahrten, die länger als einen Tag dauerten, Augenmerk galt der bäuerlichen Bevölkerung. Mit der 1781 und viele Prozessionen. Mit der Abschaffung zahlreicher erfolgten Aufhebung der Leibeigenschaft in Böhmen ging Feiertage wollte Joseph II. die Produktivität erhöhen. Die Joseph als „Bauernbefreier“ in die Geschichte ein. Begräbnisordnung schrieb nun die Verwendung von Sä- cken anstelle von Särgen vor. Eine neue Gottesdienstord- Die Verwaltung wurde reformiert, neue Zentralbehörden nung reglementierte die Gebete und Gesänge, die Art der entstanden. Spektakulärer waren aber die Veränderungen Predigten, die, statt dogmatische Fragen zu erörtern, die auf dem Gebiet der Rechtswesens: 1781 erfolgte die Aufhe- Bauern im Anbau der Kartoffel unterrichten sollten, und bung der Sondergerichte, insbesondere des Adels, sowie sogar die Anzahl der zu verwendenden Kerzen. Die viel- die Einschränkung der grundherrlichen Strafgewalt. 1787 fach konservative, Neuerungen gegenüber misstrauische schaffte eine Reform des Strafrechts, das nunmehr auch für Bevölkerung reagierte auf die obrigkeitlichen Eingriffe in Adel und Klerus gelten sollte, die Todesstrafe ab, an deren ihre Alltagskultur allerdings äußerst empfindlich. Viele die- Stelle lebenslange Zwangsarbeit trat. Neuerungen gab es ser Anordnungen musste der Kaiser daher, nachdem es zu auch im Zivilrecht, das die Ehe zu einem Vertrag machte, teilweise gewalttätigen Protesten gekommen war, noch zu die berufliche Benachteiligung unehelich Geborener besei- Lebzeiten zurücknehmen. Auch sein Bruder und Nachfolger tigte und die erbrechtliche Stellung der Frauen verbesserte. Leopold hatte noch einiges zu entschärfen, ohne aber die Grundzüge des Josephinismus zu beseitigen, der „weit ins Mit der Vorstellung, dass die von der Aufklärung propagier- 19. Jahrhundert hinein die Ideologie der Eliten“ (Karl Vocel- te Eigenständigkeit des vernünftigen und deswegen auch ka) bleiben sollte. loyalen Individuums im Mittelpunkt staatlicher Obsorge stehen müsse, änderte sich das Verhältnis zwischen Staat Innenpolitisch wirkte sich die Französische Revolution in und – katholischer – Religion grundlegend. Das religiöse den habsburgischen Ländern nicht aus, sehr wohl aber in Bekenntnis des Einzelnen wurde, sofern es bestimmte der Außenpolitik und ihrer Fortsetzung mit militärischen Pfade nicht verließ, Privatsache; die konfessionelle Einheit Mitteln. 1792 schlossen Österreich und Preußen ein Bünd- verlor ihren staatstragenden Charakter; der Anspruch, not- nis. Frankreich, das sich davon bedroht fühlte und wohl falls mit Gewalt für das Seelenheil der Untertanen Sorge auch das vorhandene Gewaltpotential nach außen kana- tragen zu müssen, verschwand zugunsten der religiösen lisieren wollte, erklärte den Krieg. Die militärischen Ope-

Seite 113 König Maximilian I. Joseph 1806

rationen dieses Ersten Koalitionskriegs konzentrierten Bayern hatte sich im August 1805 auf die Seite Frankreichs sich zunächst auf das Rheingebiet, verlagerten sich dann gestellt. Kurfürst Maximilian I. Joseph, der in Frankreich in den fränkischen Raum bzw. nach Italien, wo Napoleon aufgewachsen war und als Oberst im Corps d‘Alsace der Bonapartes Truppen von Sieg zu Sieg eilten und in Süd- französischen Armee gedient hatte, wurde dafür von Na- tirol, Kärnten und der Steiermark auf unmittelbar öster- poleon mit der Königswürde und bedeutenden Gebietszu- reichisches Gebiet vordrangen. Schließlich musste die wächsen belohnt. Die Leitlinien der bayerischen Politik gab wirtschaftlich völlig zerrüttete, nur mehr durch englische Maximilian Josef Baron (später Graf) Montgelas vor, Sohn Kredite vor dem Staatsbankrott bewahrte Habsburgermo- eines in bayerischen Militärdiensten stehende Savoyarden. narchie 1797 in den Frieden von Campo Formio einwilligen, Das Konzept seiner vom Rationalismus und dem Geist der die österreichischen Niederlande und die Lombardei abtre- Aufklärung geprägten Reformpolitik hatte er bereits 1796 im ten. Noch im selben Jahr brach der Zweite Koalitionskrieg so genannten „Ansbacher Mémoire“ niedergelegt. aus, der – nach anfänglichen österreichischen Erfolgen – unter anderem in der Schlacht bei Feldkirch – wiederum die Bei den nunmehr bayerischen Gebieten Vorarlbergs handel- Franzosen als Sieger sah. te sich um kleine, ehedem reichsfreie Herrschaften, die seit dem Spätmittelalter nach und nach in habsburgische Hand Die kurzen Friedensjahre nach dem Frieden von Lunéville gekommen waren: Neuburg, Feldkirch, Bludenz, Bregenz 1801 ermöglichten keine nachhaltige Konsolidierung der samt Hohenegg, Sonnenberg, Hohenems und Blumenegg. Verhältnisse in den Ländern der Habsburgermonarchie, so- Diese Sprengel waren einzig durch die Person des gemein- dass auch der Dritte Koalitionskrieg, der der französischen samen Landesfürsten verbunden, in Bregenz, Feldkirch Kriegserklärung vom 23. September 1805 folgte, höchst un- und Bludenz entstanden einander gleichgeordnete Vogtei- glücklich verlief. Nach der „Dreikaiserschlacht“ bei Auster- ämter. Eine Zentralbehörde für die österreichischen Gebiete litz musste Kaiser Franz in einen sofortigen Waffenstillstand auf Vorarlberger Boden wurde erst im 18. Jahrhundert ein- einwilligen. Die Bedingungen des am 26./27. Dezember gerichtet. Dadurch sowie als Folge der Zusammenfassung geschlossenen Friedens von Pressburg waren hart: Die der Untertanen zu einer eigenen, von den anderen vorderö- Habsburgermonarchie verlor die ehemals venezianischen sterreichischen Ständen getrennten Körperschaft entstand Gebiete samt Istrien und Dalmatien an das Königreich Ita- das Land Vorarlberg, dessen heutiger Name gleichfalls im lien, an Württemberg und Baden einen erheblichen Teil der 18. Jahrhundert gebräuchlich wurde. vorderösterreichischen Besitzungen sowie an Bayern Tirol mit den Hochstiften Trient und Brixen, die Markgrafschaft Noch zu Weihnachten 1805 rückte eine kleine bayerische Burgau, die Grafschaft Königsegg-Rothenfels im Allgäu, die Truppe als Vorbote des Herrschaftswechsels in Bregenz ein, Herrschaft Tettnang-Argen, die ehemalige Reichsstadt Lin- am 19. Januar 1806 empfing König Maximilian I. eine Dele- dau mit ihrem Gebiet und vor allem unserem Zusammen- gation der Vorarlberger Stände zur Huldigung, die formelle hang die „sieben Herrschaften im Vorarlbergischen mit ih- Übergabe des Landes erfolgte schließlich am 13. März 1806. ren Inklavierungen“ samt der Grafschaft Hohenems – kurz Die Trennung vom Haus Österreich, einer verhältnismäßig gesagt: etwa das Gebiet des heutigen Landes Vorarlberg. fernen und daher milden Herrschaft, schmerzte, zumal sich die Vorarlberger Stände bisher gegen gelegentlich geplante Änderungen der Herrschaftsverhältnisse erfolgreich zur Wehr gesetzt hatten.

Seite 114 Besitzergreifungspatent 30. Jänner 1806

In das arrondierte, souverän gewordene Königreich Bay- letzten Reste der Leibeigenschaft auf. Diese immateriellen ern integriert, wurde Vorarlberg von einem ungestümen Werte spielten jedoch nur für eine relativ schmale, ohnehin Modernisierungsschub erfasst, der keinen Stein auf dem seit josephinischer Zeit den Grundsätzen der Aufklärung anderen beließ. Es war eine „Revolution von oben“, die Mi- verbundenen intellektuellen Schicht tatsächlich eine Rolle, nister Montgelas, der Schöpfer des modernen bayerischen dem Gros der bäuerlichen Bevölkerung erschienen sie eher Staates, den Vorarlbergern verordnete: Zunächst erfolgte bedenklich. die Eingliederung des Landes in die Provinz Schwaben, dann traten an die Stelle der bisherigen 24 Gerichtsprengel Auch im sozialen Bereich waren die bayerischen Reformen mit ihren völlig unterschiedlichen Strukturen und Kompe- wegweisend, etwa durch die Einführung von Sanität- tenzen sieben gleichartige Landgerichte mit beamtetem sprengeln mit jeweils 3.000 Einwohnern, für die Landärzte Personal für Jurisdiktion, Verwaltung und öffentliche Wohl- und Hebammen bestellt wurden. Dazu kamen der Ausbau fahrt. Mit der Einführung der allgemeinen Wehrpflicht ver- des Schulwesens, die staatliche Besoldung der Lehrerschaft loren die Landstände ihre Zuständigkeiten auf dem Gebiet und deren grundsätzliche Befreiung vom Kriegsdienst, die der Landesverteidigung, wenig später auch das Recht der Einrichtung einer Industrieschule in Lustenau, die Einfüh- Steuereinhebung. Schließlich hatte die Aufhebung aller rung der Feuerversicherung, die Abschaffung der Strafen Sonderverfassungen im Königreich Bayern gemäß der Ver- für uneheliche Geburten, die Beseitigung der Diskrimi- fassung vom 1. Mai 1808 die Auflösung der Vorarlberger nierungen der jüdischen Bevölkerung, die Einführung der Stände zur Folge. Zuletzt verschwand Vorarlberg, das eben staatlichen Obsorge für entlassene Häftlinge. Bemerkens- erst zu einem Land geworden war und ein Landesbewusst- wert ist auch die Haltung, die das Königreich Bayern in der sein entwickelt hatte, mit der Zuweisung der sieben Land- Sache des Strafrechts eingenommen hat. Beim Übergang gerichte zum Illerkreis und seinem Generalkommissär in 1806 galt in Vorarlberg das österreichische Strafgesetz von Kempten gänzlich von der Karte. 1803, das fortschrittlicher als das bayerische war. Es wur- de daher in Kraft belassen und erst nachdem Bayern 1813 Das hohe Reformtempo, die traditionsfeindliche Politik ein neues Strafgesetzbuch erlassen hatte, wurde dieses in der bayerischen Regierung, insbesondere die religiösen Vorarlberg eingeführt. Neuerungen – zu denen auch die Aufhebung des Klosters Mehrerau zählte – sowie das rasche Wachstum bislang un- All das wog wenig gegenüber dem Gefühl, in einem unüber- bekannter bürokratischer Strukturen und die damit verbun- schaubaren Strudel von Veränderungen nur Objekt zu sein, denen finanziellen Belastungen verursachten bei der Bevöl- die herkömmlichen, weitgehend informell funktionierenden kerung großen Unmut. Dabei spielte es keine Rolle, dass Ordnungssysteme von moderner Bürokratie verdrängt, sich die Neuordnung des Verwaltungs- und Gerichtswesens, vor staatlicher Kontrolle unterworfen zu sehen. Musterbeispiel allem aber die Fortschritte im sozialen Bereich so bahnbre- dafür ist die Anlage des „Bayerischen Kataster“, der ersten chend waren, dass ein Gutteil der von den Grundsätzen der flächendeckenden, ins Detail gehenden Verzeichnung des Freiheiten, Gleichheit und Brüderlichkeit getragenen Re- Grundbesitzes als Basis für die Besteuerung. formen nach der Rückkehr an Österreich beibehalten wur- de. Die fortschrittliche bayerische Verfassung des Jahres Im so genannten „Weiberaufstand“ von Krumbach, der sich 1808 gewährte die Gleichheit vor dem Gesetz, garantierte 1807 gegen die Verzeichnung der Wehrpflichtigen richtete, allen Staatsbürgern Sicherheit der Person, des Eigentums, fand die sich hier und dort artikulierende Unzufriedenheit die Gewissens- und Religionsfreiheit sowie Pressefreiheit, erstmals ein Ventil. Der Aufstand begann Ende Juni 1807, beschränkte den Adel auf Titel und Grundeigentum, hob die als Christina Heidegger anlässlich einer Musterung den

Seite 115 Weiberaufstand 1807

amtshandelnden Aktuar mit frechen Reden provozierte. Am 19. Mai 1809 wählten die reaktivierten Landstände den Andere Frauen stürmten das Lokal und zerrissen die Mu- Advokaten Dr. Anton Schneider (1777 bis 1820) zum Landes- sterrollen. Der Aktuar wurde zunächst nach , kommissär, am 9. Juni erfolgte seine Ernennung zum Gene- dann nach Bregenz vertrieben. Eine zweite Anführerin, ralkommissär. Er amtierte damit als Landeschef in zivilen Magdalena Schoch, wiegelte die Frauen in und Lin- wie militärischen Angelegenheiten. Schneider, der aus dem genau auf. Die Frauen bewachten die Häuser der Vorsteher seinerzeit vorarlbergischen Weiler im Allgäu (heute im bay- und der Geistlichen, um deren Kontakt mit der Außenwelt erischen Landkreis Lindau) stammte, hatte in Innsbruck zu unterbinden. Schließlich zog eine größere Schar bewaff- Philosophie und Rechtswissenschaften studiert, bereits neter Frauen nach , um das Gerichtsgebäude zu stür- 1799 an den Abwehrkämpfen gegen die Franzosen teilge- men, das sie allerdings verlassen vorfanden. Der Aufstand nommen und später als Anwalt in Bregenz und St. Gallen brach bald zusammen, die beteiligten Gemeinden wurden (Schweiz) gewirkt. bestraft, die Anführerinnen erhielten eine sechsmonatige Gefängnisstrafe, wurden aber in weiterer Folge begnadigt. Ein neuerlicher Angriff von Württembergern und Franzosen konnte gleichfalls abgewehrt werden, die Zusicherung des Nachdem Napoleon den aufständischen Spaniern unterle- Kaisers im Wolkersdorfer Handbillet, er werde niemals in gen war, wagten England und Österreich im Frühjahr 1809 einen Frieden einwilligen, der die Abtretung Tirols und einen neuerlichen Waffengang. Da der Fünfte Koalitions- Vorarlbergs zur Folge habe, stärkte zunächst noch die krieg, in dem die Österreicher als Landmacht allein gegen Kampfbereitschaft. Nachdem aber Napoleon am 5./6. Juli Frankreich standen, vornehmlich in Süddeutschland und bei Wagram gesiegt hatte, schloss Erzherzog Karl wenige Oberitalien ausgetragen werden sollte, gewannen Tirol und Tage später den Waffenstillstand von Znaim, der die ös- Vorarlberg große strategische Bedeutung. Zunächst erho- terreichischen Truppen zur sofortigen Räumung Tirols und ben sich die Tiroler unter Andreas Hofer mit Waffengewalt. Vorarlbergs verpflichtete. Auch Kaiser Franz willigte nach Als in weiterer Folge österreichisches Militär unter Haupt- anfänglichem Zögern ein. Die Nachrichten darüber lösten in mann Johann Camichel von Tirol über den Arlberg vorrückte, Vorarlberg heftige Kontroversen zwischen Friedenswilligen wuchs auch in Vorarlberg die Bereitschaft zum Aufstand, und den Befürwortern einer Fortsetzung des Krieges aus. insbesondere im Süden des Landes sowie in den bäuer- Angesichts eines drohenden französischen Angriffs von lichen Gebieten, weniger in den Städten. Da keine bay- Osten her beschloss der Landtag zunächst die Entlassung erischen Truppen in Vorarlberg stationiert waren, konnte der Landesverteidiger und die Aufnahme von Waffenstill- Camichels durch heimische Freiwillige verstärktes Detache- standsverhandlungen, dann aber – als bekannt wurde, ment am 25. April ungehindert in Bregenz einziehen. Es dass Erzherzog Johann dem Militär verbot, Tirol und Vorarl- folgten Vorstöße nach Lindau sowie dem nördlichen Boden- berg zu räumen – weiteren Widerstand. seeufer entlang bis nach Konstanz. Im Gegenschlag dran- gen Bayern, Württemberger und Franzosen ins Vorarlberger Angesichts der militärischen Lage brach der Aufstand An- Alpenrheintal vor, wurden dort aber von den Landesvertei- fang August vollends zusammen, starke württembergische digern geschlagen und über die Grenze zurückgeworfen. und französische Verbände – insgesamt etwa 10.000 Mann Als Kommandanten der regionalen Aufgebote bewährten – besetzten Vorarlberg. 177 Geiseln aus allen Landesteilen sich vor allem die Schützenmajore Josef Sigmund Nachbau- wurden ausgehoben und über Ulm nach Belgien gebracht. er (Lehrer in Rankweil, 1759 bis 1813), Bernhard Riedmiller Dr. Anton Schneider stellte sich den Württembergern, da sie (1757 bis 1832) und Josef Christian Müller (1775 bis 1851), ihn aber nicht an die Franzosen auslieferten, blieb ihm das beide Gastwirte in Bludenz. Schicksal Andreas Hofers erspart. Der dritten Erhebung der

Seite 116 Bernhard Riedmiller

Tiroler vermochte sich Vorarlberg nicht mehr anzuschlie- berg – allerdings ohne das Landgericht Weiler – abzutreten ßen, nur in entlegenen Seitentälern hielten sich kleinere habe. Am 24. Juli fanden schließlich die Feierlichkeiten an- Gruppen von Insurgenten bis in den späten Herbst. Im lässlich der Rückkehr Vorarlbergs an Österreich statt. Frieden von Schönbrunn am 13. Oktober 1809 musste Ös- terreich erneut auf Tirol und Vorarlberg zugunsten Bayerns Heinrich Heine, der gnadenlose Spötter, glaubte, die Ur- verzichten. sache für den Aufstand der Tiroler unter Andreas Hofer in diesem denkwürdigen Jahr 1809 zu kennen: „Von der Po- Von nun an betrieben beide Seiten eine Art Entspannungs- litik wissen sie nichts, als daß sie einen Kaiser haben, der politik. So wurden etwa bei den Landgerichten vom Volk einen weißen Rock und rote Hosen trägt; das hat ihnen der gewählte Deputierte als Vertrauensleute in beratender alte Ohm erzählt, der es selbst in Innsbruck gehört von dem Funktion installiert. Umgekehrt machten die Vorarlberger schwarzen Sepperl, der in Wien gewesen. Als nun die Pa- das ehemalige Kloster Mehrerau der bayerischen Königin trioten zu ihnen hinaufkletterten und ihnen beredsam vor- Karoline zum Geschenk, Rieden wurde ihr zu Ehren in Karo- stellten, daß sie jetzt einen Fürsten bekommen, der einen linenau umbenannt. blauen Rock und weiße Hosen trage, da griffen sie zu ihren Büchsen und küßten Weib und Kind und stiegen von den Bitter für die Vorarlberger war, dass sich Bayern am Russ- Bergen hinab und ließen sich totschlagen für den weißen landfeldzug Napoleons teilnahm, hunderte Wehrpflichtige Rock und die lieben alten roten Hosen.“ aus dem ganzen Land mussten ihm folgen, viele kehrten nicht wieder. Dass Andreas Hofer und die Seinen damals nicht allein ge- blieben waren, dass auch die Vorarlberger sich gegen die Im Frühjahr 1813 wendete sich das Blatt, die Freiheitskriege weißen Hosen und den blauen Rock erhoben hatten, war für begannen. Einen neuerlichen Aufstand, wie ihn Erzherzog Heine offenkundig ohne Belang. Johann anstrebte, wollte der Kaiser nicht riskieren. So kam es, dass Dr. Anton Schneider, der nach seiner Freilassung Während der Aufstand der Tiroler schon bald als Freiheits- aus württembergischer Haft 1810 eine Stelle als Appella- kampf Berühmtheit erlangt hatte und zu einer Ikone der tionsgerichtsrat in Wien angetreten hatte, von der Regie- deutschen Nationalbewegung geworden war, musste auf rung Metternich der Mitarbeit im „Alpenbund“ Erzherzog jenen der Vorarlberger erst hingewiesen werden. Den An- Johanns verdächtigt und deswegen 1813 bis 1814 auf der fang machte im Jahr 1820 der Bregenzer Stadtarzt Johann berüchtigten Festung Spielberg in Brünn eingekerkert wur- Gunz. Hier wie in den folgenden Darstellungen standen die de. Durch die Haft gesundheitlich ruiniert, starb er bereits militärischen Ereignisse des Jahres 1809 im Vordergrund, 1820. so auch beim späteren österreichischen Ackerbauminister Alfred Ebenhoch, der eine Festschrift zum 75-jährigen Ju- Nachdem Österreich am 12. August 1813 den Krieg erklärt biläum „der ruhmvollen Erhebung Vorarlbergs für Oester- hatte, verpflichtete sich Bayern zunächst zur Neutralität reich“ verfasste und der bayerischen Herrschaft jene Cha- und schloss sich in weiterer Folge nach längerem Zögern, rakteristik gab, die fortan zum Stereotyp werden sollte: aber noch zeitgerecht der Allianz gegen Napoleon an. Die „Die Willkür der unfähigen und rücksichtlosen bayerischen am 3. Juni 1814 unterzeichnete Pariser Konvention zwischen Beamten, die Einführung der Conscription, die Härte und Bayern und Österreich legte schließlich fest, dass Bayern Ungerechtigkeit der Steuern, die rohe Art ihrer Einhebung, das Inn- und Hausruckviertel, Salzburg, Tirol und Vorarl- die Einschränkung in der Ausübung der religiösen Pflichten,

Seite 117 Josef Christian Müller

die Verhöhnung alles Katholischen von Seiten der könig- Erster mit einer Monographie geehrter Vorarlberger „Kriegs- lichen Beamten, die Aufhebung der Klöster und insbeson- held“ von 1809 war nicht Dr. Anton Schneider, sondern der dere des Stiftes Mehrerau bei Bregenz, die Niederreißung Bludenzer Wirt und Schützenmajor Bernhard Riedmiller, der schönen Stiftskirche dortselbst und die Benützung ih- dem 1905 ein Denkmal gesetzt und eine Festschrift gewid- rer Mauersteine zur Erbauung des Seehafens in Lindau, die met wurde. Auch für ihren Verfasser Josef Zösmair, einem Vergewaltigung und schlechte Behandlung der Priester des prononciert liberalen Historiker, stand Vorarlberg damals Landes – und noch viele derartigen Umstände erhalten den unter einer Fremdherrschaft, die immer unerträglicher ge- Keim zur Abwerfung des fremden Joches wach und rege.“ worden sei.

Bei der historischen Bewertung der Bayernzeit, insbe- Als etwa zur selben Zeit liberale Kreise Vorarlbergs daran sondere aber des Aufstands von 1809 sah man sich vor gingen, die Errichtung eines Denkmals für Anton Schneider allem mit dem folgenden Problem konfrontiert: Bayern in Angriff zu nehmen, setzte eine heftige Gegenkampagne hatte seine Zugewinne ja nicht willkürlich an sich gerissen, aus dem katholisch-konservativen Lager ein. Die Schrift- sondern sie in staatsrechtlich völlig korrekter Form auf der stellerin Anna Hensler unterstellte Schneider – zu Unrecht Grundlage von Verträgen erworben. Der König von Bayern – finanzielle Unregelmäßigkeiten und einen unmoralischen war der legitime Landesherr der Vorarlberger wie der Tiro- Lebenswandel. Eigentlicher Grund war aber ohne Zweifel, ler, deren Erhebung also – juristisch gesehen – nicht nur dass Schneider, im Grunde genommen ein „Josephiner“, unrechtmäßig, sondern eindeutig hochverräterisch. Man seinerzeit an der Zerstörung der Mehrerauer Klosterkirche musste also eine Strategie zu ihrer Legitimation entwickeln. mitgewirkt hatte. Zu einem Freiheitshelden vom Kaliber Eine ihrer Komponenten hieß „Treue zum Haus Österreich“, eines Andreas Hofer eignete sich der akademisch gebil- eine weitere „Notwehr gegen staatliches Unrecht“. dete, aufgeklärte Advokat, der den Aufstand zu allem Über- fluss auch noch überlebt hat, eben nicht. Wegen dieser Wi- 1902 beschäftigte sich Landesarchivar Viktor Kleiner mit derstände konnte das Anton-Schneider-Denkmal erst 1910, der Eingliederung Vorarlbergs in das Königreich Bayern – ein Jahr nach den pompösen Feierlichkeiten zum 100-Jahr- vor allem um einen Wortbruch König Maximilians zu doku- Jubiläum der Erhebung, enthüllt werden. Es wurde später mentieren. Dieser hatte den Deputierten der Vorarlberger vom zentralen Bregenzer Kornmarkplatz an einen wesent- Stände die Beibehaltung ihrer Verfassung zugesichert, ein lich weniger prominenten Standort hinter dem Gasthaus Versprechen, das freilich angesichts der Notwendigkeit, für Kornmesser bei der Post verlegt. das neue, aus verschiedenartigen Territorien erwachsene Königreich Bayern ein einheitliches Staatsrecht zu schaf- Die Jahrhundertfeier der Erhebung im Jahr 1909 stand fen, allenfalls vorläufigen Charakter haben konnte. Breiten schließlich ganz im Zeichen des Wunsches der Vorarlberger Raum nimmt außerdem die schon unter Joseph II. erwogene nach einer eigenen Landesverwaltung. Nach der Rückkehr Aufhebung des ältesten und bedeutendsten Vorarlberger von Bayern an Österreich mit Tirol vereinigt, hatte Vorarl- Klosters, des Benediktinerstifts Mehrerau, ein sowie der berg zwar 1861 einen eigenen Landtag erhalten, verwal- Abriss der Klosterkirche, eines Rokokobaus von 1743. Damit tungsmäßig blieb das Land aber der Statthalterei in Inns- hatte die Rechtfertigungsstrategie ihre dritte Komponente bruck unterstellt. Im ausgehenden 19. und zu Beginn des erhalten, den „Wortbruch“ des bayerischen Königs. 20. Jahrhunderts bildeten daher die Bemühungen um eine Trennung von Tirol eine Konstante der Vorarlberger Politik.

Seite 118 Anton Schneider

Auch die höchst aufwändigen Feierlichkeiten zum Jubiläum liberal-deutschnationalen Lager zugehörig, waren ihm die von 1809 sollten diesem Zweck dienen: Es galt zu zeigen, Reformen der Bayern ein Erfordernis der Zeit, die im Spät- dass die Vorarlberger – bei aller innigen Verbundenheit mit mittelalter fußenden landständischen Strukturen hingegen Österreich und dem Erzhaus – eine eigenständige, von Ti- ein Anachronismus. Helbok wies erstmals sowohl auf die rol unterschiedliche Geschichte haben. Eine gemeinsame Errungenschaften der Verfassung von 1808 als auch auf den Feier mit Tirol kam folglich nicht Frage. Im Zentrum des Ge- Zusammenhang zwischen der Aufhebung aller Sonderver- denkens stand ein Festzug, der dem Publikum annähernd fassungen und dem Vorhaben der Schaffung einer bayeri- 2000 Jahre Landesgeschichte Revue passieren und den ei- schen Nationalrepräsentation, also eines Parlaments, hin. gentlichen Anlass des Jubiläums zur Episode werden ließ: Von der Einmütigkeit der Vorarlberger bei der Ablehnung Nur die Gruppen „Anmarsch der Feinde auf Bregenz“ und der Neuerungen war Adolf Helbok nicht überzeugt. Mit die- „Einzug der siegreichen Landesverteidiger“ widmeten sich ser Sicht der Dinge blieb er allerdings isoliert, zumal wegen ihm. Zuvor hatte die Statthalterei in Innsbruck dringend seines späteren Engagements für den Nationalsozialismus empfohlen, alles zu vermeiden, was in Bayern Anstoß er- auch sein historisches Oeuvre in Misskredit geriet. regen könnte. Vor allem weil Vorarlberg während der NS-Herrschaft seine Die historische Aufarbeitung der Erhebung überließen die Selbständigkeit neuerlich verloren hatte und zu Tirol ge- Vorarlberger einem Tiroler, dem an der Realschule in Dorn- schlagen worden war, sah sich die „offiziöse“ Landesge- birn wirkenden Ferdinand Hirn. Er sah die Vorgänge auf schichtsschreibung nach 1945 in besonderem Maß bemüht, wesentlich breiterer Quellenbasis differenzierter als seine identitätsstiftend zu wirken: Vorarlberg, so wurde argu- Vorgänger. Veränderungen im Sinn der Aufklärung hatten mentiert, sei seit undenklichen Zeiten eine mit besonderen freilich auch noch am Vorabend des Ersten Weltkriegs im Rechten und Freiheiten ausgestattete geopolitische Einheit; konservativ gewordenen Westen Österreichs einen scha- die Vorarlberger seien – da anders als ihre Nachbarn – eine len Beigeschmack. Dass die „althergebrachte Verfassung“ eigene Nation, die sich stets in einem Abwehrkampf gegen Vorarlbergs zu Beginn des 19. Jahrhunderts durch die Re- die Bedrohung von Einheit und Freiheit befunden habe – formen in maria-theresianischer und josephischer Zeit gegen die Römer, das fränkische Königtum, die Staufer, die ein bereits weitgehend ausgehöhltes Auslaufmodell war, Habsburger und schließlich gegen den Wiener Zentralis- mochte dabei nicht ins Gewicht zu fallen – ebenso wenig mus der Republik Österreich. Durch die von 1971 bis 1987 wie die Tatsache, dass die Vorarlberger 1809 mit Waffen- in fünf Bänden erschienene „Geschichte Vorarlbergs“ von gewalt gegen ihre nach allen Rechtsnormen legitime Herr- Benedikt Bilgeri fand dieses Geschichtsbild weite Verbrei- schaft vorgegangen waren. Man musste folgerichtig den tung. Die Vorgänge der Jahre von 1806 bis 1814 mussten Aufstand – wie schon erwähnt – zu einer „patriotischen“, ihm folgerichtig als unerträgliche Kulmination von Fremd- von der „Liebe zum angestammten Herrscherhaus“ getra- bestimmung erscheinen. Bilgeri nahm alle bereits im 19. genen Erhebung stilisieren und darüber hinaus als einen Jahrhundert formulierten Vorwürfe wieder auf, benannte Akt der Notwehr gegen bayerische Willkür rechtfertigen. das einschlägige Kapitel seiner Landesgeschichte „Die ba- yerische Knechtschaft“ und charakterisierte das „verhaßte Erst der Zusammenbruch der Donaumonarchie machte eine Polizeiregime“ als „rücksichtslose“, als „ungeheuerliche andere Sichtweise möglich: 1925 publizierte Adolf Helbok, “„Zwingherrschaft“, getragen von einer korrupten Beam- damals außerordentlicher Professor für Österreichische tenschaft sowie von einigen wenigen Spitzeln und Kolla- Geschichte und Wirtschaftsgeschichte an der Universi- borateuren aus der Priester- und Lehrerschaft. Was nicht in tät Innsbruck, eine Vorarlberger Landesgeschichte. Dem dieses Bild passte, verschwieg Bilgeri konsequent.

Seite 119 Seite 120 Bezeichnenderweise fehlt in Benedikt Bilgeris Literatur- Dass Österreich fast alles, was die Bayern zwischen 1806 verzeichnis die 1977 bei Hans Wagner in Salzburg verfasste und 1814 eingeführt hatten, beibehielt, machte das Westen- Hausarbeit von Klaus Gnaiger mit dem Titel „Vorarlberg zur de der Donaumonarchie für mehr als ein halbes Jahrhundert Bayernzeit“. Sie zieht ein insgesamt positives Resümee, zu ihrem weitaus modernsten Teil. Die Sprengel der heutigen verweist auf die historische Relevanz der Neuordnung des Bezirksgerichte lassen sich auf die der bayerischen Land- Verwaltungs- und Gerichtswesens, vor allem aber auf die gerichte zurückführen, die meisten Gemeinden Vorarlbergs Fortschritte im sozialen Bereich und hält fest, dass ein Gut- können heuer ihr zweihundertjähriges Bestehen feiern, der teil der Reformen nach der Rückkehr an Österreich beibe- „Bayerische Kataster“ wurde bis weit über die Mitte des 19. halten wurde. Jahrhunderts fortgeführt. Ähnliches gilt für das Sanitätswe- sen und andere Bereiche des öffentlichen Lebens. Diesem Urteil schließt sich auch Karl Heinz Burmeister an: Zwar seien die bayerischen Reformen „für ein konservatives Es würde nicht verwundern, sollten künftige, vielleicht so- Volk zu radikal, zu schnell“ gekommen, man möge aber gar grenzüberschreitende Forschungen ergeben, dass aus- nicht vergessen, dass sie getragen waren „von den Grund- gerechnet die „Revolution von oben“, die die Bayern den sätzen der Freiheiten, Gleichheit und Brüderlichkeit, die Vorarlbergern verordnet hatte, die Weichen für die weitere durch die Französische Revolution zum Allgemeingut der wirtschaftliche, politische und kulturelle Entwicklung des Menschheit geworden sind.“ Landes stellte und die von der Historiographie als Grund- lage ihrer fast durchwegs negativen Charakteristik heran- Dennoch: Die Geschichte Vorarlbergs zur „Bayernzeit“ ist gezogen Äußerungen von Zeitgenossen in erster Linie mit nach wie vor noch nicht geschrieben, allenfalls die Fak- einem Elitenwechsel als Folge der Professionalisierung von tenlage zum Aufstand von 1809 einigermaßen gesichert. Rechtswesen und Verwaltung zusammenhängen. Indem die regionale Historiographie die bayerische Verwal- tungstätigkeit – so wie die Zugehörigkeit zum Königreich Bayern – zur bloßen Episode machte, verkannte sie deren enorme Bedeutung für die weitere Entwicklung des Landes.

Seite 121 Feldkirch 1796 (Johann Conrad Mayer)

Seite 122 Vortrag auf Einladung des Stadtarchivs Feldkirch; Feldkirch, Palais Liechtenstein, 16. Mai 2008 Christoph Volaucnik (geb. 1960 in Bregenz), Mag. phil. seit 1991 Stadtarchivar der Stadt Feldkirch

Feldkirch in der Bayernzeit

Christoph Volaucnik

Während einer kurzen Zeitspanne, zwischen 1806 und 1814, Napoleon sagte zu ihm „Wie, ist ihnen das noch nicht ge- gehörten Vorarlberg sowie Tirol zum jungen Königreich Bay- nug“. Der Kaiser deutete auf eine Landkarte und sagte: ern. In den gesamten 800 Jahren der Feldkircher Stadtge- „Nun gut, nehmen sie.“ Mit einer Armbewegung konnte schichte ist ein Zeitraum von acht, neun Jahre eigentlich Gravenreuth daraufhin Vorarlberg, Kempten und Lindau für unbedeutend, doch waren es sehr bewegte Jahre, die auch Bayern erhalten. Napoleon ließ den Außenminister rufen, einige ganz wenige Spuren hinterlassen haben. um den Vorgang zu protokollieren. Dieser weigerte sich aber unter Hinweis auf die Vereinbarungen mit Württemberg. Da- Auffallend ist wie unterschiedlich in der Vorarlberger histo- raufhin sagte Napoleon herrisch: „Je le veux, ecrivez“. (Ich rischen Literatur die Darstellung dieser bayerischen Epoche will es so, schreiben Sie.)3 ausfällt. War lange Zeit das Bild des Tyrannen, Despoten, Unterdrückers des freien Vorarlbergers vorherrschend, wur- Man sieht wie Napoleon mit Ländern umging, mit einer de 1985 erstmals der Versuch unternommen, diese Zeit dif- Handbewegung über die Landkarte fällte er Entschei- ferenzierter und sachlicher zu betrachten.1 dungen. Den Historiker Eberhard Weis erinnert diese Sze- ne an eine Verhandlung vor einer Flurbereingungskom- Bisher findet sich in keinem Vorarlberger Museum eine mission. Hätte Gravenreuth sich nicht zu diesem mutigen Darstellung dieser Epoche, was nicht verwundert, da Vorar- Schritt entschlossen, wäre Vorarlberg Teil des Königreichs lberg eigentlich kein einziges spezifisch historisches Muse- Württemberg geworden. (1809 überlegte sich Napoleon die um besitzt. Vielleicht ändert sich das im gerade in Planung Übergabe Vorarlbergs an die Eidgenossenschaft, um sie aus befindlichen neuen Landesmuseum.2 ihrer Neutralität herauszulocken. Er umschrieb Vorarlberg so: „dieses Land hat Ähnlichkeit mit Euch in Sitten und phi- Interessanterweise ist man im neuen Tiroler Landesmuse- sischen Mitteln, es besitzt den nämlichen Freiheitsdurst wie um Zeughaus um einiges weiter. Der Bayernzeit ist ein ei- ihr und würde sich mit Eurer Verfassung gut vertragen.“4) gener Raum gewidmet mit Originalgegenständen, die sich nicht nur auf Andreas Hofer beziehen. Dieser Karl Ernst Freiherr Gravenreuth wurde im März 1807 zum Generalkommissär der Provinz Schwaben ernannt Wie kam Vorarlberg zu Bayern? und hatte mit den Vorarlbergern ein recht gutes Einver- ständnis. Die Landstände bauten ihm an der Bregenzer Nach der verlorenen Schlacht von Austerlitz musste Öster- Klause eine Gloriette, einen kleinen Aussichtspavillon mit reich im Frieden von Pressburg vom 25. Dezember 1805 Ti- einer Widmung. Er wurde an einer Stelle gebaut, von wo rol und Vorarlberg an den Sieger Frankreich abgeben. Nach aus Gravenreuth jeden Abend den Sonnenuntergang am einem Entschädigungsplan vom Dezember 1805 hätten Bodensee bewundern konnte. Nach 1814 war dies eine Vorarlberg, das Allgäu und das Bodenseegebiet an Württ- politisch unerwünschte Erinnerung an die Bayernzeit und emberg kommen sollen. Der bayerische Unterhändler Frei- verfiel; nur durch einen Bregenzer Bürger, der auf die tou- herr Gravenreuth war damit nicht zufrieden, protestierte ristische Attraktion hinwies, konnte das Gebäude gerettet dagegen und wandte sich zuerst an den französischen Au- werden.5 ßenminister Charles-Maurice de Talleyrand, der jedoch die Interessen Württembergs unterstützte und ihn abwimmel- Eine militärische Inbesitznahme Vorarlbergs bzw. von Bre- te. Er besorgte sich daraufhin einen Audienztermin bei Na- genz war bereits am Weihnachtsabend 1805, zwei Tage poleon und brachte seinen Wunsch vor. vor der Unterzeichnung des Friedensvertrages erfolgt. Ein

Seite 123 Schlacht bei Feldkirch 1799

hoher bayerischer Beamter in Begleitung von Militär mar- Der eigentliche Übergabeakt des Landes an Bayern erfolgte schierte in Bregenz ein, versammelte die in Bregenz befind- in Bregenz erst am 13.März 1806. lichen österreichischen Spitzenbeamten sowie den Bregen- zer Bürgermeister und informierte sie über die Besitzname Diese Verzögerung von drei Monaten ergab sich durch noch Vorarlbergs durch Bayern aufgrund des Kriegsrechtes und offene Kontributionen, Geldforderungen, die das franzö- Waffenerfolges seines Landesherrn, des Kurfürsten Maxi- sische Militär aus Vorarlberg herauspressen wollte. Erst milian Joseph, an der Seite Napoleons. Der Spitzenbeamte nachdem diese finanziellen Fragen geklärt waren, übergab Preuß kehrte bald nach Kempten zurück, das bayerische Frankreich durch einen Abgesandten das Land an Bayern; Militär blieb in Bregenz in Garnison.6 also nicht der Verlierer Österreich, sondern die Siegermacht Frankreich vollzog diesen Rechtsakt. Die Vorarlberger Landstände, darunter auch Feldkirch, wurden am 12. Jänner 1806 nach Bregenz zu einer Sitzung Die Feier fand im Saal des Gasthauses „Löwen“ in Bregenz einberufen, wo Kreishauptmann Franz von Vintler sie über statt. Dieser Gasthof befand sich am Kornmarkt (am Stand- die neue politische Lage informierte. Die Landstände be- ort des heutigen Sparmarktes und der Fahrschule Frener). schlossen die Entsendung einer Abordnung nach München, Aus Feldkirch war Bürgermeister Melchior von Kessler mit bestehend aus dem Syndikus Dr. Johann Joseph von Ga- dem Syndikus Ignaz Rederer erschienen.8 nahl und dem Feldkircher Christoph Gugger von Staudach, damals noch Landschreiber des Gerichtes Rankweil-Sulz.7 In Feldkirch selbst gab es keinen Festakt. Wie reagierte man Beide Herren sollten als Landrichter in der bayerischen Ära hier auf diesen politischen Umsturz? Leider sind keinerlei wie auch später noch Karriere machen. Die Stände über- Berichte oder Schilderungen über diese heikle Situation gaben dem neuen König und Landesherren eine Petition, erhalten geblieben. in der sie wirtschaftliche Wünsche und Ziele formulierten wie auch die Beibehaltung ihres politischen Systems sich Im Feldkircher Stadtratsprotokoll vom 28. Dezember 1805 wünschten. Im Pressburger Friedensvertrag war dies ja den finden sich die Sätze: „den gebieterisch Drängen sich mit Tirolern und Vorarlbergern garantiert worden. Ergebenheit fügen sollen“ sowie „seye dieses unange- nehme Ereigniß, welches uns von unserm geliebten Lan- Den Kontakt mit dem alten Landesherrn hatten die Stän- desfürsten Kaiser Franz II. zu trennen drohe, mit Ruh und de nochmals kurz vor der offiziellen Übergabe an Bayern Ergebenheit zu ertragen.“ gesucht. Eine Deputation, bestehend aus dem Feldkir- cher Bürgermeister Josef Melchior von Keßler, Christoph Wobei der Stadtrat das erste Zitat aus einem Rundschrei- von Gugger und Dr. von Ganahl wurden ermächtigt, zum ben des Vogteiamtes übernommen hat. Irgendwelche österreichischen Gouverneur in Innsbruck, Graf Ferdinand Dokumente aus Privatbesitz wie Briefe oder Tagebücher, von Bissingen-Nippenburg, und sogar bis zum Kaiser zu die uns Auskunft über die Stimmung in der Bevölkerung reisen. Neben einer Dankesadresse sollte um die Bezah- wiedergeben, fehlen leider. Ich vermute aber, dass man im lung der offenen Kriegsrechnungen gerungen werden. Die sehr kaisertreuen Feldkirch von diesem Herrscherwechsel Deputation kam nur bis Innsbruck, wo sie von zwei Über- nicht gerade begeistert war. gabekommissären empfangen, wegen des Geldes nur ver- tröstet wurden. Feldkirch war seit den Verwaltungsreformen Maria The- resias und Josefs II. in politischer Sicht nicht mehr sehr bedeutend, Bregenz hatte als Verwaltungszentrale die

Seite 124 Proklamation des Kaiserturm Österreich 1804 (rechts vorne das Rathaus)

Führungsrolle übernommen. In bayerischer Zeit setzte sich Dieses Datum 1808, bzw. dieses Ereignis, scheint mir in diese Tendenz fort. Zwar haben die Generalkommissäre der Geschichte Vorarlbergs eminent wichtig und zu wenig Feldkirch besucht, wie Gravenreuth 1808, der festlich emp- berücksichtigt zu sein. Die seit der frühen Neuzeit beste- fangen und bedient wurde, in der Stellung der Stadt hat henden politischen Strukturen, die aus Vertretern aller dies aber nichts geändert. Talschaften und Städte bestehenden Landstände, die über 300 Jahre lang die Geschicke des Landes gelenkt bzw. mit- Politisch brachte auch das Ende der Vorarlberger Landstän- geprägt hatten, wurden abgeschafft und nie mehr ins Leben de 1808 für Feldkirch Nachteile, da die Kanzlei der Land- gerufen. Der österreichische Staat wollte nach 1814 von den stände in Feldkirch geschlossen, deren Archiv versiegelt und Landständen ebenfalls nichts mehr wissen, war sicherlich dann 100 Jahre später nach Bregenz gebracht wurde. Trotz froh, dass die Bayern die Auflösung durchgeführt hatten. der im Friedensvertrag und in einem ersten königlichen Schreiben 1806 gemachten Zusagen zur Beibehaltung der Die Feldkircher versuchten während dieser kritischen Um- alten politischen Strukturen erfolgte 1806 die Einführung bruchzeit durch Bestechung das Blatt zu wenden. Der ehe- neuer Verwaltungsstrukturen im Lande.9 Dieser Bruch mit malige Postverwalter Adrian von Häusler veranstaltete eine althergebrachten politischen Usancen wurde bereits bei Geldsammlung, die 1.200 bis 1.400 Gulden erbrachte, kauff- der Machtübergabe bemerkt. Unter habsburgischer Füh- te eine goldene Dose, packte die in Gold umgewechselte rung war es üblich, dass bei einem Herrscherwechsel vor Summe hinein und legte eine von ihm selbst verfasste Bitte der Huldigung der Landstände die Privilegien des Landes mit folgendem Wortlaut dazu: „Vater unser, gib uns das täg- bestätigt wurden. König Max Joseph erneuerte diese alten liche Brot, gib uns armen Bürgern von Feldkirch den Sitz der Privilegien bewusst nicht. Vorarlberg wurde der Provinz Stände, des Landgerichtes und des Gymnasiums!“ Dieses Schwaben, dem Illerkreis zugeteilt. Sein Minister Maximili- Geschenk versteckte er im Umschlag eines Gebetsbuches, an Graf von Montgelas meinte dazu, dass es dem Vorarlber- das den makabren Titel „Officia defunctorum“ (Gebete für ger wohl gleichgültig sein könne, ob seine Oberbehörden in die Toten) hatte, und überreichte es dem bayerischen Kom- Tirol oder Schwaben sich befänden. In das neue, zentralis- missär. Die unterständische Kasse der Landstände sowie tische Staatsgebilde eines Montgelas, passte so etwas wie die Stadt Bregenz brachten 2.000 Gulden zusammen, die Landstände nicht mehr hinein. Das innerhalb kurzer Zeit sie ebenfalls in Gold wechselten und in einem grünen Beu- um das Doppelte angewachsene Staatsgebiet von Bayern tel versteckt dem Kommissär überreichten. Die Feldkircher war anders wohl nicht zu regieren als in zentralistischem reagierten rasch, als sie von der Aktion der Bregenzer er- Sinn, Sonderrechte mussten abgeschafft werden. Auf his- fuhren und kauften in Augsburg ein silbernes Tafelgeschirr, torisch gewachsene Strukturen wie die Landstände von Ti- das sie als Geschenk dem richtigen und wichtigsten Mann rol und Vorarlberg nahm man keinerlei Rücksichten. Damit überreichten.11 zogen sich die Bayern von vornherein die Feindschaft der entmachteten politischen Führungsschicht zu. Die alten Diese lediglich vom Historiker Hirn kolportierte amüsante Landammänner und Landschreiber verfügten in ihren Dör- Geschichte wirft ein Licht auf die alte Rivalität zwischen fern und Talschaften über Einfluss, ihre Meinung galt und Feldkirch und Bregenz, die angebliche Bestechlichkeit bay- sie waren Multiplikatoren des Hasses gegen die neue baye- erischer Beamter, das schöne Gebet von Häusler wurde rische Herrschaft.10 dann doch teilweise erhört, das Gymnasium und Landge- richt verblieben in Feldkirch.

Seite 125 Melchior Keßler von Fürstentreu

Umwandlungen auf Behördenebene Bereits am 5. August 1807 waren Eberlin und Gilm vor dem im Rathaus versammelten Magistrat erschienen und teilten Die Feldkircher Lokalhistoriker waren und sind besonders diesem die Übernahme der Agenden des Stadtgerichtes stolz auf die uralten Rechte und Freiheiten, welche die Herr- mit. Sie verlangten die Übergabe des Einlaufprotokolls, scher des Mittelalters, Montforter, Habsburger der Stadt der Gerichts-, Straf- und Vertragsprotokolle und der Wai- verliehen haben. Ein frei gewählter Stadtammann, ein senrechnungen übergeben. Es wurde im Protokoll dieser Stadtrat, ein selten in die Stadtverwaltung eingreifender Übergabe abschließend festgehalten, dass kein Verbrecher habsburgischer Vogt waren „demokratische“ Sonderrechte in Haft oder auf freiem Fuß sei und auch kein Kriminalfall in Vorarlberg. In der Literatur wird die Rechtsstellung der anhängig wäre. Friedliches Feldkirch!15 Eberlin verlangte zur Stadt Feldkirch oft mit der einer Reichsstadt verglichen. Unterstützung seiner Arbeit einen Aktuar und Kanzlisten. Spätestens mit Maria Theresia und ihren Reformen hörte Auch die Registratur war aufzuarbeiten und der Ofen in der dieser Status auf. Interessanterweise wurde dann Ende Kanzlei zu reparieren.16 Das Verhältnis zwischen Eberlin des 18. Jahrhunderts eine dieser letzten Besonderheiten und dem Magistrat war nicht ungetrübt. Die vorgesetzten verschont oder beibehalten: die städtische Gerichtsbarkeit. Behörden konnten über die Ursachen dieses Konfliktes Während man in Tirol, das heißt in Innsbruck, Bozen und nur mutmaßen. Entweder waren die fortgesetzte Unzufrie- Rovereto diese städtische Gerichtsbarkeit 1794 ganz ab- denheit Eberlins mit seinem Posten, über seine Dienst- schaffte, blieben in Feldkirch im Stadtbezirk dem Magistrat wohnung, über den fehlenden Schreiber Schuld, oder die alle „Judicialia, politica und oeconomica“ beibehalten. Dies Widerspenstigkeit der Feldkircher. Da die Behörden die bedeutet, dass der Magistrat weiterhin in politischen und Wichtigkeit dieses Postens in einer Gemeinde erkannten, wirtschaftlichen Angelegenheiten einen eigenen Aktions- wurde bald eine Neubesetzung durchgeführt.17 bereich hatten und auch das uralte Stadtgericht bestehen blieb. 1808 wurde der Vorarlberger Georg Feuerstein zum Stadt- richter ernannt. Sein Jahresgehalt von 800 Gulden hatte Die Bayern setzten einen eigenen Stadtrichter ein. Als er- die Stadtkassa zu berappen. Feuerstein war bis 1806 Land- ster Stadtrichter wurde der ehemalige Rentmeister Alois schreiber in Feldkirch, wurde dann zum Hofgericht Mem- Eberlin bestimmt, dessen Einsetzung ins Amt sich aber ver- mingen und dann nach Bregenz versetzt.18 zögerte. Erst auf ausdrücklichen Befehl vorgesetzter Stellen hin wurde Eberlin offiziell in sein neues Amt am 27. August Erst zu Beginn des Jahres 1809 wurde die städtische Ge- 1807 eingesetzt und vereidigt. Eberlin verlangte ein „sur- richtsbarkeit aufgelöst und deren Agenden, die Zivil- und plus“ auf seine früheren, höheren Einkünfte als Rentmei- Kriminaljustiz dem Landgericht übertragen. Landrichter ster sowie die Dienstwohnung des Syndikus im Rathaus. Christoph Gugger ließ sich am 12. Jänner 1809 vom Stadt- Diese befand sich im zweiten Stock des Rathauses, im Be- richter Feuerstein und dessen Aktuar von Gilm die Akten, reich des heutigen Bauamtes.12 Als Adjunkt wurde ihm, auf Protokolle und Amtsbücher übergeben. 22 Kriminalun- eigenen Wunsch, der bisherige Aktuar des Landesgerichtes tersuchungen wurden vom Landgericht übernommen. Sonnenberg Johann Nepomuk von Gilm zugewiesen. Dieser Gleichzeitig vergaß Gugger nicht, die Vorgesetzten auf sei- wird als fleißig und geschickt bezeichnet.13 Gilm machte in ne „Überladung“ mit Arbeit und die zu geringe Bezahlung der Justiz Karriere und war Vater des Autors Hermann von hinzuweisen.19 Gilm und Notars Ferdinand von Gilm.14

Seite 126 Die Stadtrichter wie auch der Landrichter hatten das Recht, später immer noch intakt.24 Die Stadtverwaltung bestand Dienstuniformen und Galauniformen zu tragen, und sie aus einem Kanzlisten, einem Rentmeister, einem Sekretär, legten auch Wert darauf. Es war dies ein Anzug aus dunkel- einem Registrator, einem Polizeikommissär, einem Rats- blauem Tuch mit stehendem Kragen und Ärmelaufschlägen diener sowie einem Stadtknecht. In dieser Struktur gab aus rotem Tuch. Kragen und Aufschläge waren mit Sticke- es durch die Ernennung des Feldkircher Syndikus Rederer reien versehen. Auch der Frack war aus diesem Tuch, in zum gemeinsamen Referenten der Vorarlberger Landstände diesen Farben und mit Stickereien versehen. Landrichter eine Lücke. Er hat als erster Magistratsrat und rechtskun- Gugger von Staudach erklärte 1807, dass das Landgericht diger Syndikus alle Bereiche der städtischen Rechtspflege Feldkirch zwar „wenig Seelenzahl“ habe, also schwach be- alleine besorgt. Bis zur Einsetzung des bereits bestimmten völkert wäre, er aber wegen der Grenzlage zahlreiche per- Stadtrichters Eberlin sollte er die Verwaltung der Zivil- und sönliche Beziehungen zum Ausland, nach Liechtenstein, Kriminalgerichtsbarkeit fortführen. habe und das Tragen einer Dienstuniform auch eine Form der Repräsentation sei.20 Die Bayern beseitigten jedoch die bisherige Form der städtischen Selbstverwaltung. Die Neugliederung des öf- fentlichen Lebens in ganz Bayern basierte auf der am 1. Die Stadtverwaltung Mai 1808 erlassenen Verfassung des Königreiches Bayern. Damit hörten alle Sonderverfassungen und Privilegien auf. In der Stadt Feldkirch lebten 1806, bei der Übernahme Für Vorarlberg bedeutete dies das Ende der alten Stände, durch Bayern, in 234 Häusern 1.034 Personen, wovon 507 was man am 16. Mai 1808 den Standesrepräsentanten bei männlichen und 527 weiblichen Geschlechtes waren.21Nicht einer Versammlung im Feldkircher Rathaus bekanntgab.25 hinzugezählt wurden Dienstboten und Gesellen. 1813 wur- Die Neugestaltung der Gemeinden geht auf ein „Edikt über den diese unteren, dienenden Klassen dann statistisch das Gemeinde–Wesen“ vom 24. September 1808 zurück.26 erfasst. Neben den in diesem Jahr anwesenden 1.160 Feld- Der Magistrat war nur mehr Befehlsempfänger, das Landge- kircher Bewohnern lebten noch 45 Knechte, 118 Mägde, 30 richt, ein Vorgänger der heutigen Bezirkshauptmannschaft, Gesellen, 190 Beisäße und 27 Bauern in Feldkirch, was eine war die vorgesetzte Behörde, von der die Stadtverwaltung Gesamtbevölkerung von 1.570 Personen macht.22 Die Ge- abhängig war. Der Landrichter gab alles vor, jede städtische schicke dieser Bewohner Feldkirchs leitete der Stadtmagi- Angelegenheit musste dem Landgericht vorgelegt werden, strat, bestehend aus vier Ratsmitgliedern und dem Bürger- das zustimmte oder ablehnte. Laut der bayerischen Ge- meister. Der erste Rat hatte auch das Amt eines „Syndicus“ meindeverfassung war eine Gemeinde wie ein Mündel zu inne. Recht interessant ist auch die 1786 festgelegten Vo- behandeln, konkret wurde im Edikt festgelegt, dass die raussetzungen für diese öffentlichen Ämter: Der Bürgermei- Dorfgemeinden „unter der beständigen Kuratel des Staates“ ster solle ein redlicher, vernünftiger Mann von gutem Cha- stehen. In direktem Zusammenhang mit der Kuratel steht rakter sein und aus der Gemeinde selbst stammen. Die drei auch der hierarchische Verwaltungsaufbau des Staates: Stadträte sollten Männer von Redlichkeit und „von gutem, „Die Kuratel der Gemeinden ist ein Theil der Staats-Polizei, natürlichen Begriffe seyn“.23 In einem 1807 vom Landvogt und wird in dem obersten Ressort von dem Ministerium der Vintler verfertigten Organisationsentwurf für Vorarlberg inneren Angelegenheiten, und unter dessen Leitung von werden die Verwaltungen der einzelnen Städte miteinander den General-Kreis-Kommissariaten durch die Unter-Gerichte verglichen und Verbesserungsvorschläge gemacht. Die 1797 als Polizei-Behörden, und in den größeren Städten durch beschriebenen politischen Strukturen waren zehn Jahre besondere Beamte ausgeübt.“27 Dieser Behördenaufbau

Seite 127 Felkirch 1815 von Westen (Ferdinand Bachmann)

Zur Erinnerung an den Besuch Kaiser Franz I. im Jahr 1815 gab der Stadtmagistrat beim Feldkircher Rentamtsprakti- kanten Georg Ferdinand Bachmann (1787 bis 1850) als Ge- schenk diese kolorierten Radierungen in Auftrag.

Seite 128 Felkirch 1815 von Norden (Ferdinand Bachmann)

Seite 129 sollte nun für Jahre die Lösung kommunaler Aufgaben be- terthanen zu machen gewährt haben mittels allerhöchsten stimmen. Die Stadt Feldkirch konnte einen Antrag stellen, Reskripts vom 6. vorigen Monats über die Organisation des der dann über das Landgericht an das General-Kreis-Kom- Gemeindewesens der Stadt Feldkirch folgendes allergnä- missariat des Illerkreises in Kempten und von dort letztend- digst zu beschließen geruhet.“ lich an das Ministerium in München zur Entscheidung kam. Die Antwort ging denselben Weg zurück. Auch der Aufbau Genauso pathetisch und huldvoll ist der Schlusssatz: der Gemeindeverwaltung wurde zuerst durch dieses Edikt des Jahres 1808 bestimmt. Die Gemeinde sollte in Städten „Möge Ihnen stets das erhabene Vorbild unseres theursten unter 5.000 Einwohnern durch einen von den Gemeinde- Monarchen vor Augen schweben, welcher mit rastloser bürgern frei gewählten „Municipal-Rat“ vertreten werden, Sorgfalt blos für die Beförderung des Wohls seiner Völcker der aus vier, höchstens fünf Personen bestehen sollte, wo- sich hingibt, streben sie ebenso durch thätige und getreue bei er unter der Leitung des Kuratel-Beamten stand. Zusam- Verwaltung ihrer Ämter sich der allerhöchsten Gnade des menkünfte durften nur unter der Leitung der Polizeistelle Königs, des Vertrauens und der Erwartungen Ihrer Mit- stattfinden.28 bürger würdig zu machen, und sie werden alle, jeder auf der ihm vorgezeichneten Bahn, zu dem ausgesteckten Ziel Der Landrichter nahm auch an Sitzungen des Stadtrates teil gelangen das ist, die Wohlfahrth der ihm anvertrauten Ge- bzw. der Stadtrat legte die Sitzungsprotokolle zur „Vidimie- meinde derzeit und für die Zukunft fest und dauerhafter rung“ dem Landgericht vor. Auch Bürgerrechtsverleihungen begründet.“ mussten nach dem Stadtratsbeschluss dem Landrichter vorgelegt und „ratifiziert“ werden. Damit verlor der Feldkir- Einleitend stellte Gugger den Grundsatz der bayerischen cher Stadtrat ein seit dem Mittelalter ausgeübtes Recht.29 Gemeindeverfassung vor: “Die Regierung selbst übernimmt die oberste Kuratel und Leitung der Angelegenheiten der Der Stadtrat wurde vorerst nur als provisorischer Stadtrat Gemeinden.“ Die Gemeinde war also rechtsunmündig und anerkannt oder bezeichnet. unterstand völlig der Regierung und ihren Organen.

Erst 1813, also nach sieben Jahren, legte das Landgericht Die Gemeindeverfassung trennte zwischen polizeilicher eine neue Stadtverfassung vor, basierend auf dem Edikt und ökonomischer Verwaltung. Die polizeiliche Verwaltung vom Jahre 1808.30 wiederum wurde in die exekutive polizeiliche Gewalt sowie in die Besorgung der Geschäfte, die auf die Erhaltung des Sie legte die Aufgaben des Bürgermeisters genau fest, die Gemeindegutes und auf die strafende Gerichtsbarkeit un- Agenden der Gemeinde. Wie pathetisch der Landrichter terteilt. Gugger diese Stadtverfassung einer Versammlung aller Spitzenbeamten und Gemeindehonoratioren vortrug sollen Dem Bürgermeister standen die von der Gemeinde selbst folgende Zeilen beweisen: erwählten Munizipalräte zur Seite. Die Räte sollten übrigens „Männer des öffentlichen Zutrauens würdig“ sein. Der Bür- „Seine Majestät unser allergnädigster König, auch mitten germeister hatte als Vorstand der Gemeinde für die Vollzie- unter den ungütigen Regentensorgen welches iezt noch die hung der Gesetze und für die innere öffentliche und private obwaltenden Kriegsverhältnisse vermehren, mit landesvä- Sicherheit der Bürger zu sorgen. Er musste die Gefährdung terlicher Liebe für das Wohl allerhöchst ihrer getreuen Un- und Beschädigung der Personen, ihrer Ehre, ihrer Gesund-

Seite 130 heit, ihres Eigentums und ihrer Rechte abwehren. Zu seinen Municipalrates kann nur mit Bewilligung der Polizeistelle weiteren Aufgaben gehörte die Erhaltung der öffentlichen (Landrichter) geschehen und die Beschlüsse erhalten erst Ruhe und Ordnung, die Verhinderung aller Exzesse, die durch ihre Sanction eine geltende Kraft.“ Entfernung verdächtiger und gefährlicher Menschen, die Verhütung heimlicher Unterschleife, die Entdeckung und Die Verwaltung der Stadtfinanzen wurde einem vom König Verhaftung von Verbrechern und die Aufsicht auf Fremde ernannten „Communaladministrator“ übertragen. Er war und Reisende. Der Bürgermeister musste sich auch um die verantwortlich für Verrechnung der Einahmen und Ausgaben Armenpflege, die Gesundheitspflege, die Lebensmittelhygi- und legte darüber am Ende des Jahres die Abrechnung vor. ene, die Aufsicht über Maße und Gewichte, die Anordnung Dem Munizipalrat legte er diese nur zur Einsicht vor, dem und Vollziehung der bestehenden Feuer-, Bau- und Dienst- Landgericht übergab er sie zur Weiterleitung an die Revisi- botenordnung kümmern. Einfluss nehmen sollte er auf gute onsstelle des königlichen Generalkommissariates. Die Ver- Sitten, Gottesverehrung und den Unterricht. Sorgen musste fügungsgewalt bzw. Kontrolle über das Geld wurde also der er sich um die Reinlichkeit und gute Erhaltung der öffent- Stadt abgenommen und dem Staat unterstellt. An den Kom- lichen Brunnen und Wasserleitungen, um die Brücken und munaladministrator hatten die städtischen Bediensteten Wege. Die Grenzen und Marken der Gemeinde waren von wie der Gemeindediener, der Holzmeister, der Ziegel- und ihm zu besichtigen, die Landwirtschaft und Industrie hatte Kalkmeister, der Kornhausmeister und die Stadttorwärter er zu fördern und die Beachtung der Flur- und Waldpolizei das eingenommene Geld und die Rechnungen zu überrei- gehörte ebenso zu seinem Aufgabenkreis. Die Magistrats- chen. Gegründet wurde die Kommunaladministration nach räte hatten ihn bei der Erfüllung der Aufgaben zu unterstüt- eigenen Angaben aber erst am 1. Mai 1813. Sie machte die zen. Als Zwangsmittel zur Durchsetzung seiner Pflichten und Stadt immer wieder auf mögliche Mehreinnahmen oder auf Aufgaben durfte er Strafen verhängen, aber erst nachdem buchhalterische Aufgaben aufmerksam, zumindest erwe- Belehrungen und Verwarnungen nichts gefruchtet hatten. cken einige Dokumente des Jahres 1813 diesen Eindruck. So Die Gemeindediener standen ihm dafür zur Verfügung. Die wurde vorgeschlagen, das städtische Kalkwerk und die Zie- Gemeindemitglieder wiederum waren ihrem Bürgermeister gelbrennerei nicht mehr in Eigenregie zu führen, sondern gegenüber zur Folgeleistung und Gehorsamkeit verpflich- den Betrieb zu verpachten. Auch Mehreinnahmen durch tet. Er selbst war wiederum der königlichen Polizeistelle un- Neuorganisation des „Kornstübels“, des Kornmarktes wur- tergeordnet, die ihn unterstützen musste. Gemeinsam mit den gemacht. Durch Neuverpachtung eines Hügels (Bühel) den Magistratsräten hatte er das Gemeinde- und Lagerbuch oberhalb der Nofler Parzelle Fresch erhoffte man sich hö- zu führen, die Verkündung der königlichen Verordnungen here Einnahmen. Man wollte neben dem Grasnutzen auch zu veranlassen, die Zivilstandsregister zu führen, Vermitt- noch die Nutzung von Laub und Eicheln verpachten. Mit lungen bei Streitigkeiten durchzuführen und die Bestrafung dem Laub wurden die als Matratzen dienenden Laubsäcke von geringen Polizeivergehen zu exekutieren. gefüllt, die Eicheln dienten der Schweinemast. Die erreichte Pachterhöhung von vier auf fünf Gulden 12 Kreuzer standen Die Munizipalräte hatte durch Stimmenmehrheit ihre Bera- wohl in keinem Verhältnis zum Aufwand. Mehreinnahmen tungen und Beschlüsse zu fassen. Zu ihrem Wirkungskreis erhoffte man sich von Mietenachforderungen der Dienst- gehörte alles, was mit dem Eigentum, den Einnahmen, den wohnung im Gymnasium. Auch von einer Neuregelung der Rechten und Verbindlichkeiten der Gemeinde zu tun hat- Standgebühren an den Jahr- und Wochenmärkten erhoffte te. Wie abhängig auch der Munizipalrat von der Regierung man sich Mehreinnahmen.31 Das Verhältnis zwischen Kom- war, beweist folgende Bestimmung: “Die Versammlung des munaladministration und dem Munizipalrat scheint nicht

Seite 131 immer konfliktfrei gewesen zu sein. Jedenfalls kann die Auf- Landrichter Gugger in sein Amt als Stadtkommissär und forderung der in Kempten befindlichen Kreisbehörden vom Polizeidirektor ein. Er wurde dem Magistrat und Gemeinde- 25. Februar 1814 so interpretiert werden. Der Munizipalrat ausschuss vorgestellt und die Einwohner verpflichtet, sollte sich nicht mehr in die Angelegenheiten der Kommu- seinen Anordnungen Folge zu leisten. Die Gemeindeaus- naladministration einmischen. Dieser Behörde allein stand schussmitglieder wurden verpflichtet, alles, was sie gerade der Abschluss von Verträgen über Gemeindegüter und Kom- bei diesem Einführungsakt gehört hätten, ihren Mitbürgern munalrenten zu.32 zu erzählen. Der Bürgermeister, alle Magistratsräte und Ge- meindeausschussmitglieder hatten mit ihrer Unterschrift Die Stadt Feldkirch verlor 1810/11 auch die wichtigen traditi- das Einführungsprotokoll zu beglaubigen.36 Der Stadtkom- onellen Einnahmequellen aus dem Hallgeld, dem Lagerzins missär war eine Art königlicher Oberaufseher über die aus den im Salzstadel deponierten Salzfässern sowie das Stadt. 1807 wurden die Statuten für den Stadtkommissär in Niederlagsgeld, also die Einnahmen aus den in der Zu- Feldkirch erlassen. schg eingelagerten Kaufmannswaren. Genauso wurde die älteste Einnahmequelle, das Umgeld, die Getränkesteuer Im selben Jahr wurde eine Instruktion für die Polizeidire- abgeschafft. Der bayerische Staat zahlte dafür, rückwir- ktion der königlich bayerischen Stadt Feldkirch erlassen. kend auf drei Jahre, eine Entschädigung. Die Niederlags- Die Sicherheits-, Feuer- und Baupolizei wurde der Stadtver- gebühren wurden mit jährlich 1420 Gulden berechnet und waltung weggenommen und dem Polizeidirektor, sprich das Umgeld mit 831 Gulden, was rückwirkend auf vier Jahre dem Landrichter übertragen. Er hatte nun die Aufsicht über eine Entschädigung von 3326 Gulden ausmachte. Dieser die Stadtpolizisten, die Tor- und Nachtwächter, die Lebens- Eingriff in die städtischen Einnahmen wurde wegen ihrer mittelbeschauer, die Feuerbeschauer. Neu eingeführt wur- Widersprüchlichkeit mit der bayerischen Mautordnung de die Baupolizei. Seit 1807 hatte ein „Häuslebauer“ bzw. vorgenommen. So gab es seit 1811 in Bayern keinerlei Bin- jeder Bauherr einen amtlichen Bauplan vorzulegen. Die nenzölle mehr. Feldkirch kassierte bis 1822 diese Entschä- Baupolizei sollte das zu erstellende oder zu begutachtende digungen, dann fand das österreichische Landgericht die Haus auf seine Feuersicherheit, seine Sicherheit und auch Summe zu hoch und ein jahrelanger Streit entstand.33 auf seine Schönheit hin untersuchen. Besonders den As- pekt der Schönheit ist bemerkenswert. Was ist bei einem Wie abhängig die Stadtverwaltung von den Staatsbehörden Haus schön? Darüber streiten sich bekanntlich bis heute geworden war, geht auch aus der Tatsache hervor, dass der die Fachleute, konkret in Feldkirch der sogenannte architek- Stadtschreiber Alois Tschohl sein Anstellungsgesuch an das tonische Fachbeirat und wohl noch mehr der an Architektur Landgericht und das Kreiskommissariat stellen musste.34 interessierte Laie. Auch die Dachrinnen, die das Regenwas- ser im Untergrund versickern lassen, wurden damals von Die Macht des Landrichters Gugger von Staudach über die der bayerischen Verwaltung in Feldkirch eingeführt. Stadt und den Bezirk Feldkirch war beachtlich. Er war der höchste Beamte des Landgerichtes, entschied über zivile Auch die Zensur, sprich die behördliche Durchsicht aller in Angelegenheiten wie auch gerichtliche Streitfälle. In der Feldkirch gedruckten Werke, Zeitungen, Bücher, oblag dem Stadt Feldkirch war er Chef der Polizeidirektion.35 Gugger Polizeidirektor. war gleichzeitig Stadtkommissär von Feldkirch. Ursprüng- lich hatte der Stadtrichter dieses Amt inne. Am 12. Okto- Landrichter Gugger führte den Vorsitz bei den Magistrats- ber 1807 führte der Kreiskommissär Abraham Kutter den sitzungen, die ganze einlaufende Post im Rathaus kam

Seite 132 Johann Josef Ganahl

zuerst auf seinen Schreibtisch und erst danach zum Bür- Der plötzliche und unerwartete Wechsel des Herrscher- germeister. Alle Protokolle und alle auslaufenden Schrift- hauses 1805/06 war für die Bevölkerung vermutlich stücke waren ihm vorzulegen. Der Kommissär unterschrieb schwierig. auf der rechten und der Bürgermeister auf der linken Brief- seite. Auch alle an die übergeordneten Dienststellen in Amtlicherseits versuchte man diese Liebe durch Anord- Ulm, Kempten oder München bestimmten Schreiben waren nungen wie der Abhaltung eines Gottesdienstes, eines ihm vorzulegen. Bei Wahlen in den Stadtrat hatte er die Hochamtes, anlässlich des Namenstages der Königin oder Wahlleitung inne, musste vorher die Kandidaten auf ihre der gedruckten Vorschreibung eines Gebetes anlässlich der Anhänglichkeit zur Regierung überprüfen und in München Niederkunft der Königin aufzubauen. Der Geburtstag des die Bewilligung zum Kandidaten einholen. Nach der Wahl Königs wurde 1811 mit einem Hochamt und einer Parade hatte er den Gewählten in das Amt einzuführen. Auch einen des Bürgermilitärs auf dem Domplatz gefeiert.38 Fraglich neuen Geistlichen hatte er der Gemeinde zu präsentieren. ist, ob man mit derartigen befohlenen Feierlichkeiten und Gottesdiensten wirklich eine Anhänglichkeit an das Haus Der Landrichter war in Feldkirch „ein kleines Herrgöttle“, Wittelsbach aufbauen konnte. Bürgermeister und Stadträte wurden zu Befehlsempfän- gern reduziert. Das Feldkircher Wochenblatt

Mit der behördlichen Zentralstelle im Illerkreis, dem Ge- In die Bayernzeit fällt auch der Startschuss zur ersten in neralkommissariat in Kempten und den Gemeinden muss Feldkirch gedruckten Zeitung, dem „Feldkircher Wochen- es über den normalen Dienstweg hinaus Kontakt gegeben blatt“, das als „Feldkircher Anzeiger“ bis heute existiert.39 haben. Jedenfalls kann eine Eintragung im Einreichungs- protokoll des Jahres 1811 so interpretiert werden. Am 24. Der aus Kempten stammende, in Bregenz eine gewisse Zeit März 1811 muss in Kempten eine Zusammenkunft, eine all- beim Buchdrucker Brentano beschäftigte Kaspar Graff kam gemeine Versammlung stattgefunden haben. Als Vertreter 1808 nach Feldkirch und begann mit 1. Jänner 1809 mit dem Feldkirchs fungierte Johann Josef Ganahl, dem aufgetragen Druck des „Feldkircher Wochenblattes“.40 Es war dies jedoch wurde Bitten verschiedener städtischer Ausschüsse dort ein reines Amtsblatt, in dem Kundmachungen, Versteige- vorzutragen.37 rungen, auch die Lebensmittelpreise veröffentlicht wurden. Nur bei besonderen Ereignissen wurden auch Nachrichten Details über diese Zusammenkunft fehlen. veröffentlicht, die aus offiziellen Blättern stammten. Inte- ressant sind die Berichte über den Beginn des Russland- Verordnete Liebe zum Herrscherhaus feldzuges oder die Fertigstellung des Lindauer Hafens. Un- bekannt ist, welche Haltung Graff während des Aufstandes Ein unabdingbarer Bestandteil jeder Monarchie ist die gegen die Bayern 1809 einnahm. Noch im Dezember 1813, persönliche Beziehung oder der Aufbau einer solchen zum als Bayerns Herrschaft bereits wankte, beschwor das Feld- Herrscherhaus. Die seit 1390 über Feldkirch regierenden kircher Wochenblatt die Treue Feldkirchs zum Souverän und Habsburger haben über Generationen hinweg einen Kult zum bayerischen Vaterland. Andererseits wagte Graff 1809 um die Person des Kaisers gepflegt, bestes Beispiel ist den Druck eines fingierten Spottbriefes über die Vertreibung Kaisers Geburtstag, der als ein offizieller Feiertag festlich der württembergischen, bayerischen und französischen begangen wurde. Soldaten aus Vorarlberg. Das Werk erzählt in Versen und in schwäbischem Dialekt die Ereignisse des 29. Mai 1809 aus

Seite 133 Sicht eines württembergischen Soldaten.41 Im Titelblatt des Ausgaben des Feldkircher Wochenblattes finden sich in Wochenblattes führte er das bayerische Wappen, nach 1814 der Vorarlberger Landesbibliothek wie auch in der Stadt- den österreichischen Doppeladler. Über die Verhaftung von bibliothek Feldkirch. Bisher nicht nachweisbar ist der von Andreas Hofer berichtete er am 13. Februar 1810, wobei er Graff gedruckte Feldkircher Kalender. 1809 ist er erstmals sicherlich den Text einer offiziösen bayerische Zeitung ab- aufgelegt worden. 1810 wurde bestätigt, dass Graff „allein“, druckte: also als einziger in Vorarlberg Kalender drucke und sich die Kalender von Kempten und Augsburg als Vorbild nahm. Er „Hofer, ein Mann von ungefähr 44 Jahren, mit kleinen, hatte die Druckvorlagen der Polizeibehörde zur Genehmi- schwarzen, tiefliegenden Augen und einer intriquanten, gung vorzulegen. Die „abgewürdigten“, also aufgelassenen meist lächelnden Miene sieht sich fast nicht mehr gleich; Feiertage hatte er teilweise in roten Lettern gedruckt, wie Angst, Furcht, Hunger, Kälte, vielleicht auch Gewissensbis- beispielsweise den Gallustag. 1813 berichtete er, dass die se haben ihn ganz entstellt.“ Auflage von 5.000 Stück sich in den letzten vier Jahren stark reduziert habe und er für das Jahr 1814 mit einer Auflage 1814 zeigte das Feldkircher Wochenblatt einen wahren von 1.000 Stück rechne. Er erwähnt auch einen Vertrag österreichischen Patriotismus. Am 12. Juli 1814 wurde in mit einem Kemptener Buchdrucker, was einen Hinweis auf diesem Lokalblatt anlässlich der Rückkehr Vorarlbergs zu ein gemeinsames Druckwerk der beiden Buchdrucker sein Österreich folgendes Gedicht veröffentlicht: „Unsere licht- mag. 43 losen Tage sind mit einer Nacht alle hinuntergeschwunden, einem Tage Raum zu geben, der es verdient, in die Herzen In der bayerischen Ära wurden erstmals in der Vorarlber- der kommenden Geschlechter gegriffelt zu werden.“ Das ger Geschichte Druckwerke als Informations- und Propa- Wort „Griffeln“ muss Graff besonders gut gefallen haben, gandamaterial eingesetzt. Während des Anschlusses an denn er verwendete es 1815, wiederum bei einem patrio- Bayern wurde die Bevölkerung mit Druckschriften infor- tischen Anlass, nochmals: bei der Durchreise von Kaiser miert, die Rede des Landesvogtes Vintler abgedruckt und Franz I. durch Feldkirch. Am 17. Oktober 1815 wurden fol- verbreitet. Auch während der Unruhen 1809 bediente man gende Worte zu diesem Anlass im Wochenblatt veröffent- sich der Presse. Auch beim Übergang an Österreich 1814 licht: „Der glorreiche Kaiser, auf den ganz Europa herab- erschienen wiederum Druckschriften, in denen die Freude sieht, Dessen Thron in schimmerndem Gewande Ungarns über die Rückkehr zu Österreich ausgedrückt wurde. Es gab erste Magnaten und die Großen des Königreichs Böhmen damals bereits genügend Druckereien in Vorarlberg, die umglänzen, Dieser Monarch kam in Vorarlbergs Mitte, hat technisch auch in der Lage waren, diese Druckaufträge zu heute inner unsern Mauern einfach geschmückte Thal- und übernehmen.44 Bergbewohner um Seinen Vatersitz versammelt! Laßt uns Denkmale errichten; Griffeln wir in alle Steine, was in unse- Kirche re Herzen gegraben ist: Franz war da.“ Einen problematischen Weg ging Bayern bei der Frage des Graff muss seine Buchdruckerei erfolgreich und gewinn- Verhältnisses zwischen Staat und Kirche sowie bei der Stel- bringend geführt haben, da er 1810 das Haus Gym- lung der Kirche. So wie in Österreich der Sohn Maria There- nasiumgasse 4 und 1816 ein Haus in der Neustadt erwer- sias, Kaiser Joseph II., 1789 mit der Aufhebung von Kirchen ben konnte.42 und Klöstern den Volkszorn auf sich zog, sahen sich auch die Bayern wegen ihrer Kirchenpolitik scharfer Kritik ausge- setzt.

Seite 134 Der moderne bayerische Staat unter Minister Montgelas Besonders hart traf die tief religiöse Bevölkerung das Ver- war im Sinne der Aufklärung tätig, die Kirche, der Priester bot von Wallfahrten, im Feldkircher Raum die Wallfahrten hatten dem Staat bei der Erfüllung seiner Aufgaben behilf- nach Rankweil. Trotz des Verbotes wurden die Prozessionen lich zu sein, sie wurden zum verlängerten Arm der staatli- und Wallfahrten durchgeführt. chen Verwaltung. Klöster wurden aufgehoben, der Staat benötigte dringend das Geld, den Besitz der Klöster um die 1807 kam es in Götzis deswegen zu einem kleinen Auf- Staatsschulden zu decken. Während sich in Bayern selbst stand. Fanatiker läuteten in der Früh die Glocken, die Leute der Staat ab 1800 an diesem größten von oben diktierten kamen zur Kirche und zogen mit Kreuz und Fahnen nach Raubzug der jüngeren Geschichte beteiligte, und die wirk- Rankweil und kehrten in Ruhe zurück. Am folgenden Tag ka- lich bedeutenden, traditionsreichen Klöster in Altbayern men dieselben Leute zum Vorsteher und verlangten, einen und Schwaben systematisch ausplünderten, gab es im Gemeindebeschluss wegen der Prozessionen aufzusetzen. armen Gebirgsland Vorarlberg vergleichsweise nur wenig Es rotteten sich dabei immerhin 200 Personen zusammen. zu holen.45 Das Benediktinerkloster Mehrerau fiel der Sä- 1807 unternahmen die Altenstädter ohne Bewilligung eine kularisation auf brutalste Art zum Opfer, in Feldkirch wurde Wallfahrt nach Rankweil.48 das Priorat St. Johann säkularisiert, die Kirche zu einem Lagerhaus herabgewürdigt. Der Grundbesitz von St. Johann In Altenstadt veranstaltete Pfarrer Stey 1808 am Sonntag in Tisis und vor allem in Liechtenstein wurde verkauft bzw. nach Fronleichnam eine Prozession im Dorf und wurde da- vom Staat eingezogen und verpachtet.46 für gemaßregelt. Die Bayern hatten festgelegt, dass Fron- leichnamsprozessionen prinzipiell nur an diesem Festtag Es kam zu kleinlichsten Regelungen und Vorschriften im stattfinden und nicht verschoben werden durften.49 alltäglichen Kirchenleben. So wurde beispielsweise der Wachs- und Ölverbrauch reguliert, die Messner zu größter Bereits 1806 wurde die Verschiebung der Weihnachtsmette, Sparsamkeit aufgefordert. die üblicherweise um Mitternacht stattfand, auf den Mor- gen des Weihnachtstages (5 Uhr!) befohlen. Rorateämter, Im Stadtarchiv Feldkirch befindet sich ein Protokoll, das bei das Heilige Grab und die Verdunkelung in der Karwoche so- einer Befragung des Messners Wunibald Briem über den wie das Wetterläuten wurden ebenfalls verboten. Ein tiefer Ölverbrauch in der Kirche verfasst wurde. Er verwendete Öl Einschnitt in die religiöse Praxis, in die religiösen Gefühle als Brennmaterial für das Ewige Licht, in der Karwoche beim und das Brauchtum.50 Diese völlig kleinlichen Regelungen Heiligen Grab, beim Marienaltar an Sonn- und Feiertagen, sorgten für Unmut und Hass gegen die Bayern und machten jeden Donnerstag für die sogenannte Angstampel, das Licht positive Neuerung vergessen, wie zum Beispiel die durch der Todesangstbruderschaft, und bei hohen Feiertagen die Verfassung garantierte Gewissensfreiheit. Der aufkläre- noch zwei Extralampen im Chor. rische Geist der politisch Verantwortlichen in München und ihrer Beamtenschaft hatte keinerlei Verständnis für die kon- Das Landgericht schrieb ihm die genaue Ölmenge vor, sollte servative Denkweise der tiefgläubigen Bevölkerung.51 er diese überschreiten, drohte man ihm, die Mehrkosten vom Gehalt abzuziehen. Beim Muttergottesaltar sollte kein Besonders streng ging man gegen die Kleriker vor, man Licht mehr brennen und die „Angstampel“ aufgelassen machte sie zu Staatsbeamten, wollte eine Staatskirche. werden.47 Widerstand aus den Reihen der Kleriker wurde verfolgt und gebrochen.

Seite 135 Die Bayern versuchten auch eine Regelung der Diözesan- Papst Pius VII. trennte 1808 das Vorarlberg von seinen frage in Vorarlberg zu erreichen. Das Ländle war ja bekannt- bisherigen Bistümern Chur, Konstanz und Augsburg und lich unter den Diözesen Konstanz, Chur und Augsburg auf- übertrug es dem Bischof von Brixen. Ende 1809 besuchten geteilt. Nach langen Verhandlungen erreichten die Bayern Pfarrer Stey, Pfarrer Mayr aus Feldkirch und Pfarrer Johann die Zuteilung des Vorarlberger Oberlandes, des Churer An- Durig den neuen Bischof in Brixen. Stey wurde weiterhin in teils, an die Diözese Brixen im Jahre 1808. seiner Stellung als Bischofsvikar belassen.

Hintergrund war die Ausschaltung des politisch uner- Eine endgültige Unterstellung ganz Vorarlbergs unter die wünschten und zu jedem Widerstand gegen die Bayern Diözese Brixen erfolgte dann erst unter österreichischer bereiten Churer Bischofs Karl Rudolf von Buol-Schauen- Verwaltung 1820.53 stein. Dieser wurde aus Meran, seiner damaligen Resi- denz, nach Innsbruck gerufen. Nachdem er sich weigerte, Der damalige Feldkircher Pfarrer Josef Anton Mayr wur- das bayerische Staatskirchentum anzuerkennen, wurde er de wegen seiner Anhänglichkeit an Österreich und seiner ausgewiesen. Unter Bewachung wurde er zum alten Grenz- Treue an seinen Bischof politisch verfolgt. Seine Verhaf- übergang Martinsbruck gebracht und nach Graubünden tung erfolgte am 27. September 1809, danach wurde er ausgewiesen. Angeblich habe er damals aus der Bibel zi- nach Lindau gebracht. Dort bewarf ihn bei seiner Ankunft tiert: „Man muss Gott mehr gehorchen als den Menschen.“52 der Pöbel mit Straßenkot. Gemeinsam mit dem Feldkircher Die Bayern verboten dem Churer Bischof die Einreise in den Kooperator Johann Christian Neyer und dem Dornbirner Vorarlberger Anteil seiner Diözese, drohten sogar mit Ver- Pfarrer Dominik Zumtobel verblieb er zuerst in Hausarrest, haftung. Jeder Verkehr mit ihm wurde als Hochverrat ein- bevor er in das Stadtgefängnis von Lindau kam. Erst nach gestuft. Hintergrund dieses Hasses war neben der Ableh- einem halben Jahr konnte er nach Feldkirch zurück. Eine nung des Staatskirchentums die Weigerung des Bischofs, Verwicklung in die Unruhen 1809 konnte nie nachgewiesen das Vorarlberger Oberland und den Vinschgau von seinem werden. Da er sich weiterhin verfolgt und bedroht fühlte, Bistum zu trennen. resignierte er 1811 und übernahm die Pfarrerstelle in Bal- zers. Eine Pfarrerstelle in Feldkirch oder eine Anstellung Der Altenstädter Pfarrer Johann Josef Stey hielt weiterhin als Generalvikariatsrat lehnte der österreichische Staat ab, Kontakt mit dem Bistum Chur. Er war seit 1804 Kapitel- genauso wie eine Entschädigung für seine Haftzeit, verlieh sekretär, Stellvertreter des Dekans, und wurde zum Bi- ihm dafür aber 1821 eine Medaille. Ein typisches Schicksal schofsvikar mit allen Vollmachten ernannt. Diese Ernennung österreichischer Patrioten in Tirol und Vorarlberg. Er versah hat er vermutlich dem aus Tschagguns stammenden Hof- weiterhin die Pfarrerstelle in Balzers, später in Schaan. Als kanzler von Chur, Johann Josef Baal, zu verdanken. alter und verarmter Mann kehrte er kurz vor seinem Tod 1827 nach Feldkirch zurück.54 1807 bestellte der bayerische Generalkommissär Graven- reuth den Oberländer Klerus nach Feldkirch, wo er von ihm Gegen die Bayern wirkten im Oberland der Kurat Andreas die Unterwerfung unter das bayerische Staatskirchtentum Engstler aus Gortipohl, der Ludescher Pfarrer Adam Moll, verlangte. Pfarrer Stey erklärte für sich und den ganzen Kle- der Nenzinger Pfarrer Franz Jonas Egger, der Pfarrer von Blu- rus des Oberlandes, sich eher deportieren zu lassen, als denz Dominikus Lorenzi und der Brazer Pfarrer Franz Anton sich dem staatlichen Eingriff in die kirchliche Ordnung zu Leu.55 beugen. Eine mutige und gefährliche Aussage.

Seite 136 Die Bayern gingen auch, freilich sehr subtil, gegen den Ka- Andererseits hat die bayerische Verwaltung Rechte und Ver- puzinerorden vor. Die Kapuziner erfreuten sich seit ihrer mögen der Kirchen verteidigt. In Feldkirch beispielsweise Niederlassung in Feldkirch im Jahre 1605 großer Beliebtheit die Siechenkapelle St. Magdalena in Levis. Die Stadt küm- bei der Stadtbevölkerung und wurden von den Stadtam- merte sich nicht darum, überlegte sogar, die Kirche und das männern und Stadtvätern immer finanziell unterstützt. Als Siechenhaus abzutragen, den dazugehörenden Wald und im Mai 1806 in Vorarlberg Gerüchte über die Auflösung al- Grundbesitz zu verkaufen und die gesamte Stiftung aufzu- ler Klöster in Vorarlberg kursierten, wandte sich der Churer lösen. Die bayerische Verwaltung untersagte dieses Vorha- Bischof in einem Brief an den König von Bayern, in dem er ben, erklärte die Kirche als „nicht entbehrlich“ und befahl die Verdienste der Feldkircher Kapuziner für die Seelsor- der Stadt, Reparaturen vorzunehmen.57 ge, als Aushilfen in verschiedenen Pfarreien hervorhob. Er sprach ihnen sein Wohlwollen aus und warnte davor, dass Auch für die Wiedergutmachung des von der Stadt 1796 bei einer Auflösung des Klosters das Vertrauen in den Kö- konfiszierten Silberschatze der Dompfarre setzten sich die nig leiden könnte. Tatsächlich blieben die Kapuzinerklöster Bayern ein. Die Stadt hatte während der Franzosenkriege in Vorarlberg bestehen, während das Benediktinerkloster einen großen Teil des Silberschatzes der Pfarre weggenom- Mehrerau aufgelöst wurde. Mit dem Verbot der Aufnahme men, in der Schweiz einschmelzen lassen und mit dem von Novizen versuchte man wohl eine biologische Lösung Erlös die Kriegsausgaben und die Bewaffnung bezahlt. Ein dieses Problems zu finden. In Tirol wurden die Kapuziner jahrelanger bürokratischer Kampf zwischen Stadt und der der Aufwiegelung des Volkes verdächtigt und verfolgt. 1808 bayerischen Verwaltung entstand wegen der Wiedergutma- wurde in der Nacht das Kloster in Meran militärisch be- chung dieses bedeutenden Schadens am Kirchenvermö- setzt, die Patres auf Wagen verladen und in andere Klöster gen. Die Stadtverwaltung wand sich wie ein Aal und zögerte gebracht. die Sache hinaus.58

1811 setzten sich 17 Deputierte aus den verschiedenen Die bayerische Verwaltung kümmerte sich auch um not- Vorarlberger Landgerichten, darunter auch Johann Josef wenige Reparaturen an kirchlichen Gebäuden. 1806/07 Ganahl, der Stammvater der Feldkircher Fabrikantendyna- erfolgte eine Renovierung der Pfarrkirche St. Nikolaus. Die stie Ganahl, für den Weiterbestand der Kapuzinerklöster Polizeidirektion gab Anweisung, die Kirchenfassade, die ein. Sie beschrieben die Armut der Vorarlberger Pfarren, in mit schwarzen und weißen Flecken behaftet war, zu sa- denen nur die kostenlos tätigen Kapuziner Aushilfe in der nieren. Im Zuge dieser Kirchenrenovierung wurde auch die Seelsorge ausübten. Interessant ist der Hinweis, dass sie Kirchhofmauer mitsamt dem Wachthäuschen abgebrochen. nicht mehr Almosen sammelnd durch die Lande zogen. Da- Die im Zusammenhang mit diesem Mauerabbruch entstan- mit wurde ein wichtiger Kritikpunkt der Aufklärer, sowohl denen Akten sind ein Beweis für die Verbürokratisierung in Österreich wie in Bayern, entkräftet. Die bayerische Stif- des bayerischen Staates. Die in Bregenz befindliche Stif- tungsverwaltung strich den Kapuzinern die seit dem Jahre tungsadministration sah im Abbruch eine Schädigung des 1768 jährlich von der Stadtkassa ausbezahlten 310 Gulden. Kirchenstiftungsvermögens und machte Anzeige an das Mi- Das Kloster lebte danach nur noch von privaten Almosen. nisterium in München. Dies entschied, dass es sich dabei Die Bayern nahmen auch einen schwerwiegenden Eingriff um eine Verschönerungsmaßnahme handle und daher das in die innere Struktur des Kapuzinerordens vor.56 Kirchenvermögen nicht geschädigt worden sei. Gleichzeitig verzichtete das Ministerium auf eine Entschädigung für die abgetragenen und abtransportierten Steine der Kirchhof-

Seite 137 mauer.59 1811 wurden durch das Landgericht Reparaturen Die Bayern als Verbündete Napoleons benötigten dringend des Gewölbes in der Kirche von Altenstadt und des Kirchen- Soldaten und saugten ihre neuen Länder direkt aus. Zur daches von St. Nikolaus in Feldkirch in die Wege geleitet.60 Auffüllung der schwäbischen Truppen des bayerischen Mili- tärs hatte Vorarlberg seine jungen Leute als Kanonenfutter 1808 wurde die in der Feldkircher Au stehende St. Leon- abzugeben.1806 versuchte die Stadtverwaltung Freiwillige hardskirche (am Standort des heutigen Illparkes) auf- mit Vergünstigungen zum Militärdienst zu locken. So jeden- grund eines Erlasses des königlichen Zentral- Rechnungs- falls kann ein kurzer Eintrag im Eingangsprotokoll vom 31. kommissariates in München aufgelöst und die kirchlichen Dezember 1806 gedeutet werden. Der Rekrut Johann Bap- Funktionen auf die Stadtpfarrkirche übertragen. Das Inven- tist Neyer war bei seinem Regiment eingetroffen, worauf der tar, wie Altäre und Glocken, wurden nach Oberriet verkauft. Stadtmagistrat die sofortige Auszahlung von wöchentlichen Nach einer anderen Quelle sollte eine Glocke nach St. Jo- Almosen an seine Mutter befahl. Im Mai 1807 desertierte hann übertragen werden. Die leerstehende Kirche diente Neyer in Warschau von seiner Einheit. Der zum Militärdienst als Warenlager. Die Umfriedungsmauer der Kapelle St. ausgehobene Peter Feuerle erhielt während seiner Dienst- Leonhard wurde abgebrochen. Der in München beschlos- zeit drei Kreuzer täglich aus dem Armenfonds zugespro- sene Verkauf der Kapelle wurde nicht durchgeführt. Die chen. Kirche wurde von der Bürgerschaft 1820 renoviert, fiel aber 1851/52 der Spitzhacke zum Opfer.61 1807 begannen die Bayern in Vorarlberg mit allgemeinen Re- krutierungen, der Musterung der jungen Männer, während Wie bürokratisch die bayerische Kirchenverwaltung war, ist sie es in Tirol erst 1809 wagten, was auch ein Grund für den am Beispiel der Anschaffung eines Pluviales, eines Messge- Aufstand war.64 In Vorarlberg kam es lediglich in Krumbach wandes, 1809 zu sehen. Ein ca. fünf Zentimeter dicker Akt 1807 zum Aufstand der Frauen gegen die Musterungskom- entstand damals, alle Behörden von Feldkirch bis Bregenz, mission. Sie vertrieben diese Kommission und zogen zum Kempten und das Ministerium des Inneren in München Landgericht Bezau, wo sie verhaftet wurden. Bayerisches mussten befragt werden.62 Dieses wiederum verlangte von Militär rückte im Vorderwald ein, sämtliche Unkosten des den Altenstädter Klosterschwestern nähere Auskünfte und Militärs wurden auf alle Vorarlberger Gemeinden umge- dann erst wurde in München der Auftrag zur Anfertigung wälzt. Die Stadt Feldkirch hatte 273 Gulden zu zahlen. 200 dieses Pluviales gegeben.63 Jahre nach diesem Ereignis wurde in Krumbach ein von der Autorin Ulrike Längle verfasstes Theaterstück aufgeführt.65

Allgemeine Wehrpflicht Die Gemeinden hatten in Listen die Namen der wehr- pflichtigen jungen Männer zu erfassen, mussten deren Die bayerische Verfassung sah unter anderem die allgemei- Aufenthalt eruieren und ihnen selbst ins Ausland die Stel- ne Wehrpflicht vor, abgeschaut bei den französischen Revo- lungspapiere nachsenden. So musste beispielsweise der lutionsheeren mit ihrer „levee en masse“. In Vorarlberg in Rorschach befindliche Sohn des Bernhard Bäder nach und Tirol galt aber bis dahin die Wehrverfassung von Kaiser Feldkirch zur Stellung zurückkehren.66 In den Konskripti- Maximilian, die nur im Kriegsfall das Aufgebot der Schützen onslisten waren die Personaldaten, die Namen der Eltern, zur Landesverteidigung vorsah. Alle späteren Bemühungen der Beruf und die Vermögensverhältnisse einzutragen. österreichischer Herrscher, aus Vorarlberg Rekruten zu er- Der Ratsdiener hatte den jungen Männern die gedruckten halten, waren an den Landständen, die ja die Landesvertei- Vorladungen zur Stellung zu überbringen. Vorarlberg hatte digung als ihre Domäne ansahen, gescheitert. nach einer vermutlich 1808 erstellten Liste 169 Rekruten zu

Seite 138 stellen. Feldkirch lediglich zwei, Bludenz vier, Bregenz drei Verkehr wird der Sohn als „entbehrlicher Mensch“ bezeich- und das Gericht Rankweil-Sulz, zu dem auch Altenstadt, Ti- net. Er erhielt für den Eintritt in das Militär aber eine kleine sis und Tosters gehörten, 12 Rekruten.67 Konskriptionslisten Unterstützung, fünf Gulden, ausbezahlt, es sollte wohl hel- aus Feldkirch sind aus den Jahren 1808,1813 und 1814 fen, das Soldatenleben erträglicher zu machen.73 erhalten. Auf der frühesten Liste sind acht junge Männer aus Feldkirch, Tosters, Tisis, Bangs, Nofels und Altenstadt Bartolome Ossi aus Nofels (Matschels) wurde freiwillig verzeichnet.68 Über den Ablauf der Stellung der Rekruten Soldat, da die Gemeinde ihm versprach, den Eltern dafür ist wenig bekannt. Aus dem Jahre 1807 gibt es einen Ma- einen Gemeindeteil, also ein Grundstück für Anbauzwecke gistratsbefehl, laut dem die zwei zu stellenden Rekruten zu überlassen. Die Gemeinde Altenstadt konnte sich an das durch die Ziehung des Loses auszuwählen wären. Das Versprechen nicht erinnern und behauptete, dass er 1780 Los entschied über das weitere Schicksal der jungen Män- in der Schweiz geboren und kein Altenstädter sei. Ossi de- ner.69 Vielsagend ist auch die Aufstellung von Wachen bei sertierte daraufhin aus der Armee. Dies lässt den Verdacht der „Konskription“. Ihre Aufgabe war die „Aufhebung der aufkommen, dass man sogenannte Sozialfälle gerne beim flüchtigen Burschen“. Ein deutlicher Hinweis auf die bei der Militär entsorgte.74 Stellung herrschende Stimmung, sowohl bei den jungen Männern wie auch bei den Verantwortlichen.70 Während der Desertionen von Vorarlbergern aus dem bayerischen Heer Konskription in Altenstadt im Jahre 1810 wurden zwei Züge kamen recht häufig vor, wie in den im Bayerischen Regie- Militär dorthin bestimmt und mussten nach ihrer Rückkehr rungsblatt veröffentlichten Fahndungslisten nachzulesen in Feldkirch einquartiert und versorgt werden. Die Stadt ist.75 Besonders arm dran waren jene Vorarlberger, die Feldkirch hatte die zwei Offiziere, vier Unteroffiziere und 51 aus dem österreichischen Heer entlassen wurden, nach Soldaten zu verpflegen. Diese Abkommandierung von Sol- Vorarlberg zurückkamen und von den Bayern wieder re- daten zu einer Konskription wirft ein Licht auf das mangeln- krutiert werden sollten. Beispielsweise der Tostner Jakob de Vertrauen in die Bevölkerung und deren Furcht.71 Es kam Koch von der Parzelle Hub, von 1803 bis 1805 Kaiserjä- auch vor, dass die jungen Leute bereits vor der Konskription ger, dann Kriegsgefangener. Nach seiner Rückkehr hätte flohen. 1813 wurde ein Militärkommando nach Feldkirch er bayerischer Soldat werden sollen, verschwand dann in entsandt, um die Flüchtigen zu verhaften und nach Kemp- die Schweiz. 1811 suchte der Tostner Franz Schöch um die ten zu überstellen.72 Entlassung aus dem Militärdienst an. Er war in Lindau stati- oniert, der einzige Sohn und sollte den elterlichen Hof über- Die Stadt unterstützte bzw. vertröstete die Eingerückten mit nehmen. 1813 flohen die beiden Söhne des Martin Mayer kleinen Geldgeschenken. vor der Konskription. Der Vater bat darum, nur einen Sohn einzuziehen, falls sich beide Söhne stellen würden. Ein Man entledigte sich dabei aber auch unerwünschter, armer Sohn sollte den elterlichen Hof in Tosters bewirtschaften.76 Personen. Ein krasses Beispiel ist das Schicksal des Xaver Hatte man ursprünglich nur die 19-jährigen rekrutiert, hol- Baier. Sein Vater Franz Josef Baier, von Beruf Maler, lebte te man auch ältere und jüngere zu den Waffen. Napoleons viele Jahre in der Schweiz, wurde ausgewiesen und kam Kriege benötigten immer mehr Soldaten. Im bayerischen bettelarm nach Feldkirch zurück. Man ließ die Eltern unent- Militärdienst kamen auch Feldkircher ums Leben. Der 1813 geltlich im Totenhaus wohnen und steckte den Sohn dafür eingezogene Joseph Amann aus Altenstadt wird 1815 als im zu den Soldaten. Der Vater bat um die Verleihung des Bür- Kriegsdienst verstorben gemeldet. Weitere Details fehlen. gerrechtes sowie um die Gewährung eines Almosens. Die Andreas Zimmermann aus Gisingen, der 1810 eingezogen Familie wurde dann aber ausgewiesen. Im amtsinternen worden war, soll im April 1813 als Soldat des 6. leichten In-

Seite 139 fanterieregimentes verstorben sein. Franz Xaver Weber aus tär. Für die Bauern war dies natürlich ein harter Schlag und Altenstadt, Nationalgardist, wurde bei der am 30. Oktober hat den Hass gegen die Bayern und das bayerische Militär 1813 geschlagenen Schlacht bei Hanau, als die Bayern den genährt. Genau dieselbe Situation gab es dann auch im Er- Rückzug Napoleons stören wollten, verwundet und verstarb sten Weltkrieg, als das österreichische Heer den Bauern die in einem Militärspital. Nach dem Bündniswechsel Bayerns letzte Kuh aus dem Stall holte. waren nun die Franzosen die Feinde, gegen die man in einem Feldzug, im Elsaß beginnend, kämpfte. Die Kosten der Militärverpflegung und Pferdelieferungen wurden nach dem Übergang an Österreich durch den bay- Christian Speckle aus Tisis, 1790 geboren, wurde 1809 erischen Staat zurückbezahlt. So konnte 1815 die soge- zur bayerischen Infanterie eingezogen, machte den Russ- nannte „Liquidierungskommission“ freudig mitteilen, dass landfeldzug mit, überlebte die russische Kriegsgefangen- Bayern die Kosten der Militärlieferungen der Jahre 1809/10 schaft und verstarb 1879. Diese Einzelschicksale seien für des Landgerichtes Feldkirch an das dortige Rentamt zurück- hunderte Vorarlberger genannt, die auf der Seite Bayerns bezahlt hatte und diese Forderungen nun beglichen werden gekämpft haben.77 konnten.79 Abzuklären wäre, ob dies nur ein Einzelfall war.

Die Feldkircher spürten diese Kriege auch auf andere Art. Auch Einquartierungen bayerischen Militärs in Feldkirch waren eine Begleiterscheinung der Kriege. In der Tostner- Vorarlberg bzw. die Gemeinden des Landgericht Feldkirch au, am Breiten Wasen, schuf die Stadt für das Militär einen hatten regelmäßig nach Lermoos in Tirol Vieh, Hafer, Stroh, Exerzierplatz. Die Hauptwache war beim Spitalsgebäude, Fleisch, Wein und Branntwein zu liefern. Dort befand sich dem heutigen sogenannten Polizeitrakt des Rathauses. ein großes Warendepot für die aus Italien nach Deutsch- Zwischen März und August 1813 waren dann jeweils eine land ziehenden Soldaten. Ende Februar 1813 waren zur Ver- Kompanie des ersten und des zweiten leichten Infanterie- pflegung von 4.200 italienischen Soldaten nach Lermoos regiments in Feldkirch stationiert. Die Stadtkassa hatte das und Füssen 20 Eimer braunes Bier, zwei Eimer Branntwein von den Soldaten verwendete Brennholz, Öl und Kochge- und Vieh zu liefern. Da die Lieferzeit zu kurz und wohl auch schirr zu bezahlen.80 Untergebracht wurden die Soldaten die Distanz zu weit war, wurde eine Geldablöse vereinbart, in einer nicht näher lokalisierten „Quasikaserne“. 1812 immerhin 523 Gulden. Im März 1813 waren beispielsweise wird eine „Mühlekaserne“ erwähnt. Vermutlich dienten die 50 000 italienische Soldaten zu verpflegen. Die Stadt Feld- Mühle oder vielleicht das Mühletor als Kaserne. Im Gast- kirch hat in der Regel diese Waren nicht in natura nach Tirol haus „Ochsen“ gab es ein Soldatenzimmer, vermutlich ein geliefert, sondern dies mit Geld abgelöst. 1812 hatte das Raum, der den Soldaten als Schlafraum diente.81 1813 er- Landgericht Feldkirch für zwei Kolonnen Franzosen sechs folgte dann der Auftrag, die Schattenburg als Kaserne her- Stück Vieh nach Lermoos zur Verfügung zu stellen, was aber zurichten. Diese Funktion sollte sie dann über ein halbes wiederum mit Geld abgelöst wurde. Im Dezember 1813 war Jahrhundert innehaben.82 Die Burg, das Wahrzeichen Feld- die Stadt Feldkirch mit der Zahlung von zwei Verpflegungs- kirchs, hatte zuvor ihre letzte Funktion, nämlich als Gefäng- beiträgen, von 164 und 114 Gulden im Rückstand. Daneben nis des Landgerichtes, verloren, da man im Landgericht mussten 1813 auch Pferde für das Militär abgeliefert wer- neue Gefängniszellen eingerichtet hatte. Nach dem Wegzug den78. des Wärters im Jahre 1812 stand die Burg völlig leer. Alle noch vorhandenen verwertbaren Materialien wie Eisen, Während das doch vermögende Feldkirch sich relativ leicht Fenster, Türstöcke wurden erfasst und vermutlich ausge- mit diesen Geldablösen tat, blieb den ländlichen Regionen baut.83 nur die Ablieferung des Viehs oder des Heus an das Mili-

Seite 140 1809: Überfall der Feldkircher Schützen auf Konstanz

Bürgermilitär, Schützen und Nationalgarde III. erteilt. Der Aufstand des Vorjahres und der Griff zu den Waf- Klasse fen wurden „als eine Folge der eisernen Nothwendigkeit als des freyen Willens“ bezeichnet.87 Es kam auch zur Gründung eines Bürgermilitärs, in dem alle Bürger dienstverpflichtet waren. Man orientierte sich dabei Trotz der Erfahrungen des Jahres 1809 wagten die Bayern an einer Verordnung vom 3. April 1807. Laut Statuten sollte die Aufstellung einer Nationalgarde III. Klasse. Die Organi- das Bürgermilitär niemals gegen den äußeren Feind kämp- sation dieser bewaffneten Truppe geht auf eine Verordnung fen, der Schutz der „friedlichen, rechtlichen Einwohner“ des Jahres 1809 zurück, laut der alle männlichen Staats- wurde als Ziel genannt. Der Dienst, die Uniformierungen angehörigen bis zum 60. Lebensjahr zum Dienst verpflich- und die einzelnen Truppengattungen des Bürgermilitärs tet waren. Im Zuge der Befreiungskriege, also nach dem waren detailliert geregelt.84 Bündniswechsel der Bayern, wurde am 10. Juni 1813 eine neue „Organische Verordnung über die Errichtung einer Na- Dieses Bürgermilitär wurde dann gezielt aufgebaut, wie tionalgarde“ erlassen. Wiederum waren alle in einer Stadt die Eintragungen im Einreichungsprotokoll beweisen. Im oder Marktgemeinde wohnhaften und Steuern zahlenden Jänner 1808 gab es zahlreiche Enthebungsgesuche zu Männer bis 60 Jahre zum Dienst verpflichtet, die Natio- bearbeiten. Im April wurde der Feldwebel Schaller als Ex- nalgarde sollte aber nie gegen den äußeren Feind in den erziermeister für das Bürgermilitär bestimmt sowie ein Kampf treten sondern nur zu Militärdiensten innerhalb des Uniformierungsreglement erlassen. Im Juni wurde Johann Bezirkes ihrer Stadt- oder Marktgrenzen eingesetzt werden. Alois Tschohl zum Hauptmann des Bürgermilitärs bestimmt Aus innenpolitischen Gründen vermied Minister Montge- und es wurden Vorschläge für die anderen Offiziersstellen las die Bezeichnung Landsturm, die ja gerade in Tirol und gemacht. Dr. Gabriel Winter wurde zum Quartiermeister er- Vorarlberg Erinnerungen an 1809 erweckt hätten. Nach dem nannt, Dr. Franz Xaver Wegeler zum Zeugmeister, der Richter Abmarsch der regulären bayerischen Truppen an den Main Johann Nepomuk von Gilm zum Auditor, zum Militärrichter und Rhein im Oktober 1813 kam es Ende des Monats zur all- bestimmt. Anfang Dezember wurden die Angehörigen des gemeinen Landesbewaffnung, eingeleitet von einem Aufruf Bürgermilitärs vereidigt. Die Säbel lieferte ein Rohmberg des Königs „An mein Volk“.88 (sic !) aus Dornbirn, der noch bis 1811 auf die Bezahlung der Rechnung warten musste.85 Unklar ist auch, inwieweit Wie wirkte sich die Aktivierung dieser Nationalgarde in das Bürgermilitär aktiv wurde, Schießübungen durchführte Feldkirch aus? Recht erfreut war die bayerische Behörde, oder exerzierte. Unklar ist auch seine Rolle im Jahre 1809. dass die Feldkircher Bürgerschaft bereit war, die Wiederbe- waffnung aus eigenen Mitteln zu bezahlen. Zu klären war, Nach dem Aufstand im Jahre 1809 mussten jedenfalls alle ob die Feldkircher eine oder zwei Kompanien der National- in Feldkirch vorhandenen Gewehre eingesammelt und an garde bilden wollten. Die Stadt hatte die zum Waffendienst das Militär abgeliefert werden.86 verpflichteten Bürger in einer Musterrolle zu erfassen. Die Bürger sollten an einem Samstag aufs Rathaus kommen, Daneben gab es weiterhin die Schützen. Bereits 1810 baten wobei in einer Stunde 25 Personen in der Musterrolle zu er- die Feldkircher Schützen um die Wiederaufnahme des fassen waren.89 Der ganze Magistratsrat sowie der Bürger- Scheibenschießens am Schießstand in der Au, das wegen meister Keßler waren vom Waffendienst befreit. 1814 waren der „Insurrektion“ des Jahres 1809 unterbrochen worden 253 Männer „konskribiert“, erfasst worden, wobei 28 über war. So wie in Dornbirn und Bregenz wurde die Bewilligung 60 Jahre alt und damit dienstbefreit sowie 29 krank waren. Die Waffenübungen sollten an den Sonntagen stattfinden.

Seite 141 Ankunft der Vorarlberger in Konstanz (Cölestin von Gugger 1815)

Ein großes Problem war die ausreichende Bewaffnung der erhielten aus Spenden der Gemeinden einen Montierungs- Nationalgardisten. Ende 1813 teilte das Generalkommissa- beitrag von 15 Gulden und eine tägliche Zulage von sechs riat mit, dass an Feldkirch als Ersatz für die im Jahre 1809 Kreuzern für die Dauer des Krieges. Zwei Rechtsprakti- abgenommenen Waffen 97 Musketen abgegeben werden, kanten, die aus gesundheitlichen Gründen nicht am Krieg wobei für jedes dieser Gewehre 10 Kreuzer Transportkosten teilnehmen konnten, spendeten einen Montierungsbeitrag. zu bezahlen waren. Im März 1814 standen 350 Gewehre, Der Verwalter der gräflich Wolkensteinischen Herrschaft To- die für das ganze Landgericht bestimmt waren, zur Abho- sters, Anton von Reinhard, gehörte ebenfalls zu den Spen- lung in Kempten bereit. Diese Waffenlieferung reichte aber dern. Landrichter Gugger und andere finanzierten aus ih- kaum aus für die Bewaffnung der 2938 Nationalgardisten rem Privatvermögen den Ankauf von vier Husarenpferden.92 im ganzen Landgericht Feldkirch, die übrigens nur über Diese Bereitschaft zur Ausrüstung von Landhusaren und 125 eigene Gewehre verfügten. Genauere Zahlen über die Jägern war aber kein Feldkircher Phänomen. In ganz Bayern Nationalgarde wurden in einer Aufstellung am 14. Juni 1814 war dies üblich, die privaten Spender wie auch die Beiträge vorgelegt. Kommandant der in einem Bataillon zusam- der Gemeinden wurden im Regierungsblatt veröffentlicht. mengefassten Kompanien der Region Feldkirch war der In Bregenz haben die führenden Beamten selbst die Aus- Obermautbeamte Freiherr von Pflumern, der den militä- rüstungen für diese Soldaten bezahlt. Die Montafoner rü- rischen Rang eines Majors hatte. Die Feldkircher Kompanie, steten einen Feldjäger aus, Dornbirn zahlte die Montur und bestehend aus 88 Mann, drei Offizieren, einem Sergeant, sicherte 100 Gulden zu.93 vier Unteroffizieren und drei Tambouren verfügte über 76 Gewehre. In einer zweiten Kompanie befanden sich Neu- Während am 14. Juni 1814 noch eine Inspektion der Nati- zugänge. In der Tisner Kompanie waren 100 Mann zusam- onalgarde angekündigt wurde, gab ein Rundschreiben am mengefasst, die 81 Gewehre zur Verfügung hatten. Aus 19. Juni wegen der „eingetretenen friedlichen Verhältnisse“ 161 Mann bestand die vierte Kompanie, bestehend aus die Einstellung aller Waffenübungen bekannt. Die ausge- Tostnern und Noflern. Sie hatten 142 Gewehre. In der Alten- gebenen Waffen sollten dem Landgericht zur Verwahrung städter Kompanie dienten 252 Mann. Die 164 Göfner waren übergeben werden. Sechs Jahre später, am 1. Jänner 1820 in einer Kompanie zusammengefasst. In einem zweiten Ba- erkundigte sich das Kreisamt nach dem Verbleib dieser Ge- taillon gab es eine aus 42 Mann bestehenden Feldkircher wehre.94 Die Hofkommission in Wien verlangte entweder die Kompanie.90 Rückgabe der Waffen oder eine finanzielle Entschädigung. Leider ist nicht bekannt, was die Recherche über den Ver- Im Rahmen der allgemeinen Landesbewaffnung 1813 wur- bleib der Waffen ergab. den neben der Nationalgarde III. Klasse ein freiwilliges Jägerkorps sowie ein Landhusarenkorps errichtet. Die Inwieweit diese Spenden zur Militärausrüstung 1813, 1814 Feldkircher erklärten sich bereit, „als Beweis ächter Vat- aus wirklichem Patriotismus oder nur notgedrungen er- terlandsliebe,“ zwei berittene Landhusaren zu stellen und folgten, lässt sich heute nicht mehr klären. Auffallend ist auszurüsten. Jeder Husar erhielt unentgeltlich ein Reitpferd jedenfalls, dass es sich bei den privaten Sponsoren um die gestellt und wurde mit einer ganzen Montur ausgestattet angesehenen Bürger von Feldkirch und Bregenz handelt. Ei- sowie mit einer täglichen Lohnzulage von 12 Kreuzern be- nen ähnlichen Patriotismus hatte es bereits1808 gegeben, lohnt.91 Aus dem ganzen Landgericht Feldkirch meldeten als man Geldspenden für verwundete Soldaten des Feld- sich bis Dezember 23 Personen, später dann 34 zu einem zuges gegen Preußen sammelte. Die Landgerichte Monta- freiwilligen Jägerkorps. Aus dem heutigen Feldkirch waren fon, Feldkirch, Bregenz und die Stadt Bregenz spendeten dies Bartholomä Amman, aus Altenstadt Franz Xaver Sturn 1334 Gulden.95 und aus (Tosters) Hub Lorenz Mayer und Joseph Walk. Sie

Seite 142 1809 gegenüber. Nach der Niederschlagung des Aufstandes wurden aus allen Teilen Vorarlbergs Geiseln ausgehoben Eine Zäsur in der Bayernzeit bedeutete der Volksaufstand und nach Frankreich gebracht. Aus Feldkirch stammten 1809. Von Tiroler Emissären angestachelt, befreite sich folgende Geiseln: Matheus Lueger, Handelsmann; Johann Vorarlberg zwischen April und August 1809 mit militärischen Georg Reichart, Schlosser; Peter Feierle, Handelsmann; Phi- Mitteln von der bayerischen Herrschaft. Feldkirch spielte lipp Mayer, Kupferschmied; Andreas Wegeler, Wagner. Aus aus strategischen Gründen nur eine Nebenrolle, Bregenz Altenstadt stammten die Geiseln: Joseph Wegeler, Wagner; war durch seine Grenznähe das Herz des Aufstandes. Andreas Nägele, Bauer; Andreas Tiefenthaler, Bauer aus Gisingen; Johann Ender, Metzger aus Gisingen und Johann Am 25. April zog eine kleine österreichische militärische Pümpel, Tischler aus Nofels.99 Einheit in Feldkirch ein, besetzte die Stadt und übernahm die Verwaltung im Namen Österreichs. Von den öffentlichen Gebäuden wurde das bayerische Wappen entfernt und Schule durch den kaiserlichen Doppeladler ersetzt. Folgendes Gedicht wurde dem festlich geschmückten Wappentier zwi- Besondere Verdienste erwarben sich die Bayern im Schul- schen die Fittiche gelegt: wesen.

„Auf! und singt des Dankes Lieder Für Feldkirch ist besonders die Entwicklung des Gymnasi- Des Kaisers Adler schützt uns wieder ums von Interesse. In Bayern war 1804 das Schulsystem Wo dieser ist da lebt sichs gut durch Einführung von Vor-, Mittel- und Hochschulen neu Drum opfern wir ihm Gut und Blut.“96 geregelt worden. Mit Beginn des Schuljahres 1806/07 sollte nun auch in Feldkirch eine „Mittelschule“ mit sechs Jahres- Der letzte Satz sollte für so manchen Feldkircher und Vorarl- kursen (Klassen) eingeführt werden. Es waren folgende Fä- berger bald Wahrheit werden. Es würde zu weit führen, die cher vorgesehen: Deutsch, Latein, Griechisch, Französisch, Beteiligung Feldkirchs an diesem Aufstand im Detail zu Geschichte, Geographie, Naturgeschichte, Technologie, Na- schildern. Erwähnenswert ist dann aber doch der Guss von turlehre, Altertums-, Völker- und Menschenkunde, Arithme- vier Kanonen durch die Glockengießerei Graßmayr für die tik und Messkunst, Zeichnen und Musik.100 Leider kam es zu Aufständischen und deren Transport nach Bregenz.97 keiner Vermehrung der Lehrerposten, was bei diesen zahl- reichen Lehrfächern notwenig gewesen wäre. Auch die Do- Das verwegenste „Husarenstück“ dieses Aufstandes war tation der Feldkircher Mittelschule blieb sehr bescheiden. die Einnahme von Konstanz am 28. und 29. Juni 1809 durch Mit den finanziellen Mitteln des Studienfonds war 1808 Vorarlberger Schützen unter Leitung des Feldkirchers Xaver lediglich die Einrichtung einer vierklassigen Studienschule Walser. Um an dringend benötigte Munition und Geschütze möglich. Diese wurde in eine Primärschule sowie eine an- zu kommen, segelten die Schützen mit fünf Schiffen nachts schließende Sekundärschule unterteilt. Die Sekundärschu- über den Bodensee, überrumpelten die badische Besatzung le bestand aus einem Progymnasium, einer und versorgten sich mit den dringend benötigten Kriegs- materialien. Sie konnten einer sie verfolgenden württem- Art Vorschule zum Gymnasium, sowie einer Realschule mit bergischen Flottille entwischen und landeten in Bregenz. jeweils zwei Jahreskursen. Die Realschule war für Schüler Walser wurde dafür vom Kaiser ausgezeichnet.98 Insgesamt gedacht, die keine akademische Laufbahn, sondern „hö- stand man in Feldkirch dem Aufstand 1809 eher skeptisch here Kenntnisse“ für ein bürgerliches Leben sich aneignen wollten.

Seite 143 Erster deutschsprachiger Gymnasialbericht 1807

Erstmals in der Geschichte des Feldkircher Gymnasiums Nach der Rückkehr an Österreich wurde wieder großer Wert wurden naturwissenschaftliche Fächer sowie die Fächer auf die Erlernung der lateinischen Sprache gelegt und die Deutsch, Deutsche Sprach- und Literaturkunde unter- Naturwissenschaften wurden aus dem Fächerkanon gestri- richtet. Bemerkenswert ist auch das Angebot, eine moder- chen. Man kam zum alten Schulsystem vor 1805 zurück. ne Sprache, Französisch, zu erlernen. Im Gegenzug wurde Während in deutschen Reformstaaten wie Bayern und Preu- Latein, das bis dahin wichtigste Fach, zurückgestuft. Es ßen die Schulen reformiert wurden, man sich der neuen Zeit wurden nur noch Grundkenntnisse beigebracht.102 öffnete, beharrte man in Österreich zumindest bis 1848 auf einem recht traditionellen Schulsystem.104 Eine Neuerung gab es auch beim gedruckten Jahresbericht. Bis dahin bestand er nur aus Schülerlisten, und war in Während der bayerischen Ära fanden die Studienschule Latein. Nun war er in Deutsch und brachte Informationen, und auch nach 1814 das Gymnasium Unterkunft im ehema- Berichte über die Schule, die Schulfächer, den Jahresab- ligen Wohnhaus (Ritterkommende) von St. Johann, heute lauf. Im Jahresbericht 1809/10 ist eine Rede von Rektor Ge- Johannitergasse 6. Das Priorat St. Johann mitsamt der Kir- genbauer abgedruckt, in der er die Ziele und Absichten der che war säkularisiert worden, die Kirche diente dann als neuen Studienordnung der Studienschule erklärte. Schulkirche während das Wohngebäude als Schulgebäude diente, in dem der Rektor eine Dienstwohnung hatte. Wäh- Eine Neuerung war auch das Jugendfest am 1.Mai, das im rend die Umbauten des ärarischen (staatlichen) Gebäudes Schuljahr 18010/11 erstmals durchgeführt wurde. Schüler die bayerische Amtskassa übernahm, hatte dies nach 1814 trugen Gedichte und Fabeln zeitgenössischer Dichter vor, die Stadt Feldkirch zu bezahlen.105 Das Gebäude diente bis wie von Herder, Schiller, Geßner, Gellert und besonders 1860 für Schulzwecke und wurde seit 1910 von den Stadt- häufig Texte des damals sehr populären Gottlieb Pfeffel. Die werken als Büro- und Wohngebäude genutzt. Schulgebäu- Schüler führten auch Musikstücke auf. Der Organist Josef de und Kirche waren übrigens mit einem überdachten Gang Anton Sauther erteilte Musikunterricht. Trotz dieser Neue- miteinander verbunden.106 rungen ging die Schülerzahl der Studienschule beachtlich zurück. Ursache dafür war sicherlich die „Degradierung“ zu einer Gymnasial-Vorschule, was die Absolventen, sofern sie Wirtschaft an einer Gymnasiallaufbahn interessiert waren, zwang, ein Gymnasium in Bayern zu besuchen. Zu untersuchen wäre, Feldkirch war traditionell eine Handels- und Gewerbestadt, wie viele Vorarlberger während der Jahre 1806 bis 1814 ihre die mit ihren Märkten vom wirtschaftlichen Verkehr mit Gymnasial- und Universitätsausbildung in Bayern genos- dem Umland lebte. Genauso wichtig war die Rolle des Fern- sen haben. Einen Hinweis geben die veröffentlichten Listen verkehrs und Salzhandels, da die auf der Nord-Südroute, mit Vorarlberger Stipendienbeziehern, bei denen auch der vom Bodensee nach Italien durch Feldkirch kommenden Studienort wie beispielsweise Landshut genannt wird.102 Güter hier über Nacht eingelagert wurden. Speditionen wie Dieser erzwungene Ortswechsel hat die Attraktivität der Leone und zahlreiche Fuhrleute lebten von diesem Verkehr. Schule sicherlich geschmälert. Heute unvorstellbar ist die Diese Stellung im Transithandel kommt auch in den von Drohung, bei ungenügender Schulleistung zum Militär ein- unbekannter Hand verfassten „Commercialwünschen des gezogen zu werden.103 Landes“ vor. In dieser für den König bestimmten Wunsch- liste wird die Verlagerung des Transits durch Vorarlberg anstatt über die Schweiz gefordert. Die gerade im Aufbau befindliche Textilindustrie wünschte sich ein Verbot auslän-

Seite 144 ensterläden der Spezereiwarenhandlung Ganahl

discher Baumwollwaren. Man wünschte sich die Beibehal- Auch bei den Anfängen der Textilindustrie mischten Feld- tung der zollbegünstigten Einfuhr von Fabrikaten und von kircher Händler mit. Sie besorgten sich in der Schweiz Roh- Käse in die österreichischen Staaten, ebenso den zollfreien baumwolle, gaben diese an Spinnerinnen in der näheren Export von Vieh nach Oberitalien. Um einen leichteren Umgebung und reichten das daraus gesponnene Garn an Transport dieser Waren nach Osten zu erreichen, sollte die die Heimweber weiter. Die Produkte lieferten die Vorarlber- Arlbergstrecke ausgebaut werden, konkret wurde der Bau ger wieder an die Schweizer Großhändler zurück. einer Chaussee von Klösterle bis Stuben gefordert. Ein Stra- ßeninspektor sollte die Strecke Feldkirch bis Stuben beauff- Das Pionierland der Textilindustrie war jedoch England, von sichtigen. Andererseits wurde die freie Einfuhr von Getreide dort kamen billigst Textilien auf den europäischen Markt. aus Bayern und Schwaben gefordert.107 Napoleon versuchte durch die Sperre des europäischen Marktes für englische Waren seinen Feind England zu schä- Die Rolle Feldkirchs als Handelsstadt beweist eine Aufli- digen. Die sogenannte „Kontinentalsperre“ galt in allen stung der Material- und Spezereihandlungen aus dem Jah- europäischen Satellitenstaaten Frankreichs, natürlich auch re 1811. Fidel Ebenhoch betrieb seine Handlung seit 1806. in Vorarlberg. Die Einfuhr von Rohbaumwolle aus Übersee, Der aus Friaul stammende Felix Vidal wurde sein Kompa- den englischen Kolonien, wurde verboten und dieses Ver- gnon, mit dem er gemeinsam das Handelsgeschäft im Hau- bot wurde auch überwacht, wie eine 1810 vom Landgericht se Schlossergasse 1 betrieb. Babette Vidal eröffnete 1812 bei allen Feldkircher Händlern durchgeführte Hausdurch- das erste Modegeschäft in Feldkirch. Daneben gab es vier suchung beweist.112 Acht Kolonialwarenhändler wurden weitere Handlungen, die aber ihren Betrieb nur kurzfristig von den Beamten heimgesucht. Es fanden sich Zuckerhüte, führten. Der Advokat Martin Mathis hatte mit dem Handel Kaffee, Tee, zum Textilfärben Indigo und Farbhölzer, Pfeffer, aufgehört und seine Waren an den Konkurrenten Oswald Muskat und Nelkenwurz, und natürlich ballenweise Baum- Schmied verkauft. Auch Daniel Danielsi und Xaver Winder wolle, aber mit Zollpapieren nachweisbar aus der Levante hatten den Betrieb eingestellt. Johann Josef Ganahl ver- stammend, also dem Mittelmeerraum. Johann Josef Ganahl legte im Jahre 1812 sein Gemischtwaren- und Spezereige- und Witwe Maria Elisabeth Adegold geb. Conceth gaben an, schäft von der Marktgasse in das Eckhaus Schlossergasse/ dass diese Baumwolle zum Verspinnen bestimmt war, bei Schmiedgasse.108 Dort wurden die Grundlagen für die für den restlichen war sie zum allgemeinen Verkauf bestimmt. Feldkirch so wichtige Textilfabrik Ganahl gelegt. So suchte Ganahl hatte seine Baumwolle über einen Händler in Nürn- er 1812 um die Bewilligung für einen Handel mit Textilien berg bezogen. an.109 Die Witwe Adegold hatte die acht Ballen Rohbaumwolle In einer Auflistung der Gewerbetreibenden aus dem Jahre von Mathias Sulzer aus Azmoos im benachbarten oberen 1812 werden 14 Handelsmänner, ein Krämer, zwei Eisen- Schweizer Rheintal zur Weiterverarbeitung übernommen. händler, ein Spezereihändler, drei Kornhändler sowie drei Kornhändler, die gleichzeitig noch Fuhrleute waren, aufge- Während der Bayernzeit versuchte man auch die Verarbei- zählt.110 Wie stark der Zusammenhalt im Handelsstand war, tung von Schafwolle, Leinen und Seidenraupenzucht zu ist an einer gemeinsamen Stellungnahme von 17 Händlern fördern. In Feldkirch selbst kam es zur kurzzeitigen Grün- gegen eine Vertauschung des alten Salzstadels gegen die dung einer Seidenbandweberei des Lorenz und des Jakob Mauthalle zu erkennen.111 Christa. Sie hatten 1808 das Maschinenwälzgebäude im „Zwingwolf“ gekauft, gerieten aber drei Jahre später in Kon- kurs. Die genaue Lage der Werkstatt kann nicht angegeben

Seite 145 werden. In der Konkursmasse finden sich eine Webmaschi- stübel, das die Aufsicht über den im Erdgeschoss des Rat- ne und ein Wasserwerk, drei Bandstühle, eine Zwirnma- hauses stattfindenden Kornmarkt innehatte, ermittelte die schine und 12 Seidenkarden. mittleren Kornpreise, indem es die „Schrannenpreise“ von zwei Markttagen im November und Dezember ermittelte 1819 kam es zur neuerlichen Gründung einer Seidenband- und daraus einen Mittelpreis ermittelte. Diese Mittelpreise weberei in Feldkirch durch Niklas Dünser, den Sohn eines für den Viertel Weizen lagen bei zwei Gulden 49 Kreuzer im in die Schweiz ausgewanderten Vorarlbergers. Jahre 1807, sank dann aber in den folgenden Jahren.116

Bemerkenswert ist, dass Landrichter Gugger sich 1808 für Die bayerische Verwaltung erfüllte den Feldkirchern im die Wiedereinführung der Rebbauordnung stark machte.113 Frühjahr 1814 einen lang gehegten Wunsch, der aber am Er teilte dem Generalkommissariat mit, dass es im Landge- Einspruch der Nachbargemeinden gescheitert war: einen richt Feldkirch früher eine eigene Rebbauordnung gegeben Vieh- und Pferdemarkt. Erstmals fand er am 29. März 1814 habe, in der der Arbeitslohn der Rebbergarbeiter und die statt, weitere Termine waren der 26. April und 10. Mai. Das Behandlung der Reben geregelt worden war. Diese Ordnung Hornvieh wurde in der Vorstadt, die Pferde am Platz vor dem soll seit Jahren nicht mehr berücksichtigt worden sein, was Nikolaitor, also dem heutigen Schlossgraben, zum Verkauf die Vertilgung guter Reben und die Anpflanzung von er- aufgestellt.117 tragsstarken aber qualitativ schlechten Weinreben zur Fol- ge hatte. Dieser Vorschlag Guggers fand „das Wohlgefallen“ In Handwerkssachen hatte sich in bayerischer Zeit kaum des Generalkommissariates. Ob dann tatsächlich eine neue etwas geändert. Zwar durfte eine Lehre erst nach der Be- Rebbauordnung eingeführt wurde, ist unbekannt. willigung des Landgerichtes begonnen werden und Neu- aufnahmen in die Zunft waren erst nach vorheriger amt- Trotz der Bedeutung des Weinbaues in der Region kam es licher Genehmigung möglich. Am 18. Juni 1810 wurden alle gerade während der Bayernzeit zur Gründung von Bierbrau- Zunftvorsteher des Landgerichtes Feldkirch über die neuen ereien. So suchten der Löwenwirt Johann Georg Zimmer- staatlichen Gewerbevorschriften belehrt, was sie mit ihrer mann in Altenstadt und Josef Anton Häusle 1807 um eine Unterschrift bestätigen mussten.118 Den Alltag dominierten Bierbraubewilligung an. Das Landgericht unterstütze die- aber immer noch die alten Streitigkeiten zwischen den se Ansuchen. Interessant ist der Vergleich der Kosten von einzelnen Berufsgruppen. So wehrten sich die Feldkircher einem Maß Wein (16 Kreuzer) und einem Maß guten Bieres Wachszieher gegen Personen, die Wachskerzen verkauften (6 Kreuzer). Ein Landgerichtsbeamter meinte, dass ein Maß und die Schneider prozessierten erfolgreich gegen Nähe- gutes Bier und ein Stück Brot eine ausreichende Mahlzeit rinnen, die es gewagt hatten, Kleider anzufertigen.119 Trotz- für einen Taglöhner wäre.114 dem gab es zu dieser Zeit noch ein reichhaltiges Gewerbele- ben in Feldkirch. In einem 1812 angelegten Gewerberegister Auffallend ist, dass während der bayerischen Epoche die finden sich 184 Gewerbetreibende in Feldkirch. Es gab alle Getreidepreise recht stabil blieben. Die Versorgung mit Handwerkssparten in Feldkirch, wobei besonders die me- Getreide aus Schwaben scheint in diesen sieben Jahren tallverarbeitenden Betriebe (16) stark vertreten waren.120 problemlos funktioniert zu haben. Bereits beim Überga- beakt an Bayern 1806 erklärte Landvogt Vintler, dass „die Die bürokratische Neugier der Bayern gibt uns auch wert- vollen Getreid Kästen“ des nun vereinigten Schwabens die volle Hinweise auf die Berufsausbildung und die Berufs- künftige Versorgung (Subsistenz) Vorarlbergs sichere.115 Ein struktur der in Feldkirch lebenden Handwerker. Hinweis auf die Wichtigkeit der Getreideeinfuhr. Das Korn-

Seite 146 Zahlreiche junge Feldkircher verließen für ihre Berufsaus- machte der Apotheker Karl Fidel Clessin der Stadt im Jah- bildung damals ihre Heimat. So erlernte der Färber Joseph re 1808 ein Angebot. Er hatte Versuche zur Erzeugung von Längle seinen Beruf in Würzburg und wanderte zur Ver- Öl aus Traubenkernen gemacht, dem Stadtmagistrat einen vollkommnung seiner Berufskenntnisse 1810 nach Fran- Bericht darüber vorgelegt und bat nun um eine Bewilli- kreich.121 Der Sohn des Kürschners und Magistratsrates gung, den Bericht drucken zu dürfen. Den Verkaufserlös Joseph Bredschneider wollte ebenfalls 1810 nach Frank- des Büchleins wollte er zur Gestaltung des nun als „Ma- reich, um neben der Kürschnerei auch den „Rauchhandel“ ximiliansplatz“ bezeichneten Kirchplatzes überlassen.126 (Fellhandel) zu erlernen.122 1811 suchte Andreas Griß um Der Göfner Johann Amann erhielt den Auftrag zur bau- eine Reisebewilligung nach Brünn an, wo er die Tuchfabri- lichen Herstellung des Platzes. Ein Brunnen, bestehend kation erlernen wollte. aus Eichenholz, das vom städtischen Wald am Badbühel in Nofels kam, wurde errichtet.127 Der Brunnen scheint nicht Während der bayerischen Ära zogen auch Handwerker von sehr solid gebaut gewesen zu sein, da der Magistratsrat im auswärts nach Feldkirch, die dann Firmen aufbauten, die Oktober 1808 den ruinösen Zustand dieses Brunnens fest- das ganze 19. Jahrhundert, manchmal auch noch bis Ende stellte und darüber diskutierte, ob man ihn noch vor dem des 20. Jahrhundert weiter existierten. So gründete Fidel Winter reparieren oder ihn an die Kirchenmauer zurückset- Himmer seine Gürtler- und Goldschmiedewerkstatt, die zen solle. Es wurden der Abbruch des Hauptbrunnens und heute noch von einem Nachfahren geführt wird.123 1810 die Rückversetzung des Nebenbrunnens an die Kirchen- suchte der aus Dornbirn stammenden Bau- und Brunnen- mauer beschlossen.128 meister Martin Hefel um das Bürgerrecht von Feldkirch an, er beabsichtigte die Rosina Bertschin zu heiraten, die ein Um dem Platz zu verschönern, wurden auch eine Reno- halbes Wohnhaus mit in die Ehe brachte.124 Er wurde zwar vierung der Kirchenfassade sowie eine Neugestaltung des als geschickter Brunnenmeister bezeichnet, ihm wurden Kirchendaches vorgeschlagen. Landrichter Gugger nannte aber wenige Verdienstmöglichkeiten vorausgesagt, da es als Ziel dieser Platzgestaltung: „Zur Verewigung der Epo- bereits einen Brunnenmeister Josef Anton Weinzierl gab. che, welche die Stadt Feldkirch mit dem milden Szepter des Die Familie Hefel hat dann das ganze 19. Jahrhundert hin- Durchlauchtigsten Hauses Bayern beglückte.“129 durch den Posten des städtischen Brunnenmeisters ausge- übt. 1811 ließ sich der Bludenzer Schlosser Franz Josef Vin- Oberer Salzstadel zenz in Feldkirch nieder, wurde Bürger und eröffnete eine Werkstatt.125 Während der bayerischen Zeit wurde auf Weisung der Re- gierung am Platz der heutigen Stadtsparkassa am Sparkas- senplatz ein zweiter, neuer Salzstadel errichtet. Er wurde Bauliche Veränderung in der Stadt wegen seiner Lage, gegenüber dem Katzenturm, als oberer Salzstadelbezeichnet. Maximiliansplatz (Kirchplatz) Im Februar 1808 wurde der Bauvertrag für den Bau dieser Während der bayerischen Ära gab es auch bauliche Verän- Salzlagerstätte erarbeitet. Mit der Bauaufsicht wurde der derungen im Stadtbild. Der oben schon erwähnte Abbruch Rankweiler Baumeister Alois Weiß beauftragt. Wegen der der Kirchhofmauer, die den Platz vor der Stadtpfarrkirche doch beachtlichen Fundamentierung dieses Gebäudes St. Nikolaus umgab, bot die Möglichkeit, einen schönen entstanden Baukosten von 8.000 Gulden. Zu dieser recht Stadtplatz zu gestalten. Zur Finanzierung der Baukosten beachtlichen Bausumme gewährte die Generalsalinenad-

Seite 147 ministration in München eine Anleihe von 2.000 Gulden Der in Altenstadt lebende und seine Wundarztpraxis ausü- unverzinsbarem Vorschusskapital. Es wurde mit jährlich bende Johann Sippelius hatte beim Militär sechs Jahre als 8.000 Fässern Salz gerechnet, die durch Feldkirch trans- Unterfeldarzt gedient und war sieben Jahre als Wundarzt portiert wurden. Den alten Salzstadel, als „Hallgebäude“ tätig. 1809 waren die Behörden überzeugt, dass er an der bezeichnet, kaufte die General- Zoll – und Mautdirektion Landärzteschule in Innsbruck seine Kenntnisse verbessern der Stadt um 5.700 Gulden ab. Der obere Salzstadel diente solle. 1812 wurde dann ein Dispens vom Schulbesuch aus- ab 1828 als Theatersaal.130 gesprochen.132

Die großen baulichen Veränderungen in Feldkirch fanden Als Rechtsanwälte waren Martin Mathis und Dr. Franz Xaver dann erst in den späten 1820er Jahren statt, als die Stadt- Wegeler tätig. Sie wurden verpflichtet, in eine Witwenpen- mauern geschliffen und die vor den Mauern gelegenen Grä- sionskassa der Rechtsanwälte regelmäßige Beiträge einzu- ben zugeschüttet wurden. zahlen. Nach der Rückkehr zu Österreich 1814 verlangten sie übrigens diese Beiträge vom bayerischen Staat zurück.133 Eine der ungewöhnlichsten Karrieren dieser Jahre war die Ärzte und Rechtsanwälte des Martin Mathis. Vor 1805 war er als „Winkelschreiber“ tätig. Wegen des Mangels an Advokaten und seiner fach- Ein besonders ehrgeiziges Ziel der bayerischen Reformen lichen Kenntnisse erlaubten ihm die lokalen Behörden das war die Medizinalreform, die eine Verdrängung der Kurpfu- „Advozieren“. Er bildete sich ständig weiter, sodass er 1810 scher, unqualifizierter Bader und Wundärzte durch fachlich die Advokaturprüfung ablegen konnte und am Landgericht geschulte Ärzte zum Ziel hatte. Die Schulen für Landärzte als Advokat zugelassen wurde.134 Mathis soll 1814 gegen wurden in München, Bamberg und wenig erfolgreich, in In- Bayern opponiert haben. 1822 wurde er in den Adelsstand nsbruck, eingerichtet. Man wollte die jahrhundertelang üb- erhoben. liche Unterscheidung zwischen den akademischen Ärzten, die nur für die innere Medizin zuständig waren, und den niedrigen, chirurgischen Wundärzten und Badern aufheben Feuerwehr, Brandschutz, Versicherung und eine möglichste gute Versorgung der Bevölkerung in den Städten und vor allem auf dem Lande aufbauen.131 Die bayerische Verwaltung bemühte sich um die Organisa- tion von Brandschutzmaßnahmen und um die Einführung Die in Feldkirch tätigen Ärzte, Chirurgen und Wundärzte von allgemeinen Feuerversicherungen. hatten, obwohl sie sich über ihre in Österreich absolvierte berufliche Ausbildung ausweisen konnten, eine bayerische Das Generalkommissariat in Kempten ordnete die Umset- Landarztschule zu besuchen. zung der am 8. Jänner 1808 erlassenen „allerhöchsten“ Verordnung zur Einführung eines „Feuerpiquets“, also Der Feldkircher Johann Eichenhofer wurde 1811 zum Besuch einer Feuerwehr an. Auf diese Aufforderung antworteten einer landärztlichen Schule verpflichtet. Wegen seiner jah- die Hauptleute des Bürgermilitärs, Joseph Bredschneider, relangen Erfahrung glaubte man, dass er in zwei Semestern Johann Mathias Lueger und Johann Alois Tschohl sehr de- Studium an dieser Schule genügend Fähigkeiten erwerben tailliert. Sie verwiesen dabei auf eine bereits 1801 erlas- könnte. Er hatte in Innsbruck Wundarznei und Geburtshilfe sene Feuerordnung der Stadt Feldkirch, gemäß der alle studiert und konnte auf zehn Jahre Praxis verweisen. Angehörigen der drei Kompanien des Bürgermilitärs „ihre angewiesene Beschäftigung“ hätten. Sie lehnten die in der

Seite 148 Verordnung bestimmte Mannschaftsstärke ab und meinten ern. Die Gemeindevorsteher hatten Listen mit den Beitre- mit 12 „Gemeinen“ das Auslangen zu finden. 12 Mann als tenden mit Angaben zum Gebäude und zum Versicherten Wachmannschaft für das von der Brandstätte gerettete Gut anzulegen.137 Auch in Feldkirch wurde eine Einschätzung wurde als ausreichend empfunden. Ein größeres „Feuer- aller Gebäude durchgeführt. In einem Brandversicherungs– piquet“ wurde beim geringen Bevölkerungsstand von Feld- Grundbuch wurden 1812 alle Gebäude in Feldkirch verzeich- kirch als nicht notwendig, ja sogar als hinderlich bei den net. Neben der Hausnummer werden der Besitzer und vor Löscharbeiten empfunden. Der hierarchische Aufbau die- allem der Versicherungswert genannt.138 Insgesamt sind 317 ser Feuerlöschmannschaft wurde militärischen Vorbildern Gebäude in diesem Brandversicherungsbuch eingetragen. nachempfunden. An der Spitze sollten ein Ober – und ein Für die Hausgeschichte sind übrigens Bemerkungen über Unteroffizier stehen. Bis zur Einschulung neuer Tambouren das Dach, die Eingänge etc. von Interesse. Es kam aber sollte der städtische Tambour Dienst im Feuerpiquet tun. auch vor, dass einzelne Bürger sich weigerten, ihr Haus ein- Detailverliebt wurde die Durchführung der Schreibarbeiten schreiben zu lassen wie der Maurermeister Ulrich Breuss durch den Feldwebel wie auch das Vorgehen gegen Abwe- oder Gymnasialpräfekt Nikolaus Fridl, der erklärte, dass sende geregelt. Als überflüssig bezeichnet wurde die in sein Haus weit von der Stadt und nahe der Ill stehe und der Verordnung verlangte Zusammenkunft des Piquet bei damit eine geringe Brandgefahr bestehe.139 Nach Ende der einem „Donnerwetter“, also einem Gewitter. Das Stadtkom- Bayernzeit wurde erst wieder1825 die Tirol-Vorarlbergische missariat war mit der lokalen Umsetzung der Verordnung Brandassekurranz eingeführt. einverstanden, bestand aber auf dem „Zusammenrücken“ bei einem Unwetter.135 Armenwesen Genauere Informationen über die Realisierung des Feu- erpiquets fehlen. Einziger Hinweis auf die Existenz einer In Feldkirch gab es seit dem Mittelalter zahlreiche wohltä- Feuerwehr ist die in der Stadtrechnung 1815 nachweisbare tige Stiftungen, zumeist von Privatpersonen gestiftet, aber Besoldung eines Kommandanten der Feuerwehr.136 von der Stadt verwaltet, mit denen die ärgste Not der Ar- men gelindert werden sollte. 1787 wurde ein Armeninsti- Für die Bevölkerung war die behördlich organisierte Ein- tut eingeführt, dessen Kassier der Spitalpfleger Peter Leo führung einer „Landesbrandversicherung“ ein Segen. Die wurde. Vom Armeninstitut wurden die Einnahmen älterer Bevölkerung wurde verpflichtet, ihre Häuser gegen Feuer Stiftungen wie dem Bettelsäckel, der Spendstiftung und versichern zu lassen, wobei die Versicherungsprämie sich des Leprosoriums mitverwaltet. Aus diesen beachtlichen nach dem geschätzten Wert des Hauses richtete. Auch öf- Einnahmen erhielten die Armen jeden Samstag bestimmte fentliche Gebäude wurden feuerversichert, waren aber Geldbeträge ausbezahlt.140 prämienfrei. 1807 wurden die Statuten der „Allgemei- nen Brandschaden-Versicherungsanstalt in der Kurpfalz- Während der bayerischen Ära fand eine Zentralisierung der baierischen Provinz Schwaben“ (1804) auch in Vorarlberg Armenfürsorge statt. Basis dafür war eine 1805 erlassene publiziert. 1809 weist die Hauptrechnung der Brandasse- Verordnung für die Neuregelung des Armenwesens. Grund- kuranz für das Landgericht Feldkirch eine Versicherungs- züge davon, wie Armeninstitute, gab es bereits in Feldkirch. summe von 908. 975 Gulden aus. 1811 wurden die verschie- denen Brandversicherungen zu einer allgemeinen Anstalt für das ganze Königreich Bayern zusammengefasst, ein weiterer Beweis für die Zentralisierungstendenzen in Bay-

Seite 149 Zur Finanzierung wurden neben den bereits vorhandenen ge im ganzen Land sehr unbeliebt. Im Jahre 1809 erschien Einkünften aus Stiftungen Gebühren für Tanz und andere öf- ein Spottgedicht über ihn und seinen Mitarbeiter Felder:145 fentliche Veranstaltungen eingehoben, Geldstrafen bei Ver- gehen dem Armenfonds übergeben und eine Armensteuer „Gnädiger Herr Kauffmann und Felder. eingehoben.141 Ihr zwei eselgeborene Wälder, Was kinnt ihr wohl anderes machen, Es erfolgte eine Verlagerung der Kompetenz im Armenwe- Als der Armen Kassen ungerecht bewachen, sen von der Stadt hin zum Landgericht, das als Verwalter Daß, wenn die Kaiserlichen kommen, des Lokalarmeninstitutes auftrat. Der Paragraph 32 des or- Euch das Geld nicht wird genommen; ganischen Ediktes über die Armenpflege regelte, dass die Kauffmann und Felder, nehmt euch in acht, Zinsen aus den Stiftungsvermögen der Lokalarmenpflege Was aus euch zwei Bürger- und Armenfeind, von der allgemeinen Stiftungsadministration an das Land- Für gnädige Herren werden gemacht.“ gericht zu überweisen sind, welches dann die Verteilung vornahm. 1808 teilte die Stiftungsadministration der Stadt Dieses Spottgedicht ist ein Hinweis, wie verhasst sich die mit, dass die Zinsen einer Armenstiftung dem Landgericht beiden Bregenzerwälder mit ihrer Arbeit gemacht haben. als Polizeibehörde überwiesen werden und es in deren Er- Sie haben, in Erfüllung der Gesetze und Vorschriften, sich messen liege, wer eine Unterstützung erhalten werde. Be- in die seit Jahrhunderten bestehenden lokalen Usancen bei gründet wurde dies damit, dass nur das Landgericht und der Armenversorgung eingemischt und vor allem Einblick nicht der Stadtmagistrat der bayerischen Generaladmini- in die normalerweise nur einer kleinen örtlichen Führungs- stration Rechnung legen müsse.142 Die Stiftungsverwaltung gruppe offen zugänglichen Buchhaltung der Stiftungen ge- in Bregenz führte auch die Buchhaltung der Feldkircher nommen. Armenstiftungen. Es waren dies finanziell gut fundierte Stiftungsvermögen. So hatten im Jahre 1808 die Spitals- Wie exakt, vielleicht auch wie pedantisch die Bregenzer pflege, der Bettelsäckel, das Armeninstitut, die Spendstif- Stiftungsadministration arbeitete, kann am Beispiel der tung und die Leprosenstiftung zusammen ein Kapital von Nördlinger Tuch–Stiftung nachverfolgt werden. Ziel dieser knapp 120.000 Gulden und jährliche Zinseinnahmen von Stiftung war die Verteilung von besonders starkem Tuch gut 6000 Gulden, die für soziale Zwecke verwendet wur- aus der deutschen Stadt Nördlingen an Arme aus Feld- den.143 Ebenfalls 1808 befahl die Stiftungsadministration kirch und Umgebung. Diese Austeilung von 35 bis 40 Ellen in Bregenz dem Spitalökonomen Peter Leo, sich nur noch Tuch erfolgte üblicherweise bei Jahresende. 1808 erbat die mit der wirtschaftlichen Verwaltung des Spitals zu befassen Stadtverwaltung bei der Stiftungsadministration Bregenz und sich nicht mehr mit der jeden Samstag stattfindenden die Genehmigung zur Anschaffung von Nördlinger Tuch aus Ausgabe der Almosen, Wochengelder genannt, abzugeben. dem Vermögen der Spitalpflege, um dieses an städtische Er sollte diese Gelder gegen Quittung dem Stadtkommissar Dienstnehmer, die Turm- und Nachwächter, zu verteilen. übergeben.144 Als Rechtstitel wurde eine in der Spitalpflege aufgegangene Stiftung der Familie Furtenbach genannt. Mit diesem Ansu- Die Einführung des neuen bayerischen Armenwesens hat- chen wurde ein bürokratischer Vorgang ausgelöst. Kauff- te der in Bregenz befindliche Josef Anton Kauffmann inne, mann und Felder begannen mit Recherchen in den ihnen ein Neffe der bekannten Künstlerin Angelika Kauffmann. Er überlassenen Archivalien, konnten dort aus den Jahren machte sich mit dieser Zentralisierung, mit dieser Einmi- 1757 bis 1764 Belege für die Verteilung von Nördlinger Tuch schung in althergebrachte Formen der lokalen Armenfürsor-

Seite 150 Feldkircher Wochenblatt 17. Oktober 1815

an Arme, jedoch nicht an städtische Bedienstete vorfinden. Rückkehr zu Österreich Eine Furtenbach-Stiftung war nicht nachweisbar. Die Stif- tungsadministration bewilligte dann wirklich Geldmittel Im Pariser Geheimvertrag vom 3. Juni 1814 wurde zwischen für die Anschaffung des Tuches für die Armen. Der Vorgang Kaiser Franz I. von Österreich und König Max Joseph die ging dann an die Sektion Generaladministration des Stif- Rückgabe Vorarlbergs vereinbart, lediglich das Landgericht tungsvermögens im Innenministerium in München über, Weiler blieb bei Bayern, das damit einen schmalen Korridor die dann für die Auszahlung der Fondsmittel entschied und zum Bodensee erhielt. Monate zuvor waren im ganzen Land dies nach Bregenz mitteilte. Von dort wurde der Entscheid Gerüchte über die mögliche Rückkehr Vorarlbergs im Um- an das Landgericht Feldkirch und von dort an die Stadt wei- lauf und sorgten für Unruhe. Bereits im Sommer 1813 sah tergeleitet. Es ging dabei um ganze 14 Gulden.146 Es muss sich Bayern zur Verlegung einer Garnison nach Feldkirch anerkannt werden, dass Felder sich wirklich um die stif- veranlasst, die für Ruhe sorgen sollte und als Einschüch- tungsgemäße Verwendung der Gelder gekümmert hat. terung möglicher Umtriebe gedacht war. Die ersten Monate des Jahres 1814 verliefen ruhig, doch wurde mit gespannter Die bayerische Stiftungsverwaltung ließ sich die für fiska- Aufmerksamkeit die Entwicklung der politischen Verhält- lische und rechtliche Fragen relevanten historischen Doku- nisse genau verfolgt. Über Zeitungen war man über die mente vorlegen und sah sie genau durch, wie Rückfragen Veränderungen in Europa informiert. Die bayerische Ver- beweisen. So ließ sich die Stiftungsadministration das Ur- waltung, besonders Landrichter Gugger, wurde vorsichtig bar der Magdalenenstiftung vom Jahre 1660 vorlegen und in der Ahndung von Verstößen gegen Verordnungen. Als quittierte den Empfang.147 die Geistlichkeit der Umgebung Feldkirchs am Markustage (25. April) sich in Rankweil versammelte und die Abhaltung Das Rentamt, also der Vorgänger des Finanzamtes, fragte einer Prozession und Feldersegnung beschloss, unternahm 1808 wegen der in einem herrschaftlichen Urbar, vermut- der darüber informierte Landrichter nichts. Hintergründe lich dem Stockurbar, vermerkten Steuerleistung von 115 dieser Weihehandlungen waren drei hintereinander fol- Pfund Pfennig nach.148 gende Missernten. Am 29. und 30. April vernichtete ein strenger Frost die Obstblüten und Maispflänzchen. Im Mai Feldkirch verlor auch das alleinige Verfügungsrecht über 1814 herrschte in Feldkirch eine unruhige Stimmung, die die älteste karitative Institution der Stadt, das Stadtspital. aber größtenteils auf dem persönlichen Hass gegen den Die Aufnahme älterer Bürger und Bürgerinnen in das vor- unbeliebten Landrichter Gugger basierte. Gugger soll be- wiegend als Altersheim dienende Spital entschied letztend- reits Fühlung mit der Opposition aufgenommen haben. Das lich das Generalkommissariat des Illerkreises in Kempten, Haupt dieser Opposition soll der Advokat Dr. Martin Ma- nachdem vorher das Landgericht eine Stellungnahme ab- this gewesen sein, heimlich opponierte der Assessor von gegeben hatte. 149 Ottenthal. Ein Zeichen des heimlichen Protestes war das Anbringen des österreichischen Doppeladlers am Bluden- Andererseits kann den damals Verantwortlichen bei Durch- zertor. Auch auf der Dorfbrücke in Nenzing hatte man einen sicht der Armenfürsorgeakten ein soziales Engagement Doppeladler angebracht. 151 nicht abgesprochen werden. So kann der Versuch verfolgt werden, einem armen Knaben eine Lehrstelle in München Am 30. Juni reisten die Munizipalräte Johann Josef Ganahl zu finden und Mittel zur Bezahlung des Lehrgeldes zu fin- und Martin Mathis nach Bregenz, um als Vertreter Feld- den.150 kirchs bei der feierlichen Übernahme Vorarlbergs durch den Hofkommissär Anton Ritter von Roschmann die Stadt

Seite 151 Festumzug 1814 in Bregenz

Feldkirch zu vertreten. Sie berichteten über den in Bre- ganzen Landgericht Feldkirch, angeblich 1.200 Mann auf, genz herrschenden Jubel sowie über die aufgestellten Tri- wovon ein Drittel beritten war. Nach dem Festessen wurde umphbögen. Da sich die Ankunft Roschmanns verzögerte, ein Dankgottesdienst abgehalten. Unter die Armen verteilte reisten Ganahl und Mathis ihm nach Innsbruck entgegen. man, unter Aufsicht des Landrichters und Stadtpfarrers, Dort hatten sie Gelegenheit, sich über die geplanten po- 300 Gulden. Bereits nach fünf Stunden verließ Roschmann litischen und organisatorischen Neugestaltungspläne zu Feldkirch in Richtung Bludenz.154 informieren. Angeblich hatte man in Wien darüber noch nicht entschieden. Ganahl und Mathis befürchteten, mit Anlässlich der Ankunft Roschmanns schnitzten Handwerks- Recht, dass man Vorarlberg wie Tirol behandeln würde, es gesellen aus Holz einen Adler, den sie auch vergoldeten. der ständischen Vertretung Tirols unterstellen und auch in Die Stadt gab ihnen als Trinkgeld und als Anerkennung vier den Tiroler Mautverband aufnehmen würde. Sie schlugen Louisdor. Beim Dankfest wurde die ganze Stadt beleuchtet. vor, dass man Roschmann bei der Landesübergabe eine Diese „Illumination“ wurde durch vor die Fenster der Häu- Petition übergeben solle, in der man sich gegen diese Un- ser gestellte Kerzen, geschützt durch Gläser, erreicht. terstellung und Anpassung an Tirol wehren solle. Da für den 12. August 1814 österreichisches Militär in Feld- Von Roschmann kam über das Außerfern und über Kempten kirch erwartet wurde, stellte man im Magazin Leintücher, nach Bregenz, wo am 7. Juli 1814 im Rathaus die Landes- Stroh und Heu bereit. Ein städtischer Mitarbeiter, vermut- übergabe stattfand. Der ganze Tag war mit Festlichkeiten, lich der Tambour, zog am 12. August durch Feldkirch, blieb einem Gottesdienst und Festzug, bei dem ein Porträt des an Straßenecken stehen und machte dort mittels Trommel- Kaisers mitgetragen wurde, ausgefüllt.152 Am folgenden Tag schlag auf sich aufmerksam und verlas die offizielle Abtre- besuchte Roschmann kurz Feldkirch, wo man ihm einen tung Vorarlbergs von Bayern und die Rückgabe an Öster- festlichen Empfang bereitete.153 reich. Stadtpfarrer Wolf wurde am 13. Juli beauftragt einen Dankgottesdienst sowie eine Festpredigt zu halten. Bereits Der Gymnasialprofessor Aloys Kneringer verfasste einen am 2. Juli hatte er einen Seelengottesdienst für die vielen Bericht über die Festlichkeiten. Die Feldkircher hatten sich Kriegstoten gehalten. frühmorgens versammelt: „ehe noch die Sonne die höchs- ten Bergspitzen rötete und ihre Strahlen in das anmutige Die Behörden haben sich dann noch lange mit der Klärung Rebental herabsenkte, um den für sie ewig wichtigen Tag offener finanzieller Forderungen, sowohl von Gemeinden mit frohem Jubel zu begrüßen.“ wie von Privaten, beschäftigt.

An der Stadtgrenze vor dem Nikolaitor stellten sich zwei 1 Neue Perspektiven 1809, hg. von Gerhard Wanner. Lochau 1985. Kompanien des Bürgermilitärs auf, dort begrüßte der grei- 2 Vorarlberger Nachrichten 26.2.2009. Beraterteam aus Historikern für se Bürgermeister Kessler Roschmann. Die Bevölkerung, von Planung. Kneringer als „die gut dressierten Landsleute“ bezeichnet, 3 Karl Heinz Burmeister, Die bayerische Verwaltung in Vorarlberg, in: jubelte beiderseits der Straße. Nach Begrüßungsgedicht, Neue Perspektiven 1809, hg. von Gerhard Wanner. Lochau 1985, Lied, Salven und Böllerschüssen kehrten die Honoratioren S. 57-65, hier S. 58. Eberhard Weis, Das neue Bayern – Max I. Joseph, in das direkt an den Nikolaiturm anstoßende Hotel „Zur gol- Montgelas und die Entstehung und Ausgestaltung des Königreichs denen Krone“ ein. Ein Mädchen, das ein pathetisches Ge- 1799 bis 1825, in: Krone und Verfassung. König Max I. Joseph und der dicht vortrug, soll Roschmann zu Tränen gerührt haben. In neue Staat. Beiträge zur Bayerischen Geschichte und Kunst, hg. von der Neustadt, vor dem Hotel, stellten sich Gruppen aus dem Hubert Glaser (Wittelsbach und Bayern 3/1). München 1980, S. 49-64,

Seite 152 hier S. 54. In der Literatur wird dies als Aktion dargestellt, die auf reine 22 VLA, Landgericht (fortan: LG) Feldkirch, Sch 39, Polit. 4022/1813. Initiative Gravenreuths zustande gekommen sein soll. Dies scheint ( Häuser) und Polit. 4263/1813. (Bevölkerung). zweifelhaft. 23 Joseph von Hörmann, Zur Jurisdiktionsnorma für Tirol und Vorarlberg. 4 Burmeister, Bayerische Verwaltung (wie Anm. 3), S. 58. Innsbruck 1797, S. 6 und Fußnote 10. Exemplar in der Bibliothek des 5 Andreas Ulmer, Die Burgen und Edelsitze Vorarlbergs und Tiroler Landesmuseum Ferdinandeum, FB 2805, eingesehen. Liechtensteins. Dornbirn 1925, S. 882. 24 VLA, Vorarlberger Akten, Sch 6, Nr. 111. Bregenz hatte 6 Stadträte und 6 Ferdinand Hirn, Vorarlbergs Herrscherwechsel vor hundert Jahren, in: 19 Ratsbedienstete. Fünfter Jahresbericht der k.k. Oberrealschule in Dornbirn. Dornbirn 25 Ulrich Nachbaur, Von den Ständen zu den Gemeinden (Verba volant Nr. 1906, S. 5-7. 42), S. 5. 7 Alois Niederstätter, Dr. Joseph Ganahl von Zanzenberg, in: Dornbirner 26 RBl. 1808, Sp. 2405. Schriften (1988) 5, S. 31-35. 27 RBl. 1808, Sp. 2407. 8 Über die Feier siehe Hirn, Herrscherwechsel (wie Anm. 6), S. 17–22. 28 RBl. 1808, Sp. 2408. 9 Organisationsedikt in Königlich–Baierisches Regierungsblatt (fortan: 29 Beispiel für Protokollvorlage siehe VLA, LG Feldkirch, Sch 27, Polit. RBl.) 1806, S 432-441. 1919/1811. Bürgerrechtsverleihung siehe Stadtarchiv Feldkirch (fortan: 10 Hirn, Herrscherwechsel (wie Anm. 6), S. 26 – 27; Burmeister, STAF), Einreichungsprotokoll 1810/11, Nr. 5. Bayerische Verwaltung (wie Anm. 3), S. 61. 30 STAF, F I Sch. 83/23. 11 Ferdinand Hirn, Vorarlbergs Erhebung im Jahre 1809. Bregenz 1909, S. 31 STAF, F I Sch. 17/2: Ziegelhütte; 17/7: Fresch und Miete; 17/16:Markt. 31-32. F I 7 a, Akt 17.11.6.1813. STAF, F I Sch 7 A, Akt 16: Stadtkämmerei 12 Vorarlberger Landesarchiv (fortan: VLA), Vorarlberger Akten, Sch 6, Nr. aufgelöst, Kommunaladministration gegründet. STAF, F I 7 A, Akt 9: 111, Nr. 91,5 Ulm 24.7.1807 und 91/188 Bregenz 6.8.1807; Sch 49, Nr. Rechnungslegung Holzmeister, Ziegel- und Kalkmeister. 620. VLA, Vogteiamt, Oberamt und Kreisamt Bregenz (fortan: VOKA) 32 STAF, F I Sch 84, Akt 6. Sch 245, Publ. 1020 /1807. Einführung Eberle 12.10.1807. Heute erinnert 33 STAF. F I Sch 22 c/2. Einreichprotokolle 1810/11, Nr.64, 75. 1811, 184. noch der alte Kamin im Bauamt an die Wohnung. 34 VLA, VOKA, Sch 245, Publ. 70/1807. 13 VLA, Vorarlberger Akten, Sch 6, Nr. 111, Nr. 3079, 5982 Bewerbung. 35 Die Brüder Georg, Maximilian und Christoph Gugger sollen durch Dokument Nr. 91/188; Sch 49, Nr. 620. VLA, Kreisamt 1, Publ. 252/1808. Bestechung zu ihren Posten gekommen sein. Georg war Rentmeister in 14 Über die Gilm von Rosenegg siehe Manfred Tschaikner, Die Feste Bürs, die Immenstadt, Maximilian Landrichter in Schruns. Hirn Erhebung (wie Balme Hohlenegg und das Schloss Rosenberg – zur Geschichte der Burgen Anm. 11), S. 32. von Bürs, in: Bludenzer Geschichtsblätter (2009) 90/91, S. 3-27, hier 36 VLA, VOKA, Sch 245, Akt Publ.1210/1807. S. 18-19; Vorarlberger Volksblatt 5.5.1888, Nachruf Ferdinand von Gilm. 37 STAF, Einreichungsprotokoll 1811, Nr. 81. 15 VLA, Vorarlberger Akten, Sch 49, Nr. 620: Protokoll 5.8.1807. 38 VLA, LG Feldkirch, Sch 159, Praes. 1085./1811. 16 VLA, VOKA, Sch 245, Publ. 1193/1807. 39 200 Jahre Feldkircher Presse. Vom „Feldkircher Wochenblatt“ zum 17 VLA, VOKA, Sch 245, Nr. 247, 16.9.1807. „Feldkircher Anzeiger“, in: Feldkirch aktuell, Februar 2009, 1, S. 50–52. 18 VLA, VOKA, Sch 246, Publ. 626/1808; RBl.1806, S. 440. 40 VLA, Bayerische Akten, Sch 15, Polit.848/1808. 19 VLA, Bayerische Akten, Sch 18, Publ.1016/1808/09.: Brief Gugger 41 Eberhard Tiefenthaler, Die Vorarlberger Publizistik um das Jahr 1809, 13.1.1809; RBl. 808, Sp. 2809, § 26. in: Neue Perspektiven 1809, hg. von Gerhard Wanner. Lochau 1985, 20 VLA, VOKA, Sch 246, Publ. 296/1808, Nr. 5329; VLA, Bayerische Akten, S. 67-79, hier S. 76–77. Sch 18, Publ. 1013/1807; RBl. 1807, Sp. 557. 42 Christoph Vallaster, Schlagzeilen. Kleine Vorarlberger Pressegeschichte 21 RBl. 1806, 49. Stück, 3.12.1806. Beilage: Ausweis über den (Ländle-Bibliothek 4). Dornbirn 1985, S. 43-47. Flächeninhalt, die Eigenschaften der Orte und die Population des 43 VLA, LG Feldkirch, Sch. 37, Polit. 1603/1813. VLA, Bayerische Akten, Sch. königlich-baierischen Landes Vorarlberg. 20, Polit.1345/ 1812, Dokument Nr. 16.

Seite 153 44 Eberhard Tiefenthaler, Vorarlberger Kriegslyrik der Franzosen- und 58 Ulmer/Getzner, Dompfarre St. Nikolaus (wie Anm. 46), S. 361-364. STAF, Bayernzeit in: Neue Perspektiven 1809, hg. von Gerhard Wanner. F I Sch. 17. Lochau 1985, S. 35-48, hier S. 35-44. Abdruck der Druckwerke 1814 bei 59 STAF, F I, Sch .26 b/ Akt 19 und 20. Renate Wagner, Würde, Glanz und Freude. Vom festlichen Leben und 60 VLA, LG Feldkirch, Sch. 27, Polit. 2512/1811., und Sch 28, ,Polit. Treiben in den Zeiten. Graz/Wien/Köln 1981, S. 115–117. 2838/1811. 45 Glanz und Ende der alten Klöster, hg. von Josef Kirmeier/Manfred 61 Ulmer/Getzner, Dompfarre St. Nikolaus (wie Anm. 46), S. 515-516. STAF, Treml. München 1991; Margit Kager, Das Kloster Mehrerau im 18. Einreichungsprotokoll 1812, Nr. 156. Beim Bau des Illparkes kamen die Jahrhundert. Diplomarbeit Universität Innsbruck 1985, S. 38, 68–71. Fundamentmauern der Kirche zum Vorschein. 46 Andreas Ulmer/Manfred A. Getzner, Die Geschichte der Dompfarre St. 62 STAF, F I Sch 138, Akt 14. Nikolaus Feldkirch, Bd. 1. Feldkirch 1999, S. 390-391. 63 STAF, F I Sch 138, Akt 14. 47 STAF, F II Sch 64/2. Magistratsakten 1812. 64 Heydenreuter, Tirol (wie Anm. 52), S. 143-145. 48 VLA, Bayerische Akten, Sch. 15, Akt Nr. 6, 1807. Ferdinand Hirn, 65 STAF, F I Sch 139, Akt 13. B‘ üs im Krumbach. Eine Gemeinde aus dem Widerstandsversuch gegen die kirchenpolizeilichen Verordnungen der Vorder Bregenzerwald stellt sich vor. Krumbach 1999, S. 29-32; Der josephinischen und bayerischen Zeit in Götzis, in: Archiv für Geschichte Weiberaufstand in Krumbach, in: Vorarlberger Volks-Kalender 1894, S. und Landeskunde Vorarlbergs 2 (1905/06) 7, S. 49-54. 26-34; Ulrike Längle, „Tolle Weiber“. Theaterstück über den Aufstand 49 VLA, Bayerische Akten, Sch 15, Polit.817/1808. der Krumbacherinnen 1807 gegen die Bayern, in: Kultur. Zeitschrift für 50 Elmar Schallert, Geschichte des Bistums Feldkirch. Strassburg 1999, S. Kultur und Gesellschaft 22 (2007) 6, S. 50-51. 23. Mette siehe STAF, F I Sch 138, Akt 15. 66 STAF, Einreichungsprotokoll 1807,20.1.1807. 51 Meinrad Pizzinini, Die bayerische Herrschaft in Tirol, in: Krone und 67 VLA, VOKA, Sch. 245, Publ. 1715 C, B/1807 Auf den Listen finden sich Verfassung. König Max I. Joseph und der neue Staat. Beiträge zur immer zwei Angaben: der aktuell zu stellende und ein von früher zu Bayerischen Geschichte und Kunst, hg. von Hubert Glaser (Wittelsbach stellender Rekrut. und Bayern 3/1). München 1980, S. 254-259, hier S. 257. 68 VLA, VOKA, Sch 245, Liste o. Sign. 52 Hans Schmid, Meran, Residenz des Bischofs von Chur 1800-1807, in: 69 STAF, Einreichungsprotokoll 2 ,1807, 31.12.1806, 3.1., 13.5., 3.2.1807. Schlern 26 (1952) 7/8, S. 307-309, hier S. 309; Reinhard Heydenreuter, 70 STAF, Einreichungsprotokoll 1808, 3.5.1808. Tirol unter dem bayerischen Löwen. Geschichte einer wechselhaften 71 VLA, LG Feldkirch, Sch. 21, Polit. 1210/1810. Beziehung. Regensburg 2008, S. 153-154; Schallert, Bistum (wie Anm. 72 STAF, F II Sch. 83, Akt 1. 50), S. 23. 73 STAF, Einreichungsprotokoll 2, 17.1., 10.4., 9.5.1807; VLA, LG Feldkirch, 53 Gerhard Podhradsky, Pfarrgeschichte: Kirchen, Pfarrer, Bruderhof und Sch. 176, Präs. 75/1810. Kloster, in: Altenstadt. Eine Dorfgeschichte. Feldkirch 1997, S. 323 - 383, 74 VLA, LG Feldkirch, Sch 25, Polit. 963/1811. STAF, Einreichungsprotokoll hier S. 360-361. 1819/11, Nr.118. Sozialunterstützung für Familie Ossi in VLA, LG 54 Ulmer/Getzner, Dompfarre St. Nikolaus (wie Anm. 46), S. 206-207. Feldkirch, Sch. 31, Polit. 1521/1812. 55 Schallert, Bistum (wie Anm. 50), S. 23. 75 RBl. 1808, Sp. 2348-2350: 13. Linien Infanterie Regiment. Sp. 2735- 56 Christoph Volaucnik, Das Kapuzinerkloster Feldkirch – im Spiegel 2738. archivarischer Quellen, in: Das Kapuzinerkloster Feldkirch. Festschrift 76 Christoph Volaucnik, Tosters von 1500 bis 1914, in: Tosters. Eine 2007 (Rheticus 29 [2007] 3), S. 22-55, hier S. 52-55; Heydenreuter, Tirol Dorfgeschichte, S. 89-158, hier S. 141. (wie Anm. 52), S. 152. 77 Sterbebuch Pfarre Altenstadt. Mikrofilm in Stadtbibliothek Feldkirch. 57 VLA, LG Feldkirch, Sch. 26, Polit. 1809/1811. Karlheinz Albrecht, Aus der Vorarlberger Volksblatt 25.11.1879. Vergangenheit des ehemaligen Siechenhauses, in: Vollversammlung 78 STAF, F II Sch 64/2, Dokument 70. 2008. Agrargemeinschaft Altenstadt, Feldkirch 2008, S. 32-40, 79 STAF, F I, Sch 84/III,3. Akt 1006, Nr.31. hier S. 38.

Seite 154 80 STAF, F I, Sch 17-30, 1813 und 17-11. In dem einen Dokument wird der 99 „Verzeichniß über die Begebenheiten der Vorarlbergischen Geiseln, die Exerzierplatz auf der Flur „unter dem Kapf“, im anderen auf der Flur sich von Hause bis ins Frankreich und im selben zugetragen haben.“ „Tostnerau“ lokalisiert. In: Vorarlberger Volksblatt 6.6, 13.6., 20.6., 23.6.1871. 81 VLA, LG Feldkirch, Sch 33, Polit. 3430/1812. 100 Gerhard Winkler, Die Geschichte des Feldkircher Gymnasiums von 1773 82 VLA, LG Feldkirch, Sch 36, Polit. 1259/1813. bis 1856, in: Jahrbuch Vorarlberger Landesmuseumsverein 2006/07, S. 83 VLA, LG Feldkirch, Sch 31, Polit. 1371/1812. 79-161, hier S. 85-88. 84 RBl. 1807, Sp. 657 ff. 101 Christoph Volaucnik, Das Feldkircher Gymnasium in den Jahren 1806 bis 85 STAF, Einreichungsprotokoll,9.6.,6.8.,10.6.,12.10.,7.12.1808. 1848, in: Alemannia studens (2000) 10, S. 58-60. Einreichungsprotokoll 1811, Nr. 173. Offiziersliste und Kompanieliste 102 Intelligenzblatt 1813, Sp. 287-290, 805-815. Am bekanntesten sind siehe: Addreßkalender oder Taschenbuch des Illerkreises für das Jahr Sylvester Hammerer und Johann Nepomuk Ebner, die österreichische 1812. Kempten 1812, S. 36 und Addreßkalender 1809, S.36. Spitzenbeamte wurden. 86 VLA, LG Feldkirch, Sch 28, Polit. 3096/1811. Vorfall mit Gewehr in Sulz. 103 Winkler, Gymnasium (wie Anm. 100), S. 87. Sch 35, Polit. 306/1813. Der Arzt Dr. Franz Joseph Griß behielt sein 104 Helmut Engelbrecht, Geschichte des österreichischen Bildungswesens, Gewehr für die Jagd . Bd. 3. Wien 1984, S. 244-259. 87 VLA, LG Feldkirch, Sch 24, Polit 2774/1810.16.9.1810. 105 VLA, Vorarlberger Akten, Nr. 399. 88 Oskar Bezzel, Geschichte des Königlich Bayerischen Heeres unter König 106 Christoph Volaucnik, Das Feldkircher Gymnasium von 19´848 bis 1918, Max I. Joseph von 1806 (1804) bis 1825. München 1933, S. 108-113. in: Festschrift 350 Jahre Gymnasium Feldkirch, hg. von Harald Walser. Freundlicher Hinweis des Bayerischen Hauptstaatsarchiv, Kriegsarchiv, Feldkirch 1999, S. 65-86, hier S. 72. vom 15.10.2002. 107 VLA, Bayerische Akten, Sch. 84, Landesorganisation 1806/07. 89 STAF, F I, Sch. 83, Akt 38, 1813. 108 Erich Somweber, Abschied vom alten Kammergebäude in der 90 VLA, LG Feldkirch, Sch 75, Polit. 32/1820. Schlossergasse, in: Feldkircher Anzeiger 19.6. und 26.6.1954; VLA, LG 91 STAF, F I, Sch 83, Akt 38. 12.12.1813: Jägerkorps geplant. 4.12.1813: zwei Feldkirch, Sch 27, Polit. 2212/1811. Sch 31, Polit. 1350/1812; Feldkircher Husaren stellen. Wochenblatt 15.9.1812, S. 307: Inserat Ganahl. 92 RBl. 1814, Sp.1041-1045; Königlich-Baierisches Allgemeines 109 VLA, LG Feldkirch, Sch. 29, Polit. 73/1812.: Handel mit „Zitz“. Intelligenzblatt (fortan: Intelligenzblatt) 1813, Sp. 829–834. Die 110 STAF, F II Sch. 64/2. „außerhalb des bürgerlichen Verbandes“ stehenden Personen, 111 VLA, LG Feldkirch, Sch. 158, Präs. 2575/1812. vermutlich Beisäßen und Diener, spendeten ebenfalls 78 Gulden. 112 VLA, LG Feldkirch, Sch 176, Präs. 218/1810. 93 RBl. 1814, Sp. 713-717; Montafon in RBl. 1814, S. 797-798; Sonnenberg 113 VLA, Bayerische Akten, Sch 15, Nr. 845. in RBl., Sp.806-807; Landgericht Feldkirch in Intelligenzblatt, Sp. 830. 114 VLA, Bayerische Akten, Sch 14, Nr. 741. 94 VLA, LG Feldkirch, Sch 75, Polit. 32/1820. Ein Widerspruch gibt es 115 VLA, Gericht Rankweil–Sulz, Sch 12, Akt 468. bezüglich der Anzahl der Kompanien. Am 6.1.1814 wird festgestellt, 116 VLA, Vorarlberger Akten, Nr. 503: Getreidepreise. Das Getreide wurde dass anstatt der drei nur zwei Füsilierkompanien bestehen. Am übrigens in drei Qualitätsklassen unterteilt. 14.6.werden im I. Bataillon zwei und im zweiten Bataillon eine weitere 117 STAF, F I Sch 84, Akt I/2,29. 24.3.1814. Kompanie angegeben. 118 Manfred Tschaikner, Das „ehrsame Handwerk“ zu Schnifis, Düns und 95 RBl. 1808, Sp. 2009. Dünserberg. Die Geschichte der Zunftlade und ihre Personenstands- 96 Ferdinand Hirn, Erhebung (wie Anm. 11), S. 93. verzeichnisse (1725-1837). Nenzing 2008, S. 24-26. 97 Ebenda, S.207, 226, 233, 261. 119 VLA, Bayerische Akten, Sch 14, Nr. 759 und 760; VLA, Vorarlberger Akten 98 Andreas Ulmer, Die Schützenscheiben des Hauptschießstandes Nr. 386. Feldkirch. Dornbirn 1932, S. 60-61. 120 STAF, F II Sch 64/2. 121 VLA, LG Feldkirch, Sch 23, Polit. 2160/1810.

Seite 155 122 VLA, LG Feldkirch, Sch 22, Polit. 1709/1810. 145 Zitiert nach Tiefenthaler, Kriegslyrik (wie Anm. 44), S. 42-43. 123 VLA, LG Feldkirch, Sch 30, Polit. 845/1812. Christoph Volaucnik, 146 STAF, F I,26b-30; VLA, Bayerische Akten, Nr. 867. Traditionelle Feldkircher Unternehmer. Schlosser Köb und Goldschmied 147 STAF, Einreichungsprotokoll 1808, 24.7.1808. Himmer, in: Rheticus 27 (2005) 4, S. 70-88. 148 STAF, Einreichungsprotokoll 1808, 17.11.1808. 124 VLA, LG Feldkirch, Sch 28, Polit. 2742/1811. 149 VLA, Bayerische Akten, Nr. 796: Unterstützungen, Dokument Nr. 125 VLA, LG Feldkirch, Sch 25, Polit. 1253/1811. 1699 vom 28.11.1813. STAF, FI Sch 38 A, Mappe 17: Sammelakt 126 STAF, Einreichungsprotokoll 1808,1.2. und 3.5.1808. STAF, F I, Sch 138, Spitalsaufnahmen. Akt 3. 150 VLA, Bayerische Akten, Nr. 796: Unterstützungen 1812. 127 STAF, Einreichungsprotokoll 1808, 11.5.1808. 151 Ferdinand Hirn, Vorarlberg vor dem Heimfalle an Österreich, in: Archiv 128 STAF, F I, Sch 139, Akt 31. für Geschichte und Landeskunde Vorarlbergs 11 (1915), S. 1-19, hier S. 129 STAF, F I, Sch 26 b, Akt 20. Gugger 25.5.1808. 2, 11, 12-14, 17. 130 STAF, Einreichungsprotokoll 1808, 19.5., 1.6., 4.6., 6.6., 29.11.1808. 152 Wagner, Würde (wie Anm. 44), S. 110–117. STAF, FI Sch 138, Akt 10. Hannes Liener, Beiträge zur Geschichte des 153 Karlheinz Albrecht, Beiträge zur Geschichte Feldkirchs vom Jahre 1814 Salzhandels der Stadt Feldkirch. Hausarbeit Universität Innsbruck bis zum Ausbruch des Ersten Weltkrieges. Diss. Universität Innsbruck 1982, S.108; Gerhard Wanner, Feldkircher Theater im 19. Jahrhundert 1977, S. 42-43; Hirn, Heimfall (wie Anm. 151), S.19. (Schriftenreihe der Rheticus-Gesellschaft 2). Feldkirch 1977, S. 7. 154 Aloys Kneringer, Feyerlichkeiten in Feldkirch, 1814, zitiert nach 131 Heydenreuter, Tirol (wie Anm. 52), S. 125-126. Albrecht, Beiträge (wie Anm. 153), S.43-44. 132 VLA, LG Feldkirch, Sch 25, Polit. 1014/1811. Sch 26, Polit.1885/1811. Sch 29, Polit. 391/1812. VLA, Bayerische Akten, Nr. 860. 133 VLA, LG Feldkirch, Sch 33, Polit. 2107/1812 und Polit. 2127/1812; RBl. 1814, Sp. 445; STAF, F I Sch 84 III/1. 134 VLA, LG Feldkirch, Sch 25, 1811, Polit. 1208/1811, Polit. 1014/1811. 135 STAF, F I Sch 139, Akt 27. 136 Festschrift Ein Jahrhundert Freiwillige Feuerwehr Feldkirch-Stadt. Feldkirch 1951, S. 13. 137 Klaus W.O. Gnaiger, Vorarlberg zur Bayernzeit. Hausarbeit Universität Salzburg 1977, S. 120-121; Rupert Tiefenthaler, Am Anfang war’s nur Feuer. Die Vorarlberger Landes-Versicherung und die Geschichte des Feuer-Versicherungswesens in Vorarlberg. Bregenz 1995, S. 17-22. 138 STAF, Handschrift 106. 139 Tiefenthaler, Feuer (wie Anm. 137), S. 20. 140 Sieglinde Amann, Armenfürsorge und Armenpolitik in Feldkirch von 1814 – 1914 (Schriftenreihe der Rheticus-Gesellschaft 34). Feldkirch 1996, S. 15-19. 141 Gnaiger, Vorarlberg (wie Anm. 137), S.116-117. J.G., Wie die bayrische Bureaukratie das Armenwesen zu regeln gedachte, in: Vorarlberger Volksblatt 20.10.1897 (J.G. steht vermutlich für Pfarrer Josef Grabherr). 142 STAF, F I, Sch 26 b-30, Brief 20.11.1808. VLA, Bayerische Akten, Nr. 867. 143 STAF, F I, Sch 26 b - 17 144 STAF, F I Sch 139, Akt 8.

Seite 156 Vortrag auf Einladung der Marktgemeinde Rankweil; Rankweil, Rathaus 26. Mai 2008 Alois Niederstätter (geb. 1955 in Bregenz), Dr. phil., a. o. Univ.-Prof., leitet seit 2001 das Vorarlberger Landesarchiv

Von Dorfvögten und Bannwarten

Die Entwicklung „kommunaler“ Strukturen in Vorarlberg seit dem Mittelalter Alois Niederstätter

Gemeindegeschichte, Ortsgeschichte boomt in Vorarlberg Auch für die sieben Jahrhunderte des frühen und hohen Mit- schon seit Langem, eine große Zahl von Heimatbüchern telalters sind die Spuren mehr als spärlich: Die so genannte legt Zeugnis vom Bedürfnis, die Entwicklung des engeren „Lex Romana Curiensis“ – eine aus der ersten Hälfte des Umfelds im historischen Längsschnitt zu dokumentieren. 8. Jahrhunderts stammende Aufzeichnung weströmischen Den räumlichen Rahmen für derlei Untersuchungen gaben Vulgarrechts – kennt nur eine Einteilung des Landes in und geben fast durchwegs die modernen Gemeinden ab überörtliche Gerichtssprengel, unter dieser Ebene jedoch bzw. jene, die auf der Grundlage des bayerischen Gemein- keine siedlungsbezogenen Verwaltungsstrukturen. deedikts von 1808 – dem Anlass heuriger 200-Jahr-Feiern – entstanden sind. Erste Anhaltspunkte für das südliche Vorarlberg bietet schließlich das wohl 842/43 niedergeschriebene Chur- Wenn wir heute von „Gemeinde“ sprechen, meinen wir die rätische Reichsgutsurbar. Es stellte jene Besitzungen zu- „politische Gemeinde“, diejenige Gebietskörperschaft, sammen, auf die das fränkische Königtum unmittelbaren die im öffentlich-verwaltungsmäßigen Aufbau von Staaten Anspruch erhob. Für den Drusentalgau – den pagus vallis die kleinste räumlich-administrative, also politisch-geo- Drusianae – überliefert es folgende identifizierbare Orts- graphische Entität ist und in Österreich, mit hoheitlicher bzw. Siedlungsnamen: Rankweil (in der romanischen Form Gewalt ausgestattet, eigene wie auch übertragene Auf- Vinomna), Sulz, Montlingen, Göfis, Feldkirch (gemeint ist gaben erfüllt. Das gilt ebenso in historischer Sicht: Bloße Altenstadt), Röthis, , Frastanz, Beschling, Sat- Siedlungsverbände, auch wenn sie in wirtschaftlicher teins, Nenzing, , Schnifis, Düns, Thüringen, Blu- Hinsicht – vor allem in Hinblick auf die Flurnutzung – Ord- desch, Nüziders, , Bludenz und Bürs. nungsstrukturen entwickeln, waren daher aus diesem mo- dernem Blickwinkel keine Gemeinden. Davon werden als „villa“, als dörflicher Siedlungsverband, Rankweil, Sulz, Röthis, Montlingen, Göfis, Feldkirch, Sat- Im ursprünglichen Wortsinn bezeichnet „Gemeinde“ aller- teins, Schlins, , Ludesch, Nüziders und Bludenz dings überhaupt etwas anderes: nämlich, da man nicht bezeichnet. Frastanz war ein Königshof („curtis“), eine flächenhaft, sondern in Personenverbänden dachte, die zentrale, wohl beträchtliche Teile der Siedlung umfassende Gesamtheit aller vollberechtigten Mitglieder einer Gemein- Gutseinheit mit direkt bewirtschaftetem Salland und ab- schaft bzw. deren Versammlungen. Da wir in den Quellen hängigen Bauernstellen („Hufen“, „mansi“). Eine weitere somit auf eine enorme Vielfalt von „Gemeinden“ unter- große Einheit Königsguts befand sich in Beschling, das als schiedlichster Ausprägung stoßen, scheint es kaum sinn- „locus“, als eine Art Außensiedlung, bezeichnet wird. Sat- voll, den Fokus auf jene Erscheinungsformen zu verengen, teins, Rankweil, aber auch Schlins verfügten zudem über die sich mit dem heutigen Begriff der politischen Gemeinde einen „fundus“, ein dem Dorf in wirtschaftlicher Hinsicht irgendwie in Einklang bringen lassen. zugehöriges Umland, in dem auch weitere Siedlungsnamen aufscheinen können. Das Pendant zum romanischen „fun- Dörfer, dorfähnliche Siedlungen gab es in Vorarlberg be- dus“ des Südens scheint die Mark („marcho“) im aleman- reits in ur- und frühgeschichtlicher Zeit sowie während der nischen Norden gewesen zu. römischen Epoche. Äußerungen über deren Organisation, über Amtsträger oder gar Formen „kommunaler“ Mitbe- Das Reichsgutsurbar wie auch die wenigen, aus der Zeit stimmung, wie sie sich gelegentlich in der regionalge- vor der Jahrtausendwende überlieferten Urkunden zeigen, schichtlichen Literatur finden, sind freilich reine Spekula- dass es einerseits unterschiedliche Qualitäten von Grund- tion fernab jedweder Quellenbasis. besitz gab: Königsgut, das zum Teil als Lehen ausgege-

Seite 157 Flurkarte des Hofes St. Johann- Höchst 1770 (Gabriel Walser)

Flurkarte des Hofes St. Johann-Höchst 1770 (Gabriel Walser) ben war, Großhöfe geistlicher wie weltlicher Grundherren, chen, die im konkreten Fall als Verhandlungsgrundlage bäuerliches Privateigentum mit höchst unterschiedlichen dienten – insbesondere dann, wenn die örtlichen Besitz- Betriebsgrößen, darunter Großgrundbesitz, wie auch Besitz verhältnisse kompliziert waren, die Betriebsformen und in mehreren Orten, außerdem gemeinschaftlich bzw. von -größen stark differierten. Das war insbesondere im Vorder- Anteilern genutzte Güter. land der Fall. Über irgendwelche dörflichen Verwaltungs- strukturen erfahren wir freilich bis ins 14. Jahrhundert rein Ebenso heterogen waren die rechtlichen Bindungen der gar nichts. Dorfbewohner, die Vasallen des Königs sein konnten, freie Grundbesitzer, grundherrliche Hintersassen oder auch an Zu relevanten Strukturelementen des Gemeinschaftslebens Höfe gebundene unfreie Knechte. entwickelten sich jedenfalls die Kirchen, von denen jene, die den Zehnt bezogen, als Pfarrkirchen gelten. Da diese Dass sich daraus noch in merowingischer Zeit stabile, die nach und nach das Monopol für den Empfang der Sakra- Jahrhunderte überdauernde „Dorf- oder Ortsgemeinden mente sowie für den sonntäglichen Messbesuch erlangten, mit Dorfhäuptern und untergeordneten Organen“ geformt formierten sie einen ihnen zugehörigen Personenkreis, hätten, ist ein in rechtshistorischen Denkmodellen des 19. der in weiterer Folge auch für die politische Raumbildung Jahrhunderts fußender Anachronismus. Zwar erforderte wirksam werden sollte. Es entstanden „Kirchspiele“, die eine durchaus komplexe landwirtschaftliche Nutzung der zunächst als Personenverbände der Kirchgenossen organi- Flächen mit Ackerbau, Vieh- und Milchwirtschaft im Mehr- siert waren, sich aber in weiterer Folge zu flächenhaft defi- stufenbetrieb sowie mit Weinbau bereits ein beträchtliches nierten Sprengeln entwickelten. Darauf wird noch zurück- Maß an Koordination, doch lernt die Geschichtswissen- zukommen sein. schaft allmählich, dass die vorindustriellen Gesellschaften auf diesem Gebiet höchst pragmatisch, primär mit infor- Im nördlichen Rheintal wirkte offenkundig die sogenannte mellen, sich rasch wandelnden Systemen agierten. Deshalb „Villikations- oder Fronhofverfassung“ stärker struktur- bieten die ohnehin seltenen Urkunden nur Momentaufnah- bildend als im Süden. Das Zentrum solcher zweigeteilt ver- men, die keine Allgemeingültigkeit beanspruchen können. fasster Grundherrschaften bildete ein zentraler Herrenhof Selbst die von der älteren Rechtsgeschichte so geschätzten mit ausgedehntem, von zahlreichen unfreien Hofhörigen normativen Quellen erweisen sich als Kataloge von Ansprü- direkt bewirtschaftetem Salland. Solche Fronhöfe nannte

Seite 158 man hier hierzulande „Meier-“ oder „Kellhöfe“. Sie hatten auf der übergeordneten Ebene der Gerichte ab, während ihren Namen von den Amtsträgern, die sie im Auftrag ih- den dörflichen Siedlungsverbänden nur sehr beschränkte rer Herrschaft leiteten, dem „Meier“ („villicus“) oder dem Kompetenzen zugebilligt wurden. Im Gegensatz zum Süden „Keller“ („cellarius“). Dazu kamen – gleichfalls im Hofver- des Landes wurden dort auch keine Dorfordnungen kodifi- band – die an abhängige Bauern gegen Abgaben und Fron- ziert. dienste zur eigenständigen Bewirtschaftung ausgegebenen Bauerngüter, die man Huben nannte. Auch die Gerichts- Als Beispiel kann etwa das Gericht Hofsteig dienen, das barkeit über die dem Hof zugehörigen Menschen kam der die Ortschaften Hard, , , Schwarzach, Grundherrschaft zu. Musterbeispiele dafür sind die beiden Buch und umfasste. Es war Instanz der Rechtspre- gräflichen Höfe Rieden und Steig, die den späteren Gerich- chung in zivilrechtlichen Angelegenheiten, bei Delikten, ten Hofrieden sowie Hofsteig den Namen gaben und denen die mit Geldstrafen bedroht waren, sowie der freiwilligen sie hinsichtlich ihrer Ausdehnung auch annähernd ent- Gerichtsbarkeit, vor allem wenn es um den Abschluss von sprochen haben dürften. In geistlicher Hand waren unter Verträgen und um ähnliche Rechtsgeschäfte ging. Dazu ka- anderem der Doppelhof St. Johann-Höchst/St. Margrethen, men zahlreiche Verwaltungsaufgaben, die das Gericht zur der zur Ausstattung der Abtei St. Gallen gehörte, oder der eigentlichen Gemeindeobrigkeit machten. Es übte die Flur- gleichfalls zunächst st. gallische, dann zwischen den Klö- und Wegepolizei aus, regelte die Nutzung der Allmenden, stern Weingarten und Hofen aufgeteilte Hof Dornbirn. Für es hob Steuern und Abgaben ein, erließ Verordnungen in kommunale Strukturen, für Selbstverwaltung auf dörflicher Gemeindeangelegenheiten und hatte legislative Rechte. Ebene boten diese Höfe keinen Raum. Das örtliche Gewohnheitsrecht wurde im so genannten Ein ähnlich geschlossenes System bildete im Süden Vorarl- „Landsbrauch“ festgehalten, der das Hofsteiger Erbrecht, bergs der dem Kloster Einsiedeln gehörende Hof St. Gerold. Bestimmungen über die Besetzung der Ämter und die Aller Grund und Boden im Hofgebiet war Klostereigen- Amtseide sowie straf- und zivilrechtliche Normen zusam- tum, das zur Bewirtschaftung gegen bestimmte Abgaben menstellt. verliehen wurde. Die Hofleute waren durchwegs dem Hof zugeordnete Leibeigene mit den üblichen Pflichten und Dementsprechend bescheiden präsentieren sich die Beschränkungen der persönlichen Freiheit. Als Organe der Verwaltungsstrukturen in den einzelnen Dörfern des Ge- Grund- und Leibherrschaft amtierten der Propst und der von richts Hofsteig. Zwei Männer, die die Quellen als „Dorf- diesem bestellte Keller, in deren Hand alle Funktionen der meister“ oder „Einzieher“ bezeichnen, übten eine Art be- öffentlichen Ordnung vereinigt waren – das Blutgericht al- schränkte Vorsteherschaft aus. Ihre Aufgaben waren das lein ausgenommen, das der Grafschaft zustand. Einheben, Verwalten und Abrechnen dörflicher Abgaben so- wie die Organisation örtlicher Gemeinschaftsarbeiten, wie Intensive grundherrschaftliche Erfassung mit landes- das Grabenöffnen, Wuhren, Erhalten der Wege und Stege. herrlichem Anspruch hatte auch nach der allmählichen Auflösung der in Eigenwirtschaft stehenden Fronhöfe zu- Zentrales Begriffspaar für die Ausübung von Grundherr- gunsten bäuerlicher Grundleihe nachhaltige Folgen für die schaft einerseits, in weiterer Folge jedoch auch für den Auf- regionale Verfassungs- und Verwaltungsgeschichte. Jene bau kommunaler Strukturen – egal auf welcher Ebene – war Kommunalisierungsprozesse, die sich in Vorarlberg seit „Zwing und Bann“. Damit wird das Recht desGrundherrn dem 14. Jahrhundert sehr deutlich beobachten lassen, bezeichnet, Gebote und Verbote zu erlassen bzw. deren spielten sich im nördlichen Vorarlberg fast ausschließlich Missachtung zu ahnden.

Seite 159 Pfarre Rankweil und Umgebung 1810 (Ferdinand Bachmann)

Für das Vorderland beanspruchten die Grafen von Montfort ße der Siedlung abhängigen Zahl so genannter „Geschwo- im frühen 14. Jahrhundert dieses Recht ausdrücklich, wie rener“ bestanden. Der Name stammt von ihrer Vereidigung aus einer Teilungsurkunde von 1319 hervorgeht. Als Graf durch den Landammann. In Rankweil, Sulz, Altenstadt, Göt- Rudolf V. von Montfort-Feldkirch im Januar 1388 aber einen zis, Göfis oder Tisis amtierten jeweils sieben Geschworene Streit zwischen den Kirchgenossen von Rankweil und den als „Siebener“, in Klaus und Röthis „Fünfer“. Im kleinen Leuten von Tufers schlichtete, klang das bereits ganz an- Mäder scheint ein „Vierer“, vielleicht auch nur – zumindest ders: In der darüber ausgefertigten Urkunde wird das Recht zeitweise – ein „Dreier“ bestanden zu haben. Im 18. Jahr- der Rankweiler anerkannt, bestimmte Wälder „in Bann zu hundert hieß es hier in Rankweil, die Gemeinde werde vom legen“ und zur Beaufsichtigung so genannte „Bannwarte“ Säckelmeister, fünf Geschworenen und zwei Bannwarten als eigene Organe einzusetzen. Die Delegation der Ord- „dirigiert“. nungsgewalt nach unten lässt sich zeitlich nicht genauer fixieren, es handelte sich ohne Zweifel um einen längere Meiningen hingegen musste – auch wenn die Bewohner im Zeit währenden Prozess der Emanzipation bäuerlicher Inte- Bedarfsfall als „Nachbarschaft“ korporativ auftraten – ein ressen, nicht aber um einen beurkundeten Rechtsakt. solches Gremium und damit den Status einer Gemeinde bis über das Ende des Mittelalter hinaus entbehren und Während etwa in Hofsteig solche Aufgaben späterhin vom sich in überörtlichen Angelegenheit zu Rankweil rechnen Gericht wahrgenommen wurden, verfestigten sie sich im lassen, das noch 1586 die Banngewalt bis in den Rhein be- Rankweil-Sulzer Sprengel auf der nächst tieferen Ebene anspruchte. Mit dem 1477 erfolgten Bau einer Kapelle und – freilich nicht, wie man annehmen möchte, auf der der der Stiftung einer Kaplaneipfründe durch die Meininger war einzelnen Siedlungsverbände, also der Dörfer. Hier gaben ein erster wichtiger Schritt zur Verselbständigung unter- nämlich in der Regel die Pfarren den Rahmen für die Ge- nommen worden. Nach bevor 1609 die Erhebung zur Pfarre meindebildung ab: Altach und Kommingen gehörten daher erfolgte, scheinen 1586 erstmals Meininger Dorfgeschwore- selbstverständlich zu Götzis. Weitere derartige Gemeinden ne – als „Fünfer“ – auf. Zeitgleich mit der Einrichtung der waren Sulz, Altenstadt, Göfis, Tisis, Klaus und Röthis sowie Pfarre erhielt Meiningen mit dem vom Feldkircher Vogtei- selbstverständlich auch Rankweil samt Brederis und Meini- amt erlassenen „Dorfbrief“ eine Art Gemeindeverfassung, ngen – trotz des Sonderfalls der Ausstattung mit zwei Pfar- die unter anderem Bestimmungen über die Ernennung der ren (St. Peter und Mariä Heimsuchung). Es gab jedoch auch fünf Geschworenen und die Handhabung der Orts- und Flur- Ausnahmen von dieser Regel. Das kleine Tosters war Pfarre polizei enthält. aber keine Gemeinde, Mäder gehörte zwar bis 1654 kirch- lich zu Montlingen, bildete aber wegen seiner Herkunft von An der Spitze des Gremiums der Geschworenen stand der auswärts, aus dem Hof Kriessern, dennoch eine Gemein- Säckelmeister oder „Säckler“, der Gemeindekassier, was de. Um die Sache zusätzlich zu komplizieren, bildete Sulz, auf die Bedeutung hinweist, die man einer geordneten indem es übergeordnet Zwing und Bann auch für Klaus, Finanzverwaltung zumaß. Erstmals lassen sich solche Ver- Röthis, Weiler und beanspruchte, eine die- waltungsstrukturen für das Vorarlberger Oberland im Jahr se Dörfer bzw. Gemeinden umfassende „Großgemeinde“ 1393 nachweisen, als die „aydsweren in jedem kirchspel“ mit eigenen, siedlungsübergreifenden Kompetenzen. genannt wurden.

Den Ortschaften des Gerichts Rankweil-Sulz standen Da sich der Aufgabenbereich der Geschworenen in erster seit dem ausgehenden Mittelalter in den Urkunden auf- Linie auf die Koordination der landwirtschaftlichen Tätig- scheinende Kollegialorgane vor, die aus einer von der Grö- keiten und die Erhaltung der dörflichen Infrastruktur er-

Seite 160 streckte, war ihr einziges Exekutivorgan ein Flurwächter, gemeindtsleuth in der Mäder des taferns halber hinfüran den man „Bannwart“ nannte. Er musste die ordnungs- unangefochten lassen sollen.“ gemäße Flurnutzung überwachen und dafür Sorge tragen, dass nur die Allmendberechtigten ihr Vieh auf die Weide Die Taverne fungierte nicht nur als Wirtshaus und somit trieben. Unerlaubterweise weidende Tiere pfändete er und als dörfliches Kommunikationszentrum ersten Ranges, übergab sie dem Tavernwirt, der sie bis zur Erlegung einer sondern auch als öffentliches Gebäude, in dem Versamm- Geldbuße im Pfandstall behielt. Außerdem wurden Ge- lungen und offizielle Zusammenkünfte stattfanden. Dem meindehirten bestellt, die das Vieh der Dorfgenossen auf entsprechend war der Taverner Wirt und Amtsperson in die Weide trieben. einem. Besonders deutlich wird diese Aufgabe im Bereich der Zwangsgewalt, die die dörflichen Organe besaßen. Als oberstes Organ der Gemeinde trat die Versammlung Wurde etwa Vieh gepfändet, das an unzulässigen Orten der vollberechtigten Gemeindemitglieder, die „Algemain“, weidete, hatte es der Taverner bis zur Auslösung durch den zusammen. Sie wurde einberufen, wenn Wichtiges zu ent- Eigentümer zu verwahren. Über jene Fälle, die die Geschwo- scheiden war, die stimmfähigen Männer – und nur diese renen im Rahmen ihrer Kompetenzen zu bestrafen hatten, – hatten bei Strafe zu erscheinen und mit ihrem „Mehr“ zu urteilten sie im Beisein eines obrigkeitlichen Beauftragten entscheiden. in der Taverne.

Den „Achtzehner“, einen erweiterten Ausschuss, der vor Für das Selbstbewusstsein der Gemeindeleute, insbe- allem über die Grenzen zwischen Eigentum und Gemeinde- sondere der Jugend, war die Existenz einer Taverne sehr besitz zu richten hatte sowie auch über die Anbauordnung wichtig. Im Oktober 1658 erhielten die ledigen Knaben von entschied, gab es in Rankweil, Sulz und Altenstadt. Mäder unter Hinweis auf die nunmehrige Ausstattung mit einer Taverne ausdrücklich das Recht, „hinfüran die kirch- Dass es, um sich als Gemeinde formieren zu können, nicht weihinen so wohl als andere dorfschaften mit einem aigen nur einer eigenen Pfarrkirche bedurfte, zeigt das Beispiel spill“ zu besuchen, also als eigener Verband aufzutreten. von Mäder. Am 26. April 1658 fertigte die Obrigkeit den „Tafern-Brief der gemeindt Mäder“ aus: „Von erzfürstlichem Ähnlich vielschichtig waren die kommunalen Strukturen huebambts wegen wurdet hiemit den gerichts- und dorfs- im benachbarten Gericht Jagdberg. Zum einen konnten geschwornen zu Gözis angefügt, das vor hochlöblicher sich Pfarrsprengel und Gemeinde decken: 1387 schlichte- oberösterreichischer cammer den gemeindtsleuthen in der te Graf Rudolf von Montfort-Feldkirch Weidestreitigkeiten Mäder auf ihr gehorsammes supplicieren underm dato 12 zwischen den Schlinsern („unser leuth in dem kilchspill zue martii negsthin ein aigener tafern, gegen 1 gulden 30 krei- Schlinss“) und den Nenzingern („die leuth in dem kilspill zer jährlich in das huebambt geliferet werden solle, vergun- zue Nenzingen“). 1474 verlieh Herzog Sigmund von Tirol nt, zu solchem ende auf heut dato Hans Bökhlin daselbst- den „Leuten und Kirchgenossen“ von die Alpe en zu einem taferner angenommen und beaidigt worden, Göfis. In diesem Sinn diente die Angabe des „Kirchspiels“, deswegen sie geschworene zu gedachten Gözis bedeute der Pfarre, auch der Lokalisierung von Gütern. Wenn sich

Seite 161 1422 die „Nachbarn und Kirchgenossen“ von Schnifis mit des Dorfs Satteins“, die die Lasten trug und deswegen auch den Söhnen ihres verstorbenen Kirchgenossen Hans Gan- das Patronatsrecht erhielt, sondern ausdrücklich auch Am- tner auf Gampelin wegen Weiderechten verglichen, waren mann und Gericht von Jagdberg beteiligt waren. darin auch die zur Pfarre Schnifis zählenden Leute von Düns und am Dünserberg eingeschlossen. Dagegen han- Der Gemeinde kam für den eigenen Bereich ein Satzungs- delte es bei den „Nachbarn des Dorfs zu Schnifis, reich recht zu. Eine verhältnismäßig frühe Dorfordnung für Rank- und arm“, die 1415 Gemeinderechte veräußerten, um die weil hat sich im Vorarlberger Landesarchiv erhalten. Sie Angehörigen des engeren Schnifner Siedlungsverbands. wurde von den örtlichen Organen, dem Siebener und dem Ebenso entschied der Feldkircher Vogt Freiherr Ulrich von Achtzehner, namens der ganzen Gemeinde am 10. Januar Brandis 1469 einen Streit zwischen „den erberen lüten und 1595 niedergelegt. Da jegliche Form der Beglaubigung wie der ganzen gemaindt zu Tüns“ auf der einen und den Fut- auch ein Hinweis auf den Konsens der Obrigkeit fehlt, dürf- schern, den Inhabern des Guts Futsch am Dünserberg, auf te es sich wohl um eine Richtschnur für die internen Ge- der anderen Seite. Im Jahr 1500 erscheint schließlich Düns brauch gehandelt haben. unter Einschluss von Dünserberg als Gemeinde. Je nach Be- darf und Interessenlage (vor allem in Hinblick auf nutzbare Die Rankweiler Dorfordnung ist, wie bei dieser Quellen- Rechte) formierten sich genossenschaftliche Verbände, für gattung üblich, keine vollständige Kodifikation aller im die Nachbarschaften, Dörfer oder Pfarren den Rahmen ab- örtlichen Bereich geltender Normen, aufgezeichnet wurde gaben. in erster Linie, was aufgrund von Veränderungen, von Un- klarheiten notwendig erschien. Im Zusammenhang damit scheinen auch in den Jagdberger Urkunden des 15. Jahrhunderts vereinzelt Kollegialorgane Im Mittelpunkt stand damals zunächst die Nutzung der auf, die ihre Gemeinschaften nach außen vertraten sowie Gemeindewaldungen, die Schonung von Bannwäldern und lokale Verwaltungsaufgaben erfüllten: 1403 die „aidschwer- bestimmter Baumarten. Diesem Themenkreis sind elf von ren“ (Geschworenen) von Schnifis, 1458 die Dorfvögte von insgesamt 21 Paragraphen gewidmet: Schnifis sowie 1469 wieder fünf Schnifner Geschworene. Es ist zu vermuten, dass die Geschworenen die im Rahmen t &JONBM KµISMJDI LBOO )PM[ BVT EFO #BOOXµMEFSO CF der Pfarre organisierte überörtliche Gemeinde Schnifis re- zogen werden, sofern Siebener und Achtzehner es als präsentierten, während die Dorfvögte im engeren Bereich erforderlich erachten. der eigentlichen Siedlung Schnifis tätig waren. Auch in Nenzing und Frastanz sind solche Geschworenenkollegien t 8FS&JDIFO #JSO "QGFM ,JSTDIVOETPOTUJHF'SŸDIUF nachweisbar. tragende Bäume fällt, wird mit fünf Pfund Pfennig be- straft. Dass die von den Angehörigen der Pfarrsprengel bzw. den Bewohnern von Siedlungsverbänden gebildeten Gemein- t 8FSJOEFO#BOOXµMEFSO5BOOFOoHSP•FPEFSLMFJOFo den nur als beschränkt handlungsfähige, dem Gericht fällt, wird mit zwölf Schilling Pfennig bestraft. nach- bzw. untergeordnete Einheiten fungierten, belegt die 1510 erfolgte Stiftung einer Frühmesspfründe für die neu t 8FSJOEFO#BOOXµMEFSOTillis und Fastayen Buchen fällt, erbaute, den Heiligen Rochus und Sebastian geweihten wird mit fünf Schilling Pfennig bestraft, wenn es sich um Kapelle in Satteins, an der nicht nur die „ganze Gemeinde zweihäuptige Buche handelt, mit zehn Schilling Pfennig bei vierhäuptigen.

Seite 162 t 8FS PC&JOIFJNJTDIFSPEFS"VTXµSUJHFS JN;XJOHVOE Weitere Bestimmungen galten der Nutzung der Feldfluren Bann des Dorfs Rankweil Wildbäume ausgräbt und nach und Weiden: auswärts verkauft, muss für jeden Baum ein Pfund Pfen- nig Strafe zahlen. Viele Güter unterlagen der allgemeinen Viehweide, so etwa die Maiengüter, die im Frühjahr und im Herbst dem Weid- t 8FS4UFDLFO 4UŸDL;BVOIPM[PEFSFJO'VEFS(FS- gang geöffnet werden mussten, widrigenfalls recht hohe ten aus dem Rankweiler Zwing und Bann verkauft, wird Geldstrafen fällig wurden. mit zehn Schilling Pfennig bestraft (jedoch außerhalb des Fronwalds). Das Mähen von Streue vor bzw. am St. Gallentag war verbo- ten. Zäune mussten instand gehalten werden, für jede Lü- t 4DINJFEF #µDLFS 'µSCFSVOE(FSCFSNŸTTFOEBT)PM[  cke wurden drei Schilling Pfennig fällig. Wer seine Schweine das sie zu gewerblichen Zwecken benötigen, aus dem nicht beringte, zahlt ebenfalls Strafe. Ziegen durften vom Fronwald beziehen, widrigenfalls sie mit fünf Pfund Frühling bis zum Herbst nur in den Wäldern weiden. Buß- Pfennig bestraft werden. Hinsichtlich des weiteren Holz- fällig wurde auch, wer über die Marksteine hinaus anbaute, bedarfs sind sie den anderen Gemeindeleuten gleichge- außerhalb der Wege fuhr oder ein Gatter nicht schloss. stellt. Die Erhaltung von Wegen und Stegen sowie der Wuhre er- t 8FSJOEFO(FNFJOEFXµMEFSO)PM[TDIMµHU TPMMBMMFTBC- folgte im Gemeinwerk, wer nicht erschien, zahlte für ein gehauene Holz mitnehmen. eigenes Zugtier zehn Schilling, für ein gemeinsam zu stel- lendes fünf und für den Mann drei Schilling. Ausdrücklich t 8FS[VS8FJIOBDIUT[FJUNFISBMTFJO,MBGUFS)PM[BVG7PS- untersagt war es, Knaben statt erwachsener Männer zum rat hat, soll je Klafter ein Pfund Pfennig Strafe zahlen, Gemeinwerk zu schicken. außer es stammt aus den Fronwäldern. Denkbar knapp sind die Informationen zu den Gemeinde- Auch die folgende Bestimmung gehört dazu: organen. Da heißt es nur, das die Geschworenen – also der Siebener – nach Ablauf der ein- oder zweijährigen Amtszeit t 8FS)BVT 4UBEFMPEFS4QFJDIFSŸCFSEJF(SFO[FOEFT den neuen binnen zwei Monaten Rechnung zu legen haben Rankweiler Zwing und Banns hinaus verkauft, wird mit und dass jährlich vom Siebener und Achtzehner einer neuer fünf Pfund Pfennig bestraft und soll keine Tannen mehr Säckelmeister zu bestellen ist. Aus anderer Quelle ist zu- aus den Gemeindewäldern bekommen. Will er ein neues dem bekannt, dass der Achtzehner durch Tod oder Verzicht Gebäude errichten, hat er das Holz aus den Fronwäldern frei gewordene Stellen mittels Kooptierung besetzte. zu beziehen. Ausführlicher, genauer, jedoch auch bereits stärker obrig- Es war offenbar üblich, mit dem zu Bauzwecken aus den keitlich geprägt ist schließlich jene – knapp 100 Jahre jün- Gemeindewäldern bezogenen Holz mehr oder weniger pro gere – Ordnung, die am 6. Januar 1686 für den gesamten forma Bauten zu errichten, diese dann aber wieder abzurei- Götzner Sprengel in Kraft trat. Sie wurde der Bevölkerung, ßen und die Balken, Bretter etc. dann zu verkaufen. wie damals üblich, in der Kirche vorgelesen und galt damit als publiziert:

Seite 163 Die Satzung umreißt den Aufgabenkreis der Gemeinde umfassend. Sie hatte mit ihren Organen in erster Linie die normgerechte Nutzung der Fluren sicherzustellen sowie einen gleichmäßigen Ertrag für alle Mitglieder der Dorfge- nossenschaft aus jenen Gütern zu gewährleisten, die ent- weder über das ganze Jahr oder nur zu bestimmten Zeiten Gemeindeordnung Götzis 1686 der Gemeindenutzung offenstanden. Es waren dies die Allmende – Gemeindewald und Gemeindeweiden – sowie die „Maiengüter“, Grundstücke die zwar Privateigentum wärts ein, mussten sie bzw. ihre Ehemänner die „Frauen- waren, zu bestimmten Zeiten im Jahr, meist im Mai und Okk- einkaufstaxe“ als Aufnahmegebühr in die Gemeinde erle- tober, der gemeinsamen Weide geöffnet werden mussten. gen. Dafür hatte die Gemeinde – zumindest in der Theorie Außerdem galt es, die verkehrsmäßige Infrastruktur – Wege – auch für ihre verarmten Mitglieder zu sorgen. Einen be- und Stege – sowie die Wasserbauten – vor allem Gräben trächtlichen Teil der Armenversorgung übernahmen freilich, und Wuhre – in organisiertem Gemeinwerk zu erhalten und wie auch in der Gemeindeordnung zum Ausdruck kommt, die Termine für gemeinsame landwirtschaftliche Aktivitäten private mildtätige Stiftungen zugunsten Mittelloser, für de- zu fixieren. Bei Übertretungen dieser Normen besaßen die ren Verwaltung ein eigenes Gemeindeorgan zuständig war. Gemeindeorgane das Recht, Bußen einzuheben. Weil die Geschworenen an den Strafgeldern beteiligt waren, lag Als im Verlauf des 18. Jahrhunderts im südlichen Vorarl- eine strenge Beaufsichtigung des Gemeinwesens in ihrem berg noch eine ganze Reihe von Gemeindeordnungen auff- eigenen Interesse. Die jährliche Neuwahl der Geschwore- gezeichnet wurde, neigte sich das bis ins späte Mittelalter nen sollte Missstände als Folge langer Amtsdauer verhin- zurückreichende System freilich bereits seinem Ende zu: dern. Weil aber die abtretenden Geschworenen jeweils die Ebenso tiefgreifende wie nachhaltige Veränderung brachten Kandidaten für die Nachfolge vorschlagen durften, war es zunächst die maria-theresianischen bzw. josephinischen dennoch möglich, etablierte Machtstrukturen weiter zu er- Reformen. So wurden die Kontrolle der Gemeindefinanzen halten. Gewählt wurden die Geschworenen schließlich von den staatlichen Behörden unterstellt sowie ein Gremium der „Gemeinde“, der Versammlung der hausbesitzenden von zehn Männern, der „Zehner“, installiert, welcher an Männer, die das volle Gemeinderecht besaßen. die Stelle der Gemeindeversammlung trat, die fortan nicht mehr einberufen wurde. Da die Gemeinde Götzis seit 1528 das Patronat über die Pfarre besaß und die Frühmesspfründe eine kommunale Ihr Ende fanden die althergebrachten Gemeinde- wie auch Stiftung war, wählte die Gemeinde die Kirchenpfleger, die Gerichtsverfassungen schließlich zu Beginn des 19. Jahr- das Kirchenvermögen zu verwalten hatten. Auch den Mes- hunderts, nachdem Vorarlberg an das Königreich Bayern ner bestellte die Gemeinde, ebenso den Brunnenmeister, gekommen war und dadurch einen ungeheuren Moderni- den Gemeindehirten sowie den Stiftungs- und den Pfand- sierungsschub erlebte: Erst das bayerische Gemeindeedikt einzieher. von 1808 brachte den endgültigen Übergang vom mittel- alterlichen Personenverband zu territorial abgegrenzten Wer dem Kreis der vollberechtigten Gemeindemitglieder Ortsgemeinden mit staatlichen Aufgaben und einer staat- nicht angehörte, aber in der Götzner Gemarkung samt Al- lich beaufsichtigten Selbstverwaltung. Der Weg zur demo- tach und Kommingen lebte, war ein „Hintersasse“ und kratischen Selbstverwaltung auf kommunaler Ebene sollte entrichtete eine eigene Steuer. Heirateten Frauen von aus- freilich noch sehr weit sein.

Seite 164 Symposium der Verwaltungsakademie Vorarlberg „Die Zukunft der Regionalplanungsgemeinschaften“; Lochau, Schloss Hofen, 11. Juni 2008 Jürgen Weiss (geb. 1947 in Hard), 1991 bis 1994 Bundesminister für Föderalismus und Verwaltungsreform, seit 1979 Mitglied des Bundesrates, seit 1997 ständiger Vizepräsident, im zweiten Halbjahr 2008 Präsident des Bundesrates.

Regionale Zusammenarbeit der Vorarlberger Gemeinden Jürgen Weiss

Wenn man die Zeitungsdatenbank abfragt, wie oft die Der Landesrechnungshof hat daher 2005 in einem Prüf- „Vorarlberger Nachrichten“ in den letzten zwölf Monaten bericht über die Vollziehung des Landesraumplanungsge- der Begriff „Regionalplanungsgemeinschaft“ verwendet setzes angeregt, geeignete Instrumente für eine regionale haben, landet man bei 18 Treffern. Darunter bringt es die Raumplanung zu entwickeln. Das betrifft natürlich nicht nur Regionalplanungsgemeinschaft Bregenzerwald auf vier die Organisationsform, sondern auch die Erarbeitung regio- Treffer, jene des Großen Walsertales auf einen. Der Stand naler Entwicklungskonzepte. Montafon bringt es zwar auf den ersten Blick auf über 200 Meldungen, tatsächlich raumordnungsrelevant sind aber Naheliegend wäre auf den ersten Blick, die vorhandene auch nur wenige. Das signalisiert jedenfalls einen Rück- Struktur zu verbessern. Ein Blick über die Grenze zeigt, wie gang der öffentlichen Wahrnehmung, möglicherweise auch das geschehen könnte. des Stellenwertes. In einer Zeit, in der verstärkte Zusam- menarbeit der Gemeinden in aller Munde ist und dafür die Baden-Württemberg hat bereits vor über 30 Jahren das Regionalplanungsgemeinschaften eigentlich prädestiniert Land in zwölf Planungsregionen gegliedert (Bayern in 18), erscheinen, mutet dieses Ergebnis etwas seltsam an. Fragt wozu noch die Landkreise als untere Ebene regionaler man hingegen nach dem Begriff „Vision Rheintal“, findet Selbstverwaltung kommen. Die in den Planungsregionen man über 100 Meldungen. Sie ist zwar keine Regionalpla- eingerichteten Regionalverbände steuern die regionale und nunsgemeinschaft, füllt aber offenkundig ein Vakuum. kommunale Raumordnung unter anderem mit einem den Landesentwicklungsplan näher ausführenden Regional- Eine Suche, wie oft der Begriff Regionalplanungsgemein- plan. Dahinter steht eine klar strukturierte Planungs - schaft (RPG) in der Vorarlberger Rechtsordnung vorkommt, hierarchie bis zur Festlegung einzelner Gemeinden als ergibt 3 Treffer: Ober-, Mittel- oder Unterzentren. Tirol hat das Landesgebiet in 37 kleinräumige Planungs- t 4UFMMVOHOBINFSFDIU[V-BOEFTSBVNQMµOFO verbände gegliedert, die allerdings nur geringe eigen- t "OI¤SVOHTSFDIUCFJSµVNMJDIFO&OUXJDLMVOHTLPO[FQUFO ständige Gestaltungsmöglichkeit haben. Sie sollen einer- von Gemeinden. seits die Mitwirkung der Gemeinden an der überörtlichen t 7FSPSEOVOHOBDIEFN/BUVSTDIVU[HFTFU[ŸCFSEFO#JP Raumordnung gewährleisten, beispielsweise in Form von sphärenpark Großes Walsertal (Verschränkung mit der Vorschlägen für Regionalprogramme, und andererseits die RPG). örtliche Raumordnung unterstützen. Es können ihnen auch baurechtliche Aufgaben übertragen werden. Ihr Bestand wird offenkundig vorausgesetzt, ohne dass er näher geregelt wäre. Dementsprechend uneinheitlich Wäre das etwas für Vorarlberg? Ich bin aus folgenden Grün- sind Entstehung, Rechtsform, Arbeitsweise und Funktions- den skeptisch: tüchtigkeit der neun Regionalplanungsgemeinschaften (Bregenzerwald, Bodensee, Kummenberg, Vorderland, Abgesehen von der nicht ohne weiteres übertragbaren westlicher Walgau, östlicher Walgau, Großes Walsertal, anderen Raumordnungstradition hat beispielsweise der Montafon, Klostertal). Einzelne Gemeinden gehören zwei benachbarte Planungsverband Bodensee-Oberschwaben RPG an, andere gar keiner. Das entspricht dem in Vorarl- rund 600.000 Einwohner, das ist um die Hälfte mehr als berg allgemein feststellbaren pragmatischen und nicht ganz Vorarlberg. Das Tiroler Modell wiederum würde zu ei- ganzheitlich-systematischen Zugang zur Raumordnung. ner starken Segmentierung des Landes führen, die weder

Seite 165 den geografischen Gegebenheiten noch der notwendigen Eine intensive Zusammenarbeit der Gemeinden, vor allem Durchlässigkeit von Grenzziehungen Rechnung trüge. Ein- in der Form von Gemeindeverbänden, kann natürlich in zugsgebiete gemeinsamer Einrichtungen folgen heute funk- ein Spannungsverhältnis mit dem in der Verfassung veran- tionalen Zweckmäßigkeiten, die je nach Sachgebiet unter- kerten Grundsatz geraten, wonach die Funktion der einzel- schiedlich sein können. Starre Grenzen sind zunehmend nen Gemeinde als Selbstverwaltungskörper nicht gefährdet überholt. sein darf. Dahinter steht auch das Problem, dass ebenso wie in der Europäischen Union (EU) die Zusammenarbeit Die Erfahrungen mit dem Pilotprojekt Vision Rheintal zei- zwangsläufig stark exekutivlastig ist und das Problem auf- gen, das wir zweierlei benötigen: treten kann, dass Partizipationsmöglichkeit und direkte demokratische Legitimation nicht mehr ausreichend ge- Zunächst eine intensivere Zusammenarbeit der Gemein- währleistet sind. Das Extrembeispiel wäre eine Gemeinde, den, die sich in der Tat bereits vielfältig entwickelt hat und die alle ihre Aufgaben an Gemeindeverbände oder andere in den Köpfen schon stark verankert ist, vielleicht noch Gemeinden übertragen hat. Es liegt auf der Hand, dass so- nicht in allen Herzen. Kooperationen können sowohl nach- wohl die Transparenz als auch die Mitwirkungsmöglichkeit barschaftlich bedingt sein als auch – etwa in der EDV und der Gemeindevertretung wie der Bürger stark beeinträchtigt Finanzverwaltung – unabhängig davon funktionieren. Bei wäre. In weiterer Folge kann das dann natürlich langfristig dem mit gemeinsam mit allen Gemeinden eingerichteten zu Diskussionen in den Gemeinden führen, ob die Einfluss- Portalverbund der Gemeinden wurde darauf eigens Rück- möglichkeit der Bürger in einer größeren Gemeinde nicht sicht genommen. besser als in funktional stark verzahnten, aber getrennten Gemeinden gewährleistet wäre. Um die Entscheidung da- Zur Stärkung der interkommunalen Zusammenarbeit sieht rüber in den Gemeinden zu belassen, schlägt die Experten- das Regierungsprogramm der Bundesregierung eine Ver- gruppe im Rahmen der Staatsreform auch vor, dass Zusam- besserung der rechtlichen Rahmenbedingungen vor, wofür menlegungen von Gemeinden nur mit Volksabstimmungen die eingesetzte Expertengruppe folgendes vorgeschlagen möglich sein sollen. bzw. in Arbeit hat: Die Vision Rheintal hat als zweites Ergebnis aber auch die t (FNFJOEFWFSCµOEF OJDIU NFIS BVG FJO[FMOF "VGHBCFO Notwendigkeit gezeigt, die Landesraumordnung zu verstär- beschränkt, sondern auch multifunktional und grenz- ken, ich nenne nur die Betriebsgebiete und Einrichtungen überschreitend; der Daseinsvorsorge. Ob für die regionale Umsetzung der t /FCFOB7FSFJOCBSVOHFOBVDI.¤HMJDILFJUGŸS(FNFJO Landesraumordnung oder eigenständige Regionalentwick- den und Gemeindeverbände, untereinander oder mit lungspläne landesweit eine eigene organisatorische Zwi- Land und Bund solche Vereinbarungen im Bereich der schenebene geschaffen werden soll, scheint mir fraglich zu Hoheitsverwaltung zu schließen; sein. Das Land ist nicht so groß, dass es an Übersichtlich- t .¤HMJDILFJU NJUTPMDIFO7FSFJOCBSVOHFOBVDIHFNFJO keit mangeln würde und regionale Abgrenzung mit unaus- same behördliche Einrichtungen zu schaffen; weichlichen Überschneidungen würde erst recht wieder zu t ÁGGFOUMJDISFDIUMJDIF 7FSUSµHF BVDI NJU 1SJWBUFO  CFJ Koordinierungsbedarf führen. Vor allem das Rheintal wäre spielsweise in Form der Vertragsraumordnung. als Regionalplanungsgemeinschaft wohl zu groß, weil es in sich mehrere gut funktionierende Teilregionen hat.

Seite 166 Ich plädiere daher einerseits für einen weiterhin pragma- tischen Zugang. Wo sich regionale Zusammenarbeit he- rausbildet, soll das unterstützt und koordiniert werden. Es wird aber vergebliche Mühe bleiben, das am grünen Tisch kreieren zu wollen. Im Allgemeinen wird überörtliche Raumordnung eine landespolitische Herausforderung sein, für die nach den guten Erfahrungen mit der Vision Rheintal ausreichende Ressourcen gut angelegtes Geld sein werden.

Seite 167 Seite 168 Symposium der Verwaltungsakademie Vorarlberg „Die Zukunft der Regionalplanungsgemeinschaften“; Lochau, Schloss Hofen, 11. Juni 2008 Gerald Mathis (geb. 1955), Dipl.-Ing. Dr. techn., Geschäftsführer des Instituts für Standort-, Regional- und Kommunalentwicklung ISK in Dornbirn, Leiter des internationalen Hochschullehrganges für Standort- und Regionalmanagement an der Fachhochschule Vorarlberg und Schloss Hofen, Universität Konstanz und der Hochschule Liechtenstein.

Interkommunale Zusammenarbeit. Neue Ansätze und Herausforderungen Gerald Mathis

Die Entwicklung der interkommunalen die letzte Stufe. Eine Variante, die allerdings mit hoher Zusammenarbeit Sensibilität und unter Berücksichtigung einer Vielzahl von Einflussfaktoren auch im standortsoziologischen Bereich Interkommunale Zusammenarbeit (IKZ) ist nichts wirklich zu diskutieren ist.3 Neues. Schon im 18. und 19. Jahrhundert finden sich sol- che Modelle der Zusammenarbeit zwischen Gemeinden, Gegenwärtig zeigt sich in Österreich der Bereich der in- etwa in Vorarlberg, wo sich verschiedene Rheingemeinden terkommunalen Zusammenarbeit in einer breiten und fa- zu sogenannten Wuhrkonkurrenzen zusammengeschlossen cettenreichen Form. Das Spektrum der Zusammenarbeit hatten, um gemeinsam den Uferschutz und die Hochwasser reicht von der Abfall- und Wasserwirtschafwirtschaft, über des Alpenrheins zu bewältigen.1 Gesundheits- und Sozialaufgaben, die Kultur, über Sport- und Freizeiteinrichtungen, Hochwasser- und Zivilschutz, Ebenso wurden bis ins späte 19. Jahrhundert in vielen Re- dem öffentlichen Verkehr und dem Tourismus bis hin zu gionen Weide- und Ackergründe (Allmende) von mehreren gemeinsamen Verwaltungs- und Organisationsaufgaben Kommunen gemeinsam genutzt und verwaltet. Waren es und wird in verschiedenen Organisationsformen vom Ge- damals die Flächen der Landwirtschaft, welche den Men- meindeverband über Verwaltungsgemeinschaften, Kapital- schen Arbeit und Brot gaben, so sind es heute eben die Ge- gesellschaften, Fonds, Vereine bis hin zu privatrechtlichen werbeflächen, die uns Einkommen und Wohlstand sichern. Vereinbarungen zwischen einzelnen Gemeinden und son- So gesehen, sind auch die immer wieder heraufbeschwo- stigen losen Zusammenarbeitsformen praktiziert. renen interkommunalen Betriebsgebiete nichts wirklich Neues. Diese Organisationsformen und Strukturen sollen nun nicht Gegenstand unserer Überlegungen sein. Sie sind „state of Schon damals war die Zielsetzung der interkommunalen the art“ und funktionieren, historisch gewachsen, mehr Zusammenarbeit, größere, übergeordnete Aufgaben ge- oder weniger zufriedenstellend.4 meinsam zu organisieren und umzusetzen. Dabei waren die Formen und die Organisation der Zusammenarbeit Es gilt vielmehr, vor dem Hintergrund veränderter gesell- auch immer von den jeweiligen Zeitströmungen beein- schaftlicher, struktureller und wirtschaftlicher Rahmen- flusst. So führte der kapitalistische und liberale Zeitgeist bedingungen, neue Anforderungen und Ansätze der inter- des 19. Jahrhunderts bis dahin genossenschaftsähnliche kommunalen Zusammenarbeit zu analysieren und zu oder von mehreren Gemeinden wahrgenommene Aufgaben diskutieren. und Rechte in die Verantwortung einzelner Kommunen oder von Individualpersonen über. Während des Nationalsozi- alismus auch in Österreich - und nach dem Zweiten Welt- Interkommunale Zusammenarbeit vor dem Hinter- krieg vor allem in Deutschland, wurden dann im Rahmen grund sich verändernder gesellschaftlicher, struk- von Ver waltungsreformen in großem Umfang Gemeinden tureller und wirtschaftlicher Rahmenbedingungen zusammengelegt. Meist ohne Rücksicht auf historische und standortsoziologische Zusammenhänge und Potentiale, in Wenn wir allein die nachstehenden Themenbereiche be- denen auch eine große Kraft und Energie von Städten und trachten, so zeigt sich, vor welchen Problemen und Heraus- Gemeinden liegt.2 Wenn man so will, ist dies auch eine Art forderungen – vor allem auch die ländlich strukturierten von interkommunaler Zusammenarbeit, gewissermaßen Kommunen in Österreich – stehen:

Seite 169 t 4JDIFSVOHEFS8JSUTDIBGUTVOE'JOBO[LSBGU Einwohnerbetreuung und kommunale t &JOXPIOFSFOUXJDLMVOH VOE OBDIIBMUJHF 4JDIFSVOH EFT Dienstleistungen kommunalen Standortes als Lebens- und Wohnraum t 2VBMJUµUVOE6NGBOHEFS&JOXPIOFSCFUSFVVOHVOEEFS Daneben steigt aber auch der Anspruch, den die Bürger an kommunalen Dienstleistungen umfassende und qualitativ immer hochwertigere kommu- nale Dienstleistungen und Betreuung haben. Wirtschafts- und Finanzkraft Alle diese Themenbereich und Handlungsfelder sind letzt- Die kommunale Wirtschafts- und Finanzkraft stellt für viele lich miteinander verbunden und bedingen einander. Sie Städte und Gemeinden ein kontinuierliches Problemfeld bedingen vor allem jedoch auf regionaler und kommunaler dar. Vor Ort lebende und stattfindende Wirtschaft ist dabei Ebene eine andere und professionellere Herangehensweise nicht nur Grundlage finanziellen Wohlstandes, sondern im Sinne einer gesamthaften und nachhaltigen Gemeinde-, Wirtschaft ist auch immer und wesentlich verbunden mit Standort- und Wirtschaftsentwicklung. unserer gesamten sozialen und kulturellen Entwicklung und sie ist auch auf kommunaler und regionaler Ebene Kommunen und Regionen müssen anfangen Grundlage kulturellen und sozialen Wohlstandes. unternehmerisch zu agieren

Kommunale Standortsicherung Gemeinden und Regionen werden ihre Entwicklung - unter- legt mit einem „kommunalen oder regionalen Masterplan“ Ohne wirtschaftliche Aktivitäten – zumindest im mittel- - gezielt und planmäßig initiieren und umsetzen müssen. baren kommunalen Umfeld - verlieren Kommunen ihre Es gilt einen adäquaten „kommunalen Profit“ zu erzielen. Attraktivität und Anziehungskraft und mutieren, wenn Das können dann Arbeitsplätze, Lebensqualität, Ausbil- überhaupt, zu reinen Schlafgemeinden oder „sie rinnen dung, Steuern, soziale Sicherheit sowie kommunales Sozi- einfach aus“.5 Damit stehen vor allem ländlich strukturierte al- und Humankapital sein. Gemeinden vor der Herausforderungen einer kontinuier- lichen kommu nalen Standortsicherung. Sie müssen über Dabei ist Wirtschaftsentwicklung als Teil der gesamthaften eine geordnete Einwohnerentwicklung dafür Sorge tragen, Gemeinde- und Regionalentwicklung in diese zu integrie- dass ihre Gemeinde nicht „untergeht“. Dies umso mehr ren. Wirtschaftliche Prosperität, Standortattraktivität und als die demo grafische Entwicklung der kommenden Jahre nachhaltige wirtschaftliche Entwicklung unserer Städte, Ge- und die Flucht von jungen Menschen in urbanisierte Räu- meinden und Regionen sind nicht mehr Zufallsergebnisse, me eine Überalterung von ländlich strukturierten Gemein- sondern das Resultat gezielter, organisierter und pro- den befürchten lässt. Es gilt die Sicherung von leistbarem fessioneller Arbeit. Dies belegen nicht nur die Erfahrungen Wohnraum für junge Menschen und Familien aber auch den aus der praktischen Arbeit unseres Instituts6, sondern in- Zuzug von Jungfamilien gezielt zu forcieren und die Gemein- zwischen auch eine wissenschaftlich fundierte Studie der de mit der dazu notwendigen Infrastruktur als Wohn- und Wirtschaftsuniversität Wien, welche einmal mehr die Not- Lebensraum zu positionieren. wendigkeit professioneller und zielgerichteter Planung und Gestaltung auf kommunaler und regionaler Ebene aufzeigt.7

Seite 170 Dort wo Kommunen nachhaltig, umfassend und ziel- Neue kommunale Rahmenbedingungen und orientiert planen und agieren, gestaltet sich Wirtschaft und Handlungsnotwendigkeiten damit auch kommunaler und regionaler Wohlstand nach- weislich besser und nachhaltiger als in Gemeinden, die in Städte und Gemeinden werden sich in Hinkunft viel inten- Einzelaktivitäten verhaftet und ohne kommunalen Master- siver und professioneller um ihre gesamthafte Standort- plan gewissermaßen jedem Anlass folgend entscheiden und Wirtschaftsentwicklung kümmern müssen. Dies gilt und handeln. nicht nur für große Kommunen, sondern gleichermaßen auch für kleinere Gemeinden. Gerade sie stehen teilweise Es gilt unsere Standort- und Wirtschaftspolitik vor allem unter großem Druck, ihre Zukunft gut und nachhaltig zu auf Ebene der Kommunen und Regionen zu überdenken. gestalten. Reines „verwalterisches altösterreichisches Bür- Wir müssen sie „verorten und regionalisieren“. Das heißt, germeistertum“ wird diesen Ansprüchen nicht mehr genü- dass Gemeinden und Regionen ihre Entwicklung gezielt gen. Der Bürgermeister als „Manager“ und „Geschäftsfüh- selbst in die Hand nehmen und sich den Luxus leisten, da- rer“ einer Kommune wird zum wesentlichen Erfolgsfaktor. rüber nachzudenken, wie und in welche Richtung sich ihre Es gilt, Gemeinde- und Standortentwicklung als laufenden Gemeinde entwickeln kann und soll. Also, gestalten statt und gesamthaften Prozess und als selbstverständliches verwalten. Und nicht davon ausgehen, dass sich alles von Instrument der regionalen und kommunalen Politik zu in- einer „übergeordneten lenkenden Hand“ wie von selbst er- terpretieren. Dazu bedarf es aber auch entsprechender In- ledigt wird. strumente und Standards um die Professionalität und das Know-how der Gemeinde-, Standort- und Wirtschaftsent- Es ist dringend notwendig, die Regionalisierung, das aktive wicklung vor Ort sicherzustellen. wirtschaftspolitische Gestalten auf lokaler und regionaler Ebene als Ergänzung, als unabdingbares Supplement zur Prioritäre Problemkreise und Handlungs- Globalisierung zu verstehen.8 Die gegenwärtige Globali- notwendigkeiten sierungsinterpretation wird als politisch bedingtes und unumkehrbares Ereignis der freien westlichen Demokratie t 7PS EFN EBSHFTUFMMUFO )JOUFSHSVOE [FJHFO TJDI GPMHFO dargestellt. Diese Interpretation suggeriert nicht zuletzt de prioritäre Problemkreise und Handlungsnot wen- Machtlosigkeit und Unabdingbarkeit auf den unteren öko- digkeiten: Vor allem kleinere Kommunen werden den nomischen Gestaltungsebenen, indem davon ausgegangen oben skizzierten Anforderungen an eine planmäßige, wird, dass wesentliche Entscheidungen auf anderen, nati- professionelle und nachhaltige Gemeinde- und Stand- onal und vor allem regional nicht beeinflussbaren Ebenen ortentwicklung vielfach nicht mehr gewachsen sein. Es gefällt werden. Diese Haltung legitimiert und unterstützt fehlen Ihnen die personellen Ressourcen, die fachliche diejenigen, welche im Sinne von – „man kann eh´ nichts Expertise und nicht zuletzt auch die finanziellen Mittel. machen“ – die Hände in den Schoß legen. Dabei geht es auch um die Wahrnehmung politischer Verantwortung – vor t %BSŸCFSIJOBVT TJOEWJFMF1SPCMFNFVOE"VGHBCFOBVG allem auf kommunaler und regionaler Ebene.9 übergeordneter, regionaler oder subregionaler Ebene besser, effektiver und ökonomischer lösbar.

Seite 171 Damit scheint auf den ersten Blick den Verwaltungsrefor- Neue Formen der interkommunalen und regionalen mern, Zentralisten und „Gemeindezusammenlegern“ das Zusammenarbeit Wort geredet. Gemeindezusammenlegungen sind ein sehr sensibel und differenziert zu behandelndes Thema10. Sie Kleinere und mittlere werden Gemeinden den hier skiz- mögen von Fall zu Fall opportun sein, dürfen jedoch nicht zierten Anforderungen allein nicht gewachsen sein. Sie ver - als Allheilmittel definiert werden. Dabei werden vielfach fügen gegenüber größeren Städten, Zentralorten und Ober- auch die vorab ermittelten Einsparungsergebnisse nicht zentren nicht über die notwendige Kraft und Ressourcen erreicht.11 Zu viele nicht quantifizierbare Faktoren spielen ihre Standort- und Wirtschaftsentwicklung nachhaltig zu bei derartigen Prozessen eine Rolle. In der gängigen Praxis gestalten und zu betreiben. Umgekehrt sind viele Aufgaben wird vor allem den standortsoziologischen Potentialen von auch regional effektiver und ökonomischer zu handhaben. Kommunen als historisch gewachsene Kollektive zuwenig Deshalb empfiehlt sich klugerweise der Zusammenschluss Bedeutung beigemessen. Hier liegt jedoch ein großes Po- zu entsprechenden regionalen Funktionalgemeinschaften. tential an Sozialkapital, welches sich im Engagement für Vorab stellt sich die Frage nach dem gegenwärtigen Stand die Gemeinschaft und einer hohen Standortidentifikation der Standort- und Regionalentwicklung. niederschlägt. Ressourcen, welche für unsere Gesellschaft auf der untersten Ebene unseres pluralistischen Systems Gegenwärtiger Stand der Standort- und – den Kommunen – von hohem Wert sind. Sie sind die Regionalentwicklung Grundlage unserer Demokratie und einer starken Zivilge- sellschaft. Nicht zuletzt auch darum, weil sie als Gegenpol Klassische Regionalentwicklung zu immer größer werdenden Verwaltungseinheiten (EU) die Eigenverantwortung und die Entscheidungs- und Problem- Klassische Regionalentwicklungsansätze greifen vielfach lösungskompetenz auf einer noch überschaubaren Ebene zu kurz. Sie sind historisch gewachsen meist agrokulturell sicherstellen. orientiert und bauen auf Leader-Programme auf, welche in den Agrar- und Landwirtschaftsministerien der EU-Länder Es gilt nach Lösungsansätzen zu suchen, mit denen den zu Hause sind. Die Themenschwerpunkte orientieren sich dargestellten Problemfeldern begegnet werden kann und an diesem Hintergrund und decken weite Bereiche einer übergeordnete Aufgaben mit der notwendigen Profess- umfassenden Standort- und Regionalentwicklung nicht ionalität bewältigt werden können und gleichermaßen die umfassend ab, etwa die Sicherung der Wirtschafts- und Fi- Selbstbestimmung der Gemeinden und das damit verbun- nanzkraft der involvierten Gemeinden. denes Sozialkapital erhalten bleibt. Ein Lösungsweg sind neue Ansätze und Formen der Regionalentwicklung auf in- Klassische Wirtschaftsförderung terkommunaler Basis. Klassische Wirtschaftsförderung dagegen kümmert sich pri- oritär um Investoren und Unternehmen. Ein Großteil der Be- mühungen der gängigen Wirtschaftspolitik zielt auf die Un- terstützung und Begleitung der Unternehmen, Investoren und Existenzgründer ab. Diesem Tun ist auch nicht entge-

Seite 172 genzusetzen und es ist auch notwendig. Aber Wirtschaft fin- Daher ist es dringend geboten, die Kommunen und ihre det vor Ort – in unseren Städten, Gemeinden und Regionen Akteure mit der notwendigen Professionalität und standort- statt. Sie sind die Keimzellen wirtschaftlicher Entwicklung wirtschaftlichen Kompetenz auszustatten. Klassische Wirt- und Prosperität. Daher müssen wir uns vor Ort – eben in schaftsförderung mit ihrer Fokussierung auf die Wirtschaft den Städten und Gemeinden - um die Wirtschaft kümmern. greift damit ebenfalls zu kurz. Nicht zuletzt zeigt sich die klassische Wirtschaftsförderung oft zu kopflastig und zu Wirtschaftsförderung auch für Kommunen zentral organisiert und wird damit den skizzierten Anforde- und nicht nur für Unternehmen rungen auch aus diesem Grund nicht gerecht.

Die strukturelle, wirtschaftliche und soziale Entwicklung Daneben stellen sich für die Gemeinden aber auch noch eines Landes wird von mehreren Entscheidungsebenen weitere Themen. Sei es der Bereich des Tourismus, der maßgeblich beeinflusst. Neben der Ebene der Wirtschaft grundsätzlichen Gemeinde- und Einwohnerentwicklung sind es vor allem die Entscheidungsträger der Kommunen, und der kontinuierlichen Optimierung und Rationalisierung welche den Boden und die relevanten Rahmenbedingungen in Verwaltung und Organisation mit dem gleichzeitigen An- für strukturelle Entwicklung, prosperierendes Unterne- spruch einer hohen Dienstleistungs- und Servicequalität. hmertum und ein entsprechend innovatives Umfeld aufzu- bereiten haben. Vor diesem Hintergrund sind nun neue Formen der Zu- sammenarbeit auf regionaler Ebene zu beurteilen. Vor die- Damit wird aber auch klar, dass in den klassischen An- sem Hintergrund soll im Folgenden das Modell der „subsi- sätzen ein wesentliches Element fehlt. Es ist dringend diären Regionalentwicklung“ (© ISK Dr. Gerald Mathis 2005) notwendig, auch die Gemeinden mit entsprechender vorgestellt werden.12 Dieses Modell ist ein Ansatz von unten standortwirtschaftlicher Kompetenz auszustatten und (Bottom-up) und bezieht alle Gemeinden eines definierten diese beispielsweise auf regionaler Ebene zusammenzu- Raumes (Region, Subregion) in den Entwicklungsprozess fassen und zu koordinieren. Wirtschaftsentwicklung darf mit ein. Das Modell berücksichtigt vor allem das Prinzip der nicht nur die Unternehmen betreuen, sondern muss vor Subsidiarität, das heißt, das was in den einzelnen Gemein- allem auch den Kommunen das notwendige Rüstzeug ver- den besser und effektiver gemacht werden kann, wird auch mitteln um ihre Wirtschaftsentwicklung selbst in die Hand in der regionalen Arbeit dort belassen und die Autonomie zu nehmen und umzusetzen. Vor allem auch darum, weil der involvierten Gemeinden bleibt gewahrt. die wirtschaftlichen Ziele und Interessen der privaten Wirt- schaft naturgemäß nicht immer identisch sind mit jenen Dieses Modell ist nicht nur ein theoretischer Ansatz des der Öffentlichkeit, der Kommunen und Regionen. Dabei Instituts für Standort-, Regional- und Kommunalentwick- mögen die gewinnorientierten Interessen der Wirtschaft lung (ISK), sondern wurde in den Jahren 2006 bis 2007 völlig legitim sein. Im Gegenzug muss es dann aber auch unter der Begleitung des ISK, in der interkommunalen Zu- legitim sein, dass Kommunen und Regionen vor dem Hin- sammenarbeit von 13 Gemeinden im Westallgäu, Kreis Lin- tergrund öffentlicher Interessen und Ziele, ebenfalls unter- dau im Freistaat Bayern entwickelt und wird nun im Jahre nehmerisch und betriebwirtschaftlich agieren, sodass die 2008 auch operativ umgesetzt. Ziele der Privatwirtschaft nicht zu sehr an den öffentlichen Interessen „vorbeischrammen“.

Seite 173 Erwin Mohr, Gerald Mathis, Bertram Meusburger

Interkommunale Zusammenarbeit und das Modell t %BTCFEFVUFUFUFJOF3FHJPOBMFOUXJDLMVOH XFMDIFEJFJO- der subsidiären Regionalentwicklung nach ISK dividuellen Probleme aber auch Stärken und Ressourcen der einzelnen Gemeinden berücksichtigt begleitet und Grundsätzliche Standards der interkommunalen unterstützt. Zusammenarbeit t 3FHJPOBMFOUXJDLMVOH  EJF TJDI OJDIU OVS BO EJF 8JSU Eine nachhaltige interkommunale Zusammenarbeit auf schaft, den Tourismus oder die Landwirtschaft rich- regionaler Ebene muss gewisse Mindeststandards erfüllen. tet, sondern auf die gesamthaften Probleme und Dabei ist es wichtig, dass dieses Zusammengehen als Pro- Handlungsnotwendigkeiten der Standort- und Wirt- zess verstanden wird, der gemeinsam eingeleitet und auch schaftsentwicklung der involvierten Städte und Gemein- gemeinsam entwickelt werden muss und nicht von oben de fokussiert. aufoktroyiert ist: t %JFIJMGU EBTT8JSUTDIBGUWPS0SUoJOEFO(FNFJOEFO t 3FHJPOBMFOUXJDLMVOHVOUFS.JUFJOCF[JFIVOHBMMFS4UµEUF gute Rahmenbedingungen findet. und Gemeinden einer Region. Alle involvierten Kommu- nen entscheiden im Zuge eines breit angelegten und t 3FHJPOBMFOUXJDLMVOH CFJ EFS EBT 1SJO[JQ EFS 4VC professionell begleiteten Prozesses mit, wie die künftige sidiarität als übergeordnete Maxime zu Grunde liegt. Standort- und Regionalentwicklung ausschauen soll. Der Prozessbegleiter muss dazu über die entsprechende so- Rahmenbedingungen und Parameter gängiger ziale und mediative Kompetenz zur Begleitung von groß- regionaler und interkommunaler Zusammenarbeit en Gruppen, vor allem aber auch über die notwendige – oder - wie es manchmal abläuft standortwirtschaftliche Kompetenz verfügen.13 Von der Region und den betroffenen Gemeinden wird t 3FHJPOBMFOUXJDLMVOH mit übergeordneter Zielsetzung Handlungsbedarf erkannt. Man erkennt, dass etwas getan und Maßnahmen - bei gleichzeitiger Berücksichtigung werden muss, und dass man einzeln zu schwach ist. Also und Miteinbezug von kommunalen Stärken und Schwer- werden Überlegungen punkten. angestellt, um sich gemeinsam zu organisieren. Im Ergeb- t 3FHJPOBMFOUXJDLMVOH  XFMDIF EJF ŸCFSHFPSEOFUFO /PU nis dieser Überlegungen wird eine Dachorganisation ge- wendigkeiten und Maßnahmen gemeinsam organisiert. gründet. Meist wird dann auch noch in einem Oberzentrum Das was übergeordnet und gemeinsam besser und ef- in Verbindung mit der Dachorganisation ein Impulszen- fektiver abgewickelt und organisiert werden kann, wird trum- oder Gründerzentrum installiert. Und - es wird ein zentral gehandhabt. Standortmanager eingestellt – sehr oft ein junger FH-Absol- vent ohne jegliche standortwirtschaftliche Erfahrung - der t %BTXBTJOEFO(FNFJOEFOCFTTFS FGGFLUJWFSVOE¤LP- dann die Region retten soll. Wenn man dann nach geraumer nomischer gemacht werden kann, soll im Aufgabenkreis Zeit einen Bürgermeister der Region fragt, wie es denn so der Gemeinden belassen werden. läuft, ist man in der Regel nicht so recht zufrieden. Solche Lösungen gehen daher nicht selten mit einer allgemeinen

Seite 174 Unzufriedenheit der darin integrierten, einzelnen Gemein- annahme ist in der Standortwirtschaftslehre genauso den einher. Der Grund für diese Unzufriedenheit liegt oft in falsch wie in der Betriebswirtschaftslehre. Der Weg liegt übergeordneten Generallösungen, welche die individuellen wie überall dazwischen. Es gilt zentrale Maßnahmen und Probleme aber auch Chancen und Ressourcen der einzel- Notwendigkeiten seriös den dezentralen, den subsidiären nen Gemeinden nicht oder nicht in gebührenden Maße gegenüberzustellen. Es gibt notwendige übergeordnete berücksichtigen. Damit verbunden sind berechtige Ängste Maßnahmen, welche effektiver und besser zentral und ko- der involvierten Gemeinden, keinen nachhaltigen und spe- ordiniert über das Regionalmanagement wahrgenommen zifischen Nutzen aus einem solchen Verbund zu ziehen. werden und es gibt Maßnahmen und Entwicklungen, die vorbehaltlos im Sinne der Subsidiarität von den Kommunen Auf was sollten wir achten? selbst wahrgenommen werden müssen. Dazu brauchen die Kommunen jedoch professionelle Unterstützung und Koor- Eine geordnete Organisation und Koordination – also eine dination. Und die Entwicklung und Organisation der inter- Dachorganisation ist wichtig. Aber die Ziele und Aufgaben kommunalen Zusammenarbeit im Rahmen von Regional- müssen klar definiert und abgegrenzt sein. Und zwar auf und Entwicklungsgemeinschaften muss anders definiert unterschiedlichen Handlungsebenen, deren es mehrere und aufgebaut werden. gibt. Die Betreuung und Entwicklung durch die neue Orga- nisation darf sich nicht nur auf die Ebene der Wirtschaft und Unternehmen konzentrieren, sondern sie muss auch auf Methodik, Ablauf und Ergebnisse der subsidiären die Gemeinden selbst abgestellt sein. Indem nämlich dafür Regionalentwicklung am Beispiel der interkommu- Sorgen getragen wird, dass in den Gemeinden selbst, op- nalen Zusammenarbeit in der Region Westallgäu timale Rahmenbedingungen für ideale standortwirtschaft- liche Entwicklung herrschen. Und zwar in allen Gemein- Informationsphase und politische den – entsprechend ihrem individuellen Bedarf und ihrer Bewusstseinsbildung individuellen Situation. Dabei gilt es, in einem laufenden Entwicklungsprozess die Stärken, Chancen und Potentiale Wenn es gelingen soll, kommunale Einzelaktivitäten in um- der einzelnen Gemeinden zu nützen. Jene Aufgaben und fassende übergeordnete Entwicklungskonzepte zu trans- Maßnahmenfelder, die übergeordnet besser und professi- ferieren, ist in einem ersten Schritt eine ausführliche Infor- oneller abgewickelt werden können, werden zentral orga- mations- und Bewusstseinsbildungsarbeit zur Initiierung nisiert, während alles andere in den einzelnen Gemeinden der politischen Prozesse bei den Entscheidungsträgern der verbleibt. involvierten Gemeinden, fallweise auch bei den übergeord- neten Stellen, notwendig. Es geht darum, den Entwicklungs- Subsidiarität versus Zentralisation prozess auf eine möglichst breite Basis zu stellen und alle Gemeinden und relevanten Kreise und Anspruchsgruppen Sehr oft wird ungeprüft unterstellt, dass mit einem zen- von vornherein mit einzubeziehen. Das Ganze ist ein Pro- tralen, übergeordneten Regionalmanagement oder einer zess und wie bei allen politischen und sozialen Prozessen zentralen Standortentwicklungsgesellschaft die Probleme können wir nicht von null auf hundert starten. Wir müssen der Region zu lösen sein werden. Es wird unterstellt, auch die Kommune und die kommunalen Entscheidungs- dass die Lösung in der Zentralisierung liegt. Diese Grund- träger dort abholen, wo sie stehen. Und manche sind sehr

Seite 175 oft einfach noch etwas weiter weg. Es gilt die Problemfelder Dem Prozessbegleiter und Moderator obliegt in dieser der Kommunen und die damit verbundenen Handlungsnot- Phase die Aufgabe der Neutralitätswahrung, der kommu - wendigkeiten aufzuzeigen und den Entwicklungsprozess nalen Objektivität, ggf. der Mediation und der standort- als von allen gewollten Bottom-up-Ansatz zu initiieren und wirtschaftlichen Expertise und Begleitung. nicht nur bei den Bürgermeistern, sondern auch in den Ge- meindestuben eine möglichst breite Basis für die geplante Mit Hilfe der ISK Standortmethodik®, einer vom ISK ent- übergeordnete gemeinsame Arbeit zu schaffen. wickelten strukturierten und geführten Moderationsform, wird kommunales und regionales Know-how der beteili- Diese Phase sollte von einem Fachmann begleitet werden, gten, regionalen und kommunalen Proponenten genutzt der glaubhaft über die notwendigen Hintergründe informie- und mit dem fachlichen Know-how der ISK verbunden. Die ren und überzeugen kann und der darstellen kann, wieso einzelnen Ablaufschritte stellen sich wie folgt dar: eine professionelle Standort- und Wirtschaftsentwicklung überhaupt notwendig ist. Es ist dies die Phase des Prä- I. Phase: Bestandsaufnahme sentierens und Diskutierens, in der es gelingen muss, das Vertrauen der involvierten Gemeinden zu gewinnen. Mit Erfassung und Aufnahme der bestehenden Rahmen- dem Ansatz der subsidiären Regionalentwicklung können bedingungen, der kommunalen und wirtschaftlichen Struk- dabei fundiert und glaubhaft von vornherein viele Beden- tur und der relevanten Infrastrukturen der Region und der ken zerstreut und entsprechendes Vertrauen auch bei den beteiligten Gemeinden. kleineren Gemeinden aufgebaut werden. Letztlich ist die Haltung, das Wissen und das Bewusstsein der Entschei- II. Phase: Zielplanung – Regionalentwicklungsleitrahmen dungsträger und der betroffenen Menschen das wichtigste standortwirtschaftliche Instrument für den künftigen ge- Was wollen wir und was müssen wir dafür tun? Wie müssen meinsamen Erfolg. wir uns organisieren und was brauchen wir dazu?

Der Entwicklungsprozess Die Ausarbeitung erfolgt in Workshopgruppen aber auch durch zusätzliche Open Space -Veranstaltungen, welche Auch in den operativen Entwicklungsprozess sind selbst- eine möglichst breite Einbindung und Meinungsbildung redend alle betroffenen Gemeinden zu integrieren. Teil- für die künftige Umsetzung sicherstellen. Grundlage ist nehmer an den einzelnen Ablaufschritten sind immer die die oben dargestellte prozess- und informationsorientierte Bürgermeister oder die Vertreter der involvierten Gemein- Vorgehensweise (ISK Standortmethodik). Neben der Aus- de, sowie ein Feld von Proponenten, welche zusätzlich die arbeitung klarer Ziele und Handlungsfelder für den über- unterschiedlichsten Anspruchsgruppen der Region reprä- geordneten Entwicklungsprozess, geht es darum, für die sentieren bzw. die Region in ihrer Heterogenität spiegeln. involvierten Gemeinden und deren Entscheidungsträger (Wirtschaft, Ökologie, Kultur, Bildung, Soziales, überge- Klarheit bezüglich der Aufgaben, der Organisation sowie ordnete Körperschaften, externe Betrachter, etc.). den notwendigen Ressourcen zu schaffen.

Seite 176 III. Phase: Aufgaben und Aktionsplanung - Die Ergebnisse Regionalentwicklungskonzept Die Ergebnisse sollen konkret am Beispiel des 2007 ab- Im Ergebnis dieser Stufe steht, aufbauend auf der voran- geschlossenen Regionalenentwicklungsprozesses in der gegangenen Zielplanung und den relevanten Handlungs- inter kommunalen Zusammenarbeit von 13 Gemeinden feldern, ein detaillierter Maßnahmen- und Aktionsplan, in der Region Westallgäu, Bayern dargestellt werden. Das welcher definitiv festhält, was im Einzelnen zu tun ist und verab schiedete Konzept brachte die organisatorische Auf- auch die Termine und Verantwortlichkeiten beschreibt. teilung der übergeordneten Regionalentwicklungsschwer- punkte auf vier Geschäftsbereiche, nämlich Wirtschafts- Das Ergebnis dieser Arbeit ist also nicht nur ein Konzept, entwicklung, Tourismus, nachhaltige Regionalentwicklung sondern ein detaillierter Vorgehensplan, der die Umset- – LEADER-Programme und grundsätzliche Potentiale der zung des Konzeptes festschreibt (vgl. dazu unten). Auch interkommunalen Zusammenarbeit. diese Erarbeitung erfolgt in Workshops und unter Miteinbe- zug der involvierten Gemeinden. Derartige Konzepte sind sehr umfangreich. Um einen kurzen Überblick auf die Art der Ergebnisse geben zu kön- IV. Phase: Präsentation, Diskussion und Verabschiedung nen, wollen wir uns auf den Bereich „Regionalentwicklung Wirtschaft“ konzentrieren. Es wurden zehn vorrangig zu Auf Basis der obigen Analysen und Ergebnisse resultiert entwickelnde Handlungsfelder zur Realisierung der regio- ein umfassendes interkommunales Regional- und Ent- nalwirtschaftlichen Ziele der Region Westallgäu benannt wicklungskonzept mit einer klaren Ziel- und Maßnahmen- und Strukturen zur Umsetzung festgelegt.14 planung.

Das Ergebnis ist mit allen involvierten Gemeinden und den zuständigen Gremien abzustimmen und wird dann als grundsätzliche Willenserklärung der Region bzw. der invol- vierten Gemeinden für die künftige standortwirtschaftliche Orientierung und daraus resultierender Maßnahmen prä- sentiert, diskutiert und verabschiedet.

Seite 177 Handlungsfeld: Ziele (in Auswahl): Beitrag zur Wirtschaftsentwicklung:

1. Regionales t (FNFJOTBNF'MµDIFOFOUXJDLMVOH t (S¤•FSFTVOECFTTFSFT*NNPCJMJFOBOHFCPU Flächen- und (Gewerbegebiete) t "UUSBLUJWJUµUTTUFJHFSVOHEFS3FHJPOGŸS Immobilien- t (FNFJOTBNF1SFJTHFTUBMUVOH Interessenten. management: t &JOGŸISVOHFJOFTGBJSFO"VTHMFJDITTZTUFNT t &SI¤IVOHEFS8FUUCFXFSCTGµIJHLFJUEFS für Kosten und Erlöse Region

2. Bestandsaufnah- t &SGBTTVOHEFSLPNNVOBMFO#FTUµOEF  t 4UJNNJHF(FTBNUTUSBUFHJFEFS3FHJPOBMT me und subsidiäre Bedürfnisse und Entwicklungsziele Grundlage für die Standortentwicklung Entwicklungs- t "VGCBVFJOFSSFHJPOBMFO(FTBNUTUSBUFHJF t )PIFS1SPGFTTJPOBMJTJFSVOHTHSBEEFS3FHJPO konzeption: aus den spezifischen kommunalen als Signal an bestehende Unternehmen und Entwicklungsstrategien Ansiedlunsgwillige t "CCBVEFT,POLVSSFO[WFSIBMUFOTEFS t &SI¤IVOHEFS8FUUCFXFSCTGµIJHLFJUEFS Kommunen Region t &Gm[JFOUFS&JOTBU[WPO3FTTPVSDFOEVSDI „Arbeitsteilung“ der Kommunen

3. Standort- t "VGCBVFJOFT$PSQPSBUF%FTJHOT t &SMFJDIUFSVOHWPO"OTJFEMVOHFOOFVFS marketing: t #FXFSCVOHEFT8FTUBMMHµVTBMT8JSUTDIBGUT- Unternehmen durch angepasste Marketing- region – nach innen und nach außen instrumente t "VGCBVFJOFTQPTJUJWFO4FMCTUWFSTUµOE- t 4DIBGGVOHFJOFTVOUFSOFINFSVOE nisses der Akteure in der Wirtschaftsregion gründerfreundlichen Klimas Westallgäu t 7FSSJOHFSVOHWPSIBOEFOFS"CXBOEFSVOHT- tendenzen ansässiger Unternehmen

4. Nachhaltige t /BDIIBMUJHF'JOBO[JFSVOHEFSHFQMBOUFO t MBOHGSJTUJHFT"SCFJUFOXJSEN¤HMJDI Finanzierung / Maßnahmen (dies ist erforderlich, da Erfolge nicht Förder- t #FSFJUTUFMMFOWPO'JOBO[JFSVOHTJOTUSV- kurzfristig zu erreichen sind) management: menten für die Wirtschaftsförderung t 'JOBO[JFMMFS4QJFMSBVNHJCU)BOEMVOHT t 8JSUTDIBGUTQBSUOFSVOE#BOLFOBMT1BSUOFS optionen gewinnen

5. Professionelle t "VGCBVWPOPQUJNBMFO*OGSBTUSVLUVSFJO t 4DIBGGVOHFJOFTPEFSNFISFS"O[JFIVOHT- Innovations- und richtungen zur Ansiedlung von Unter- punkte für Betriebsgründungen und Gründerzentren – nehmen / zur Unternehmensgründung Neuansiedlungen in der Region Kooperation mit t #FSBUVOHVOE#FUSFVVOHCFJ#FUSJFCT t 4DIBGGVOHFJOFTQPTJUJWFO(SŸOEVOHTLMJNBT Lehre: gründungen / von Neuansiedlungen t )PIFS1SPGFTTJPOBMJTJFSVOHTHSBEEFS t "VGCBVFJOFT/FU[XFSLT[XJTDIFO Region als Signal an Unternehmen regionaler Wirtschaft und Hochschulen t &SI¤IVOHEFS8FUUCFXFSCTGµIJHLFJUEFS Region

Seite 178 6. Aktives Gründungs- t "VGCBVFJOFSHFPSEOFUFO;VTBNNFOBSCFJU t %JF4UBOEPSUWPSUFJMFEVSDIIPDIFOUXJDLFMUF umfeld zu regio- mit Unternehmen der LeitBranchen Leit-Branchen werden genutzt nalen Leit-Branchen t "VGCBVFJOFT"OTJFEMVOHTVOE(SŸOEVOHT- t 'JSNFOHSŸOEVOHFOVOE/FVBOTJFEMVOHFO (Automotive, Luft- umfeld zu den Leit-Branchen im Umfeld der Leit-Branchen werden gezielt fahrt, Lebensmittel, t (F[JFMUF"LRVJTJUJPOWPO6OUFSOFINFO EJF gefördert (Hier sind die Erfolgsaussichten Elektrotechnik, rege- thematisch den Leit-Branchen zugehören auch am höchsten) nerative Energien): t *NBHFG¤SEFSVOHGŸSEJF3FHJPO XFOOEJF „Leitbetriebe“ voran gehen

7. Runder Tisch zur t 7FSUSFUFSBVT1PMJUJL 8JSUTDIBGU *OUFSFT- t "UUSBLUJWJUµUTTUFJHFSVOHEFS3FHJPOGŸS Verfahrens- sensverbänden und Verwaltungen erarbei- Interessenten durch kurze und transparente optimierung ten einen Leitfaden zur Optimierung von Genehmigungsverfahren. Verwaltungs- und Genehmigungsverfahren t &SI¤IVOHEFS8FUUCFXFSCTGµIJHLFJUEFS t %JF.B•OBINFOTPMMFOXµISFOEJISFS Region Umsetzung von dem Runden Tisch begleitet t %JF3FHJPOmOEFUCFJŸCFSHFPSEOFUFO werden – dauerhafter Prozess Stellen mehr Gehör und kann t %FS3VOEF5JTDIWFSUSJUUBVDIEJF*OUFSFTTFO Entscheidungsspielräume ausbauen. der Region gegenüber übergeordneten Stellen

8. Lobbyarbeit zum t "CCBVEFS%Fm[JUFCFJEFS7FSLFISTBOCJO- t '¤SEFSVOHEFS7FSLFISTJOGSBTUSVLUVSBMT Ausbau der dung des Westallgäus (v.a. Straße, auch wichtige Grundlage für wirtschaftliche Verkehrs- Bahn) Entwicklung infrastruktur t &SBSCFJUVOHWPO"VTCBVLPO[FQUFO t %JF3FHJPO8FTUBMMHµVHFXJOOUNFIS t ,POUJOVJFSMJDIF BCHFTUJNNUF-PCCZBSCFJU Einfluss bei übergeordneten Stellen zur Zielerreichung t "VGCBVFJOFT-FJUVOHTVOE4UFVFSVOHT- kreises mit Aufbau eines Lobbyisten-Teams

9. Gründungs- und t #FSBUVOH #FUSFVVOHVOE#FHMFJUVOHWPO t %JF#FUSFVVOHWPO*OUFSFTTFOUFOJTU Ansiedlungsumfeld Neugründungen und Ansiedlungswilligen einer der Erfolgsfaktoren für Wirtschafts- organisieren (vom Erstkontakt bis zum Abschluss) entwicklung schlechthin. t #FSBUVOHEFS,PNNVOFO t "VGCBVWPO*OOPWBUJPOTVOE(SŸOEFS[FO- tren als Instrumente hierfür

10. Bestandspflege t (FNFJOTBNNJUEFO,PNNVOFOXFSEFOEJF t %JFCFTUFIFOEFO6OUFSOFINFOmOEFO bestehender Unternehmen vor Ort begleitet und beraten optimale Beratung vor Ort vor Unternehmen (aktuelle Probleme, z.B. Betriebserweite- t 4JFXFSEFOJN8FTUBMMHµVHFIBMUFO rungen, Verfahrensoptimierung, …) t %BEVSDIXFSEFO"SCFJUTplätze gesichert

Seite 179 Die Organisation der interkommunalen Zusammenarbeit

Die Organisation der interkommunalen Zusammenarbeit wurde – wie schon oben erwähnt auf vier Geschäftsbe- reiche (vier Säulen der Regionalentwicklung) festgeschrie- ben. Siehe Abbildung unten:

Gesamtkoordination und Förderungsmanagement

Regionalmanagement Regionalmanagement Regionalmanagement Regionalmanagement Wirtschaft Tourismus LEADER Kommunal

Wirtschafts- und Tourismus- Nachhaltige Interkommunale Entwicklungsleitstelle gemeinschaft Regionalentwicklung Zusammenarbeit WEST Westallgäu

Abb.: Die Organisation der interkommunalen Zusammenarbeit in der Region Westallgäu © ISK Institut für Standort-, Regional- und Kommunalentwicklung 2007

Seite 180 Erwähnenswert ist, dass mit diesem Ansatz eine gesamt- Fazit hafte Standort-, Regional- und Wirtschaftsentwicklung auf Basis interkommunaler Zusammenarbeit abgedeckt Nicht nur die Theorie, sondern auch die Praxis zeigt, dass wird. Wesentlich ist, dass über der dargestellten Struktur- mit dem Ansatz der subsidiären Regionalentwicklung inter- organisation ein sogenanntes „Kontrollgremium“ aller kommunale Zusammenarbeit erfolgreich auf die geän- invol vierten Gemeinden installiert wurde, welches die Sub- derten Problembereiche und Handlungsnotwendigkeiten sidiarität der Regionalentwicklung sicherstellt und die ge- unserer Kommunen abgestellt werden kann. Voraussetzung samte Entwicklung auch laufend kontrolliert. ist eine gute Vorbereitung und die entsprechende fachliche Expertise in der Projektabwicklung und Aufbereitung. Er- Die einzelnen Geschäftsbereiche werden über verant- folgsentscheidend ist, dass solche Projekte aus der Region wortliche Stellen geführt. So etwa, dass das Regionalmana- selbst entstehen und nicht von oben aufoktroyiert werden gement Wirtschaft über eine separate Wirtschafts- und und dass man der Information und Bewusstseinsbildung Entwicklungsleitstelle WEST, welche wiederum mit einer auch die notwendige Zeit und den notwendigen Raum gibt. von Vertretern ausgewählter Gemeinden besetzten „Steu- erungsgruppe Wirtschaftsentwicklung“ zusammenarbeitet. Die involvierten Gemeinden müssen von vornherein und Die WEST ist in Akkordierung mit dieser Steuerungsgruppe umfassend in den Entwicklungsprozess eingebunden sein. für die Umsetzung der obigen zehn Handlungsfelder im Das Ziel ist eine breite und tragfähige regionale Basis für Bereich Wirtschaft verantwortlich. Die Finanzierung erfolgt die Umsetzung der interkommunalen Zusammenarbeit. über die 13 Gemeinden mit einem abgestimmten Kosten- Ganz wichtig ist, dass man nicht bei Leitbildern stehen schlüssel sowie über das Sponsoring einer regional veran- bleibt, sondern das Konzept mit klaren und umsetzungs- kerten Bankengruppe. realistischen Handlungsfeldern unterlegt und dazu auch detaillierte Maßnahmenpläne zur Erreichung der ange- Interessant ist auch der Geschäftsbereich „Interkommu- strebten Ziele und zur operativen Umsetzung der benann- nale Zusammenarbeit“. Hier geht es darum, Zusammenar- ten Handlungsfelder erarbeitet und eine solide Organisati- beits- und Optimierungspotentiale im Bereich der kommu- on zur Umsetzung sicherstellt.15 nalen Verwaltungen nicht mehr dem Zufall zu überlassen, sondern in weiterer Folge planmäßig zu analysieren und zu organisieren.

Koordiniert wird die gesamte Organisation von einer de- finierten Stelle, welche jedoch im gegenständlichen Fall nicht zusätzlich besetzt ist, sondern vom Leiter des klas- sischen Regionalmanagements (LEADER-Programme) wahr- genommen wird. Diese Stelle ist dann auch für ein profess- ionelles Förder- und Finanzierungsmanagement für die gesamte Region zuständig, welchem damit in Verbindung mit einer klaren Aufgabenbeschreibung, die notwendige Priorität eingeräumt wird.

Seite 181 1 Z.B. die Wuhrkonkurrenz Höchst-Fußach-Gaissau in Philipp Krapf, 12 Das Modell wurde vom ISK Institut für Standort-, Regional- und Kommu- Die Geschichte des Rheins zwischen dem Bodensee und Ragaz. nalentwicklung, Dornbirn speziell für die interkommunale Zusammen- Sonderdruck aus den Schriften des Vereins zur Geschichte des arbeit von Kommunen in der Standort- und Wirtschaftsentwicklung Bodensees. Heft XXX, 1901, S. 119 ff., hier S. 31. sowie für die Regionalentwicklung entwickelt und wird in praxi erfolg- 2 In Vorarlberg kam es 1938 zu umfassenden zwangsweisen Gemeindezu- reich eingesetzt. sammenlegungen. Bei der dann 1945 erfolgten Volksabstimmung 13 Gute Standortentwickler sind Moderatoren, Coaches und Mediatoren. verblieben nur zwei Kleingemeinden bei den vorher verfügten Das allein ist jedoch zuwenig. Gerade bei breit angelegten Open Zusammenlegungen (Fluh blieb bei Bregenz und Bolgenach bei Space–Prozessen reicht pure Moderation nicht aus. Es muss jemand Hittisau). Die restlichen 96 Gemeinden wählten wieder ihre historisch da sein, der die Ergebnisse auch fachlich interpretieren kann, auf gewachsenen Identität und Selbstbestimmung. Vgl. dazu Fachteam ihre Plausibilität prüft und in gezielte umsetzbare Handlungsfelder Gemeindekooperationen. Situationsanalyse, Bregenz 2005, Vision übersetzen kann. Ansonsten bleibt es - wie die Praxis sehr oft zeigt - bei Rheintal. Zielbildern, Visionen und Wunschsätzen – und einer frustrierten Region. 3 Vgl. dazu auch Gerald Mathis, Standortsoziologie. Der Einfluss von 14 Rolf Eberhardt/Gerald Mathis Gerald/Eberhard Gröber Eberhard, individuellen und kollektiven Werte- und Denkhaltungen auf die Wirtschaftsentwicklungskonzept für die Region Westallgäu. Kurzfassung. Wirtschaftskraft und die Innovationsfähigkeit von Standorten. Dornbirn Lindenberg 2007. Online im Internet: URL: http://lag-westallgaeu-schs. 2005. le-on.org/, S.6 ff 4 „Mehr oder weniger“ meint, dass der Erfolg immer auch vom 15 Im Detail vgl. Gerald Mathis/Eberhard Gröber, Wirtschaftsentwicklungs- Engagement und dem Sachverstand der handelnden Personen und konzept Region Westallgäu. Endbericht Version 1.0, ISK Institut für Gemeinden abhängt. Standort-, Regional- und Kommunalentwicklung. Dornbirn/Lindenberg 5 Wie es der Generalsekretär des Österreichischen Gemeindebundes, 2007. Hofrat Dr. Robert Hink sehr plakativ aber durchaus realistisch formuliert. 6 Institut für Standort-, Regional- und Kommunalentwicklung, Dornbirn (A), St. Gallen (CH), Lindenberg (D) 7 Josef Mugler/Mathias Fink/Stephan Loidl, Gestaltung günstiger Rahmenbedingungen für Klein- und Mittelbetriebe im ländlichen Raum. Was können Gemeinden tun? Wien 2006. Online im Internet: URL: http://www.gemeindebund.at/news.php?id=190 (Zugriff am 3.1.2007). 8 Und nicht als Gegenpart. Das verhält sich in etwa so wie ein Wagen mit zwei Pferden. Wenn ein Pferd nicht zieht, dann kommt der Wagen von der richtigen Bahn ab. Die Folgen sind dann im weitesten Sinn die Strasse der Verteilungsungleichheiten und der „Desozialisierung“. 9 Vgl. dazu auch Gerald Mathis, Nachhaltige Standort- und Wirtschafts- entwicklung und interkommunale Zusammenarbeit, in: Schriftenreihe RFG Recht- und Finanzen für Gemeinden 5 (2007) 1, S. 55 ff. 10 Vgl. auch ebenda. 11 Reto Steiner, Interkommunale Zusammenarbeit in der Schweiz, in: SIR-Mitteilungen und Berichte (2006) 32, S. 61; Reto Steiner, Gemeinde- zusammenschlüsse können Erwartungen nicht immer erfüllen, in: Neue Zürcher Zeitung 04.02.2003, Nr. 28.

Seite 182 Symposium der Verwaltungsakademie Vorarlberg „Die Zukunft der Regionalplanungsgemein- schaften“; Lochau, Schloss Hofen, 11. Juni 2008 Bertram Meusburger (geb. 1961 in Bregenz), Mag. rer. nat., betreut im Büro für Zukunftsfragen des Amtes der Vorarlberger Landesregierung den Fachbereich „Nachhaltige Entwicklung“

Sozialkapital und Nachhaltigkeit

Bertram Meusburger

Nachhaltige Gemeindeentwicklung kann mit der Frucht- Wie kann man diesen Herausforderungen begegnen? Wie barkeit eines Ackers verglichen werden. Bei einem Blick kann der Boden fruchtbar erhalten werden? Dazu gibt es auf die Oberfläche des „Ackers“, zeigen sich die „Früchte“ drei Prinzipien. in unserem Land durchaus positiv: eine trotz aller Turbu- lenzen relativ stabile, dynamische Wirtschaft, eine gut aus- Zunächst geht es um die Eigenverantwortung und das En- gestattete Infrastruktur (Hallenbäder, Spitäler, Bahnhöfe gagement des/der einzelnen. Eigenverantwortung, damit etc.), ein umfangreiches Bildungsangebot und eine noch genug übrig bleibt, wo Hilfe wirklich gebraucht wird, Enga- aufrechte Nahversorgung, Angebote für Jugendliche und gement, das Freude macht und bereichert. Menschen allein ein sicheres Umfeld für Kinder, Traditionen werden gepflegt können nie so viel bewirken. Es braucht das Prinzip der ver- und Innovationen begrüßt. Ein Land mit Wohlstand, wo die trauensvollen Zusammenarbeit und die Einigung über ge- Menschen aufeinander schauen. Doch wie schaut es unter meinsame Ziele. Das stärkt wiederum das Sozialkapital als der Oberfläche aus? Für die langfristige Fruchtbarkeit eines wichtigster Faktor für einen langfristigen Erfolg einer Regi- Ackers – um bei diesem Bild zu bleiben – ist der Zustand on. Beziehungen können jedoch nicht über Gesetze verord- des Bodens entscheidend. net werden, sondern brauchen ein Klima, wo diese wach- sen und erlebt werden können. Und schließlich nachhaltige Wir sind an Wohlstand, Freiheit und ein hohes Tempo ge- Entwicklung, ein langfristiges und umfassendes Denken wöhnt. Allerdings werden auch die Schattenseiten wie eine und Handeln mit Weitblick. Das heißt Visionen statt vorge- Konsumhaltung mit hohen Ansprüchen auf Versorgung, gebene Lösungen. In einer Welt, wo Werte zu einem Luxus- Egoismus, Vereinzelung und Orientierungslosigkeit, aber artikel geworden sind und Veränderungen immer schneller auch eine gewisse Oberflächlichkeit und Aggressivität spür- gehen, ist eine gemeinsame Orientierung entscheidend. bar. Es fragt sich, ob dieser Boden – unser Gemeinwesen - dadurch erodiert? Das Vertrauen in den Staat, Kirche und Wir werden weiterhin „Früchte“ ernten können, wenn wir Parteien, aber auch in das Bildungswesen, die Wirtschaft Gemeinden als lebendige Lebensräume verstehen und die und Familien sinkt. Ehrenamtliches Engagement geht zu- sichtbare und verborgene Seite gleichermaßen beachten. rück und öffentliche Gelder werden bei steigenden Ausga- ben knapp. Traditionelle Strukturen lösen sich auf und das Sozialkapital als Kitt der Gesellschaft nimmt ab.

Seite 183 Seite 184 Vortrag auf dem 18. Vorarlberger Archivtag; Bregenz, Landesarchiv, 16. Juni 2008 Alois Niederstätter (geb. 1955 in Bregenz), Dr. phil., a. o. Univ.-Prof., leitet seit 2001 das Vorarlberger Landesarchiv

Die kirchliche Matrikenführung bis 1939

Alois Niederstätter

Wenn Historiker und Archivare die Frage diskutieren, was Kinder- oder Erwachsenentaufe für die Position des hl. Au- denn an Daten vom einzelnen Menschen bleibt bzw. blei- gustinus mitsamt seiner Lehre von der Erbsünde entschie- ben soll, kommen sie in aller Regel zu einem ziemlich er- den hatte, bestimmte die vierte Synode von Karthago (418), nüchternden Resümee: Auch in der modernen Informati- dass die Kinder christlicher Eltern bald nach der Geburt zu onsgesellschaft mit ihrer schier unbewältigbaren Datenflut taufen seien, damit sie nicht, sollten sie ungetauft sterben, sind einzig die Eckdaten der Geburt und des Todes sowie der ewigen Verdammnis anheimfallen. Dies und die damit die eventuell dazwischen liegenden Verehelichungen eini- zusammenhängende Vorstellung vom limbus puerorum germaßen sicher, auf unbeschränkte Dauer überliefert zu oder infantium ließ auch in der religiösen Praxis die Taufe werden. Alle anderen auf das Individuum bezogenen Daten immer näher an die Geburt heranrücken. stehen einerseits hinsichtlich ihrer Produktion quantitativ wie qualitativ mit dem Lebenslauf der Personen in ursäch- Eine kirchenrechtliche Grundlage für die Verzeichnung von lichem Zusammenhang, andererseits hat nur ein Bruchteil Täuflingen, auf die in weiterer Folge zurückgegriffen werden der Informationen überhaupt die Aussicht, längerfristig er- konnte, lieferte schließlich das „Sacramentarium Gelasia- halten zu bleiben. Damit hat sich in den letzten 400 oder num“, das Papst Gelasius I. (492 bis 496) zugeschrieben 500 Jahren die Chance, von einem Menschen mehr zu erfah- wird, im Wesentlichen aber die römische liturgische Praxis ren, als dass er gelebt hat, nicht grundlegend verbessert. des 6. Jahrhunderts widerspiegelt.1 Wegen des Rückgangs der Schriftlichkeit während des frühen und hohen Mittel- Heute bilden die Personenstandsangelegenheiten – für uns alters dürften derartige Aufzeichnungen – zumindest nörd- selbstverständlich – einen staatlichen Aufgabenkomplex, lich der Alpen – kaum jemals angelegt worden sein. der von den Gemeinden im übertragenen Wirkungsbereich, also in mittelbarer Bundesverwaltung zu besorgen ist. Als sich im ausgehenden Mittelalter das Pfarrnetz zu- Umso erstaunlicher mag es sein, dass sich die staatlichen sehends verdichtete und Schriftlichkeit selbst im länd- bzw. quasistaatlichen Obrigkeiten viele Jahrhunderte hin- lichen Raum eine neue Dimension gewann, wuchs auch der durch darum nicht bzw. nur am Rande gekümmert haben. Wunsch nach einer Bürokratisierung der Sakramente, wo- Zwar wurden seit der Antike immer wieder Personenver- bei sich der Fokus zunächst auf die Taufe, dann auch auf die zeichnisse verschiedenster Art zu den unterschiedlichsten Ehe richten musste. Den Anfang machten seit dem frühen Zwecken angelegt, das vollständige und kontinuierliche 14. Jahrhundert Italien und Frankreich. Im Bistum Konstanz, Erfassen von Geburten, Todesfällen und Eheschließungen das bekanntlich für das nördliche Vorarlberg zuständig war, zählte hingegen lange Zeit nicht zu den Erfordernissen welt- wurde den Diözesanstatuten erstmals 1435 eine entspre- licher Herrschafts- und Verwaltungspraxis. chende Bestimmung hinzugefügt: Zur besseren Feststel- lung von Ehehindernissen sollten die Pfarrer Taufbücher Die Ursprünge des modernen Matrikenwesens liegen dem- führen.2 Das kirchliche Eherecht kannte ja ein Eheverbot nach nicht im staatlichen, sondern im kirchlichen Bereich. bei zu naher Verwandtschaft, seit Papst Innozenz III. 1216 Da sich die Taufe bereits im frühen Christentum zum ge- einschließlich des vierten Grads kanonischer Komputation. setzlichen Eintrittsritus in die Kirche entwickelte, entstand Dabei wurden die Generationen bis zum ersten gemein- das Bedürfnis, Verzeichnisse der getauften Personen an- samen Vorfahren gezählt. Der Verwandtschaftsgrad war zulegen. Einen ersten Hinweis darauf bietet die Kirchen- dann die größere der beiden Zahlen. Onkel und Nichte sind ordnung Hippolyts von Rom aus der Zeit um 200, um 394 somit ebenso wie Cousin und Cousine im zweiten Grade wird ausdrücklich vom Eintrag der Täuflingsnamen in eine verwandt. Verwandtschaft im vierten Grad bedeutet dem- Art Matrikel berichtet. Nachdem sich die Kirche in der Frage nach, dass die beiden Personen ein gemeinsames Urur-

Seite 185 großelternpaar haben. Ebenso bildete die Schwägerschaft nie Wiedertaufen verhindern, aber auch ein zweites Argu- bis zum vierten Grad ein Ehehindernis. Später kam noch ment kam zum Tragen: Eltern würden nämlich, wie es hieß, die Cognatio spiritualis – die geistliche Verwandtschaft – nicht selten das Alter ihrer Kinder zu niedrig angeben, um zwischen Paten, Patenkind und dessen Eltern hinzu. unerwünschte Heiraten zu verhindern. Außerdem waren fortan Verzeichnisse über geschlossene und von der Kirche Obwohl die Statuten 1463, 1483 und 1497 erneuert wurden,3 bestätigte Ehen zu führen, dass man wüsse, wer elich bi sind aus dem weitläufigen Konstanzer Sprengel, der größ- einander sitze oder nit, dass man dieselben möge triben ten deutschsprachigen Diözese, keine Taufbücher des 15. zuo dem kilchgang oder aber von einander.7 1531 wurden Jahrhunderts überliefert. Die einschlägige Bestimmung der unter zwinglianischem Einfluss Tauf- und Trauungsbücher Diözesanstatuten dürfte also von den Pfarrern kaum beach- in Konstanz angelegt, im gleichen Jahr auch in Frankfurt. tet worden sein. Das mag schon deshalb nicht verwundern, 1533 begann mit der brandenburgisch-nürnbergischen Kir- weil auch noch am Ende des Mittelalters nur die Kenntnis chenordnung die lange Reihe der kirchenregimentlichen des Lesens, nicht jedoch des Schreibens für die Priester- Verfügungen über Matrikelangelegenheiten bei den deut- weihe vorausgesetzt wurde. Zu Kontrollmaßnahmen wie im schen Protestanten. Bistum Florenz, wo die Pfarrer von 1490 an Abschriften der Taufbücher dem Bischof abliefern mussten,4 griff man hier- Die katholische Kirche folgte auf verschiedenen Hierarchie- zulande nicht. ebenen. 1548 beschloss die Augsburger Synode unter Kardinal Otto Truchseß von Waldburg die Anlage von Pfarr- Auch in anderen Bistümern gab es entsprechende Initia- büchern. Verlangt wurden Verzeichnisse für Taufen, Beich- tiven. Die älteste bekannte Taufmatrikel aus dem Gebiet ten und Kommunionen, Eheschließungen und Sterbefälle.8 der nachmaligen Schweiz wurde 1481 in der Stadt Porren- Im heutigen Vorarlberg gehörten das Kleinwalsertal und der truy/Pruntrut im Jura auf Anweisung des Erzbischofs von Tannberg, somit zunächst die Pfarren Mittelberg und Lech, Besançon angelegt, die Pfarre St. Theodor in Basel (Stadt- dann auch deren Töchter Schröcken und Warth bzw. Riez- teil Klein-Basel) folgte 1490.5 Weitere frühe Kirchenbücher lern als Filiale von Oberstdorf zum Augsburger Sprengel. stammen aus dem sächsischen Annaberg (1498) und aus Eine Konstanzer Synode ordnete 1567 an, dass fortan jeder Augsburg (1504). In Graun im obersten Vinschgau sollen Pfarrer auf Kirchenkosten fünf Bücher (bzw. ein fünfteiliges von 1518 an die Taufen verzeichnet worden sein, im Ostti- Buch) zu führen habe: ein Taufbuch mit Eintrag der Paten, roler Matrei ab 1523. 1905 gingen im damaligen Österreich ein Firmbuch mit den Namen der Firmlinge und der Firm- 45 Tauf-, 25 Ehe- und 15 Sterbebücher in die Zeit vor dem paten, des Weiteren – als Maßnahme zur Bekämpfung des Konzil von Trient zurück.6 Kryptoprotestantismus – ein Beicht- und Kommunikanten- buch, ein Ehebuch sowie ein Totenbuch. Während den katholischen Bischöfen des 15. Jahrhunderts es allenfalls punktuell gelungen war, die Matrikenführung Im selben Zeithorizont befasste sich das Konzil von Trient als durchzusetzen, hatten die reformierten Obrigkeiten damit höchste geistliche Autorität mit dieser Materie. Das Dekret weniger Probleme. In den evangelischen Orten setzen die zur Verbesserung der Ehe vom 11. November 1563 („Tametsi- Kirchenbücher den jeweiligen Kirchenordnungen gemäß Dekret“) weist ausdrücklich zur Führung von Taufregistern meist sehr bald nach der Reformation ein. In Zürich wur- an: Parochus antequam ad baptismum conferendum ac- de 1526 angeordnet, die Namen der Täuflinge mit dem Tag cedat, diligenter ab iis, quos spectabit, sciscititetur, quem der Taufe, dem Namen des Vaters und denen der Paten in vel quos elegerint, ut baptizatum de sacro fonte suscipiant, einem Buch zu verzeichnen. Man wollte damit in erster Li- et eum vel eos tantum ad illud suscipiendum admittat, et

Seite 186 Diözeseneinteilung 1805

in libro eorum nomina describant. – „Bevor der Pfarrer zur ten, ein drittes über Osterbeichte und Kommunionempfang, Spendung der Taufe schreitet, soll er sorgfältig von denen, ein viertes für jene, die vor dem Pfarrer oder im Angesicht die es betrifft, erfragen, wen oder welche sie ausgewählt der Kirche die Ehe geschlossen haben und ein fünftes zur haben, um den Täufling aus der Taufe zu heben, und er Verzeichnung der Verstorbenen und kirchlich Begrabenen soll nur diesen oder diese zu diesem Akt zulassen und in unter Angabe des Vor- und Zunamens und des Datums. Die einem Buch ihre Namen aufschreiben.“9 Aus der Sicht der Pfarrer sollten die Bücher aus öffentlichem Erfordernis zur Konzilsväter sollte das Taufbuch in erster Linie Ehen verhin- immerwährenden Erinnerung eigenhändig führen. Die De- dern, denen die „geistliche Verwandtschaft“ zwischen den kane und Visitatoren wurden angewiesen, die Einhaltung Paten, dem Taufkind und dessen Eltern als Hindernis entge- dieser Bestimmung zu kontrollieren und in der Führung genstand. Firmbücher wurden hingegen nicht ausdrücklich der Bücher weiterhin nachlässige Pfarrer zu melden.12 Die verlangt, obwohl mit der Firmpatenschaft gleichfalls eine Statuten von 1609 wiederholten das Gebot des Führens der cognatio spiritualis begründet wurde. fünf Bücher.13

Des Weiteren verpflichtete das Dekret die Pfarrer, Ehebü- Im Bistum Chur wurde die Anlage von Tauf-, Trauungs-, Fir- cher anzulegen: Habeat parochus librum, in quo coniugum mungs- und Totenbüchern im Jahr 1605 angeordnet.14 et testium nomina, diemque et locum contracti matrimo- nii describat, quem diligenter apud se custodiat. – „Der Wer nun aber als Reaktion auf die Synodalstatuten bzw. Pfarrer muss ein Buch führen, in dem er die Namen der die Konzilsdekrete das flächendeckende Einsetzen der Brautleute und der Zeugen sowie den Tag und den Ort der Matriken erwartet, wird enttäuscht. Offenkundig war ange- Eheschließung aufschreibt, und das er sorgfältig bei sich sichts nach wie vor bestehender struktureller Probleme aufzubewahren hat.“10 Damit diente es zur Beurkundung die Bereitschaft des Pfarrklerus15, ihnen Folge zu leisten, der Eheschließung und mit der Nennung der beiden Zeugen zunächst gering, wie etwa das Beispiel des Bistums Brixen zum Nachweis, dass der kanonischen Formpflicht Genüge zeigt. Dort machten die bischöflichen Visitatoren seit 1570 geschehen ist. Nach den Eltern der Brautleute wurde nicht auf die Verordnungen des Trienter Konzils aufmerksam. gefragt, genealogische Überlegungen in Hinblick auf das Dennoch sah sich die Synode des Jahres 1603 veranlasst, Ehehindernis der Verwandtschaft dürften also zunächst unter strenger Strafandrohung alle selbständig Seelsorge keine Rolle gespielt haben. Todesfälle bzw. Begräbnisse zu führenden Geistlichen anzuweisen, innerhalb von zwei Mo- erfassen, wurde gleichfalls nicht als erforderlich erachtet. naten Tauf- und Ehebücher anzulegen. Aber auch danach gab es noch zahlreiche Beanstandungen.16 Wortführer in dieser Angelegenheit waren die spanischen und französischen Prälaten gewesen, wo solche Aufzeich- Die ältesten Vorarlberger Kirchenbücher stammen aus der nungen – wie erwähnt – schon eine längere Tradition be- Bregenzer St. Gallus-Pfarre. Dort begann Pfarrer Moses Ha- saßen.11 gen17 1587 mit dem Erfassen der Taufen, der Heiraten und der Todesfälle bzw. der Begräbnisse. Bereits ein Jahr später Bald darauf – im Jahr 1567 – gingen die Statuten der Kon- – 1588 – folgt das Ehebuch von Lingenau, 1597 das dortige stanzer Diözesansynode noch weiter, indem sie verfügten, Taufbuch. dass die Pfarrer fünf Bücher oder ein großes, in fünf Ab- schnitte gegliedertes Buch zu führen hätten: Eines zum Ein- Pfarrer Georg Hartmann18, der die Walsergemeinde Sonntag trag der Getauften, ihrer Eltern, ob verheiratet oder nicht, im Großwalsertal betreute, legte 1592 das erste Taufbuch ei- und der Paten, ein zweites, für die Gefirmten und deren Pa- ner zur Diözese Chur zählenden Vorarlberger Pfarre an, das

Seite 187 Taufbuch Sonntag 1592

er 1598 mit einem Firmbuch ergänzte.19 Beide sind tabella- Anderenorts war man überhaupt schneller, im Kanton Lu- risch aufgebaut. Die Spalten des Taufbuchs weisen von links zern etwa reichen in knapp der knapp der Hälfte der dama- nach rechts das Jahr, den Monatstag, den Namen des Kin- ligen Pfarreien die Matriken vor 1600 zurück – allerdings des, des Vaters, der Mutter, des Paten sowie der Patin aus. auch nicht weiter als in die frühen Achtzigerjahre.22 Das entsprach hinsichtlich der Paten den Vorstellungen des Konzils von Trient, das die Ausübung dieser Funktion auf Dass das Führen der kanonischen Bücher seit dem frühen eine Person bzw. eine männliche und eine weibliche Person 17. Jahrhundert zur Regel wurde, hängt einerseits mit dem beschränkte. Ähnliches gilt für das Sonntager Firmverzeich- wachsenden bischöflichen Druck, andererseits mit der ra- nis, das das Datum, die Namen des Kindes, des Vaters, der schen und weiten Verbreitung des 1614 publizierten Rituale Mutter und der Patin/des Paten enthält. Romanum zusammen. Obwohl es keinen allgemein ver- pflichtenden Charakter hatte und daher die Ritualbücher Der Taufmatrikel stellte Pfarrer Hartmann seinen Lebenslauf der einzelnen Diözesen nicht ersetzte, wirkte es doch ver- sowie eine kurze Reflexion über den Text selbst voran: Er einheitlichend. Hinsichtlich der Matrikelführung stimmt es hat auch hiehar in das buch auffgeschriben alle kinder, die mit den Konstanzer Diözesanstatuten überein, indem es au- er gethaufft hat, nachdem er pfarhar auff Tamuls worden ßer den beiden vom Konzil geforderten Matriken überdies ist, auch der kinder vatar und mutar, götte und gotta, damit ein Totenbuch, ein Firmungsbuch sowie einen Liber de statu uber kurtz oder lange zait alhie gefunden werde, welche er animarum (wörtlich: „Buch über den Zustand der Seelen“, im namen der hailigen traifaltigkait getaufft hab, auch wa auch als „Familienbuch“ bezeichnet) verlangt. Letzteres die eltern sind, obs elich geboren, wie alt, wer götte und sollte dem Pfarrer zur familienweisen Verzeichnung seiner gotta sey etc. Weliche er zuvor, als er caplan gewesen in Herde in Hinblick auf den Empfang der Sakramente dienen. Sarganserlandt, hat er nit geschriben. Gott welle, dass alle, die hie geschriben stond, auch geschriben werdend in das Um dem Pfarrer einen Leitfaden zum korrekten Führen der buch des lebens. Amen. Das hier erwähnte älteste Damül- Kirchenbücher an die Hand zu geben, bietet das Rituale für ser Taufbuch, das dem von Sonntag um ein Jahr voranging, die fünf Arten jeweils ein – ziemlich umständliches – For- ist nicht erhalten.20 mular. Jenes für den Eintrag der Taufen lautet:

Deutlich dichter wird die Überlieferung schließlich in den Anno Domini ... die ... mensis ... ego N., parochus hujus ersten drei Jahrzehnten des 17. Jahrhunderts. In diesem ecclesiae s. N., civitatis vel loci N., baptizavi infantem die ... Zeitraum wurde zumindest eines der Kirchenbücher, meist natum vel natam ex N. et N., conjugibus hujus (sc. parochi- die Taufmatrikel, der folgenden Pfarren angelegt: 1602 ae) vel parochiae s. N. et ex tali patria et familia, cui impo- Sulzberg, 1604 Bezau, 1607 Hohenems und Ludesch, 1611 situm est nomen N. Patrini fuerunt N., filius N. ex parochia Au und , 1613 Frastanz, 1614 Riezlern, 1615 Feld- seu loco N., et N., filia N. ex parochia seu loco N.23 – „Im kirch, 1617 Warth, 1618 Dalaas, 1619 Klösterle, 1620 Later- Jahr ..., am Tag ..., im Monat ..., habe ich N., Pfarrer dieser ns, Raggal und Schwarzenberg, 1623 Bürs, 1624 Schnifis, Kirche St. N., in der Stadt oder im Dorf N. ein Kind getauft, 1625 Lauterach, 1626 Möggers, 1627 Bludenz und Schlins, am ... geboren von N. und N., Eheleuten in dieser Pfarrei (in 1628 Satteins und Tisis, 1629 Bludesch und Egg. Neun der der Pfarrei St. ...) und aus ebensolcher Heimat und aus der 25 frühen Pfarreien gehörten zum Bistum Konstanz, 14 zu Familie, die den Namen N. hat. Paten waren N., Sohn von Chur und zwei zu Augsburg.21 Die Neuerungen scheinen N. aus N., und N., Tochter von N. aus der Pfarre oder dem also im Churer Sprengel etwas rascher rezipiert worden zu Ort N.“ sein als in dem des Konstanzer Bischofs.

Seite 188 Im Firmungsbuch sollten Datum und Ort der Firmung, der Laut Codex Iuris Canonici (CIC) von 1983 (canon 535) müs- Name des firmenden Bischofs, der Name des Firmlings, sei- sen in jeder Pfarrei ein Taufbuch, ein Ehebuch und ein To- ner Eltern, seines Patens, des Vaters des Patens und des- tenbuch sowie weitere Bücher nach den Vorschriften der sen Heimatort eingetragen werden, im Ehebuch auch die Bischofskonferenz oder des Diözesanbischofs vorhanden Eltern der Brautleute und vor allem der Geburtsort der aus sein. Der Pfarrer hat dafür Sorge zu tragen, dass diese Bü- anderen Pfarren stammenden Eheteile, im Totenbuch auch cher ordentlich aufbewahrt werden. Für ältere Matrikeln for- das Alter und die Eltern des Verstorbenen. Zum Status ani- dert canon 535 gleichfalls eine sorgfältige, den Vorschriften marum heißt es: „Jede Familie soll getrennt für sich in dem des Partikularrechts entsprechende Aufbewahrung.27 Buch notiert werden, wobei ein Zwischenraum zwischen je- der einzelnen und der folgenden gelassen wird. In diesem Unter den Vorzeichen moderner Staatlichkeit und des Buch soll aufgeschrieben werden der Name, der Zuname, Aufbaus bürokratischer Strukturen erwachte allmählich das Alter jedes Einzelnen, der aus dieser Familie stammt auch das Interesse der weltlichen Obrigkeiten an den oder gleichsam als Ankömmling in ihr lebt. Die aber zum Kirchenbüchern. Den Anfang machte – was nicht verwun- Sakrament der Kommunion zugelassenen sind, die kenn- dert – Frankreich, wo König Franz I. im Rahmen einer um- zeichne man mit „C“ am gegenüberliegenden Blattrand. fassenden Staatsreform die Pfarrmatriken bereits 1539 als Die durch das Sakrament der Firmung gestärkt wurden, die Personenstandregister der Aufsicht der weltlichen Gerichte kennzeichne man mit „Chr“. Die, die an einem anderen Ort unterstellte.28 Der deutsche Sprachraum folgte mit ähn- wohnen, deren Namen schreibe man mit einer Unterstrei- lichen Überlegungen erst im 18. Jahrhundert, in Österreich chung auf.24 konkret seit 1770. Dabei spielten neben statistischen und fiskalischen vor allem militärische Erwägungen hinsicht- Über derart exakte Eintragungen wären die Genealogen lich der Aushebung von Rekruten eine Rolle,29 weshalb überaus erfreut – allerdings beschränkten sich die aller- bezeichnenderweise der Hofkriegsrat die Vereinheitlichung meisten Pfarrer in der Praxis noch lange Zeit auf das aus der Kirchenbücher in allen österreichischen Ländern nach ihrer Sicht Notwendige. vorgegebenem Formular anregte.30 Mit Hofkammerdekret vom 6. Oktober 1770 wurde denn auch die Verwendung ei- Daher nahmen sich die kirchlichen Obrigkeiten auch in ner einheitlichen lateinische Matrikelformel angeordnet, weiterer Folge dieses Themas an: 1741 wies Papst Benedikt im folgenden Jahr die Angabe der kurz zuvor eingeführten XIV. in seiner Enzyklika „Satis vobis“ neuerlich auf die Be- Hausnummern. 1774 erging die Anweisung, die Kirchenbü- schlüsse des Konzils von Trient hin, drei Jahre später ord- cher sorgfältig zu verwahren und im Fall eines Brandes vor- nete er an, dass die bischöflichen Visitatoren die Führung rangig in Sicherheit zu bringen.31 der Tauf-, Ehe, Firm- und Familienbücher zu prüfen hätten. Das Konstanzer Rituale von 1775 bot Formulare für die kor- Die weitere Entwicklung sollte in unmittelbarem Zusammen- rekte, nunmehr tabellarische Führung der einzelnen Pfarr- hang mit dem Reformwerk Kaiser Josephs II. stehen, das buchgattungen.25 Schließlich verpflichtet das Dekret „Ne die Pfarrer als „Beamte im schwarzen Rock“ sah und ihnen temere“ aus dem Jahr 1907 die Pfarrer, Eheschließungen folglich auch staatliche Aufgaben zuwies. Dazu war die Ver- von Personen, die in ihrer Pfarrei geboren wurden, aber in dichtung des Pfarrnetzes notwendig, niemand sollte länger einer anderen heirateten, ins Taufbuch einzutragen.26 als eine Stunde Fußwegs zu seiner Pfarrkirche haben, eine Pfarrgemeinde nicht mehr als 700 Seelen zählen. Ingesamt verdankten 3.000 neue Seelsorgestationen der josephi- nischen Pfarrregulierung ihre Existenz.

Seite 189 Formular für Trauungsbuch 1784

Mit dem Patent vom 15. Mai 1781 erhielten die Geburts-, denselben die vorgeschriebenen Rubriken mit der geringen Trauungs- und Totenbücher der Pfarren den Status öffent- auf ihre Religion angewendeten Aenderungen beyzubehal- licher Urkunden, ein weiteres vom 20. Februar 178432 ten. Wo ein Ortsrabbiner aufgestellt ist, hat derselbe die machte die Pfarrer hinsichtlich der Matrikelführung zu Register zu führen: bey einzelnen Familien aber derjenige Beauftragten des Staats, kontrolliert nicht nur von den Rabbiner, welcher dem Orte am nächsten wohnet. Volle Be- geistlichen Oberen, den Bischöfen, sondern fortan auch weiskraft erhielten die von staatlich beeideten Organen zu vom jeweils zuständigen Kreisamt. Im Anhang wurde dem führenden jüdischen Matriken jedoch erst durch ein 1869 Patent ein verbindliches Formular für die Tauf-, Trauungs- publiziertes Reichsgesetz vom 10. Juli 1868.33 und Sterberegister beigegeben. Im selben Jahr kam noch die Bestimmung hinzu, dass für jede Ortschaft innerhalb Nachdem das Toleranzedikt Kaisers Josephs II. die prote- eines Pfarrsprengels eigene Matriken anzulegen sind. Dem stantische Konfession anerkannt hatte, wurde den evange- nunmehr staatlichen Charakter der Register gemäß hatten lischen Pastoren gleichfalls erlaubt, Matrikeln für Taufen, die Matrikelführer alljährlich Auszüge anzufertigen und Trauungen und Todesfälle anzulegen. Sie wurden aber nicht dem Kreisamt abzuliefern. als öffentliche Urkunden anerkannt,34 sodass die eigent- liche Matrikelführung für die so genannten „Akatholiken“ Das Formular für die Ehematrikel sah folgende Spalten vor: weiterhin den katholischen Pfarrern oblag. Das änderte Datum, Hausnummer, Vor- und Nachname des Bräutigams sich 1829 insoweit, als zwar die Glaubwürdigkeit der „aka- und der Braut, ihre Konfession, Alter und Familienstand (le- tholischen“ Kirchenbücher anerkannt wurde, jedoch Dupli- dig oder verwitwet), sowie Namen und Familienstand der kate von ihnen den katholischen Pfarrern zuzustellen und Zeugen. Die Zeugen sollten eigenhändig unterschreiben, den katholischen Matrikeln beizugeben waren.35 wenn sie schreiben konnten. Wenn nicht, schrieb ein ande- rer ihren Namen und sie bestätigten den Eintrag durch ein Zwischen 1786 und 1888 kam die Eigenschaft staatlich Kreuz oder ein anderes Zeichen mit eigener Hand. anerkannter Matrikenbücher auch der griechisch-orienta- lischen, der armenisch-orientalischen, der altkatholischen Im Geburtenbuch hatten das Geburtsdatum, Hausnummer, Kirche und der Herrnhuter Brüderkirche zu.36 Vorname des Kindes, Konfession, Geschlecht, Legitimität, Vor- und Nachnamen der Eltern und Paten aufzuscheinen. Behördliche Zivilmatrikeln mussten erstmals aufgrund der Der Namen des Vaters eines unehelichen Kindes dufte nur Ehegesetzgebung der Jahre 1868, 1869 und 1870 angelegt genannt werden, wenn er die Vaterschaft anerkannte. Die werden. Zunächst erfolgte die Einführung der so genannten Paten fügten entweder ihre eigenhändige Unterschrift oder „Notzivilehe“ für katholische Brautleute: Sollte der zustän- ein Zeichen an. dige Seelsorger die Vornahme des Aufgebots und der Trau- ung aus einem staatlich nicht anerkannten Grund ableh- Das Totenbuch hatte die Rubriken Todesdatum, Haus- nen, trat die politische Bezirksbehörde bzw. in Städten mit nummer, Namen, Konfession, Alter des Gestorbenen und eigenem Statut die betraute Gemeindebehörde an seine die Todesursache aufzuweisen, diese wurde entweder vom Stelle.37 In weiterer Folge wurden diese auch mit dem Auf- Leichenbeschauer, vom Kreisphysicus oder vom örtlichen gebot und der Trauung beauftragt, wenn die Verlobten ver- Wundarzt bestimmt. schiedenen christlichen Konfessionen angehörten und die Seelsorger sich weigerten bzw. wenn die Brautleute keiner Außerdem heißt es in im Patent: Die Juden sind gleich- gesetzlich anerkannten Kirche oder Religionsgemeinschaft falls zu Führung dieser drey Register anzuhalten, und von angehörten. Des Weiteren wies der Gesetzgeber nunmehr

Seite 190 die Behörden ausdrücklich zur Führung der Geburts-, Ehe die Übernahme der deutschen Gesetzgebung40 nach dem und Sterberegister für diesen Personenkreis an.38 „Anschluss“ 1938 reduzierte die von diesem Zeitpunkt an geführten Kirchenbücher zu Aufzeichnungen für den inter- Eigene Matriken39 für Militärpersonen entstanden schon nen Gebrauch der jeweiligen Kirche bzw. Religionsgemein- im 17. Jahrhundert, die „Vorschriften für die Feldkapläne“ schaft. aus dem Jahr 1641 bieten einen ersten Hinweis darauf. Eine Reihe immer ausführlicherer Instruktionen folgte. Seit 1816 waren die Regimentskapläne angehalten, von ihren 1 Vgl. dazu im Überblick Heinrich Börsting, Geschichte der Matriken von Pfarrmatriken Duplikate anzufertigen und diese dem Apo- der Frühkirche bis zur Gegenwart. Freiburg i. Br. 1959. stolischen Feldvikariat zuzustellen. Die nicht-katholischen 2 Regaste Episcoporum Constantiensium – Regesten zur Geschichte Militärseelsorger führten ab 1869 eigene Register, für die der Bischöfe von Konstanz, Bd. 3: 1384-1436, bearb. von Karl das Kriegsministerium als Oberbehörde fungierte. Auch Rieder. Innsbruck 1913, Nr. 9662. Vgl. auch Konstantin Maier, Die die Marine legte eigene Matrikeln an. Nur im Kriegsfall Diözesansynoden. In: Die Bischöfe von Konstanz, hg. von Elmar L. Kuhn unterstanden die Landwehrangehörigen der Militärmatri- u. a., Bd. 1: Geschichte. Friedrichshafen 1988, S. 90-102. kelführung. Den Ersten Weltkrieg wohl antizipierend traten 3 Die Pfarrbücher und Zivilstandsregister im Staatsarchiv Luzern. am 9. Jänner 1914 die „Bestimmungen für die Militärseel- Findbuch zu den Abschriften, Filmen und Originalbänden, bearb. sorge und für die Matrikelführung im Kriege“ in Kraft. Sie von Anton Gössi unter Mitarbeit von Max Huber (Luzerner Historische beließen diese Aufgabe bei der Militärgeistlichkeit des Veröffentlichungen – Archivinventare 6). Basel 2001, S. 13. jeweiligen Religionsbekenntnisses. Diese hatten die Ein- 4 Börsting (wie Anm. 1), Eine kirchenrechtliche Grundlage für die tragungen für den ihnen zugewiesenen Truppenkörper auf Verzeichnung von Täuflingen, auf die in weiterer Folge zurückgegriffen separate, in Hefte gefasste Matrikelbögen aufzunehmen werden konnte, lieferte schließlich das „Sacramentarium Gelasianum“, und Duplikate über den Feldsuperior an das Feldvikariat das Papst Gelasius I. (492 bis 496) zugeschrieben wird, im Wesentlichen weiterzuleiten. Die Feldgeistlichen der Feldspitäler und mo- aber die römische liturgische Praxis des 6. Jahrhunderts widerspiegelt.1 bilen Reservespitäler hingegen hatten gebundene Matriken Wegen des Rückgangs der Schriftlichkeit während des frühen und hohen samt Duplikaten zu führen und die Duplikate monatlich Mittelalters dürften derartige Aufzeichnungen – zumindest nördlich der an den vorgesetzten Feldsuperior einzusenden. Für den Alpen – kaum jemals angelegt worden sein. 49. Eintrag der Gefallenen dienten im Feld ausgefertigte Legiti- 5 Ebenda, S. 66 f.. mationsblätter als Grundlage. Von 1919 bis zur Einrichtung 6 Ebenda, S. 80 f. des Österreichischen Bundesheers 1923 ruhte die Militär- 7 Actensammlung zur Geschichte der Zürcher Reformation in den Jahren matrikelführung. Die erhalten gebliebenen militärischen 1519-1533, hg. von Emil Egli. Zürich 1879, Nr. 982. Kirchenbücher werden heute in der Abteilung Kriegsarchiv 8 http://www.bistum-augsburg.de/ba/dcms/sites/bistum/dioezese/ des Österreichischen Staatsarchivs verwahrt. Auch für die geschichte/bistumsarchiv/findbuecher/pfarrbuecher/index.html (11. Mitglieder des Kaiserhauses wurden eigene Matrikenbü- März 2008). cher geführt. 9 Heribert Hallermann, Pfarrei und pfarrliche Seelsorge. Ein kirchen- rechtliches Handbuch für Studium und Praxis. Paderborn u. a. 2004, S. Während also in Österreich über das Ende der Monarchie 61. hinaus – von Ausnahmen abgesehen – die Verzeichnung 10 Ebenda. der Geburten-, Heiraten und Todesfällen in geistlicher Hand 11 Börsting (wie Anm. 1), S. 94 f. blieb, wurde sie im Deutschen Reich zum 1. Januar 1876 12 Constitvtiones Et Decreta Synodalia Civitatis Et Dioecesis mit der Einrichtung von Standesämtern verstaatlicht. Erst Constantien[sis] : in Ecclesia cathedrali Constantien[sis] Kalendis

Seite 191 Septembris & sequentibus diebus, Anno D[omi]ni M.D.LXVII. statuta, Tantner (Mitteilungen des Österreichischen Staatsarchivs, Sonderbd. 8). edita & promulgata [...]; quibus adiecta sunt acta, seu ordo rei gestae, Wien 2005, S. 4, 144. una cum caerimonijs & orationibus in eadem Synodo habitis. Dillingen 31 Walter Zeyringer, Das Personenstandswesen in Österreich – Geschichte, 1569, S. 189 f. Gegenwart und Zukunft. In: 50 Jahre Fachverband der österreichischen 13 Constitvtiones Et Decreta Synodi Dioecesanae Constantiensis : Edita Ac Standesbeamten. Festschrift. Wien 1997, S. 164- 188, hier S. 165. Promvlgata Die 20. Octobris Anno [...] MDCIX. Konstanz 1609, S. 105 32 VLA, Patente, Sch. 4, Nr. 146. 14 Börsting (wie Anm. 1), S. 106 f. 33 Gesetz vom 10. Juli 1868, betreffend die Beweiskraft der Geburts-, 15 Dazu exemplarisch Jörn Sieglerschmidt, Der niedere Klerus um 1600. Trauungs- und Sterbematriken der Israeliten, Reichsgesetzblatt (fortan: Eine vergleichende Untersuchung am Beispiel des Landdekanats RGBl.) Nr. 18/1969. Engen. In: Die Bischöfe von Konstanz, hg. von Elmar L. Kuhn u. a., Bd. 1: 34 Zeyringer (wie Anm. 31), S. 165. Geschichte. Friedrichshafen 1988, S. 110-124. 35 Provinzial-Gesetzsammlung von Tyrol und Vorarlberg für das Jahr 1829. 16 Wilfried Beimrohr, Die Matriken (Personenstandsbücher) der Diözese Bd. 16/2. Innsbruck 1832, S. 455 ff. Innsbruck und des Tiroler Anteils der Erzdiözese Salzburg (Tiroler 36 Beimrohr (wie Anm. 16); S. 11. Geschichtsquellen 17). Innsbruck 1987, S. 7. 37 Gesetz vom 25. Mai 1868, wodurch die Vorschriften des zweiten 17 Ludwig Rapp, Topographisch-historische Beschreiung des Generalvikar- Hauptstückes des allg. bürgerl. Gesetzbuches über das Eherecht für iates Vorarlberg, Bd. 2. Brixen 1896, S. 293. Katholiken wieder hergestellt, die Gerichtsbarkeit in Ehesachen der 18 Siehe auch Andreas Ulmer, Topographisch-historische Beschreibung Katholiken den weltlichen Behörden überwiesen und Bestimmungen des Generalvikariates Vorarlberg, Bd. 5, Dornbirn 1924, S. 841, Bd. 6/2. über die bedingte Zulässigkeit der Eheschließung vor weltlichen Dornbirn 1965, S. 704. Behörden erlassen wird, RGBl. Nr. 47/1868. 19 Vorarlberger Landesarchiv (fortan: VLA), Hs. u. Cod., Pfarrarchiv Sonntag, 38 Gesetz vom 9. April 1870, über die Ehen von Personen, welche keiner Nr. 3. gesetzlich anerkannten Kirche oder Religionsgemeinschaft angehören, 20 Die Aufzeichnungen beginnen dort 1636. und über die Führung der Geburts-, Ehe- und Sterberegister über 21 Das Vorarlberger Landesarchiv. Einführung und Bestandsübersicht. dieselben, RGBl. Nr. 51/1870; Verordnung vom 20. Oktober 1870, Bregenz 21998, S. 87-90. betreffend die innere Einrichtung und Führung der Geburts-, Ehe- und 22 Gössi (wie Anm. 3), S. 14. Sterberegister für Personen, welche keiner gesetzlich anerkannten 23 Zit. nach Börsting (wie Anm. 1), S. 100. Kirche oder Religionsgemeinschaft angehören, RGBl. Nr. 128/1870. 24 Ebenda, S. 101 f. 39 Vgl. dazu Karl Taferner, Die Militärmatriken im Kriegsarchiv Wien 1633- 25 Abbildungen bei Gössi (wie Anm. 3), S. 15-18. 1938, in: Mitteilungen des Österreichischen Staatsarchivs 49 (2001), S. 26 http://www.bistum-augsburg.de/ba/dcms/sites/bistum/dioezese/ 91-95; Christoph Tepperberg, Das Militärmatrikelwesen in Österreich, in: geschichte/bistumsarchiv/findbuecher/pfarrbuecher/index.html (11. ebenda, S. 59-90; Renate Domnanich, Die Militärmatriken und andere März 2008). Bestände des Kriegsarchivs als Quellen der genealogischen Forschung, 27 Ebenda. in: ebenda, S. 97-107. 28 Theologische Realenzyklopädie, hg. von Gerhard Krause/Gerhard 40 Die einschlägigen Zitate bei Zeyringer (wie Anm. 31), S. 166. Müller, Bd. 18. Berlin [u. a.] 1989, S. 529. 29 Vgl. dazu Anton Tantner, Ordnung der Häuser, Beschreibung der Seelen – Hausnummerierung und Seelenkonskription in der Habsburgermonarchie. Phil. Diss. Wien 2004. 30 „… der größte Teil der Untertanen lebt elend und mühselig.“ Die Berichte des Hofkriegsrates zur sozialen und wirtschaftlichen Lage der Habsburgermonarchie 1770-1771, hg. von Michael Hochedlinger/Anton

Seite 192 Vortrag auf dem 18. Vorarlberger Archivtag; Bregenz, Landesarchiv, 16. Juni 2008 Josef Seidl, bis Februar 2008 Standesbeamter beim Standesamt Bludenz

Der österreichische Standesbeamte – gestern und heute Josef Seidl

Historischer Überblick In Österreich blieb die Matrikenführung bis Ende des 18. Jahrhunderts allein der katholischen Kirche vorbehalten. Erste Ansätze einer staatlichen Personenstandsverzeich- Erst unter Josef II. (1780 bis 1790) wurde die Matrikenfüh- nung lassen sich schon in vorchristliche Zeit zurückverfol- rung erstmals grundsätzlich dem Staat angeordnet, im De- gen. So gab es schon im Stadtstaat Athen Bürgerlisten, tail geregelt und der staatlichen Aufsicht unterstellt. Durch in die allerdings nur Männer – in erster Linie dienten sie dieses kaiserliche Patent wurden auch die Form (Trauungs- nämlich der militärischen Erfassung – aufgenommen wur- buch, ein Buch zur Verzeichnung der Geborenen und ein den und den Besitz der athenischen Staatsangehörigkeit Buch über die Verstorbenen) und der Inhalt dieser Eintra- nachwiesen. gungen festgelegt.

Auch im römischen Reich ließ bereits Kaiser Augustus Ge- Die Matrikenführung selbst oblag aber weiterhin den katho- burtsregister anlegen, bei denen jedes eheliche Kind bin- lischen Seelsorgern. Erst in der Folge wurden nach und nach nen 30 Tagen anzumelden war. Im 6. Jahrhundert ordnete auch alle anderen gesetzlich anerkannten Kirchen und Reli- Kaiser Justinian an, dass über Eheschließungen der Füh- gionsgemeinschaften zur Matrikenführung ermächtigt. rungsschicht Urkunden aufzunehmen sind und in Kirchen- archiven zu hinterlegen waren. Für Konfessionslose wurde erstmals mit Gesetz vom 25. Mai 1868 die Führung der Matriken durch staatliche Or- In der Zeit der Völkerwanderung fand eine Personen- gane verfügt. Dieses Gesetz bestimmte, dass die Bezirks- standsverzeichnung nicht statt. verwaltungsbehörden über die von ihnen geschlossenen Ehen (Notzivilehen) ein besonderes Aufgebotsbuch und Erst mit dem Konzil von Trient (1545 bis 1563) wurde für die Eheregister zu führen hatten. Ein Jahr später wurde auch für ganze Westkirche die Führung von Heiratsregistern so wie Ehen zwischen Angehörigen verschiedener christlicher Kon- die Eintragung der Namen beider Taufpaten – die Existenz fessionen diese Eheschließungsform ermöglicht. von Taufbüchern wurde daher bereits vorausgesetzt – ins Taufbuch vorgeschrieben. Durch das Matrikengesetz vom 8. April 1870 wurden schließlich die politischen Behörden (Bezirkshauptmann- 1614 wurde angeordnet, dass auch Verzeichnisse Ver- schaften bzw. Magistrate) auch verpflichtet, neben der Füh- storbener anzulegen seien. Staatliche Urkunden spielten rung des Eheregisters auch die Geburts- und Sterbefälle der neben den kirchlichen Matriken nur eine ganz unterge- Konfessionslosen zu beurkunden. ordnete Rolle. Dieses Josefinische Matrikenpatent blieb – wenngleich Erst im Zeitalter der Reformation verschieben sich die durch zahlreiche spätere Vorschriften ergänzt – bis zum Gewichte zwischen kirchlicher und staatlicher Matriken- Jahre 1938 die grundlegende Norm des österreichischen führung. So bestimmte die französische Verfassung von Matrikenwesens. 1791, dass die Ehe ein rein bürgerrechtlicher Vertrag ist. Mit dem ein Jahr später ergangenen französischen Personen- standsgesetz wurde das gesamte Zivilstandswesen in das Aufgabengebiet der Gemeinde übertragen. Diese hatte ein Mitglied des Gemeinderates mit den Wahrnehmungen der Registerführung zu betrauen.

Seite 193 Einrichtung der Standesämter Die Verschiedenheit des Behördenaufbaues im Deutschen Reich und in Österreich zeigte schon bald, dass das deut- Das Jahr 1938 und die folgenden Jahre brachten hier eine sche Personenstandsrecht nur schwer mit den Grundsätzen völlige Wandlung durch die Verweltlichung des Personen- der österreichischen Verfassung in Einklang zu bringen war. standsrechts. Mit 1. Jänner 1939 wurde in Österreich das Letztlich waren die langjährigen Bemühungen, das (reichs) deutsche Personenstandsgesetz vom 3. November 1937 in deutsche Personenstandsgesetz durch eine österreichische Kraft gesetzt (GBlfLÖ. Nr. 287/ 1938). Bereits am 1. August Rechtsvorschrift zu ersetzen, erst im Jahre 1983 von Erfolg 1938 war das Gesetz vom 6. Juli 1938 zur Vereinheitlichung gekrönt. des Rechts der Eheschließungen und der Ehescheidungen im Lande Österreich und im übrigen Reichsgebiet in Kraft Das neue österreichische Personenstandsgesetz (PStG) getreten (GBlfLÖ. Nr. 244/1938, 302/1938). Die wesentliche ist am 1. Jänner 1984 in Kraft getreten (BGBl. Nr. 60/1983). Änderung gegenüber der bis dahin geltenden Rechtslage Dieses Gesetz brachte eine völlige Neuordnung der Perso- bestand darin, dass an Stelle der konfessionellen aus- nenstandsverzeichnung (Beurkundung der Geburten, Ehe- nahmslos die zivile Matrikenführung und an Stelle der schließungen und Sterbefälle) sowie des administrativen kirchlichen Eheschließung ausnahmslos die standesamt- Eherechts (Mitwirkung des Standesbeamten bei der Vorbe- liche Eheschließung trat. reitung der Eheschließung und der Trauung) mit sich.

Mit Einführung des Deutschen Personenstandsrechtes in Österreich am 1. Jänner 1939 waren die den Standesämtern Der Standesbeamte als Verwaltungsorgan obliegende Aufgaben Angelegenheiten des Staates, die den Gemeinden zur Erfüllung nach Anweisung übertra- Nach § 59 Abs. 1 PStG sind die in diesem Gesetz geregelten gen wurden. Grundsätzlich bildete jede Gemeinde einen Personenstandsangelegenheiten einschließlich des Matri- Standsamtsbezirk, wobei die höhere Verwaltungsbehörde kenwesens, soweit nicht Aufgaben dem Landeshauptmann, für mehrere Gemeinden den Auftrag einer von ihnen ertei- der Bezirksverwaltungsbehörde oder dem österreichischen len oder eine Gemeinde in mehrere Standesamtsbezirke Staatsarchiv übertragen sind, von den Gemeinden im über- aufteilen konnte. Für jeden Standesamtsbezirk waren ein tragenen Wirkungsbereich zu besorgen. Standesbeamter und mindestens ein Stellvertreter zu be- stellen. Die Zustimmung zur Bestellung oblag der höheren Daraus ergibt sich, dass die Personenstandsangelegen- Verwaltungsbehörde, die eine solche nur erteilte, wenn die heiten im übertragenen Wirkungsbereich, das heißt aus- entsprechenden fachlichen Voraussetzungen erfüllt waren. nahmslos in mittelbarerer Bundesverwaltung zu besorgen sind. Nach der Wiedererlangung der Unabhängigkeit wurden die reichsdeutschen personenstands- und eherechtlichen Organ der Gemeinde ist der Bürgermeister, der die An- Vorschriften als österreichische Rechtsvorschriften in vor- gelegenheiten des übertragenen Wirkungsbereiches zu läufige Geltung gesetzt. Nur jene Bestimmungen, die offen- besorgen hat. Organ des Gemeindeverbandes ist der sichtlich nationalsozialistisches Gedankengut enthielten, Verbandsobmann. wurden aufgehoben bzw. abgeändert.

Seite 194 Gemäß § 59 Abs. 3 PStG hat sich das Organ der Gemein- Seit Installierung der Standesämter war bis 31. Dezember de (Bürgermeister) bei Besorgungen der Aufgaben eines 1976 die Eintragung der Personenstandsfälle in gebundene Gemeindebediensteten, der für diese Aufgaben notwen- Bücher, das heißt handschriftlich vorzunehmen. Eine lose dige Fachkenntnisse besitzt, zu bedienen. Die Länder als Blattführung und damit die Eintragungen im Geburten-, Fa- höhere Aufsichtsbehörde haben auch schon frühzeitig die milien- und Sterbebuch mit Schreibmaschine waren an die Notwendigkeit einer entsprechenden Ausbildung der Stan- ausdrückliche Genehmigung des Landeshauptmannes ge- desbeamten erkannt und diese durch Prüfungsordnungen bunden. Erst ab 1. Jänner 1977 war eine lose Blattführung ge- geregelt. Nach diesen hat der angehende Standesbeamte nerell zulässig. Erst das neue Personenstandsgesetz schuf eine schriftliche und mündliche Prüfung abzulegen, wobei die Basis für den Einzug der automationsunterstützten Da- insbesondere ausreichende Kenntnisse in den Fachgebie- tenverarbeitung in den Standesämtern. Während der EDV- ten Personenstands-, Ehe-, Namens- und Staatsbürger- Einsatz ursprünglich zwar noch immer einer Verordnung der schaftsrecht, sowie der einschlägigen Bestimmungen des Aufsichtsbehörde bedurfte, wurde, bedingt durch die tech- internationalen Privatrechtes, sowie hinsichtlich der Ge- nische und kostenmäßige Entwicklung der EDV, bereits im bühren und abgaberechtlichen Bestimmungen nachzuwei- Jahre 1991 mit einer Neufassung des § 7 PStG eine generelle sen sind. (In Vorarlberg ist die Dienstprüfung derzeit noch Zustimmung für eine automationsunterstützte Datenverar- nicht erforderlich, jedoch wird diese vom Amt der Vorarlber- beitung im Personenstandsbereich geschaffen. ger Landesregierung empfohlen) Das Personenstandsgesetz 1984 beseitigte im Interesse ei- Das Standesamt ist nicht monokratisch organisiert, denn ner raschen und bürgernahen Verwaltung auch eine Reihe beim Standesamt sind alle vom Organ herangezogenen von Hemmnissen und Hindernissen und übertrug gleich- Organwalter (selbst wenn einer davon der Bürgermeister zeitig in vielen Teilbereichen die Entscheidung an die Per- selbst ist) bei der Besorgung der ihnen übertragenen Auf- sonenstandsbehörde erster Instanz. Es sollen hierbei nur gaben in ihren Befugnissen völlig gleichgestellt. Das Stan- einige Beispiele erwähnt werden: desamt ist aber auch nicht nach dem Kollegialsystem ein- gerichtet, weil jeder Standesbeamte in seinem Amtsbereich Entfall des Aufgebotes, bzw. die Kundmachung des Aufge- allein entscheidet. Die Willensbildung geht also hier von botes für eine Eheschließung, Befreiung von der Beibrin- einer Einzelperson aus und nicht von einer Personenmehr- gung eines Ehefähigkeitszeugnisses durch den Präsidenten heit, wie dies bei einer Kollegialbehörde der Fall ist. des Oberlandesgerichtes, Befreiung von der Wartezeit, die Befreiung vom Ehehindernis des Ehebruches, sowie die Be- freiung von der Schwägerschaft. Die Entwicklung der Aufgagen und Arbeitsbedin- gungen des Standesbeamten Während bis 1. Jänner 1984 der Eintritt der Legitimierung durch die Eheschließung der Eltern nur auf Anordnung des Das mit 1. Jänner 1984 in Kraft getretene Personenstands- Gerichtes beurkundet werden durften, beurteilt seither der gesetz kann als modern, automationsfreundlich, in vielen Standesbeamte selbst diesen Rechtstatbestand. Er hat Bereichen auch als bahnbrechend bezeichnet werden. Es hierbei auch die besonderen Regelungen hinsichtlich der ermöglicht dem Standesbeamten eine rasche und bürger- erforderlichen Zustimmungen zu beachten. freundliche Erledigung der von ihm wahrzunehmenden Aufgaben. In der Folge sollen nur einige Beispiele erwähnt werden.

Seite 195 Der Standesbeamte heute Wenn manche vielleicht einwenden, dass mit der Einführung der elektronischen Datenverarbeitung in vielen Gemeinden Wie seit beinahe 70 Jahren steht auch heute der Mensch leichter geworden wäre, so muss dem doch entgegenge- im Mittelpunkt der Tätigkeiten des Standesbeamten. Erst- halten werden, dass zwar die „Maschine“ arbeitet, es aber mals wird der Standesbeamte bei der Geburt eines Neu- noch immer der Standesbeamte ist, der die richtige Ent- geborenen tätig (Geburtenbuch), später beurkundet er scheidung zu treffen, entsprechende Eingaben zu tätigen die Eheschließung (Ehebuch), letztlich den Tod des Men- und dies auch zu verantworten hat. Der Standesbeamte ist schen (Sterbebuch). Dazwischen gibt es – von der Öf- im Zeitalter des ständig wachsenden Aufgabenstellens mit fentlichkeit weitgehend unbemerkt – nicht weniger wich- der Situation konfrontiert, sich den geänderten Rechtsla- tige personenstandsrechtliche Vorgänge, zum Beispiel gen anzupassen, sich entsprechend weiterzubilden und ein Vaterschaftsanerkenntnisse, Legitimationen, Namens- umfassendes Gesamtwissen zu speichern. Nicht vergessen bestimmungen, Wiederannahme des früheren Familien- darf man in diesem Zusammenhang das Entstehen neuer namens usw., zu beurkunden. Staaten, das Berücksichtigen neuer Rechtsvorschriften, so- wie die Zuwanderung von Flüchtlingen (Asylanten) die auch Darüber hinaus ist der Standesbeamte als Gemeindeorgan hier Kinder bekommen, die Ehe schließen wollen oder de- vielfach auch mit dem Vollzug des Staatsbürgerschafts- ren Sterbefall beurkundet werden sollte. Es ist des Öfteren rechtes – seit Inkrafttreten des Staatsbürgerschaftsgesetzes sehr schwierig mit diesen Personen die Daten festzustellen, 1965 – betraut. In diesem Zusammenhang stellt er unter den tatsächlichen Familienstand zu ermitteln, da die mei- anderem staatsbürgerschaftsrechtliche Bestätigungen sten Personen über keinerlei Urkunden verfügen oder über- (Staatsbürgerschaftsnachweise) aus und führte die Staats- haupt nicht bereit sind diese vorzulegen und bedarf eines bürgerschaftsevidenz. In Vollziehung dieser Aufgaben hat großen Zeitaufwandes. das damit betraute Organ der Gemeinde (Standesbeamter) – wie wohl kaum ein anderer Gemeindebediensteter – mit den verschiedensten gesetzlichen Bestimmungen, wie zum Beispiel dem Personenstandsgesetz, der hiezu ergangenen Durchführungsverordnungen und Dienstanweisung, dem Ehegesetz, ABGB, internationalen Privatrecht, Staats- bürger schaftsrecht, internationalen Abkommen und Über- einkommen, dem internationalen Ehe- und Kindschafts- recht, vertraut zu sein. Die Standesbeamten sind bemüht, diese ihnen übertragenen Aufgaben nach bestem Wissen Herr zu werden. Der Standesbeamte ist derjenige, der die „harten“ Daten liefert, ohne die eine funktionierende Ge- meinschaft bzw. öffentliche Verwaltung wohl kaum möglich und denkbar wäre.

Seite 196 Eröffnung der Ausstellung des Landesarchivs „96 Gemeindewappen – Hoheitszeichen und Bürgerstolz“; Bregenz, Landhaus, 16. Juni 2008 Ulrich Nachbaur (geb. 1962 in Feldkirch), Dr. iur., M.A., seit 1997 Mitarbeiter im Vorarlberger Landesarchiv

96 Gemeindewappen

Einführung in die Ausstellung „96 Gemeindewappen – Hoheitszeichen und Bürgerstolz“ Ulrich Nachbaur

Die Heraldik umfasst die Wappenkunst, die Wappenkun- Ich verschone Sie mit juristischen Details. Gerade die Ent- de und das Wappenrecht. Das Vorarlberger Landesarchiv stehung der Gemeindewappen aber, zumal in Form der ist als eine Art „Heroldsamt“ Anlaufstelle für heraldische Stadtsiegel, ist nicht zuletzt als rechtsgeschichtliches Phä- Fragen aller Art; häufig gerade für Gemeinden, zumal das nomen zu begreifen. Landesarchiv seit 1927 im Auftrag der Landesregierung die Gemeindewappenregistratur führt, in der zur Sicherung Gleichstücke der Wappenurkunden aufbewahrt werden. Siegel als Ausdruck der Stadtrechte

Deshalb widmeten wir den Vorarlberger Archivtag 2007 dem Siegel dienten und dienen zur Beglaubigung und zum Ver- Thema „Vorarlberger Gemeindesymbole – Heraldische und schluss von Dokumenten. Wenn im Mittelalter eine Bürger- rechtliche Aspekte“. Wir haben allen Gemeinden unsere schaft ihr Siegel an eine Urkunde hängen konnte, war das Vorträge und ein Bestandsverzeichnis der Gemeindewap- ein Zeichen ihrer Rechtsstellung und Geschäftsfähigkeit. penregistratur zugesandt. Die Vorträge wurden vielleicht Siegel waren Hoheitszeichen und Sinnbild des Bürger- weniger studiert, das Echo auf das Bestandsverzeichnis war stolzes. jedoch heftig. So ließ uns ein Gemeindesekretär wissen: Für die Stadt Feldkirch sind seit 1312 Siegel belegt, für „Wir haben heute das Schriftenbuch Vorarlberger Gemeinde- die Stadt Bludenz seit 1329. Sie zeigen jeweils das Stadt- wappenregistratur erhalten. wappen. Leider mussten wir feststellen, dass ein komplett falsches Gemeindewappen der Gemeinde […] aufscheint bzw. abge- Das Stadtsiegel demonstrierte einen Gestaltungsspiel- bildet wurde. raum, den der Stadtherr der Bürgerschaft eingeräumt oder Bitte veranlassen Sie, dass in Zukunft nur mehr das von uns den sie ihm abgerungen hatte. Denken wir an den Freiheits- als Anlage übersandte Gemeindewappen benutzt wird. brief, mit dem sich die Feldkircher 1376 vom letzten Grafen Dafür wären wir sehr dankbar und für Sie ist es sicher eine von Montfort-Feldkirch für ihre Zustimmung zum Verkauf wichtige Sache, auch die richtigen Wappen zu archivieren.“ 1 der Herrschaft weitreichende Rechte zusichern ließen. Mit Rudolfs Tod ging die Grafschaft an Habsburg über und trat Mit der Einladung zu dieser Ausstellung ernteten wir erneu- der Freiheitsbrief in Kraft. te einige Briefe und Anrufe, wohlmeinende und andere. Die Feldkircher hatten also ein Interesse daran, die neue Spätestens diese Reaktionen ließen uns zur Gewissheit Landesherrschaft zu festigen. werden, dass Wappen eine sehr ernste, mitunter sogar bier- ernste Angelegenheit sind. Unter Führung der Feldkircher und des Grafen Albrecht von Werdenberg-Heiligenberg-Bludenz schlossen 1391 die Ob Segel oder Sonnenstrahlen, Kirschen oder Lilien, Mau- Stände der Herrschaften Feldkirch und Bludenz mit Zu- erkronen oder Hirschstangen – die Frage nach dem „rich- stimmung des Herzogs von Österreich ein Militärbündnis. tigen“ Wappen treibt viele um. Diese „Vorarlberger Eidgenossenschaft“ besiegelten Graf Albrecht und die Stadt Bludenz sowie die Stadt Feldkirch und das „Land“ Bregenzerwald.

Davon konnten die Bregenzer erst träumen.

Seite 197 Wappenurkunde für Bregenz 1529

Endlich ein Wappen für Bregenz Das Montafon (1639, 1718) und Dornbirn (1655) ließen sich später vom Landesfürsten das Recht zur Wappenführung Wenn die Bregenzer Bürger erst 200 Jahre nach den Feld- bestätigen. kirchern und Bludenzern ihr eigenes Siegel führen konnten, symbolisiert das eine verzögerte Entwicklung der Stadt- Der Stand Montafon führte die Petrischlüssel im Wappen, verfassung. die „Schlüssel zum Himmelreich“. Sie verwiesen eigentlich nur darauf, dass die Montafoner lange Zeit „Hofjünger“ des 1409 teilten die Bregenzer Montforter nach der Grafschaft Hofes bei St. Peter zu Bludenz waren. Sie nährten aber die auch noch die kleine Residenzstadt in zwei Hälften. In einer Legende, die Montafoner seien von fast ganz oben zur Füh- geteilten Stadt mit zwei Stadtherren konnten die Unterta- rung der Schlüssel samt Tiara berechtigt worden. So ließen nen nur eine sehr eingeschränkte Rechtsstellung erlangen. sie sich ihr Wappen 1700 auch vom Papst bekräftigen. – 1451 ging der südliche Teil der Grafschaft an Österreich Wappen waren immer auch eine Prestigefrage; für die Mon- über, 1523 der nördliche. tafoner im Kampf gegen die Bludenzer Bevormundung.

Doch die Hoffnungen auf mehr Selbstbestimmung erfüllten Einzelne Standeswappen wurden von den ab 1808 ein- sich zunächst nicht. Erzherzog Ferdinand gestand seinen gerichteten Gemeinden weitergeführt – so von Dornbirn Bregenzern nur das gewünschte Siegel zu, mit dem „ural- und Mittelberg. Bei der späteren Verleihung neuer Ge- ten“ Fellwappen, das angeblich einst die Grafen von Bre- meindewappen wurden verbindende Elemente aus den genz geführt haben sollen. Eine typisch österreichische ehemaligen Standeswappen übernommen, zum Beispiel Lösung, die nichts kostete. Mit diesem Prestigeerfolg konn- die Wäldertanne, die Sonnenberger Sonne oder die Monta- te Bregenz wenigstens den Schein wahren. – Die Herme- foner Schlüssel. linschwänze wurden später als Rossegel und Feldrüben missdeutet. Feldkircher Wappen als Landeswappen

Wappenfähige Stände Für die Landstände siegelten die drei Städte gemeinsam mit ihren Stadtsiegeln, die um 1726 zu einem landschaft- Auch die meisten der 21 „bäuerlichen“ Gemeinwesen legten lichen Kanzleisiegel zusammengezogen wurden. sich mit der Zeit Siegel zu. Mit den Städten bildeten sie als „Stände“ oder „Gerichte“ die politische „Landschaft“ in Als die kaiserliche Verwaltung um 1750 daran ging, aus den österreichischen Herrschaften vor dem Arlberg. den eigenwilligen österreichischen Herrschaften vor dem Arlberg ein „Land Vorarlberg“ zu formen, scharte das neue Diese Landstände wollten später im bereits erwähnten Kreisamt für Vorarlberg in seinem Kanzleisiegel die Herr- Bundesbrief von 1391 ihre Gründungsurkunde sehen, an schaftswappen um den österreichischen Bindenschild. der auch das „Landessiegel“ des Hinterwaldes anhing. Denn die frühen dieser Stände verstanden sich zu Recht Für die Herrschaft Feldkirch griff es auf die Gerichtsfahne noch als Länder im rechtshistorischen Sinn. Nicht von un- der Montforter zurück, die die Stadt Feldkirch in ihren Sie- gefähr lassen sich daher auch für den Wald (1379) und das geln überlieferte. Montafon (1405) bereits sehr früh Siegel belegen.

Seite 198 Wappenentwurf für Hard 1905

Für die Herrschaft Bregenz übernahm es aus dem Stadt- berg und Hohenems ergänzt, die mit Bregenz und Feldkirch wappen vorgeblich das Wappen der Grafen von Bregenz. Vorarlberg weiterhin im großen Staatswappen vertraten. – Das ergab ein hübsches, aber unpraktisches Wappen, das Für die Herrschaft Bludenz behalf sich die landesfürstliche zudem bereits mit der Bezirksreform von 1868 nicht mehr Verwaltung mit dem Bludenzer Stadtwappen; ein Herr- verständlich war. schaftswappen war offenbar nicht mehr geläufig. Denn woher immer das Einhorn stammen mag, von den Werden- 1918 wird die Landesversammlung das Landeswappen bergern als ehemaligen Stadtherren jedenfalls nicht. schließlich auf die Montforterfahne reduzieren. Dass sie einst exklusiv für die Stadt und Herrschaft Feldkirch stand, In wechselnden Konstellationen fanden ab 1804 auch die ist längst vergessen. Herrschaften vor dem Arlberg im großen Majestätswappen Platz. Ab 1836 vertraten dort Hohenems, Feldkirch, Bregenz und Sonnenberg das Land Vorarlberg. Beiwerk zu Stadt- und Markterhebungen

Doch bereits 1849 schlug eine Kommission dem Kaiser vor, Seit der bayerischen Gemeindereform von 1808 genossen der Verfassungsentwicklung Rechnung zu tragen und für in Vorarlberg die Städte und Märkte gegenüber den „Land- Vorarlberg nur noch das „vorzüglichste“, das Feldkircher gemeinden“ keine gravierenden Vorrechte mehr. Wappen in das große Staatswappen aufzunehmen: Mit den kaiserlichen Markt- und Stadterhebungen, die um „Da Feldkirch also die älteste und ansehnlichste der 4 Graf- 1875 in Mode kamen, erwarben Gemeinden nur noch Eh- schaften ist, zudem die Stadt Feldkirch jetzt die Haupts- rentitel. Titel ohne Mittel, die aber schmückten und hoffent- stadt von Vorarlberg ist, nebst Feldkirch aber noch eine lich die Nachbarn ärgerten. Grafschaft, das ist Bregenz, meist Montfortisch war, so wür- de am angemessensten sein, und auch die meisten Sym- Meist ließen sich die frisch erkorenen Städte und Märkte pathien die Verfügung finden, das alte Wappen der Grafen bei dieser Gelegenheit auch ein Wappen verleihen oder be- von Montfort, das zugleich im Stadtsiegel von Feldkirch stätigen. enthalten ist, die rothe Kirchenfahne im weißen Felde, als Wappen für das ganze Kronland Vorarlberg anzunehmen So war es auch, als das „Erhebungsfieber“ von Tirol auf und demselben durch kaiserliche Gnade ausdrücklich zu Vorarlberg übergriff. Nachdem Dornbirn 1901 zur „Stadt“ verleihen.“ 2 und Lustenau 1902 zum „Markt“ erhoben waren, beschloss 1904 die aufstrebende Nachbargemeinde Hard, ebenfalls Als Landeshauptstadt vermochte sich Feldkirch nicht zu um die nominelle Markterhebung samt Wappen anzusu- behaupten, seinem Wappen war mehr Erfolg beschieden. chen.

Im Wappen, das Franz Joseph dem Land Vorarlberg 1864 Landesarchivar Viktor Kleiner formulierte ein Majestäts- schließlich verlieh, wurde die Montforterfahne in den Mit- gesuch und war auch bei der Abklärung eines vertretbaren telpunkt gerückt, aber noch mit den Wappen der damals Wappens behilflich. Die Markterhebungsfeier wurde 1905 sechs Verwaltungsbezirke Bregenz, Feldkirch, Bludenz, pompös aufgezogen. Die Speisenfolge hätte dem kaiser- Dornbirn, Bregenzerwald und Montafon umgeben sowie lichen Hof zur Ehre gereicht. Hoffentlich griffen alle zum mit dem Wappen der ehemaligen Grafschaften Sonnen- richtigen Besteck.

Seite 199 Wappenurkunde für Schlins 1911

Bis 1935 blieb den Städten und Märkten der Titel „Bürger- Strenge Staatsbeamte vertraten bisweilen die Ansicht, dass meister“ vorbehalten, während sich die „Landgemeinden“, das Recht zur Wappenführung einer offiziellen Verleihung die „Bauern“, bis dahin mit „Gemeindevorstehern“ begnü- oder Bestätigung bedürfe – doch wo kein Kläger, da kein gen mussten. Richter.

Kein Monopol der Städte und Märkte Die Gemeinde Lauterach machte den Fehler, sich nach der richtigen Darstellung zu erkundigen. Bis 1918, und noch später, suchten vor allem die neuen Städte und Märkte um Wappen an. Das mag zur Meinung Sie hatte vor Generationen ein Haus der Ammannfamilie geführt haben, dass nur Städte und Marktgemeinden wap- Vonach angekauft und darin die Schule und die Gemeinde- penfähig gewesen seien. kanzlei untergebracht. Die Gemeinde übernahm das Wap- pen über der Haustür in ihr Siegel und wollte 1890 wissen, Den Gegenbeweis liefert die Wappenverleihung an die ob sie berechtigt sei, auch den aufliegenden Doppeladler unbedeutende Kleingemeinde Schlins von 1911. Von an- zu führen. deren „Dörfern“ wurde wenigstens der Nachweis verlangt, dass sie das begehrte Wappen schon seit langem führen. Das Ministerium des Innern beschied, dass die Fortführung Für Schlins hingegen wurde ohne jede Wappentradition ein des Wappens – ohne Adler – nur gestattet werden könne, neues Wappen kreiert. Das dürfte in der Monarchie seines- wenn Lauterach durch alte Siegel nachweise, dass es „alt- gleichen gesucht haben. hergebracht“ sei. Die Gemeinde führte das Wappen einfach so weiter. Wie für Hard führte auch für Schlins Landesarchivar Kleiner Regie. Als er das Statthaltereiarchiv in Innsbruck um einen Doch 1922 schwärzte Landesarchivar Kleiner die Lautera- Wappenvorschlag ersuchte, erhielt er neben der Expertise cher an, dass sie unbefugt das Vonachwappen führten. So zur Antwort: mussten sie schließlich um die Bewilligung ansuchen.

„Ich kann […] nicht verschweigen, dass mir kein Fall bekannt Als einziger Vorarlberger Gemeinde wurde ihr 1924 von der ist, dass in Tirol und Vorarlberg einem Dorfe in neuerer Zeit Bundesregierung das Recht zur offiziellen Wappenführung ein Wappen verliehen worden wäre. Die mir bisher unterr- verliehen. gekommenen Dorfwappen stammen zumeist aus moderner Zeit und sind vielfach ganz willkürlich angenommen.““3 Landesgesetz 1926: Wappenrevision Wappenführung ohne Wappenbrief Stadt- und Markterhebungen, Namensänderungen und Feldkirch und Bludenz führten ihre Wappen seit Jahr- Wappenverleihungen waren ein Vorrecht der Krone ge- hunderten, ohne eine landesfürstliche Berechtigung vor- wesen. Nach 1918 nahm diese Kompetenz zunächst die weisen zu können oder zu müssen. Ein Wappenbrief be- Bundesregierung wahr. deutete einen Prestigegewinn, aber keine nennenswerten rechtliche Vorteile. So führten schon vor 1918 über 15 Vorar- Mit der Bundesverfassungsnovelle 1925 ging die Zuständig- lberger Gemeinden Wappen im Siegel, die sie sich selbst keit an die Länder über. Am 22. Dezember 1926 beschloss zugelegt hatten. der Vorarlberger Landtag eigens ein Landesgesetz, das sich an einem Muster des Bundeskanzleramts orientierte.

Seite 200 Wappenurkunde für Schruns 1927

Das Gesetz sah vor, dass die Gemeinden, die bereits ein Die Wappen knüpfen häufig an historische Traditionen an. Wappen führen, innerhalb eines Jahres um eine Bestäti- Denn nur ein altes Wappen ist ein edles Wappen. gung oder Verleihung dieser Berechtigung durch die Lan- desregierung ansuchen müssen. Die Laternser griffen gleich bis auf ihre „Urheimat“ zurück. Als „Zimbapfarrer“ Gebhard Gunz, ein begeisterter Heral- Bis Juni 1928 zeigten zehn Gemeinden an, zur Wappen- diker, 1936 für die Gemeinde ein Wappen entwarf, führung berechtigt zu sein, 23 meldeten ihr Interesse an legte er ihm das Walliser Kantonswappen zu Grunde. Auf einer Verleihung an. Die übrigen 68 Gemeinden legten vor- Vorschlag Landesarchivar Kleiners mussten die Laternser erst keinen Wert darauf. dafür eigens die Genehmigung der Kantonsregierung in Sit- ten einholen. So wurden die Wallisersterne offiziell in die Mit dieser Wappenrevision bekam die Landesregierung alle Vorarlberger Heraldik und die Walser Gefühlswelt „impor- inoffiziellen Wappen „in den Griff“. tiert“.

Schruns war die erste Gemeinde, der der Landtag nach dem Damüls führt übrigens nicht nur die Walsersterne, sondern neuen Gesetz am 21. Oktober 1927 das Recht zur Führung auch die Wäldertanne im Wappen – ein Sinnbild der aus- der Bezeichnung „Marktgemeinde“ verlieh. Die Wappen- ufernden „Verwälderung“ Vorarlbergs, die seit 200 Jahren verleihung verzögerte sich noch etwas, weil sich die Ge- immer weiter fortschreitet und in absehbarer Zeit die Lan- meindeväter über die Gestaltung stritten. deshauptstadt erreicht haben wird.

Die einen wollten unbedingt eine Montafonerkuh im Wap- pen und keinesfalls einen Sprungstier, weil dann die Ver- Reichssiegel mit Hakenkreuz hönung der Gemeindemitglieder zu befürchten sei. Die Entscheidung fiel schließlich trotzdem für den Stier als Von 1938 bis 1945 führte der Großteil der Vorarlberger Symbol für die Viehzucht und den Viehmarkt, kombiniert Gemeinden das Hakenkreuz im Siegel. Das war jedoch mit den Montafoner Schlüsseln und der aufgehenden Son- nicht Ausdruck einer besonders nationalsozialistischen ne des Fremdenverkehrs. – Bei der Darstellung in Burmeis- Gesinnung, sondern eine Folge der Deutschen Gemeinde- ters Wappenbuch wurde der Stier übrigens seines Phallus ordnung, die mit 1. Oktober 1938 in Kraft gesetzt wurde: beraubt, des Zeichens seiner Potenz und Stärke. Diese Schmähung wäre früher ein Kriegsgrund gewesen. Denn die Die Gemeinden hatten ihre bisherigen Wappen und Flag- Verhunzung von Wappen ist eine erste, mitunter todernste gen weiterzuführen. Jene Gemeinden aber, die noch über Angelegenheit. kein Wappen verfügten, waren wie andere staatliche Ver- waltungen verpflichtet, das kleine Reichssiegel mit dem Hoheitszeichen des Reichs – das Hakenkreuz der NSDAP im Von Wäldertannen bis zu Walsersternen Eichenkranz, darauf ein Adler – zu führen.

Die Bestimmungen des Landesgesetzes von 1926 wurden Die Gemeindesiegel waren streng genormt. Doch die Auf- 1935 in die neue Gemeindeordnung eingebaut. Bis 1938 sichtsbehörden hatten Mühe, diese Normen in der Praxis ließen sich 38 der damals 99 Gemeinden ein Wappen be- durchzusetzen. So forderte der Landrat des Landkreises stätigen oder verleihen. Bregenz „seine“ Bürgermeister Ende März 1940 auf, die

Seite 201 Wappenurkunde für Nenzing 1968 korrekte Siegelführung durch einen Abdruck nachzuweisen. Doch im Rechtsausschuss des Landtages setzte sich die Im Juli konnte er nach Innsbruck berichten, dass nun die Meinung durch, „daß ein Wappen, das von einer staat- Richtigstellung der Siegelinschriften restlos durchgeführt lichen Behörde verliehen worden ist, doch in seiner Qua- sei. lität und Wertung höher steht als ein Wappen, das man sich selbst geben kann“.5 – Ein bemerkenswertes Demo- Das Recht, Gemeindewappen zu verleihen oder zu ändern, kratieverständnis. stand nun dem Reichsstatthalter in Tirol und Vorarlberg zu, der Imst ein neues Wappen verordnete, das besser dem Zudem seien die noch wappenlosen Gemeinden meist „neuen Geist“ entsprach. Die NSDAP stieß sich an kirch- kleinere Gemeinden, die selbst nicht so leicht in der Lage licher und österreichischer Symbolik und tilgte in den Wap- seien, das richtige Symbol zu finden. – Wenn wir uns die pen ihrer Kreiszentren Reutte, Schwaz und Dornbirn den Entwürfe und Wünsche zu Gemüte führen, die verschiedene rot-weiß-roten Bindenschild. Doch eine offizielle Wappen- Gemeinden einbrachten, ist das nicht ganz von der Hand änderung erfolgte in Vorarlberg jedenfalls nicht. zu weisen.

Bei dieser „Zwangsbeglückung“ führte Landesamtsdirektor Pflicht zur Wappenführung Elmar Grabherr persönlich Regie. Zur Begutachtung zog er nicht den Landesarchivar heran, sondern seinen „Hofhisto- Mit Jahresende 1965 führten 54 der inzwischen 96 Gemein- riographen“ Benedikt Bilgeri. den ein Wappen. Das neue Gemeindegesetz verpflichtete nun die Landesregierung, den 42 bisher „wappen- Hatten bisher die Gemeinden selbst für die Gestaltung der resistenten“ Gemeinden binnen fünf Jahren ebenfalls ein Urkunde Sorge tragen müssen, gab sie die Landesregie- Wappen zu verleihen – ob sie wollten oder nicht. Eine wohl rung spätestens ab 1968 selbst in Auftrag, und zwar beim beispiellose Gesetzgebung. Schrunser Kunstmaler Konrad Honold. Das machte Sinn.

Der Vorarlberger Gemeindeverband hatte die Verpflichtung Es wurde eine gewisse Einheitlichkeit erreicht, und der Zeit- zur Wappenführung als unnotwendig abgelehnt, ebenso druck war erheblich. Und dann glaubten auch noch „Hei- die SPÖ, die Landesregierung dagegen die Auffassung ver- mathirsche“ und Hobbyheraldiker, dem Großmeister ins treten, dass dadurch die „äußere Stellung aller Gemein- Handwerk pfuschen zu müssen! Auch bei der Gestaltung den“ gehoben werde.4 der neuen Gemeindewappen ließ der helvetophile Grab- herr seinen Blick unermüdlich über den Jordan ins „gelobte Die Regierungsvorlage hatte allerdings vorgesehen, dass Land“ schweifen – wenn er etwa 1969 Honold zum Problem- sich die Gemeinden künftig Inhalt und Form ihrer Wappen fall schrieb: „unter Bedachtnahme auf heraldische Grundsätze“ selbst verordnen mögen, da sie doch wohl im eigenen Wirkungs- „Die Käsebrente erscheint mir ungeeignet, da sie stilisiert bereich lägen. Die Landesregierung hätte die Genehmigung nicht zu erkennen ist. Die Milchwirtschaft ist allerdings ty- nur unter bestimmten Gründen versagen dürfen. – Ein na- pisch. Da bleibt aber wohl nichts übrig als die von Ihnen heliegendes Vorbild bot vielleicht der Kanton St. Gallen. vorgeschlagene Kuh. Ein Beispiel wäre der Stier von Uri. […].“6 – Ob Stier, ob Ochs, ob Kuh, alle machen Muh. Nur Hörner tragen sie heute keine mehr.

Gemeindesiegel Rheinau 1940

Seite 202 Krumbach: Wappenurkunde, Burmeister, Caldonazzi

Es gelang der Landesregierung, bis Ende 1970 alle Ge- Nach der Rechtsansicht des Landesarchivs ist allein die meinden zu „beglücken“. Das war nicht immer einfach. Etli- Wappenbeschreibung in der Urkunde entscheidend. Jede che Gemeinden meinten, ihren gesamten Symbolhaushalt Darstellung und nur eine Darstellung, die dieser Beschrei- in ihr Wappen packen zu sollen. Letztlich erzielte die Lan- bung entspricht, ist „richtig“. Das besagen auch die Grund- desregierung mit allen eine mehr oder weniger glückliche sätze der Heraldik. Lösung. Ein Problem besteht darin, dass etliche Beschreibungen 1965 wurde auch die Gestaltung des Gemeindesiegels im nicht den strengen Regeln der Heraldik entsprechen. Gemeindegesetz genau geregelt, zudem das Recht jeder Gemeinde, eine Fahne zu führen und deren Aussehen Um es an einem einfachen Beispiel zu zeigen: Die Heraldik durch Verordnung festzulegen. kennt nur die Farben Schwarz, Rot, Grün und Blau sowie die Metalle Gold und Silber, aber keine „natürlichen“ Far- Eine Änderung von Gemeindewappen obliegt der Landes- ben, von denen bis in die 1940er Jahre allzu oft Gebrauch regierung. Das war bisher erst einmal der Fall. Auf Wunsch gemacht wurde. So lautet die Beschreibung für Krumbach: der Marktgemeinde Rankweil wurde ihr Wappen 1978 auf den Liebfrauenberg reduziert. – Leider haben wir auf der „Ein von Grün und Silber gespaltener Schild, dessen Ausstellungsfahne und im Katalog versehentlich den Herz- rechtes Feld von einem silbernen Wellenbalken durchzogen schild des alten Wappens und nicht die Darstellung in der ist, während in der linken Hälfte eine natürliche entwurzelte neuen Wappenurkunde abgebildet. Tanne abgeledigt erscheint. Den Schild umgibt eine orna- mentierte bronzefarbige Randeinfassung.“ 7 Damit kehren wir zum Thema „richtige“ und „falsche“ Wap- pen zurück. Eine Tanne auf silbernem Grund kann schwarz, grün, rot oder blau sein, aber nicht „natürlich“ (mit einem braunen Stamm). Deshalb entschied sich Burmeister für eine grüne „Richtige“ und „falsche“ Wappen Tanne. Für Silber kann Weiß verwendet werden.

1975 gab Landesarchivar Karl Heinz Burmeister auf Wun- Mauerkronen bei Städten und Randeinfassungen bei son- sch der Landesregierung ein Gemeindewappenbuch stigen Gemeinden, mit denen Wappen in der Zwischen- heraus. Dafür wurden die Wappen nach heraldischen kriegszeit gerne verhübscht wurden, sind überflüssiger Gesichtspunkten vereinheitlicht und vereinfacht. Diese Zierrat und können weggelassen werden. Darstellungen haben wir auch für die Fahnen und unsere Publikationen verwendet. Die grafische Mode der 1970er Jahre ist unverkennbar. Es geht um das „Wir-Gefühl“

Seither wird nachgefragt, welches Wappen das „richtige“ Wir sollten uns hüten, Wappendarstellungen legistisch sei – die Darstellung in der Wappenurkunde oder jene bei zu versteinern, die Heraldik in ein zu enges Korsett einzu- Burmeister? schnüren.

Seite 203 (FNFJOEFXBQQFO

Ausstellungskatalog

Eine lebendige Heraldik wird uns gerade in diesen Tagen der Fußball-Europameisterschaft vor Augen geführt – von Boxershorts bis zur Kriegsbemalung: Hauptsache, die Far- ben stimmen.

Wappen dienten ursprünglich der Kennzeichnung der Ritter, die auch auf Distanz von den Gegnern unterscheidbar sein sollten. Heute mühen sich zum Glück nur Fußballmann- schaften auf dem Schlachtfeld der Ehre und unterscheiden sich von den Gegnern und Schiedsrichtern durch unver- kennbare Farbkombinationen; ebenso ihre Schlachten- Die Gemeindewappen boten sich als dankbares Aus- bummler. stellungsthema an, denn sie wecken Leidenschaften. Wap- pen zählen wie Fußball zu den Phänomenen, bei denen Es bleibt zu hoffen, dass keine gegnerischen Fahnen erbeu- jeder mitreden kann, bei denen jeder Experte ist. Stellen tet, in den Schmutz gezogen oder verbrannt werden. Sie sich nur einmal unbemerkt in die Ausstellungshalle und verfolgen Sie etwas die Diskussionen über die „falschen“ Wenn es Bürgermeister mit ihren Gemeindewappen mit- Gemeindewappen. Die Empörung ist einkalkuliert, wir sind unter übergenau nehmen, hängt das wohl weniger mit dem gewappnet. Hoheitszeichen, als mit dem Bürgerstolz zusammen.

Das Wappen ist deshalb eine „heilige Sache“, seine Verhun- 1 VLA 41.01-2007/0015. zung deshalb ein Sakrileg, weil es um Identität geht, um 2 Gutachten der zur Regulierung der Titel und Siegel (Wappen) Seiner ein individuelles Symbol, das eine Gemeinde verkörpert, K. Majestät Franz Joseph I. berufenen Commission, Wien 13.08.1849, um eine Fahne, um die sich die Gemeinde schart. Es geht Beilage B (2.), zitiert nach: Ulrich Nachbaur, Graf von Hohenembs, um die Gruppenidentität, um das „Wir-Gefühl“ – wobei Feldkirch, Bregenz, Sonnenberg etc. Vorarlberg in Titeln und Wappen sich Gruppen immer durch Abgrenzung gegenüber anderen des Hauses Österreich bis 1918, in: Bludenzer Geschichtsblätter (2008) Gruppen bilden. 88, S. 45-88, hier S. 76. 3 Vorarlberger Landesarchiv (fortan: VLA): Gemeindearchiv Schlins Nr. 33: Das spielte zweifellos auch in den historischen Prozessen Klaar an Kleiner, Innsbruck 06.03.1911. der Gemeindebildung eine Rolle und trägt zur Erklärung 4 Regierungsvorlage Gemeindegesetz, Erläuterungen zu § 9, der mitunter extremen Konkurrenz zwischen Nachbar- Stenographische Sitzungsberichte 20. Vorarlberger Landtag, Beilage gemeinden bei. 22/1965. 5 Berichterstatter Landesstatthalter Gerold Ratz, Stenographische Ich gehe davon aus, dass eine Mehrheit der Vorarlberger Sitzungsberichte 20. Vorarlberger Landtag, 9. Sitzung 28./29.10.1965, S. grundsätzlich für Gemeindezusammenlegungen offen wäre 180. – so lange es nicht die Vereinigung mit den eigenen Nach- 6 VLA: Amt der Vorarlberger Landesregierung Ib-213-19/1980: Grabherr an barn sein soll. Dann würde wohl auch um das gemeinsame Honold, Bregenz 01.09.1969. Wappen gerungen. 7 Wappenurkunde 06.10.1928 (VLA: Gemeindewappenregistratur, Krum- bach).

Seite 204 Wappen der Vorarlberger Gemeinden

Die Beschreibungen und Abbildungen sind mit Ausnahme Literatur: des neuen Rankweiler Gemeindewappens 1978 dem Standardwerk Karl Heinz Burmeisters, Die Gemeinde- Karl Heinz Burmeister, Die Gemeindewappen von Vorarl- wappen von Vorarlberg (1975), entnommen. Burmeister bie- berg. Sigmaringen 1975. tet auch eine Interpretation der Wappen. Ulrich Nachbaur/Alois Niederstätter, Vorarlberger Ge- Diese „Burmeister-Wappen“ sind nicht verbindlich und meindesymbole. Heraldische und rechtliche Aspekte. nur eine mögliche Form, die Wappen darzustellen. Nach Referate des 17. Vorarlberger Archivtages 2007 (Kleine Rechtsmeinung des Vorarlberger Landesarchivs sind nur Schriften des Vorarlberger Landesarchivs 7). Bregenz 2007. die Wappenbeschreibungen rechtsverbindlich. Jede Dar- Als Download: www.landesarchiv.at. stellung, die der Wappenbeschreibung entspricht, ist ein „richtiges“ Wappen. Das entspricht auch heraldischen Cornelia Albertani/Ulrich Nachbaur, Vorarlberger Gemeinde- Grundsätzen. wappenregistratur. Bestandsverzeichnis mit 1. September 2007 (Kleine Schriften des Vorarlberger Landesarchivs 8). Gleichstücke der Urkunden, die für die Gemeinden ausge- Bregenz, 2., korrigierte Aufl. 2008. Als Download: www.lan- fertigt wurden, sind zur Sicherung im Vorarlberger Landes- desarchiv.at. archiv (Bestand: Gemeindewappenregistratur) und im Österreichischen Staatsarchiv hinterlegt. Ulrich Nachbaur, 96 Gemeindewappen. Hoheitszeichen und Bürgerstolz. Ausstellung (Ausstellungskataloge des Vorarlberger Landesarchivs 16). Bregenz 2008. Als Down- load: www.landesarchiv.at.

Ulrich Nachbaur, 96 Gemeindewappen. Hoheitszeichen und Bürgerstolz, in diesem Band.

Seite 205 Au Verleihung: 22. Dezember 1970 Verleihung: 6. August 1930 Schild schräglinks geteilt von Silber und Rot. In Ein blauer, von einer eingebogenen silbernen Silber ein grüner Lindenzweig mit drei Blättern, Spitze durchzogener Schild. Die Spitze ist mit in Rot ein schwarzer Baumstumpf, darin steckt einer abgeledigten natürlichen entwurzelten ein silbernes Beil mit schwarzem Stiel. Tanne belegt und von je einem silbernen, gol- den besamten Edelweiß an beblättertem Stän- Altach gel begleitet. Den Schild umgibt eine ornamen- Verleihung: 20. Februar 1929 tierte bronzefarbene Randeinfassung. Ein blauer, in der Mitte von einem silbernen Fluss quer durchzogener Schild. Oberhalb Bartholomäberg des Flusses erscheint abgeledigt eine weißge- Verleihung: 17. August 1965 tünchte zweifenstrige Kirche, an die rechts ein Ein durch Deichselschnitt geteilter Schild, vorne Eingangsvorbau und links ein niedriger Turm in Silber schwarze gekreuzte Schlüssel, hinten mit Satteldach und zwei Kreuzen auf der Giebel- in Schwarz silberne gekreuzte Hämmer und linie angebaut sind. Der Turm weist übereinan- oben in Rot auf grünem Dreiberg goldener hl. der zwei Fenster auf, von denen das untere das Bartholomäus mit Heiligenschein, der in der Ausmaß einer Luke hat. Turm, Kirchenschiff und rechten Hand ein silbernes Messer, in der lin- Eingangsvorbau sind rot gedeckt. Unterhalb ken ein Gebetbuch hält. des Flusses ist ein natürlicher Eichenzweig mit einem Blatte zwischen zwei Eicheln zu sehen. Bezau Den Schild umgibt eine ornamentierte bronze- Marktgemeinde (Markterhebung 6. Februar farbene Randeinfassung. 1962); Verleihung: 1. Februar 1929 Ein roter, von einem silbernen Balken durch- Andelsbuch gezogener Schild, der mit einer natürlichen, Verleihung: 9. April 1930 entwurzelten, abgeledigten Tanne belegt ist. Ein silberner, von einer aufsteigenden, nach Der Schild umgibt eine ornamentierte bronze- außen gebogenen, blauen Spitze durchzogener farbige Randeinfassung. Schild. Die Spitze ist mit einer abgeledigten, in gotischem Stil gehaltenen, sechseckigen, Bildstein nach oben spitz zulaufenden, silbernen Säule Verleihung: 23. September 1969 („Bezeggsäule“) belegt; in den Oberecken des In silbernem Schild über grünem Dreiberg ein Schildes ist je ein sechsstrahliger blauer Stern rotes eingekerbtes Tatzenkreuz. zu sehen. Den Schild umgibt eine ornamen- tierte bronzefarbene Randeinfassung.

Seite 206 Bregenz Verleihung: 16. Februar 1929 Stadt (Stadterhebung nicht belegt, 1260 apud In einem von Silber über Rot geteilten Schilde Priganciam ciuitatem) erheben sich aus grünem Rasenboden drei na- Bestätigung: 14. Jänner 1930; Verleihung: 24. türliche Tannen, die mittlere etwas höher als Februar 1529 (Ferdinand I.) die beiden äußeren. Der Schild umgibt eine Ein Schild von Kürsch, der von einem silbernen ornamentierte bronzefarbige Randeinfassung. Pfahle durchzogen wird, in dem drei Herme- linschwänzchen übereinander erscheinen. Auf dem Hauptrand des Schildes ruht eine silberne Verleihung: 14. Oktober 1969 Mauerkrone mit fünf sichtbaren Zinnen. Im schräg geteilten Schild im oberen blauen Feld ein fünfzackiger silberner Walliserstern, im Buch unteren silbernen Feld eine grüne Tanne in der Verleihung: 3. Juni 1970 Form einer alten Hausmarke. In Grün ein silberner Buchenzweig mit einem Blatt und zwei goldenen geöffneten Bucheckern Bludenz mit silbernem Kern. Stadt (Stadterhebung nicht belegt, 1329 als ci- vitas erwähnt) Bürs Bestätigung: 8. Februar 1929; Verleihung: nicht Verleihung: 15. April 1931 belegt, erster Nachweis 1329 Ein von Silber über Rot geteilter Schild. Im obe- In einem silbernen Schilde erscheint ein ren Felde ist ein schwarzes, blau bordiertes schwarzes, steigendes gegen rechts gewen- Tatzenkreuz zu sehen, im unteren Felde er- detes Einhorn. Auf dem Hauptrand des Schildes scheinen drei silberne Ringe, zwei über einen ruht eine silberne Mauerkrone mit fünf sicht- gestellt. Der Schild umgibt eine ornamentierte baren Zinnen. bronzefarbige Randeinfassung.

Bludesch Bürserberg Verleihung: 13. August 1947 Verleihung: 3. März 1970 Ein durch einen schwarzen Faden geteilter Im blauen Schild unten ein schwarzer Dreiberg Schild. In der oberen silbernen Schildhälfte ver- und in der Schildmitte ein silberner Steinbock- schränken sich zwei natürliche abgehauene ge- kopf. stümmelte Äste in Form eines Andreaskreuzes. Die untere Hälfte ist von Sturzwolkenfeh in zwei Dalaas Reihen durchzogen. Den Schild umgibt eine or- Verleihung: 13. Jänner 1970 namentierte steinfarbene Randeinfassung. Im gespaltenen Schild vorn in Rot ein schwarzes gekreuztes Bergwerkshammerpaar und im sil- Brand bernen Feld drei bewurzelte grüne Tannen. Verleihung: 19. September 1961 Ein in rotem Schrägflammenschnitt geteilter sil- berner Schild.

Seite 207 Damüls Egg Verleihung: 17. September 1963 Verleihung: 10. Oktober 1929 Ein von Rot und Silber gespaltener Schild. Auf Ein silberner Schild mit einem roten Schildes- der Spaltlinie, aus dem Schildfuß sich erhe- fuße. Im Schildesfelde erscheint abgeledigt bend, eine natürliche Bregenzerwäldertanne, eine stilisierte, befruchtete, entwurzelte Linde. begleitet von einem fünfzackigen silbernen Im Schildesfuße verschränkt sich ein schräg Stern im roten und einem roten Stern im sil- rechts gelegtes, silbernes Richtschwert mit bernen Feld. Über der Spitze der Tanne ein einem ebenso tingierten Stabe. gleichartiger Stern in gewechselten Farben. Eichenberg DorenVerleihung: 12. Dezember 1970 Verleihung: 23. September 1969 In silbernem Schild zwei schrägrechte blaue In Schwarz über silbernem Dreiberg ein sil- Wellenbalken, darüber eine schwarze Hirsch- berner Eichenzweig mit vier Blättern und drei stange. goldenen Eicheln.

Dornbirn Feldkirch Stadt (Stadterhebung 21. November 1901) Stadt (Stadterhebung nicht belegt, 1218 als ci- Bestätigung: 1. Februar 1929; Verleihung Stadt: vitas erwähnt) 21. November 1901 (Franz Joseph I., ausgefertigt Bestätigung: 22. Jänner 1930 am 28. Februar 1902); Verleihung Gericht: 23. Verleihung: nicht bekannt, erster Nachweis September 1655 (Ferdinand Karl) 1311/12 In einem ovalen, roten, von einem silbernen In einem silbernen Schilde erscheint eine drei- Querbalken durchzogenen Schilde ein grüner lätzige schwarze Kirchenfahne. befruchteter Birnbaum, aus grünem Boden erwachsend. Den Schild umgibt eine goldene Fontanella Arabeskeneinfassung. Verleihung: 27. Jänner 1970 Im quergeteilten Schild zwei fünfzackige rote Düns Wallisersterne im oberen silbernen Feld und Verleihung: 22. Dezember 1970 eine zweiarmige silberne Waage im unteren Geteilt von Gold und Grün, oben drei grüne grünen Feld. Efeublätter ohne Stiel, eins zu zwei gestellt; unten ein nach links gewendetes silbernes Hift- Frastanz horn mit goldenen Beschlägen und goldener Marktgemeinde (Markterhebung 19. Juni 1993) Schnur. Verleihung: 2. Mai 1969 In Blau oben eine goldene Sonne, unten ein Dünserberg nach links gewendetes silbernes Hifthorn mit Verleihung: 18. Februar 1969 schwarzen Beschlägen und schwarzer Schnur. Ein silberner Schild mit einem blauen, nach rechts aufsteigenden Steinbock mit schwarzer Bewehrung.

Seite 208 Götzis Verleihung: 14. Oktober 1969 Marktgemeinde (Markterhebung nicht belegt, Auf silbernem Schild ein hängender Kirsch- 1694 erstes Marktprivileg) zweig mit zwei waagrechten grünen Blättern Verleihung: 20. Oktober 1928 und drei roten Kirschen. Ein silberner Schild, aus dessen Fuß sich ein grüner Dreiberg erhebt, auf dessen Spitzen eine Fußach schwarze, rotbezungte Gämse mit erhobenem Verleihung: 21. November 1967 rechtem Vorderfuß steht. Im linken Obereck des In Rot auf blauem gewelltem Schildfuß ein Schildes ist das rote montfortische Banner zu weißes Segelschiff mit schwarzem Ruder und sehen. Den Schild umgibt eine ornamentierte Mast und einem weiß-blau-weißen Wimpel. bronzefarbige Randeinfassung.

Gaißau Hard Verleihung: 19. November 1968 Marktgemeinde (Markterhebung 9. August 1905) Ein im Schildfuß durch Wellenlinie geteilter Bestätigung: 28. Juni 1927 grün-silberner Schild enthält oben einen nach Verleihung: 9. August 1905 (Franz Joseph I.) rechts aufsteigenden goldenen Geißbock, un- Ein goldener, durch eine eingebogene blaue ten einen nach rechts gewendeten roten Fisch. Spitze geteilter Schild. In den beiden goldenen Feldungen wächst aus grünem Rasenboden je Gaschurn ein natürlicher bezapfter Tannenbaum empor. Verleihung: 17. August 1965 Die Spitze erfüllt im Schildfuße ein natürliches Ein in Silber und Gold gespaltener Schild mit gewelltes Gewässer, auf welchem ein Schiff, roter eingebogener Spitze, vorne schwarze ge- wie solche unter dem Namen Lädi auf dem Bo- kreuzte Schlüssel, hinten ein schwarzes Wasser- densee gebräuchlich sind, in seiner natürlichen rad und in der Spitze eine silberne Hellebarde. Form und Farbe schwimmt. Sein Mast trägt ein weißes, von einem blauen Streifen pfahlweise Göfis durchzogenes viereckiges Segel, über welchem Verleihung: 21. Juli 1969 eine Flagge flattert, die in silberfarbenem Felde In gespaltenem Schild rechts in goldenem Feld ein rotes goldbefranstes Kirchenbanner zeigt. eine grüne entwurzelte Linde, links in rotem Das Steuer ist an der linken Seite des rückwär- Feld ein nimbierter König mit silbernem Ge- tigen Schiffendes angebracht. Den Schild um- wand und silbernem Mantel, goldener Krone, gibt eine ornamentale bronzefarbene Randein- Zepter und Reichsapfel. fassung.

Seite 209 Hittisau Verleihung: 2. Dezember 1930 Verleihung: 10. April 1929 In einem blauen Schilde erhebt sich hinter Ein geteilter Schild. Die obere Hälfte ist in einem nach rechts ansteigenden Rasenboden drei Reihen zu je sechs Plätzen von Rot und – zur Linken durch eine Wasserfläche in Form Silber geschacht; das untere rote Feld wird eines Ständers getrennt – ein unten beraster, von einem silbernen Balken durchzogen. Den oben bewaldeter Berg, hinter dem am rechten Schild umgibt eine ornamentierte bronzefar- Schildesrande ein weiterer, durchwegs beraster bige Randeinfassung. Berg zu sehen ist. Auf dem Rasenboden steht am rechten Endpunkte der Wasserfläche eine hohe Tanne. Den Schild umgibt eine ornamen- Verleihung: 9. Dezember 1970 tierte bronzefarbige Randeinfassung. Schild gespalten von Silber und Blau, in Silber sechs grüne Grasbüschel, in Blau über schwarzem Höchst Dreiberg eine goldene Strahlensonne. Verleihung: 15. März 1960 In einem silbernen Schild ein roter Sparren. Kennelbach Verleihung: 29. Juli 1927 Ein von Silber und blau gespaltener Schild. In Hörbranz dem rechten Felde erscheint abgeledigt ein vor- Marktgemeinde (Markterhebung 6. Juli 2008) wärts gewandter, brauner Hirschkopf mit einem Verleihung: 28. Oktober 1935 zwölfendigen Geweih und nach links gerichte- Ein goldener, von einem roten mit einem sil- tem abgeschnittenem Halsansatz. Zwischen bernen Schwerte mit goldenem Griffe belegten dem Geweih erscheint freischwebend die auf Schrägrechtsbalken durchzogener Schild. Den einer Wolke thronende Gestalt der Muttergottes Schild umgibt eine ornamentierte bronzefar- mit gefalteten Händen, von denen ein goldener bige Randeinfassung. Rosenkranz herabhängt. Die Gestalt ist mit einem langen weißen Gewande und einem wal- Hohenems lenden blauen Mantel bekleidet; ihr Haupt ist Stadt (Stadterhebung 28. Mai 1983) von einem goldenen Strahlenkranze umgeben. Verleihung: 29. September 1928 Das linke Feld wird von einem schräglinken sil- In einem blauen Schilde erscheint abgeledigt bernen Wellenbalken durchzogen. ein aufgerichteter, goldener, schwarz gewaff- neter und rot bezungter Steinbock. Den Schild umgibt eine ornamentierte bronzefarbige Rand- einfassung.

Seite 210 Klaus Verleihung: 27. Mai 1952 Verleihung: 1. April 1970 Im schwarzen Schild erhebt sich aus der er- In einem schräggeteilten Schild im silbernen niedrigten Mittelgruppe eines den Seiten- Feld ein rotes Ahornblatt, das untere Feld in rändern angeschobenen grünen Dreiberges Grün. zwischen einer Sperrmauer ein Festungsturm, welcher oberhalb des von einer Türöffnung Langenegg durchbrochenen Erdgeschosses drei schmale, Verleihung: 17. März 1970 übereinandergestellte offene Luken aufweist. Auf silbernem Grunde zwei verschlungene Die flache Spitze des Turmes wird von einer ge- grüne Lindenzweige mit je zwei Blättern. schlossenen Galerie gestützt. Turm und Sperr- mauer sind golden tingiert. Laterns Verleihung: 22. Juli 1938 Klösterle Ein von Silber und Rot gespaltener Schild, der Verleihung: 8. Februar 1929 von einer eingeschobenen, aufsteigenden, ein- Ein durch einen goldenen Faden von Blau über gebogenen, bis zum Schildeshaupt reichenden Schwarz erniedrigt geteilter Schild. Im oberen blauen Spitze durchzogen wird. Der Schild ist Teil erscheint wachsend die Gestalt des heili- mit elf fünfstrahligen Sternen in drei senkrech- gen Johannes des Täufers, in der rechten Hand ten Reihen, je vier in jedem Schildesfelde, und einen Kreuzstab mit nach rechts abflatterndem drei – deren unterster durch die Spitze zerspal- Wimpel haltend und mit der Linken ein Lamm ten wird – etwas erhöht auf der Teilungslinie, tragend; dies alles in Silber dargestellt. Im un- alle in gewechselten Tinkturen, belegt. In der teren Teile ist ein goldenes Posthorn zu sehen. Spitze erhebt sich aus der erhöhten Mittelkup- Den Schild umgibt eine ornamentierte bronze- pe eines grün bewachsenen Dreiberges eine farbige Randeinfassung. natürliche, bewurzelte, golden befruchtete Tan- ne. Den Schild umgibt eine schwarze Randein- fassung. Verleihung: 9. April 1959 In einem blauen Schilde auf einem von einem sil- Lauterach bernen Querfluss durchzogener grünen Dreiberg Marktgemeinde (Markterhebung 7. Juni 1985) zwei verbundene goldene Türme mit je drei Zacken. Bestätigung: 3. April 1929 Verleihung: 24. März 1924 (Bundesregierung) Krumbach Ein blauer, von einer schmalen goldenen Rand- Verleihung: 6. Oktober 1928 einfassung umgebener Schild, vom rechten Ein von Grün und Silber gespaltener Schild, Ober- zum linken Untereck von einem gewell- dessen rechtes Feld von einem silbernen Wel- ten silberfarbenen Flusse durchzogen, der auf lenbalken durchzogen wird, während in der jeder Seite von einer abgeledigten, nach rechts linken Hälfte eine natürliche entwurzelte Tanne schwimmenden Ente mit goldenem Schnabel abgeledigt erscheint. Den Schild umgibt eine und ebensolchen Füßen begleitet wird. ornamentierte bronzefarbige Randeinfassung.

Seite 211 Lech Lustenau Verleihung: 18. Februar 1969 Marktgemeinde (Markterhebung 13. Juni 1902) Ein silberner Wellenbalken spaltet Blau von Rot. Bestätigung: 15. Dezember 1928 Im vorderen blauen Feld eine goldene Sonne, Verleihung: 14. Jänner 1902 (Franz Joseph I.) im hinteren roten Feld auf schwarzem Dreiberg Im roten, im Fuß von einem natürlichen Rasen- eine schwarze Tanne. boden durchzogenen Schilde ein goldener ge- krönter steigend einwärts gekehrter nach vorne Lingenau sehender Löwe, der in seinen Vorderpranken ei- Verleihung: 22. November 1966 nen silbernen auf dem Rasenboden aufstehen- In einem roten Schild ein pfahlweise gekreuzter den Schild hält, in welchem fächerartig durch silberner Schlüssel mit dem Griff unten. ein flatterndes rotes Band verbunden drei na- türliche begrante Getreideähren erscheinen. Lochau Verleihung: 28. April 1928 Mäder In einem roten Schilde erscheint ein silberner, Verleihung: 8. Februar 1929 mit erhobenen Flügeln versehener Schwanen- Ein erhöht von Grün über Silber geteilter Schild. rumpf mit goldenem Schnabel und schwarzer Im oberen Felde wachsen aus der Teilungsli- Zunge. Den Schild umgibt eine bronzefarbene nie drei goldene Ähren hervor, die mittlere et- ornamentierte Randeinfassung. was höher als die beiden anderen. Das untere Feld wird durch einen gewellten blauen Balken Lorüns durchzogen, unter dem zwei rote Kirschen an Verleihung: 29. August 1967 einem Zweig zu sehen sind. Den Schild umgibt In Blau ein silberner Wellenbalken, begleitet eine bronzefarbene ornamentierte Randeinfas- oben von einer goldenen Sonne, unten von zwei sung. goldenen sechsstrahligen Sternen. Meiningen Ludesch Verleihung: 22. Dezember 1970 Verleihung: 30. April 1968 Gespalten von Blau und Rot, im blauen Feld ein Im geteilten Schild oben auf silbernem Grund silberner Rohrkolben, im roten Feld eine sil- zwei blaue Wolkenbalken und unten auf gol- berne Schwertlilie. denem Grund ein nach unten verlaufender schwarzer Sparren von einem waagrechten schwarzen Balken gekreuzt. Verleihung: 12. Dezember 1962 In von Rot und Weiß gespaltenem Schild eine natürliche, entwurzelte Tanne im roten Feld und drei schwarze Kreuze, das mittlere die beiden anderen überhöhend, auf grünem Hügel im weißen Feld.

Seite 212 Mittelberg Rankweil Verleihung: 5. April 1929 Marktgemeinde (Markterhebung nicht belegt, Ein blauer Schild, aus dessen Grunde sich ein 1618 erstes Marktprivileg) Felsen erhebt, auf dem ein aufgerichteter, na- Verleihung: 25. Juli 1978 (altes Wappen vom 9. türlicher Steinbock steht; hinter dem Felsen ist Jänner 1928 materiell derogiert) ein hoher, spitz zusammenlaufender grüner In einem blauen Schild erhebt sich aus einem Bergkegel zu sehen. Felsen und Bergkegel sind grünen Dreiberg im Schildfuß eine mit einer Um- mit Legföhren bewachsen. Den Schild umgibt mauerung versehene Kirche (Wallfahrtskirche eine bronzefarbene ornamentierte Randeinfas- von Rankweil). Ummauerung und Kirche sind aus sung. weißem Mauerwerk und weisen rote Dächer auf.

Möggers Verleihung: 14. April 1970 Verleihung: 2. Mai 1969 Auf blauem Schild das Bildnis des hl. Ulrich mit In Silber ein mit einer goldenen Axt belegter goldenem Mantel, roter Mitra und goldenem Bi- roter Dreiberg, daraus wachsend ein grüner schofsstab in der rechten und einer roten Bibel Tannebaum. mit goldenem Fisch auf der linken Hand. Nenzing Verleihung: 15. Juni 1948 Marktgemeinde (Markterhebung 6. Juni 1993) In silbernem Schilde erscheint ein dunkel- Verleihung: 6. Februar 1968 braunes Jagdhorn mit goldenen Beschlägen In Silber zwei nach rechts schreitende, goldge- und einer grünen Schnur. Im Schildesfuße er- krönte rote Leoparden. hebt sich ein grüner Dreiberg mit erhöhter Mit- telkuppe. Nüziders Verleihung: 10. Juni 1969 Röns Auf blauem Grund ein schwarzer Dreiberg, da- Verleihung: 9. September 1969 rüber eine goldene Sonne mit abwechselnd In Silber ein senkrechter rot-brauner Abtstab sechs geraden und sechs geflammten Strahlen. von grüner Rebe mit zwei Blättern und zwei Trauben umrankt. Raggal Verleihung: 28. September 1965 Quergeteilter Schild mit blauem Schildhaupt. Oben eine grüne, mehrspitzige Bergkette, be- legt mit einem silbernen Bergwerkszeichen, Schlegel und Hammer mit goldenen Stielen. Unten in Silber ein halbes rotes Mühlrad.

Seite 213 Röthis St. Gerold Verleihung: 23. September 1935 Verleihung: 27. Oktober 1970 Ein silberner Schild, durchzogen von einer auf- Schild gespalten von Silber und Blau. In Silber steigenden eingebogenen roten Spitze, in der der hl. Gerold in rotem Gewande mit goldener sich aus Rasenboden eine natürliche Tanne er- Gloriole, in der Rechten einen goldenen Pilger- hebt. Die Spitze ist rechts von einer schräg links stab, in der Linken einen goldenen Reichsapfel. gerichteten, natürlichen Weinrebe mit einem Der linke Fuß ist auf eine goldene Bügelkrone Blatte und einer abwärts hangenden blau- gesetzt. Im blauen Feld einen aufsteigenden en Traube, deren Stiel mit einem natürlichen silbernen Steinbock. Rebmesser mit aus- und abwärts gerichteter Schneide belegt ist, links von einer eisernen Satteins Pflugschar begleitet. Den Schild umgibt eine Verleihung: 20. Februar 1929 ornamentierte bronzefarbige Randeinfassung. In einem roten Schilde drei Kugeln, zwei über einer; jede der beiden oberen Kugeln ist mit St. Anton im Montafon der unteren durch einen Rundstab verbunden; Verleihung: 8. November 1966 diese Rundstäbe werden in der oberen Hälfte In einem von Rot und Schwarz schräglinks durch einen dritten, quergelegten Rundstab geteilten Schild rechts ein gestürzter grüner vereinigt; dies alles ist silberfarben. Den Schild Dreiberg am Oberrand, darunter eine schwarz- umgibt eine ornamentierte bronzefarbene bedachte, silberne Kirche, links ein gekreuztes Randeinfassung. goldenes Schlüsselpaar. Schlins St. Gallenkirch Bestätigung: 13. Juni 1927 Verleihung: 19. April 1966 Verleihung: 23. Oktober 1911 (Franz Joseph I.) Ein in Göppelschnitt geteilter Schild, vorne in Ein durch einen schrägrechten blauen Bach von Gold eine rot bekleidete Mönchsgestalt (hl. Silber über Gold geteilter Schild. In dem obe- Gallus) mit einem silbernen Wanderstab in der ren Felde erscheint eine schwarze Kirchenfahne linken und einem silbernen Brot in der rech- mit zwei Zinnenschnitten und drei Ringen am ten Hand, vor einem kleinen silbernen Bären, Hauptrande. Das untere Feld zeigt ein querge- hinten in Grün eine silberne schwarzbedeckte stelltes grünes Hifthorn mit schwarzem Trag- Kirche und unten in Schwarz zwei gekreuzte sil- riemen. Den Schild umgibt eine ornamentierte berne Schlüssel. bronzefarbene Randeinfassung.

Schnepfau Verleihung: 15. Dezember 1928 Ein silberner Schild mit einem grünen Schildes- fuße. Im Schildesfelde ist eine fliegende schwarze Schnepfe zu sehen. Den Schild um- gibt eine ornamentierte bronzefarbene Rand- einfassung.

Seite 214 Schwarzach Verleihung: 24. November 1970 Verleihung: 20. Oktober 1928 In Gold unten ein blauer Schild belegt mit sil- Ein silberner Schild, der von einem gewellten bernem Jagdhorn mit Beschlägen und Schnur schwarzen Pfahle durchzogen wird, in dem drei in Gold, darüber die wachsende Figur des Lau- nach links gewendete silberne Barsche über- rentius von Schnifis in schwarzer Kutte, in der einander erscheinen. Den Schild umgibt eine Rechten eine silberne Schalmei, in der Linken ornamentierte bronzefarbene Randeinfassung. ein silbernes Buch. Schwarzenberg Verleihung: 5. Jänner 1929 Verleihung: 12. März 1930 In einem silbernen Schilde erhebt sich aus Ein roter, von einer aufsteigenden, silbernen Rasenboden ein schroffer, schwarzer Berg, be- Spitze durchzogener Schild. Die Spitze ist mit gleitet von zwei natürlichen Tannen. Den Schild einer natürlichen, entwurzelten, abgeledigten umgibt eine ornamentierte bronzefarbene Tanne belegt und von je einer silbernen Kuhglo- Randeinfassung. cke begleitet. Den Schild umgibt eine ornamen- tierte bronzefarbene Randeinfassung. Sibratsgfäll Verleihung: 22. Dezember 1970 Schröcken In Grün drei silberne Lilienkreuze, zwei zu eins Verleihung: 28. September 1965 gestellt. In einem von Rot und Silber gespaltenen Schild auf grünem Dreiberg eine grüne Fichte, beglei- Silbertal tet von einem silbernen und roten fünfstrah- Verleihung: 12. Mai 1964 ligen Stern. In blauem Schild ein goldener Schlüssel ge- kreuzt mit einem silbernen Hammer. Das Schruns Schildhaupt ist von Rot und Weiß gespalten Marktgemeinde (Markterhebung 21. Oktober und mit drei fünfzackigen Sternen in wechseln- 1927) den Farben belegt. Verleihung: 10. Dezember 1927 Ein von Gold über Blau erhöht geteilter Schild. In Sonntag dem oberen Felde erscheint ein aufspringender Verleihung: 6. September 1966 schwarzer Stier mit gesenktem Kopfe. Aus dem In einem blauen Schild auf einem silbernen, Fußrande des unteren Feldes erhebt sich ein mit rotgezäumten nach links sprengenden Ross ein zwei gekreuzten goldenen Schlüsseln belegter Reiter mit silbernem Gewand, goldener Rüstung grüner Dreiberg, hinter dem eine goldene Strah- und goldener Gloriole, der in der rechten Hand lensonne zu sehen ist. ein silbernes Schwert und vor der Brust einen schwarzen Schild, belegt mit einem nach rechts aufsteigenden silbernen Steinbock hält.

Seite 215 Stallehr Tschagguns Verleihung: 15. Dezember 1964 Verleihung: 13. Dezember 1965 In Schwarz und Silber geteilter spitzer Schild, In einem gespaltenen Schild, vorne in Blau eine oben ein gekreuztes Bergwerkszeichen (Schle- silberne Kirche mit schwarzem Dach und Turm- gel und Eisen), unten drei Ringe, 2:1, in gewech- helm, hinten in Silber und Rot geteilt, oben ein selten Farben. gekreuztes schwarzes Schlüsselpaar, unten ein goldenes Schaufelrad. Sulz Verleihung: 15. September 1970 Übersaxen In Grün auf silbernem Stuhl sitzend, ein silbern Verleihung: 3. März 1970 gekleideter mit Stirnreif gekrönter Graf, in der In Rot über einem silbernen Dreispitzberg eine Rechten einen Stab, die Linke auf dem Ober- goldene Strahlensonne. schenkel aufgestütz Vandans Sulzberg Verleihung: 26. Jänner 1965 Verleihung: 1. Februar 1929 Ein von Rot über Grün gespaltener Schild mit In einem silbernen Schilde erscheint ein vor- goldenem Schlüssel in rotem und silbernem wärts gewendeter, schwarzer Ochsenkopf; aus Blitz im grünen Feld. dem Fußrande des Schildes erhebt sich ein grü- ner Dreiberg. Den Schild umgibt eine ornamen- Viktorsberg tierte bronzefarbene Randeinfassung. Verleihung: 9. Dezember 1970 Schrägrechts geteilt von Silber und Rot, oben Thüringen ein grünes dreiblättriges Kleeblatt, unten eine Verleihung: 1. Februar 1929 schwarzbedachte silberne Kirche. Ein fünfmal von Silber und Blau geteilter Schild. In jedem der drei blauen Streifen erscheinen Warth nebeneinander vier stilisierte graue Wolken. Verleihung: 21. Juli 1970 Den Schild umgibt eine ornamentierte bronze- Im längsgeteilten Schild im rechten roten Feld farbene Randeinfassung. zwei Walsersterne in Silber, im linken silbernen Feld auf grünem Dreiberg eine grüne Tanne mit Thüringerberg aufsteigenden Ästen. Verleihung: 14. Jänner 1969 In Blau über rotem Dreiberg, der mit einem Weiler Schild mit drei silbernen und blauen Wolken- Verleihung: 9. Dezember 1970 balken belegt ist, eine rotbedachte silberne In Silber eine schwarzbedachte rote Burg mit Burg mit zwei Erkerchen und je einer rotbe- linkem Eckturm mit drei Zinnen. Darüber an dachten Wehrmauer. schwarzer Stange und schwarzen Ringen eine rote nach rechts fliegende dreilatzige Fahne mit schwarzen Fransen.

Seite 216 Wolfurt Marktgemeinde (Markterhebung 1. Mai 1982) Verleihung: 6. Oktober 1928 In einem Wellenschnitte schräglinks von Gold über Blau geteilten Schilde, dessen linker Teil von zwei schräglinken silbernen Wellenbalken durchzogen wird, erscheint abgeledigt ein auf- gerichteter brauner, golden gekrönter und rot bezungter Wolf. Den Schild umgibt eine orna- mentierte bronzefarbene Randeinfassung.

Zwischenwasser Verleihung: 6. September 1966 In blauem Schild zwei von den beiden Ober- ecken ausgehende silberne Flussarme, die im Schildfuß zusammenlaufen. Dazwischen ein goldener Baum mit drei Ästen.

Seite 217 Situationsplan 1910 mit den Gemeindegrenzen von Feldkirch, Tisis, Tosters und Altenstadt

Seite 218 Vortrag auf Einladung des Stadtarchivs Feldkirch; Feldkirch, Palais Liechtenstein, 20. Juni 2008 Christoph Volaucnik (geb. 1960 in Bregenz), Mag. phil. seit 1991 Stadtarchivar der Stadt Feldkirch

Feldkirch 1925

Der lange Weg zur Vereinigung von Feldkirch mit Altenstadt, Tosters und Tisis Christoph Volaucnik

1. Einleitung Ab 1850 verließen die Fabrikantenfamilien ihre ange- stammten Wohnhäuser in der Innenstadt und errichteten Feldkirch ist seit 1925 von seiner Struktur her eine in ganz entlang der Reichsstraße repräsentative Villenbauten im Vorarlberg und sicherlich auch in Österreich einmalige Ge- Stil der Zeit, zumeist von Schweizer und deutschen Archi- meinde. Der mittelalterliche Stadtkern ist von den ehemals tekten gebaut. Diese Villen befanden sich aber bereits auf selbständigen ländlichen Gemeinden Tisis, Tosters, Alten- den Gemarkungen der Nachbargemeinde Altenstadt, an der stadt mit Levis, Gisingen und Nofels umgeben, die noch Reichsstraße im Ortsteil Levis. Die Grenze zwischen Feld- immer, trotz der Vereinigung im Jahre 1925, ein starkes Ei- kirch und Altenstadt verlief entlang der Mauer des Kapuzi- genleben führen, über ein reges Vereinsleben verfügen und nerklosters in gerader Linie auf den Ardetzenberg hinauf. noch immer ein ausgeprägtes Selbstverständnis haben. Feldkirch selbst war ja sehr klein, nur 1,3 Quadratkilometer groß, war also bis 1925 flächenmäßig die kleinste Gemein- 75 Jahre lang wurde um den Zusammenschluss gekämpft, de des Landes. kam es zu einem permanenten Tauziehen zwischen der Mut- tergemeinde Altenstadt und der Filialgründung, der Tochter Seit der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts wurden Feldkirch. Feldkirch wurde im Hochmittelalter von den Gra- die bereits bestehenden staatlichen Ämter ausgebaut, fen von Montfort auf dem Gemeindegebiet von Altenstadt entwickelte sich Feldkirch zu einer klassischen Bezirks- gegründet, die Feldkircher hatten jahrhundertelange Nut- verwaltungsstadt mit Beamten, von denen zahlreiche aus zungsrechte auf den Altenstädter Allmeingründen, die erst den anderen Teilen des Kronlandes Tirol zeitweise hierher zu Beginn des 19. Jahrhunderts abgelöst wurden. versetzt wurden. Auch hier stellte sich die Frage der Unter- bringung der Beamten, der Zurverfügungstellung von Miet- Die Bestrebungen Feldkirchs sich flächenmäßig zu vergrö- wohnungen. Diese Behörden und ihre Mitarbeiter brachten ßern, haben bereits um die Mitte des 19. Jahrhunderts ein- die Stadt unter Zugzwang. Man wollte sie innerhalb der gesetzt, sodass eine Darstellung, eine Beschreibung der Stadtgemarkung behalten, versuchte eine Abwanderung in Situation in Feldkirch und Altenstadt der Schilderung der andere Gemeinden unbedingt zu verhindern und hatte da- ei gent lichen Vereinigungsversuche vorangestellt werden her die Lösung des Platzproblems zu einem der wichtigsten soll. politischen Ziele erklärt.

Feldkirch erlebte im 19. Jahrhundert bedeutende soziale Der Bau der Vorarlbergbahn zwischen Bregenz und Blu- und wirtschaftliche Wandlungen. Aus dem Bürgerstädtchen denz in den Jahren 1870/72 sowie der Arlbergbahn 1884 wurde eine Stadt mit einigen Textilfabriken am Stadtrand. brachte für Feldkirch einige Veränderungen. Kurioserweise Die Errichtung der Textilfabriken von Escher (später Getz- wurde der Feldkircher Bahnhof auf dem Gemeindegebiet ner) und Ganahl in der Feldkircher Au führte zum Zuzug von von Levis errichtet. Auch die städtischen Lagerhäuser und fremden Fabrikarbeitern nach Feldkirch. Wo haben diese die Schlachtviehmarkthalle errichtete die Stadt Feldkirch Personen gewohnt? Wo war in den kleinen Bürgerhäusern in Levis. Die Eisenbahnerfamilien ließen sich in Levis, in noch Platz, wo konnten diese Zuzügler Unterschlupf fin- der Nähe des Bahnhofes nieder, es entstanden Häuser für den? Eine Klärung dieser Frage steht noch aus. Auch rein die Eisenbahner. Mit dieser neuen sozialen Schicht der Ei- äußerlich veränderte sich das Stadtbild in dieser Zeit. Die senbahner kam auch eine neue politische Bewegung, die Stadtmauern fielen, die Stadtgräben wurden mit dem Ab- Sozialdemokratie, nach Feldkirch und Levis-Altenstadt. Es bruchmaterial zugeschüttet und darauf Gärten errichtet. entstanden in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts neue

Seite 219 Feldkirch um 1880

Schichten in Feldkirch, das bürgerliche Element der Staats- Feldkirch war nicht gerade gut. Man unterstellte den Feld- beamten und die sozialistischen Eisenbahner, die Verände- kirchern, in der Abtrennung von Levis materielle Vorteile rungen im politischen und gesellschaftlichen Leben mit sich ziehen zu wollen und weigerte sich daher „auf keine Art brachten. Der Feldkircher Zeithistoriker Gerhard Wanner, und Weise“ sich mit den Feldkirchern einzulassen. Die Be- der sich intensiv mit dem Jahre 1925 auseinandergesetzt gründung fällt harsch aus: „in allen früheren, mit Feldkirch hat, bezeichnet sie als „Ferment“ der lokalen Gesellschaft, getroffenen Verhandlungen im kürzeren Theil gezogen.“3 die bis dahin aus dem städtischen Bürgertum in Feldkirch und dem Bauern und Handwerkern in Altenstadt bestand.1 1856 unternahm Feldkirch einen weiteren Versuch zur Ver- einigung mit Levis, wobei auch hier wiederum das Bezirk- samt als Vermittler auftreten sollte. Als Argument wurden 2. Die Vereinigung mit Altenstadt und Levis die Beschränktheit des städtischen Territoriums, die Besit- zungen der Feldkircher Bürger in Levis und die Möglichkeit 2.1. Frühe Bemühungen um Vereinigung 1850 das neue Spital- und Pfründhaus in Levis bauen zu können, aufgezählt. Leider musste das Bezirksamt den Feldkirchern Erste Bemühungen um einen Zusammenschluss von Feld- mitteilen, dass die „Gemeinde Altenstadt vor der hand nicht kirch und Altenstadt begannen 1850 in Zusammenhang gesonnen ist, in einen Vergleich oder gütliches Überein- mit der Einführung des provisorischen Gemeindegesetzes kommen einzugehen“.4 des Jahres 1849. Die Bezirkshauptmannschaft Feldkirch befragte die Gemeinden, ob sie eine Revision der bisher Nur indirekt mit der Vereinigung hatten die im Jahre 1863 bestehenden Gemeindegrenzen wünschten. Der „größe- im Vorarlberger Landtag geführten Debatten im Zuge der re Bürgerausschuss“ von Feldkirch stellte daraufhin den Revision der alten Gemeindeordnung zu tun. Sie sind Antrag, die Parzelle Levis von Altenstadt zu trennen und aber doch von Interesse, da zwei Vertreter aus Feldkirch an Feldkirch anzugliedern. Als Grund gab man den Besitz- und Altenstadt, die Landtagsabgeordneten Fidel Wohl- stand zahlreicher Feldkircher Bürger in Levis an. Feldkirch wend für Feldkirch und der Altenstädter Vorsteher Johann und Levis befanden sich auch im selben Steuerdistrikt. Das Bertschler, sich aktiv an der Diskussion beteiligten. Lan- kaiserlich königliche Steueramt bestätigte die Angaben der deshauptmann Sebastian von Froschauer brachte in der Feldkircher. Der gemeinsame Steuerdistrikt wurde 1808 von Landtagssitzung Paragraph 2 des Gesetzesentwurfes, die den Bayern geschaffen, erstreckte sich bis zum Gasthaus Zusammenlegung von Gemeinden betreffend, zur Sprache. Löwen in Altenstadt. Der Großteil der Weinreben in Levis Wohlwend bezeichnete den im Gesetzesentwurf genannten gehörte Feldkircher Bürgern, der Buchenwald am Ardetzen- Zusammenschluss von Gemeinden gegen deren Willen als berg, durch den ja die Gemeindegrenze verlief, gehörte der realitätsfern. Er schlug vor, entweder die ganze Gemeinde Stadtgemeinde.2 Die Feldkircher baten die Behörde, Ver- zu befragen oder in den Gesetzestext die Bestimmung auf- handlungen einzuleiten. Die Altenstädter lehnten dieses zunehmen, dass die „Zustimmung von zwei Drittheilen der Ansinnen ab. Der Ausfall eines Steuerkapitals von über zur Wahl des Ausschusses Berechtigten“ erforderlich wäre. 100.000 Gulden wäre für die Altenstädter Gemeindekasse Vehement kritisierte er das in der Gesetzesvorlage enthal- nicht zu verkraften gewesen, außerdem wurde Levis um- tene Bewilligungsrecht des Landesausschusses und der schrieben als „jener Theil, welcher der vortrefflichste dieser Statthalterei zu einer Vereinigung von zwei Gemeinden. Die Gemeinde [ist], wo die Familien der besser Vermöglichen“ Behörde durfte seiner Meinung nach nur untersuchen, ob wohnten. Die in Altenstadt herrschende Meinung über öffentliche Rücksichten gegen eine Gemeindezusammen-

Seite 220 Feldkircher Bahnhof und Friedhof in Altenstadt-Levis

legung sprechen und der Landtag sollte sich nicht zu sehr gehörigen bisher im Allgemeinen noch immer gegen die Ab- in die Autonomie der Gemeinden einmischen. Die Gemein- tretung von Levis ausgesprochen hätten und „von Seite des deautonomie ist ja bis heute ein Politikum. In der Diskus- Stadtmagistrates bisher noch kein Laut, bezüglich eines sion wurde jedoch niemals ein konkretes Beispiel einer Ge- günstigen Anbotes hörbar wurde.“6 meindezusammenlegung genannt. Wohlwend sprach dann aber wohl aus Erfahrung, als er auf die Aussage des Land- Die Feldkircher Stadtvertretung beschloss am 27. August tagsabgeordneten Alois Riedl Folgendes antwortete: „[...] 1866 wegen der Abtretung der Parzelle Levis mit Altenstadt die Abtrennung irgendeiner Parzelle nie mit Vortheil für die in Verhandlung zu treten und ein Komitee zu gründen. Ru- ganze Gemeinde, am allerwenigsten dort, wo in Parzellen dolf Ganahl und Josef Andreas Tschavoll sahen aber auf- das größte Steuerkapital liegt […].“ Seine Grundsatzmei- grund des Antwortschreibens der Altenstädter und wegen nung lautete: “Wenn aber Gemeinden nur aus Parzellen be- der früher gemachten Erfahrungen keine Aussicht auf Er- stehen, so kann dies im Allgemeinen nicht von Nutzen sein; folg.7 Bereits in der folgenden Sitzung, am 16. September, ich würde daher glauben, daß solche Trennungen so viel berichtete Bürgermeister Ernest Weinzierl vom Ergebnis der als möglich verhindert werden sollen, im Gegenteil würde Besprechungen. Altenstadt verlangte für die Überlassung ich mehr eine Zusammenlegung von kleineren Gemeinden von Levis die beachtliche Summe von 110.000 Gulden.8 als eine Trennung einer größeren Gemeinde bevorworten. Weinzierl ließ sich auf keine weiteren Verhandlungen mit Eine größere Gemeinde kann immer ihren Wirkungskreis, Altenstadt mehr ein. In der Sitzung der Stadtvertretung wur- den selbständigen oder übertragenen, eher ausführen, de dann nur um den Standort des Bahnhofes diskutiert. Der als eine kleinere Gemeinde [...].“ Der Gemeindevorsteher technische Leiter des Bahnbaues, Baurat Karl von Schwarz, und Abgeordnete Bertschler aus Altenstadt stimmte Wohl- hatte erklärt, dass der Bahnhof nur außerhalb der Stadt- wends Aussagen ausdrücklich zu.5 Auffallend ist, dass der gemarkung, also auf Levner Gebiet, gebaut werden könne. Feldkircher Abgeordnete Carl Ganahl sich immer wieder zu Wegen der Trassierung der Bahn, ob links oder rechts der Ill verschiedenen Paragraphen des Gemeindegesetzes äu- bzw. der Stadt entstand eine heiße Diskussion.9 Die Feld- ßerte, in der Frage der Gemeindezusammenlegung jedoch kircher wurden durch diese bautechnischen Vorgaben ge- schwieg, obwohl er in Levis eine Villa hatte. zwungen, mit Altenstadt in Verhandlungen zu treten.

2.2. Die Vorarlbergbahn In der Sitzung vom 24. September 1869 war nun auch Carl Ganahl anwesend und wurde von Bürgermeister Weinzierl Die Vereinigungsfrage wurde 1866, im Zuge der Planungen ersucht, der ihn übrigens als Urheber und Förderer des für den Bau der Vorarlberg-Bahn, wieder aktuell. Feldkirch Eisenbahnbaues ansprach, seine Meinung über die Po- bat die Bezirkshauptmannschaft, in Altenstadt zu interve- sitionierung des Stationsgebäudes mitzuteilen. Ganahl nieren. Die Gemeindevertretung von Altenstadt beriet am sprach sich für Verhandlungen mit Altenstadt aus, da die 21.August 1869 das Ansuchen der Feldkircher um Abtretung Terrainverhältnisse den Bahnhofsbau auf Feldkircher Ge- eines Teiles des Gemeindeterritoriums für den Bau des biet nicht zuließen. Ganahl hatte bereits mit dem Alten- Bahnhofs. Die Gemeindevertreter wollten mit einer Ant- städter Vorsteher Bertschler Kontakt aufgenommen, der wort warten, bis die genaue Lage des Bahnhofes feststand. „alle Geneigtheit kundgegeben, eine Gebietsabtretung in Vorsteher Bertschler berichtete am 23. August über das geringerer Ausdehnung“ zu unterstützen. Dieses Gebiet Ergebnis der Ausschusssitzung. Seine Mitteilung war nicht sollte bis zum Wohlwendschen Anwesen gehen, das ist gerade ermutigend. Er erklärte, dass sich die Gemeindean- das Gebäude Reichsstraße 161 (Ansitz Wocher, heute ge-

Seite 221 Oberlevis: Bahnhof, Friedhof, Fabrikantenvillen

genüber der Firma Bauwelt Pümpel) und unter Ausschluss bis zum Fuß des Ardetzenbergs abzugeben.12 In der ge- des Ardetzenberges. In dieser Sitzung kam es zu einer hef- heimen Sitzung schlug Carl Ganahl vor, auch noch das Na- tigen Auseinandersetzung innerhalb der Stadtvertretung sahlsche Gut und den Ardetzenberg, zumindestens dessen und insbesondere zwischen den Brüdern Carl und Franz unteren Teil, zu kaufen. Dr. Jussel verwies auf das Beispiel Ganahl. Franz stellte sich auf den Standpunkt, dass die der Gemeinden Lindau und Romanshorn, denen durch den Stadtvertretung und vor allem der Stadtmagistrat mit allen Bahnbau Wohlstand beschieden war. Er gab dann noch ju- Mitteln um eine Positionierung des Bahnhofes auf Feldkir- ristische Erklärungen über behördliche Zustimmungen ab, cher Stadtgebiet kämpfen müssen. Mit seinem Antrag fiel schlug Verhandlungen mit dem Baukonsortium und der er jedoch durch, während ein zweiter Antrag von Dr. Anton Gemeinde Altenstadt vor, die von Bürgermeister Weinzierl Jussel angenommen wurde. Dieser besagte, dass Feldkirch und Carl Ganahl geführt werden sollten. Der Gemeindeaus- nur unter Protest gegen eine Verlegung des Bahnhofes au- schuss stimmte dem Antrag Jussels zu. ßerhalb des Stadtgebiets zustimme und dass Carl Ganahl mit Verhandlungen beauftragt werde. Franz fragte nun sei- Die Altenstädter wählten dann am 31. Oktober 1869 Josef nen Bruder Carl ganz offen, worin der Unterschied zwischen Mayer zu ihrem Vertreter bei den Verhandlungen mit Feld- diesen Anträgen bestehe. Dieser interpretierte den Antrag kirch.13 Diese Verhandlungen haben dann auch stattgefun- so: „auch erst zu erwerbendes städtisches Gebiet für den den, wie aus dem Schriftwechsel entnommen werden kann. Bahnhof in Aussicht genommen sei.“ Es ist bemerkenswert, Am 5. November 1869 berichtete Vorsteher Bertschler an dass einer der Stadtvertreter sogar zu einer Verlegung des den Feldkircher Bürgermeister über ein Gespräch mit der städtischen Friedhofes zugunsten des Bahnhofes bereit Witwe Nasal in Levis, die ihr Bürgerrecht von Altenstadt war. Ein wichtiger Aspekt in der Argumentation von Carl nicht abtreten wollte, aber nichts gegen eine Übernahme Ganahl war die Heranziehung des Eisenbahnbauunterneh- ihres Gutes in das Territorium von Feldkirch hatte. Bertsch- mens zur Bezahlung der Grundablöse von Levis. Er begrün- ler lud die beiden Gemeinderäte Josef Mayer und Andreas dete dies mit der Ersparnis, die aufgrund der technischen Allgeuer zu einer Besprechung der Angelegenheit ein. Das Gegebenheiten möglich wurden.10 Obwohl die Sitzung als Ergebnis der Unterredung war ein neuerliches Angebot geheim eingestuft wurde, war Franz Ganahl nicht bereit, Altenstadts. Die Gemeinde war bereit, das oben beschrie- sich binden zu lassen. Die Stadtvertretung beauftragte bene Territorium mitsamt dem Nasahlschen Gut und An- dann den Stadtmagistrat mit der Aufnahme von Verhand- wesen des Josef Frick an Feldkirch zu übergeben, verlangte lungen mit Altenstadt wegen der Gebietsabtretung von Le- aber 65.000 Gulden, also 5.000 Gulden mehr, zahlbar in 20 vis. Der Gemeindeausschuss von Altenstadt beriet am 10. Jahren bei vier Prozent Zins.14 Der Feldkircher Bürgermeister Oktober 1869 das Gesuch der Feldkircher um Überlassung antwortete dann recht offen und ungehalten auf das Alten- von einem Teil von Levis. Der Antrag des Josef Biedermann städter Angebot.Er erklärte, dass ihm wie auch Carl Ganahl um gänzliche Ablehnung des Feldkircher Gesuches wurde „das ohnehin beschwerliche städtische Mandat uns wohl verworfen, während man sich der Meinung von Josef Meier sehr schwer gemacht werde“. Er kritisierte höflich die zu ho- für die Abtrennung anschloss.11 In der Sitzung vom 25. Ok- hen Geldforderungen der Altenstädter. Im Brief ging es auch tober verlas Bürgermeister Weinzierl das Antwortschreiben um die Schaffung einer „natürlichen“ Grenze zwischen der Altenstädter. Sie waren bereit, um 60.000 Gulden das Feldkirch und Altenstadt, um die Frage der Hinzunahme des Gebiet von Levis rechts der Landstraße bis einschließlich Gutes der Witwe Theres Nasahl, ihren Bürgerrechtstatus.15 des Wohlwendschen Gutes und links der Straße das Gebiet bis zum Weg unterhalb des Anwesens der Familie Mutter

Seite 222 Carl Ganahl

Am 14. November 1869 stimmten dann alle Gemeinde- tenstadt zu beauftragen. Zu Feldkirch kommen sollte das vertreter Altenstadts der Abtretung von Oberlevis, ein- Gebiet von Levis bis zur Straße, die zum Bad Levis führte schließlich des Nasahlschen Gutes zu, als Verkaufssumme und in gerader Linie bis zum Ardetzenberg. Als Verkaufs- wurden 65.000 Gulden verlangt. Selbst die Ratenzahlungen preis wollte er den Altenstädtern 48.000 Gulden anbieten, und Verzinsungen wurden festgelegt. Bei einer Zusage der zahlbar in 12 Jahresraten. Feldkircher zu diesen Forderungen wäre es zu einer Volks- abstimmung in Altenstadt gekommen. Als Termin für die Am 4. Mai 1872 besprachen die Gemeindeausschussmit- Volksabstimmung wurde der 10. Oktober 1870 festgelegt. glieder von Altenstadt das Ansuchen von Carl Ganahl und Der Vorsteher Johann Bertschler informierte dann am 15. Bürgermeister Weinzierl wegen Abtretung eines Teiles von November die Feldkircher von diesem Angebot.16 Auffal- Levis. Die Diskussionsbeiträge fehlen leider im Protokoll, lend ist, dass die Gemeindevertretung von Altenstadt am lediglich die Anträge einzelner Mitglieder werden zitiert. 6. März 1870 einstimmig beschloss, die Verhandlungen mit Während Johann Tiefenthaler für eine gänzlich Ablehnung Feldkirch abzubrechen. Leider werden im Protokoll keiner- des Antrages eintrat, sprach sich Johann Lins für eine nicht lei Gründe für diese Entscheidung genannt.17 gänzliche Abtretung aus, ohne dass Details dazu genannt werden. Der oben schon erwähnte Josef Mayer trat für eine Nach zwei Jahren Pause unternahmen die Feldkircher einen Überlassung des Levner Territoriums bis auf Höhe des Gast- neuerlichen Versuch zu Verhandlungen. Am 6.2.1872 wurde hauses Bierkeller um 100 000 Gulden ein. Die Abweisung die Gemeindevorstehung Altenstadt davon schriftlich infor- des Feldkircher Antrages wurde mit 23 zu fünf Stimmen miert. 18 Am 3. März 1872 lehnte die Gemeindevertretung beschlossen.20 Auffallend sind die großen Differenzen zwi- das Ansuchen ab, Gründe dafür wurden nicht protokolliert. schen dem Angebot der Feldkircher und den Vorstellungen Carl Ganahl hatte später von Gemeindevorsteher Bertschler der Altenstädter. Letztendlich dürfte dies der Ausschlag für den Grund für die Ablehnung erfahren. Die Feldkircher hat- die ablehnende Haltung gewesen sein. ten in ihrem Ansuchen kein konkretes finanzielles Angebot gemacht.19. Diese erneute Ablehnung der Abtretung von Levis wird in der Stadtvertretung vom 8. Mai 1872 nur in einem Neben- Ein weiterer Streit zwischen Feldkirch und Altenstadt, der im satz erwähnt. Die Feldkircher Gemeindepolitiker hatten in Mai 1872 ausbrach, war die Erbauung eines Zufahrtsweges dieser Sitzung aber auch Grund zur Freude. Das Eisenbahn- zum Bahnhof. Die Feldkircher erklärten, dass dies Sache bauunternehmen zahlte auf Intervention von Carl Ganahl der Gemeinde Altenstadt sei, da diese Straße ja auf ihrem der Stadt Feldkirch 50.000 Gulden als Entschädigung für Gemeindegebiet liege. Die Altenstädter sahen dies natür- den Bau des Feldkircher Bahnhofes auf Levner Gebiet, also lich ganz anders und warteten ab. Die Feldkircher gerieten auf dem Gebiet der Nachbargemeinde und nicht auf den dadurch in Zugzwang, da die Vorarlberg-Bahn damit drohte, Gemarkungen von Feldkirch.21 bei Fehlen einer Zufahrtsstraße keine Güterabfertigung am Feldkircher Bahnhof zu eröffnen. Ein ungeduldiger und Die Feldkircher Stadtvertretung musste dann gezwungener- nervöser Carl Ganahl wandte sich in dieser Angelegenheit maßen die Zufahrtstraße auf ihre Kosten erbauen, wobei Al- an die Feldkircher Stadtvertretung. Da die Eröffnung der Ei- tenstadt dann noch einen Kostenzuschuss von 700 Gulden senbahn „vor der Thüre steht“, bedeutete jede Verzögerung zahlte.22 im Straßenbauprojekt auch eine Erhöhung der Baukosten. Ganahl stellte den Antrag, ihn mit Verhandlungen mit Al-

Seite 223 Andreas von Tschavoll

Völlig unklar mangels Quellen ist, wie die Gemeinde Al- rium angerufen (1893) und eine verbesserte Gasbeleuch- tenstadt auf den Bau des Feldkircher Bahnhofes auf ihrem tung in der Bahnhofstraße verweigert.24 Ein eigener, für die Gemeindegebiet reagierte. Wie konnte das Eisenbahnbau- Bevölkerung wichtiger Streitpunkt war die Einschulung der unternehmen die Altenstädter überzeugen? Eventuell ge- Kinder aus Oberlevis. Die beiden Gemeinden wandten alle ben die im Wiener Verkehrsarchiv befindlichen Akten der möglichen und unmöglichen Finten und Winkelzüge in die- Vorarlbergbahn Auskunft zu dieser Frage. ser Schulfrage an, die in den Artikeln von Gerhard Wanner nachzulesen sind und auf die hier nur verwiesen werden 2.3. Die Arlbergbahn kann.25

Die Bedeutung des Feldkircher Bahnhofes wuchs mit der Er- Doch zurück zu den Ereignissen des Jahres 1895. Im August bauung der Arlbergbahn. Bis 1884 bot die Vorarlbergbahn 1895 berichtete die Statthalterei in Innsbruck dem Landes- lediglich eine Verbindung zwischen Bregenz und Bludenz ausschuss in Bregenz über das Ergebnis eines Kongresses mit Verbindungen nach Lindau und in die Schweiz. Durch zur Fremdenverkehrsförderung26. Dabei wurde auch die den Arlbergbahnbau war die verkehrstechnische Verbin- Entwicklung von Stadt- und angrenzenden Landgemeinden dung mit dem großen Wirtschaftsraum der Monarchie besprochen, besonders in Hinsicht auf die sanitären Ver- gegeben. Die Stadt Feldkirch sah darin eine große wirt- hältnisse, sowie die Anforderungen aus dem steigenden schaftliche Chance und erbaute Lagerhäuser sowie einen Verkehr. Auch die Weigerung der Landgemeinden gegen Schlachthof. Da in Feldkirch kein geeigneter Platz vorhan- eine „Incorporierung“ durch die benachbarte Stadt wurde den war, griff man auf Grundstücke in Levis, nahe der Eisen- in diesem Schreiben angesprochen. Als Lösung dieser recht bahn zurück. In einer Verhandlung zwischen Vertretern von konfliktanfälligen Verhältnisse wurde die Ausarbeitung Feldkirch und fünf Vertretern aus Altenstadt, geleitet vom von Regulierungsplänen angeregt. Die Statthalterei ließ in Bezirkshauptmann als Vermittler, kam es zu einer Einigung. Bregenz nachfragen, in welchen Vorarlberger Gemeinden Die Gemeinde Altenstadt erhob gegen den Bau dieser städ- es derartige Probleme zwischen Stadt und benachbarten tischen Wirtschaftsgebäude keinen Einspruch, erhielt alle Dörfern gebe. Genannt wurden Bregenz und Feldkirch, wo- vom Schlachtviehmarkt anfallenden Strafgelder. Die Stadt bei beide Gemeinden zu einer Stellungnahme eingeladen Feldkirch hatte auch einen Revers auszustellen, in dem sie wurden. Die Feldkircher antworteten am 26. Oktober 1895. aus dem Bestande des Schlachtviehmarktes in Levis „nie Einleitend wurde die Initiative des Kongresses begrüßt, da- ein Recht ableiten werde, die Parzelle Levis als zur Gemein- nach wurden die Probleme offen genannt: de Feldkirch gehörend zu betrachten.“23 „Es wird nicht leicht sein, eine Stadt zu finden, welche so 2.4. Streitigkeiten und Sticheleien 1895/96 sehr darunter zu leiden hat, daß sie von den Nachbarge- meinden wie in einer Klammer eingeschlossen zusehen Die Zeit zwischen 1884 und 1895 war von Sticheleien und muss, wie die stetige Zunahme der nach Feldkirch gravi- Streitigkeiten zwischen den beiden Gemeinden gekenn- tierenden Bevölkerung lediglich den Nachbargemeinden zeichnet. So wurde um den Polizeidienst am Bahnhof ge- zu statten kommt.“ Die beengte Fläche der Gemeinde wird stritten, kein im Besitz der Stadt befindlicher Grund für eine damit erklärt, dass Feldkirch einst eine Festung gewesen Straßenverbreiterung unter dem Kapf (1886) und bei der sei. Die Situierung des Bahnhofs auf Levner Gebiet wird als Hämmerle-Fabrik (1894) der Gemeinde Altenstadt überlas- Folge des Platzmangels bedauert, noch mehr die dadurch sen, um die Beitragsleistung für ein Cholera-Spital in Levis entstandenen Kosten wie der Bau eines Trottoirs und die gestritten, in dieser Angelegenheit sogar das Innenministe- Beleuchtung der Bahnhofstraße beklagt. Auch die Versor-

Seite 224 1903: Feldkircher Schwimmbad Felsenau in Frastanz

gung von Levis mit Feldkircher Trinkwasser wird hervorgeho- Ebenhochgasse) zum Ardetzenberg führte. Sollte es keine ben, während Altenstadt beschuldigt wird, in Levis nur die gütliche Einigung geben, wurde die Erlassung eines eige- Steuern abzukassieren und nichts zu investieren. Dieses nen Landesgesetzes gefordert. Da direkte Verhandlungen Schreiben dürfte nicht die erwarteten Konsequenzen zur zwischen den beiden Gemeinden erfahrungsgemäß er- Folge gehabt haben. folglos waren, wurde die Intervention, die Vermittlung des Landesausschusses gefordert. Derartige Vermittlungen in Am 28. Dezember 1895 wandte sich der Stadtmagistrat, ge- Gemeindestreitigkeiten durch Mitglieder des Landesaus- mäß einem Beschluss der Stadtvertretung vom 20. Dezem- schusses gab es damals durchaus, wie beispielsweise in ber, mit einer Beschwerdeschrift über Altenstadt an den Tosters im Jahre 1879, als Landeshauptmann Carl Graf Bel- Landesausschuss.27 rupt persönlich nach Tosters kam.29

Bestandteil dieses Schreibens ist eine Petition von 32 Lev- Die geschäftstüchtigen Feldkircher meinten, dass der Lan- ner Bürgern zwecks Eingemeindung von Levis in Feldkirch, desausschuss den Altenstädtern klar machen könnte, dass darunter finden sich so bekannte Namen wie Leopold von eine Ablösesumme für Levis für Altenstadt finanziell besser Furtenbach, Dr. Johann Bergmeister, Eduard Vallaster, Albert wäre als Investitionen in den Bau einer Volksschule, von Ka- Getzner, Albert Schatzmann, Arnold Ganahl, Christian Zan- nalisation, Wasserleitung, Trottoirerhaltung, Polizeiwache gerl und Joseph Fidel Ebenhoch senior. Auch ein Ingenieur, und Nachtwache zu tätigen. ein Oberingenieur sowie ein Oberoffizial der Staatsbahnen haben die Petition unterschrieben. Sie erklärten, dass sie Die Altenstädter wandten sich am 12.Mai 1896 mit einem zu einem Großteil Feldkircher Bürger wären und wünschen, Antwortschreiben an den Landesausschuss.30 Sie betonten, dass auch ihr Hausbesitz in das Gemeindegebiet von Feld- dass die Hauptbetreiber für den Anschluss von Levis an kirch falle. Schon wegen seiner Lage gehöre Levis zu Feld- Feldkirch die „Villenbesitzer“ wären. Die Feldkircher Forde- kirch, meinten die 32 Levner und zur Infrastruktur äußerten rung nach einem eigenen Landesgesetz wurde als Bruch des sie sich folgendermaßen: „Die kommunalen Bedürfnisse Landrechtes und als Zwangsenteignung empfunden. Recht dieser Parzelle – Schule, Beleuchtung, Wasserversorgung, hart dann die Aussage bzw. der Vorwurf: „Diese privaten Kommunikation – finden nur durch das Wohlwollen und die Interessen des Grundbesitzes spielen da wohl die größere Fürsorge der Stadt Feldkirch ihre Befriedigung.“ Altenstadt Rolle, als die Eingabe des löblichen Magistrates der Stadt warfen sie vor, den Aufgaben nicht nachzukommen. Feldkirch angeführten öffentlichen Interessen.“ Die Forde- rung nach Bau einer Volksschule wurde mit dem Hinweis Im Beschwerdebrief bat Feldkirch den Landesausschuss auf den 1895 vollendeten Schulneubau in Altenstadt und um Intervention. Einleitend wurde das Verhältnis zur Nach- die Dauer des Schulweges von maximal 20 Minuten ent- bargemeinde als unerträglich bezeichnet. Man vergaß nicht kräftet. Die Beleuchtungsfrage wurde mit dem Hinweis auf die erbrachten Investitionen in die Infrastruktur von Levis die elektrische Beleuchtung des Bahnhofsareals durch die zu erwähnen, ja man ging sogar soweit, daraus zu schlie- Staatsbahn erledigt. Diese elektrische Beleuchtung des ßen: „[…] man habe wegen der bisherigen wirtschaftlichen Bahnhofsgeländes wurde übrigens 1885 eingeführt.31 Der Opfer in Levis Anspruch auf dieses Gebiet.“ Auf den 1884 Bau einer Kanalisation wurde als nicht notwendig empfun- unterschriebenen Revers hatten die Feldkircher wohl ver- den, der Bau eines Trottoirs vom Bahnhof abwärts als von gessen.28 Abgetreten werden sollte das Gebiet von der Altenstadt bereits durchgeführte Baumaßnahme abgetan. Stadtgrenze bis zur Tillisgasse und rechts der Reichsstra- Den Polizeidienst besorgte die k. k. Gendarmerie und den ße bis zu einem Feldweg, der vom Ebenhochschen Gut (= Vorwurf, dass Levis ein „Eldorado aller Stromer“ sei, denen

Seite 225 der Polizeidiener von Altenstadt nicht Herr werde, hatte Petroleumlampe aufgestellt. Die Erstellung des Trottoirs niemand gehört. Lediglich die Wasserversorgung wurde als hatte auch Feldkirch bezahlt. Für die Kanalisation fehlte, Problem anerkannt, das durch das Fehlen einer geeigneten nach Ansicht der Feldkircher, in ganz Altenstadt jedes Ver- Quelle nicht zu lösen war. Altenstadt gab auch offen zu, dass ständnis. Die Stadtvertretung war in der Sitzung vom 18. Levis die Finanz – und steuerstärkste Parzelle war und man Juni übereingekommen, dass direkte Verhandlungen mit auf die dortigen Steuereinnahmen nicht verzichten könne. Altenstadt zwecklos wären und bat den Landesausschuss Die kommunalen Aufgaben wie der Bau der Rheinwuhren um die Leitung von Verhandlungen zwischen den beiden und das Armenhaus konnten nur mit entsprechenden Gemeinden.32 Steuereinnahmen finanziert werden. Altenstadt war nicht prinzipiell gegen eine Ablösung von Levis, verlangte aber Die Altenstädter ließen dann über den Landesausschuss eine entsprechende Ablösesumme. Die Altenstädter erin- den Feldkirchern den Abbruch aller Verhandlungen mittei- nerten daran, in den 1870 er Jahren den Feldkirchern einen len. Als Grund gaben sie an nicht auf die Steuereinnahmen „billigen Antrag“ gemacht zu haben, die Feldkircher aber aus Levis verzichten zu können, weiters das unfreundliche nicht während der ausgemachten Frist auf das Angebot Verhalten der Feldkircher bei kommunalpolitischen Alltags- geantwortet hatten. Die Feldkircher beantworteten am 27. geschäften. So verweigerten die Feldkircher die Verwen- Juni das Schreiben aus Altenstadt bzw. versuchten dessen dung einer im Eigentum der Feldkircher befindlichen Quelle Argumente zu entkräften. Die Sicherheitslage in Levis wur- für den Nofler Pfarrhof, sowie den Bau eines Jauchereser- de kritisiert, die einzige Tätigkeit des Polizeidieners, der voirs beim Anwesen des Franz Lampert unter dem Kapf gleichzeitig das Amt des Gemeindedieners inne hatte, war durch die Stadt. Auch die Weigerung von Dr. Bergmeister angeblich das Austeilen der „Steuerzettel“. Die Bettelmusi- und der Familie Ganahl, einen Anteil der Kirchenbauschuld kanten sollen die Gemeindegrenze zwischen Feldkirch und zu übernehmen, wird als Grund für die Ablehnung von wei- Altenstadt genau gekannt haben und belästigten („mole- teren Gesprächen genannt.33 stierten“), unbehelligt vom Altenstädter Polizeidiener, auf dem Trottoir die Passanten. Nach Ansicht der Feldkircher Landeshauptmann Adolf Rhomberg teilte namens des Stadtväter wünschten fast alle Bewohner von Levis, und Landesausschusses den Feldkirchern mit, dass es keine nicht nur die Villenbesitzer, den Anschluss an Feldkirch. Die gesetzliche Möglichkeit gebe, Verhandlungen zu erzwin- Initianten zur Anrufung des Landesausschusses, Dr. Chris- gen. Die Feldkircher teilten dem Landeshauptmann unver- tian Wimmer und Dr. Gebhard Beck, waren keine Villen– blümt ihre Enttäuschung über die Haltung der Altenstädter und Grundbesitzer in Levis und konnten mit ihrem Antrag wie auch über die Haltung des Landesauschusses mit. Sie wohl keine Privatinteressen verfolgen. Die Strecke von Levis stellten ihre Haltung in der Brunnenfrage klar, informierten bis zur Schule in Altenstadt wird mit einer halben Stunde über den Zustand und die Nutzung der Jauchegrube, und angegeben, wobei besonders in der Winterzeit der Weg als erklärten die Kirchenbauangelegenheit zur Privatsache. Ob besonders anstrengend eingestuft wird. Besonders Eisen- parteipolitische Hintergründe für diese Entscheidung des bahner sollen sich darüber beklagt haben. Die Feldkircher Landesausschusses verantwortlich waren, wie Wanner ver- drohten in ihrem Schreiben bei Abbruch der Verhandlungen mutet, ist nicht beweisbar. die Levner Kinder nicht mehr in die städtische Volksschule aufzunehmen. Auch die Behauptung, mit dem elektrischen In ihrem Zorn verwendeten die Feldkircher die schwächsten Licht des Bahnhofs ganz Levis beleuchten zu können, Glieder der Gesellschaft, die Schulkinder aus Levis, als wird widerlegt. Nicht ohne Grund hatten die Feldkircher Druckmittel. Man verweigerte den Levner Kindern, konkret auf Levner Territorium (Reichsstraße) sechs Gas- und eine 15 Kindern, den Besuch der Volksschule in Feldkirch und

Seite 226 Unterlevis um 1910

zwang sie damit zum Besuch der Volksschule in Altenstadt, Sie setzten diese Angelegenheit zwar auf die Tagesord- die nur nach einem mindestens halbstündigen Fußmarsch nung der Gemeindevertretungssitzung vom 12. April 1905, zu erreichen war. Betroffen davon waren natürlich haupt- doch wurde dieser allerletzte Tagesordnungspunkt wegen sächlich die Kinder der zahlreichen in Levis lebenden Ei- „vorgerückter Zeit“ nicht mehr behandelt und vertagt.37 Die senbahner. Diese Haltung führte zu einem Protestschrei- Feldkircher reagierten natürlich prompt auf die Presse- ben des Staatsbeamtenclubs, der auch die Interessen der meldung über die Verschiebung und baten nochmals um Eisenbahner vertrat. Auch die Staatsbahndirektion sah sich rasche Erledigung ihres Ansuchens auf der nächsten Ge- zu einer Intervention veranlasst. Sie fürchtete durch diese meindevertretungssitzung. Die Altenstädter behandelten Maßnahmen eine Demotivation ihrer Mitarbeiter und da- die Angelegenheit zwar im Juni 1905, kamen aber nur zum raus folgend deren Versetzungsgesuche.34 Ergebnis, zuerst einmal die Vorakten in Feldkirch zum wei- teren Studium anzufordern.38 Die Feldkircher übersandten 2.5. Das Levner Komitee 1904/05 dann eine Abschrift des Ansuchens des „Levner Comitees“, drohten aber ganz offen, bei einer weiteren Verschleppung Frischen Schwung in die Frage der Einverleibung von Levis der Angelegenheit den Landtag anzurufen. Diese Drohung brachte ein sogenanntes Levner Komitee, das für den 27. wurde in der Gemeindestube von Altenstadt nicht sehr gut November 1904 alle „Steuerträger“ von Levis zu einer Ver- aufgenommen. Gemeindevorsteher Josef Rheinberger teilte sammlung in das Gasthaus Rose einlud.35 Über den Verlauf jedenfalls mit, dass der Gemeindeausschuss von Alten- dieser Zusammenkunft der Levner Steuerzahler informierte stadt dem Antrag einstimmig keine Folge gegeben habe.39 Ludwig Bürkle am 28. November 1904 den Feldkircher Stadtmagistrat. Die anwesenden Hausbesitzer und Steu- Der Feldkircher Stadtvertretung blieb nichts anderes üb- erzahler sollen sich während der Debatte eindeutig für die rig, als dies zur Kenntnis zu nehmen. Als einziger Weg, „Incorporierung“ von Levis in die Stadtgemeinde Feldkirch doch noch zu einer Lösung zu kommen, wurde die Anru- ausgesprochen haben. Es wurde dann ein Komitee gewählt, fung des Vorarlberger Landtages genannt, der durch ein bestehend aus den Herren Dr. Wimmer, Feldkirch, Eduard Landesgesetz diese Vereinigung durchführen könnte. Bür- Wiederin, Baumeister Christian Zangerl, Franz Heim, Jo- germeister Dr. Josef Peer meinte dazu: „[…] die bestimmte hann Rath, Alois Tiefenthaler und Ludwig Bürkle. Sie sollten Erwartung aus, dass der Vorarlberger Landtag in Bethäti- sich um die Einleitung von weiteren Schritten kümmern und gung jener Objectivität, mit welcher er in derartigen, rein die Stadtvertretung informieren. In der Feldkircher Stadt- wirtschaftlichen Fragen vorzugehen pflege, sich in dieser vertretung vom 24. Februar 1905 wurde der Bericht des „Le- rein wirtschaftlichen Angelegenheit der Nothwendigkeit vner Komitees“ verlesen und beraten. Der Stadtmagistrat der angestrebten Vereinigung u. der Billigkeit der darauf wurde mit der Aufnahme von Verhandlungen mit Altenstadt abzielenden Wünsche sicher nicht verschließen u. eine der beauftragt.36 obwaltenden Umstände vollauf Rechnung tragende Ent- scheidung im Sinne der Wünsche der Stadt Feldkirch, unbe- In einem Schreiben nahm Feldkirch am 21. März 1905 Kon- irrt durch politische Erwägungen, treffen werde [...].“ Trotz takt mit Altenstadt auf. Unter Berufung auf Paragraph 2, dieser in Juristendeutsch formulierten Hoffnungen wurde Absatz 1 und 2 der Gemeindeordnung wurde die Einleitung das mit der Vereinigungsfrage befasste Komitee beauftragt, des Verfahrens zur Einverleibung von Levis gewünscht. Vorschläge für Repressalien gegen die Gemeinde Altenstadt Die Aufforderung, die Angelegenheit mit „thunlichster Be- zu erarbeiten.40 schleunigung“ anzugehen, nahmen die Altenstädter nicht so wichtig.

Seite 227 Zur Erarbeitung dieser Repressalien wurde dann tatsächlich siedelten neuen Industriebetriebe. Auch Otto Bosch hatte eine Sitzung einberufen, zu der auch Dr. Johann Bergmei- einen wirtschaftlichen Rückgang bemerkt: „geht die Indus- ster, der Obmann des „Levner Komitees“ eingeladen wur- trie in Feldkirch und Umgebung seit einigen Jahren zurück.“ de. Von irgendwelchen Repressalien ist dann jedoch nichts Er warf den Altenstädtern auch vor, bei der Anschaffung von mehr zu hören. Glocken einer welschen Firma und nicht einer Feldkircher Glockengießerei den Auftrag gegeben zu haben. Auch die 2.6. Ein Vorstoß von Bürgermeister Peer 1906 ursprüngliche Wahl der Unterländer Firma Jenny & Schind- ler als Stromlieferant anstatt der Feldkircher Stadtwerke kri- Einen neuerlichen Versuch, doch noch eine Vereinigung zu tisierte Weinzierl.43 Diese Angelegenheit wertete er als Be- erreichen, machte dann Bürgermeister Peer im Jahre 1906. weis für die nicht existierende „freundnachbarschaftliche“ In der Magistratssitzung vom 26. Juni 1906 legte er einen Gesinnung der Altenstädter. Tschavoll zitierte eine Aussage „flüchtigen Entwurf“ vor, der besprochen und angenom- des Altenstädter Vorstehers: „es wird uns nicht einfallen men wurde.41 Um die Sache in Fluss zu bringen, wurde eine den Kopf herzugeben“. Gemeint war damit das unter allen Sitzung der Ausschussmänner sowie deren Stellvertreter in Ortsteilen finanzstärkste Levis. Carl von Tschavoll verweist das Gasthaus Schäfle einberufen, in der dieser neuerliche auf den vom Magistrat erstellten Vertragsentwurf, der eine Versuch nochmals besprochen wurde. Vereinigung mit Levis, Altenstadt und Gisingen ohne die Ortsteile Nofels, Fresch und Bangs vorsah. Er schlug vor, Eine im Stadtarchiv verwahrte Niederschrift über eine Aus- auch diese Ortsteile noch „mitzunehmen“. sprache über die Einverleibung von Levis ist vermutlich das Protokoll dieser Sitzung.42 Unklar ist wer es verfasst hat und Für Philipp Ganahl sprachen vor allem wirtschaftliche Grün- verwunderlich ist, dass es maschinschriftlich verfasst wur- de für eine Vereinigung. Obwohl die Spinnerei Ganahl sich de. Dies deutet darauf hin, dass es nachträglich von einer verdoppelt hatte, fand er in Feldkirch keine Bauplätze für unbekannten Person abgetippt und dann einfach dem amt- Arbeiterwohnungen. Für die politische Zukunft Feldkirchs lichen Akt hinzugefügt wurde. Nichtsdestoweniger sind die sah der führende Liberale Ganahl im wahrsten Sinne des Aussagen vielsagend für den damals herrschenden Geist. Wortes „schwarz“: „Wir bleiben Städter, aber nicht ewig Kleinstädter. Bludenz. [sic!] Levis allein ist nichts, lohnt Als klarer Gegner der Vereinigung trat Anton Weinzierl auf. nicht. Wer der Anschauung ist, dass Feldkirch in 20 – 30 Er befürchtete, dass Feldkirch eine Bauerngemeinde werde Jahren dasselbe sein soll, der muss der Ansicht des Herrn und die Hauptlast der Steuern tragen müsse und „regieren Rat Weinzierl sein. Schwarz werden wir doch. In 10- bis 12 werden die Bauern über unser Geld“. Er bezeichnete eine Jahren sind auch wir schwarz.“ Er sollte mit seiner Prognose Vereinigung als politischen Selbstmord, da ja eigentlich recht behalten. Im Jahre 1909 gewannen die Christlichsozi- Feldkirch an Altenstadt angeschlossen werde. Er meinte: alen die Mehrheit in der Stadtvertretung und lösten damit „Feldkirch besteht seit 600 – 700 Jahren und hat sich noch die 50 Jahre Feldkirch dominierenden Liberalen ab. Ganahl ohne Altenstadt durchgeschlagen. Das große Wort werden wies aber auch auf die Steuereinnahmen. So zahlte etwa sie führen und uns regieren. Mit diesen rückständigen Leu- die Hämmerle Fabrik in Gisingen 8.000 Gulden an Erwerbs- ten haben sie sofort die Majorität“. Andererseits stellte steuer. Gebhard Ginthör fürchtete sich nicht vor einer „Ma- Weinzierl fest, dass die Stadt, erfolglos, Industrieansiede- jorisierung“ durch die konservativen Bauern: „Die Bevölke- lungen ausgeschrieben habe. Es fehlte an den notwendigen rung, die zuwächst, ist eine ganz andere, mehr Beamte in Industriegrundstücken und Wohnungen für die Arbeiter. Er Gisingen und Levis.“ verwies auf die vielen in Bregenz bzw. in Vorkloster ange-

Seite 228 Josef Peer

Auch Ferdinand Hilbe sah diese Entwicklung. Er meinte, aber, dass die Stadt Feldkirch der zahlende Teil im vereini- dass bei einer Vereinigung mit Altenstadt und Gisingen die gten Feldkirch sein werde. Haller und Weinzierl stimmten soziale Zusammenstellung der Bevölkerung sich ändern gegen den Antrag. Hans Pümpel tendierte für eine Einver- werde. Er prophezeite, dass die „städtischen Elemente“ leibung von Tisis und Tosters. Die namentliche Abstimmung überhand nehmen werden und die „Majorisierung“ (durch ergab eine eindeutige Mehrheit für die Aufnahme von Ver- Bauern) nicht bleiben werde. Franz Dieterle sprach sich für handlungen mit Altenstadt.45 eine Vereinigung aus. Der ständige Bau von Wohnhäusern in Levis bedeutete für ihn auch eine Zunahme von Steuer- Der Stadtmagistrat informierte die Gemeinde Altenstadt objekten.44 am 16. August 1906 von diesem Beschluss, gab gleichzei- tig bekannt, dass der Bürgermeister nach seiner Rückkehr Die Magistratsräte Anton von Furtenbach, Josef Häusle, Verhandlungen aufnehmen werde. Zur selben Zeit trat Al- Philipp Ganahl sowie Bürgermeister Peer stellten daraufhin tenstadt wegen einer Wasserversorgung von Levis aus der den schriftlichen Antrag, mit Altenstadt wegen der Einverlei- Hochquellenleitung des Saminatales in Kontakt mit Feld- bung von Altenstadt, Levis und Gisingen in Verhandlungen kirch. Am 17. Oktober 1906 fand eine Sitzung im Rathaus- zu treten. Sie begründeten diesen neuen Antrag damit, saal statt, in der sowohl über die „Incorporierung“ von dass die für eine Einverleibung von Levis notwenigen Op- Altenstadt wie auch die Wasserversorgung von Levis ver- fer die Vorteile nicht aufwiegen und gerade zu diesem Zeit- handelt wurde. Über das Ergebnis dieser Verhandlungen punkt die günstigste und vielleicht auch letzte Gelegenheit geben weder die Ratsprotokolle von Altenstadt noch von wäre, dieses Ziel zu erreichen. Sie begründen aber nicht, Feldkirch Auskunft.46 In einem Brief an die Gemeindevor- weshalb gerade dies der ideale Zeitpunkt war. stehung von Altenstadt berichtet Ludwig Bürkle am 31. Juli 1907, dass man in Feldkirch noch immer auf eine Antwort In der Stadtvertretung vom 27. Juli 1906 kam es zu einer aus Altenstadt über die bei dieser Sitzung besprochenen heftigen Diskussion über diesen Antrag. Anton Eisenegger Fragen warte. Das Verhalten Altenstadts im Jahre 1906 verlangte, auch Nofels einzugemeinden. Magistratsrat An- kann, wie schon zuvor, entweder als völlige Gleichgültig- ton Weinzierl sprach sich gegen die beabsichtigte Einverlei- keit, als Verzögerungstaktik oder als die klassische Haltung bung aus, er befürchtete, dass die Stadt- von der Landbe- des Stärkeren, der zu keiner Verhandlung oder Aktion ge- völkerung majorisiert würde. Die Interessen von Stadt- und zwungen ist, bezeichnet werden. Landbevölkerung waren seiner Meinung nach zu unter- schiedlich, es soll sogar Argwohn zwischen diesen sozialen Feldkirch war aber durchaus bereit, die Wasserleitung der Gruppen geherrscht haben. Er sah auch keine Chance für neuen Hochquellenleitung bis Levis auszudehnen.47 Die die Etablierung von Industrie, die Bodenseeregion hatte so- Vereinigungsverhandlungen scheinen auch 1906 geschei- gar den Vorteil von Stromzufuhr aus dem Kraftwerk Andels- tert zu sein. buch. Weinzierl sah keinerlei Vorteile in einer Vereinigung. Er befürchtete auch eine Erhöhung der Ausgaben für das Ar- 2.7. Ein neuer Versuch 1910/1911 men- und Schulwesen. Er glaubte auch an eine statistisch nachweisbare Steigerung der bäuerlichen Bevölkerung in Die am 13. Oktober 1910 tagende Stadtvertretung erklärte Altenstadt. Furtenbach erwiderte, dass der Bevölkerungs- den Punkt 7, die Vereinigung mit Levis, für vertraulich und zuwachs in der Gemeinde Altenstadt aus Bahnarbeitern in befasste sich, nachdem die Zuschauer den Ratsaal verlas- Levis und den Industriearbeitern in Gisingen bestehe. Carl sen hatten, mit der von Johann Caspar Meusburger aus Haller sah zwar eine Steigerung der Steuerkraft, fürchtete Levis eingereichten Anfrage. Leider hat sich dieses Schrift-

Seite 229 stück nicht erhalten. Auf jeden Fall fand seine Initiative An- statistisches Material brauche, um damit die Vereinigung klang, da ohne Debatte folgender, etwas schwammige Be- begründen zu können. Es fand dann auch eine von allen schluss gefasst wurde: „Der Gemeindeausschuss würde es Steuerträgern von Levis besuchte Versammlung statt, bei lebhaft begrüßen, wenn die Vereinigung der Parzelle Levis der die Anwesenden sich über die schlechte Behandlung mit Feldkirch unter annehmbaren Bedingungen zustande durch Altenstadt beschwerten. Die Versammlung beschloss käme.“48 die Lostrennung von Altenstadt anzustreben. Lediglich zwei Personen verlangten einen Anschluss von Levis und Alten- Am 4. März 1911 trat ein „Einverleibungskomitee der Par- stadt. zelle Levis“, geleitet von Johann Caspar Meusburger, mit einem gedruckten Flugblatt an die Öffentlichkeit. Nach der Am 23. Jänner 1918 entwarf der Vereinigungsausschuss ein Aufzählung der ergebnislosen Versuche einer Vereinigung Schreiben, das besonders ab der zweiten Seite die bereits in den Jahren 1850, 1857, 1870 und 1896 wird der letzte Vor- bekannten Vorwürfe gegen Altenstadt enthielt, dafür aber stoß der Stadt Feldkirch aus dem Jahre 1904 erwähnt. einen recht barschen, unhöflichen Ton verwendete. Im Akt liegen zwei Entwürfe, wobei sich auf der Rückseite die hand- Im Flugblatt wurden die Steuerverhältnisse der beiden schriftliche Notiz findet, dass Johann Caspar Kaufmann Gemeinden verglichen, wobei Altenstadt vergleichsweise diesen Textentwurf eigenmächtig der Gemeinde Altenstadt schlecht abschnitt. So gab es in Altenstadt eine Besol- überreicht habe. Die anderen Mitglieder waren also nicht dungssteuer und eine Umlage von 100 Prozent auf Neu- darüber informiert. Die Reaktion aus Altenstadt fiel genau- bauten. Besonders viel Raum wurde dem Thema Schule so hart aus. Der Vorsteher Rheinberger verweigerte Unter- gewidmet und ein Schulneubau für Levis gefordert. Die handlungen, da der Brief voller Lügen und Verleumdungen mangelnde öffentliche Sicherheit wurde kritisiert. wäre. Ein Satz verdient zitiert zu werden:“[...] eine solche Schreibweise zu keinem friedlichen Resultat führen wer- Aus der „Levnerpartei“ der Gemeindevertretung von Alten- de, die eher einem polschwekischen [sic!] Aufstand gleich stadt, also den in Levis wohnhaften Gemeindevertretern, sieht.“ Diese Nennung des Bolschewismus ist ein interes- wurde gemäß dem proportionalen Wahlrecht das Einverlei- santer Hinweis, wie dieses zeitgeschichtliche Ereignis auch bungskomitee zusammengestellt. Die Levner beriefen sich in Vorarlberg aufmerksam verfolgt wurde. Vorsteher Rhein- auf den Stadtvertretungsbeschluss vom 13. Oktober 1910, berger hielt die Initiative auch wegen der Zeitverhältnisse in dem sie einen Auftrag zur Vereinigung von Levis mit Feld- für ungünstig und meinte abschließend, dass zukünftige kirch sahen. Verhandlungen in dieser Sache direkt mit der Feldkircher Stadtvertretung stattfinden sollten. Dieser Brief überschnitt sich mit einer freundlich gehaltenen Einladung Bürkles an 2.8. Ein Neuanfang 1918 den Altenstädter Gemeinderat zu weiteren Verhandlungen. Bürkle reagierte sofort auf den abschlägigen Brief des Vor- Der Erste Weltkrieg ließ alle Bemühungen um eine Verei- stehers und versuchte ihn zu beruhigen. Den Brief Meus- nigung in den Hintergrund treten. Andere, lebenswichtige burgers bezeichnete er als dessen Privatsache. Der ganze Probleme waren zu bewältigen. Ausschuss hat diese Eingabe einhellig verworfen.49

1917 jedoch teilte der Einverleibungssausschuss, konkret Diese neuerliche Initiative der Levner veranlasste den Feld- der Obmann Ludwig Bürkle und der Schriftführer Oswald kircher Bürgermeister Franz Unterberger den Landtagsab- Blum, dem Stadtmagistrat mit, dass er für seine Arbeit geordneten Stefan Allgäuer in Gisingen am 25.1.1918 zu

Seite 230 Franz Unterberger

treffen und in dessen Haus die Angelegenheit zu bespre- Tatsächlich kam es dann am 19. Juli 1918 in der Feldkircher chen. Unterberger hielt den Inhalt des Gespräches in einem Ratsstube zu einer ersten Sitzung der von der Stadtgemein- Gedächtnisprotokoll fest. Er berichtete Allgäuer, dass er ge- de Feldkirch und der Gemeinde Altenstadt gewählten „Ein- rüchteweise von einer Zusammenkunft von Gemeindeaus- verleibungs-Ausschüsse“. Aus Altenstadt kamen der Vor- schussvertretern Altenstadts gehört habe, bei der man steher Rheinberger, Landtagsabgeordneter Stefan Allgäuer, sich für einen Zusammenschluss ausgesprochen hätte. Als Gemeinderat Ferdinand Köchle aus Gisingen, Michael Lins Quelle des Gerüchtes gab er Oberlevner an, bei denen viel- aus Nofels, Julius Scheidbach aus Levis, Ludwig Bürkle aus leicht der Wunsch der Vater des Gedankens gewesen sei. Levis und der Gemeindesekretär David Walser sowie August Allgäuer verneinte eine derartige Zusammenkunft. Seine Bertschler. Es waren also Vertreter aus allen Ortsteilen von weiteren Aussagen geben einen guten Einblick in die triste Altenstadt dabei. Die Vertreter Feldkirchs waren Bürgermei- Situation in Altenstadt kurz vor Kriegsende. Der kriegsbe- ster Franz Unterberger, Magistratsrat Karl von Tschavoll und dingte Mangel an Gemeindefunktionären machte sich au- Magistratsrat Anton Gohm. Unterberger wurde zum Vorsit- ßerordentlich fühlbar. In Gisingen, dem Heimatort Allgäu- zenden gewählt, gab nach der Begrüßung einen kurzen hi- ers, habe man noch nicht von der Vereinigung gesprochen, storischen Rückblick und sprach über die Gründe für eine Ge- da der Krieg derart auf der Bevölkerung laste, dass sie nicht bietserweiterung Feldkirchs. Vorsteher Rheinberger hielt die über den Tag hinaus denken könne. Sollte es wirklich ein- Beschäftigung mit der Vereinigungsfrage wegen des Krieges mal zu einer Vereinigung kommen, vermutete er in Gisingen für verfrüht. Wegen der kriegsbedingten Abwesenheit so vie- eine Tendenz zu einem Zusammenschluss mit Nofels zu ei- ler Wähler wäre eine Volksabstimmung über den Anschluss ner eigenen Gemeinde. unmöglich durchzuführen. Er sprach sich übrigens, im Falle einer Volksabstimmung, für eine Vereinigung der ganzen Wohl als Folge dieses Gespräches bestätigte Unterberger Gemeinde Altenstadt mit Feldkirch aus. Bürgermeister Un- dem Vereinigungsausschuss zwar den Empfang einer Ein- terberger verwies auf Meran, wo während des Krieges eine gabe für die Vereinigung, verschob aber eine Entscheidung Vereinigung mit den Nachbargemeinden erfolgt war.51 Er ver- bis zur Rückkehr der eingerückten Gemeindevertreter. Erst wies auch auf die in Aussicht genommene Erbauung einer nach deren Rückkehr und der Wiederkehr normaler Verhält- Zolldienstanlage am Feldkircher Bahnhof und die Aufwertung nisse, Friedensverhältnisse, war an eine Lösung dieser Fra- des Bahnhofs durch den Ausbau des Schweizer Schienen- ge zu denken.50 netzes in Richtung Süden.52 Recht ungeniert, da unter Par- teifreunden, sprach Unterberger über die politischen Folgen Die Levner ließen aber nicht locker und wandten sich am des Anschlusses der Eisenbahner- und Sozialistenhochburg 1. März mit einem Brief und einer Petition um Vereinigung, Levis, die Furcht vor dem Verlust des sowieso schon wackeln- nun sehr freundlich und diplomatisch gehalten, an die Ge- den Landtagssitzes von Feldkirch. Sollte Altenstadt ebenfalls meindevertretung von Altenstadt. Sie erachteten die Verei- zu Feldkirch kommen, sah er einen Ausgleich des konserva- nigungsfrage als derart wichtig, dass sie trotz der Kriegszeit tiven Elements. Unterberger beschränkte sich auf die Einver- angegangen werden müsse. Es ließe sich „ gegenüber den leibung von Levis. Er sah in diesem ersten Treffen das Ziel, die im Schützengraben befindlichen Gemeindemitgliedern Stimmungen über die Einverleibungsfrage zu erörtern und kaum verantworten, wenn nicht wenigstens die Vorarbeiten versprach, statistisches Material zusammenzutragen und in Angriff genommen würden“. Bürgermeister Unterberger den Gemeindeausschuss zu einer Stellungnahme zu führen. fragte dann am 25. April 1918 freundlichst in Altenstadt an, Wie versprochen wurde eine gedruckte Vermögensbilanz von ob man gewillt wäre, einen Unterausschuss für die Vereini- Feldkirch und Altenstadt per 31. Dezember 1918 vorgelegt gungsfrage zu wählen. und als Verhandlungsbasis gedruckt.

Seite 231 Hans Bitschnau

Die Feldkircher luden für den 27. Oktober 1919, also nach Reingewinn des Bürgergutes sollte in den Haushalt der einer Pause von fast eineinhalb Jahren, zu einer zweiten Gesamtgemeinde fließen. Sitzung ein. Hintergrund waren Gespräche mit Vertretern 2.) Alle Einrichtungen, Anlagen, Stipendien u.s.w. sollten der Finanzbehörden und der Staatsbahn wegen Verlegung „Gesamt“ sein, also zum Gesamtvermögen der neuen des Hauptzollamtes von Buchs nach Feldkirch und wegen Gemeinde werden. einer Erweiterung des Feldkircher Bahnhofes.53 Bürger- 3.) Ausgaben und Einnahmen. Die unentgeltliche Beistel- meister-Stellvertreter Anton Gohm berichtete über den In- lung von Lehrmitteln für die Altenstädter Kinder sollte halt der Gespräche und über die gleichzeitig begonnenen beibehalten werden. Für die neuangeschlossenen Par- Vereinigungsgespräche mit Tosters. Der Feldkircher Stadt- zellen sollten die Baubeiträge für Licht und Wasser er- werkedirektor Franz Simon, in seiner Funktion als Schrift- mäßigt werden. Die Wasserversorgung der Parzellen führer und wegen seines Wohnsitzes in Levis als Mitglied Gisingen und Nofels sollte studiert und in den zukünf- des Altenstädter Vereinigungsausschusses, sprach sich für tigen Wasserversorgungsplan aufgenommen werden. eine Angliederung der ganzen Gemeinde Altenstadt aus. Er 4.) Den derzeit im Gemeindedienst stehenden Beamten und stellte vier wichtige und dringliche Aufgaben vor, die seiner Bediensteten werden Anstellung und Bezüge zugesichert. Meinung nach in beiden Gemeindegebieten nur gelöst wer- 5.) Die in Aussicht genommene Errichtung von Amtsstellen den könnten, wenn sie einheitlich und großzügig in Angriff in den einzelnen Parzellen ist durchzuführen. genommen werden. In der anschließenden Diskussion war man sich über den Es waren dies: ungehinderten und ungeschmälerten Fortbestand der bis- herigen Bürgernutzungen einig. Die Gemeinde Altenstadt 1. Die Erweiterung des Feldkircher Bahnhofes, Förderung hatte den Staatsanwalt Dr. Hans Bitschnau gebeten, an des Verkehrswesens; Hand der Gemeindeordnung und der beiderseitigen Bür- 2. Illregulierung; gernutzungsordnungen einen Vorschlag einer getrennten 3. die Lebensmittelversorgung in Zusammenhang mit der Verwaltung der Bürgernutzungsrechte zu erarbeiten.54 Die Entwässerung des versumpften Geländes beiderseits Feldkircher anerkannten die Punkte zwei, drei und vier der Ill; der Verhandlungen als etwas Selbstverständliches. Zu den 4. Schaffung fachlicher Bildungsstätten. Lehrmitteln wurde vermerkt, dass diese in Feldkirch bisher nur an bedürftige Schüler kostenlos abgegeben worden wa- Gohm gab daraufhin den festen Willen Feldkirchs zu einer ren. Die Stadtwerke wurden beauftragt, die Baukostenbei- Vereinigung mit der ganzen Gemeinde Altenstadt bekannt träge für die Stromabnehmer von Fresch und Bangs bis zur und bat um die Nennung der Bedingungen. nächsten Sitzung zu berechnen.

Im Namen der Altenstädter nannte der sozialdemokratische Zum fünften Punkt gaben die Altenstädter nähere Erläute- Landtagsabgeordnete Franz Rauscher die Bedingungen Al- rungen, die aber leider nicht protokolliert wurden. tenstadts, als Grundlagen der Verhandlungen bezeichnet: Eine längere Diskussion entstand zur Finanzlage. Wegen 1.) Die Bürgernutzungen. Über Art und Höhe des zu vertei- der in Angriff genommenen Illregulierung auf Altenstädter lenden jeweiligen Bürgernutzens sollten Altenstadt und Gebiet rechneten die Feldkircher mit einer Erhöhung der Feldkirch das alleinige Entscheidungsrecht haben. Der Gemeindezuschläge in Feldkirch selbst. Die Sitzung wurde

Seite 232 Franz Rauscher

vom Vorsitzenden, Landtagsabgeordneter Stefan Allgäu- verschoben. Offensichtlich haben die Hoffnungen mancher er als befriedigend eingestuft. Das Protokoll schloss mit Vorarlberger auf den Anschluss an die Schweiz die Eisen- einem wunderschönen Satz: bahnverwaltung zu einer abwartenden Haltung bewogen.

„Die Verhandlungen lassen erkennen, daß beide Ge- Am 31. Juli 1920 trafen sich Ausschüsse beider Gemeinden meinden dem großzügigen Plane Lust und Liebe entge- zur vierten Sitzung, bei der die neuesten Zahlen der Vermö- genbringen, sodass mit einer gewissen Sicherheit an die gensausweise vorgelegt wurden. Die Zahlen hatten sich, Fortsetzung der eingeleiteten, eine Grundlage bildenden bei den Ausgaben, stark verschlechtert. Besonders bei den Verhandlungen, herangetreten werden könne.“ Löhnen und Gehältern gab es beachtliche Mehrausgaben, die Inflation machte sich hier bemerkbar. Die Abgänge bei- Welch ein Unterschied zu den bissigen ablehnenden Schrei- der Gemeinden konnten nur durch Zuschläge ausgeglichen ben und Protokollen vor dem Ersten Weltkrieg. werden. Feldkirch hatte einen Zuschlag von 470 Prozent, Altenstadt sogar von 1070 Prozent. Diskutiert wurde auch Mit etwas Verzögerung fand dann am 11. Dezember 1919 die der mögliche Verkauf der Stadtwerke an die zu bildende dritte Sitzung statt. Beide Gemeinden hatten die Vermö- Landeselektrizitätsgesellschaft, die Vorgängerin der Vorar- gensnachweise, Rechnungsabschlüsse und die Voranschlä- lberger Kraftwerke (VKW), oder gar eine Beteiligung Feld- ge für 1920 erstellt und drucken lassen. In der Besprechung kirchs an dieser Gesellschaft, die dann wirklich erfolgte. wurde festgestellt, dass bei einer Vereinigung die Gemein- Das von Dr. Martin Schreiber erarbeitete Gutachten über deumlagen sich auf 38 Prozent erhöhen würden, was eine die getrennten Verwaltungen der Bürgernutzungen wurde Mehrbelastung für den Feldkircher, eine Steuerreduzierung zur Kenntnis genommen und dem früheren Bürgermeister für den Altenstädter Steuerzahler bedeutet hätte. und Spitzenjuristen Dr. Peer zur Durchsicht gegeben. In den Archivbeständen hat sich ein einziges, von Dr. Wilhelm Die von Staatsanwalt Dr. Bitschnau erarbeiteten Vorschläge Schimper erstelltes Rechtsgutachten vom 12. März 1921 er- für die getrennten Verwaltungen der Bürgernutzungen war halten. Darin wird zuerst geklärt, dass nach der Gemeinde- bereits im Rechtsauschuss der Feldkircher Stadtvertretung ordnung durchaus eine Parzelle ein gesondertes Vermögen, behandelt worden. Für die nächste gemeinsame Sitzung also die Bürgernutzungen, besitzen kann. Auch das Eigen- sollten Dr. Bitschnau als Vertreter der Gemeinde Altenstadt tumsrecht wird juristisch geklärt wie auch die Frage nach und Landesgerichtsrat Dr. Martin Schreiber als Vertreter Verleihung des Bürgerrechts. Dr. Schimper kontaktierte Feldkirchs eingeladen werden, um sich dieses juristische auch den in Dornbirn befindlichen Dr. Schreiber, der aber Thema fachkundig erklären zu lassen.55 Für die einzelnen laut Antwortbrief nicht über die Arbeit der Vereinigungsaus- Altenstädter Gemeindebediensteten wurden die Einstu- schüsse informiert war. Dieses Rechtsgutachten Schimpers fungen in der Gehaltsklasse bzw. die Entlohnung exakt wurde der Gemeinde Altenstadt zur Beratung vorgelegt. festgelegt. Auch die Baukosten für das Stromnetz in Fresch und Bangs wie auch die Wasserleitungskosten hatte man Die Öffentlichkeit wurde bei einer Versammlung im Gast- exakt kalkuliert. Die Levner verlangten den Ausbau des haus „Krone“ in Altenstadt über die Vereinigungsfrage in- Mutterweges. formiert. Eingeladen hatte Georg Böhler, der Klubobmann der vereinigten Parteien Altenstadts, als Referent trat der Der erhoffte Ausbau des Bahnhofes wurde von den Staats- Stadtwerkedirektor Franz Simon auf.56 Er informierte über bahnen wegen der ungeklärten politischen Lage Vorarlbergs die Bestrebungen im Ortsteil Levis, über die Vorteile einer

Seite 233 "Badeort Nofelsn bei Feldkirch"

Vereinigung, aber auch über die Bürgernutzungen. Gerade mutlich haben diese Ereignisse auch auf die Stimmung dazu entspann sich eine Diskussion, wurde die weitere in der Bevölkerung zur Anschlussfrage mitbestimmt.59 Die Nutzung der Gemeindegüter bezweifelt. Die Anwesenden Steuerkraft von Oberlevis bezeichnete er als „wertvoll“, die verfassten dann doch eine Resolution, gerichtet an die Möglichkeit nach Gründung einer eigenen Gemeinde Levis Gemeindevertretung von Altenstadt, in der sie sich für Ver- schätzte er als unrealistisch ein, da der Landtag niemals handlungen in der Vereinigungsfrage aussprachen.57 zustimmen würde. Die Versammlung sprach sich einstim- mig für eine Einverleibung von Oberlevis aus und für den Die Gemeinde Altenstadt reagierte ab Juni 1921 auf einmal Start einer Unterschriftenaktion.60 Am 9. April erinnerte eher bremsend, indem sie die Einberufung einer öffent- Bürgermeister Gohm die Gemeindevorstehung Altenstadt lichen Versammlung bekanntgab, in der die Bevölkerung an das im März ihr zugesandte Rechtsgutachten über die über die Vor- und Nachteile der Vereinigung informiert wer- Bürgernutzungen und bat um die Beratung der bereits 1920 den sollte. Als Referent wurde Alt-Bürgermeister Unterber- gefassten Grundlagen für eine Vereinigung. Laut Gohm war ger eingeladen. Zum Rechtsgutachten wurde vermerkt, dass auch die neugewählte Stadtvertretung durchaus an einer die grundbücherliche Eintragung des Eigentumsrechtes der Vereinigung interessiert. Seiner Ansicht nach sprachen die künftigen „Fraktion“ Altenstadt verlangt und der Einberu- wirtschaftlichen und sonstigen Verhältnisse für eine Verei- fung einer Verwaltungskommission für die Nutzung des nigung. Gemeint waren wohl die wirtschaftlichen Probleme, Bürgernutzens in Altenstadt zugestimmt werde. Ob diese die gemeinsam besser gelöst werden konnten. Am.20. April Versammlung überhaupt jemals stattfand, ist leider nicht 1922 legten Ludwig Bürkle und Karl Ganahl dem Feldkircher bekannt.58 Stadtrat dann wirklich eine Unterschriftensammlung von Bürgern von Ober-Levis vor, in der sich von 470 Wahlbe- Weitere Aktivitäten sind für das Jahr 1921 nicht bekannt. rechtigten 450, also 95 Prozent, für die Einverleibung ihres Im April und Mai 1922 wurden weitere Versuche zur Ver- Wohnbezirkes bis zur Höhe des Gasthauses Bierkeller nach einigung unternommen. Sehr informativ ist die von Franz Feldkirch aussprachen. Der Feldkircher Stadtrat gab der Al- Unterberger verfasste Niederschrift einer am 5. April 1922 tenstädter Gemeindevertretung das Ergebnis dieser Unter- stattgefundenen Besprechung wegen der Einverleibung von schriftensammlung sowie die Stellungnahme der Stadtver- Oberlevis. Unterberger gab als Schuld für das Stocken der tretung bekannt: „ Sie spricht die Geneigtheit aus, diesem Verhandlungen den Widerstand der bäuerlichen Bevölke- Wunsche Rechnung zu tragen, obwohl sie nach wie vor auf rung Altenstadts an. Ihre Forderung bezüglich Verwaltung dem Standpunkt steht, dass das Weitergehende die Einge- des Gemeindebesitzes, des Waldes, war für die Feldkircher meindung der Gesamtgemeinde Altenstadt sei.“ nicht tragbar. Nun traten einige Levner mit der Idee einer Abtrennung von Levis bis zum Gasthaus Bierkeller hervor Diese Petition aus Oberlevis war Verhandlungsgegenstand und wollten eine Unterschriftenaktion starten. Sie wollten einer für den 6. Mai 1922 einberufenen Sitzung des Feld- damit gleichzeitig der Initiative anderer Levner nach Grün- kircher Vereinigungsausschusses. Bürgermeister Gohm dung einer eigenen Gemeinde Levis zuvorkommen. Bürger- berichtete, dass alle bisherigen Anstrengungen zur Ver- meister Anton Gohm berichtete über die Schwierigkeiten einigung an der Passivität der Altenstädter und Gisinger bei den Verhandlungen, die Probleme, die sich mit der gescheitert wären, wobei besonders in den bäuerlichen kirchlichen Lostrennung von Levis besonders zeigten. Die- Kreisen von Gisingen der größte Widerstand zu finden war. ser Lösungsprozess von Levis zog sich über Jahre hinweg, Der Ausschuss erarbeitete einen Antrag an die Stadtver- beschäftigte die kirchlichen Instanzen zwischen Feldkirch tretung wegen Unterstützung des Levner Komitees. Einen und Brixen und dürfte für Emotionen gesorgt haben. Ver- recht interessanten Hinweis auf die Lage in Altenstadt bie-

Seite 234 Dorfzentrum Gisingen 1930

tet wiederum ein handschriftlicher Aktenvermerk von Franz Nach den produktiven Ergebnissen der Verhandlungen der Unterberger vom 6. Mai 1922, der sich auf ein Jahr alte Jahre 1919/20 wurde 1922 ein absoluter Tiefpunkt erreicht, Informationen bezog. Er hatte von einem Mitglied des Al- war man bei der verfahrenen Situation wie im 19. Jahrhun- tenstädter Unterausschusses für Eingemeindung erfahren, dert. Wie frustriert man in Feldkirch war, beweist die Rück- dass dieser Ausschuss es nicht wagte, die Grundlagen der nahme der Forderungen auf die Eingemeindung von Ober- Vereinigung der Gemeindevertretung vorzulegen, da er da- Levis. von ausging, dort für den Antrag keine Mehrheit zu finden. Weshalb dieser Umschwung stattfand, ist nicht mehr zu Sie hatten mit ihrer Befürchtung wohl nicht ganz Unrecht, klären, vielleicht wurden die Verhandlungen 1919/20 von wie die Sitzungen der Gemeindevertretung vom 1. Juli und den Vertretern Altenstadts ohne notwendige Rückende- vom 23. Dezember 1922 zeigten. Die Eingabe der Stadt ckung durch die konservative Basis geführt. Aus dem Jahre Feldkirch wegen Einverleibung wurde zuerst dem Vereini- 1923 sind keinerlei Informationen über Aktivitäten irgendei- gungsausschuss übertragen und dann letztendlich von der ner Art bekannt. Gemeindevertretung, mit Ausnahme der Levner Gemeinde- vertreter abgelehnt.61 Die Jahre 1920 bis 1925 waren aber auch die schwierigsten Jahre der noch jungen Republik. Die Arbeitslosigkeit stieg Die Altenstädter erkundigten sich 1922 in Bozen, Lindau 1921/22 rapide an, der Währungsverfall war gewaltig. Wa- und St. Pölten über die Erfahrungen dieser Gemeinden mit ren im Jahre 1919 hundert Franken 567 Kronen wert, waren Eingemeindungen. In Lindau gab ihnen der Bürgermeister es im Folgejahr bereits 12.200 und 1922 sogar 360.000 schriftlich Auskünfte über die 1922 erfolgte Eingemeindung Kronen. Erst die Völkerbundanleihe 1922 brachte eine Wäh- von Aeschach, Hoyren und Reutin, betonte die „grössere rungsstabilität. Die vom Völkerbund verlangten Sparmaß- Stoßkraft“ sowie das erhöhte Ansehen. Es wurde auch eine nahmen führten zu einem dramatischen Abbau von Be- Einladung zu einem persönlichen Gespräch ausgesprochen. amten, zumeist jungen Leuten, die nun arbeitslos wurden. Eine wirtschaftliche Stabilität brachte erst die seit dem 24. In Bozen erkundigte man sich über die Eingemeindung Dezember 1924 eingeführte neue Währung, der Schilling. von Zwölfmalgreien im Jahre 1910 und erhielt ein Antwort- Die Inflation machte sich natürlich auch auf lokaler Ebene schreiben in italienischer Sprache, in dem auf den dama- bemerkbar. So reagierten die Stadtwerke im Oktober 1921 ligen Bürgermeister Dr. Julius Perathoner verwiesen wurde. auf die Kronentwertung mit gewaltigen Strompreiserhö- Dieser berichtete über die positiven Erfahrungen, das Ein- hungen. Auf den Grundtarif einer Glühlampe kam ein Teue- halten von Versprechungen wie dem Schulbau. Es wurden rungszuschlag von 4700 Prozent. Auf den Grundtarif für Bü- dann weitere drei Personen befragt. Ein Bauer, der seiner- geleisen und Kleinmotoren wurde ein 120-facher Zuschlag zeit Gegner der Vereinigung war, berichtete über die posi- erhoben. Die Kohlenpreise wurden um das 1100-fache er- tiven Erfahrungen. Seine Bedenken gegen das friedliche höht, die Löhne um das 400-fache und die Gehälter um das Nebeneinander von Städtern und Bauern waren zerstreut. 300-fache.63 1923 wurde Gries in Bozen eingemeindet. Ein markanter Unterschied zwischen 1910 und 1923 war aber die Vorgangs- Angeblich hat Bürgermeister Gohm den Vorschlag gemacht, weise. 1910 gab es noch eine Volksabstimmung, 1925 wur- die Verhandlungen über die Vereinigung bis zur Wiederer- de einem königlichen Dekret nachgekommen.62 langung stabiler Währungsverhältnisse ruhen zu lassen und den Ausbau der städtischen Infrastruktur wie Straßenbau, Kapfschluchterweiterung und Kanalisierung fortzusetzen.64

Seite 235 Fabriksanlage F.M. Hämmerle in Gisingen um 1900

2.9 1924 – erste Schritte zur Vereinigung 1920 nochmals besprochen und diskutiert. Besonders das Thema Bürgernutzungen sorgte für Diskussionsstoff. Der Zu- Einen neuerlichen Versuch zur Kontaktaufnahme mit Alten- stand der Illregulierung und Entwässerung in Bangs wurden stadt wagte Feldkirch im April 1924. Ende März übersandte in ihrem Zustand als überholt bezeichnet und sollte ein Ver- der Stadtrat ein Rechtsgutachten über die Bürgernutzungen handlungsgegenstand werden. Zu den weiteren Verhand- nach Altenstadt und am 9. April wandte sich der Feldkircher lungen sollte der Jurist Dr. Martin Schreiber als rechtskun- Stadtrat mit einem Brief an die Gemeindevorstehung von diger Berater eingeladen werden. Schreiber sagte auch zu Altenstadt. Darin wurde vorgeschlagen, auf Basis der 1920 und nahm bereits an der Sitzung vom 26. Juni teil. Hauptbe- zwischen den beiden Vereinigungsausschüssen gefassten ratungsgegenstand waren wiederum die Bürgernutzungen. Beschlüsse Beratungen in der Gemeindevertretung aufzu- Eine weitere Sitzung fand am 10. September, wiederum im nehmen. Diese Beschlüsse sollten als Verhandlungsgrund- Gisinger Schulhaus statt. Hauptbesprechungspunkt wa- lage dienen. Bürgermeister Gohm versicherte, dass auch ren die Entwürfe eines Vereinigungsvertrages vom 9. April die neu gewählte Stadtvertretung weiterhin an einer Verei- 1924, der sich aber leider nicht erhalten hat. Es ist lediglich nigung interessiert wäre. Abschließend meinte er, dass ein bekannt, dass dieser Vertragsentwurf auf der Basis eines Zusammenschluss bei den herrschenden wirtschaftlichen Entwurfes des Jahres 1921 beruhte. und sonstigen Verhältnissen einen Vorteil für beide Ge- meinden bringen werde. Bei der Besprechung wurden die einzelnen Punkte de- Am 10. April 1924 fand eine Sitzung des Feldkircher Verei- tailliert diskutiert. So wurde der Illbaufonds als Gemein- nigungsausschusses statt, an dem neben Bürgermeister degut bezeichnet. Zu klärende Detailfragen betrafen das Gohm, Stadtrat Steck, der Rechtsanwalt Dr. Augustin Tar- Gemeindegut allgemein, das Bürgerrrecht und das Ende ter, Paul Büchel und Karl Frank teilnahmen. Bürgermeister der Belastung des Gemeindegutes für Schulzwecke. Die Gohm bot den neuen Mitgliedern des Ausschusses einen Beibehaltung der bestehenden Schulen, die Bildung eines Rückblick auf die Ereignisse. So hatte Altenstadt auf den im einheitlichen Schulsprengels Feldkirch-Altenstadt sowie Mai 1922 zugesandten Brief bezüglich Unterschriftenliste die Förderung der landwirtschaftlichen Fortbildungsschule Oberlevis nie geantwortet. Genauso wenig hatte Altenstadt sollten nach Ansicht der Altenstädter in die Vereinbarung auf einen 1921 zugesandten Entwurf eines Vereinigungsver- aufgenommen werden. Die Gemeindebediensteten sollten trages Stellung genommen. Die letzte Besprechung mit den nicht nur in den Dienst der Stadt Feldkirch, sondern auch Vertretern von Tosters hatte 1919 stattgefunden. Die von in den städtischen Pensionsfonds übernommen werden. Gemeindevorsteher Alfons Walser versprochene Informati- Die bisher in Altenstadt übliche Vieh- und Fleischbeschau onsversammlung, bei der Gohm als Redner auftreten sollte, sollte beibehalten werden. Die Illregulierung wie auch die hatte nicht stattgefunden. Entwässerung des Rheintales sahen die Altenstädter als wichtigste Aufgabe der neuen Großgemeinde Feldkirch. Alle Der Vereinigungsausschuss beschloss, sowohl an Alten- diese geforderten Punkte wurden auch in den Vereinigungs- stadt wie auch an Tosters nochmals die Vereinigungsent- vertrag aufgenommen. Über all diese Wünsche informierte würfe zu schicken und um die Aufnahme von Verhand- die Gemeindevorstehung von Altenstadt den Feldkircher lungen zu bitten. Stadtrat am 3. Oktober 1924. In diesem Schreiben werden zum besseren Verständnis die Entstehungsgeschichte des Der Altenstädter Vereinigungsausschuss wurde ebenfalls Illbaufonds und die 1924 übliche Handhabung der damit 1924 aktiv. Die erste Sitzung fand am 13. Mai im Schulhaus verbundenen Pflichten wie auch die Belastung des Gemein- Gisingen statt. Es wurden dabei die Grundsätze des Jahres degutes mit 4 Kronen für Schulzwecke erläutert. Die Alten-

Seite 236 Martin Schreiber

städter luden im gleichen Schreiben die Feldkircher zu ei- Am 2. April 1925 trafen sich die Vereinigungssausschüsse ner gemeinsamen Besprechung der Vereinigungsfrage ein. von Feldkirch, Tosters und Altenstadt, wobei nur noch die Damit war der Startschuss für die im folgenden Jahr stattfin- Volksabstimmung und die Aufklärung der Bevölkerung fest- dende Vereinigung gefallen. Dieser plötzliche Wandel in der gelegt wurden. Einstellung der Altenstädter dürfte mit der 1924 erfolgten Wahl von Johann Kühne zum Gemeindevorsteher zusam- menhängen. Diese Wahl war möglich mit den Stimmen der 3. Verhandlungen mit Tosters Gemeindevertreter aus Levis und Nofels, seinem Wohnort, der „Frick-Partei“ aus Gisingen und der Sozialdemokratie.65 Erste Pläne einer Gebietsausdehnung von Feldkirch auf Kühne war ein Befürworter eines Zusammenschlusses der Tostner Gemeindegebiet wurden im Jahre 1862 gewälzt. Gemeinden und verstand es, mit Menschen umzugehen. Nachdem 1858 im Schweizer Rheintal eine Eisenbahnlinie Kühne und Gohm waren beide Christlichsoziale und hatten von St. Margrethen bis Chur errichtet worden war, schlug auch ein gutes persönliches Verhältnis. Nach 1925 waren der Feldkircher Stadtmagistrat der Wiener Regierung den die beiden, Gohm als Bürgermeister und Kühne als Stell- Bau einer Verbindungsbahn von Feldkirch durch die Ill- vertreter, ein gutes Team. Auch die in Levis sehr starken schlucht nach Tosters und über Meiningen bis Rüthi vor. Sozialdemokraten setzten sich für die Vereinigung ein. Der Feldkircher Bahnhof sollte in Tosters, im Bereich der Diese politische Konstellation und die Persönlichkeiten an heutigen Eishalle errichtet werden. Das Projekt scheiterte der Spitze der beiden Gemeinden machte die Realisierung an Einsprüchen der Handelskammer, die dadurch ihr eige- dieses Langzeit-Projektes Gemeindezusammenschluss erst nes Bahnprojekt zwischen Bregenz und Bludenz gefährdet möglich. sah, auch das Militär erhob Einwände.

Die erste gemeinsame Sitzung der Vereinigungsausschüsse 1911 berichtete die Wochenzeitung „Der Landbote“ von von Feldkirch und Altenstadt fand dann am 13. Oktober 1924 einem Gerücht über eine Einverleibung von Tosters in die statt. Der sozialdemokratische Rauscher aus Altenstadt ver- Stadtgemeinde Feldkirch. Sarkastisch meinte der Journa- langte ein rasches Vorgehen beim Zusammenschluss, um list, dass die Tostner Damenwelt am wenigsten Probleme in wirtschaftlichen Belangen die „erhöhte Stoßkraft eines mit einer Vereinigung hätte, da sie bereits „städtisch ist großen Gemeinwesens“ einsetzen zu können. Gemein- oder sein will“. Aktuell wurde die Frage mit den Planungen devertreter Simon legte eine Statistik der Vermögensver- für einen städtischen Schlachthof samt Bahnstation, der hältnisse der beiden Gemeinden vor und erläuterte einige am Breiten Wasen in Tosters errichtet werden sollte. Am 9. wichtige Punkte. Danach wurden die einzelnen Punkte des September 1913 wählte die Gemeindevertretung ihren Vor- Vereinbarungsentwurfes mitsamt den von Altenstadt einge- steher Rupert Geiger und drei Gemeinderäte in ein Komitee, brachten Ergänzungen besprochen und Ergänzungen bzw. das mit Feldkirch über einen möglichen Zusammenschluss Streichungen im Text vorgenommen. verhandeln sollte. Die Feldkircher entsandten Franz Unter- berger, Franz Josef Keck und Georg Knapp in diese Verhand- Eine weitere Sitzung der Vereinigungsausschüsse von Feld- lungen.66 kirch und Altenstadt fand am 21. Jänner 1925 statt, in der ein von den Juristen Dr. Tarter und Dr. Schreiber erarbeiteter Die erste gemeinsame Sitzung fand am 22. April 1913 statt. Vertragsentwurf Punkt für Punkt besprochen, teilweise Das Protokoll besteht aber nur aus kurzen Notizen.67 Auf auch abgeändert wurde. einem Bogen Papier wurden Gründe für und gegen eine Ein- gemeindung aufgelistet, als Beratungspunkte die Themen

Seite 237 Vermögen, die weitere Vorgangsweise und mögliche Fragen geleises für den Schlachthof waren angeblich schon weit aufgelistet. Besonders interessant ist die Liste der Gründe fortgeschritten. Steinmaterial für die Wuhrung konnte für eine Eingemeindung. Ein Kriterium für die Feldkircher aus der geplanten Illschluchterweiterung gewonnen wer- Bürger war die Lage der Gemeindsteile in Tosters, konkret den. Tatsächlich sollte der Bau der neuen Brücke sich bis in der Tostnerau. Seit dem Mittelalter verfügte die Stadt 1927/29 hinziehen und der Schlachthof wurde aus nicht über dieses Augebiet, das im 19. Jahrhundert kultiviert näher bekannten Gründen niemals gebaut. und an die Bürger für Ackerbauzwecke übergeben wurde. In Tosters sollte auch der städtische Schlachthof gebaut Ganz wichtig war dann der Punkt 3 der Ausführungen von werden. Die in Tosters befindlichen Baufirmen Pümpel, Unterberger: „Die Bürgernutzungen sollen auch im Falle Hilty und Modena wurden, wie auch der Schlachthof, als einer Eingemeindung den Bürgern von Tosters im bishe- ansehnliche Steuerzahler eingeschätzt. Man rechnete mit rigen Umfange gewahrt, ebenso soll die Kirche und ihre der Errichtung einer Eisenbahnstation in Tosters, auf die Stiftungen unberührt und der Wasserzins der bisherig blei- allerdings die Tostner bis heute noch warten. Wichtigstes ben.“ Argument war die Gebietserweiterung, die Möglichkeit, Bauplätze, Schottergruben und einen Steinbruch zu be- Gemeindevorsteher Geiger machte auf die Befürchtungen treiben, geeignetes ebenes Gelände für Industrie- und der Tostner Bevölkerung aufmerksam. Neben dem Verlust Gewerbebauten zu gewinnen. Gegen eine Eingemeindung der Selbständigkeit wurde eine Beeinträchtigung der Bür- sprachen eine Erhöhung der Armenversorgungskosten, der gernutzungen gefürchtet. Besonders in der Parzelle Hub Interessengegensatz zwischen Bauern und Bürgern, die soll es zahlreiche Gegner gegeben haben. Man verlangte Vergrößerung des Polizeiwesens und die Erweiterung des auch eine laxere Handhabung der Bauvorschriften für Tos- Straßenbeleuchtungsnetzes. Unklar war man sich über die ters. Die Verwaltung der Bürgernutzung sollte weiterhin in Zukunft des Schulwesens. Fragen hatten die Feldkircher be- Tosters bleiben, man verwies dabei, als Beispiel, auf die züglich der Wasserversorgung, der Schule und der Gemein- Verhältnisse in Beschling. Die Magistratsräte Keck und debediensteten, die aber nur aus einem Waldaufseher und Knapp versprachen den Tostnern eine „entsprechende“ einem Gemeindepolizeidiener bestanden. Vertretung im „Gesamt-Gemeindeausschuss“ und dass, wie in Bludenz, der Parzellenvorsteher gleichzeitig Magi- Die erste gemeinsame Sitzung des Feldkircher und Tostner stratsrat wäre. Die Feldkircher versprachen sich in Nenzing- Komitees fand am 29. Oktober 1913 im Gasthaus „Breiter Beschling nach den dort üblichen Verrechnungsregeln bei Wasen“ statt. Magistratsrat Unterberger nannte ganz offen den Bürgernutzungen zu erkundigen. die Interessen der Stadt Feldkirch an einer Eingemeindung von Tosters: Ausdehnung des in unmittelbarer Nähe zur In der zweiten Sitzung, am 10. Dezember 1913, teilte Ma- Bahn und in der Ebene gelegenen Bauterrains, wobei auch gistratsrat Unterberger mit, dass er sich über das Verrech- Investitionen wie eine neue Illbrücke und die Illwuhrung am nungswesen zwischen Nenzing und Beschling informiert linken Illufer bei einer Eingemeindung versprochen wurden. habe, dies nicht der Gemeindeordnung entspreche und Er nannte auch den geplanten Schlachthof und das Indus- daher für Feldkirch und Tosters nicht brauchbar wäre. Dis- triegeleise als Motiv. kutiert wurde danach die Vereinbarkeit der in der letzten Sitzung besprochenen Fragen der Bürgernutzungen mit den Die Ersetzung der nach dem Hochwasser von 1910 erbauten entsprechenden Paragraphen der Gemeindeordnung. Notbrücke über die Ill wurde als dringend eingestuft. Die Verhandlungen mit der Staatsbahn wegen des Industrie-

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Es zeigte sich rasch, dass bei dieser Besprechung die Zu- in seiner Eröffnungsrede, dass von Seiten der Gemeinde kunft der Bürgernutzungen der wichtigste Verhandlungs- in dieser wichtigen Frage immer nur die Aktivbürger infor- punkt war. Es gab zwar Statuten für die Bürgernutzungen, miert wurden, obwohl die Eingemeindung beide Klassen die aber unzeitgemäß waren und neu geplant werden mus- von Bürgern, als Steuerzahler, betreffe. Griss legte den sten. Anerkannte brauchbare Statuten wurden von Feld- Anwesenden Zahlen vor, mit denen er die Wichtigkeit der kircher Seite als Grundvoraussetzung für die Vereinigung Nicht-Aktivbürger für das Gemeindebudget von Tosters be- angesehen. Die Tostner berichteten über die Befürchtungen legte. Seinen Berechnungen zufolge stammten 53 Prozent im Dorf. So argwöhnte die Bevölkerung, dass die Verwal- des Steueraufkommens von ihnen. Der zur Sitzung einge- tung in Feldkirch die ländlichen Verhältnisse in Tosters zu ladene Magistratsrat Unterberger wiederholte in seinem wenig würdigen würden und ein „Städter“ zu wenig Ein- Referat die weiter oben schon genannten Beweggründe der sicht in die Bedürfnisse der Tostner hätte. Es widerstrebe Stadt Feldkirch für einen Zusammenschluss mit Tosters. den Tostnern, sich etwa den Streu- und Torfnutzen oder den Die Frage der Nutzungsrechte der Aktivbürger bezeichnete Weidegang von Feldkirch aus zuteilen zu lassen. Die Feld- er als „Kardinalpunkt“ in den Verhandlungen. Als Ergebnis kircher erwiderten daraufhin, dass durch ein neues Statut der Verhandlungen zwischen den beiden Komitees nannte der Bürgernutzungen alle Befürchtungen zerstreut würden. er die Wahrung der Bürgernutzungen und deren Eigenver- Als Beispiel für ein gutes Verhältnis zwischen Bürgern und waltung durch Tostner. Er garantierte die Beibehaltung des Bauern wurde Bludenz – Braz – Bings genannt. Die Tost- bisherigen Wasserzinses und die Selbstverwaltung des Kir- ner fürchteten auch, dass spätere Gemeindevertretungen chenvermögens und der Stiftungen. von Feldkirch das geschlossene Übereinkommen umstoßen könnten, was Unterberger mit dem Hinweis auf die Rechts- Vorsteher Geiger begründete seine bisherige Informations- lage und die Gemeindeordnung entkräftete. Vorsteher Gei- politik damit, dass er die so bedeutsamen Verhandlungs- ger hatte sich übrigens bei der obersten Behörde von Tirol ergebnisse in Frage der Bürgernutzungen zuerst den davon und Vorarlberg, der k.k. Statthalterei in Innsbruck, über die Betroffenen, also den Aktivbürgern, mitteilen wollte. Er rechtlichen Fragen bei einer Eingemeindung informiert. Er bezeichnete übrigens die Aktivbürger als das „Gros“ der berichtete von großen Belastungen der Gemeindekassa we- Tostner Bürger. Leider hatte eine bei dieser Versammlung gen kommunaler Bauten, was eine Erhöhung der Gemein- durchgeführte Probeabstimmung ein negatives Ergebnis deumlage auf 300 Prozent zur Folge gehabt hätte. Im wei- erbracht, war also gegen eine Vereinigung ausgefallen. Aus teren Verlauf der Verhandlungen wurden von beiden Seiten diesem Misserfolg hatte der Vorsteher geschlossen, dass Fragen zu kommunalen Angelegenheiten gestellt und weitere Verhandlungen in der Vereinigungsfrage zwecklos beantwortet. Nachdem die wichtigsten Angelegenheiten wären. Geiger befragte nun die Nicht-Aktivbürger, ob sie mit besprochen waren, gab Vorsteher Geiger die Einberufung der Einberufung einer allgemeinen Versammlung, also aller einer Bürgerversammlung bekannt, in der den Bürgern die Bürger von Tosters, einverstanden wären, was von den An- Neuigkeiten mitgeteilt werden sollten. Er bat aber die Feld- wesenden bejaht wurde. kircher, nicht daran teilzunehmen. In der nun folgenden Diskussion wurden Fragen zur Finanz- Am 16. Februar 1914 fand dann eine Versammlung der lage und zum Schuldenstand von Feldkirch gestellt. Der Nicht-Aktivbürger von Tosters wegen der Eingemeindungs- Sparkassenbeamte Griss verglich daraufhin die Finanzla- frage statt. Einberufen hatten die Sitzung der k. k.Gerichts- ge von Feldkirch und Tosters, wobei die Gemeinde Tosters Oberoffizial Alois Seebacher, der Sparkassenbeamte Alois zwar keine Schulden hatte, von ihren Bewohnern trotzdem Griss und Baumeister Hans Pümpel. Seebacher betonte 295 Prozent Zuschläge auf die Staatsteuern verlangte, Feld-

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kirch hingegen nur 240 Prozent. Griss stellte weitere Ver- geschlossen werden, dass sich 1914 die Aktivbürger und gleiche und Berechnungen zu den Gemeindefinanzen an, Nichtaktivbürger untereinander und letztendlich Tosters die außer ihm wohl kaum jemand verstand. Angesprochen mit Feldkirch nicht einigen konnten. wurde auch die Schulfrage in Tosters. Seebacher kritisier- te die Raumnot in der Schule und verlangte die Anstellung Im August 1919 kam es zu einem Treffen von Vertretern bei- eines zweiten Lehrers. 32 Kinder aus Tosters besuchten die der Gemeinden wegen der Wuhrung am linken Illufer im Schule in Feldkirch. Das Schulproblem in Tosters blieb dann Bereich unterhalb des Kapfes. Der Gemeinde Tosters war auch nach 1925 bestehen und scheint die Stadtvertretung eine vorschussweise Beitragsleistung von 20.000 Kronen von Groß-Feldkirch nicht beschäftigt zu haben. Erst 1957, für diese Wuhrarbeiten zu hoch bzw. war man der Meinung, also 32 Jahre nach der Vereinigung, erbaute die Stadt Feld- dass Feldkirch diese Unkosten zu bezahlen hätte, da es in kirch in Tosters eine neue Schule. diesem Gebiet ja der Grundbesitzer wäre. Die Feldkircher vertraten natürlich eine andere Meinung. Bei diesem Ge- Hintergrund dieser Uneinigkeit in Tosters selbst war ein spräch regte der Gemeindevorsteher Alfons Walser an, sehr alter Streit zwischen den Aktivbürgern, Nachkommen mit der Stadt wegen einer „eventuellen“ Einverleibung jener 53 Familien, die 1819 vom Staat den ehemaligen Egel- der Parzelle „Breiter Wasen“ einschließlich der Au in Ver- see, der zu einem Ried geworden war, als Weideflächen handlung zu treten. Die Feldkircher Vertreter konnten dazu gekauft hatten und jenen Familien, die zwar in Tosters nichts sagen, wollten die Angelegenheit aber an das „Ein- wohnten und ein Heimatrecht hatten, aber von der Nutzung verleibungskomitee“ weiterleiten und luden die Tostner zu der Gemeindeweide ausgeschlossen waren. Diese Streitig- einem weiteren Treffen ein. Pümpel hatte 1918 also mit sei- keiten begannen 1850 und setzten sich durch das ganze 19. ner Vermutung Recht, dass Tosters bereit wäre, das Gebiet Jahrhundert hindurch fort. Ende des 19. Jahrhunderts setzte zwischen Kapf und Eisenbahnlinie abzugeben. dann besonders in der Parzelle Breiter Wasen ein Zuzug von Beamten und Feldkircher Bürgern ein, die dort Häuser er- Am 20. Oktober 1919 fand dann eine Besprechung wegen richteten und natürlich auch ihre Interessen im Bauerndorf Abtretung des Gebietes vom Breiten Wasen bis zur Eisen- Tosters vertreten wollten68 Die Verhandlungen mit Tosters bahnlinie und der Au tatsächlich statt. Nach dem letzten gestalteten sich durch das Vorhandensein von zwei Grup- Treffen im August hatte das Stadtbauamt eine Skizze dieses pierungen schwierig. Gebietes erstellt und der Gemeinde Tosters zugesandt. Stadtrat Anton Gohm sprach gleich zu Beginn der Sitzung Während des Ersten Weltkrieges ruhten die Verhandlungen auf eine Bereinigung von ganz Tosters mit Feldkirch an und zwischen Feldkirch und Tosters. 1918 regte die Firma Se- vergaß natürlich nicht, sofort die Vorteile für beide Seiten raphin Pümpel an, die in Tosters einen Betrieb führte, die zu erwähnen. Bürgermeister Unterberger erhoffte sich von Notbrücke aus dem Jahre 1910 durch einen Neubau zu er- der Verlegung des Zollbahnhofes von Buchs nach Feldkirch setzen. Im gleichen Schreiben forderte das Unternehmen Vorteile. Oberoffizial Alois Seebacherr, der bereits 1914 eine die Wiederaufnahme der Verhandlungen zur Vereinigung Sitzung einberufen hatte, pflichtete den Ausführungen des von Tosters und Feldkirch an. Pümpel schlug aber vor, von Feldkircher Bürgermeisters zu und betonte, dass er von je- Tosters lediglich das Gebiet bis zur Eisenbahn zu erbeten, her für einen Zusammenschluss der ganzen Gemeinde To- wofür Tosters von der Bezahlung der Brückenbaukosten sters mit Feldkirch eingetreten sei. Vorsteher Walser fand befreit werden sollte. Pümpel gibt übrigens an, dass die eine Einverleibung für zweckmäßig, musste aber zuerst Verhandlungen zur „Einverleibung“ von Tosters, also vor Rücksprache mit der Gemeindevertretung und mit der Be- dem Ersten Weltkrieg gescheitert waren. Es kann daraus völkerung halten. Josef Gopp aus Tosters bezweifelte, von

Seite 240 den Grundbesitzern eine Zustimmung zur Vereinigung mit die sicherlich stattgefundenen Verhandlungen zwischen Feldkirch zu erhalten, da diese befürchteten, ihr Grundbe- Feldkirch und Tosters gemacht werden. sitz werde zu Bauplätzen und sie selbst würden in das Ried hinausgedrängt. Stadtrat Gohm bestritt dies und verwies Das Votum der Tostner fiel mit überwältigender Mehrheit auf die Riedentwässerung, die Tosters alleine nicht durch- für eine Vereinigung aus. Von 313 Stimmberechtigten spra- führen könne, eine „größere Körperschaft“ wie die vereini- chen sich 286 für eine Vereinigung aus, was 91,3 Prozent gten Gemeinden schon. Die Tostner versprachen, die Einge- entspricht.70 meindungsfrage mit der Bevölkerung zu klären.

Am 15. Dezember 1919 kamen die beiden Ausschüsse wie- 4. Verhandlungen mit Tisis der zusammen. Stadtrat Gohm übergab an Vorsteher Walser die Unterlagen des Vereinigungskomitees von Altenstadt 4.1. Die Parzelle Heiligkreuz zum Studium. Weiters wurden die Rechnungsabschlüsse und Vermögensbilanzen der städtischen Eigenbetriebe Die erste erfolgreiche Ausdehnung des Gemeindegebietes übergeben. Die Tostner versprachen daraufhin ihre Bud- von Feldkirch erfolgte 1896 mit dem Ankauf der Tisner Par- getunterlagen Feldkirch zu überlassen. Vorsteher Walser zelle „Heiligkreuz“ durch Feldkirch. Für die Stadtgemeinde sah die Bürgernutzungsrechte als größtes Hindernis bei der Feldkirch waren damals nicht die wenigen alten Häuser Vereinigungsfrage und sagte über das Vertrauensverhältnis dieses Weilers, sondern die unverbauten Wiesen und Wei- zwischen Landbevölkerung und „Städtern“ Folgendes aus: den der Flur Reichenfeld interessant, die ja damals vom Ab- „Die Landbevölkerung setze in die Stadtbewohner wegen hang des Nenzengastwaldes über das heutige Reichenfeld, Ueberredungskunst und Uebervorteilung ein gewisses die heutigen Verwaltungsgebäude des Landesgerichtes, Misstrauen und befürchte, dass durch die Vereinigung die der Finanzlandesdirektion bis zu den Wohnhäusern an der Bürgernutzungsrechte verloren gehen oder gekürzt werden Liechtensteinerstraße reichten. könnten.“ Die Idee eines Anschlusses von Heiligkreuz an Feldkirch Im Akt zur Vereinigung mit Tosters finden sich nach 1919 tauchte erstmals in der Stadtvertretungssitzung vom 29. keine weiteren Unterlagen bis zum Jahre 1925. Am 17. März Dezember 1891 auf, als ein Antrag von Ludwig Wachter we- 1925 besprach die Gemeindevertretung von Tosters die Ver- gen Erbauung einer Brücke beim Wassertor in das gegen- einbarungen zwischen Feldkirch und Altenstadt Punkt für überliegende Reichenfeld diskutiert wurde. Philipp Kraft Punkt und stimmte mit sieben gegen zwei Stimmen zu. Es stellte den Zusatzantrag, mit Tisis Verhandlungen wegen sollte noch eine Sitzung stattfinden, in der einzelne Abän- Abtretung von Heiligkreuz aufzunehmen. Der Antrag wurde derungen für Tosters besprochen werden sollten. Es wurde einstimmig angenommen und ein Komitee für Verhand- auch verlangt, die Vereinbarungen zwischen Feldkirch und lungen bestimmt.71 Tosters separat drucken und diese an die Bewohner von Tosters austeilen zu lassen.69 Man wollte damit die Bevöl- Die Stadtvertretung verhandelte erstmals 1892 mit Tisis. kerung umfassend informieren. Am 2. April 1925 fand die Am 17. Oktober 1892 informierte Philipp Krapf als Komitee- dritte Sitzung der Vereinigungsausschüsse von Feldkirch, sprecher die Stadtvertretung über die Verhandlungen mit Altenstadt und Tosters statt, in der bereits die Modalitäten Tisis wegen Einverleibung von Heiligkreuz. Details werden der Volksabstimmung festgelegt wurden. Leider können we- im Protokoll aber nicht genannt. Man beschloss, mit den gen völligen Fehlens der Quellen keinerlei Aussagen über Grundbesitzern im Reichenfeld zuerst zu verhandeln wegen

Seite 241 Antoniushaus und Lehrerseminar in Tisis um 1907

deren Angeboten über Baugrundstücke. Erst nach Vorlie- nisse der Bewohner von Heiligkreuz zu ermitteln, um damit gen einer für eine Bautätigkeit in Heiligkreuz realistischen die Steuerkraft dieser Parzelle zu errechnen. Diese Ermitt- Offerte sollte der Erwerb dieser Parzelle weiterverfolgt wer- lungen müssen bekannt geworden sein, da eine Broschüre den.72 In der Stadtvertretungssitzung vom 10. März 1893 be- die Einschätzung der Steuerkraft und damit das Komitee richtete der Obmann des Wassertorbrücken-Komitees über anzweifelte. Einer der Verfasser dieses leider nicht erhalten die Möglichkeit eines Erwerbes der Parzelle Heiligkreuz von gebliebenen Druckwerkes war übrigens Dr. Johann Berg- der Gemeinde Tisis.73 Er erinnerte an eine von 300 Feld- meister aus Levis, ein Stadtvertreter der liberalen Partei. kircher Bürgern im Jahre 1891 übergebene Petition, in der Eine zweite Broschüre verfasste Lehrer Wachter. Alle in der Verhandlungen wegen der Erbauung einer neuen Brücke Broschüre genannten Bedenken versuchte Dr. Christian beim Wassertor in das Reichenfeld und die Erbauung einer Wimmer, der ein Befürworter der Einverleibung war, zu zer- Straße durch das Reichenfeld gefordert wurde. Anlass dazu streuen. Die vom Komitee ermittelten laufenden Ausgaben war das Projekt eines Neubaus sowie einer Tieferlegung schätzte er als zu hoch ein, er ging sogar so weit zynisch zu der alten Heiligkreuzer Brücke. Ein von der Stadtvertretung prophezeien, dass die zwei im Tisner Armenhaus lebenden beauftragtes Komitee nahm Verhandlungen mit Tisis wegen Bewohner von Heiligkreuz nicht mehr allzu lange die Ar- des Kaufes der Parzelle Heiligkreuz auf. Am 10. März 1893 menversorgung genießen werden. Am Schluss seiner Rede konnte über die Verhandlungen mit den Grundbesitzern, meinte Dr. Wimmer, dass Heiligkreuz für die Entwicklung darunter der Feldkircher Schäflewirt Anton Weinzierl, die von Feldkirch von großer Bedeutung sein werde, da dort ge- Erben von Carl Ganahl, ein Martin Wagner und eine Fran- nügend Baugründe zu vernünftigen Preisen vorhanden wä- cisca Stutz berichtet werden. Auffallend, dass zwei bekann- ren. Eine andere Ausweitung des Stadtgebietes erachtete er te Feldkircher Familien, Weinzierl und Ganahl, unter den „ aller Wahrscheinlichkeit nach für immer ausgeschlossen“. Grundbesitzern waren. Details zu den Verkaufsangeboten sind leider nicht dokumentiert. In der anschließenden offenen Diskussion sprach sich der Liberale Dr. Bergmeister gegen den Kauf von Heiligkreuz Mit Tisis konnten die Verkaufsgespräche erfolgreich abge- aus. Er bemängelte, dass die Bewohner von Heiligkreuz ja schlossen werden. Die Tisner Gemeindevertretung hatte am gar nicht Bürger von Feldkirch werden wollen, einige sogar 16. August 1892 unter gewissen Bedingungen zugestimmt. einen Rekurs an den Landesausschuss gerichtet hätten. Die Die Bevölkerung von Heiligkreuz sollte das Feldkircher Bür- Entscheidung des Landesausschusses sollte erst abgewar- gerrecht erhalten, eine jährliche Rente von 1400 Gulden als tet werden. Er hegte auch noch Hoffnungen für einen An- Ablösesumme war an die Tisner Gemeindekasse zu zahlen, schluss von Levis. Er begründete dies mit Gerüchten über alle durch die Eingemeindung entstehenden Unkosten eine in Altenstadt herrschende gute Stimmung für eine waren durch den Käufer zu bezahlen. Das Komitee hatte Abtretung von Levis. Dr. Wimmer sprach sich nochmals alle möglichen Kosten, vom Brückenbau beim Wassertor, für den Anschluss von Heiligkreuz aus. Für ihn war damals Grundablösekosten und Straßenbaukosten ermittelt. Ge- „der günstige Moment, wo Heiligkreuz noch um einen an- nauso wurden dauernde Auslagen wie die jährliche Rente gemeßenen Preis zu erhalten sei“. Stadtvertreter Johann an Tisis, Armenversorgung, Wasserzufuhr, Beleuchtung, Drexel sprach sich für die Eingemeindung aus, erachtete Bürgerholz, Straßenerhaltungskosten, ja sogar der Zin- Heiligkreuz als ideales Gebiet für zukünftige Bautätigkeit. sendienst, errechnet und mit den zu erwartenden Steuer- Auch Stadtvertreter Eduard Vallaster äußerte sich in diesem einnahmen verglichen. Man war sogar so weit gegangen, Sinne. über das Verfachbuch, den Vorgänger des Grundbuches, und andere öffentliche Dokumente die Vermögensverhält-

Seite 242 Eingemeindung von "Heiligkreuz", Stadterweiterung über die Ill

Bürgermeister Arnold Ganahl, der in der Broschüre Wach- Drei Jahre später wurde dieses Thema wiederum aufgegrif- ters angegriffen worden war, sah sich dann zu einer Stel- fen und in der Stadtvertretung besprochen. Die Redner, Be- lungnahme veranlasst. Er nahm für sich in Anspruch, der fürworter und Gegner, sind dieselben wie 1893, auch ihre „geistige Vater“ dieses Anschlussgedankens von Heilig- Argumente ähnlich. kreuz gewesen zu sein. Die Idee dazu kam ihm bei der letz- ten Volkszählung, die nur ein ganz geringes Bevölkerungs- Recht interessant sind die in der Stadtvertretung vom 18. wachstum auswies. Nur durch eine Gebietserweiterung war April 1896 geführten Diskussionen zu diesem Thema, da es auch eine Zunahme der Bevölkerung möglich, und da Bür- Befürworter und Gegner eines Anschlusses von Heiligkreuz germeister Ganahl einen Anschluss von Levis als unerreich- gab. So hatte Dr. Bergmeister Bedenken wegen der Heimat- bar ansah, konnte nach seiner Meinung nur ein Ankauf von rechtserteilung an die in Heiligkreuz lebenden Arbeiter. Der Heiligkreuz die gewünschte Gebietserweiterung bringen. Er Bürgermeister machte sich wegen eines Dutzends Arbeiter meinte, dass der Gebietszuwachs von 88 Joch und eine Zu- keine Sorgen und verwies auf die 1896 geplante Vereinigung nahme der Bevölkerung um 474 Personen die jährlich auf- von Bregenz und Rieden, wo sehr viele Arbeiter wohnten.75 zubringenden Gelder wert wären. Ganahl kritisierte darauf- Diese Bedenken hängen mit dem durch das Heimatrecht hin die zweite Broschüre und nahm das Anschluss-Komitee verbundenen Anspruch auf Armen- und Krankenversor- der Stadtvertretung in Schutz, ja lobte dessen „skrupulöse“ gung zusammen. Eine Zunahme der Heimatberechtigten Genauigkeit bei der Erhebung der Fakten und Zahlen. Ga- konnte natürlich auch eine Erhöhung der von der Stadt zu nahl entkräftete dann alle in der Broschüre genannten Be- tragenden Sozialkosten bedeuten. Josef Peter Leone mein- hauptungen bzw. Vorwürfe wie Steuererhöhungen. te, dass nur sehr wenig Grund gewonnen werden könnte, da das Reichenfeld großteils im Besitz der Jesuiten war. Dr. Stadtvertreter Ludwig Wachter sah keinerlei Chancen auf Wimmer bestritt dies und verwies auf die sehr guten und Einverleibung von Levis, da bisher alle Verhandlungen sonnigen Baugründe im Reichenfeld. Dr. Gebhard Beck an den „exorbitanten Forderungen“ der Altenstädter ge- meinte, dass der allgemeine Zug nach Levis gehe und man scheitert seien. Eine Erweiterung des Gemeindegebietes sich auf den Erwerb von Levis konzentrieren soll. Dr. Wim- war aber seiner Meinung nach unumgänglich. Der alte mer erwiderte darauf, dass die „Annexion“ von Heiligkreuz Stadtarzt Dr. Gebhard Beck glaubte nicht an einen großen ja die Vereinigung mit Levis nicht ausschließe und stellte Aufschwung durch den Erwerb von Heiligkreuz.74 Er meinte darauf den Antrag an den Stadtmagistrat, die Erweiterung dazu: „ Heiligkreuz sei seit Menschengedenken gleich ge- des Gemeindegebietes um Levis nicht außer Acht zu lassen. blieben, in den letzten 60 – 70 Jahren seien dort nur ganz Bürgermeister Ganahl konnte daraufhin mitteilen, dass er wenig neue Häuser gebaut worden, trotzdem der Verkehr gemäß des Stadtvertretungsbeschlusses vom 20. Dezem- in früheren Jahren nach Liechtenstein und der Schweiz viel ber 1895 eine energische Beschwerde wegen der in Levis bedeutender war als jetzt.“ Er konstatierte, dass die Bau- herrschenden Missstände an den Landesausschuss ge- tätigkeit dem Verkehr nachgehe und daher neue Bauten in schickt habe. Die Abstimmung über den Ankauf der Parzel- Levis, in der Nähe des Bahnhofs, entstehen. le Heiligkreuz wurde mit 18 zu 5 Stimmen angenommen. 76

Bei der Abstimmung sprachen sich 13 gegen und 10 für eine Die Gemeindevertretung von Tisis unter Vorsteher Andre Einverleibung von Heiligkreuz aus. Gut besprach am 8. Mai 1896 den Vereinbarungstext mit Feldkirch. Vorsteher Gut berichtete von Gesprächen, die er erst vor wenigen Tagen mit dem Feldkircher Bürgermeister

Seite 243 Arnold Ganahl geführt hatte und verwies auf die „lange ge- den Zeitungsartikeln zum Thema Vereinigung wird erstmals pflogenen und erwogenen Verhandlungen“ im Jahre 1892 in am 25. März 1925 die „Einverleibung“ von Tisis angeregt. dieser Abtretungsfrage. Am 11. April desselben Jahres berichtet der Feldkircher An- zeiger von einer Einladung an Tisis, sich zu einem Zusam- Die Tisner Gemeindevertretung stimmte dann einstimmig menschluss zu äußern. Die Gemeindevertretung von Tisis dem Verkauf von Heiligkreuz zu. besprach am 15. April 1925 die Zuschrift der Stadtgemeinde Feldkirch wegen der Vereinigung. Es wurde ein Verhand- Die Stadt ließ dann am 10. Juni 1896 folgenden Beschluss lungskomitee bestimmt, das aus dem Gemeindevorsteher über den Kauf von Heiligkreuz kundmachen:77 Anton Fritsch, Emil Gsteu, Josef Mähr, Franz Loacker und Josef Selb bestand. 80Am 28. April gaben die Tisner be- 1. Aufnahme der in Heiligkreuz Heimatberechtigten in den kannt, mit Feldkirch in Verhandlungen treten zu wollen. Bürgerverband von Feldkirch. 2. Für die Abtretung ist an die Gemeinde Tisis eine jähr- Am 5. Mai 1925 kam es dann zu einem ersten Treffen der liche Rente von 1400 Gulden zu bezahlen, fällig in jenem beiden Vereinigungsausschüsse im Feldkircher Rathaus. Jahr in dem Feldkirch erstmals die Gemeindesteuern in Für Feldkirch verhandelten Bürgermeister Anton Gohm, Heiligkreuz einhebt. Es besteht das Recht, die Rente als der Rechtsanwalt Dr. Augustin Tarter, Stadtrat Steck, Paul Kapital abzulösen. Büchel und Karl Frank. Als Verhandlungsbasis diente der Feldkirch übernahm auch alle entstehenden Unkosten für den Tisnern zugesandte Vereinigungsvertrag mit Tosters die politische und pfarrliche Einverleibung. und Altenstadt. Die Tisner nahmen zu den einzelnen Punk- ten des Vertrages Stellung und legten ihre Wünsche vor. So Die Statthalterei für Tirol und Vorarlberg gab am 28. Juli und forderten sie eine Übertragung der für einen Kirchenbau der Landesausschuss am 8. August 1896 die Zustimmung erworbenen Grundstücke und die dem Armenfonds gehö- zur Einverleibung von Heiligkreuz durch Feldkirch. renden Liegenschaften in den Besitz der Kultusgemeinde Tisis. Die Feldkircher stimmten dem zu und versprachen Die kirchliche Einverleibung der bisher zur Pfarre Tisis ge- wegen rechtlicher Probleme bei anderen Besitzübergaben hörenden Parzelle Heiligkreuz zur Pfarre St. Nikolaus Feld- die Landesregierung zu kontaktieren. Die Tisner äußerten kirch erfolgte 1897, die Übergabe des Kirchenvermögens dann konkrete Wünsche bezüglich Straßenbau, Verkehr samt Abrechnungen erst 1902.78 und anderen kommunalem Angelegenheiten. Diese kon- kreten Maßnahmen wurden dann auch in den Vertrag Dieser Verkauf eines ganzen Ortsteiles soll den Tisnern aufgenommen. Der Tisner Gemeindeausschuss verlangte, angeblich den Übernamen „Seelenverkäufer“ eingetragen durch die Illwuhrungen nicht belastet zu werden, was Feld- haben.79 kirch aber vehement ablehnte.

Am 14. Mai 1925 gab es im Gasthaus Letzebühel in Tisis ein 4.2. Vereinigung mit der Gemeinde Tisis zweites Treffen der Vereinigungsausschüsse. Es wurde die Frage des Vermögens der Bürgergemeinde beraten und die Während mit Gemeindevertretern aus Altenstadt, Levis und Gründung eines Verwaltungsausschusses für die Waldnut- Tosters jahrelange Gespräche in der Vereinigungsfrage ge- zungen beschlossen. Als Rechtsgrundlage sollten die be- führt wurden, gab es scheinbar keine Kontakte mit Tisis. In stehenden Statuten und die 1911 von der Gemeindevertre- tung beschlossenen Regelungen gelten. Die Beibehaltung

Seite 244 Tisis mit der alten Pfarrkirche St. Michael

der Schule und die Belieferung mit Schulmitteln durch die 5. Chronologie des Jahres 1925 Stadtgemeinde wurden garantiert. Die Erhaltungspflicht der historischen Kirche St. Michael durch die Stadt Feld- Seit dem Frühjahr 1925 waren sich die Verhandlungspart- kirch wurde von den Tisnern gefordert und in den Vertrag ner über einen Zusammenschluss einig und begannen mit aufgenommen. einer Informationskampagne.

In der Gemeindevertretungssitzung vom 18. Mai 1925 Am 25. Februar sprach der Lindauer Oberbürgermeister wurden die vorgelegten Vereinbarungen über den Zusam- Ludwig Siebert im Feldkircher Ratssaal über die Vereini- menschluss von Feldkirch und Tisis mit einer Ergänzung gung Lindaus mit Aeschach, Reutin und Hoyern im Jahre einstimmig angenommen. Es wurde auch festgelegt, dass 1922.83 Die Zuhörerschaft setzte sich aus Mitgliedern der im Falle einer Vereinigung die jährlich von der Stadt Feld- Feldkircher Stadtvertretung sowie der Altenstädter Gemein- kirch zu bezahlende Ablösesumme für Heiligkreuz der neu devertretung zusammen. Nach einem historischen Rück- zu errichtenden Kultusgemeinde Tisis zufallen solle. Die blick brachte er als Argument für die Vereinigung die völlig Feldkircher Stadtvertretung stimmte am 23. Mai 1925 der andere Geltung, die eine Gemeinde mit 15.000 Einwohnern Vereinigung mit Tisis zu, legte den Termin der Volksabstim- erlangen könne. Weiters verwies er auf die wirtschaftlichen mung fest und informierte die Landesregierung. Die noch Vorteile und vor allem auf die Linderung der Wohnungsnot, amtierende Gemeindevertretung von Tosters stimmte in der die durch die Vereinigung gelang. Vermutlich bewusst auf Sitzung vom 22. Mai der Vereinigung mit Tisis zu.81 die Feldkircher Verhältnisse und Ängste abgestimmt war sein Bericht über die Zusammensetzung des Lindauer Am 1. Juni 1925, einem Pfingstmontag, fand dann eine Stadtrates. Von den 30 Mitgliedern stammten 13 aus Alt- Volksabstimmung über den Anschluss von Tisis statt. Um Lindau und 17 aus dem „Anschlussgebiet“. 16 Uhr gaben Böllerschüsse von der Schattenburg den er- freulichen Ausgang der Abstimmung bekannt. Die Harmo- Dem Feldkircher Anzeiger kam in dieser Zeit eine wichtige niemusik Feldkirch zog mit klingendem Spiel nach Tisis und Rolle als Informationsträger zu. Dort wurden Artikel für und die Musikkapelle Tisis marschierte nach Feldkirch-Stadt. In gegen die Vereinigung abgedruckt. Feldkirch stimmten 2.360 Personen mit Ja, vier mit Nein. In Tisis stimmten von 381 Stimmberechtigten 355 Personen Am 25. März veröffentlichte dieses Lokalblatt eine kritische mit Ja, 25 mit Nein. In Tosters erschienen von 380 Stimm- Lesermeinung über die Vereinigungsfrage. Der Unbekannte berechtigten lediglich 108 zur Abstimmung, 100 votierten behauptete, dass in der städtischen Bevölkerung eine ge- mit Ja, sieben mit Nein und eine Stimme war ungültig. Die teilte Meinung über einen Zusammenschluss aller Gemein- nicht zur Wahl erschienen 272 Personen wurden, wie ver- den herrsche. Gegen einen Anschluss von Levis und „allen- einbart und veröffentlicht, zur Mehrheit gezählt, was dann falls“ Altenstadt war scheinbar nichts einzuwenden, von zum Wahlergebnis von 300 Ja – Stimmen und sieben Nein einer Vereinigung mit Nofels und Gisingen waren angeblich – Stimmen führte. In Altenstadt war das Interesse der Be- nicht alle Feldkircher begeistert. Als Ursache für diese Skep- völkerung an der Volksabstimmung kaum vorhanden. Von sis nennt er die gegensätzlichen Interessen zwischen der 3206 Wahlberechtigten erschienen lediglich 258 zur Wahl, städtischen und bäuerlichen Bevölkerung, die sich nicht davon stimmten 246 mit ja und 12 mit nein. Die 2948 nicht vereinen lassen. Der Autor fürchtet, dass dieser Gegensatz zur Abstimmung erschienen Personen wurden zur Mehrheit in einer zukünftigen Stadtvertretung für Feldkirch schwere hinzugezählt, 3194 Ja - Stimmen. Es sprachen sich 2719 Per- Folgen zeigen würde, da die Vertreter der Bauerndörfer dort sonen für und 12 gegen eine Vereinigung mit Tisis aus.82 die Mehrheit hätten.

Seite 245 Anton Gohm

Erheiternd ist die Einstufung eines Anschlusses von Gi- und Levnern standen 4.400 „ländliche Einwohner“ gegen- singen und Nofels als unnatürlich da „ein förmlicher Berg über. Die Interessen und das Vorgehen der Levner werden trennt diese Orte von Feldkirch“. Ähnliche Argumente waren als völlig identisch mit Feldkirch eingestuft. Als einheitlich bekanntlich auch gegen den Bau eines Tunnels durch den bezeichnet der Autor auch die Interessenslage der Landge- Arlberg zu hören. meinde ein, was sowohl den Kampf gegen die Naturgewalt der Ill, wie auch wirtschaftliche und verkehrstechnische Angeblich gab es auch in Gisingen Gegner eines An- Angelegenheiten betrifft. Auch Schlagworte wie Heimatlie- schlusses, während der Artikelschreiber in Tosters eine Be- be und Heimatstolz fallen. Als Beispiel für das gelungene, wegung für die Vereinigung ausgemacht hatte. Als Lösung einmütige Nebeneinander von Landwirten und Bürgern dieses Interessenkonfliktes schlug er die Bildung einer wird Dornbirn genannt. Als ein Hauptargument für einen eigenen Gemeinde, bestehend aus Nofels, Gisingen und Zusammenschluss mit Altenstadt wird die Erreichung einer Tosters vor. Einwohnerzahl von 10.000 genannt, da dadurch die finan- ziellen Zuwendungen des Bundes eine derartige Höhe er- Gegen diesen einseitigen Artikel erschienen am 28. März reichen, dass man damit den höheren Gemeindeaufwand 1925 zwei Gegenäußerungen, wiederum anonym. Der eine decken könnte. Artikel erinnerte an die Hochwasserkatastrophen der Jah- re 1910, 1912, 1918 und 1922 und die uneinige Haltung der Der Beitrag endet mit einem Zitat des Lindauer Oberbür- betroffenen Gemeinden Altenstadt und Tosters, die ein- germeisters Ludwig Siebert: „Nur die Einigkeit, nur das Zu- zeln und mit Verzögerung um Hilfe und Gegenmaßnahmen sammenhalten, nur das Streben zum Ganzen kann uns aus baten. Interessant ist die Bemerkung, dass Vertreter der der heutigen schweren Zeit retten.“ Wenn auch dieser Text Stadt Feldkirch, obwohl nicht dazu verpflichtet, sich darum anonym verfasst ist, lassen der Inhalt und die Wortwahl auf bemühten, ihre einflussreichen Freunde in den Ministerien einen Autor aus dem Bereich der politisch Verantwortlichen einzuschalten, um eine gemeinsame Lösung zu finden, in Feldkirch schließen. das heißt den Illdamm zu errichten. Dieses Beispiel nann- te der Autor bewusst, um zu zeigen, dass nur durch den Der zweite Autor verweist auf die Notwendigkeit einer Ver- Zusammenschluss der beteiligten Dörfer zu einer großen bindung mit Tosters, da nur dort in unmittelbarer Stadtnähe einheitlichen Gemeinde derartige Probleme zu lösen wä- genügend Fläche für einen geplanten Grenz- und Zollbahn- ren. Konkret umschrieb er dies mit dem Begriff „Stoßkraft“, hof vorhanden wäre.84 was sich zu einem Lieblingswort der Vereinigungsbefürwor- ter entwickeln sollte. In den Zeitungsartikeln und auch in Weitere Artikel zu diesem Thema, als „Meldungen“ be- den Informationsschriften bzw. Informationszetteln wurde zeichnet, erschienen am 1. und 4. April 1925 im Lokalblatt. die „Stoßkraft“ einer größeren, bevölkerungsreichen Ge- meinde als erstes Argument angeführt. Dieser militärische Mit Informationsabenden wurde anfangs April begonnen. Ausdruck hatte sich in den Köpfen der ehemaligen Soldaten Im Levner Gasthaus „Krönele“ sprachen am 3. April 1925 des Ersten Weltkrieges derart eingeprägt, dass er 1925 sich die Gemeinderäte Scheidbach und Bürkle über die Verei- in den Argumentationen wiederfand. nigungsfrage. Der „Vorkämpfer“ Bürkle sprach zuerst über die jahrzehntelangen Bemühungen um den Zusammen- Gegen das Gespenst einer Übermacht der Altenstädter, schluss wie auch über die durch diese Verzögerung entstan- Gisinger und Nofler in der zukünftigen Gemeindevertretung denen Nachteile für Feldkirch. Scheidbach referierte über wurden Zahlen gegeneinander gestellt. 6.600 Feldkirchern rechtliche Fragen und erläuterte die Verträge zwischen den Gemeinden.85

Seite 246 Stefan Allgäuer

Am 14. April veranstaltete der Christlichsoziale Volksverein Siebert, der über seine Erfahrungen mit der Eingemeindung in Altenstadt eine Versammlung zur Abstimmungsfrage. Es von Aeschach, Hoyern und Reutin sprach. soll durchaus bei der Diskussion Meinungsverschieden- heiten gegeben haben, doch wurde eine positive Grund- Am 21. April referierte der Feldkircher Rechtsanwalt Dr. Au- stimmung festgestellt. Der Wahlspruch soll gelautet haben: gust Tarter über den Inhalt der Vereinigungsverträge, die er „Am 26. April stimmen wir mit Ja.“86 ja selbst ausgearbeitet hatte. Wiederum trat Oberbürger- meister Siebert als Redner auf. Am 19. April gab es im Gisinger Gasthaus „Engel“ eine Ver- sammlung, in der Gemeindevorsteher Johann Kühne über In Tosters gab es zwei Veranstaltungen, eine für die Ge- die Vereinigungsfrage informierte. Nach einem historischen meindebürger, in der der Gemeindevorsteher Geiger sprach Rückblick sprach Kühne über die gemeinsamen Vorteile und eine zweite für die „Heimatberechtigten“, bei der der für beide Gemeinden und die besonderen Vorteile für Al- Rechnungsdirektor Theodor Hoinkes über den Vereini- tenstadt. Besonders ausführlich sprach er über den wohl gungsvertrag referierte. Die Spaltung der Gemeinde Tosters wichtigsten Punkt des Vereinigungsvertrages, die Regelung in zweierlei Klassen von Bürgern war auch bei dieser Veran- und Erhaltung der Bürgernutzungen. Für die damals fast staltung offensichtlich. rein agrarisch eingestellte Bevölkerung war die garantierte Beibehaltung der Bürgernutzungen unter einer autonomen In Nofels fand am 22. April eine Informationsveranstal- Verwaltung ein wichtiges Anliegen. Der aus Gisingen stam- tung statt, die von Ferdinand Lins geleitet wurde. Als Red- mende, aber in Rankweil tätige Dr. Franz Schöch trat als ner traten der Gemeindevorsteher von Altenstadt, Johann vehementer Gegner der Vereinigung auf, der für die Beibe- Kühne, weiters aus Feldkirch Bürgermeister Anton Gohm haltung der Selbständigkeit von Altenstadt eintrat. Schöch und Stadtrat Hermann Steck. Weitere Redner waren Basil musste sich dann vom sozialdemokratischen Landtagsab- Büchel und A. Stieger aus Nofels auf. Hauptargumente der geordneten Rauscher den Vorwurf gefallen lassen, durch Redner waren die wirtschaftlichen und kulturellen Vorteile seine Gegnerschaft die Mitbürger sowie deren Kinder zu für jeden Einzelnen, die ein Zusammenschluss der Gemein- schädigen. Die in Gisingen anwesenden Vertreter Feld- den bieten würde. Die letzte „Volksversammlung“ fand am kirchs, Bürgermeister Gohm und Stadtrat Gruber, wiesen 25. April im Gasthaus „Rose“ in Levis statt. nach, dass Feldkirch durch die Schaffung von wirtschaft- lichen Unternehmen wesentlich mehr für die Gemeinde zu Alle diese Versammlungen fanden in der letzten Woche vor leisten vermochte als die Nachbargemeinde Altenstadt. Sie der Abstimmung statt, viel Zeit zum Nachdenken blieb den verglichen auch die Zuschläge auf die Steuern, die in Feld- abstimmungsberechtigten Bürgern also nicht. kirch lediglich 1,3-fach waren, während Altenstadt einen Zuschlag von 3,6 hatte. Einen Tag vor der Abstimmung, am 25. April, wurde auf der Titelseite des Feldkircher Anzeigers ein Aufruf mit großen, In Nofels fand am 22. April im Gasthaus „Bad Nofels“ eine fettgedruckten Lettern veröffentlicht, in dem jeder Wahlbe- öffentliche Informationsversammlung statt.87 rechtigte zur Stimmabgabe aufgefordert wurde. Der Text sei hier wiedergegeben: Am 23. April gab es im Gasthaus „Kreuz“ in Altenstadt eine Versammlung, bei der der christlichsoziale Landtagsabge- Feldkirch steht vor einem Wendepunkte! ordnete Stefan Allgäuer über die Vereinigungsfrage sprach. Morgen Sonntag findet die Abstimmung über die Vereini- Festredner war der Lindauer Oberbürgermeister Ludwig gung Feldkirchs mit Altenstadt und Tosters statt. Wohl kein

Seite 247 Bewohner wird die Bedeutung und Tragweite dieser Frage den Feldkirch und Altenstadt und eine Gegenüberstellung unterschätzen. Es ist daher anzunehmen, daß jede wahl- der Vor- und Nachteile der Vereinigung. Im statistischen Teil berechtigte Person zur Abstimmung erscheint, wenn auch wurden zuerst die Einwohnerzahlen, 4898 in Feldkirch und kein Zwang besteht, damit der Volkswille klar zum Ausdruck 5724 in Altenstadt vorgestellt. Interessant auch die Anzahl kommt. Die Frage erscheint doch wichtig genug, daß man der an Gemeindebesitzungen nutzungsberechtigten Bür- diesen klaren Gang sich leistet. Die Aufklärung, die durch ger: in Feldkirch lediglich 275 Personen, also ca. 6 Prozent Versammlungen und insbesondere durch die Presse gege- und in Altenstadt 596 Personen, also an die 10 Prozent. ben wurden, haben wohl jedem Wahlberechtigten soviel Feldkirch hatte eine Fläche von 130 Hektar, während Alten- Klarheit gebracht, daß er heute leicht entscheiden kann, wie stadt 2460 Hektar Fläche hatte. Lediglich der Waldbesitz er sich zu dieser hochwichtigen, bedeutungsvollen Frage, der beiden Gemeinden war flächenmäßig fast ident, Feld- die unzweifelhaft eine Lebensfrage für die Stadt Feldkirch kirch mit 1.118 Hektar und Altenstadt mit 1087 Hektar. Bei bedeutet, zu stellen hat; jedenfalls soll er zur Abstimmung den Finanzzahlen wurden übrigens zweierlei Währungen schreiten. Das ist moralische Pflicht!“ verwendet, neben der Goldkrone schon der am 1. Jänner 1925 eingeführte Schilling für die Budgetzahlen.89 Der In derselben Ausgabe schaltete auch der „Deutsche Volks- Wert des Grundbesitzes der beiden Gemeinden war eben- verein“, die Großdeutschen, ein Inserat, wiederum mit falls sehr ähnlich: Feldkirchs Besitz wurde mit 1.300.000 fettgedruckten Lettern. Auch dieses Inserat verdient wegen Goldkronen und Altenstadt mit 1.700.000 Goldkronen ge- seiner Sprache und der Ziele in seinem vollen Wortlaut zi- schätzt. Die Vermögensbilanz der Stadt Feldkirch war durch tiert zu werden: den Wert der städtischen Unternehmen in Höhe von 3,4 Millionen Kronen und den Wert des Hausbesitzes dreifach „Liebwerte, deutsche Volksgefährten! so hoch wie die von Altenstadt. Auch beim Vergleich des Morgen fällt die Entscheidung darüber:ob Feldkirch wieder Budgets 1923 schnitt Feldkirch besser ab als Altenstadt. eingereiht werden soll in die geschichtliche Stellung, die Während Feldkirch einen Überschuss von 90.000 Schilling ihm in unserem Heimatlande gebührt und nicht von den erwirtschaftete, hatte Altenstadt ein Defizit. Auch bei den Nachbarstädten überflügelt und zurückgedrängt werden Gemeindezuschlägen schnitt Feldkirch besser ab als Al- soll; ob Feldkirch wirtschaftlich und geistig blühen und sich tenstadt. Während die Feldkircher einen Zuschlag von 1,3 entfalten und nicht verdorren soll; auf die zu zahlenden Staatssteuern hatten, waren es in ob sich die Zukunft unseres Handels- und Gewerbestandes, Altenstadt sogar 3,6. Als Vorteile der Vereinigung wurden unserer Geistes- und Handarbeiter in wirtschaftlicher und die Erhöhung der Stoßkraft im Allgemeinen, besonders kultureller Hinsicht aufwärts bewegen soll. Wer das will, die ununterbrochene Fortführung der Illregulierung, die stimme für die Vergrößerung Feldkirchs, stimme mit ja! Erhaltung des Bundesgymnasiums, der Bundesämter, der Morgen ist ein geschichtliche Tag; bleibe daher keiner da- Wirtschaftskammern, der Ausbau des Verkehrswesens, die heim; damit unsere Kinder und Kindeskinder einst sagen Verlegung des Zollbahnhofes von Buchs nach Feldkirch, die können: ´Mein Vater und meine Mutter waren auch dabei´. Teerung der Reichsstraße und die Errichtung eines Bezirks- Feldkirch, den 25. April 1925. Deutscher Volksverein“ spitals genannt. Auch die Erhöhung des Bundesbeitrages, vergleichbar mit dem heutigen Finanzausgleich, wurde Zusätzlich zu diesen Versammlungen wurde ein Flugblatt erhofft. Waren es im Jahre 1924 noch 723.800.000 Kronen mit dem Titel „Einige Grundlagen und Leitsätze für die Ver- für beide Gemeinden zusammen, sollten diese auf eine einigung“ verteilt.88 Inhalt waren eine Zusammenfassung Milliarde Kronen (Inflationskronen) ansteigen. Den Alten- sowie ein Überblick über die Finanzgebarung der Gemein- städtern wurde eine Verringerung der Gemeindezuschlä-

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ge versprochen. Den Mitgliedern der Kirchengemeinde Das Vorurteil, dass Städter und Bauern nicht zusammen- Gisingen wurde eine Ermäßigung der Kirchenzuschläge in passen würden und die Furcht vor einer Übervorteilung Aussicht gestellt. Zu dieser Zeit wurde ja die Finanzierung wurde mit dem Hinweis auf das gute Zusammenleben des Kirchenaufwandes über Zuschläge zu den Staatsteu- dieser beiden sozialen Gruppen in Dornbirn entkräftet. ern finanziert, die Kirchensteuer erst 1938 eingeführt. Die Man verwies auch auf die gegenseitige Abhängigkeit von wichtigste Aussage des Flugblattes war die grundbücher- Gewerbetreibenden und Landwirten. Patriotisch ist auch liche Sicherstellung des durch Bürgernutzungsrechte be- der folgende Satz am Textende: „Alemannen sind es hier lasteten Gemeindegutes und deren Verwaltung durch ein und dort: Treue und Anhänglichkeit zur gemeinsamen Hei- aus sieben Personen des Ortes bestehendes Gremium. Die matgemeinde und der gemeinsame Heimatstolz wird beide Erträge aus den kommunalen Unternehmen wie dem Forst, Gruppen nur enger verbinden.“ Diese Berufung auf Heimat dem Steinbruch sollte gesteigert werden und auf Wunsch und Heimatstolz ist wohl ein zeittypisches Phänomen der der betreffenden Ortsteile wurde eine bessere Versorgung 1920-er Jahre, als die Heimatschutzbewegung florierte und mit Trinkwasser und Kraftstrom versprochen. Angesprochen es auch eine Zeitschrift mit dem Titel „Heimat“ gab.93 Be- fühlten sich hier wohl die Nofler und Gisinger, die Probleme endet wurde das Flugblatt mit dem oben schon zitierten in der Wasserversorgung hatten und Ortsteile wie Hub, die Aufruf von Oberbürgermeister Siebert zu Einigkeit und Zu- noch keinen Stromanschluss hatten. Tatsächlich wurden Gi- sammenhalt in schwerer Zeit. singen und Nofels nach der Vereinigung an das städtische Wassernetz angeschlossen.90 Auch eine fachliche Schulung Bei der auf den 26. April festgelegten Volksabstimmung der Gewerbetreibenden und Landwirte wurde versprochen. war jeder österreichische Bundesbürger stimmberechtigt, Durch die erhoffte Ansiedelung von Gewerbebetrieben er- der am Stichtag 4. April in Feldkirch beheimatet und wahl- hoffte man sich neue Verdienstmöglichkeiten, in Zeiten berechtigt war. Es wurden Abstimmungsausweise ausge- wirtschaftlicher Not ein verständlicher Wunsch. Von der Ver- geben, auf denen die vier Wahlsprengel und Wahllokale einigung wurde eine Belebung der Bauwirtschaft erhofft, da Feldkirchs aufgedruckt waren. Die Abstimmung selbst war es neue Baugründe in den noch unverbauten Flächen von geheim, auf dem Stimmzettel fanden sich die Vordrucke Tosters und Gisingen gab.91 „Ja“ und „Nein“, die angekreuzt werden mussten. In Al- tenstadt wurden graue und in Tosters gelbe Stimmzettel Neben der Illregulierung wurde auch die Rheintalentwässe- im Wahllokal an die Wähler ausgeteilt. Für unser heutiges rung versprochen, was man dann in Nofels – Bangs auch Verständnis ungewöhnlich ist die Zuzählung der nicht zur umsetzte bzw. fortsetzte.92 Wahl erschienen Personen zur Mehrheit der abgegebenen Stimmen. Die Wahllokale waren von 10 Uhr vormittags bis Nur wenige Nachteile kamen den Autoren des Flugblattes 13 Uhr 45 geöffnet.94 in den Sinn. In Altenstadt wurde eine Einschränkung der „Bequemlichkeit des Verkehres mit dem Gemeindeamt“ Über das Ergebnis der Volksabstimmung berichtete der befürchtet, was man durch die Errichtung von Gemeinde- Feldkircher Anzeiger am 29.April 1925 mit einer besonders amtsstellen in Altenstadt, Gisingen und Nofels ausgleichen aufwändig gestalteten Titelseite, von einem roten Balken, wollte. Tatsächlich findet sich diese Zusage dann in den Ver- bestehend aus floralen Elementen, umrandet, geschmückt einigungsverträgen. mit dem Feldkircher Stadtwappen und dem Montforter Banner. Die Überschrift lautete „Groß-Feldkirch“. In pathe- Die Aufgabe der Selbständigkeit wurde durch eine gemein- tischen Worten wurde über die starke Beteiligung an der same Selbständigkeit von Altenstadt und Feldkirch ersetzt. Volksabstimmung berichtet und dieser Tag als Wendepunkt

Seite 249 in der Stadtgeschichte eingestuft. Beendet wurde dieser Am 13. Juni 1925 fand dann im Sitzungssaal des alten Pfarr- feierliche Text mit den Worten: „Heil einer glücklichen Zu- hofes die letzte Sitzung der Gemeindevertretung der selb- kunft!“ Die Abstimmung war ruhig und reibungslos verlau- ständigen Gemeinde Altenstadt statt. Gemeindevorsteher fen, obwohl am Vortag in Altenstadt von Gegnern der Ver- Johann Kühne sprach allen Gemeinderäten und Gemein- einigung Flugblätter verteilt worden waren. Die Bürgerliche devertretern den Dank für die zielbewusste Mitarbeit aus Partei, der Landbund und die Sozialdemokratie verfassten und gedachte jener Männer, die schon vor vielen Jahren die daraufhin sofort ein Gegenflugblatt.95 Sitze in der Gemeindevertretung innehatten und zum Wohl der Allgemeinheit ihre Kräfte zur Verfügung gestellt hatten. Die Zustimmung für die Vereinigung war in Feldkirch doch Von der neuen Gemeindevertretung der Großgemeinde beachtlich, an die 97 Prozent. Im kleinen Tosters waren es Feldkirch erwartete er die Wahrung und Vertretung der Inte- 89,9 Prozent. In Levis wurde die größte Zustimmung er- ressen der Gesamtgemeinde. Gemeinderat Stefan Allgäuer reicht, satte 98,5 Prozent. Am geringsten war die Zustim- von der bürgerlichen Partei sprach Kühne den Dank aus für mung in Gisingen, lediglich 69,5 Prozent.96 seine Arbeit während seiner eineinhalb Jahre dauernden Funktionsperiode als Gemeindevorsteher.100 Am Nachmittag des 26. April kündeten Böllerschüsse von der Schattenburg der Bevölkerung vom erfreulichen Ergeb- Die letzte Kundmachung der Gemeinde Altenstadt, eine nis der Volksabstimmung. Blasmusikkapellen aus Feld- Holzversteigerung, wurde am 8. August 1925 veröffentlicht. kirch, Tosters, Altenstadt, Gisingen und Nofels zogen mit Am 22. August wurde dann im Rankweiler Gemeindeblatt, klingendem Spiel durch das neue, große Gemeindegebiet das auch langjähriges Gemeindeblatt von Altenstadt war, von Groß-Feldkirch. Im historischen Rathaussaal trafen sich erstmals eine Kundmachung der Stadtvertretung von Feld- Bürgermeister Anton Gohm, die Gemeindevorsteher Jo- kirch publiziert.101 hann Kühne aus Altenstadt und Rupert Geiger aus Tosters, begleitet von Gemeinderat Hoinkes zu einer Feier. In den Aus der am 28. Juni durchgeführten Wahl ging die Christ- Festreden versprachen die neuen Gemeindevertreter von lichsoziale Partei als klare Gewinnerin hervor. Von den 36 Feldkirch in allen Belangen treu und in vereinten Kräften Gemeindevertretungsmandaten fielen 22 den Christlichso- zueinander zu stehen. Glückwünsche übersandten Landes- zialen zu, acht der Sozialdemokratischen Partei, drei der hauptmann Dr. Otto Ender, Oberbürgermeister Siebert und Großdeutschen Volkspartei, zwei der Vereinigten Bauern- Nationalrat Unterberger. Im Gasthaus „Churertor“ wurde und Landvolk-Partei und eines der Nationalsozialistischen weiter gefeiert.97 Deutschen Arbeiter-Partei. Von den 36 Gemeindevertretern wohnten 12 in Feldkirch, sieben in Levis, sechs in Alten- Die Landesregierung erteilte in ihrer Sitzung vom 9. Mai stadt, jeweils drei in Nofels, Gisingen, Tisis und zwei in 1925 der Vereinigung von Feldkirch mit Altenstadt und Tos- Tosters.102 ters die Bewilligung. Gleichzeitig wurden Neuwahlen für die Gemeindevertretung der vergrößerten Stadtgemeinde Feld- Die Feldkircher Stadtvertretung wählte am 7. August 1925 kirch auf den 28. Juni 1925 ausgeschrieben.98 erstmals Ortsvorsteher für die Ortschaften der Stadtge- meinde. Es waren dies Josef Herburger für Altenstadt, Stefan Am 6. Juni 1925 stimmte die Landesregierung der Vereini- Allgäuer für Gisingen, Alfons Mähr für Nofels, Anton Fritsch gung von Tisis mit der um Tosters und Altenstadt vergrö- für Tisis und Karl Allgäuer für Tosters. Gemäß der Vorarlber- ßerten Stadtgemeinde Feldkirch zu. Das Gemeindegebiet ger Gemeindeordnung waren und sind die Ortsvorsteher von Tisis wurde daher in die Neuwahl der Gemeindevertre- ermächtigt, bestimmte, von der Gemeindevertretung be- tung mit einbezogen.99

Seite 250 1928/29: Bau der Vereinigungsbrücke

zeichnete Geschäfte des Gemeindeamtes in einzelnen Orts- berechtigt waren und das Wahlrecht zur Gemeindewahl teilen der Gemeinde zu besorgen. Die Ortsvorsteher sind besaßen. Die Wahlkommission bestand aus dem Ortsvor- an die Weisungen des Bürgermeisters gebunden.103 Man steher und zwei Vertrauensmännern aus den Reihen der wollte 1925 damit den Kontakt zwischen Rathaus und den Nutzungsberechtigten.107 Ortsteilen aufrechterhalten bzw. intensivieren. Heute noch sind die Ortsvorsteher als Vertreter des Bürgermeisters bei offiziellen und inoffiziellen Veranstaltungen in den einzel- 6. Die Verträge nen Ortsteilen, Fraktionen genannt, unterwegs und bilden ein wichtiges Verbindungsglied zwischen Bevölkerung und Die drei Vereinbarungen zwischen Feldkirch und Altenstadt Rathaus. Die in den Vereinigungsverträgen festgelegten sowie mit Tosters und Tisis sind vom Aufbau her ähnlich aufgebaut. Sie liegen in gedruckter Form vor, bestehend aus „Amtsstellen“ als Außenstellen des Rathauses gab es in vier Seiten und sie wurden von den Gemeindevorständen Altenstadt und Tisis. So inserierte die Gemeindeamtsstelle von Feldkirch, Tosters und Tisis mit ihren Unterschriften be- von Altenstadt am 22. August 1925 wegen einer Steueran- glaubigt und mit den Gemeindestempeln bzw. dem Stempel gelegenheit und gab als Adresse die Gemeindekanzlei an. des Stadtrates versehen.108 Im ersten Paragraphen wird die Die Bezeichnung „Stadtamtsstelle Altenstadt“ wurde dann Verschmelzung der beiden Ortsgemeinden zu einer neuen in einem Inserat vom 3. Oktober 1925 verwendet.104 Heute Ortsgemeinde beschlossen. Das gesamte bewegliche und noch ist das Büro der Agrargemeinschaft der Altgemeinde unbewegliche Vermögen, wie auch die Verbindlichkeiten Altenstadt offiziell eine Außenstelle des Feldkircher Rat- der beiden Ortsgemeinden geht in das Eigentum der neuen hauses. Die Ortsvorstehung von Tisis machte am 5. Sep- Stadtgemeinde Feldkirch über. Das mit Bürgernutzungen tember 1925 auf einen Informationstag in Steuerfragen auf- behaftete Gemeindegut bleibt Sondervermögen, wird als merksam, der in der Gemeindekanzlei von Tisis stattfand.105 Fraktions-Gut bezeichnet und mit Grundparzellennummern Diese befand sich im alten Schulhaus. versehen exakt aufgelistet. Wie bei den Verhandlungen vereinbart, werden die Verwaltungen dieser Fraktionsgüter Die Verwendung der bis heute im politischen Leben Feld- durch Ausschüsse geregelt, der Wahlmodus und das Be- kirchs üblichen Bezeichnung „Fraktion“ für einen Ortsteil schwerderecht an die Landesregierung festgelegt. In sechs von Groß-Feldkirch findet sich erstmals im Paragraphen 3 Punkten werden die Nutzungen der Fraktionsgüter geregelt. der Vereinbarungsverträge wie auch in Zusammenhang mit Diese Bestimmungen über die Bürgernutzungen nehmen dem sogenannten „Fraktionsgut“ , dem als Sondervermö- eineinhalb Seiten des Vertragstextes ein. gen behandelten Bürgergut. Als offizielle Bezeichnung für den Ortsteil findet sie sich in einer Kundmachung der „Frak- Ein wichtiger Punkt war die Erhaltungspflicht der bestehen- tion Tosters“ vom 15. August 1925. 106 den Schulen bzw. die Gestaltung der neuen Stadtgemeinde als ein einheitlicher Schulsprengel. Dem Schulwesen, be- Am 20. September 1925 fanden dann, wie im Vereinigungs- sonders den gewerblichen und landwirtschaftlichen Schu- vertrag festgelegt, erstmals die Wahlen der Verwaltungs- len, sollte besonderes Augenmerk geschenkt werden. Die ausschüsse für die Bürgernutzungen in Tisis und Tosters Schulferien in Tosters und Altenstadt sollten den ländlichen statt. Wahlberechtigt waren Haushaltsvorstände und Ein- Verhältnissen angepasst werden. zelpersonen, die am Tag der Wahlausschreibung nutzungs- Die bis dahin nur für das Stadtgebiet von Feldkirch gel- tenden Ermäßigungen des Strompreises von 20 Prozent sollten nun für das ganze Gemeindegebiet gelten.

Seite 251 Auch die Wasserversorgung findet sich in den Verträgen. Die neue Gemeinde übernahm die Erhaltungspflicht der Der in Altenstadt eingehobene Wasserzins durfte nicht bestehenden Gassen, Gemeindestraßen und Feldwege anderen Parzellen Feldkirchs zugute kommen. Die Was- und verpflichtete sich, zum Stichtag 31. Dezember 1924 be- serversorgung von Gisingen und Nofels, die bis 1925 nicht schlossene Bauten und Anschaffungen auszuführen. Im Ge- ausreichend und ein ständiger Streitpunkt in der Gemein- meindegebiet Altenstadt waren dies die Verlängerung der devertretung von Altenstadt war, sollte durch die Aufnahme Frau Mutterstraße, der Schulhausbau in Bangs, die Straße in den Wasserversorgungsplan der neuen Stadtgemeinde nach Bangs und Einrichtungen für Feuerlöschzwecke. Feldkirch verbessert werden. Auch den Tostnern wurde zu- gesagt, auf ihr Verlangen hin an das Wasserversorgungs- Als vorletzter Punkt wurden Ziele und Aufgaben der Gemein- netz von Feldkirch angeschlossen zu werden. devertretung von Feldkirch definiert. In Altenstadt waren dies die Regulierung der Ill und die großzügige Entwässe- Die Gemeindebediensteten von Altenstadt wie der Gemein- rung des Rheintales, konkret waren damit Nofels und Bangs deschreiber, ein Kanzleibeamter, ein Aufsichtsbeamter für gemeint. Die Erhaltung des Postamtes in Altenstadt und die Lebensmittel und Sicherheit, zwei Wachmänner sowie zwei Verbesserung des Postdienstes wurden als konkrete lokale Waldaufseher wurden in den Dienst der neuen Stadtge- Ziele genannt. meinde übernommen. In Tosters wurden der Waldaufseher und der Polizeidiener, der zugleich Gemeindediener war, In Tosters wird neben der Illregulierung konkret die Entwäs- in ein städtisches Dienstverhältnis übernommen. Auch die serung des Tostner Riedes genannt. Bediensteten der Gemeinde Tisis, ein Waldaufseher und ein Polizeidiener, wurden städtische Bedienstete. Diese Als Aufgaben in Tisis wurden die Wiedererrichtung der Ei- Gemeindebediensteten wurden auch in den Pensionsfonds senbahnhaltestelle und die Erhaltung des Riedweges als der Stadt Feldkirch übernommen. öffentlicher Weg durch die Stadtgemeinde aufgezählt. Die- sen Weg hatte bisher eine Riedgenossenschaft erhalten. Die neue Stadtgemeinde Feldkirch hatte die Erhaltung von Auch die Erhaltung des Spielplatzes unter der Schule, als historischen Bauten wie der Burgruine Tosters und der Kir- Tummelplatz bezeichnet, wurde vereinbart. Weiters ordnete che St. Corneli in Tosters sowie der Kirche St. Michael in Ti- man die Anlage eines Verbaungsplanes an, in dem auch sis zu übernehmen. neue Straßenzüge festgelegt werden sollten.

Als ordentlicher Sitz der Gemeindeverwaltung wurde Feld- Die Tisner haben in ihrem Vereinigungsvertrag die kon- kirch – Stadt bestimmt, zur Erleichterung des gemeinde- kretesten Ziele festgeschrieben. So wurde die Verbreiterung amtlichen Verkehres sollte in Altenstadt, Tosters und Tisis der unteren Dorfstraße, die Verlegung der Straße vom Haus eine „Gemeindeamtsstelle“ eingeführt werden. Im Vertrag des Schmiedle Josef (Nr. 19) bis zur „Martinshöhe“ auf der mit Altenstadt wird sogar die Errichtung von Gemeinde- Letze vereinbart. Auch die Anschaffung eines Leichenwa- amtsstellen in Nofels und Gisingen versprochen. Diese gens für die Kultusgemeinde, von Feuerlöschrequisiten für Aufgaben übernahmen dann die 1925 erstmals gewählten die Feuerwehr, sowie der Ausbau der Straßenbeleuchtung Ortsvorsteher. wurden vertraglich fixiert.

Eigenartig die Bestimmung über die Aufbahrung und Be- Die Vorarlberger Landesregierung wurde als Überwachungs- stattung von Leichen. Im Vertrag mit Altenstadt und Tisis organ für die Einhaltung der Vereinbarungen bestimmt. wurde die Beibehaltung der bisherigen Beerdigungsriten festgelegt.

Seite 252 Wasserleitungsbau Gisingen Oberaustraße 1927

7. Umsetzung der Versprechen 1925 – 1930 nannte er die Erhöhung der Stoßkraft und Widerstandsfä- higkeit der Gemeinde gegenüber Bregenz und Dornbirn und Die Feldkircher Stadtvertretung und der Stadtrat haben in die Verhinderung des Abbaus des Gymnasiums. den ersten Jahren nach der Vereinigung beachtliche Inve- stitionen in die Infrastruktur der neuen Gemeinde Feldkirch Die Ertragsanteile aus den Budgetmitteln des Bundes getätigt.109 So wurde das Straßennetz verbessert, in und sollten nach der Vereinigung um 30 Prozent steigen. Die nach Gisingen sowie Nofels Straßen gebaut, die jahrzehn- Absatzverhältnisse des Elektrizitätswerkes waren vor der telang von den Bewohnern geforderte Straße in den Berg- Vereinigung 50 Prozent Stadt und 50 Prozent Landgemein- weiler Fresch errichtet. In den Schulen wurde das Heizungs- den. Während der Strombedarf in der Stadt gesättigt war, system modernisiert, in Bangs ein Schulneubau errichtet war in den Landgemeinden durch die Bautätigkeit ein aus- und die Hauptschule für Knaben, ein neuer, weiterführen- baufähiger Absatzmarkt vorhanden. Nach der Vereinigung der Schultyp, eingerichtet. Als Förderungsmaßnahme für verteilte sich der Stromabsatz zu 70 Prozent auf Groß-Feld- die Landwirtschaft wurden die Berghöfe am Nenzingerberg kirch und zu 30 Prozent auf die Landgemeinden der Regi- gekauft und dort eine Feldkircher Alpe errichtet.110 Der Bau on. Der Ertrag aus der Stromabgabe hatte sich um 30.000 der Volkshalle wurde als Fremdenverkehrsförderung ver- Schilling pro Jahr gesteigert. Die Trinkwasserversorgung in standen. Den Bau von Eigenheimen förderte die Gemeinde den „Anschluss-Gemeinden“ konnte, wie vereinbart, aus- durch die Gründung der Gemeinnützigen Wohnbaugenos- gebaut werden. Die Fluss- und Straßenbauten überstiegen senschaft Feldkirch und durch die Verteilung der Gemein- die finanziellen Mittel der bis 1925 selbständigen Gemein- degüter in Gisingen für den Bau von Eigenheimen. Gisingen den, die neue Stadtgemeinde konnte auf breiter Basis die- und Nofels wurden an das Wasserversorgungsnetz des se Aufgaben übernehmen. Lediglich die Armenversorgung Feldkircher Wasserwerkes angeschlossen. Ein symbolischer wurde nach 1925 für die Stadt erschwert. Das Armenhaus Höhepunkt all dieser Bemühungen war der Bau der Vereini- galt als unzulänglich. gungsbrücke am unteren Ende der Kapfschlucht. Der Name der Brücke wurde ganz bewusst gewählt, als Erinnerung an Wie haben sich die 1925 gestellten Erwartungen und Hoff- die Vereinigung 1925 und als Symbol für den Zusammen- nungen erfüllt? Die Hoffnungen auf Ertragsanteile am Bun- schluss der Gemeinden. Die Eröffnungsfeierlichkeiten wur- desbudget haben sich nur teilweise erfüllt. Waren es im den als großes Volksfest inszeniert. Jahre 1929 noch 290.000 Schilling, sanken sie 1934 um über die Hälfte, auf 145.000 Schilling. Die Budgetspar- Dieser in der Feldkircher Stadtgeschichte beispiellose maßnahmen des österreichischen Staates machten sich Kraftakt war neben der Einlösung der vor der Vereinigung auch in Feldkirch bemerkbar. Die Entwicklung des Elek- gemachten Versprechen eine Legitimation der neuen Stadt- trizitätswerkes war befriedigend. Bei den Fluss- und Stra- väter gegenüber ihren Wählern, sowie eine bewusste Wirt- ßenbauten wurde „Riesiges“ geleistet. Gegen den damals schaftsankurbelung. vorgebrachten Vorwurf der Verschuldung der Gemeinde infolge des zu raschen Tempos bei der Illregulierung und den Straßenbauten stellte der Verfasser die Bedeutung 8. Ein Rückblick 1935 der Arbeiten für Generationen gegenüber, die nur noch die Erhaltungsarbeiten zu vollbringen hatten. Das einst so be- Recht aussagekräftig ist ein zweiseitiges Dokument, das mit liebte Schlagwort „Stoßkraft“ wurde 1934 so umschrieben: größter Wahrscheinlichkeit 1935 von einem unbekannten „Stoßkraft ist eine andere.“ Doch welche es war, oder sein Verfasser angefertigt wurde.111 Als Zweck der Vereinigung sollte verschweigt uns der Verfasser des Berichtes.

Seite 253 Ansichtskarte 1952

Das Kapitel „Aufgaben“ wird mit den Slogans „Aushal- Erhalt und Ausbau ihrer zentralen Funktion als Bezirks- ten und Zusammenhalten“ eröffnet. Weitere Schlagwörter stadt, in der die Verwaltungsorganisationen des Staates sind „Engerer Zusammenschluss“, „Sparen und Schulden- wie Gericht und Finanz weiterhin eine wichtige Rolle inne- Abbau“. Die Hochwasserschutzbauten am Ehbach und an haben sollten. Mit der Erhaltung des von den staatlichen der Nafla sollten fertig gestellt werden, danach aber sollte Sparmaßnahmen bedrohten Gymnasiums sollten die Funk- eine Ruhepause zum Schuldenabbau eintreten. Feldkirch tion und der Ruf als „Studierstädtle“ gesichert werden. soll durch das eigene Elektrizitätswerk als Großgemeinde Tosters, Tisis und Levis boten den günstigen Grund und wirtschaftlich stärker gewesen sein als andere Vorarlberger Boden für die Bautätigkeit, die wiederum helfen konnte der Gemeinden. Der Text endet mit Wünschen für die Zukunft: herrschenden Wohnungsnot entgegenzusteuern und auch „Werden wir von Krieg oder seinen Auswirkungen ver- Arbeitsplätze in der Baubranche wie im Handwerk schaffen schont, so kommen wir vorwärts und es wird aufwärts ge- sollte. hen, wenn wir zusammenhalten und das wollen wir.“ Leider ging dieser Wunsch nicht in Erfüllung. Im Text wurde auch Das Thema Vereinigung von Gemeinden ist wiederum ein der Urheber und Hauptakteure für die Vereinigung gedacht: aktuelles Thema. Der Bregenzer SPÖ–Landtagsabgeord- in Feldkirch: Bürgermeister Anton Gohm und Werksverwal- nete Michael Ritsch sorgte für helle Aufregung, als er 2008 ter Franz Simon; im Landtag für einen Zusammenschluss der Gemeinden im in Altenstadt : Vizebürgermeister Johann Kühne; Bregenzerwald eintrat. Im benachbarten Kanton St. Gallen in Tosters: Vorsteher Rupert Geiger; erfolgte am 30. November 2008 eine erfolgreiche Abstim- in Tisis: Pfarrer Gebhard Wendelin Gunz und Vorsteher Josef mung über den Zusammenschluss der beiden Gemeinden Anton Fritsch. Wildhaus und Alt St. Johann im Toggenburg, während das Stimmvolk am selben Tag zum zweiten Mal den Zusammen- schluss von Rorschach und Rorschacherberg ablehnte.112 9. Zusammenfassung 2007 lehnten die Bürger des mittleren Schweizer Rheintales den Zusammenschluss zu einer Großgemeinde, einer Stadt Der Zusammenschluss der Gemeinden im Jahre 1925 kann Mittelrheintal, aber ab. sicherlich nicht als „Liebesheirat“ bezeichnet werden, wohl eher als „Vernunftehe. Die Gemeinden haben sich in einer Seit 2007 gibt es im Kanton St. Gallen ein Gemeindeverei- äußerst schwierigen Zeit zusammengerauft, um zu einer nigungsgesetz, das derartige Gemeindzusammenschlüsse gemeinsamen Problemlösung zu finden. Sie haben sich auch finanziell großzügig unterstützt. Im Kanton Glarus gemeinsame wirtschaftliche und kommunale Ziele gesetzt. wird es, nach einem Volksentscheid, bald nur noch drei Ge- Es dürfte auch „die Chemie“ zwischen den damaligen po- meinden geben, nachdem die Kleingemeinden sich für Ver- litisch Verantwortlichen in der Stadt und auf dem Dorf ge- einigungen ausgesprochen haben.113 Diese Beispiele aus stimmt haben. In Feldkirch wie auch in den Landgemeinden der Nachbarschaft jenseits des Rheins zeigen, dass Verei- hatten damals die Christlichsozialen die Mehrheit in den nigung von Gemeinden durchaus möglich, ja sogar aktuell Gemeindevertretungen inne, was ein Zusammenkommen sind und als Lösung von gemeinsamen kommunalen Aufga- bestimmt erleichterte. ben und Zielen in wirtschaftlich und finanziell schwierigen Zeiten dienen können. Feldkirch hat vor 88 Jahren gezeigt, Sachlich betrachtet lagen die Vorteile eines Zusammen- dass dies ein guter und zukunftsreicher Weg ist. schlusses von so ungleichen Körperschaften in der gegen- seitigen Ergänzung. Die Stadt Feldkirch erwartete sich den

Seite 254 Immer aktueller wird aber die Zusammenarbeit von be- 9 STAF, Sitzungsprotokolle, 157. Protokoll der Gemeindeausschuss-Sitzung nachbarten Gemeinden auf administrativer Ebene. So ha- vom 16.9.1869. Zur Biographie des Eisenbahnpioniers Karl Freiherr von ben die Region Vorderland wie auch das Klostertal und Lech Schwarz (1817-1898) siehe Heinz Dopsch/Robert Hoffmann, Geschichte jeweils eine gemeinsame Baurechtsabteilung geschaffen, der Stadt Salzburg. Salzburg-München 1996, S.453-455. geben Rankweil und die Vorderländer Gemeinden eine ge- 10 Gerhard Wanner, Die Vereinigung der Landgemeinde Altenstadt mit der meinsame Zeitung heraus. Ein Beitritt Feldkirchs zur Regio Stadt Feldkirch 1925, in: Altenstadt – eine Dorfgeschichte. Feldkirch Vorderland steht bevor. Die Stadtverwaltung Feldkirch über- 1997, S. 225-250, hier S. 227. STAF, Sitzungsprotokolle, 158. Protokoll der nahm die Personalverrechnung für die Nachbargemeinde Gemeindeauschuss-Sitzung vom 24.9.1869. Meiningen. 11 STAF, GA Altenstadt, Hs 2, Protokollbuch 1864-1871, S. 212 12 STAF, Historische Akten 2560: Brief Johann Bertschler vom 11.10.1869, Zl. Diese Einzelfälle zeigen auf einen Trend zur Beibehaltung 471. der selbständigen Gemeinden, die sich aber finanziell auf- 13 STAF, GA Altenstadt, Hs 2: Protokoll Gemeindeausschuss 1864-1871, S. wändige Aufgaben und Pflichten teilen. Auch die Heraus- 214. bildung der „Regio“, der Regionalgemeinschaften, ist ein 14 STAF, Historische Akten 2560, Brief Johann Bertschler vom 5.11.1869. Beweis für diesen aktuellen Trend. o.Zl. Eine weitere Bedingung war die Aufnahme des Schwiegersohnes von Frau Nasahl, Josef Anton Jutz. 15 STAF, Historische Akten 2560, Briefentwurf, Datum Nov. 1869, ohne Angabe des Tages, Signatur 6 (rot). Das Tagesdatum ist im Brief schwer 1 Gerhard Wanner, Die Entstehung von Groß-Feldkirch, in: Montfort 20 zu lesen, ob 9 oder 5. November, vom Inhalt des Antwortschreibens (1968) 3, S. 510-531, hier S. 511. kann es sich aber nur um den Brief vom 5.11. handeln. – Im 2 Stadtarchiv Feldkirch (fortan: STAF), Historische Akten 2560: Konzept Briefwechsel wird nur die Witwe Nasahl genannt. Laut, Bürgerbuch eines Briefes und Reinschrift vom 23.3.1850, Nr. 118, Pub.36. Steueramt des GA Altenstadt, S.185, lebte in Levis eine Witwe Theres Nasahl, geb. 4.4.1850, Nr. 105. Krista. 3 Gerhard Wanner, Die Entstehung von Großfeldkirch, in: Feldkirch 16 STAF, GA Altenstadt, Hs 2: Protokoll Gemeindeausschuss 1864-1871, aktuell Sonderausgabe September 1975, S. 6. STAF, Akt 2560: Brief S. 216-217; STAF, Historische Akten 2560, 15.11.1869, Signatur 7 (rot). Gemeinde Altenstadt an Bezirkshauptmannschaft vom 12.4.1850. Altenstadt beharrte auf seiner Forderung nach der außergewöhnlichen Brief vom 14.4.1850 wurde vom Vorsteher Thomas Bertschler und allen Rechtsstellung der Familie Nasahl. Ausschussmitgliedern unterschrieben. 17 STAF, GA Altenstadt, Hs 2: Protokoll Gemeindeausschuss 1864-1871, 4 STAF, Historische Akten 2560: Konzept Schreiben Stadt an Bezirksamt S. 230. STAF, Historische Akten 2560, Brief Bertschler 7.3.1870, Zl.71. 21.10.1856, Zl. 617; Antwort Bezirksamt an Stadt 2.4.1857, Zl.923. Wanner vermutet plötzliche hohe Geldforderungen der Altenstädter 5 Stenographische Sitzungsberichte 1. Vorarlberger Landtag 2. Session, als Ursache. Gerhard Wanner, Der Anschluß von Levis und Altenstadt 11. Sitzung 10.1.1863, S. 139-141, 143, 148. an Feldkirch, in: Vollversammlung der Agrargemeinschaft Altgemeinde 6 STAF, Gemeindearchiv (fortan: GA) Altenstadt, Handschrift (fortan: Hs) Altenstadt. Feldkirch 1975, S. 21-32, hier S. 31. 2, Protokollbuch 1864 – 1871, S. 209. STAF, Historische Akten Akt 2560, 18 STAF, Historische Akten 2560. Briefentwurf 6.2.1872, Nr. 165. Brief Bertschler vom 23.8.1869, Zl. 402 19 STAF, GA Altenstadt, Hs 3: Gemeinde-Ausschuss-Sitzungsprotokoll 7 STAF, Sitzungsprotokolle, 156. Protokoll der Gemeindeausschuss-Sitzung 4.3.1872, S. 4. STAF, Historische Akten 2560. Brief 2.5.1872, Zl.499, vom 27.8.1869, Punkt 8. signiert mit C.G. 8 STAF, Historische Akten Akt 2560: Antwortschreiben von Vorsteher 20 STAF, GA Altenstadt, Hs 3: Protokoll Gemeindeausschuss 1872-1894, S. Johann Bertschler vom 11.10.1869, Zl.471, mit Forderung von 600.000 10. Gulden, Zl.471. 21 STAF, Sitzungsprotokolle, 181. Protokoll Gemeindeausschuss-Sitzung vom 8.5.1872.

Seite 255 22 Christoph Volaucnik, Carl Ganahl und seine kommunalpolitische Dieses nachträglich maschinschriftlich erstellte Dokument ist mit der Tätigkeit, in: Quer- und Vorausdenker. Zum 200. Geburtstag von Carl Jahreszahl 1896 datiert, was aber nicht richtig sein kann. Die von Anton Ganahl. Katalog. Feldkirch 2007, S. 80. STAF, GA Altenstadt, Hs 3: Weinzierl genannte Anschaffung von Glocken wurde 1906 durchgeführt Protokoll 4.5.1872, S. 10-11. STAF, Historische Akten 2560: Brief Vorsteher und der ebenfalls von ihm genannte Kontakt mit Jenny & Schindler Michael Kühne 6.5.1872, Sign. 11. 1905/06. 23 STAF, Sitzungsprotokolle, Protokoll ao. Ausschuss-Sitzung vom 43 Siehe zu den Glocken Christoph Volaucnik, Altenstadt im Zeitraum von 4.September 1884, Pkt.I, S. 4. 1814 bis 1925, in: Altenstadt – eine Dorfgeschichte. Feldkirch 1997, S. 24 Wanner, Anschluß (wie Anm. 17), S. 3. 146-224, hier S. 182; zum Strom, ebenda, S. 176-177. 25 Gerhard Wanner, Das Politikum der Volksschule Levis, in: 44 Karlheinz Albrecht, Beiträge zur Geschichte Feldkirchs vom Jahre Vollversammlung der Agrargemeinschaft Altgemeinde Altenstadt 1814 bis zum Ausbruch des Ersten Weltkrieges. Phil. Diss. Universität 1974. Feldkirch 1974, S. 23-35. Gerhard Wanner, Der schulische und Innsbruck 1977, S. 134-135. kirchliche Anschluß von Levis an Feldkirch, in: Vollversammlung der 45 STAF, Sitzungsprotokolle, 576. Protokoll der Gemeinde-Ausschuss- Agrargemeinschaft Altgemeinde Altenstadt 1976, S. 27-40. Sitzung vom 27.7.1906, Punkt 8. 26 Vorarlberger Landesarchiv (fortan: VLA), Landesausschuss, 4117/1893. 46 STAF, GA Altenstadt, Hs 4, Protokoll 7.9.1906, S. 602, Punkt 17, und 27 Entwurf dazu im STAF, Historische Akten 2560. Original im VLA, 20. Protokoll 27.10.1906, S. 608, Punkt 16. In Feldkircher Dokumenten Landesausschuss, 4117/1893. Dort auch Petition der Levner Bürger. findet sich kein einziger Hinweis auf diese Sitzung, lediglich Altenstadt 28 Wanner, Anschluß (wie Anm. 17), S. 34. vermerkt dies im Protokoll. 29 Christoph Volaucnik, Tosters von 1500 bis 1914, in: Tosters. Eine 47 Verhandlungen dazu im STAF, Sitzungsprotokolle Nr. 584, 588, 590, 591, Dorfgeschichte, S. 89-158, hier S. 128. 594, 600. des Gemeindeausschusses. 30 Abschrift in STAF, Historische Akten 2560. Enr. 102, Sign.14. 48 STAF, Sitzungsprotokolle, 635. Protokoll der Gemeinde-Ausschuss- 31 100 Jahre Stadtwerke Feldkirch 1906-2006 (Rheticus 28 [2006] 2). Sitzung vom 13.10.1910, Punkt 7. Feldkirch 2006, S. 22 49 STAF, GA Altenstadt, F V Sch 16/3: Brief Rheinberger an Bürkle 26.2.1918. 32 STAF, Historische Akten 2560: Briefentwurf vom 27.6.1896, Nr. 978, Brief Bürkle 1.3.1918. Sign.16. 50 STAF, GA Altenstadt, F V Sch 16/3: Brief Bürkle 1.3.1918, Antwort 33 STAF, Historische Akten 2560: Brief Landesausschuss vom 8.8.1896, Zl. Unterberger 4.4.1918. 3046, Sign. 17, und Kopie eines Briefes der Gemeinde Altenstadt an den 51 Franz-Heinz Hye, Die Städte Tirols, 2. Teil: Südtirol. Innsbruck 2001 Landesausschuss vom 3.8. 1896, Zl.987, Sign. 17 a. (Schlern-Schriften 313), S. 297, weist für Meran nur Eingemeindungen für 34 Wanner, Vereinigung (wie Anm. 10), S. 230-231. die Jahre 1906, 1913 und 1923 nach. 35 Einladungen in Rankweiler Gemeindeblatt 19.11.1904, Beilage S. 7; (fort- 52 Unterberger nennt als Grund dafür die Schweizer Wünsche nach an: RKWGBL) Feldkircher Zeitung 19.11.1904, S. 3, und 26.11.1904, S. 4. Verbesserung der Verbindungen mit München über St. Margrethen 36 STAF,Sitzungsprotokolle, 560. Protokoll der Gemeinde-Ausschuss- - Lindau, die Ausschaltung österreichischen Personals und Sitzung vom 24.2.1905, Punkt 4. Protokoll Stadtmagistrat 14.2.1905, österreichischer Lokomotiven aus dieser Strecke. Unterberger war über Seite 4a, Pkt6. seine Tätigkeit in der Handelskammer darüber informiert. 37 RKWGBL 15.4.1905, 2.Beilage, S.5. 53 Der Grenzbahnhof und das Hauptzollamt blieben in Buchs. 1952 wurde 38 RKWGBL, 3.6.1905, Beilage, S.5. ein neuer, erfolgloser Versuch zur Verlegung des Grenzbahnhofes samt 39 RKWGBL, 12.8.1905, Beilage, S. 7. Zoll nach Feldkirch unternommen. Siehe: Schlusswort zum Verbleiben 40 STAF, Sitzungsprotokolle, 568. Protokoll der Gemeinde-Ausschuss- des Grenzbahnhofes in Buchs, in: Feldkircher Anzeiger (fortan: FA) Sitzung vom 9.9.1905, Punkt 4. 6.12.1952. 41 STAF, Handschrift 1598, S. 51 a. 54 Lebenslauf Dr. Bitschnau siehe FA 16.6.1962 (Nachruf), und - Von Herren 42 Wanner, Entstehung (wie Anm. 3) S. 9. STAF, Historische Akten 2560. und Menschen. Verfolgung und Widerstand in Vorarlberg 1933-1945

Seite 256 (Beiträge zu Geschichte und Gesellschaft Vorarlbergs 5). Bregenz 1985, 71 STAF, Sitzungsprotokolle, 390. Protokoll der Gemeinde-Ausschuss- S. 272. Sitzung vom 29.12.1891. Punkt 3. Philipp Krapf (1854-1939) war der 55 Biographie Schreiber siehe Alfons Dür, Doktor Martin Schreiber (1879- Bauleiter der Rheinregulierung von 1893 bis 1905. 1961). Landesgerichtspräsident, Staatsrat und Landesstatthalter, in: 72 STAF, Sitzungsprotokolle, 399. Protokoll der Gemeinde-Ausschuss- Montfort 59 (2007) 2, S. 168-181. Sitzung vom 17.10.1892. 56 Böhler Lebenslauf siehe FA 8.4.1967, S.3 und Feldkirch aktuell 3 (1976) 3, 73 STAF, Sitzungsprotokolle, 403. Protokoll der Gemeinde-Ausschuss- S. 24. Sitzung vom 10.3.1893.Punkt 2. 57 Vorarlberger Volksblatt (fortan: VVB) 1.12.1920. Siegfried Müller, 25 Jahre 74 Dr. Beck siehe Helge Dvorak, Biographisches Lexikon der Deutschen Groß-Feldkirch, in: VVB 26. 4.1950. Burschenschaft. Bd. I, Teilband 1, Heidelberg 1996, S. 67-68. 58 STAF, GA Altenstadt F V, Sch 16/3. Brief vom 23.6.1921. 75 Erste Verhandlungen wurden 1891/96 geführt, die Vereinigung erfolgte 59 Wanner, Schulischer und kirchlicher Anschluß (wie Anm. 25), S. 36–40; 1919. Siehe dazu Emmerich Gmeiner, 50 Jahre Rieden-Vorkloster bei Andreas Ulmer/Manfred A. Getzner, Die Geschichte der Dompfarre St. Bregenz. Festschrift. Bregenz 1969, S. 12 f. Nikolaus Feldkirch. Bd. 1: Stadt und Pfarre, Pfarrherren, Pfarrkirche 76 STAF, Sitzungsprotokolle, 442. Protokoll der Gemeinde-Ausschuss- (Dom), Filialkirche und Kapellen, Feldkirch 1999, S. 542-550. Sitzung vom 18.April 1896. Abschrift im VLA , Landesausschuss 60 STAF, Historische Akten. Akt 2560. Niederschrift vom 6.4.1922. 1726/1896. 61 RKWGBL 8.7.1922,S.6, GV 1.7.1922. 23.12.1922, Beilage, S. 10. GV 77 VLA, Landesausschuss 1726/1896. Hier nur eine Kurzfassung der 19.12.1922 TO. Nr. 10. Kundmachung. 62 STAF, GA Altenstadt, F V, Sch 16/5. Hye, Städte Tirols (wie Anm. 51), S. 78 Ulmer/Getzner, Dompfarre (wie Anm. 59), S. 475. 128-129. Bruno Mahlknecht, Bozen durch die Jahrhunderte, Bd. 3. Bozen 79 Franz Elsensohn, Süoßlarschnitz und Füdlabloser. Hohenems 2007, S. 2006, S. 164. 97. 63 Erich Scheithauer/Grete Woratschek/ Werner Tscherne, Geschichte 80 RKWGBL, 25. 4.1925, S.4. Österreichs in Stichworten. Wien 1983, S. 124, 129, 133, 149. RKWGBL 81 RKWGBL, Beilage, 23. Mai 1925, S. 9 – 10. VLA, AVLReg IV-884/1937. 29.10 und 31.12.1921. 82 FA 3. 6. 1925. VLA, AVLReg IV-884/1937: Brief Gemeinde Tisis an 64 Müller, Groß-Feldkirch (wie Anm. 57). Landesregierung vom 2.6.1925. 65 Wanner, Vereinigung (wie Anm. 10), S. 244. Biographie Johann Kühne 83 FA 28.2.1925. Ludwig Siebert trat 1931 der NSDAP bei und wurde 1933 siehe Theodor Veiter, 60 Jahre Groß-Feldkirch, in: Feldkirch aktuell. bayerischer Ministerpräsident. Auskunft Stadtarchiv Lindau 5.12.2008 Sonderausgabe Juni 1985, S. 13 -17. 84 FA 28. 3.1925. 66 Karlheinz Albrecht, Tosters – von der selbständigen Gemeinde zur 85 VVB 6.4.1925 Fraktion von Groß-Feldkirch, in: Tosters. Eine Dorfgeschichte. Feldkirch 86 FA 18.4.1925. 2002, S. 159-224, hier S. 171. 87 RKWGBL, 18.4.1925, Beilage, S. 9. 67 STAF, Historische Akten Nr. 2682. Alle Verhandlungsunterlagen bis hin 88 STAF, GA Altenstadt, F V, Sch 16/3. Auch für Tosters wurde ein zum fertigen Vertrag wurden in einer Mappe abgelegt, aus der alle gleichlautendes Flugblatt gedruckt. Informationen im folgenden Text stammen. 89 Ein Schilling entsprach 10.000 Papierkronen. Eine Goldkrone entsprach 68 Siehe dazu Volaucnik, Tosters (wie Anm. 29), S. 126-129. Auch in 1,41 Schilling. Siehe dazu Scheithauer/Woratschek/Tscherne, anderen Dörfern gab es zwei Gruppierungen von Bürgern, siehe Tisis. Geschichte Österreich (wie Anm. 63), S. 149. 69 RKWGBL, Beilage, 21.3. 1925, S.9. VLA, Amt der Vorarlberger 90 Karl Fiel, Nofels. Fresch. Bangs. Matschels. Geschichte eines Dorfes. Landesregierung (fortan: AVLReg) IV-884/1937. Brief Gemeinde Tosters Feldkirch 1987, S. 210-211; Karl Fiel, Wasserversorgung in Nofels, Fresch an VLR vom 27.4.1925. und Bangs, in: Vollversammlung der Agrargemeinschaft Altgemeinde 70 VLA, AVLReg IV-884/1937. Brief Gemeinde Tosters an Landesregierung Altenstadt. Feldkirch 1982, S. 24-44, hier S. 36-37; Christoph vom 27.4.1925. Volaucnik. Der Kapfgraben und die Gisinger Wasserversorgung, in:

Seite 257 Vollversammlung der Agrargemeinschaft Altgemeinde Altenstadt. 109 Gerhard Wanner, Geschichte (wie Anm. 91), S. 15-20, 41-63. Feldkirch 1999, S. 20-27. 110 Der Nenzingerberg. Das verlassene Walserdorf, hg. von Thomas Gamon. 91 Gerhard Wanner, Geschichte der Stadt Feldkirch 1914–1955 Nenzing 2007. (Schriftenreihe der Rheticus-Gesellschaft 39) Feldkirch 2000, S. 101. 111 STAF, Historische Akten 2682: Die angenommene Datierung 1935 ergibt 92 Fiel, Nofels (wie Anm. 90), S. 203-204. sich aus dem im Text genannten Ertragsanteil des Jahres 1934 sowie 93 Franz Valandro, „.. so wollen wir schauen, woher wir sind.“ dem Hinweis auf für das Jahr 1948 bevorstehenden Neuverträgen für Heimatschutz in Vorarlberg (Bludenzer Geschichtsblätter Heft 53 [2000]. Stromlieferungen. Bludenz 2000, S. 23-27. 112 Liechtensteiner Volksblatt 1.12.2008, über Toggenburg. 94 FA 11.4.1925, S. 3: Kundmachung über Volksabstimmung. FA 25.4.1925, 113 Liechtensteiner Volksblatt 10.12.2008, S. 7. S. 4: Inserat des Stadtrates: Aufklärung über die Hinzuzählung der nicht erschienen Stimmberechtigten zur Mehrheit der abgegebenen Stimmen. 95 Den Text dieser Titelseite siehe Feldkirch Lesebuch, Dornbirn 2008, S. 44. In der 12. Hausverfügung vom 27.5.1947 stellte Stadtsekretär Hans Faé fest, dass die Bezeichnung „Gross-Feldkirch“ ein unschönes Wort sei und für eine an Einwohnern bescheidene Stadt überheblich klinge. Faé meinte: „Es gib nur eine Stadt Feldkirch die aus einer Anzahl Ortschaften/Fraktionen zusammengesetzt ist.“ STAF, Schachtel 0113. Trotzdem wird dieser Begriff bis heute von den Sportvereinen besonders bei Schülersportveranstaltungen verwendet. FA 19. 2. 2009, S. 38. 96 Wanner, Geschichte (wie Anm. 91), S.101. Die Prozentsätze Wanners geben das Verhältnis zu den abgegebenen Stimmen ab. In Altenstadt gab es 3211 Abstimmungsberechtigte, 640 sind nicht erschienen. 2197 stimmten mit Ja, 362 mit Nein. 12 Stimmzettel leer. Die Ja-Stimmen und die hinzugezählten nicht Erschienenen ergaben 2837 Ja-Stimmen. VLA, AVLREG IV-884/1937. 97 FA 29.4.1925, S. 2. 98 RKWGBL 16. Mai 1925, S. 2; VLA, AVLReg IV-884/1937: Bewilligung. 99 RKWGBL 13. Juni 1925, S. 2. Beilage 13. Juni 1925, S.9. 100 RKWGBL, Beilage, 20.6.1925, S. 9. 101 RKWGBL, 8.8.1925, S. 2, und 22.8.1925, S. 1. 102 RKWGBL, 4.7.1925, S. 2. 103 RKWGBL, 22.8.1925, S. 1. Emil Häusler/ Klaus Martin/Johannes Müller, Das Vorarlberger Gemeindegesetz. Schwarzach 2005, S. 68. 104 RKWGBL, 22.8.1925, S. 3. 105 RKWGBL, Beilage, 5.9.1925, S.12. 106 RKWGBL, 15.8.1925, S. 3. Im RKWGBL vom 24.10.1925 sind Kundmachungen der Fraktionen Tosters und Altenstadt abgedruckt. 107 RKWGBL, 5.9.1925, S. 2. 108 STAF, Historische Akten, Akt 2560. Unterschriebene Verträge auch im VLA, AVLReg IV – 884/1937.

Seite 258 Vortrag auf Einladung der Marktgemeinde Rankweil; Rankweil, Rathaus, 23. Juni 2008 Ulrich Nachbaur (geb. 1962 in Feldkirch), Dr. iur., M.A., seit 1997 Mitarbeiter im Vorarlberger Landesarchiv

„Marktgemeinde Rankweil“

Zum Werden und Wesen von Marktgemeinden in Vorarlberg Ulrich Nachbaur

„Marktgemeinde Rankweil“. – Was war oder ist eine Die drei Städte waren stets darauf bedacht, dass in ihrem „Marktgemeinde“ überhaupt? Wie wurde oder wird eine Umfeld möglichst kein weiterer Ort Marktprivilegien erhielt Gemeinde zur „Marktgemeinde“? Wo steht geschrieben, oder ohne Berechtigung Märkte abhielt. dass sich Rankweil als „Marktgemeinde“ bezeichnen darf? Das Marktmonopol der drei Städte wurde bereits ab 1560 Das sind Fragen, die sich noch selten jemand stellte; und durchbrochen, als einige entlegene ländliche Gerichte Fragen, die gar nicht so leicht zu beantworten sind.1 (Lingenau 1560, Mittelberg 1572, Sulzberg vor 1598) die Bewilligung eigener Viehmärkte erreichten. Den Viehhänd- lern folgen mit der Zeit auch Krämer, doch in den Rang von 1. Marktmonopol der Städte Feldkirch, Bregenz und „Marktflecken“ vermochten diese frühen Marktorte in den Bludenz Bergregionen nicht aufzusteigen.

Historisch knüpft die heutige Bezeichnung „Marktge- meinde“ an das mittelalterliche Marktprivileg an – an das 2. Konkurrenz durch „Marktflecken“ im Rheintal ab Recht oder Vorrecht, zu einer bestimmten Zeit an einem be- dem 17. Jahrhundert stimmten Ort bestimmte Verkaufsveranstaltungen durchzu- führen. Anders im Rheintal, wo sich Hohenems, Rankweil, Götzis und Dornbirn anschickten, die Städte auch als Gewerbe- Mit der Einrichtung von Jahr- und Wochenmärkten verban- standorte zu konkurrenzieren. Dabei stand das heutige den die Landesherren nicht nur die Hoffnung auf Abgaben. Vorarlberg wieder im Wettbewerb mit den Nachbarn jen- Marktprivilegien waren, modern gesprochen, auch Instru- seits von Rhein und Bodensee. mente der „Raumordnungspolitik“. Sie dienten zur Unter- stützung von Stadt- und Residenzgründungen, zur Lenkung 2.1. Gründung einer Marktsiedlung in Hohenems 1605 von Handelsströmen, zur Aufwertung von Verkehrswegen, zur Förderung der Viehzucht, der Textilindustrie usw. Und Den Anfang machte Reichsgraf Kaspar von Ems, der 1605 selbstredend profitierten ebenso die privilegierten Unterta- nahe seinem Palast ein Gebiet für eine neue Marktsiedlung nen von diesen Marktrechten. Häufig entwickelten sich aus abgrenzte, deren Siedler rechtliche und wirtschaftliche Pri- Marktorten Städte, entfalteten sich aus Marktordnungen vilegien genießen sollten.Mit Stolz kündet das Titelblatt der Stadtrechte. „Emser Chronik“ von 1616, dass sie im „Gräfflichen Marckt Embs“ gedruckt wurde. Jahr- und Wochenmärkte gehörten zur wirtschaftlichen und rechtlichen Grundausstattung einer mittelalterlichen Stadt Diese Landesbeschreibung manifestierte das Streben der und spielten wohl auch bei den Stadtgründungen in Vorar- Emser, ihre Reichsgrafschaft zu einem bestimmenden lberg eine bedeutende Rolle, ebenso für die Entwicklung Fürstentum im ehemaligen „Rätien“ auszubauen. Kas- der Stadtverfassungen. So hing der politische Aufstieg der par herrschte über Hohenems und Lustenau, hatte 1613 Feldkircher Bürgerschaft mit ihrem wirtschaftlichen Erfolg die Herrschaften Vaduz und Schellenberg erworben, war zusammen, und dieser mit dem Vorteil, am „Italienweg“ zu Pfandherr der kleinen österreichischen Herrschaft Neuburg liegen und damit vom Fernhandel profitieren zu können – und verwaltete seit 1614 als Vogt – ähnlich einem „Bezirk- was Bregenz und Bludenz nicht gelang. shauptmann“ – auch die bedeutende österreichische Herr-

Seite 259 Graf Kaspar von Ems

schaft Feldkirch, zu der das „Doppelgericht“ Rankweil-Sulz lagen mussten die Bauern vom Getreidebau auf Viehwirt- gehörte, einer der bevölkerungsreichsten und führenden schaft umstellen. Das heutige Vorarlberg war fortan auf die Stände in der österreichischen Landschaft vor dem Arlberg. Einfuhr von Getreide angewiesen, zumal aus dem Boden- seeraum. Als Gegengeschäft im Kornhandel diente nun der Die 24 Landstände waren städtische und bäuerliche Rechts- Verkauf von Vieh, Käse und Schmalz. Und diese Geschäfte und Verwaltungsgenossenschaften. Weil sie mehrheitlich wurden auf Jahr- und Wochenmärkten abgewickelt. Die Anteil an der landesfürstlichen Gerichtsbarkeit hatten, Viehwirtschaft wieder warf auch Häute ab. Nicht von un- wurden sie auch als „Gerichte“ bezeichnet. Im rätoroma- gefähr lässt sich auch für das Gericht Rankweil-Sulz spä- nischen Oberland hatten sich – wie Alois Niederstätter in testens ab 1606 eine Zunft der Gerber und Schuhmacher seinem Vortrag aufgezeigt hat –2 bereits seit dem 14. Jahr- belegen.4 hundert neben den Gerichtsgemeinden zudem auch dörf- liche Gemeindestrukturen ausgebildet. Das Gutachten, das die Innsbrucker Regierung 1583 bei Vogt Jakob Hannibal in Feldkirch einholte, fiel negativ aus. Als An der bewährten Zusammenarbeit zwischen den Land- Rankweil-Sulz 1590 erneut um einen Wochenmarkt und drei ständen und ihrem Landesfürsten, dem Haus Habsburg, Viehmärkte im „Flecken“ Rankweil ansuchte, wehrten sich scheiterte letztlich die emsische Vormachtpolitik. Ein Bei- nicht nur die Feldkircher dagegen. Die scharf ablehnende spiel dafür ist auch das Marktprivileg, um das sich der Stellungnahme des Bludenzer Vogts macht deutlich, dass es Stand Rankweil-Sulz spätestens seit 1583 offiziell bemühte, tatsächlich bereits um Fragen einer interregionalen Raum- als noch Graf Kaspars Vater Jakob Hannibal Vogt zu Feld- ordnungspolitik ging. Die siegessicheren Vorderländer be- kirch war. gingen den Fehler, 1592 noch ohne Privileg in der Tasche zwei Viehmärkte abzuhalten. Das bot der Stadt Feldkirch 2.2. Märkte in Rankweil ab 1618, kommunales ein schlagendes Argument, die Ablehnung des Gesuchs zu Marktprivileg ab 1656 bewirken. Dieses Spiel wiederholte sich in den folgenden Jahren mehrmals. Zudem suchte das Gericht Rankweil-Sulz Wir dürfen annehmen, dass die drei Wochen- oder Jahrmär- auch noch darum an, den Markt in Heiligkreuz, unmittelbar kte, um die der Stand ansuchte, in Rankweil abgehalten vor den Feldkircher Stadttoren, zu legalisieren.5 werde sollten.3 Rankweil war unter seinem alten Namen Vinomna ein Hauptort des rätoromanischen Oberlandes Diese Auseinandersetzungen werden für uns nachvoll- gewesen, war seit Jahrhunderten Sitz eines kaiserlichen ziehbar, wenn wir zum Vergleich die „Supermarktfehden“ Landgerichts, dessen Sprengel weit über das heutige mitdenken, die sich Rankweil und Feldkirch seit etlichen Vorarlberg hinausreichte, war Hauptort des Standes oder Jahren an der Autobahnabfahrt liefern, mit umgekehrten Gerichts Rankweil-Sulz, eine vitale, aufstrebende Gemein- Vorzeichen. de, die Zuwanderer anzog und sich als Gewerbestandort zu etablieren begann. Mit Unterstützung des benachbarten Gerichts Jagdberg hatte Rankweil-Sulz 1618 schließlich Erfolg: Am 26. August Die Marktbestrebungen sind auch im Zusammenhang mit bewilligte Erzherzog Maximilian den „getrewen lieben N. N. dem Klimawandel zu sehen, dem sich die Wirtschaftsweise Landtamman der Gerichten auch Gemainsleüthen Ranckh- anpassen musste. Auf das spätmittelalterliche Klimaopti- weil, Sulz unnd Jagberg […] im Dorff Ranckhweil drey offent- mum folgte die so genannte „kleine Eiszeit“. In den Berg- liche Rinder Viechmärckht“ abzuhalten.6

Seite 260 Marktordnung für Götzis 1694

Wohlgemerkt: 1618 wurden die Gerichtsgemeinden Rank- „was einer die wuchen erhausen kann, weil-Sulz und Jagdberg mit dem Marktrecht privilegiert und verthuets alle zinstag weib und man, noch nicht die Dorfgemeinde Rankweil! Dass die Dorfge- wo einer würd umb i bazen beschissen, meinde mit separater Urkunde gleichzeitig ebenfalls be- das mues landtgericht und obrigkheit wissen.““12 rechtigt worden sei, beruht auf einem Irrtum.7 Auch 1619 wurde das Privileg ausschließlich den Gerichtsgemeinden Gleichzeitig bewarben die Jesuiten, die sich 1649 in Feld- bestätigt.8 kirch niedergelassen hatten, eifrig die marianische Wall- fahrt nach Rankweil,13 die sich zu einem weiteren Wirt- Als der verärgerte Graf Kaspar als zuständiger Vogt in Feld- schaftszweig entwickelte. 1658 wurde die Gnadenkapelle kirch sich weigerte, die Aufgebote zum ersten Markt zu er- auf dem Liebfrauenberg eingeweiht, wo an florierenden lassen, ließen die Privilegierten ihre Markturkunde landauf Verkaufsständen Devotionalien und Touristenproviant feil- landab von den Kanzeln verlesen und luden selbst zum St. geboten wurden.14 Gallimarkt nach Rankweil ein, zeitgleich mit dem Jahrmarkt in Ems. Der Tobsuchtsanfall des Grafen ist verbürgt. Mit Kas- 2.3. Götzis und Dornbirn pars Tod 1640 begann der Abstieg des Hauses Hohenems, dessen Marktsiedlung sich nicht recht entfalten konnte. Die Rankweiler konnten ihre Märkte ausbauen. Mit Götzis erwuchs ihnen jedoch jenseits der Frutz im eigenen Spren- Rankweil dagegen vermochte sich mit seinen Märkten ge- gel eine Konkurrentin um die Führungsrolle als Gewerbe- gen Feldkirch zu behaupten. Sie brachten Geld und Pre- und Handelsstandort. 1694 erwarb die „Gemaindt Götzis“ stige. In einem Lehensbrief des Klosters Valduna von 1634 das Recht, an jedem Montag einen Flachs- und Garnmarkt ist davon die Rede, dass ein Feldkircher Bürger im „Marckh- abzuhalten;15 ein Beleg für die zunehmende Bedeutung fleckhen Ranckhweil““ wohne.9 der Textilverarbeitung in Form der Hausindustrie. 1709 er- hielten die Götzner das Privileg für vier Viehmärkte, 1712 Nun behaupteten die Rankweiler offenbar, 1618 selbst der Gerichtsteil Sulz eine eigene Viertellade der Innsbru- mit dem Marktrecht privilegiert worden zu sein. Jedenfalls cker Schreinerzunft.16 geht das aus der Urkunde hervor, mit der Erzherzog Fer- dinand Karl am 14. März 1656 nun tatsächlich erstmals dem In Dornbirn lässt sich ein Herbstmarkt bereits um die Mitte „Seckhlmaister und Gemaindtsleith des dorffs Ranckhweil“ des 16. Jahrhunderts belegen - allerdings ohne obrigkeit- die drei Rindermärkte bestätigte.10 liche Bewilligung. Überhaupt sind wir über ältere Marktpri- vilegien des Gerichts Dornbirns schlecht unterrichtet. Ab Dass mit dieser Urkunde Rankweil der Mittwoch als Markt- 1665 können wir zudem einen Wochenmarkt nachweisen. tag – demnach auch ein Wochenmarkt – bestätigt worden sei,11 stimmt hingegen nicht. Das muss jedoch nicht heißen, Wenn es den ländlichen Gerichten im 17. Jahrhundert ge- dass in Rankweil auch ohne landesfürstliches Privileg zeit- lang, das Marktmonopol der Städte zu brechen, profitierten weise Wochenmarkt gehalten wurde. In einem Spottgedicht sie dabei wahrscheinlich auch vom Übergang der Landes- von 1670 heißt es, dass Bauern am Dienstag von weither fürsten zu einem absolutistischen Regierungskurs. Erst zum Handeln nach Rankweil kamen, und betrogen wurden: recht im 18. Jahrhundert.

Seite 261 Marktplatz Rankweil 1893

3. Josefinische Marktordnungspolitik im Insgesamt dürfte die Schwächung der Gerichtsgemeinden 18. Jahrhundert die Dorfgemeinden gestärkt haben, die ebenfalls reguliert und von den landesfürstlichen Behörden stärker kontrol- Im Zeitalter des aufgeklärten Absolutismus wurde auch im liert wurden. Ob aus gestärktem Selbstbewusstsein oder Österreich Maria Theresias und Josef II. die staatliche Len- um den Schein zu wahren, jedenfalls lässt sich genau für kung der Wirtschaft zum Programm. Mit der Steigerung des jene Zeit auf einer Grenzbeschreibung von 1785 ein presti- allgemeinen Wohlstands sollte über Steuern die Finanz- geheischendes Siegel mit der Umschrift „GEMAINDSSIGIL kraft des Staates gestärkt werden. Dabei spielte neben der DES K.K. V.Ö. MARKFLECKEN RANKWEIL“ belegen.18 Es zeigt Fabrikation der Handel eine wichtige Rolle. im Schild – wie das Siegel des Gerichts Rankweil-Sulz – den Liebfrauenberg, allerdings ohne das Ochsengespann Auch wenn die Reformen auf heftigen Widerstand der Vorar- mit dem wundertätigen Kreuz und ohne die Symbole für die lberger Stände stießen, scheinen die ländlichen Gerichte Gerichtshälften Rankweil und Sulz.19 zumindest in wirtschaftspolitischer Hinsicht von der Ent- machtung der Städte profitiert zu haben. 4. Kriterien für eine allgemeine Anerkennung Um 1770 fanden bereits an 19 Vorarlberger Orten Jahrmär- als „Marktflecken“ kte mit gut 60 Markttagen statt. Wenn für etliche Märkte keine frühen Privilegien bekannt sind, wird das zum Teil Die Bezeichnung „Marktflecken“ wurde durch die Jahr- daran liegen, dass sie nie gewährt, sondern nur angemaßt, hunderte sehr beliebig verwendet. So sind zum Beispiel in dass „wilde“ Märkte durch lange Gewohnheit zur Rechtmä- der ersten Landkarte der „Provincia Arlbergica“, die 1783 ßigkeit verfestigt wurden. gedruckt wurde, nur Dornbirn, Hohenems und Weiler als Marktflecken gekennzeichnet. Die amtlichen Einwohnersta- Ein Hoffnungsgebiet des Merkantilismus waren die Allgäu- tistiken jener Zeit weisen hingegen nicht nur Rankweil und er Gebiete im Norden, die an den alten Salzstraßen lagen, Götzis, sondern auch sämtliche Marktorte im Allgäu bereits von denen bisher vor allem die benachbarten Reichsstädte vor der Privilegierung als „Marktflecken“ aus; zudem Linge- profitierten. 1784 erhielt Lindenberg eine landesfürstliche nau und Schruns. Bestätigung seiner Jahrmärkte, 1785 Weitnau, 1805 Sim- merberg, und Weiler 1789 einen eigenen Wochenmarkt. In den topographischen Statistiken der Bayernzeit (1805 bis 1814) ist Rankweil als „Marktflecken“ eingetragen, Die josefinischen Reformen brachten auch für Rankweil ver- Hohenems dagegen als „Dorf“. Hingegen wurde wieder fassungsrechtliche Veränderungen, auf Ebene der Gerichts- im Provinzial-Handbuch von Tirol und Vorarlberg für 1848 gemeinde wie der Dorfgemeinde. Rankweil nicht zu den „Marktflecken“ gezählt.20

1784 wurden Ammanschaft und Gericht getrennt, anstelle Die Bezeichnung „Marktflecken“ war keine Rechtstatsache, der Zeitgerichte ein ständiges Ortsgericht in Rankweil ein- sondern eine Ansichtssache. gerichtet, die Rechtssprechung endlich halbwegs profes- sionalisiert. An der Strafgerichtsbarkeit hatte das Gericht Wovon hing es ab, ob ein Ort allgemein als „Markt“ aner- Rankweil-Sulz keinen Anteil mehr. Seine Strafprozesse hat- kannt wurde? - Diese Frage ist für Vorarlberg nicht leicht te allerdings bereits seit langem das Vogteiamt Feldkirch und nicht abschließend zu beantworten. bestimmt,17 und wohl nicht nur die Kriminalsachen.

Seite 262 Siegel der Marktgemeinde Rankweil 1785 und 1896

Andernorts lassen sich aus den Gemeindeverfassungen und politische gewichtige Gemeinden waren, in den sich Kriterien gewinnen, lag der rechtliche Status des Marktes mit der Zeit eine Schicht von „kleinstädtischem“ Bürgertum zwischen dem des Dorfes und dem der Stadt, wurden Ort- bildete. schaften mitunter regelrecht zu „Märkten“ in einem ge- meinderechtlichen Sinn erhoben. Für Rankweil gilt das mit der Einschränkung, dass ein Wo- chenmarkt sehr fraglich ist. So heißt es 1839 in der Lan- In Vorarlberg können wir nur bei Hohenems von einer deskunde von Weizenegger und Merkle wohl nicht von un- Markterhebung sprechen, wo ja 1605 tatsächlich eine gräf- gefähr: „Rankweil hat im Frühjahre und Herbste zahlreich liche Marktsiedlung gegründet wurde, und nicht nur ein besuchte Viehmärkte, obschon es nicht, wie Dornbirn, als Jahr- und Wochenmarkt. Abgesehen von diesem Sonderfall eigentlicher Marktflecken betrachtet wird.“21 bleibt fraglich, inwieweit der Begriff „Markt“ oder „Markt- flecken“ in Vorarlberg überhaupt je als rechtliche Sied- Um Götzis sei es kurios bestellt, berichtete Staffler 1841 in lungsbezeichnung gebraucht und empfunden wurde. seiner Landesbeschreibung: „Obwohl ein Markt, ist er doch ohne Märkte, weil er seine Marktprivilegien erneuern zu las- Bei Dornbirn, Rankweil und Götzis werden wir eher von ei- sen versah.“22 Götzis hatte 1832 vorerst auf deren Wieder- ner Marktwerdung sprechen müssen, und auch das nur in verleihung verzichtet, weil die Wiedererrichtung der Märkte einem mehr „politischen“ Sinn. wenig erfolgversprechend sei. Dem Rang eines „Marktfle- ckens“ schadete dieser Verzicht nicht mehr. Es ist verständlich, wenn Gemeinden wie Götzis heute die Bewilligung eines Wochenmarktes als „Markterhebung“ Jahr- und Wochenmärkte blieben lange Zeit erste Voraus- feiern. Aber eine gemeinderechtliche Aufwertung war mit setzung für den Status eines „Marktflecken“. Aber sie al- dieser „Gewerbeberechtigung“ nicht verbunden. Eine ei- lein genügten nie und zunehmend weniger, als Märkte im gene Gemeindeordnung war in Vorarlberg eher Vorausset- anbrechenden Industriezeitalter als Vertriebsstrukturen an zung, aber nicht Folge von Marktprivilegien. Zudem ist zu Bedeutung verloren. beachten, dass überwiegend eigentlich nicht Dorfgemein- den, sondern Gerichtsgemeinden privilegiert wurden. Bereits zu Beginn des 19. Jahrhunderts wurden in Öster- reich die Marktprivilegien schrittweise zu normalem Ge- Wie auch immer: Mit dem gewerberechtlichen Marktprivileg werberecht degradiert; radikal dann im Rahmen der groß- wurde kein Titel, keine Bezeichnung „Markt“ oder „Markt- en Staatsreform als Folge der bürgerlichen Revolution von flecken“ verliehen oder erworben. 1848/49. – Insofern mutet es anachronistisch an, wenn Kaiser Franz Joseph der „Gemeinde (!) Rankweil“ noch 1849 Was zeichnete dann Dornbirn, Götzis, Rankweil oder Ho- mit Brief und Siegel einen weiteren Viehmarkt zugestand.23 henems gegenüber anderen Marktorten aus? Die Bezeichnung „Markt“ war rechtlich vage. Allgemeine Verallgemeinernd könnten wir (etwas hinkend) ins Treffen gemeinderechtliche Anknüpfungspunkte ergaben sich erst- führen, dass die vier historischen „Marktflecken“ Wochen- mals mit der bayerischen Gemeindereform von 1808. Vorarl- märkte hatten, sich an Einwohnern durchaus mit den Städ- berg gehörte von 1805 bis 1814 zu Bayern. 1808 erließ König ten messen konnten, überdurchschnittliche Wirtschafts- Maximilian I. Joseph eine „Konstitution für das Königreich kraft und Steuererträge aufwiesen, zumindest im Ortskern Bayern“ und schaffte damit sämtliche Sonderverfassungen annähernd „städtische“ Siedlungsstrukturen annahmen und landschaftlichen Korporationen ab. In Ergänzung die-

Seite 263 Städte (rot) und Märkte (blau) um 1805

ser Verfassung ließ er unter anderem ein „Organisches Edikt über die Bildung von Gemeinden“ und ein „Edikt über das Gemeindewesen“ folgen.24 Auf dieser Grundlage wurden flächendeckend Ortsgemeinden mit einer einheit- lichen Gemeindeverfassung eingerichtet, wie wir sie heute kennen. Die Gemeinden wurden in drei Kategorien einge- 5. Lustenau und Hard als nominelle teilt: in Städte über 5.000 Einwohner, in Städte unter 5.000 „Marktgemeinden“ neuen Typs Einwohnern und gleichzuhaltende größere Märkte sowie in kleinere Märkte und Landgemeinden (Ruralgemeinden). Als in Rankweil 1813 erstmals die Wahl auf der neuen Rechts- Die Bezeichnung „Markt“ oder „Marktgemeinde“ wurde grundlage anstand, gestand der Feldkircher Landrichter vom Gewerberecht losgelöst, charakterisierte keine ge- den Rankweilern einen „Bürgermeister“ samt fünf „Muni- meinderechtliche Sonderstellung, wurde zum nackten Eh- zipalräten“ zu, die für größere Märkte vorgesehen waren, rentitel abgespeckt, zu einer Prestigefrage. das Generalkreiskommissariat Kempten hielt jedoch einen „Gemeindevorsteher“, beraten durch die zwei Gemeinde- So wuchs mit der Zeit offenbar der Wunsch nach titula- ältesten für ausreichend, wie das für kleinere Märkte und rischen Rangerhöhungen. Jedenfalls ging der neue Kaiser Landgemeinden bestimmt war.25 Franz Joseph dazu über, Ortschaften durch allerhöchste Entschließungen nominell zu „Märkten“ zu erheben und Das Anforderungsprofil eines Gemeindevorstehers war üb- Märkte zu „Städten“. Um 1870 scheint – vor allem in Böh- rigens bemerkenswert: „Zur Stelle des Gemeinde-Vorstehers men – ein „Erhebungsfieber“ ausgebrochen zu sein, das soll ein solches Gemeinde-Glied gewählt werden, welches nach 1885 Tirol erfasste und schließlich auch auf Vorarlberg zu den Geschäften brauchbar ist; lesen, schreiben und rech- ansteckend wirkte. nen versteht; einen ordentlichen Lebenswandel führt; als ein guther Hauswirth bekannt ist; Erfahrung und Beschei- Von spätestens 1887 bis 1911 wurden in Tirol 16 Ortschaften denheit besitzt, und das Geschäft selbst nicht mit solcher zu Märkten erhoben, zwei weitere Gemeinden ließen sich Abneigung antritt, von welcher sich auch in der Folge keine ihr altes Recht bestätigen, sich als „Markt“ bezeichnen zu genaue Erfüllung der damit verbundenen Obliegenheiten dürfen. Der Markt Levico wurde 1894 zur Stadt erhoben, erwarten lässt.“26 – Gastwirte waren vom Amt ausgeschlos- Imst 1898. Wenig später folgte in den großen Industriege- sen, da kein Wirt seine Sperrstunde selbst bestimmen und meinden des Vorarlberger Unterlandes eine „Kettenreakti- kontrollieren können sollte. on“: 1901 wird Dornbirn Stadt. 1902 zieht Lustenau mit der Markterhebung nach, 1905 Hard (die erste „Marktgemein- Das Westallgäu blieb 1814 bei Bayern. Im wieder öster- de“ außerhalb des Bezirks Feldkirch). reichischen Vorarlberg verfestigte sich mit Dornbirn, Ho- henems, Götzis und Rankweil ein Quartett etablierter Und es hat den Anschein, dass erst diese „neureichen“ „Marktflecken“. Märkte das Prestigebedürfnis der angestammten „Markt- flecken“ weckte, die sich jetzt ebenfalls oder erneut Stem- Das Gemeinderegulativ für Tirol und Vorarlberg von 1819 pel mit der Umschrift „Marktgemeinde-Vorstehung“ an- kannte nur „Landgemeinden“ und „Stadtgemeinden“.27 schafften. Rankweil verwendete ihn bereits um 1875. Dafür Mit dem provisorischen Gemeindegesetz von 1849 wurden firmierte das Gemeindeoberhaupt noch zehn Jahre meist alle Gemeinden rechtlich gleichgestellt; endgültig 1862. als „Gemeindevorsteher“, während seine Kollegen in Dorn-

Seite 264 Markterhebungsurkunde für Hard 1905

birn, Hohenems und Götzis als „Bürgermeister“ zeichneten So ist die Gemeinde Rankweil in den Ortsverzeichnissen – ein Titel, der bis zur Gemeindeordnung 1935 den Städten regelmäßig mit zwei Ortschaften ausgewiesen: mit dem und Marktgemeinden vorbehalten bleiben wird. „Markt“ Rankweil und dem „Dorf“ Brederis.28 Das hat nicht nur topographische Gründe. Streng genommen kam Eine gesetzliche Grundlage für diese nominellen Stadt- und der Titel „Markt“ nur dem Zentrum der Gemeinde zu. Am Markterhebungen neuen Typs gab es nicht. Sie waren ein ehesten hat sich diese Unterscheidung noch im Dornbirner Vorrecht und Gnadenakt des Kaisers. Jede Gemeinde, die Sprachgebrauch erhalten, aber auch in den Schulsprengeln sich würdig empfand, konnte im Behördenweg ein Maje- „Rankweil-Markt“.29 stätsgesuch einreichen. Ausdrücklich wurde nicht die gesamte Ortsgemeinde Luste- Eine Markttradition war nicht mehr notwendig. „Märkte“ nau oder Hard, sondern nur die „Ortschaft Lustenau“, nur ohne Markt wurden zur Regel. Entscheidend waren die die „Ortschaft Hard“, nur der Gemeindekern, zum Markt Bevölkerungsentwicklung der letzten Jahre, das äußere erhoben.30 Diese vermeintliche Haarspalterei konnte recht- Erscheinungsbild der Gemeinde, die Steuerkraft und wirt- liche Konsequenzen haben, in anderen Kronländern beson- schaftliche Lage, die kirchlichen und schulischen Verhält- ders bei Wahlen zu Landtagen und zum Abgeordnetenhaus nisse, der Bestand an öffentlichen und gemeinnützigen des Reichstags. In Vorarlberg war sie akademischer Natur. Anstalten, Verdienste um Kaiser und Vaterland, eine patrio- tische Gesinnung und eine tadellose Gemeindeverwaltung. 7. Markterhebungen in Landeskompetenz seit 1925

6. Sonderrechte für Marktgemeinden? Wir haben gesehen, dass Stadt- und Markterhebung ein Vorrecht der Krone waren. Nach dem Untergang der Habs- Spätestens bei diesen nominellen Markterhebungen stand burgermonarchie 1918 nahm diese Kompetenz zunächst die zweifellos der Imagegewinn für die Gemeinden im Vorder- Staatsregierung für sich in Anspruch. Mit der Bundesverfas- grund. Rechtliche Konsequenzen hatten sie so gut wie keine. sungsgesetznovelle 1925 ging sie auf die Länder über.

Nur den Städten räumten die Gemeindegesetze noch bis 7.1. Landesgesetz 1926 1864 eine Sonderstellung ein. Wenn der Markt Dornbirn bei der Errichtung eines konstitutionellen Vorarlberger Land- Am 22. Dezember 1926 beschloss der Vorarlberger Landtag tages 1861 in der Wählerklasse der Städte Berücksichtigung ein „Gesetz betreffend die Erhebung einer Ortsgemeinde zu fand, war dies seiner Größe und Steuerkraft zuzuschreiben, einem Markte oder zu einer Stadt, die Änderung des Na- und nicht seinen „Marktwürden“. mens von Ortsgemeinden und die Berechtigung zur Füh- rung von Wappen durch Gemeinden“. (Wohl kein anderes Ein Recht oder Anrecht, Jahr- oder Wochenmärkte veranstal- Landesgesetz erhielt je einen sperrigeren Titel). Es lehnte ten zu dürfen, wurde mit der nominellen Markterhebung sich weitestgehend an einen Entwurf des Bundeskanzler- nicht erworben. amtes an. Zur Markterhebung wurde bestimmt:

Auf eine Spitzfindigkeit bleibt allerdings hinzuweisen, auf „Das Recht zur Führung der Bezeichnung Marktgemeinde die Unterscheidung in die „Ortsgemeinden“ und deren kann durch Landtagsbeschluß an ansehnliche Ortsgemein- „Ortschaften“: den, insbesondere an solche, die das Marktrecht bereits besitzen, verliehen werden.“31

Seite 265 Der Rückgriff auf das gewerbliche Marktrecht war ein Ana- 7.4. Gemeindegesetz 1965 chronismus, für die erste Aspirantin aber kein Problem. Die Gesetzgebung eilte insofern, als die Gemeinde Schruns 1965 schließlich verabschiedete der Landtag ein neues bereits 1924 einen Antrag auf Markterhebung gestellt hat- Gemeindegesetz, die Stammfassung des heute geltenden te, die ihr der Landtag mit Beschluss vom 21. Oktober 1927 Gemeindegesetzes. Die Voraussetzungen für eine Markter- auch gewährte. hebung sollten etwas präzisiert werden. Seither kann die Landesregierung Gemeinden das Recht zur Führung der 7.2. Gemeindeordnung 1935 Bezeichnung „Marktgemeinde“ verleihen, „die wegen ihrer Einwohnerzahl oder sonst für einen über das Gemeindege- 1935 wurden die Bestimmungen des Landesgesetzes von biet hinausgehenden Bereich eine besondere Bedeutung 1926 weitgehend in die neue Gemeindeordnung eingebaut. besitzen“.35 Bei den Kriterien für eine Markterhebung wurde der Rück- griff auf gewerbliche Marktrechte gestrichen, die Kompe- Diese verunglückte Formulierung trägt allerdings mehr zur tenz der Landesregierung zugewiesen. Die Landesregierung Verwirrung als zur Klärung bei: Soll eine überdurchschnitt- konnte nun an jede „ansehnliche Gemeinde“ das Recht zur liche Einwohnerzahl allein ausreichen oder in jedem Fall Führung der Bezeichnung „Marktgemeinde“ verleihen.32 auch eine zentralörtliche Bedeutung gefordert sein? Ist eine zentralörtliche Bedeutung nur dann gefordert, wenn einer Im Kommentar hieß es dazu, es dürfe dennoch erwartet Gemeinde nicht allein schon aufgrund ihrer Einwohnerzahl werden, dass von den Befugnissen zur Stadt- und Markter- ein regionales Gewicht zukommt? – Die Landesregierung hebung „ein sehr sparsamer Gebrauch gemacht werde“.33 prüfte im verwaltungsinternen Begutachtungsverfahren je- Das war tatsächlich der Fall. Auf dieser Rechtsgrundlage denfalls auch regelmäßig das Kriterium der zentralörtlichen wurde nur einer Gemeinde die Bezeichnung „Marktgemein- Bedeutung. de“ verliehen – 1962 der Gemeinde Bezau, dem Hauptort des Bregenzerwaldes. Mit der Stadterhebung von Hohenems fiel 1983 eine Markt- gemeinde weg. Dafür wurde 1982 Wolfurt Marktgemeinde 7.3. Deutsche Gemeindeordnung 1938 bis 1945 und 1985 Lauterach; 1993 folgten Nenzing und Frastanz. Di- ese regionale „Clusterbildung“ kommt nicht von ungefähr, Mit der Einführung der Deutschen Gemeindeordnung mit nachbarschaftliche Prestigeduelle spielten bei nominellen 1. Oktober 1938 wurde die Bezeichnung „Marktgemeinde“ Markterhebungen von Beginn an eine wesentliche Rolle. durch „Markt“ ersetzt. Mit der Befreiung von der NS-Dikta- tur trat 1945 wieder die Gemeindeordnung 1935 in Kraft, so- Wolfurt und Lauterach sind einwohnerstarke Gemeinden weit sie demokratischen Grundsätzen entsprach. Offenbar im Bregenzer Speckgürtel. Für Nenzing und Frastanz lässt hatte man an der alten Bezeichnung „Markt“ wieder Gefal- sich ins Treffen führen, dass es Hauptorte im Walgau sind. len gefunden. Jedenfalls sah sich das Amt der Vorarlberger Was die Landesregierung aber dazu bewog, jüngst einem Landesregierung 1947 veranlasst, im Amtsblatt ausdrück- Ansuchen der Gemeinde Hörbranz stattzugeben, ist für lich darauf hinzuweisen, dass es nicht mehr „Markt“ heiße, mich nicht ganz nachvollziehbar. Als „der“ Hauptort im sondern „Marktgemeinde“.34 Leiblachtal wird Hörbranz wohl kaum anzusehen sein. War für die Landesregierung die Zahl von 6.329 Einwohnern (2007) ausschlaggebend? – Wir wissen es nicht und gönnen

Seite 266 Marktprivileg für das Gericht Rankweil-Sulz 1618

den Hörbranzern den Titel, den sie ab 9. Juli 2008 führen Rankweil 2018 „400 Jahre Markterhebung“ feiern wird, dürfen.36 Die Landesregierung wird sich freilich schwer tun, wenngleich sich die Gemeinde das Marktprivileg eigentlich vergleichbaren Gemeinden die Marktwürden abzuschlagen. erst 1656 „erschlichen“ hat.

Von den 96 Vorarlberger Gemeinden führen heute fünf die Bei der Erlassung der Vorarlberger Gemeindegesetze wurde Bezeichnung „Stadt“ und demnächst bereits elf die Be- spätestens seit 1935 immer wieder bestimmt, dass Gemein- zeichnung „Marktgemeinde“. Mit einem „Marktanteil“ von den, die zur Zeit des Inkrafttretens dieses Gesetzes die Be- 11,5 Prozent nimmt sich Vorarlberg im Österreichvergleich zeichnung „Stadt“ oder „Marktgemeinde“ führen, zur Fort- noch bescheiden aus. In Niederösterreich firmiert mehr als führung dieser Bezeichnung berechtigt sind. Nur wurde nie die Hälfte aller Gemeinden als „Marktgemeine“. ausdrücklich und rechtsverbindlich festgestellt, welche Ge- meinden das sind. So beruht der Marktgemeindetitel von Allerdings sind in anderen Bundesländern die Gemein- Rankweil und Götzis letztlich auf Gewohnheitsrecht; ein dezusammenlegungen in Rechnung zu stellen. Während erträgliches Schicksal, das sie gewissermaßen als „kom- die Zahl der österreichischen Gemeinden seit 1945 insge- munaler Uradel“ mit den Städten Feldkirch, Bregenz und samt halbiert wurde, ist sie in Vorarlberg seit 1947 mit 96 Bludenz teilen. Gemeinden gleich geblieben. Vorarlberg zählt unter dem Strich heute noch in etwa gleichviel Gemeinden wie vor 200 Eine positivrechtliche Bestätigung, dass Rankweil diese Jahren. Bezeichnung zu Recht führt, lässt sich indirekt durch Ver- ordnungen der Landesregierung gewinnen, in denen von der „Marktgemeinde Rankweil“ die Rede ist, zum Beispiel 8. „Kommunaler Uradel“ in Schulsprengelverordnungen.37 Nicht zuletzt verlieh die Landesregierung 1928 ausdrücklich der „Marktgemeinde Wo steht nun geschrieben, dass sich Rankweil als „Markt- Rankweil““ ein Wappen, in reduzierte Form 1978.38 gemeinde“ bezeichnen darf?

Ausdrücklich steht das nirgends zu lesen. Die jüngeren, no- 9. Ein Titel ohne Mittel minell zu Marktgemeinden erhobenen Gemeinden können eine Allerhöchste Entschließung, einen Landtagsbeschluss, Und was haben die „Marktgemeinden“ von ihrem Titel? einen Beschluss oder eine Verordnung der Landesregierung vorweisen, die kundgemacht und meist prunkvoll beurkun- Die „Marktgemeinde“ war und blieb ein Titel ohne Mittel. det wurden. Von der Titulierung abgesehen macht das Gemeinderecht Die älteren, historisch gewachsenen Marktgemeinden zwischen „Gemeinden“, „Marktgemeinden“ und „Städ- berufen sich mangels einer gemeinderechtlichen Markt- ten“ keinen Unterschied (nachdem es in Vorarlberg noch erhebungsurkunde meist auf das erste gewerberechtliche keine Stadt mit eigenem Statut gibt). Marktprivileg, das ihnen eingeräumt wurde – in Vorarlberg sind das nach den Stadterhebungen von Dornbirn und Ho- Das „Bürgermeister-Privileg“ büßten die Städte und Markt- henems noch Rankweil und Götzis. So feierte Götzis 1994 gemeinden 1935 ein. Seither haben auch die ehemaligen „300 Jahre Markterhebung“, und es ist anzunehmen, dass „Landgemeinden“, die „Bauern“, einen Bürgermeister.

Seite 267 Heute sieht das Gemeindegesetz als Schmuckwerk für unterschiedlichen Personen verzeichnet – die Verleihungsurkunde Marktgemeinden nur noch das „Marktgemeindeamt“ vor, von 1618 unter Nr. 3304 (wie Anm. 6) , die Bestätigungsurkunde von und verpflichtend die Bezeichnung „Marktgemeinde“ im 1619 unter Nr. 4388 (wie Anm. 8). In der Urkunde von 1619 ist jene von Siegel. 1618 wörtlich inseriert. Zur Urkunde von 1619 wurde im Landesarchiv deshalb bei den Urkundenregesten eine zweite Karteikarte angelegt mit Im öffentlichen Finanzausgleich spielt der Titel keine Rolle, den irreführenden Regest: „Erzherzog Maximilian, der Deutschmeister, ist allein die Bevölkerungszahl ausschlaggebend. bewilligt der Gemeinde Rankweil [!] die Abhaltung dreier öffentlicher Viehmärkte […]. da inseriert in Urk. von 1619 April 6 (Lda. Nr. 4388).“ – Aber machen wir uns nichts vor: Ein Titel wie die „Markt- Offenbar verließen sich die Historiker ausschließlich auf dieses Regest. gemeinde“ streichelt die kommunale Seele. Er schmückt Abbrederis, Besiedelung von Rankweil (wie Anm. 3), S. 208, zitiert ungemein und im besten Fall ärgert er auch noch die Nach- ausdrücklich „Repertorium, Landesarchiv Bregenz“. Bilgeri, Geschichte bargemeinden. Rankweils (wie Anm. 3), S. 102, schreibt ohne Quellenangabe: „Unter diesem Datum bewilligte Erzherzog Maximilian den Landammännern 1 Ich habe das Thema an anderer Stelle bereits ausführlich behandelt. von Rankweil-Sulz und Jagdberg, zugleich auch in besonderer Urkunde Im Folgenden belege ich daher nur noch wörtliche Zitate sowie der Gemeinde Rankweil die Abhaltung dreier Viehmärkte, am 17. März, Ergänzungen, Neuerungen und Korrekturen. Im Übrigen: Ulrich 25. April und am St. Gallentag, den 16. Oktober.“ Wenn wir Bilgeri Nachbaur, Über das Werden und Wesen von „Marktgemeinden“ in nicht eine bewusste Irreführung unterstellen wollen, dürfte er dem Vorarlberg. Die Markterhebung von Schruns 1927, in: Ulrich Nachbaur/ Regest aufgesessen sein und die Urkunden nicht eingesehen haben; Peter Strasser, Die Markterhebung von Schruns. Marktgemeinden in obwohl auch Bilgeri aufgefallen sein müsste, dass eine Privilegierung Vorarlberg (Montafoner Schriftenreihe 13). Schruns 2004, S. 9-126. von Landammännern allein und erst recht eine konkurrierende 2 Alois Niederstätter, Von Dorfvögten und Bannwarten. Die Entwicklung Privilegierung der Dorfgemeinde Rankweil widersinnig ist. kommunaler Strukturen in Vorarlberg seit dem Mittelalter, in: Verba 8 VLA: Gda Rankweil Urk. Nr. 4388 (Erzherzog Leopold, Innsbruck volant Nr. 42 (2008), S. 1-13 (Vortrag in Rankweil, 26.05.2008). 06.04.1619; seit 1961 als Leihgabe bei der Marktgemeinde Rankweil). 3 Zum Folgenden vgl. v.a. Benedikt Bilgeri, Ein Gang durch die ältere 9 VLA: Kloster Valduna Urk. Nr. 4788. Geschichte Rankweils, in: Heimat Rankweil, hg. von Josef Bösch. 10 VLA: Gda Rankweil Urk. Nr. 4391. Rankweil 1967, S. 66-120; Heinrich Abbrederis, Grundzüge der 11 So Abbrederis, Besiedelung von Rankweil (wie Anm. 3), S. 212; Besiedelung von Rankweil (Vorarlberg). Diss. phil. Universität Innsbruck Hans Nägele/Thomas Linder/Josef Bösch, Werden und Wachsen der 1948. Rankweiler Wirtschaft, in: Heimat Rankweil, hg. von Josef Bösch. 4 Monika Volaucnik/Christoph Volaucnik/Norbert Schnetzer, Zur Rankweil 1967, S. 353-409, hier S. 384. Geschichte der Rankweiler Zünfte, in: „Hoch die Handwerker – Arbeit ist 12 Zitiert nach: Manfred Tschaikner, Feige Feldkircher, leichtgläubige des Lebens Würze“. Zur Geschichte der Rankweiler Handwerkszünfte, Bludenzer, lüsterne Montafoner und „trogne“ Walser – Ein spöttisches hg. von Norbert Schnetzer/Christoph Volaucnik (Reihe Rankweil 10). Gedicht über die Gemeinden des Vorarlberger Oberlandes von Rankweil Rankweil 2005, S. 13-168, hier S. 127. bis Gaschurn aus dem Jahr 1670, in: Bludenzer Geschichtsblätter (2005) 5 Benedikt Bilgeri, Politik, Wirtschaft, Verfassung der Stadt Feldkirch, 75, S. 43-78, hier S. 64. Für diesen Hinweis danke ich Dr. Manfred in: Geschichte der Stadt Feldkirch, Bd. 1, hg. von Karlheinz Albrecht. Tschaikner, Vorarlberger Landesarchiv. Sigmaringen 1987, S. 75-387, hier S. 270-273. 13 Das belegen die Litterae Annuae Provinciae Germaniae Superioris, die 6 Vorarlberger Landesarchiv [fortan: VLA]: Gemeindearchiv [fortan: Gda] Manfred Tschaikner im Bayerischen Hauptstaatsarchiv in München Rankweil Urk. Nr. 3304. einsah. Ich danke für den Hinweis. 7 Die Rankweiler Urkunden wurden offenbar in Tranchen in das 14 Bilgeri, Geschichte Rankweils (wie Anm. 3), S. 109, schreibt: „Ein Markt, Vorarlberger Landesarchiv übertragen und vermutlich von der keine Urkunde brauchte, war sicher schon sehr lange auf dem

Seite 268 Liebfrauenberg. Von ihm hatte schon um 1500 der reisende Humanist Marktgemeinde Rankweil). Suntheim erzählt. (Montfort 1965).“ – Dieser Hinweis auf Suntheim ist 24 Organisches Edikt vom 28.07.1808 über die Bildung von Gemeinden, nicht nachvollziehbar. Vgl. Karl Heinz Burmeister, Ladislaus Suntheims Königlich-Baierisches Regierungsblatt [fortan: RBl.] 1808, Sp. 2789; Landesbeschreibung Vorarlbergs, in: Montfort 17 (1965) 2, S. 119-125, Edikt vom 24.09.1808 über das Gemeinde-Wesen, Rbl. 1808, Sp. 2405. S. 122: „Item Rankweil bey Veldkirch, da ist ain Landgericht, da wechst 25 Bilgeri, Geschichte Rankweils (wie Anm. 3), S. 117. wein haist Sattelberger, der ist vast gut, und ist Regnum Romanorum.“ 26 Edikt vom 24.09.1808 über das Gemeinde-Wesen, RBl. 1808, Sp. 2405, 15 VLA: Gda Götzis Urk. Nr. 5450 (Marktordnung 20.09.1694 aufgrund Anhang: Instruktion der Gemeinde-Vorsteher, § 1. Privilegierung 15.05.1694). 27 Allerhöchste Entschließung vom 14.08.1819 die Regulierung der 16 Ulrich Dünser, Götzis, Kapitel XV: Die Zunft, in: Vorarlberger Gemeinden und ihrer Vorstände in Tirol und Vorarlberg betreffend, Volkskalender 1910, S. 29-33. Provinzialgesetzessammlung von Tirol und Vorarlberg 1819, Bd. 6, Nr. 17 Vgl. Anita Muther, Das Gericht Rankweil-Sulz (15. bis Ende 17. 166. Jahrhundert). Diss. phil. Universität Innsbruck 2005. 28 Z. B. Special-Orts-Repertorium von Vorarlberg (Special-Orts-Repertorien 18 VLA Gda Rankweil Nr. 2e: Grenzbeschreibung, Rankweil der im österreichischen Reichsrathe vertretenen Königreiche und Länder 14.10.1785, abgebildet in: Ulrich Nachbaur, 96 Gemeindewappen. 8). Wien 1885, S. 29. Hoheitszeichen und Bürgerstolz. Ausstellung (Ausstellungskataloge 29 Volksschulsprengelverordnung, LGBl. Nr. 41/1979, zgd LGBl. Nr. 29/2008 des Vorarlberger Landesarchivs 16). Bregenz 2008, S. 24. – Das Hauptschulsprengelverordnung, LGBl. Nr. 42/1979, zgd LGBl. Nr. Attribut „vorderösterreichische“ (V.Ö.) könnte darauf hinweisen, 39/2005. dass der Prägestock bereits vor 1783 gestochen wurde. 1752 30 LGBl. Nr. 19/1902; LGBl. Nr. 83/1905. bis 1782 unterstanden die Herrschaften vor dem Arlberg der 31 LGBl. Nr. 1/1927, § 1. vorderösterreichischen Regierung in Freiburg im Breisgau, bis sie zur 32 Gemeindeordnung 1935, LGBl. Nr. 25/1935, § 2 Abs. 2. oberösterreichischen Regierung in Innsbruck zurückkehrten. Allerdings 33 Gesetz vom 24. Juli 1935 LGBl. Nr. 25 betreffend die Gemeindeordnung firmierte auch das Vogteiamt Feldkirch in seinem Kanzleisiegel für das Land Vorarlberg (Gemeindeordnung 1935) mit erläuternden weiterhin als „vorderösterreichische“ Behörde. Bemerkungen von Dr. Alfons Troll und Dr. Fritz Schneider. Bregenz o.J., S. 19 Vgl. Abbildung des etwa zeitgleichen Siegels des „K.K. GERICHT 82. RANBKWEIL UND SULZ“ in: Heimat Rankweil, hg. von Josef Bösch. 34 Amtsblatt für das Land Vorarlberg 1947/25. Bezeichnung der Gemeinden Rankweil 1967, S. 308. und Gemeindeämter (17.04.1947). 20 Provinzial-Handbuch von Tirol und Vorarlberg für das Jahr 1848. 35 Gemeindegesetz, LGBl. Nr. 45/1965, § 13 Abs. 2. Innsbruck o.J., S. 115. 36 LGBl. Nr. 26/2008. 21 Franz Josef Weizenegger, Vorarlberg, bearb. und hg. von Meinrad 37 Z.B. Volksschulsprengelverordnung, LGBl. Nr. 41/1979, 40/2004, Merkle, Bd. 1 Innsbruck 1839 (Unveränderter Nachdruck Bregenz 1989), 49/2006, 29/2008. S. 68. 38 VLA: Gemeindewappenregistratur: Rankweil, Wappenurkunden 1928, 22 Johann Jakob Staffler, Tirol und Vorarlberg, statistisch und 1978. topographisch, mit geschichtlichen Bemerkungen, Teil 2, Bd. 1. Innsbruck 1841, S. 88. – Dieses Zitat habe ich in Nachbaur, Marktgemeinden (wie Anm. 1), irrtümlich Weizenegger/Merkle zugeschrieben. Franz Josef Weizenegger, Vorarlberg, bearb. und hg. von Meinrad Merkle, Bd. 1 Innsbruck 1839 (Unveränderter Nachdruck Bregenz 1989), S. 88. 23 VLA: Gda Rankweil Urk. Nr. 4393 (seit 1961 als Leihgabe bei der

Seite 269 Das Montafon mit den angrenzenden Orten 1770 (Gabriel Walser)

Seite 270 Eröffnung der Ausstellung „Die Herren im Tal – Montafoner Eliten um 1800“; Gaschurn, Tourismusmuseum, 24. Juni 2008 Michael Kasper (geb. 1980 in Mürzzuschlag), Mag. phil., Historiker, seit 2007 Dissertant und Stipendiat der Nachwuchs- förderung der Universität Innsbruck

Die Herren im Tal

Die Montafoner Oberschicht zwischen 1780 und 1830 Michael Kasper

Im Jahr 1808 wurde im Königreich Bayern eine neue Gemein- kamen auf jede Person lediglich 0,53 Rinder – ein etwa im deordnung erlassen, die zusammen mit vielen anderen Vergleich zum Tannberg mit 1,05 Rindern pro Kopf recht Neuerungen in den Jahren zwischen 1780 und 1830 einen niedriger Wert.3 bedeutenden gesellschaftlichen Wandel mit sich brachte. Besonders für die Führungsschichten hatten diese Verän- Die Bevölkerung im Montafon wuchs von 7.442 Einwohnern derungen weit reichende Folgen. Die soziale Stellung der im Jahr 1754 nur langsam auf 8.669 im Jahr 1837 an und Eliten in der Gesellschaft wurde in Frage gestellt und zahl- ging in den folgenden Jahrzehnten sogar wieder auf den reiche Reformen – von denen eben die neue Gemeindeord- Stand der 1750er Jahre zurück.4 nung eine war – führten zu einem Abbau ihrer jahrhunder- tealten Privilegien. Am Beispiel des Montafons möchte ich Die Bevölkerung verteilte sich 1785 folgendermaßen auf die an dieser Stelle auf die gesellschaftlichen Veränderungen zehn Montafoner Pfarrgemeinden:5 und die Situation der Oberschicht – der „Herren im Tal“ – in den Jahren um 1800 eingehen und dabei besonders die Fra- St. Gallenkirch 1.486 gen behandeln, wer damals eigentlich zur ländlichen Elite Bartholomäberg 1.406 zählte und wie die Schichtung der Gesellschaft insgesamt Schruns 1.285 aussah. Tschagguns 1.264 Gaschurn 1.087 Vandans 836 Das Montafon an der Wende vom 18. zum 19. Jahr- Silbertal 617 hundert St. Anton 111 Lorüns 76 Am Beginn der Ausführungen soll ein zeitgenössisches Zitat Stallehr 55 stehen: „Das Tal Montafon ist übrigens eines der ärmsten von Vorarlberg. [...] Fast alle Bauerngüter sind so klein, daß darauf in der Regel nur 2 bis 3 Kühe, einige Ziegen Vor diesem eben skizzierten Hintergrund gehörte die Jahr- und Schafe gehalten werden können.“1 Dieser Auszug aus hundertwende vom 18. zum 19. Jahrhundert zu den beson- einem Bericht des Vorarlberger Kreishauptmannes Johann ders markanten Episoden der regionalen Geschichte: Es Ebner aus dem Jahr 1835 beschreibt kurz und prägnant die war eine Zeit aufklärerischer Reformen unter Kaiser Joseph wirtschaftliche Situation des Montafons am Beginn des 19. II. von Österreich und König Maximilian I. von Bayern, die Jahrhunderts. Das Tal war von kleinen landwirtschaftlichen eine Modernisierung des Landes zum Ziel hatten. Zugleich Gütern und der Saisonarbeit geprägt. war es aber auch eine Zeit heftigen Widerstandes gegen diese Neuerungen von großen Teilen der Bevölkerung. Viele Männer wanderten den Sommer über als Bauarbeiter ins Ausland, zahlreiche Frauen verdingten sich im Herbst Im Montafon kam es wegen der Reformen, die von der eher als Erntehelferinnen im süddeutschen Raum oder in der konservativ eingestellten ländlichen Bevölkerung nicht Schweiz und bis zu 700 Montafoner „Schwabenkinder“ gutgeheißen wurden, immer wieder zu Unruhen: Im No- wurden alljährlich auf Märkten in Südwestdeutschland vember 1789 regte sich beispielsweise in Schruns unter der als Hütebuben oder Kindermädchen von wohlhabenden Führung der dörflichen Oberschicht Widerstand gegen die Bauern „ersteigert“.2 Die Landwirtschaft wurde dadurch neue Schule, sodass der Lehrer sich vor der aufgebrachten oft zum Nebenerwerb reduziert und statistisch gesehen Menge verstecken und schließlich nach Bludenz fliehen

Seite 271 Montafoner Schützen am Schlappinerjoch (Hans Bertle)

musste.6 Der damalige Schulkommissär berichtete zur all- Tatsächlich hatten die alteingesessenen Eliten im Monta- gemeinen Situation, dass in Schruns weniger als die Hälfte fon gute Gründe gegen die Veränderungen eingenommen der Kinder die Schule besuchten und es wegen der großen zu sein, denn durch die Einrichtung des Landgerichtes in Armut vielen wenig vermögenden Kindern an Schuhen fehl- Schruns 1775, sowie durch die Installierung eines Kreis- te und in Gaschurn wegen der – wie er es nannte – „harten amtes in Bregenz 1786 büßten die Honoratioren, die als Vor- Winterszeit“ nicht genug warme Kleidung für die Schüle- gesetzte, Steuereinnehmer oder Geschworene die lokalen rinnen und Schüler vorhanden war.7 und regionalen Ämter bekleidet hatten, einen wesentlichen Teil ihrer bisherigen Macht gegenüber den neu eingesetz- Auch bezüglich der Reformen im Bereich der Religion, insbe- ten Beamten ein.13 Nach jahrhundertelangen Bemühungen sondere wegen der Beschränkung der Prozessionen und des hatten die Montafoner endlich ein eigenes Gericht, dessen Verbots des Wetterläutens, kam es im Montafon zu Tumulten Vorsitz durch Angehörige der regionalen Oberschicht hätte gegen die Obrigkeit. In einem Bericht der für das Montafon besetzt werden können, doch schon nach kurzer Zeit wur- zuständigen Regierung in Innsbruck an die habsburgischen den statt diesen juristisch ausgebildete Beamte als (Land-) Zentralbehörden in Wien glaubten die zuständigen Beamten Richter eingesetzt. den eigentlichen Grund für die Unruhen gefunden zu haben: In den Jahren zwischen 1796 und 1800 wurde Vorarlberg „Die Vorsteher sind dumme und stolze Leute, welche einen dann im Zuge der Kriege zwischen Österreich und Frank- starken Anhang haben, und also in allen Stücken den ge- reich mehrfach zum Kriegsschauplatz. Die von der Ober- meinen Mann dahin führen, wo sie wollen”.8 schicht angeführten Montafoner Schützenkompanien nahmen mehrfach an den Kämpfen teil und mindestens 17 Im Zuge der in den nächsten Jahren durchgeführten Unter- Montafoner verloren in diesem Zusammenhang ihr Leben.14 suchung bescheinigte der Innsbrucker Gubernialrat Karl Das Montafon selbst wurde zwar außer bei einem Schar- von Schmidt den Vorarlberger Ammännern zudem das Attri- mützel am Schlappinerjoch nie zum direkten Kampfgebiet, but „Verschlagenheit“9 und beklagte, dass die meisten von doch forderte die Besetzung der südlichen Gebirgspässe ihnen Gastwirte seien und keinerlei juristische Ausbildung in den Winter- und Frühlingsmonaten des Jahres 1799 auf- besäßen.10 Es wurde ihnen zudem vorgeworfen, dass die grund der extremen Witterung nicht unbedeutende Opfer Steuereinhebung nicht ganz korrekt ablaufe: „Die ursach unter Schützen und Zivilbevölkerung, welche die Soldaten dißer ärgerlichen ohnordnung komet daher daß gemeinig- im Gebirge versorgen musste. Wegen der großen Kälte und lich […] die ammänner und steyrer in denen gerichteren das tiefem Schnee kam es zu zahlreichen Erkrankungen und Er- umbgeld einziechen und zu gleicher zeit weinschäzer seind frierungen.15 und dabey selbsten wein außschenckhen, ja gemeininglich die beste würth seind. Daß sich also nicht zu verwundern, Wenige Jahre später musste das junge Kaisertum Österreich wann daß umbgeld ohnrichtig eingezogen und dabey vile nach einer neuerlichen Kriegsniederlage gegen Frankreich verbottene vortheilhafftigkeiten zu schaden des publici ge- im Frieden von Pressburg 1805 das Gebiet des heutigen braucht werden.“11 Die „lokalen Despoten“12, deren Rechte Vorarlbergs an das Königreich Bayern abtreten. Die nun von durch die Reformen beeinträchtigt wurden, instrumentali- Bayern eingeführten Reformen stießen bei der Montafoner sierten die scheinbar religiös motivierten Unruhen für ihre Bevölkerung wiederum – wie schon in den Jahrzehnten zu- persönlichen Interessen. Man kann also konstatieren, dass vor – auf starke Ablehnung. Unter anderem führte Bayern die Aufstände auch politische und soziale Bruchlinien zwi- eine umfassende Verfassungs- und Verwaltungsreform schen Beamten und lokalen Eliten offen legten. durch, bei der Gemeinden und Gerichte den letzten Rest

Seite 272 Schruns um 1850

ihrer Selbstverwaltung verloren und zu staatlichen In- Wiederherstellung ganz besonders befürwortet hatte, die stanzen umfunktioniert wurden. Die althergebrachte, tra- Freude über die Rückkehr zu Österreich bald einer Enttäu- ditionelle landständische Verfassung wurde 1808 gänzlich schung, die sich durch die Hungersnot in den Jahren 1815 aufgehoben. Auch im Steuerwesen kam es zu Verände- bis 1818 noch steigerte.19 rungen. Als besonders drückend empfand die Bevölkerung in Anbetracht der fast ununterbrochen andauernden Kriege die neuerliche Einführung der allgemeinen Wehrpflicht. Armut und Reichtum – Die Vermögensverteilung in Schruns um 1810 Besonders die Oberschicht hatte unter diesen Reformen zu leiden, da das neue Steuersystem eine gerechtere Be- Das Steuerbuch von Schruns aus den Jahren 1809/1020 steuerung zum Ziel hatte und durch die Einführung der ermöglicht die Rekonstruktion der dörflichen Vermögens- allgemeinen Wehrpflicht nunmehr auch die Söhne aus der verhältnisse und lässt auch die Erstellung eines groben Oberschicht einrücken mussten – was bisher nicht der Fall Sozialprofils zu. So sind im Steuerbuch 354 Steuerpflicht- gewesen war. ige genannt, die durchschnittlich 8,7 Marken zu bezahlen hatten. Dieser Betrag, der mit „Marken“ bezeichnet wurde, Ein neuer Krieg löste 1809 parallel zu Tirol eine Rebellion bezieht sich nicht auf eine gezahlte bzw. real zu zahlende Vorarlbergs gegen die rechtmäßige bayerische Herrschaft Geldsumme, sondern spiegelt den Wert des steuerpflicht- aus. Zahlreiche bayerische oder als bayernfreundlich titu- igen Vermögens und den zu leistenden Anteil an der gesam- lierte Amtsträger wurden verhaftet oder mussten die Flucht ten Steuersumme des Dorfes, die variieren konnte, wider. ergreifen. Im Montafon flohen der Landrichter Maximilan Die Steuerbücher können als „Rustikalsteuerregister“ be- Gugger16 und der Landammann Ignaz Vonier17 ins benach- zeichnet werden, da sie weitgehend auf immobilem Vermö- barte Prättigau, um der Verfolgung durch die Aufstän- gen – also Haus- und Grundbesitz – beruhten.21 Das gilt vor dischen zu entgehen. Vonier war von den Insurgenten zuvor allem deswegen, weil größere Vermögen an Bargeld eine schon als Geisel genommen und vor den Tiroler Oberkom- Ausnahme darstellten und etwa die Landgerichtsbeamten mandanten Andreas Hofer geführt worden. Dieser wollte in Schruns berichteten, dass man in den „nächsten besten ihn zuerst sogar exekutieren lassen, ließ ihn dann aber zehn Häusern zusammen nicht fünf Gulden baares Geld fin- nach kurzer Haft frei.18 den würde“.22

Nach der Niederlage der Rebellen und der Wiederherstel- Der Median der Marken lag im Gegensatz zum Durch- lung der Ordnung verfolgte Bayern nach 1809 eine zurück- schnittswert (8,7 Marken) bei 2,5 Marken, das heißt, dass haltendere und auf Entspannung bedachte Politik. Es kam die Hälfte der Steuerpflichtigen über ein so geringes Ver- vor allem im sozialen Bereich zu Veränderungen. Damals mögen verfügten, dass sie nur Steuern im Gegenwert von wurden etwa die Sanitätssprengel, die Feuerversicher- 2,5 Marken oder weniger zu bezahlen hatten. Im oben ungen, der Steuerkataster und die Straflosigkeit uneheli- abgebildeten Ausschnitt findet sich das andere Ende der cher Geburten eingeführt. Nach den politischen Umwälz- Skala vertreten: Mit 270 Marken lag Oswald Tschohl un- ungen auf gesamteuropäischer Ebene kam Vorarlberg 1814 angefochten an der Spitze der vermögenden Schrunser. wieder zurück zu Österreich. Der Großteil der bayerischen Während der Großteil der Bevölkerung permanent in Ar- Reformen blieb jedoch in Kraft, insbesondere wurde die mut oder zumindest an der Armutsgrenze lebte, steigerte alte landständische Verfassung nicht im vollen Umfang Tschohl vor allem durch Kreditvergabe sein Vermögen und wieder hergestellt. So wich bei der Oberschicht, die diese seine politische Macht, da er durch Kredite Abhängigkeiten

Seite 273 schuf und so eine große Anhängerschaft erhielt. Besonders durchschnitts leisteten zugeordnet werden, während 40 der in Krisenzeiten – etwa in den 1790er Kriegsjahren oder in oberen Schicht angehörten, die mehr als das Doppelte des den Hungerjahren 1815 bis 1818 – erhöhten Wucherzinsen Markendurchschnitts bezahlten. Zwischen diesen Werten die Gewinne der Reichen aus dem Kreditgeschäft und ver- lagen 99 im Bereich des Mittelwerts. festigten ihre soziale Stellung im Dorf, während gleichzeitig die ärmeren Schichten in noch größere Abhängigkeit von Auf die 40 wohlhabendsten Schrunser, etwas mehr als zehn ihren Kreditgebern gerieten. Der Vorarlberger Kreishaupt- Prozent aller Steuerpflichtigen, entfielen zusammen 55,45 mann Franz Anton von Daubrawa berichtete bezüglich des Prozent der gesamten Steuern, während die 215 Ärmsten, Kreditwesens 1817, nach mehreren Jahren der Missernten die 60 Prozent der Steuerzahler ausmachten, lediglich auf und des Hungers, an das Gubernium in Innsbruck: 12,47 Prozent der Steuerleistung kamen.

„Dagegen aber wird die öffentliche Sittlichkeit durch die In der folgenden Tabelle sind die zehn reichsten Schrunser, jetztigen Zeitumstände in der anderweiten Hinsicht sehr die ein Vermögen im Gegenwert von über 50 Marken besa- verdorben, daß dieselben wucherischen Spekulazionen of- ßen, mit der Anzahl der von ihnen zu entrichtenden Marken fenes Feld biethen. Der Notleidende muß auch die härtesten aufgeführt: Bedingungen sich gefallen lassen. Die gerichtliche oder an- derweite Entdeckung ist um so schwerer, weil der Schuldner Name Marken nichts sagen darf, und dieser Gegenstand ohnehin unter Tschohl Oswald 270 allerley Arten von Masken verhüllt wird.“23 Jochum Jakob 167 Sander Ignatz 120 Eine Vermögensaufstellung von Oswald Tschohl und seiner Rudigier Johann Ulrich 102 Frau Maria Christine Greberin aus dem Jahr 181024 zeigt Tschohl Peter 76 deutlich die Bedeutung des Kreditwesens für die wirtschaft- Würbel Florinus 70 liche Vormachtstellung der Oberschicht. Sein mit Abstand Manall Christian 60 größter Posten waren die Kredite und Zinsen, während das Ganahl Frantz 55 Bargeld und sein mobiles und immobiles Vermögen nur Vonier Ignatz 54 einen Bruchteil des Wertes seines gesamten Besitzes aus- Amann Franz Anton 51 machten: Gleichzeitig zeigt ein Blick auf die Ämterlisten, dass die Ver- Haus, Guth, Majenses, Weiden und ein Stükl treter der wirtschaftlichen Oberschicht auch gleichzeitig an im Ried sind taxiert 4.389 fl den politisch wichtigsten Positionen saßen. Einige der eben Hausmobilien, Esswahren und Vieh ist taxiert 763 fl genannten hatten mehrfach das Amt eines Vorgesetzten An einnehmenten Schuldbosten auf Martiny des Tales – eines der höchsten Ämter im Montafon – inne 1809 sowohl Zins als Kapital 39.211 fl (Johann Ulrich Rudigier 1802, 1806-12; Ignaz Sander 1801; An Geld 1.300 fl Oswald Tschohl 1770, 1774, 1778, 1782, 1790; Ignaz Vonier An Aussteuerung des Sohns Franz 2.000 fl 1792, 1796, 1800), oder bekleideten andere lokal oder regi- [Summe] 47.663 fl onal bedeutende Ämter wie Landammann, Geschworener, Steuereinnehmer, Gegenschreiber oder Gemeindevorste- Von allen im Steuerbuch genannten Personen können 215 her.25 der unteren Schicht, die weniger als die Hälfte des Marken-

Seite 274 Johann Joseph Batlogg 1799

Auch ihre wohlhabenden Verwandten bekleideten diverse Im Mai 1789 wurde er vom Gerichtsherrn zum proviso- Ämter. Korruption und Vetternwirtschaft stellten in diesem rischen Richter im Montafon ernannt und erhielt dafür eine Umfeld vermutlich keine Ausnahmeerscheinungen dar. jährliche Besoldung von 200 Gulden. Als es in der Folge Die deshalb erlassenen Verbote und Beschränkungen der aufgrund der josephinischen Reformen im Montafon zu Obrigkeit, die Wirten oder nahen Verwandten verboten be- Ausschreitungen kam, wurden mehrere Kommissionen zur stimmte Ämter zu übernehmen, waren zumeist nur wenig Untersuchung derselben ins Montafon gesandt. Der Kreis- erfolgreich. hauptmann Georg Andreas von Buol bezeichnete Batlogg dabei als „einen vernünftigen, ehrlichen und leitsamen Während im Großteil Vorarlbergs viele Menschen schon seit Mann“ und 1790 wurde dieser auf unbestimmte Zeit zum der Mitte des 18. Jahrhunderts im textilen Verlagswesen ar- Landammann gewählt und ihm ein überdurchschnittlich beiteten, entwickelte sich dieser Gewerbezweig im Monta- hoher Gehalt zuerkannt. Nachdem er überdies 1792 vor fon nur langsam. Die Initiatoren und Verleger waren jedoch dem Kreishauptmann eine Prüfung über das bürgerliche in erster Linie die Angehörigen der Oberschicht. 1793 ließ Recht abgelegt hatte, wurde ihm im Jahr darauf vom Appel- etwa Ignaz Vonier zusammen mit zwei Mitgesellschaftern lationsgericht die Wahlfähigkeit für eine „mit dem Criminali Baumwollgespinst herstellen. Sowohl Johann Ulrich Rudi- nicht verbundene Ortsrichterstelle“ zuerkannt.29 gier als auch Oswald Tschohl traten in der Folge dieser Ge- sellschaft bei und 1801/02 beschäftigte „Vonier + Comp.“ Obwohl sich Batlogg im Zuge des ersten Koalitionskrieges 93 Heimweber sowie 4.000 Spinnerinnen.26 Zusätzlich be- 1796 sehr für die Landesverteidigung engagiert hatte, saß Vonier 1804 sogar eine eigene Weberei-Manufaktur.27 wurde er im Zusammenhang mit der in Bludenz erfolgten Ermordung des Kreishauptmannes Ignaz Anton von Inder- mauer als Anstifter des Mordes angeklagt und mehrere Mo- Die Herren im Tal nate inhaftiert. Zwei Jahre später wurde er jedoch schließ- lich für unschuldig erklärt, rehabilitiert und wieder in sein Nun etwas ausführlicher zu zwei prominenten Vertretern Amt eingesetzt.30 der Montafoner Oberschicht – zu zwei der „Herren im Tal“: Im Herbst des Jahres wurde ihm als eine Art Entschädigung Der noch heute in der Region bekannte und manchmal als zudem „in Anbetracht seiner großen Verdienste um die Ver- „Montavoner Patriot“28 bezeichnete Johann Joseph Batlogg theidigung des Vaterlandes als Zeichen besonderer Gnade war von 1789 bis 1800 Landammann und Richter im Mon- und Zufriedenheit“ eine goldene Münze verliehen.31 tafon. Er wurde 1751 geboren und entstammte einer ange- sehenen, jedoch wenig vermögenden Familie aus Vandans. Im Zuge des zweiten Koalitionskrieges bewährte sich Bat- Da ihm seine Eltern kein Studium finanzieren konnten oder logg wiederum als Schützenhauptmann der Montafoner wollten, erhielt er eine grundlegende Ausbildung durch Kompanien und wirkte bei der Abwehr des französischen einen örtlichen Priester und vertiefte sich später durch Angriffs auf Feldkirch 1799 sowie bei der Wiedereroberung Selbststudium in die Rechtswissenschaft. Nach seiner Hei- Graubündens im Frühjahr 1800 mit.32 Im Zuge dieser militä- rat mit Maria Josefa Bitschnau übersiedelte er 1779 in deren rischen Einsätze und vor allem auf Wachposten in den Auen Elternhaus ins Nachbardorf St. Anton. Dort begann er sich im Rheintal im Winter 1799/1800 zog er sich – wie viele an- neben der Landwirtschaft mehr und mehr dem Anwaltsbe- dere auch – eine schwere Erkrankung zu und verstarb noch ruf zu widmen. im Oktober 1800 im Alter von 49 Jahren.33

Seite 275 Ignaz Vonier 1803

Batlogg ist mit seiner juristischen Ausbildung und seiner In der Folgezeit wurde er regelmäßig in dieses Amt gewählt Nicht-Zugehörigkeit zur alteingesessenen vermögenden bis er nach Batloggs Tod im Jahr 1801 zum letzten Montafo- Oberschicht des Tales als ein Vertreter der neu entste- ner Landammann, der zugleich auch Richter war, erkoren henden Beamtenschaft zu sehen. Er kann in erster Linie wurde. Das damit verbundene Richteramt endete mit der aufgrund seines Amtes als Landammann und seiner Wert- Einrichtung des bayerischen Landgerichtes Montafon 1806. schätzung durch den Großteil der Bevölkerung als Ange- Vor dieser Übernahme teilten sich Vonier und der Vorge- höriger der regionalen Elite bezeichnet werden. Immerhin setzte Matthias Drexel jedoch noch die in der Gerichtskas- forderten Teile der Bevölkerung sogar seine Ernennung zum se deponierten Gelder, um diese nicht den neuen Macht- Kreishauptmann von Vorarlberg. habern in die Hände fallen zu lassen.36 Der Wirkungskreis der Landammannschaft wurde von den Bayern auf die Ver- Johann Ignaz Vonier wurde in der regionalhistorischen waltung der ökonomischen Verhältnisse und die landstän- Literatur immer wieder als Gegenspieler Batloggs darge- dische Vertretung reduziert und schließlich 1808 gänzlich stellt und spielte dementsprechend auch in mehreren dem aufgehoben. „Volkshelden“ Batlogg gewidmeten Theaterstücken den In- triganten und „Bösewicht“.34 Dies stellt eine zu einseitige Zudem wirkte Vonier in den Koalitionskriegen als Offizier Einschätzung dar, die dieser Person nicht gerecht wird. der Montafoner Schützenkompanien und erhielt dafür 1802 eine goldene Denkmünze verliehen. Vonier war im Jahr 1764 in Schruns zur Welt gekommen und stammte im Gegensatz zu Batlogg aus einer wohlhabenden Dass er aber auch mit der neuen bayerischen Verwaltung Familie und schon sein Vater – der Wirt und „Baukünstler“ in einem guten Verhältnis stand, belegt seine Auszeich- Josef Vonier – hatte diverse regionale Ämter bekleidet. Sein nung mit der goldenen Verdienstmedaille 1808. Der König um vier Jahre älterer Bruder Franz Joseph hatte als einer von teilte dazu mit, dass „wir [...] mit Wohlgefallen die wieder- ganz wenigen Montafonern das Gymnasium in Konstanz ab- holten Beweise von Vaterlandsliebe und Unterthanstreue solviert und anschließend von 1779 bis 1782 in Innsbruck vernommen [haben], wodurch sich der Landammann Ignaz Theologie studiert. Von 1789 bis 1810 war er dann Pfarrer Vonier zu Schruns [...] bei verschiedenen Gelegenheiten in Schruns und hatte somit ein einflussreiches geistliches und besonders zur Zeit der daselbst vorgewesenen Unru- Amt inne. hen ausgezeichnet und um die Erhaltung der Ordnung sich verdient gemacht hat.“37 Auch im Zusammenhang mit der Ignaz Voniers junges Heiratsalter von 22 Jahren weist ihn zuvor schon erwähnten Ermordung des Kreishauptmannes ebenso als Angehörigen der Oberschicht aus, denn der in Bludenz im Jahr 1796 versuchte Vonier immer wieder Großteil der Bevölkerung konnte sich eine Hochzeit und die die aufgebrachte Menge zu beruhigen, konnte die Tat aber Gründung eines eigenen Haushaltes durchschnittlich erst schließlich nicht verhindern.38 im Alter von etwa 28 Jahren leisten.35 In diesem recht jun- gen Alter bekleidete Vonier jedoch bereits erstmals das Amt Im Gegensatz zu Batlogg war Ignaz Vonier zu poli- eines Vorgesetzten – das seit Jahrhunderten höchste regio- tischen Kompromissen bereit. Seine Bereitschaft, mit der nale Amt, das sich oft in der Hand einiger weniger Familien bayrischen Verwaltung zusammenzuarbeiten, wurde ihm befunden hatte. von manchen Zeitgenossen übel genommen und im Auf- standsjahr 1809 musste er vor seinen aufständischen Landsleuten ins Prättigau fliehen und wäre sogar beinahe exekutiert worden.39

Seite 276 Schützenscheiben 1826

Dennoch wurde er 1816 zum ersten Montafoner Standesre- Auch die Beschäftigung von Gesinde konnten sich nur we- präsentanten ernannt und beeinflusste in den folgenden nige leisten und verdeutlichte die hohe Stellung im Dorf. Jahren federführend die Geschicke des Montafons. Auff- Oswald Tschohl suchte etwa im Hungerjahr 1816 für seine grund seines Engagements wurde etwa in Schruns eine Zei- Familie und seine Dienstboten um einen Fastendispens – chenschule für die vielen Saison-Bauarbeiter errichtet oder um die Erlaubnis in der Fastenzeit Fleisch zu essen – an.42 etwa ein Gesangsverein ins Leben gerufen. Im Jahr 1828 Zur selben Zeit hatten andere schon zu Pferd- Hund- und starb er 64-jährig in Schruns.40 Katzenfleisch Zuflucht genommen oder versuchten gar mit Gras bzw. Heu ihren Hunger zu stillen.43

Ansehen, Ehre und Macht im Dorf Auch im kirchlichen Bereich konnten die Angehörigen der Oberschicht ihre besondere Stellung zur Schau tragen, Eine Schützenscheibe aus dem Jahr 1826 zeigt eine Mög- denn bei Prozessionen war die Reihenfolge des Zuges ge- lichkeit zur Demonstration der sozialen Hierarchie, des so- nau geregelt und sicherte den Amtsträgern die wichtigsten zialen Prestiges im Dorf. Die Inschrift klärt über den Stifter Plätze.44 derselben auf: Insgesamt ist festzustellen, dass zwischen 1780 und 1830 „Zum Andenken der Schützen im Jahr 1826. Von Herrn vor allem hinsichtlich der Zusammensetzung der Eliten Landammann und Gemeindevorsteher Ignaz Vonier, Schütt- die Kontinuitäten dominierten. Zwar gab es durch die zenhauptmann und Standesrepräsentant des Thales Mon- Professionalisierung der Beamtenschaft und Reformen im tafon.“ - „O könnten wir unserm Standesvatter sein Leben Verwaltungswesen gewisse Veränderungen, doch stellten eine lange Zeit zurückstellen!“ sich die meisten Oberschichtfamilien auf diese neuen Um- stände ein und ließen ihren Nachkommen entweder eine Die besondere Wertschätzung Voniers wird durch die Be- entsprechende Ausbildung zukommen oder sicherten ihre zeichnung „Standesvater“ deutlich hervorgehoben. soziale Stellung im Dorf mit wirtschaftlichen Mitteln ab.

Ähnliche Strategien wie die Stiftung dieser Schützenschei- be waren die Stiftungen von Jahrtagen, Kapellen, Votivbil- 1 Meinrad Tiefenthaler (Bearb.), Die Berichte des Kreishauptmannes dern, die Mitgliedschaft in Bruderschaften, eine gezielte Ebner. Ein Zeitbild Vorarlbergs aus der 1. Hälfte des 19. Jahrhunderts Heirats- und Patenschaftspolitik oder einfach das Nachah- (Schriften zur Vorarlberger Landeskunde 2). Dornbirn 1950, S. 94. men von adeligen oder bürgerlichen Lebensstilen und Ver- 2 Otto Uhlig, Vorarlberger Schwabenkinder, in: Jahrbuch des Vorarlberger haltensweisen. Landesmuseumsvereins 122/123 (1978/79), S. 143-180, hier S. 158. 3 Alois Niederstätter, Bemerkungen zur Rinderhaltung im vorindustriellen Unter anderem versuchten die Eliten etwa auch Adelstitel Vorarlberg. Eine erste Bestandsaufnahme, in: Montfort 51 (1999), S. 118- oder Wappenbriefe zu erlangen. Die Amtstätigkeit und die 128, hier S. 123. Nähe zur Herrschaft bedeutete für die Angehörigen der Füh- 4 Kurt Klein, Die Bevölkerung Vorarlbergs 1754 bis 1869, in: Montfort 20 rungsschicht häufig nicht nur ein größeres Sozialprestige, (1968), S. 154-173, hier S. 167: 1786: 8115, 1808: 8156, 1823: 8620. sondern auch Karriere- und Verdienstmöglichkeiten für die 5 Montafon Archiv (fortan: MA), Josef-Zurkirchen-Archiv, Schruns 0/2.0. eigene Familie. So erhielt etwa 1789 und 1820 der Vorgesetz- 6 Andreas Ulmer, Die Volksbewegung gegen die kirchenpolitischen te und Landammann Ignaz Vonier die im Arlberggebiet gele- Neuerungen Josefs II. im Lande Vorarlberg und im besonderen in der gene Alpe Mareu als Lehen vom Habsburger Landesherrn.41 Pfarre Dornbirn 1789-91, in: Montfort 1 (1946), S. 45-118, hier S. 105 f.

Seite 277 7 Sebastian Hölzl, Vorarlbergs Pflichtschulwesen vor 200 Jahren, in: 18 Benedikt Bilgeri, Geschichte Vorarlbergs, Bd. 4: Zwischen Absolutismus Montfort 34 (1982), S. 115-136, hier S. 117. und halber Autonomie. Wien/Köln/Graz 1982, S. 233. 8 Österreichisches Staatsarchiv (fortan: ÖStA), Allgemeines 19 Karl Heinz Burmeister, Vorarlberg unter Bayern 1806-1814, in: Vorarlberg Verwaltungsarchiv, Hofkanzlei, Karton 1351, Tirol 1771-1791 (Anstalten Chronik. Dornbirn 32005, S. 116 f. gegen Tumulte). Bericht des Guberniums an die Hofkanzlei vom 20 Vorarlberger Landesarchiv (fortan: VLA), Stand und Gericht Montafon, Hs 9.12.1789. 77/16. 9 Tiroler Landesarchiv (fortan TLA), Cod. 378, Geogr., pol. u. ök. Landes 21 Vgl. Arno J. Fitz, Die Frühindustrialisierung Vorarlbergs und ihre – dann Individuale Domainen-Beschreibung des Kreises Vorarlberg. Auswirkungen auf die Familienstruktur (Vorarlberg in Geschichte und Aufgenommen durch die zur Untersuchung des Domainenstandes Gegenwart 2). Dornbirn 1985, S. 40. dahin abgeordnete Gubernial-Kommission. Verfaßt von Gub.-Rat Karl 22 Otto Uhlig, Die Schwabenkinder aus Tirol und Vorarlberg (Tiroler v. Schmidt. Im Jahre 1792, fol. 105, zitiert nach: Reinhold Bernhard, Wirtschaftsstudien 34). Innsbruck 31998, S. 46. Einiges zur Vorgeschichte des Falles „Ignaz Anton von Indermauer“, 23 TLA, Jüngeres Gubernium Serie I, Geheime Präsidialakten X3, in: Jahrbuch Vorarlberger Landesmuseumsverein 121/122 (1976/77), S. Stimmungsbericht für den Kreis Vorarlberg für das erste Quartal 1817. 68-86, hier S. 69. 24 VLA, Stand und Gericht Montafon, Akten 31/795. 10 Otto Stolz, Verfassungsgeschichte des Landes Vorarlberg, in: Montfort 5 25 Hermann Sander, Beiträge zur Geschichte des Montafoner Wappens. Mit (1950), S. 1-100, hier S. 72 Anmerkungen über die Familie Friz und die Vorgesetzten von Montafon 11 Victor Kleiner, Die Beschreibung der vorarlbergischen Herrschaften aus und mit zwei Abbildungen des Montafoner Wappens (Beiträge zur dem Jahre 1740, in: Alemannia. Zeitschrift für Geschichte, Heimat- und Geschichte von Bludenz, Montafon und Sonnenberg in Vorarlberg 5). Volkskunde Vorarlbergs 1 (1935), S. 129-160, hier S. 142 f. Innsbruck 1903, S. 14 f. 12 Gerhard Wanner, Frühindustrialisierung und gesellschaftspolitischer 26 Hubert Weitensfelder, Industrie-Provinz. Vorarlberg in der Wandel im Zeichen der „Vorarlberger Konterrevolution“ (1789–1800), in: Frühindustrialisierung 1740-1870 (Studien zur Historischen Neue Perspektiven 1809 (Informationsbuch 1), hg. von Gerhard Wanner,. Sozialwissenschaft 29). Frankfurt am Main 2001, S. 35. Lochau, S. 19-33, hier S. 29. 27 Christoph Volaucnik, Aspekte des vorindustriellen Wirtschaftslebens in 13 Vgl. Wolfgang Scheffknecht, Beharrung und Reform: Vorarlberg zwischen der Region Bludenz. In: Bludenzer Geschichtsblätter 2 (1988), S. 35-54, Österreich und Bayern, in: Die Integration in den modernen Staat. hier S. 48. Ostschwaben, Oberschwaben und Vorarlberg im 19. Jahrhundert, hg. 28 Gebhard Fischer, Joh. Jos. Battlogg, ein Montavoner Patriot, in: Jahres- v. Carl A. Hoffmann/Rolf Kießling (FORUM SUEVICUM. Beiträge zur Bericht des Ausschusses des Vorarlberger Museums-Vereins 27 (1888), Geschichte Ostschwabens und der benachbarten Regionen 7). Konstanz S. 16-25. 2007, S. 91-124. 29 Hermann Sander, Johann Josef Batlogg, der Landammann von 14 Gerhard Wanner, Die Menschenopfer im Dienste der Landesverteidigung Montafon. Ein Lebensbild. Innsbruck 1900, S. 4-8. von 1792 bis 1805, in: Montfort. 23 (1971), S. 5-49, hier S. 15. 30 Guido Burtscher, Die Ermordung des Kreishauptmannes I. A. von 15 Thomas Kirisits, Die Rolle des Montafons in den Franzosenkriegen Indermauer zu Bludenz im Jahre 1796, in: Bludenzer Geschichtsblätter (1792-1801) (Schriftenreihe der Rheticus-Gesellschaft 13). Feldkirch 1982, 18+19 (1994), S. 175-180, hier S. 178 f. Vgl. Sander (wie Anm. 17). S. 76 f. 31 Fischer (wie Anm. 28), S. 22. 16 Rudolf von Granichstaedten-Czerva, Die bayerischen Landrichter in Tirol 32 Arnulf Benzer/Meinrad Tiefenthaler, Vorarlberg 1809. Ein Kampf um (1806-1814) (Sonderdruck aus „Österreichisches Familienarchiv“ II). Freiheit und Selbständigkeit. Bregenz 1959, S. 16. Kirisits (wie Anm. 15), Neustadt a. d. Aisch 1962, S. 252. S. 75-78. 17 Hermann Sander, Die Ermordung des vorarlbergischen 33 Sander (wie Anm. 29), S. 35. Kreishauptmanns I. A. von Indermauer (am 10. August 1796) und ihre 34 Grete Gulbransson-Jehly, Batlogg. Montafoner Heimatstück in 6 Bildern. Folgen. Innsbruck 1896, S. 280 f. Schruns [1928]. J. Schregenberger, Joh. Josef Batlogg, der tapfere

Seite 278 Landammann von Montafon. Volksschauspiel in 4 Akten. Bregenz 1910. 35 Wolfgang Scheffknecht, Bludenz im Jahrhundert der Aufklärung (1730- 1814), in: Geschichte der Stadt Bludenz. Von der Urzeit bis zum Beginn des 20. Jahrhunderts, hg. von Manfred Tschaikner. Sigmaringen 1996, S. 281-421, hier S. 294. 36 Ludwig Welti, Bludenz als österreichischer Vogteisitz 1418-1806. Eine regionale Verwaltungsgeschichte (Forschungen zur Geschichte Vorarlbergs 2). Zürich 1971, S. 205, 208. 37 Sander (wie Anm. 17), S. 278-280. 38 Paula Geist-Lány, Der Aufruhr in Vorarlberg im Jahre 1796. In: Vierteljahrsschrift für Geschichte und Landeskunde 7 (1923), S. 17-27, hier S. 22. 39 Christoph Vallaster, Kleines Vorarlberger Schützenscheibenbuch (Ländle-Bibliothek 1). Dornbirn 1984, S. 72 f. 40 MA, Josef-Zurkirchen-Archiv, Schruns 0/1. 41 MA, Josef-Zurkirchen-Archiv, Montafon 3/1.0. Ludwig Vallaster, Alpen Mareu und Albona, in: Montafoner Heimatbuch. Schruns 1974, S. 537–541, hier S. 538 f. 42 MA, Josef-Zurkirchen-Archiv, Schruns 11/8.4. 43 TLA, Jüngeres Gubernium, Geheime Präsidialakten X 3, Stimmungsbericht Vorarlberg für das 4. Quartal 1816. 44 MA, Josef-Zurkirchen-Archiv, Schruns 11/0.

Seite 279 Karte aus der Mitte des 18. Jahrhunderts

Seite 280 Vortragsreihe der Montafoner Museen, in Kooperation mit dem Geschichtsverein Region Bludenz; Stallehr, Davennasaal, 30. September 2008 Manfred Tschaikner (geb. 1957 in Bludenz), Dr. phil., Univ.-Doz., seit 2002 Mitar- beiter im Vorarlberger Landesarchiv

Herrschaft, Gericht, Steuergenossenschaft, Kirchspiel und Gemeinde Zur Verwaltungsgeschichte des Großraums Bludenz in der Frühen Neuzeit Manfred Tschaikner

Einleitung so viel wie „Rede, Bericht, Botschaft“ hieß. „Kirchspiel“ bedeutete also im engeren Sinn „Bezirk, in dem ein Pfar- Der Großraum Bludenz weist eine politische Gliederung rer predigen und die kirchlichen Amtsgeschäfte ausüben auf, die nur vor dem Hintergrund ihrer vielhundertjährigen kann“. Des Weiteren verstand man darunter eine Gruppe Geschichte verständlich ist. Die historischen Ereignisse von Menschen, die die Predigt in einer bestimmten Kirche und Entwicklungen, die zur heutigen Raumstruktur geführt besuchte und auch an den Beratungen der Gemeinde teil- haben, sind jedoch vielfach in Vergessenheit geraten. Dies nahm. Der Begriff „Kirchspiel“ bezeichnete später zuse- gilt nicht nur für die Gemeinden, sondern auch für die Herr- hends einen territorial abgegrenzten Raum und wurde zu schafts- und Gerichtsbezirke. So war erst jüngst in Zeitungen einem Synonym für „Gemeinde“ allgemein. Im kirchlichen zu lesen, Lorüns und Stallehr seien 1806 von der Herrschaft Bereich verdrängte ihn das Lehnwort „Pfarre“.4 Dieses lei- Sonnenberg an das Landgericht Montafon gekommen,1 was tet sich vom spätlateinischen „parrochia“ her und führt auf nicht zutrifft. Bei Lorüns wurde sogar das Gemeindewappen einen griechischen Begriff mit der Bedeutung von „Nach- als Erinnerung an „die historische Zugehörigkeit“ zu Son- barschaft, Gemeinde“ zurück.5 nenberg interpretiert.2 Ja, selbst die Gerichtsdatenbank auf der Homepage des Bundesministeriums für Justiz wies Stal- Das Wort „Ge-mein-de“ besteht wie der lateinische Aus- lehr bis vor kurzem irrtümlich als Teil des Gerichtsbezirks druck „com-mun-itas“ aus einer verstärkenden Vorsilbe Bludenz aus.3 und einem Grundwort mit der Bedeutung etwas, „worin man sich abwechselt, was einem im Wechsel zukommt“,6 Die folgenden Ausführungen über die geschichtlichen worüber man also nicht allein und unbeschränkt verfügt. Grundlagen der politischen Raumbildung gliedern sich in Auch der Begriff „All-men-de“ – die Bezeichnung für den drei Abschnitte mit neun Kapiteln. Der erste Teil befasst Grund, den die Gemeindeangehörigen gemeinsam bewirt- sich mit dem Gebiet nördlich von Ill und Alfenz, also mit schafteten – weist dieselbe Wortwurzel auf.7 Nüziders, Bludenz und Braz. Der zweite handelt von den Verwaltungsstrukturen auf der südlichen Talseite, von Heute versteht man unter „Gemeinde“ hauptsächlich (1.) Bürs, Bürserberg und Brand. Im dritten Abschnitt wird die einen dem Staat untergeordneten öffentlich-rechtlichen besonders komplizierte Stellung der heutigen Gemeinden Verband, (2.) dessen Angehörige oder jene eines kirch- Lorüns und Stallehr im Schnittpunkt von Bludenz, dem lichen Verbands und (3.) eine Gruppe von Menschen, die Klostertal und dem Montafon näher untersucht. Dazu gehö- sich mit bestimmten (geistigen) Interessen zusammenge- ren auch Darlegungen über die Bludenzer und Montafoner funden hat.8 Gerichtsbarkeit sowie über die drei einst wichtigen Land- marken „Buzíens“, „St. Nikolaus“ und „Egge“. Davor aber In den frühneuzeitlichen Herrschaften Bludenz und Son- sind noch einige Bemerkungen zu den für die Verwaltungs- nenberg kam die Funktion eines dem Staat untergeord- geschichte des Großraums Bludenz zentralen Begriffen neten öffentlich-rechtlichen Verbands nicht den Gemein- „Kirchspiel“ und „Gemeinde“ angebracht. den, sondern den Kirchspielen zu. Deren Vertreter wurden von der Obrigkeit regelmäßig unter Eid in die Pflicht ge- „Kirchspiel“ und „Gemeinde“ nommen und deshalb „Geschworene“ genannt. Manchmal deckten sich „Kirchspiel“ und „Gemeinde“, zumeist jedoch Was ein „Kirchspiel“ war, ist heute zumeist unbekannt. Der bestanden Erstere aus mehreren Gemeinden. Diese stellten Begriff weist – wie der Ausdruck „Beispiel“ – das Grundwort Körperschaften unterschiedlicher Art dar, die nicht gesetz- „Spel(l)“ auf, was althochdeutsch und mittelhochdeutsch lich normiert und von einander auch nicht klar abgegrenzt

Seite 281 Der Großraum Bludenz auf der Karte von Schwaben 1811

waren. Eine „Gemeinde“ konnte letztlich alles sein, was ihre eigene Verwaltungs- und Gerichtsstruktur, wurde aber Menschen durch gemeinsame Tätigkeiten verband. Es gab durch die landesfürstlichen Vögte oder Vogteiverwalter ge- „Brunnengemeinden“ mit gemeinsamem Wasserbezug, meinsam mit der Herrschaft Bludenz verwaltet, was nicht „Alpgemeinden“ mit bestimmten Weiderechten, „Gemein- nur die Bedeutung der Stadt steigerte, sondern auch zu ei- den“ als Opposition zu den Geschworenen, ja „Gemein- ner Ausdehnung derselben auf ehemals sonnenbergisches den“ innerhalb von „Gemeinden“,9 „Gemeinden“, die zu Territorium führte. verschiedenen Herrschaften gehörten,10 und so weiter. Der habsburgische Landesfürst, der allein über den Blut- Viele Verbände, die in der Frühen Neuzeit „Gemeinden“ bann – also über das Recht, Übeltäter hinrichten zu las- hießen, würde man heute als „Genossenschaften“ be- sen – verfügte, verlagerte zudem den Ort, an dem solche zeichnen. Dieser Begriff – der ebenfalls so viel bedeutet wie Hinrichtungen stattfanden, das so genannte Hochgericht, „seinen Besitz gemeinsam mit anderen haben“11 – wurde von der alten Gerichtsstätte Guggais am Hängenden Stein im frühneuzeitlichen Sprachgebrauch vor allem für Perso- näher an den Sitz seiner Vögte auf Schloss Bludenz, und nengruppen verwendet, die durch gemeinsame vererbbare zwar auf ein ihm gehörendes Grundstück westlich des St. Steuerverpflichtungen verbunden waren. Dabei handelte Annabildes beim heute noch so genannten Galgentobel.13 es sich um die Bludenzer Bürger, die Montafoner Hofjünger, Hochgerichtsverfahren jedoch, die mit Leibstrafen außer die Sonnenberger und die Walser. Diese Gruppen hatten der Todesstrafe endeten,14 blieben weiterhin dem Sonnen- jährlich fällige, auf bestimmte Summen festgelegte Steuern berger Gericht vorbehalten, das in Nüziders tagte.15 Die Ver- abzuführen, die von jenen Steuern zu unterscheiden sind, lagerung des Hochgerichts auf das Gebiet des Kirchspiels welche die Landstände für den Landesherrn in unregelmä- Bludenz signalisierte gleichzeitig eine Übernahme der son- ßigen Abständen und in unterschiedlicher Höhe einzogen. nenbergischen Blutgerichtsbarkeit durch den Bludenzer Vogt. Im ausgehenden 17. Jahrhundert konnten die Bluden- Bludenz – Nüziders zer Bürger deshalb bei einem Streit mit den Sonnenbergern darauf verweisen, dass sie die Delinquenten zwar nur bis Beginnen wir unseren Rundgang bei den ältesten Sied- zum St. Anna-Bildstock führten, diese dort aber nicht von lungen des Bludenzer Beckens: Nüziders und Bludenz. Die Sonnenbergern Gerichtsmitgliedern, sondern durch den Frage, welcher der beiden Orte auf ein höheres Alter ver- Weibel im Namen des Landesfürsten übernommen würden. weisen kann, beschäftigt die Historiker bereits seit langem, Auch hatte sich damals schon „eingebürgert“, dass Rechts- wird hier aber nicht weiterverfolgt. Nach der Gründung der streitigkeiten über Belange des Bludenzer Kirchspiels vom Stadt im 13. Jahrhundert hatte die Siedlung am Fuß des Stadtgericht und nicht mehr vom sonnenbergischen Gericht Montikels ihrem Rivalen Nüziders jedenfalls den Rang ab- abgehandelt wurden.16 Die Gemeindestrukturen betrafen gelaufen. diese Veränderungen jedoch nicht.

Im Spätmittelalter war Bludenz der Hauptort der gleichna- Bludenz – Braz migen Herrschaft, die 1420 österreichisch wurde. Die Dör- fer des Kirchspiels Bludenz im Umfeld der Stadt gehörten Das Gebiet der Pfarre Nüziders umfasste einst auch das jedoch bis 1695 zur Herrschaft Sonnenberg, so dass die Klostertal. Bludenz samt Bürs bildete darin – wie es der ummauerte Siedlung eine Inklave auf deren Gebiet dar- Kirchenhistoriker Andreas Ulmer ausdrückte – eine „merk- stellte.12 Nachdem 1473/74 auch Sonnenberg zu Österreich würdige Exklave“.17 Während Außerbraz zur Pfarre Bludenz gekommen war, behielt diese Herrschaft zwar weitgehend zählte, gehörte Innerbraz zur Pfarre Nüziders. Beide Orte

Seite 282 bildeten aber – wie das gesamte Kirchspiel Bludenz mit denz vollständig – also nun auch steuerlich und gerichtlich Ausnahme der Stadt – einen Teil der Herrschaft Sonnen- – von Sonnenberg an die Stadtgemeinde und damit auch berg. an die Herrschaft Bludenz kam, zeigte sich, dass keines- wegs alle Außerbrazer an einer Vereinigung mit dem Kirch- Nachdem sich Dalaas und Klösterle 1386 endgültig von spiel Innerbraz interessiert waren. Etliche von ihnen spra- Nüziders gelöst hatten und zu selbständigen Pfarreien chen sich gegen die „brazische separation“ aus,20 denn bei erhoben worden waren, verblieb Braz damals noch im einer Trennung von Bludenz hätten sie die besseren Gründe ursprünglichen Verband. Wohl aufgrund seiner Abgele- unterhalb des Grupser Tobels nicht mehr mitbenützen kön- genheit verselbständigte es sich aber im Verlauf des 15. nen. Noch in der Zeit, als Vorarlberg zu Bayern gehörte, und Jahrhunderts und wurde schließlich „als förmliche Pfarre in den Jahren bis zur Aufteilung der Bludenzer Allmein 1817 anerkannt“, ohne dass je eine kanonische Pfarrerhebung verteidigten die Außerbrazer ihre Rechte an den dortigen stattgefunden hätte.18 Gemeindegründen massiv. Damals versuchte die Stadt de- ren Ansprüche mit der Erklärung in Frage zu stellen, dass Das zur Pfarre Bludenz gehörende Außerbraz war davon Außerbraz erst 1695 von Sonnenberg an Bludenz gekom- jedoch nicht betroffen. Da die Einteilung in Pfarrbezirke kei- men sei. Damit drang sie aber vor Gericht nicht durch, denn ne rein kirchliche Angelegenheit darstellte und der Stadt- entscheidend war in diesem Belang die Kirchspielszugehö- rat von Bludenz im gleichnamigen Kirchspiel – und somit rigkeit.21 Bei den Vorverhandlungen zum Auswechslungs- auch in Außerbraz – über das Zwing- und Bannrecht, also vertrag war übrigens auch ein Anschluss von Innerbraz über die Gebots- und Verbotsgewalt, verfügte, gelang es („von dem ohnehin der Stadt schon ein Drittel gehöre“) an den dort Ansässigen im 16. Jahrhundert nur, sich der Pflicht Bludenz diskutiert worden.22 zu entziehen, die städtische Pfarrkirche zu besuchen. An- geschlossen an die Pfarre Innerbraz wurde Außerbraz aber Nördlich der Ill und der Alfenz bewirkten die wirtschaftlichen erst im Zuge der kirchlichen Reformen in den Achtzigerjah- Interessen also, dass sich die Grenzen des alten Kirchspiels ren des 18. Jahrhunderts.19 Politisch gehört es bis heute zur Bludenz heute noch mit jenen der Stadtgemeinde decken. Stadtgemeinde Bludenz. Im großen Gebiet südlich der beiden Flüsse verlief die Ent- wicklung anders. Hier erstreckte sich die Pfarre Bludenz im Schon bei den Vorverhandlungen zum so genannten Aus- Mittelalter über Bürs ins Tal der Alvier und bis ins innerste wechslungsvertrag von 1695, durch den das Kirchspiel Blu- Montafon, ja sie soll sogar St. Antönien im Prättigau um-

Seite 283 fasst haben.23 In diesem Raum lösten sich die Gemeinden St. Wolfgang-Kapelle als Grenze des Personenverbands der im Spätmittelalter schrittweise aus dem Verband mit Blu- Walser im Brandnertal gegenüber den Sonnenbergern fest- denz und bildeten eigene Pfarrsprengel aus. gelegt worden.32

Bludenz – Bürs – Bürserberg – Brand Anders als etwa den Walsern am Dünser- und Schnifner- berg, die stets von den Talgemeinden dominiert wurden,33 Einer davon war jener von Bürs. Er entstand bereits im 15. ermöglichten es die Umstände den Neusiedlern in Brand Jahrhundert und umfasste das Gebiet der heutigen Gemein- also, sich innerhalb eines bestehenden Kirchspiels nicht den Bürs, Bürserberger und Brand.24 Selbstverständlich bil- nur als Gemeinde zu formieren, sondern sich in der Folge dete Bürs schon damals – und nicht erst im 16. Jahrhun- sogar daraus zu lösen. Die Gründung einer eigenen Pfar- dert25 – eine eigene politische Gemeinde. Gemeinsame re bedeutete aber nicht in jedem Fall, dass sich eine Ge- Besitzungen, die aus einer ehemaligen Zusammengehörig- meinde dadurch auch vom Kirchspiel trennte, zu dem sie keit – im vorliegenden Fall mit der Stadt Bludenz – herrüh- gehörte. ren, dürfen nicht als Zeichen der Unselbständigkeit miss- verstanden werden. Das zeigt die zum Kirchspiel Bürs zählende Gemeinde Bürserberg.34 Sie wurde im Jahr 1736 zur Pfarre erhoben,35 Die Verwaltungsstrukturen des Raums von Bürs, Bürser- löste sich aber erst mit Vertrag vom 29. Juli 1770 endgültig berg und Brand veranschaulichen die Bedeutung von von Bürs. Darin heißt es, dass Bürserberg nunmehr „an und Kirchspielen und Gemeinden auf besonders eindrückliche für sich selbsten für eine eigene Gemeind der Herrschaft Weise. Nachdem ursprünglich auch das Brandnertal zu Sonnenberg gleich einer andern in allem zu halten und zu Bürs gehört hatte, übernahm eine Gruppe von Walsern26 achten“ sei.36 Diese komplizierte Formulierung war durch 1347 vertraglich dessen Nutzung.27 Die Zuwanderer bildeten die Mehrdeutigkeit des Begriffs „Gemeinde“ bedingt. Eine eine Gemeinde, lösten sich im Verlauf der Zeit aus dem Gemeinde in einer anderen Bedeutung des Wortes hatte kirchlichen Verband mit Bürs und wurden – vergleichbar Bürserberg ja schon lange davor gebildet. mit Braz – ohne formalen Akt auch zu einer selbständigen Pfarrgemeinde. Versuche, die Pfarrgründung auf 1617 fest- Wie bei Braz fasste man anlässlich der Bemühungen, die zulegen, stützen sich nur auf die erste Erwähnung eines problematische Durchmischung der Bludenzer Ausbürger, Brandner Pfarrers in den schriftlichen Aufzeichnungen, was Sonnenberger Steuergenossen und Montafoner Hofjünger bei der Quellenarmut jener Zeit wenig aussagekräftig ist.28 im Großraum Bludenz im ausgehenden 17. Jahrhundert im Die formale Pfarrerhebung erfolgte 1727.29 Das bedeutete Zuge eines Auswechslungsvertrags durch eine neue terri- auf keinen Fall, dass Brand erst damals zu einer selbstän- toriale Grenzziehung aufzuheben, auch im Raum südlich digen politischen Gemeinde geworden wäre, wie in der der Ill größere Veränderungen ins Auge. Da die Bludenzer ortskundlichen Literatur zu lesen ist.30 Bürgerschaft allein mit der Übernahme des Kirchspiels Blu- denz gegenüber der Sonnenberger Steuergenossenschaft Unabhängig von der Gemeindebildung im Brandnertal benachteiligt gewesen wäre, bot Letztere an, der Stadt das umfasste die Steuergenossenschaft der dortigen Walser Brandnertal zu überlassen. Als diese aber auch Bürs ver- ursprünglich auch die Bewohner des Bürserbergs. Diese langte, musste eine andere – finanzielle – Lösung gesucht lösten sich erst 1697 endgültig aus dieser Verbindung mit werden.37 Brand.31 Im Jahr 1513 war noch der Peterstein oberhalb der

Seite 284 "Gemeinde Stallehr" 1791

Stallehr – Lorüns stellung zu, die sich bis heute erhalten hat: Sie gehören nicht zum „8-gliedrigen Stand“ Montafon, dem Forstfonds, Die komplexeste Verwaltungsgeschichte im Großraum Blu- sondern nur zum „10-gliedrigen Stand“, dem so genannten denz weisen die beiden Gemeinden Stallehr und Lorüns „politischen Stand“, als einer Art von Gemeindeverband.42 auf. Sie zählten zwar zum Kirchspiel Bludenz, aber nicht wie dessen übrige Dörfer bis 1695 zur Herrschaft Sonnen- In anderen Worten findet sich eine entsprechende Unter- berg. Sie bildeten vielmehr wie die Stadt einen Teil der Herr- scheidung schon in mehreren Artikeln des Montafoner schaft Bludenz und gehörten dort zur Talschaft Montafon. Landsbrauchs von 1601. Dort heißt es etwa: „Und wan ain Aufgrund ihrer geringen Bevölkerungszahlen und der ge- Sonnenberger, mann- oder weibsperson, aus der herr- meinsamen Sonderstellung im Kirchspiel Bludenz wurden schaft Sonnenberg in Montafun über die Allvenz gen Stal- Stallehr und Lorüns in der Frühen Neuzeit oft als eine Ein- ler, Arunß oder gar in Muntafunn zeucht, so hat niemands heit behandelt.38 kain nachfrag zu derselben personen [...].“43 Man zog also in den Montafoner Steuerdistrikt, wenn man sich in Stallehr Obwohl auch St. Anton faktisch noch bis 1646 zur Pfarre oder Lorüns niederließ. Das eigentliche Montafon begann Bludenz zählte,39 gehörte diese Gemeinde in der Frühen allerdings erst dahinter. Neuzeit nicht zum gleichnamigen Kirchspiel und bleibt im Folgenden somit außer Betracht. Wenn übrigens in der Dorf- Die Sonderstellung der Bludenzer Kirchspielsgemeinden beschreibung von 1817, die später Andreas Ulmer referierte, Stallehr und Lorüns dokumentiert auch der 21. Artikel des irrtümlich behauptet wird, dass erst 1786 mit der „Trennung Landsbrauchs, der den freien Zuzug der Hofjünger in die der Allmein & Waldung vom bisher gemeinsamen Besitz mit Stadt Bludenz und seine Modalitäten regelte: Wenn Hof- Bludenz [...] auch die gemeindepolitische Selbständigkeit jünger in die Stadt Bludenz ziehen und „guet außerhalb des Ortes begründet“ worden sei,40 ging ihr Verfasser von des kirchspels Bludenz ligen haben, als ver und soweit die der – bereits bei Bürs erwähnten – falschen Annahme aus, hofiünger nachzufragen und ihr grechtigkait ist, so mögen dass erst eine Trennung von gemeinsamem Besitz die Exi- die hofiünger dasselbig gelegen guet steuren [...]. Wann si stenz einer unabhängigen Gemeinde ermöglichte. aber das gelegen guet verkaufen und es ins kilchspel Blu- denz ziechen, alsdann so haben es die hofiünger nit mehr, Auf Andreas Ulmer führt auch die irrige Auffassung zurück, sonder die bürger zue Bludenz zu steuren.“44 In diesem Stallehr und Lorüns hätten einst zur Herrschaft Sonnenberg Belang wurden somit Stallehr und Lorüns als Gemeinden gezählt. Die spätere Zugehörigkeit zum Montafon erklärte des Bludenzer Kirchspiels vom Montafoner Steuerdistrikt er mit folgendem Konstrukt: „Als 1806 unter Bayern das ausgenommen. Landgericht Montafon errichtet wurde, kamen die früher zur Herrschaft Sonnenberg gehörigen Orte Lorüns und Stallehr Die unbeholfene Formulierung im Landsbrauch von 1601, zu diesem Sprengel, damit die zur Errichtung erforderliche der zwischen Orten „im Montafon“ und solchen „ganz in Zahl von 7000 Seelen erreicht wurde.“41 Montafon“ unterschied, wurde spätestens im 18. Jahr- hundert durch die Ausdrücke „steuerbares“ und „nicht- In Wirklichkeit hatte Lorüns immer schon und Stallehr end- steuerbares Kirchspiel“ ersetzt. Letzterer drückte aus, dass gültig seit 1587 zum Montafon gezählt. Da die beiden Ge- Stallehr und Lorüns zwar zum Bereich gehörten, wo dem meinden gleichzeitig jedoch auch einen Teil des Kirchspiels Bludenzer Stadtrat Acht und Bann zukamen, gleichzeitig Bludenz bildeten, kam ihnen in der Talschaft eine Sonder- aber auch zum Steuerbezirk Montafon zählten.45

Seite 285 Bei der Volkszählung von 1754 wurden die beiden Gemein- der Talschaft gelegenen Gemeinden Stallehr und Lorüns den eindeutig zum „Thaal Montafon“ gerechnet.46 Klare bei,56 als die Montafoner Landsordnung neu verzeichnet Grenzen dokumentiert denn auch ein Bericht an die Per- wurde.57 äquations-Hofkommission vom März 1770: „Die in mitten der Herrschaft Sonnenberg gelegene Stadt Bludentz und Eine kompliziertere Überschneidung territorialer Sprengel die übrige kleine nur in etlichen Häusern bestehende Örth- wies übrigens die zur Pfarre Bludenz gehörende Kuratie lein, als Obdorff, Brunnenfeld und Bings (welich letsteres Stallehr auf: Von diesem Montafoner Ort aus wurden die dem montafonischen Flecklein Stalleer grad gegenüber ligt nicht zur Talschaft gehörenden Weiler Bings, St. Leonhard, und von selben nur durch das Wasser, die Allvenz genant, Radin, Grups und Gasünd auf der rechten Talseite mitbe- abgeschnitten würdet) seynd von keiner besseren Gattung treut.58 Laut Andreas Ulmer bildete Stallehr seit 1948 zu- als besagtes Flecklein Stalleer und Lorüns im Montafon.“47 sammen mit Bings eine eigene Pfarrvikarie und seit 1956 In einem Schreiben der Innsbrucker Regierung vom 21. Juni eine eigene Pfarre. Nachdem Stallehr 1938 in die Stadtge- 1782 ist ausdrücklich von „der Gemeinde Staleer im Thale meinde Bludenz eingemeindet worden war, löste man den Montafon“ die Rede,48 und die Bewohner selbst bezeichne- Ort 1941 auch vom Dekanat Montafon und teilte ihn jenem ten ihren Ort 1789 als „Stalleer im Thal Montafon und der von Sonnenberg zu, wo er nach der Wiedererrichtung einer Pfarr Bludenz in Vorarlberg“.49 selbständigen Gemeinde 1947 verblieb. Lorüns hingegen zählt als Teil der Pfarre Bludenz zum Dekanat Montafon.59 Wenn es weiterer Belege dafür bedürfte, dass Lorüns und Stallehr im 18. Jahrhundert nicht zur Herrschaft Sonnen- Nachgetragen sei hier noch, dass Lorüns und Stallehr bis in berg, sondern zum Montafon gehörten, könnte man – au- die zweite Hälfte des 19. Jahrhunderts gemeinsam mit der ßer auf die Karte von Blasius Hueber und die danach er- Stadt Bludenz über Allmeingründe, Waldungen und über stellte „Ständekarte“50 – auch auf die königlich-bayerische einen Gemeinwerksfonds samt entsprechenden Arbeits- Verordnung vom 3. Dezember 1806 selbst verweisen, wo es verpflichtungen verfügten. Bereits 1824 stellten die beiden ausdrücklich hieß, dass das neu gegründete Landgericht Montafoner Gemeinden den Antrag auf eine Teilung des Montafon „die bisherige Landammannschaft Montafon“ Letzteren. 1852 unterbreiteten sie neuerlich ein entspre- umfasste.51 Diese wiederum deckte sich mit dem Gebiet chendes Angebot.60 Mit 10. Dezember 1884 soll dann die des 1775/76 errichteten Montafoner Gerichts, das im Rah- gemeinsame Verwaltung von Allmein, Wald und Straßen- men der josefinischen Reformen im August 1786 in ein so konkurrenz aufgelöst worden sein. Auch in diesem Zusam- genanntes Ortsgericht umgebildet („reguliert“) worden menhang verbreitete Andreas Ulmer die irrige Vorstellung, war,52 wovon im folgenden Kapitel noch ausführlicher die dass Stallehr erst nach der Aufhebung des Gemeinwerkver- Rede ist.53 bands mit Bludenz und Lorüns eine unabhängige Gemein- de geworden sei.61 Im Montafoner Gericht waren die beiden Bludenzer Kirch- spielsgemeinden Stallehr und Lorüns laut Statut vom De- Bludenz und die Montafoner Gerichtsbarkeit zember 1775 mit keinen Beisitzern vertreten,54 obwohl zum Beispiel eine Liste der zehn Montafoner Gemeinden aus Die Montafoner bemühten sich beinahe die ganze Frühe dem Jahr 1785 mit Stallehr, Lorüns und St. Anton beginnt.55 Neuzeit hindurch um die Errichtung eines eigenen Gerichts Aus ähnlichen Gründen wie bei der Besetzung des Gerichts im Tal,62 was die Stadt Bludenz bis in die zweite Hälfte des zogen die Montafoner zum Beispiel auch 1654 keine Vertre- 18. Jahrhunderts auf die Dauer stets zu verhindern wusste. ter der eindeutig innerhalb der Landmarken (Grenzpunkte) Schließlich profitierte sie – noch mehr als gegenüber Son-

Seite 286 Titulatur des Montafoner Ortsgerichts 1803

nenberg – stark von ihrer Stellung als Sitz der Verwaltung und Rechtsprechung.63 Die Bindung der Montafoner an die Wenn sich die Montafoner eine autonome Gerichtsgewalt Stadt gestaltete sich nämlich weitaus enger als jene der erwartet hatten, wurden sie schwer enttäuscht. Das neue Sonnenberger. Die Bludenzer hatten es im Spätmittelalter Gericht war noch stärker herrschaftlich kontrolliert als verstanden, die Abhängigkeit des größten Teils der Talbe- das Bludenzer Stadtgericht. Dieser Umstand hatte einen wohner vom Hof St. Peter, wonach sie „Hofjünger“ genannt wesentlichen Grund dafür dargestellt, dass sich die lan- wurden, in eine Abhängigkeit von der Stadt umzuformen, desfürstlichen Obrigkeiten für die Gründung eines neuen so dass sie in der Frühen Neuzeit treffender als „Stadtjün- Montafoner Gerichts entschieden.70 Der aufrührerische Blu- ger“ bezeichnet worden wären. denzer Bürgermeister Johann Josef Berchtel hatte damals verbreitet, die Montafoner Vorsteher seien einverstanden Das Jahr 1775 stellte in dieser Hinsicht einen markanten Ein- gewesen, dass das Tal alle Freiheiten und Gerechtigkeiten schnitt dar. Alle Versuche des Bludenzer Rats, die Errichtung an den Freiherrn von Sternbach verliere und ihm leibei- eines Montafoner Gerichts zu verhindern, waren damals gen werde.71 Und der Historiker Ludwig Welti meinte spä- vergeblich geblieben. Selbst die Drohung, sämtliche Kapi- ter dazu: „Sogar ganz gewöhnliche Gantbriefe wurden im talien aus der Talschaft abzuziehen,64 hatte nichts gefruch- ersten Jahrzehnt der Wirksamkeit dieses Gerichtes von der tet. Als der Stadtrat die Aussichtslosigkeit seiner Unterneh- Landschreiberei Montafon unter dem Sternbach-Siegel im mungen erkannt hatte, bemühte er sich – mit Hinweis auf Namen des Freiherrn von Sternbach, Lehensinhabers der das alte Märzengericht auf der Platte bei St. Peter65 – im vorderösterreichischen Herrschaft Bludenz, Sonnenberg Nachhinein noch darum, dass wenigstens der Gerichtssitz und Montafon[,] als Praeses (Vorsitzender) des Montafo- in die Stadt gelegt würde.66 Es nützte jedoch alles nichts: Es nischen Zeit- und Landgerichtes ausgestellt.“72 blieb bei der kaiserlichen Entschließung vom 19. Dezember 1775, die „dem Thal Montafon“ ein eigenes Gericht mit Sitz Vorsitzender des neuen Montafoner Gerichts war also der vor Ort gewährt hatte. Gleichzeitig waren damit die traditio- Lehensinhaber oder ein Beamter desselben. Jedes der sie- nellen Märzengerichte abgeschafft worden.67 ben Kirchspiele73 stellte zwei Beisitzer, wovon neben den amtierenden Vorgesetzten jeweils einer an den Sitzungen Das Bludenzer Stadtgericht verlor dadurch den größten teilzunehmen hatte. Sie wurden wie die Geschworenen vom Teil seines Territoriums. Es war nunmehr auf die Dörfer des „gemeinen Mann“ in den Kirchspielen als Dreiervorschlag „steuerbaren Kirchspiels“ Bludenz beschränkt, umfasste gewählt, von denen die Obrigkeit je einen vereidigte. Nach also allein das heutige Stadtgebiet. Dass die Gemeinden vier Jahren konnten sie wiedergewählt oder ersetzt werden. Lorüns und Stallehr zum Sprengel des neuen Montafoner Als Aktuar kürte der Freiherr eine Person aus einem Dreier- Gerichts zählten, galt als so selbstverständlich, dass es vorschlag der Talschaftsbewohner.74 nicht eigens erwähnt wurde. In der Montafoner Gerichtsord- nung vom Dezember 1775 heißt es nur: „Hiemit dan solle Die Montafoner waren mit dem neuen Gericht nicht sehr zu- das thal Muntafon von der stadt Bludenz und dasigem frieden. Schon im Sommer 1784 suchten die Vorgesetzten gericht vollends separirt seyn.“68 Am 17. Februar 1776 ord- und Geschworenen des Tals beim Kaiser darum an, dass nete schließlich auch der Freiherr von Sternbach an, dass es wie das Gericht Jagdberg „reguliert“ werde. Wie dort die „Inwohner des Thal Montafon“ gerichtlich künftig allein wollte man künftig einen „Ammann“ als Gerichtsvorsteher vor dem dortigen Gericht oder dem herrschaftlichen Ober- und auch den Landschreiber selbst wählen.75 Nicht erwähnt vogteiamt – also nicht mehr vor dem Stadtgericht – belangt wurde dabei, dass dies in Jagdberg nicht durch das Volk, werden durften.69 sondern durch Wahlmänner geschah.76

Seite 287 Das Gericht in Schruns wurde schließlich gemäß einem Be- Was die Stadt Bludenz betraf, verlor diese, nachdem Vorar- fehl vom 30. Mai 1785 mit höchster Resolution vom 30. Au- lberg 1806 an Bayern gefallen und eine neue Gerichts- gust 1786 in ein „allgemeines Ortsgericht“ umgewandelt. struktur eingeführt worden war, ihre diesbezügliche Funk- Bei der Amtsaufnahme im Jahr darauf war es mit einem tion als Zentralort für kurze Zeit ganz. Damals war nicht Richter – dem nunmehrigen Ammann –, einem geprüften die Stadt, sondern das Dorf Nüziders zum Sitz des neuen rechtskundigen Ratsmann, zwei Ratsbeisitzern „aus der Landgerichts Sonnenberg bestimmt worden, und zwar bis Gemeinde“, einem Kanzlisten und einem Gerichtsdiener entsprechende Regelungen über die verbleibenden Rechte besetzt. Die Bestellung und Bezahlung des Ratsmanns, der Freiherren von Sternbach in Bludenz getroffen worden des Kanzlisten und des Gerichtsdieners oblagen dem Frei- wären. Bevor man aber eine entsprechende Lösung fand, herren von Sternbach als Lehens- und Gerichtsherrn.77 wurde mit Ende 1808 auch der letzte Rest der Bludenzer Ge- richtsbarkeit, das kleinräumige Stadtgericht, aufgehoben. Bei dieser relativ autonomen Regelung blieb jedoch nicht Dessen Kompetenzen gingen ebenfalls an das Landgericht lange: Durch die so genannte Sistierungs-Resolution vom Sonnenberg über. Im Sommer 1809 schließlich übersiedel- 17. September 1790 wurde wiederum der herrschaftliche te diese Behörde, wie von der Stadt gewünscht, nach Blu- Vogteiverwalter zum Vorsitzenden des Gerichts erklärt. „Die denz. Zuerst war sie im Schloss untergebracht, wo sie aber Amanschaft kann nur in jenen Fällen ohne seiner einschreit- der Freiherr von Sternbach nicht lange duldete. Von 1811 bis ten, wenn er nicht beykömmt.“78 um 1820 diente ihr das Gasthaus Hirschen als Unterkunft, dann bezog sie ein Haus in der Kirchgasse.83 Im Montafon blieb die Unzufriedenheit mit dem lokalen Gericht deshalb trotz des nunmehr selbst gewählten Rich- Seit 1809 war Bludenz also wiederum Sitz einer regionalen ters, des „Landammanns“, groß. Schon im Dezember 1793 Verwaltungs- und Gerichtsbehörde, bei der es sich nun aber suchten die Vertreter der Talschaft bei der Regierung um um ein staatliches und kein Stadtgericht mehr handelte. eine neuerliche „Regulierung“ an.79 Bis zur bayerischen Zeit Sie hieß auch weiterhin „Landgericht Sonnenberg“, nicht änderte sich jedoch nichts mehr an den Bestimmungen von „Landgericht Bludenz“. Ihr Sprengel erstreckte sich vom 1790.80 Arlberg bis kurz vor die Tore der Stadt Feldkirch, denn Fra- stanz wurde erst 1903 vom Bezirk Bludenz getrennt.84 Auch Dennoch werteten manche Zeitgenossen die Errichtung wenn nach der Errichtung beziehungsweise Wiedererrich- der „Landammannschaft Montafon“ als den eigentlichen tung von Bezirkshauptmannschaften in den Jahren 1849/50 Beginn der Montafoner Gerichtsbarkeit. So heißt es in ei- und 1868 das Montafon neuerlich von Bludenz aus verwal- ner Landesbeschreibung von 1792 fälschlich, das Montafon tet wurde,85 blieb dem Tal doch das eigene Gericht erhalten. sei 1787 im Zuge der josefinischen „Gerichtsregulierung“ vom Stadtgericht Bludenz getrennt worden.81 Auch in einer St. Nikolaus Schrift über die neue bayerische Landesorganisation heißt es später unzutreffend, dass die „Landammannschaft Mon- Mit den beiden Gemeinden Lorüns und Stallehr reicht das tafon“ erst durch Hofentschließungen von 1786 und 1790 Montafon auch bis heute in den Großraum Bludenz heraus. von der Gerichtsbarkeit des Bludenzer Magistrats gelöst Die entsprechende Grenze verlief einst über die drei Land- und dadurch zu einer „selbständigen Justiz- und Polizeibe- marken „St. Nikolaus“, „Egg“ und „Buzíens“, die alle in hörde“ erhoben worden sei.82 Die Errichtung des Gerichts Vergessenheit geraten sind. Die beiden ersten verschwan- 1775/76 wurde nicht zur Kenntnis genommen. den mit dem Bau des Zementwerkes um 1907. Schon um

Seite 288 "Niklausenbild" in der Karte von Blasius Hueber um 1780

Grenzziehung im Großraum Bludenz nach 1695 (Vorarlberger Ständekarte 1783)

Seite 289 Abrechnung der Schanzbauten auf dem St. Niklausen Platz 1647

1870 wurde am dortigen Lärchenbüchel, der sich als letzter nahm dann beim so genannten Stutzegg eine scharfe Wen- Ausläufer der Davenna einst unmittelbar bis an die Alfenz dung ostwärts in Richtung Stallehr und führte in etwa zwei erstreckte, Rohgestein zur Zementerzeugung abgebaut.86 Minuten zur genannten Lichtung, von wo es nicht mehr weit Mittlerweile hat der große Steinbruch die Landschaft am zur Alfenzbrücke hinunter war.94 Eingang zu Montafon gänzlich verändert. Die Örtlichkeit „zu St. Nicola“95 oder allgemeiner „St. Ni- Der Zugang ins Tal der oberen Ill gestaltete sich früher an- klausen Platz“96 bildete jedoch keine kleine Weidefläche ders als heute. Noch in einem 1895 erschienenen Reise- auf dem Hügel direkt oberhalb der Brücke – also noch auf führer ist die Rede von einem „Bergpasse“, der „die Ein- der Klostertaler Seite –, sondern erstreckte sich als eine gangspforte zum Montafon bildet“.87 Wer sich in der Frühen große Flur südlich des Stutzeggs zwischen den Felswänden Neuzeit dorthin begab, hatte nach der Überquerung der und der Ill bis zu den Grenzen von St. Anton. Sie gehörte zu Alfenzbrücke tatsächlich zunächst einen steilen Hügel des keiner bestimmten Gemeinde. Die über St. Nikolaus verlau- Lärchenbüchels, eines Ausläufers des Davenna-Stocks, zu fende Hauptverkehrsverbindung aus dem Walgau und dem überwinden. Von dort zog sich ein „rauer und steiniger“ unteren Klostertal in das Montafon musste vom Kirchspiel Weg in Richtung Lorüns.88 Die Alfenz- und Ill-Auen verhin- Bludenz erhalten werden.97 derten eine bequemere Trassenführung. Während heute der geistliche Schutz über den Eingang ins Der Weg führte, von der Brücke kommend, wahrscheinlich Montafon dem heiligen Nepomuk, dem Patron der Lorünser bereits unten im Talboden am St. Nikolaus-Bild vorbei, das Kirche, obliegt,98 erfüllte diese Funktion in der frühen Neu- schon 1618 auch St. Nikolaus-Kapelle genannt wurde.89 zeit der heilige Nikolaus. Er galt unter anderem als Patron Zahlreiche Quellen der Frühen Neuzeit dokumentieren, der Reisenden und Schutzheiliger gegen Wassergefahren,99 dass man sich „in der Hofjünger Landmarken über die Al- was gerade beim Zugang ins Montafon einst von hoher fenz an St. Niklausen vorüber ins Montafon hinein“ begab90 Bedeutung war, verlief die Straße in der Flur St. Nikolaus und dass dort „das thal Montafon seinen anfang hat“.91 doch direkt an der Außenseite einer Ill-Krümmung und un- Auf der Karte Blasius Huebers aus der Zeit um 1783 ist es terhalb von Felshängen, die nicht umsonst über weite Stre- südlich und auf drei Karten, die vermutlich aus der Mitte cken „Staböse“ – also „Steingefahr“ – genannt werden. In des 18. Jahrhunderts stammen,92 nördlich des Wegverlaufs Vorarlberg weisen heute insgesamt 13 Kirchen und Kapellen eingezeichnet. – unter anderem in Braz, Bludesch, Raggal, Silbertal und Gortipohl – das Patrozinium des heiligen Nikolaus auf.100 Er Obwohl das St. Nikolaus-Bild laut Andreas Ulmer „um 1874 war auch einer der Heiligen, denen im ausgehenden Mittel- noch bestand“,93 vermochte es Hermann Sander trotz aller alter die Kapelle in Vandans, die Vorläuferin der späteren Erkundigungen im ausgehenden 19. Jahrhundert nicht mehr Pfarrkirche, geweiht wurde.101 richtig zu lokalisieren, weil er es am falschen Ort suchte. Er ging davon aus, dass es sich beim St. Niklausenplatz um Noch im Jahr 1811 bildete die Flur St. Nikolaus eine „unver- den alten Namen des Schafbodens gehandelt habe. Dieser theilte Bludenzer, Lorünser, Stahlerer und Bartholomäber- bildete jedoch nur eine kleine Ebene auf dem Lärchenbü- ger Allgemeind“. Sie wurde damals wie Stallehr dem neuen chel. Von Brunnenfeld her erreichte man den Schafboden Bartholomäberger Steuerdistrikt zugeteilt.102 Die Gemeinde nach Überqueren der Brücke durch einen kurzen Aufstieg. Lorüns hingegen gehörte zum Steuerdistrikt Vandans. Ihr Von Lorüns aus führte der Weg zunächst den Stutz hinauf, Gebiet reichte damals also noch nicht über die Ill und war

Seite 290 auch im Westen enger begrenzt, da sich der Steuerdistrikt Das Amtsurbar von 1618 führt an, dass das Tal Montafon Bludenz südlich der Ill zwischen dem Leuetobel und dem beim St. Nikolaus-Bild „seinen anfang“ habe.109 An einer Gavalinatobel bis hinauf zum „Ragenner-Joch“ unterhalb anderen Stelle des Dokuments wird aber ausdrücklich das der zu Bürs zählenden Gavalina-Alpe erstreckte.103 „Egg“ als „eingang des talls Montafon“ bezeichnet.110 In ei- ner dritten Notiz heißt es, die Grenze zwischen Sonnenberg Als dem bedeutendsten und leichtesten Zugang zur Tal- und Montafon verlaufe auf der Südseite des Tals durch den schaft Montafon kam der Flur St. Nikolaus in der Frühen „wald Ravaltschina“ (heute Rafaschina) in die Ill hinunter Neuzeit auch hohe strategische Bedeutung zu. Deshalb und von dort „gegen Sanct Niclasen Bild in das obgedachte wurden hier wie beim ehemaligen Gasthaus Engel zwi- egg oder end des bergs, so sich dem gradt und schnee- schen Braz und Dalaas gegen Ende des Dreißigjährigen schlaipfinen nach auf die Wenden zeicht [auf die Davenna Kriegs „zuerhaltung der fürstl[ichen] grafschaft Tyrol“ – zieht] und das tal Montafon beschliest“.111 Eine weitere Ein- also zur Verteidigung Tirols – ansehnliche Befestigungen tragung hält ausdrücklich fest, das Montafon beginne „en- errichtet. Sie umfassten außer den Wällen auch Wachhüt- halb der Allfenz neben Sanct Niclausen Bildt am fueß oder ten, Schanztore und Fällläden. 1651 wurde selbst von mi- end des bergs, wellicher gleich von unden auf ainen grat litärischer Seite bestätigt, „wie costbarlichen die statt Blu- und schneeschlaipffinen macht und zeicht sich in alle höhe denz, herrschaft Sonnenberg und das thal Montafun baide bis auf die Wenden“.112 Das St. Nikolaus-Bild stellte dem- schannzen zu St. Nicolao unnd zum Enngl zu besser- und nach die symbolische Landmarke des Tals dar, während mehrer defension der fürstl. grafschaft Tyrol erpauen mie- das „Egg“ die genaue topografische Grenze bezeichnete. sen.“ Nach eigenen Angaben hatten dafür etliche Tausend Stück Holz, etliche Tausend Tagwerke, Fuhren und andere Dass dies bereits im Spätmittelalter der Fall war, belegt die „Behilflichkeiten“ aufgewendet werden müssen, deren Ko- Teilungsurkunde vom 21. Mai 1355. Sie enthielt die Bestim- sten sich zusammen mit jenen für die Wachen auf 12.737 mung, dass alle Bergleute („Silberer“) am Südhang von Gulden beliefen.104 Während beim Engel im Klostertal 1799 Dalaas und im Montafon, die nicht den Erben Graf Hart- im Zuge der Franzosenkriege neuerlich Schanzen aufgewor- manns von Werdenberg-Sargans leibeigen waren, außer fen wurden,105 erinnerte man sich im Montafon später nur bei Schuldstreitigkeiten und Freveln „uber die Egge“ vor an die Verteidigungsbemühungen im ausgehenden Drei- das Gericht des Grafen oder seines Amtmanns „zegerichte ßigjährigen Krieg.106 Dass der heute noch gebräuchliche gan“ (gehen) sollten, der „denne do zegerichte sitzzet“. Die Flurname „Letzi“ so viel wie Verteidigungsanlage bedeutet, Erben Graf Hartmanns durften die Betreffenden nicht daran ist zumeist unbekannt. hindern, da „si uber die Egge in das gericht gehörent“.113 Der Ausdruck, „über die Egge zu ziehen“, bedeutete, sich aus dem Montafon heraus nach Bludenz zu begeben. Das „Egg“ und das vermeintliche Berggericht im Silbertal Josef Zösmair legte den Begriff in Unkenntnis der alten Montafoner Landmarke dahin gehend aus, dass auch den Laut Zeugenaussagen aus der zweiten Hälfte des 16. Jahr- Bergleuten aus dem Klostertal „über dem Egg“ des Krist- hunderts hatte der Bludenzer Vogt Merk Sittich von Ems, bergs ein eigenes Gericht im Silbertal zur Verfügung gestan- der von 1538/39 bis 1565 amtierte,107 das St. Nikolaus-Bild den sei.114 Zwei Jahre später schrieb Andreas Ulmer: „Die errichten lassen.108 Was hatte dann davor als Landmarke Knappen wohnten zahlreich in Dalaas sowie in Stallehr des Montafons gedient? und genossen besondere Freiheiten, wofür Bestätigungen

Seite 291 von 1402 bis 1569 vorliegen. Dazu gehörte ein eigenes Ge- Wenn statt diesem beziehungsweise dem dortigen Egg im richt `Silberberg` mit einem Bergrichter an der Spitze, der Hofbrauch von 1545 aber die Alfenz als Grenzmarke oder über die Silbrer die niedere Gerichtsbarkeit ausübte, wäh- „Schneeschlaipfin“ angeführt wurde, war dies zwar an- rend die hohe dem Grafen oder seinem Vogte gehörte. [...] schaulich, aber nicht ganz korrekt, denn der Fluss bildete Das Gericht ‚Silberberg’ hieß auch ‚Gericht über die Egge’ die westlichste Grenze der Talschaft erst, nachdem er den [...].“115 Benedikt Bilgeri116 und Ludwig Welti vertraten spä- steilen Abhang des Lärchenbühels passiert hatte. Noch ter dieselbe Auffassung. Bei Letzterem wurde das Gericht auf einer der drei erhaltenen Landkarten dieses Raumes „über der Egge“ sogar zu einer „Richtstätte zwischen dem aus dem 18. Jahrhundert wird die Alfenzbrücke als „Staleer Klostertal und dem Montafon, wohl auf dem Kristbergsat- Brug“ bezeichnet.121 Man gelangte dort jedenfalls ursprüng- tel“.117 Dieser Gerichtsort wanderte in der Literatur somit lich nicht unmittelbar auf Montafoner Boden, sondern vom Silbertal immer höher den Berg hinauf, statt dass er musste dazu den Lärchenbühel überqueren. Auch wenn den Ausgang „über die Egge“ bei Lorüns nach Bludenz ge- die Brücke im Spätmittelalter oder in der frühesten Neu- funden hätte, wohin sich schließlich auch die Hofjünger bis zeit weiter flussabwärts stand, was einige Zeugenaussagen ins 18. Jahrhundert zu ihrem Märzengericht begeben muss- aus dem 16. Jahrhundert bestätigten,122 bildete doch erst ten.118 der letzte Ausläufer des Davenna-Stocks die begrenzende „Schneeschleipfe“.

Buzíens Spätestens in den ersten Jahrzehnten des 16. Jahrhunderts legten die Hofjünger jedoch die Grenzbezeichnung „Alfenz“ Die Lokalisierung einer weiteren Montafoner Landmarke, so aus, dass die einzige Siedlung auf der linken Seite des nämlich Buzíens,119 in den Raum östlich von Stallehr ist Flusses, das einst sonnenbergische Stallehr, nun ebenfalls dafür verantwortlich, dass diese topografisch im Klostertal zum Montafon gehörte. Davon versprachen sie sich nicht zu liegende Gemeinde bis heute zum Montafon zählt. Den Um- Unrecht wirtschaftliche Vorteile. ständen, die dazu führten, hat bereits 1897 der bekannte Historiker Hermann Sander eine eigene Monografie gewid- Wie bereits dargelegt wurde, zählten die Menschen un- met. Diese muss allerdings, was die Verortung der genann- abhängig von ihrer Gemeindezugehörigkeit auch zu ver- ten Flur betrifft, korrigiert werden. schiedenen Personenverbänden, die man Steuergenossen- schaften oder einfach nur „Gnossen“ nannte. Diese waren Laut dem Hofbrauch von 1545 wurde das Tal an der oberen an einer möglichst hohen Zahl an Steuerpflichtigen interes- Ill von den „vier schneeschlaipfinen in Monntafun“ be- siert, damit sich die gemeinsamen Lasten besser verteilten. grenzt. Dabei handelte es sich allgemein um Bergzüge oder Solchen Steuergenossenschaften gehörte man entweder Erhöhungen, die Wasserscheiden bildeten. Man verwende- auf Grund der Abstammung oder in Folge bestimmter Rege- te den Begriff aber auch im Sinn von „Übergängen“ oder lungen an, die festlegten, welche „Gnoss“ wen an welchen „Zugängen“. Solche „Schneeschlaipfinen“ passierte man Orten belangen konnte. Zog zum Beispiel ein Montafoner gemäß Hofbrauch, wenn man „über die Allfenntz, über den Hofjünger ins sonnenbergische Gebiet, blieb er laut Lands- Cristbergg, über Galtheuren [Galtür], durch Garyellen [Gar- brauch von 1545 seinem Personenverband unvermindert gellen] oder andere gepirg von Prettigew [Prättigau] her“ als Steuerzahler erhalten. Zog jedoch ein Angehöriger des kam.120 Das Montafon bildete somit ein rundum von Hö- sonnenbergischen Personenverbands der so genannten henzügen abgegrenztes Gebiet. Selbst der Zugang im Illtal „Großen Gnoss“ ins Montafon, galt er, solange er dort an- erfolgte – wie bereits erwähnt – über einen Hügel. sässig war, als Hofjünger. Zog er zurück, wurde er wiederum

Seite 292 "Bucyiens", Urkunde 1355

Sonnenberger, nicht jedoch seine Kinder, die im Montafon ten, oder, wovon die Montafoner überzeugt waren, östlich geboren worden waren.123 Es war also keineswegs belang- von Stallehr bei Vitrola lokalisierte, lag dieses Dorf inner- los, ob Stallehr zum Territorium der einen oder der anderen halb der Gemarkungen der Herrschaft Sonnenberg oder im Genossenschaft gezählt wurde. Montafoner Teil der Herrschaft Bludenz.

Nach längeren Streitigkeiten verlangten die Montafoner im Hermann Sander schlug sich in seiner Darstellung des Kon- Jahr 1578, dass der Ort an der Alfenz offiziell „wiederum“ fliktes um Stallehr überzeugt auf die Seite der Montafoner. zu ihrem Steuerbezirk geschlagen würde. Im Zuge eines Seiner Meinung nach lag Buzíens eindeutig so, dass der Ort aufwendigen Gerichtsverfahrens führten sie als Beweise zu deren Territorium gehörte. Dabei stützte er sich aber auf dafür, dass Stallehr immer schon zum Montafon gezählt bedenkliche Argumente. So sah Sander seine Auffassung habe, zwei Verträge an. Der eine stammte aus dem Jahr selbst dadurch bestätigt, dass in der Grenzbeschreibung 1355, der andere von 1531. Bei Letzterem handelte es sich des Steuerdistrikts Bartholomäberg im Bayerischen Steuer- um eine Vereinbarung zwischen den Hofjüngern und dem kataster von 1811 an der Stelle, wo sich Buzíens befinden Kloster St. Gerold, wonach Gotteshausleute Hofjünger sollte, ein „Lutzius-Bründl“ vermerkt war und dass sich sein sollten, wenn sie sich jenseits der Alfenz in Stallehr, auch der Stallehrer Vorsteher N. Seeberger daran erinnerte, in Lorüns oder im oberen Tal der Ill niederließen.124 Diesen „bei den Alten“ habe „das Lutzius-Brünnele als Grenzmar- Vertrag zwischen den Montafonern und dem Walsertaler ke gegolten“. Wie hätte es denn nach der gerichtlichen Kloster ließen die Sonnenberger selbstredend nicht als Be- Entscheidung von 1587, die den Ort dort lokalisierte, an- weis dafür gelten, dass Stallehr stets zum Montafon gezählt ders sein sollen? Übrigens hatte sich Eduard Fleisch, von habe. Schließlich konnten Steuergenossenschaften belie- dem Sander den entsprechenden Hinweis erhalten haben big gegenseitige Abmachungen treffen, ohne dass diese wollte,127 bei der Entzifferung des Namens verlesen. Im deshalb auch für andere verbindlich gewesen wären.125 So Steuerkataster heißt es nicht „Lutzius-Bründl“, sondern kam nunmehr allein der Urkunde von 1355 Relevanz zu. Sie „Lutzeins Bründl“ und „Lutziens Brünl“.128 Aber selbst die- dokumentierte die Teilung des südlichen Vorarlberg zwi- se Namensform erscheint fraglich, denn in einer Grenzbe- schen den Grafen von Werdenberg-Heiligenberg und jenen schreibung des Steuerdistrikts Bartholomäberg durch das von Werdenberg-Sargans. Montafoner Landgericht vom 21. Juli 1808 ist mehrmals nur von einem „Buziens-Brünnele“ die Rede.129 Trotzdem soll Den damaligen Verhältnissen entsprechend, waren aller- der Vorsteher Seeberger also erklärt haben, dass schon bei dings auch in dieser Urkunde keine genauen Grenzen des den alten Leuten ein „Lutzius-Brünnele“ als Grenzmarke Montafons angeführt. Es heißt darin nur, dass die Silberer gegolten habe. Der Erinnerung waren immer schon wenig und Walser, die in einem Bezirk lebten, der durch vier be- Grenzen gesetzt. Des Weiteren fällt in diesem Zusammen- stimmte Grenzpunkte umrissen war, dem Grafen Albrecht hang auf, dass der Name dieses heiklen Grenzpunkts in von Werdenberg-Heiligenberg und seinen Nachkommen ge- der Beschreibung des Steuerdistrikts Bludenz gar nicht auf- hören sollten. Diese Grenzmarken wurden später auch als scheint,130 wie wenn man auf der anderen Seite der Grenze jene des Montafons aufgefasst. Der in der Urkunde von 1355 immer noch nicht von dessen richtiger Verortung überzeugt umrissene Bereich erstreckte sich „zwischent Bucyiens/Bu- gewesen wäre. tyiens und als das wasser Alventze in die Ylle gat, und zwi- schent Brätegowe und Thalaus, als die slaipffinen gant“.126 Ähnlich „fundiert“ erfolgten die Lokalisierungen der Örtlich- Je nachdem, ob man nun die Landmarke Buzíens bei der keit auch im Zuge des Rechtsstreits in der zweiten Hälfte des Mündung der Alfenz in die Ill, wie es die Sonnenberger ta- 16. Jahrhunderts. Sander schrieb selbst, dass Buzíens ei-

Seite 293 gentlich erst durch das damalige Gerichtsverfahren „wieder Lange davor hatte schon Joseph Bergmann – mit einem Fra- bekannt“ geworden sei.131 Tatsächlich widersprachen einan- gezeichen versehen – vorgeschlagen, unter „Butzyiens“ den der die verhörten Zeugen stark. Je nach Interessenslage or- „Burtscha-Kopf oder das Burtscha-Joch“ zu verstehen.137 tete man Buzíens eben westlich oder östlich von Stallehr. Bei Über den Ersteren als markanten Ausläufer des Verwalls einem Augenschein konnten selbst die Hofjünger keine klare hoch über dem Klostertal verlief denn auch laut Amtsurbar Lokalisierung vornehmen. Sie zeigten zwei verschiedene, von 1618 die Grenze zwischen der Herrschaft Sonnenberg nahe beieinander gelegene Örtlichkeiten. Auffallenderweise und dem Montafon.138 Es ist jedoch schwer nachvollziehbar, hatten die beiden Bludenzer Alt-Bürgermeister Jakob Frei und warum die Urkunde von 1355 neben der Wasserscheide bei Dietrich Zürcher noch nie etwas von einem Buzíens in ihrem Dalaas auch noch den nahen Burtscha-Kopf als Landmarke eigenen Kirchspiel gehört, obwohl sie lange Jahre mit der hätte anführen sollen. Regelung aller möglichen Fragen vor Ort befasst und mit den Flurnamen ihrer Region zweifellos vertraut gewesen waren.132 Die vier im Dokument erwähnten Ortsangaben sind wohl vielmehr den Himmelsrichtungen beziehungsweise de- Die Annahme liegt nahe, dass Buzíens gar nicht im Groß- ren topografischen Entsprechungen zuzuordnen. So, wie raum Bludenz zu suchen ist. Dafür spricht vor allem auch einander der Prättigau im Süden und Dalaas im Norden die Art der Grenzangaben in der Urkunde von 1355. Sie gegenüberstanden,139 wird Bucíens das östliche Gegen- enthielt allgemein keine kleinräumigen Details. Als Grenz- stück zur Alfenzmündung dargestellt haben. Somit dürfte scheiden sind außer den oben zitierten Örtlichkeiten nur die fragliche Örtlichkeit im Bereich des Zeinis-Jochs, dem noch Galmist am Übergang vom Walgau in das Rheintal und ehemaligen Hauptübergang ins Paznaun, zu lokalisieren die Bludenzer Stadtgerichtsmarken angeführt. Das Brünn- sein. Die namenkundliche Forschung wird klären können, lein „Bucíens“ in den Wäldern hinter Stallehr hätte eine ob der Name „Zeinis“ mit der zweiten, betonten Silbe des auffällige Ausnahme gebildet. Begriffs „Bucíens“ in Zusammenhang stand.140 Namen mit der Wortwurzel „pozzín“, was romanisch so viel wie „Brun- Auf ein entsprechendes Missverhältnis bei der Interpretati- nen“ oder „Wasserloch“ bedeutet, sind jedenfalls in der on der Urkunde wies bereits Stefan Müller in einem Aufsatz entsprechenden Region vielfach nachweisbar. Sogar die über den spätmittelalterlichen Bergbau des Montafons im Talbezeichnung „Paznaun“ führt darauf zurück.141 Jahr 1925 hin. Dort hielt er fest, dass „der Entscheidbrief das klar umrissene Gebiet von Stallehr mit drei Geviertkilometern Es hegte übrigens nicht erst Joseph Bergmann Zweifel an neben ein mindestens zweihundertmal so großes Gebiet mit der gerichtlichen Entscheidung von 1587, die Buzíens östlich größtenteils ganz unklaren Grenzen in vollständige Koordi- von Stallehr lokalisierte. Auffälligerweise vermerkte der Blu- nation“ setzte.133 Müller versuchte damit allerdings nicht die denzer Vogteiverwalter Hauptmann David von Pappus, der kleinräumigen Grenzangaben, sondern das Gegenteil in Frage 1609 und 1610 im Auftrag der Innsbrucker Regierung eine zu stellen, und zwar um nachzuweisen, dass im Spätmittelal- genaue Erhebung der Grenzen der Herrschaften Bludenz ter mit dem Namen „Montafon“ noch nicht das Tal an der obe- und Sonnenberg vornahm, in seinen Aufzeichnungen, die ren Ill, sondern nur der Kristberg samt seinem Nordabhang später ins Amtsurbar von 1618 übernommen wurden, nur bei Dalaas bezeichnet worden sei. Dabei stützte er sich auch den alten Grenzverlauf, der unmittelbar vom St. Nikolaus- – im Gefolge Isidor Flürs134 und mit Beifall Andreas Ulmers135 – bild nahe der Mündung der Alfenz in die Ill – von dem gleich auf die wenig überzeugende These, dass in der Urkunde von anschließend die Rede ist – über die „Schneeschlaipfinen“ 1355 unter der Bezeichnung „Prättigau“ ein Maisäß bei Dalaas hinauf ins Gebirge führte,142 so dass Stallehr im Gegensatz und nicht das Tal der Landquart zu verstehen sei.136 zu Lorüns bei Sonnenberg verblieb. Am Schluss der Grenz-

Seite 294 beschreibung musste aber auch er – allerdings mit deutlich nischen Urkundenbuch wurde dabei der Buchstabe hinter zweifelndem Unterton – die politische Realität anerkennen, dem y ausgelassen.147 Dieses Zeichen muss als i ohne Punkt indem er schrieb: „Verer ist noch ain klainer fleckhen, aus- entziffert werden, da ein t oder c einen Querstrich im obe- ser dem thahl Montafon und zwischen der Allfenz gelegen, ren Teil aufweisen müsste. In derselben Zeile der Urkunde genant Stalär, so auch den Montafonern zuegehorig sein fehlen die i-Punkte auch bei den Wörtern „Silberer“ und solle, ist auch geen Bludenz pfärrig.“143 Die urkundliche „Walliser“. In seiner beglaubigten Abschrift der Urkunde Bestätigung des Grenzverlaufs zwischen Sonnenberg und von 1355 übernahm der Rankweiler Landrichter Hans Rad Montafon vom St. Nikolaus-Bild über die Wasserschei- im Jahr 1470 den Namen denn auch als „Butzyiens“.148 de hinauf zur Davenna, die sich der Vogteiverwalter von Joseph Bergmann schloss sich später dieser Lesung an.149 Landammann Bartholomä Reuz, den Alt-Landammännern Da sich nicht klar entscheiden lässt, ob es sich beim drit- Thomas Fritz und Hans Hartmann sowie dem Landschreiber ten Buchstaben um ein c oder ein t handelt, scheint Hans Hans Henggi 1612 ausstellen und später ins Urbar eintra- Rad ein tz gewählt zu haben, das beide Laute enthält. In der gen ließ, enthält sogar die Feststellung, dass die eingangs vorliegenden Publikation wird der Einheitlichkeit halber die angeführten Marken „bishero ruebigelich gebraucht, wie Schreibweise „Buzíens“ verwendet. auch deßhalber von niemanden jemals angefochten noch beschwerdt worden“ seien,144 als ob es den Konflikt mit den Montafonern wegen Stallehr nie gegeben hätte. Schlussbemerkung

Die Landmarke Buzíens, um deren Lokalisierung die Stän- Die Verwaltungsgliederung des Bludenzer Beckens doku- de Sonnenberg und Montafon in der zweiten Hälfte des 16. mentiert bis heute anschaulich die spätmittelalterlichen Jahrhunderts einen langen Gerichtsstreit führten, ist also und frühneuzeitlichen Raumstrukturierungen durch Herr- wohl gar nicht im Klostertal, sondern im obersten Einzugs- schaften, Gerichte, Steuergenossenschaften, Kirchspiele bereich der Ill zu suchen. Auf Grund einer fragwürdigen In- und Gemeinden. Von besonderer Bedeutung erwiesen sich dizienlage setzten sich die Montafoner damals aber mit ei- dabei die Gemeinden, unter denen aber in der Frühen Neu- ner Verortung östlich von Stallehr durch, und zwar vor allem zeit – und in der volkstümlichen Auffassung noch bis weit deshalb, weil die Gegenpartei mit keiner überzeugenden ins 19. Jahrhundert hinein – keine gesetzlich normierten, Alternative am Unterlauf der Alfenz aufwarten konnte, was „dem Staat untergeordneten öffentlich-rechtlichen Verbän- nach obigen Darlegungen nicht verwundert. Auf den Gedan- de“, sondern ein breites Spektrum verschiedenster Kör- ken, dass die Landmarke gar nicht dort zu suchen war, ka- perschaften von kleinen Nachbarschaften,150 über einzelne men die Sonnenberger nicht. Stallehr verdankt damit seine Dörfer und Kirchspiele mit mehreren Dörfern151 bis hin zur bis heute bestehende Zugehörigkeit zum Montafon dem Gesamtheit der Bewohner eines größeren Territoriums152 Umstand, dass in der Frühen Neuzeit im Walgau niemand zu verstehen sind, die sich auch vielfach überlagerten. mehr wusste, wo die in einer spätmittelalterlichen Urkunde Die Funktion eines „dem Staat untergeordneten öffentlich- vermerkte Flur Buzíens lag. rechtlichen Verbandes“ kam im südlichen Vorarlberg den so genannten „Kirchspielen“ zu, deren Vertreter, die Ge- In der Literatur wird der Name – wie schon im Amtsur- schworenen, die untersten von der Herrschaft vereidigten bar von 1618145 – zumeist als „Buziens“ angeführt. In der Verwaltungsorgane darstellten. Ihre Tätigkeit war aber kei- Schreibweise „Bucyens“ findet er sich in einer Urkunden- neswegs auf die Ebene der Kirchspiele beschränkt. abschrift vom ausgehenden 15. Jahrhundert im ältesten Bludenzer Stadtbuch.146 Wie später auch im Liechtenstei-

Seite 295 1 „Bis 1806 hat Stallehr dem Gericht Sonnenberg angehört [...].“ bis zur Aufhebung 1808, hg. von Alois Niederstätter/Manfred Tschaikner Vorarlberger Nachrichten, 17. September 2008, A10. Dieser Satz wurde (Elementa Walgau Schriftenreihe 4). Nenzing 2007, S. 49-112, S. 50-51. wörtlich übernommen aus Karl Heinz Burmeister, Die Gemeindewappen 11 Kluge 1999 (wie Anm. 5), S. 314. von Vorarlberg. Sigmaringen 1975, S. 204. 12 Noch 1618 heißt es im Amtsurbar: „[…] weyl ermelt schloß und statt 2 „Die Übereinstimmung mit dem Wappen von Sonnenberg (goldene miten in der herrschafft Sonnenberg gelegen […]“: VLA, Vogteiamt Sonne in Blau) drückt zugleich die historische Zugehörigkeit von Lorüns Bludenz, Hs. 17, fol. 8a u. 46a. zu dieser Herrschaft aus.“ Vorarlberger Nachrichten, 10. September 13 Laut Amtsurbar von 1618 stand der Galgen auf einem zwölf Mitmel 2008, A10. Dieser Satz wurde wörtlich übernommen aus Burmeister großen Grundstück, „genant Meins Herrn Brayte“. Es war „ausserhalb 1975 (wie Anm. 1), S. 140. der statt gelegen“, stieß aufwärts an die Landstraße und Georg 3 http://www.justiz.gv.at/service/content.php?nav=71&v_id=18579&v_ Neyers Baumgarten, einwärts an Antoni Freis Baumgarten, abwärts an action=detail&v_search=stallehr&v_search_old= (24.9.2008). Nach Hans Weltins Güter und auswärts an Georg Fritzs Gut: VLA, Vogteiamt meinem Vortrag vom 30. September 2008 im Davennasaal in Stallehr Bludenz, Hs. 17, fol. 71a. Der Landesfürst besaß übrigens ein zweites, 70 wurde eine Änderung der Eintragung veranlasst. Auch in Andreas Mitmel großes Gut im Unterfeld östlich der Stadt, das ebenfalls Herren- Ulmers topographisch-historischer Beschreibung ist zu lesen, dass Breite genannt wurde: Ebenda, fol. 71b. der Ort, nachdem man die Eingemeindung nach Bludenz 1946 wieder 14 VLA, Vogteiamt Bludenz 51/602. rückgängig gemacht hatte, weiterhin beim Gerichtsbezirk Bludenz 15 VLA, Vogteiamt Bludenz, Hs. 17, fol. 40b; Meinrad Tiefenthaler, Die geblieben sei: Andreas Ulmer, Topographisch-historische Beschreibung Grenzbeschreibungen im Urbar der Herrschaft Bludenz und Sonnenberg des Generalvikariates Vorarlberg, Bd. 8: Dekanat Bludenz (ehemals von 1608 bis 1618, in: Montfort 8 (1956) 1, S. 70-108, S. 91. Dekanat Sonnenberg), Teil 1. Dornbirn 1971, S. 71. 16 Hermann Sander, Der Streit zwischen Bludenz und Sonnenberg über die 4 Deutsches Rechtswörterbuch. Wörterbuch der älteren deutschen Besteuerung des Klosters St. Peter und andere Rechte von 1686 bis 1695 Rechtssprache, bearb. von Günther Dickel/Heino Speer, Bd. 7. Weimar (Beiträge zur Geschichte von Bludenz, Montafon und Sonnenberg in 1974-1983, Sp. 982; Handwörterbuch der deutschen Rechtsgeschichte, Vorarlberg 6). Innsbruck 1904, S. 57. hg. von Adalbert Erler/Ekkehard Kaufmann, Bd. 2. Berlin 1978, Sp. 834- 17 Ulmer 1971 (wie Anm. 3), S. 21. 836. 18 Ebenda, S. 23-24. 5 Kluge. Etymologisches Wörterbuch der deutschen Sprache, bearb. von 19 Ebenda, S. 24 u. 71. Elmar Seebold. Berlin/New York 231999, S. 624. 20 Manfred Tschaikner, Bludenz im Barockzeitalter (1550-1730), in: 6 Ebenda, S. 311. Geschichte der Stadt Bludenz von der Urzeit bis zum Beginn des 20. 7 Ebenda, S. 28. Jahrhunderts. Sigmaringen 1996, S. 161-280, S. 229. 8 Brockhaus-Wahrig. Deutsches Wörterbuch, hg. von Gerhard Wahrig u. a., 21 VLA, Stadtarchiv Bludenz 305/25; VLA, Vogteiamt Bludenz 128/1593. Bd. 3. Wiesbaden-Stuttgart 1981, S. 131. 22 Sander 1904 (wie Anm. 16), S. 62. 9 Im 17. Jahrhundert grenzten zum Beispiel am Bürserberg die Mitglieder 23 Ulmer 1971 (wie Anm. 3), S. 93. der sonnenbergischen Steuergenossenschaften ihre Interessen 24 Ebenda, S. 94-95 gegenüber jenen der Hofjünger und Bludenzer Ausbürger, die sich 25 Die Kunstdenkmäler Österreichs. Vorarlberg, bearb. von Gert Ammann/ am Berg niedergelassen hatten, als „sonnenbergische gemaindt am Martin Bitschnau/Paul Rachbauer/Helmut Swozilek (Dehio-Handbuch). Bürsserberg“ ab: Vorarlberger Landesarchiv (fortan: VLA), Stadtarchiv Wien 1983, S. 117. Bludenz 179/9. 26 In Joseph Bergmann, Untersuchungen über die freyen Walliser oder 10 Ein Beispiel dafür bildete Schnifis in der österreichischen Herrschaft Walser in Graubünden und Vorarlberg. Mit einigen diese Gebiete Feldkirch, dessen Gemeindeteil Gampelin zur reichsfreien Herrschaft betreffenden historischen Erläuterungen. Wien 1844, S. 25, fehlen die Blumenegg gehörten: vgl. Manfred Tschaikner, Das Gericht Jagdberg in Walser von Brand: „In diesem Sonnenbergischen Gebiete fanden sich der Frühen Neuzeit, in: Das Gericht Jagdberg. Von der Einrichtung 1319 meines Wissens kein Walser.“

Seite 296 27 Näheres dazu demnächst in einem Beitrag Alois Niederstätters für das Der Grund für diese Maßnahme war, dass zur Errichtung eines geplante Bürser Gemeindebuch. Landgerichtes mindestens 7000 Einwohner erforderlich waren. Um 28 Reinhard Ganahl, Heimatkundliche Beiträge über Brand. 650 Jahre die sonst nicht ´erleckende´ Anzahl zu erreichen, war es notwendig, Brand. Zum Jubiläumsjahr 1997. Brand 1997, S. 12, 31 u. 33. Als dass Stallehr dem Montafon zugeteilt wurde. Dieser Schritt war umso erster Pfarrer ist übrigens der weitum bekannte Hexenfinder Luzius leichter, da die Gemeinde durch verschiedene Bande (Zugehörigkeit Hauser angeführt: Manfred Tschaikner, Luzius Hauser, Pfarrer von eines Teiles der Einwohner zu den Hofjüngern) ohnehin schon Bartholomäberg – ein überregional gefragter Hexenfinder und Heiler, in: Jahrhunderte hindurch mit dem Montafon verknüpft war.“ Bludenzer Geschichtsblätter (2008) 88, S. 10-20, passim. 42 Wolfgang Pfefferkorn, Der Stand Montafon, in: Montafoner Heimatbuch. 29 In VLA, Nachlass Ulmer, Sch. 2, Pfarrbeschreibung von Bürs, S. 16, ist Schruns 21980, S. 337-356, hier S. 349-350; Peter Bußjäger, „... die Pfarrerhebung mit „1716, bzw. 1727“ datiert. zu Luxusbauten wird kein Holz verabfolgt!“ – Die Geschichte des 30 650 Jahre Brand. Festschrift zum Jubiläumsjahr 1997. Brand 1997, S. 15. Forstfonds des Standes Montafon, in: Der Montafoner Standeswald. Wie es davor zur Bildung der Gemeinde Brand gekommen ist, wussten Beiträge zur Geschichte und Gegenwart eines kommunalen bereits die Chronisten des 19. Jahrhunderts nicht mehr: Ganahl 1997 Forstbetriebes, hg. von Hubert Malin/Bernhard Maier/Monika Dönz- (wie Anm. 28), 29-35. Breuß (Montafoner Schriftenreihe 18). Schruns 2007, S. 9-24, S. 12-13. 31 VLA, Urkunde (fortan: Urk.) 607. 43 Weistümer 1973 (wie Anm. 34), S. 93. Dieselbe Abgrenzung findet sich 32 VLA, Urk. 7463; Josef Grabherr, Die Herrschaft Sonnenberg, zumeist nach bei der Bestimmung über die „Windflügel“: Ebenda, S. 95. Originalurkunden kurz bearbeitet, in: Vorarlberger Volks-Kalender 47 44 Ebenda, S. 91. (1897), o. S., 36. 45 VLA, Vogteiamt Bludenz 18/82. 33 Tschaikner 2007 (wie Anm. 10), S. 76-77 u. 84-85. 46 VLA, Vogteiamt Bludenz 18/82 u. 60/754. 34 VLA, Urk. 6313 (1544: beide „gemainden, die von Bürs und die ab 47 VLA, Vogteiamt Bludenz, Registraturakten, nicht-nummeriert, 20. März dem Bürserberg“); VLA, Gemeindearchiv Bürs, Hs. 14, fol. 131b+252a; 1770. Vorarlberger Weistümer, Teil 1: Bludenz – Blumenegg – St. Gerold, hg. 48 VLA, Vogteiamt Bludenz, „Geistliches Stallehr“, 21. Juni 1782; vgl. auch von Karl Heinz Burmeister. Wien 1973, S. 217, Nr. 1. z. B. die Bezeichnung „Gemeinde Stahleer“ in VLA, Vogteiamt Bludenz, 35 VLA, Vogteiamt Bludenz 39/340; Gemeindearchiv Bürs, Nr. 252. Die „Geistliches Stallehr“, 18. Mai 1796. Regierung bestätigte die Pfarrteilung 1737: Gemeindearchiv Bürs, Nr. 49 VLA, Vogteiamt Bludenz, „Geistliches Stallehr“, 6. Juli 1789. 250. 50 VLA, Kartensammlung 01/031 u. 01/012. 36 VLA, Urk. 7257 u. 7345; VLA, Gemeindearchiv Bürs, Sch. 1, Nr. 3/22. 51 Königlich-bayerisches Regierungsblatt 1806. München o. J., S. 436. 37 VLA, Stadtarchiv Bludenz 118/66; Sander 1904 (wie Anm. 16), S. 61. 52 VLA, Vogteiamt Bludenz 81/902. 38 VLA, Vogteiamt Bludenz 18/82; VLA, Stand und Gericht Montafon, Hs. 53 In der Chronik des Lorünser Bürgermeisters Ignaz Batlogg aus dem Jahr 84/1-9. 1901 heißt es irrtümlich, dass 1781 „die politische Gemeinde Lorüns 39 Ulmer 1971 (wie Anm. 3), S. 95; Tschaikner 1996 (wie Anm. 20), S. 229; von Bludenz getrennt und dem Landgericht Montafon zugeteilt“ worden zu St. Anton vgl. auch P. Joanna Baptista, Prazalanz, in: Rechenschafts- sei: Brigitte Truschnegg, Lorüns. Dorfgeschichte in Schrift und Erzählung Bericht des Ausschusses des Vorarlberger Museum-Vereins in Bregenz (Sonderband zur Montafoner Schriftenreihe 2). Lorüns 2006, S. 53. 19 (1879), S. 57-59. 54 Weistümer 1973 (wie Anm. 34), S. 113. 40 VLA, Nachlass Ulmer, Schachtel 1, Pfarrbeschreibung von St. Anton, S. 8. 55 Abbildung bei Ludwig Welti, Gericht und Verwaltung, in: Montafoner 41 Ulmer 1971 (wie Anm. 3), S. 95. August Manahl, Stallehr. Geschichtliche Heimatbuch. Schruns 21980, S. 474-488, hier S. 482. Abhandlung über den Ort und seine Bewohner. Man. masch. Bludenz 56 Manfred Tschaikner, Die Vorarlberger Verkehrswege um die Mitte des 17. 1952, S. 12 „Während Stallehr bis 1806 in juridischer Hinsicht (Gericht) Jahrhunderts, in: Montfort 59 (2007) 3/4, S. 290-298, S. 290 u. 295. der Stadt Bludenz unterstand, so wurde der Ort ab diesem Zeitpunkt 57 Ludwig Vallaster, Die alte Landordnung des Montafons, in: Montafoner dem damals neu geschaffenen Landgericht Montafon zugeteilt. Heimatbuch. Schruns 21980, S. 333-336, hier S. 333.

Seite 297 58 VLA, Vogteiamt Bludenz, „Geistliches Stallehr“, 31. August 1790. Appellationsgerichts vom 17. Februar 1786. 59 Ulmer 1971 (wie Anm. 3), S. 71-72 u. 157. 76 Tschaikner 2007 (wie Anm. 10), S. 71-73. 60 VLA, Stadtarchiv Bludenz 6/154 u. 305/47 77 VLA, Vogteiamt Bludenz 39/358, Schreiben des Appellationsgerichts 61 VLA, Nachlass Ulmer, Sch. 2, Pfarrbeschreibung von Stallehr, S. 5. vom 17. Februar 1786, u. 81/902, Edictal-Vorladung vom 18. November Diese Auffassung wurde später von Manahl 1952 (wie Anm. 41), S. 1786. In einem Schreiben zwecks Abänderung der Regulierung vom 8, übernommen: „Erst vom Jahre 1831 an war Stallehr selbständige 18. Dezember 1787, VLA, Vogteiamt Bludenz 39/358, wird die höchste Gemeinde mit einem von Bludenz unabhängigen Vorsteher (seit Resolution auf den 31. August 1786 datiert. 1946 Bürgermeister).“ Vgl. auch die Angaben auf der Homepage der 78 VLA, Vogteiamt Bludenz 22/143. Gemeinde: http://www.stallehr.at/geschichte/verwaltung/. 79 VLA, Vogteiamt Bludenz, Registraturakten, 1794, Nr. 86. 62 Welti 1980 (wie Anm. 55), S. 477-479. 80 VLA, Vogteiamt Bludenz 22/143. 63 Selbst der Plan der aufgeklärten Obrigkeiten um die Mitte des 18. 81 VLA, Bibliotheksgut Nr. 161, S. 87. Jahrhunderts, in Bludenz ein Gericht zu installieren, in dem die drei 82 VLA, Bayerische Akten, Sch. 84, Schrift über die neue bayerische historischen Regionen Bludenz, Sonnenberg und Montafon mit je drei Landesorganisation 1806/07. Beisitzern vertreten waren, ließ sich nicht umsetzen: vgl. z. B. VLA, 83 Näheres zu den angeführten Vorgängen bei Manfred Tschaikner, Das Vogteiamt Bludenz, nicht nummerierte Akten, 7. März 1767. Schloss Gayenhofen in Bludenz – eine Erfindung des 19. Jahrhunderts, 64 VLA, Vogteiamt Bludenz, Registraturakten, nicht nummeriert, 7. März in: Bludenzer Geschichtsblätter (2009) 93, S. 3-29, hier S. 11-18. 1767. 84 Thomas Welte [irrtümlich: Welti], Frastanz, in: Rheticus 16 (1994) 4, S. 65 Vgl. dazu Nicole D. Ohneberg, So geschähe darum, das recht sye. 341-356, hier S. 345. Rechtsprechung und Konfliktbewältigung im Montafon anhand der 85 Nikolaus Grass, Die Verwaltungsgeschichte Tirols bis zum Jahre 1868, Märzengerichtsprotokolle (1490-1599) (Montafoner Schriftenreihe 19). in: 100 Jahre Bezirkshauptmannschaften in Tirol. Innsbruck 1972, S. Schruns 2007, S. 11-14. 6-18, hier S. 14-15; Oswald Gschließer, Die gesetzliche Einführung der 66 VLA, Vogteiamt Bludenz 81/902. Bezirkshauptmannschaften und ihre territorialen Veränderungen, in: 67 VLA, Vogteiamt Bludenz 39/358. 100 Jahre Bezirkshauptmannschaften in Tirol. Innsbruck 1972, S. 20-34, 68 VLA, Vogteiamt Bludenz 39/358; Weistümer 1973 (wie Anm. 34), S. 115. S. 20 u. 32-33. 69 VLA, Vogteiamt Bludenz 39/358. 86 Rudolf Küng, Geschichte der Vorarlberger Zementindustrie, in: Bludenzer 70 VLA, Vogteiamt Bludenz 81/902, unsigniertes Schreiben vom 11. Juli Geschichtsblätter (1987) 1, S. 48-56, hier S. 48. 1773. 87 Karl Kollbach, Die Deutschen Alpen. Eine Wanderung durch Vorarlberg, 71 VLA, Vogteiamt Bludenz 63/786, Freiburger Regierung an die Stadt Tirol, Salzburg und die oberbayerischen Gebirge. Köln 1895, S. 20. Bludenz, 30. Oktober 1776. 88 VLA, Vogteiamt Bludenz 36/286. 72 Ludwig Welti, Bludenz als österreichischer Vogteisitz 1418-1806. 89 VLA, Vogteiamt Bludenz, Hs. 17, fol. 38a. Eine regionale Verwaltungsgeschichte (Forschungen zur Geschichte 90 Hermann Sander, Der Streit der Montafoner mit den Sonnenbergern Vorarlbergs 2, der ganzen Reihe 9). Zürich 1971, S. 204. Im Stadtgericht um den Besitz der Ortschaft Stallehr und um Besteuerungsrechte (1554- Bludenz wirkte als Richter der herrschaftlich bestellte Untervogt, im 1587) (Beiträge zur Geschichte von Bludenz, Montafon und Sonnenberg Sonnenberger Gericht der gewählte Landammann. in Vorarlberg 2). Innsbruck 1897, S. 8. 73 St. Anton wurde zu Bartholomäberg gezählt: Weistümer 1973 (wie Anm. 91 VLA, Vogteiamt Bludenz, Hs. 17, fol. 38b. 34), S. 113.. 92 VLA, Stadtarchiv Bludenz 150/30 und VLA, Vogteiamt Bludenz 36/286. 74 VLA, Vogteiamt Bludenz 39/358; VLA, Vogteiamt Bludenz 15/3 u. Abbildung und Datierung einer Karte bei Karl Heinz Burmeister, Gabriel 94/1016, Schreiben des Patrimonialrichters Josef Platzer vom 26. Mai Walsers Karte des Landes Montafon aus dem Jahre 1770. Langnau am 1807; Weistümer 1973 (wie Anm. 34), S. 113-114. Albis 1987, S. 7-9. 75 VLA, Vogteiamt Bludenz 39/358, Beilage zum Schreiben des 93 VLA, Nachlass Ulmer, Sch. 2, Pfarrbeschreibung von Stallehr,

Seite 298 S. 4. Johann Jakob Staffler, Tirol und Vorarlberg, statistisch und 596) u. 112. topographisch, mit geschichtlichen Bemerkungen, Teil 2, Bd. 1. 117 Welti 1980 (wie Anm. 55), S. 474; ebenfalls Emil Scheibenstock, Innsbruck 1841, S. 132-133 u. 143, führt es noch als Grenzmarke an. Geschichte des Bergbaus im Montafon, in: Montafoner Heimatbuch. 94 Sander 1897 (wie Anm. 90), S. 54-56, Anm. Schruns 21980, S. 41-51, S. 42, und Emil Scheibenstock, Bergknappen, 95 Tiroler Landesarchiv, Vorarlberger Landtagsakten, Fasz. 3, fol. Stollen, Erze. Zur Geschichte des Bergbaues im Montafon. 488a-498b; siehe dazu auch TLA, Buch Walgau, Bd. 15, fol. 346a-347a. Bartholomäberg, Kristberg, Silbertal (Bludenzer Geschichtsblätter 31). 96 VLA, Vogteiamt Bludenz 155/3233. Bludenz 1996, S. 12. 97 Tschaikner 2007 (wie Anm. 56), S. 290 u. 295. 118 Die Formulierung „über die Egge“ schloss selbstverständlich nicht aus, 98 Andreas Rudigier, Zum 600. Todestag des hl. Johannes von Nepomuk. dass sich die Bergleute aus dem Klostertal der Alfenz entlang nach Ein kunsthistorischer Streifzug durch das Montafon, in: Jahrbuch des Bludenz begaben. Sie kennzeichnete nur die Lage des Gerichtsorts Vorarlberger Landesmuseums (1993), S. 73-100, S. 78. außerhalb des Montafons. 99 Vera Schauber/Hanns Michael Schindler, Heilige und Namenspatrone 119 Dieses romanische Wort muss auf der zweiten Silbe betont werden. im Jahreslauf. Pattloch 1998, S. 629. 120 Weistümer 1973 (wie Anm. 34), S. 59. 100 Andreas Rudigier/Elmar Schallert, 111 Heilige in Vorarlberg 121 VLA, Vogteiamt Bludenz 36/286. (Schriftenreihe der Rheticus-Gesellschaft 37). Feldkirch 1998, S. 224. 122 Sander 1897 (wie Anm. 90), S. 50 u. 54. 101 VLA, Urk. 8976. 123 Weistümer 1973 (wie Anm. 34), S. 59. 102 VLA, Bayerischer Steuerkataster 2/2. 124 Vgl. auch Documentorum S. Geroldianam praepositvram et eivs 103 VLA, Bayerischer Steuerkataster 1/3 u. 2/30A. districtvm concernentivm in dvas capsvlas, sive partes divisio. Prima 104 Tiroler Landesarchiv, Vorarlberger Landtagsakten, Fasz. 3, fol. pars. O. O. 1695, S. 47: „Doch vorbehalten / wo sie sich wider in 488a-498b, bes. 496a; VLA, Vogteiamt Bludenz 155/3233. Montafun über die Allfentz / es seye gen Stallär / Arnus[!] / ald gar in 105 VLA, Vogteiamt Bludenz 123/1364. Montafun zugen / und daselbs sitzen / und hausen wurden [...].“ 106 Hans Barbisch, Vandans. Eine Heimatkunde aus dem Tale Montafon in 125 Sander 1897 (wie Anm. 90), S. 16-17 u. 31. Vorarlberg. Innsbruck 1922, S. 3. 126 VLA, Urk. 10009. 107 Hermann Sander, Die österreichischen Vögte von Bludenz (Programm 127 Sander 1897 (wie Anm. 90), S. 63, Anm. 1. der k. k. Ober-Realschule Innsbruck für das Studienjahr 1898-99). 128 VLA, Bayerischer Steuerkataster 2/2. Innsbruck 1899, S. 27-31; Welti 1971 (wie Anm. 72), S. 43. 129 VLA, Vogteiamt Bludenz 70/872. 108 Sander 1897 (wie Anm. 90), S. 44 u. 56 Anm 1. 130 VLA, Bayerischer Steuerkataster 1/3. 109 VLA, Vogteiamt Bludenz, Hs. 17, fol. 38b. 131 Sander 1897 (wie Anm. 90), S. 64, Anm. 1; vgl. auch Hermann Sander, 110 Ebenda, fol. 65a. Die Erwerbung der vorarlbergischen Grafschaft Sonnenberg durch 111 Ebenda, fol. 61b. Oesterreich (Beiträge zur Geschichte von Bludenz, Montavon und 112 Ebenda, fol. 48a. Sonnenberg in Vorarlberg 1). Innsbruck 1888, S. 40, Anm. 97. 113 VLA, Urk. 10009; Liechtensteiner Urkundenbuch o. J., S. 140. 132 Sander 1897 (wie Anm. 90), S. 49. 114 Josef Zösmair, Zur ältesten Geschichte des Montafons. Bregenz 1923, S. 133 Stefan Müller, Zur Geschichte des spätmittelalterlichen Bergbaues im 12. Montafon, in: Vierteljahresschrift für Geschichte und Landeskunde 115 Andreas Ulmer, Die Burgen und Edelsitze Vorarlbergs und Vorarlbergs 9 (1925), S. 33-44, S. 37. Liechtensteins. Historisch und topographisch beschrieben. Dornbirn 134 Isidor Flür, Die Alpenpässe und Bergübergänge im Walgau in alten 1925, S. 578. Zeiten, in: Vorarlberger Volksblatt 28.9.1922, S. 1-2, hier S. 1, und 116 Liechtensteiner Urkundenbuch o. J., S. 148; Benedikt Bilgeri, Geschichte Isidor Flür, Die Alpenpässe und Bergübergänge im Walgau in alten Vorarlbergs, Bd. 2: Bayern, Habsburg, Schweiz – Selbstbehauptung. Zeiten. Christliche Fürsorge für Reisende, Pilger und Kranke., in: Ders., Wien-Köln-Graz 1974, S. 61 (genaue Ortsbestimmung im Ortsindex, S. Kirchengeschichtliche Fragmente aus dem Walgau, Heft 1 u 2. Bregenz

Seite 299 1926, S. 7-67, hier S. 57. Dieser Autor lokalisierte „Buziens“ 1922 auf 149 Bergmann 1844 (wie Anm. 26), S. 68; Rudolf Thommen las irrtümlich der rechten Seite der Alfenz bei Braz und 1926 auf der Alpe Itons (1575: „Lutzyens“: Urkunden zur Schweizer Geschichte aus österreichischen „Patzynns“). Archiven, hg. von Rudolf Thommen, Bd. 1: 765-1370. Basel 1899, Nr. 548, 135 Ulmer 1925 (wie Anm. 115), S. 519. S. 336. 136 Müller 1925 (wie Anm. 133), S. 37-38; vgl. z. B. VLA, Vogteiamt Bludenz, 150 So ist noch in einem Schreiben von 1792 von den „in das Kirchspiel Hs. 17, fol. 103a. Bludenz gehörigen Orschaften St. Leonhard, Grubs, Radin, Bings und 137 Bergmann 1844 (wie Anm. 26), S. 68, Anm. 3. Die hier geäußerte Stahler" und gleich darauf von "bemelte[n] Gemeinden“ die Rede: VLA, Auffassung wird nur referiert von Josef Zösmair, Politische Geschichte Vogteiamt Bludenz, „Geistliches Stallehr“, 14. August 1792. Auch in Vorarlbergs im 13. und 14. Jahrhundert unter den Grafen von Montfort einem Schreiben des Bludenzer Magistrats vom August 1824 bezüglich und Werdenberg, 2. Teil. Innsbruck 1878, S. 39, Anm. 1. Weideangelegenheiten werden ausdrücklich die beiden „Gemeinden“ 138 VLA, Vogteiamt Bludenz, Hs. 17, fol. 44b; VLA, Vogteiamt Bludenz 6/55a. Brunnenfeld und Bings erwähnt: VLA, Stadtarchiv Bludenz 317/82. 139 Müller 1925 (wie Anm. 133), S. 37, fragt sich: „Wer hat je etwas von 151 In einem offiziellen Schreiben des Tals Montafon 1731 scheinen nicht die Marken zwischen dem Prätigau und Dalaas gehört, zwischen einer kleinen Weiler, sondern die sieben Kirchspiele als „Gemeinden“ auf: Fläche und einem Punkte?“ Eine solche Konstellation ergibt sich jedoch VLA, Stand und Gericht Montafon 3/108. aus der hohen Bedeutung des intensiv genutzten Übergangs über den 152 Der gesamte Verband der Kirchspiele des Tals wird nicht nur 1622 als Kristbergsattel für die Abgrenzung gegenüber Sonnenberg. „Gemaind des Tals Montafon“ genannt: TLA, Buch Walgau 12, fol. 405b. 140 Zum Namen „Zeinis“ vgl. Josef Zösmair, Die Bergnamen Vorarlbergs Selbst 1787 ist noch von der „Gemeinde Montafon“ die Rede: VLA, möglichst auf urkundlicher Grundlage erklärt. Dornbirn 1923, S. 36, u. Vogteiamt Bludenz 39/358, 18. Dezember 1787. In einem Dokument vom Karl Finsterwalder, Name und Siedlung in der Silvretta, in: Ders., Tiroler 9. September 1729 sind die „Gemeindsleute der Herrschaft Sonnenberg“ Ortsnamenkunde. Gesammelte Aufsätze und Arbeiten, hg. von Hermann erwähnt: VLA, Vogteiamt Bludenz 6/55a. M. Ölberg/Nikolaus Grass, Bd. 2: Einzelne Landesteile betreffende Arbeiten. Inntal und Zillertal. Innsbruck 1990, S. 905-917, S. 916. 141 Finsterwalder 1990 (wie Anm. 140), S. 910-911. 142 VLA, Vogteiamt Bludenz, Hs. 17, fol. 38a+b u. 48a. 143 Ebenda, fol. 66a; vgl. auch ebenda, fol. 62b-63a. 144 Ebenda, fol. 44b+45a. 145 Ebenda, fol. 247a. 146 VLA, Stadtarchiv Bludenz, Hs. 1, S. 98. 147 Liechtensteinisches Urkundenbuch, Teil 1, Bd. 3, bearb. von Benedikt Bilgeri. Vaduz o. J., Nr. 81, S. 139; Bilgeri übersetzte dort zudem die Wörter „und als“ in der Originalurkunde mit „wo“, sodass die Örtlichkeit seiner Meinung nach „wahrscheinlich“ an der Mündung der Alfenz in die Ill zu suchen war, was im 16. Jahrhundert auch die Sonnenberger glaubten: Ebenda, S. 139, 143 u. 148. In seiner Geschichte des Landes Vorarlberg (Benedikt Bilgeri, Geschichte Vorarlbergs, Bd. 3: Ständemacht, Gemeiner Mann – Emser und Habsburger. Wien- Köln-Graz 1977, S. 318-319) schloss sich Bilgeri aber der gegenteiligen Auffassung Sanders und dem Urteil des Gerichts von 1587 an. 148 Dieses Vidimus ist allerdings nur mehr als Abschrift aus dem Jahr 1657 erhalten: VLA, Urk. 4598.

Seite 300 Vortragsreihe der Montafoner Museen; Tschagguns, Altes Gemeindeamt, 14. Oktober 2008 Ulrich Nachbaur (geb. 1962 in Feldkirch), Dr. iur., M.A., seit 1997 Mitarbeiter im Vorarlberger Landesarchiv

Zur Entstehung der Montafoner Gemeindewappen 1927 bis 1967 Ulrich Nachbaur

Wehe, das Landesarchiv veröffentlicht wieder einmal ein von fast ganz oben zur Führung der Schlüssel samt Tiara vermeintlich „falsches“ Gemeindewappen! Da reagieren berechtigt worden. So ließen sie sich ihr Wappen nicht nur Gemeindeoberhäupter mitunter sehr empfindlich. Denn vom Landesfürsten (1639, 1656, 1718), sondern 1700, mit er- Wappen sind eine ernste, mitunter bierernste Angelegen- heblichem Erklärungsbedarf, auch vom Papst bekräftigen.1 heit. – Wappen waren immer auch eine Prestigefrage; für die Montafoner im Kampf gegen die Bludenzer Bevormundung. Siegel als Ausdruck der Stadtrechte Einzelne Standeswappen wurden von den ab 1808 ein- Die Entstehung der Gemeindewappen, zumal in Form der gerichteten Gemeinden weitergeführt – so von Dornbirn Stadtsiegel, ist nicht zuletzt als rechtsgeschichtliches Phä- und Mittelberg. Bei neuen Gemeindewappen wurden ver- nomen zu begreifen. bindende Elemente aus den ehemaligen Standeswappen übernommen, zum Beispiel die Wäldertanne, die Sonnen- Siegel dienten und dienen zur Beglaubigung und zum Ver- berger Sonne oder die Montafoner Schlüssel.2 schluss von Dokumenten. Wenn im Mittelalter eine Bürger- schaft ihr Siegel an eine Urkunde hängen konnte, war das Beiwerk zu Stadt- und Markterhebungen ein Zeichen ihrer Rechtsstellung und Geschäftsfähigkeit. Für die Stadt Feldkirch sind seit 1312 Siegel belegt, für die Stadt Mit den kaiserlichen Markt- und Stadterhebungen, die Bludenz seit 1329. Davon konnten die Bregenzer erst träu- um 1875 in Mode kamen, ließen sich die frisch erkorenen men. Ihnen gestand erst 200 Jahre später (1529) Erzherzog Städte und Märkte meist auch ein Wappen verleihen oder Ferdinand das erwünschte Stadtsiegel und Wappen zu. bestätigen. So war es auch, als das „Erhebungsfieber“ auf Vorarlberg übergriff. Nachdem Dornbirn 1901 zur „Stadt“ Wappenfähige Stände und Lustenau 1902 zum „Markt“ erhoben waren, beschloss 1904 die aufstrebende Nachbargemeinde Hard, ebenfalls Auch die meisten der 21 „bäuerlichen“ Gemeinwesen legten um die nominelle Markterhebung samt Wappen anzusu- sich mit der Zeit Siegel zu. Mit den Städten bildeten sie als chen. „Stände“ oder „Gerichte“ die politische „Landschaft“ in den österreichischen Herrschaften vor dem Arlberg. Doch waren bis 1918 tatsächlich nur Städte und Marktge- meinden wappenfähig, wie das in den Büchern steht? Nicht von ungefähr lassen sich auch für den Bregenzerwald (1379) und das Montafon (1405) bereits sehr früh Siegel Den Gegenbeweis liefert die Wappenverleihung an die un- belegen, und zwar „Landessiegel“. Denn die frühen die- bedeutende Kleingemeinde Schlins von 1911, die allerdings ser Stände verstanden sich zu Recht noch als „Länder“ im ihresgleichen gesucht haben dürfte. rechtshistorischen Sinn. Wappenführung ohne Wappenbrief Der Stand Montafon führte die Petrischlüssel im Wappen, die „Schlüssel zum Himmelreich“ (Mt 16,18). Sie verwie- Ein Wappenbrief bedeutete Prestigegewinn, aber keine sen eigentlich nur darauf, dass die Montafoner lange Zeit nennenswerten rechtliche Vorteile. Strenge Staatsbeamte abhängige „Hofjünger“ des Hofes bei St. Peter zu Bludenz vertraten die Ansicht, dass das Recht zur Wappenführung waren. Sie nährten aber die Legende, die Montafoner seien einer offiziellen Verleihung oder Bestätigung bedürfe.

Seite 301 Doch Feldkirch und Bludenz führten ihre Wappen seit Jahr- steigender“ Stellung vorschlug, wovon die Gemeindeväter hunderten, ohne eine landesfürstliche Berechtigung vor- nichts wissen wollten.4 Schließlich lieferte Bertle einen weisen zu können oder zu müssen. Auch andere Kommunen Vorschlag ohne Rindvieh. Er zeigte in gespaltenem Schild legten sich einfach schmucke Wappen zu. Die Montafoner drei goldene Bienen für „Emsigkeit, Fleiss und Strebsam- Gemeinden übten allerdings heraldische Abstinenz. keit in allen Zweigen wirtschaftlicher, industrieller und gewerblicher Betriebe“ sowie ein Ahornblatt mit einem Landesgesetz 1926: Wappenrevision eingeschlungenen S für die „Abstammung des Ortsnamens Schruns“ (angeblich von lateinisch aceronis, bei den Ahor- Waren Gemeinenamen, -titel- und –wappen Sache der Kro- nen).5 Die Gemeindevertretung folgte diesem Vorschlag im ne gewesen, nahm diese Kompetenz nach 1918 zunächst Juli 1925 mit großer Mehrheit; im September 1926 musste die Bundesregierung wahr. 1925 ging sie auf die Länder Gemeindevorsteher Franz Wachter der Landesregierung je- über. Am 22. Dezember 1926 beschloss der Vorarlberger doch mitteilen, dass bedeutende Gegenströme aufgetreten Landtag eigens ein Landesgesetz. seien und die Frage nochmals beraten werden müsse.

Es sah vor, dass die Gemeinden, die bereits ein Wappen Am 18. September 1926 kam es zur „Entscheidungs- führen, innerhalb eines Jahres um eine Bestätigung oder schlacht“. Bertle präsentierte neue Entwürfe. Die Be- Verleihung dieser Berechtigung ansuchen müssen. Mit die- fürchtungen, der Stier im Wappen werde Anlass zur Ver- ser Wappenrevision bekam die Landesregierung alle inoffi- höhnung der Gemeindemitglieder geben, erachte er als ziellen Wappen „in den Griff“. unbegründet, wenn die Bevölkerung nicht selbst durch ihr Benehmen dazu Anstoß gebe. Dieselbe Befürchtung, gab Der Schrunser Wappenstreit Bertle zu bedenken, könnte man der gewünschten Monta- fonerkuh zugrunde legen, wobei die Ausspottung dann vor Dieses Gesetz war ein Stück weit eine „Lex Schruns“.3 Der allem die Schrunser Frauen träfe. Schließlich entschied sich Montafoner Hauptort hatte bereits 1924 einen Antrag auf die Mehrheit für den Stier und eine Sonne mit Dreiberg im Markterhebung samt Wappenverleihung eingebracht. Schild. Ein aufgelegter Helm zeigte in der Helmzier die Pe- trischlüssel in Gold. Am 21. Oktober 1927 verlieh der Landtag Schruns endlich das Recht zur Führung der Bezeichnung „Marktgemeinde“. Doch damit war der Fall noch nicht erledigt. Das Landesge- Die Wappenverleihung verzögerte sich noch etwas, nach- setz sah vor, ein heraldisches Gutachten des Bundeskanz- dem sich die Gemeindeväter jahrelang mit viel Hingabe leramtes (Inneres) einzuholen, wo die Gratialregistratur über die Gestaltung gestritten hatten. (ehemals Adelsarchiv) angesiedelt war. Die stieß sich am Turnierhelm, der nur Adelswappen zukomme. Bertle lie- Im Juni 1924 wusste die Bezirkshauptmannschaft Bludenz ferte weitere Entwürfe. Am 10. Dezember 1927 konnte die nach Bregenz zu berichten, Schruns wolle im Wappen das Landesregierung der Marktgemeinde Schruns endlich das Montafoner Vieh als Quelle seines Wohlstandes und Er- Wappen verleihen. werbes versinnbildlicht haben. Zu diesem Zweck sei einem Heraldiker in München eine Fotographie der schönsten Vor lauter Varianten war nun auch noch ein Malheur pas- Schrunser Kuh geschickt worden. Es handelte sich um Hans siert, das Landesarchivar Viktor Kleiner in einer Markter- Bertle (1880 bis 1943), der sich weigerte, eine Kuh in ein bungs-Festschrift klarstellte: Wappen aufzunehmen und stattdessen einen Stier in „auf-

Seite 302 Bestätigung des Standeswappens 1928

„Das Wappen weist in einer Beziehung auf die geschicht- Wenn sich die Montafoner Schlüssel in den folgenden Jahr- liche Vergangenheit der Marktgemeinde Schruns hin. Der zehnten als goldene Schlüssel ins öffentliche Bewusstsein im Wappenbilde erscheinende schwarze Stier erinnert an einprägten, dürfte das wohl auf die internationalen „Gold- den Aufschwung, den Schruns durch seine hervorragende schlüsselrennen“ zurückzuführen sein, die 1963 bis 1983 Viehzucht und seine Viehmärkte genommen hat. Die gol- werbewirksam ausgetragen wurden;10 wie in der Winter- denen Schlüssel erinnern an die Zugehörigkeit zum Tale sportwelt auch die feste Überzeugung reifte, dass „Schruns- Montafon, das in seinem Wappen die im päpstlichen Wap- Tschagguns“ eine Gemeinde sei. pen erscheinenden gekreuzten schwarzen Schlüssel führt. Die dahinter stehende goldene Sonne hat nichts mit dem Von Wäldertannen bis zu Walsersternen Wappen der ehemaligen Herrschaft Sonnenberg zu tun; dies würde den historischen Tatsachen nicht entsprechen. Die Bestimmungen des Landesgesetzes 1926 wurden 1935 Sie soll vielmehr auf die über Schruns aufgehende Sonne in die neue Gemeindeordnung eingebaut.11 Bis 1938 ließen des sich stets mehr entwickelnden Fremdenverkehrs hin- sich 38 der damals 99 Gemeinden ein Wappen bestätigen weisen.“6 oder verleihen.

Bestätigung des Montafoner Standeswappens 1928 Die Wappen knüpfen häufig an historische Traditionen an. Denn nur ein altes Wappen ist ein edles Wappen. Bis Juni 1928 zeigten der Landesregierung zehn Gemein- den an, zur Führung eines Wappens berechtigt zu sein. 23 Die Laternser griffen gleich bis auf ihre „Urheimat“ zurück. weitere meldeten ihr Interesse an einer Wappenverleihung Als „Zimbapfarrer“ Gebhard Gunz 1936 für Laterns ein Wap- an, während die restlichen 68 Gemeinden darauf vorerst pen entwarf, legte er ihm – mit Genehmigung der Kantons- keinen Wert legten; darunter die übrigen neun Montafoner regierung - das Walliser Kantonswappen zu Grunde.12 So Gemeinden, die Schruns nicht nacheiferten. wurden die Wallisersterne offiziell in die Vorarlberger He- raldik und die Walser Gefühlswelt „importiert“. 1964 sollte Das Landesarchiv wurde beauftragt, sich mit den wap- Silbertal als dritte Walsergemeinde auf dieses Symbol zu- penwilligen Gemeinden ins Einvernehmen zu setzen.7 Auf rückgreifen (Damüls 1963). Anregung Landesarchivar Kleiners wurden zudem die Stan- desverwaltungen Montafon und Bregenzerwald mit einbe- Reichssiegel mit Hakenkreuz zogen. So erteilte die Landesregierung dem Stand Monta- fon mit Beschluss vom 15. Dezember 1928 die Berechtigung Wenn alle Montafoner Gemeinden außer Schruns von 1938 zur Weiterführung des Wappens mit den zwei verschränkten bis 1945 das Hakenkreuz im Siegel führten, war das nicht schwarzen Schlüsseln auf Silber.8 Ausdruck einer besonders nationalsozialistischen Gesin- nung, sondern eine Folge der Deutschen Gemeindeord- Diese Bestätigung von 1928 entfaltete meines Erachtens nung, die mit 1. Oktober 1938 in Kraft gesetzt wurde: keine Rechtswirkung. Selbstverständlich steht es dem Stand Montafon zu, die Schlüssel als Logo zu führen. Aber Die Gemeinden hatten ihre bisherigen Wappen und Flag- selbst wenn der „zehngliedrige“ Stand Montafon tatsäch- gen weiterzuführen. Jene Gemeinden aber, die noch über lich als Gemeindeverband nach Gemeindegesetz zu be- kein Wappen verfügten, waren wie andere staatliche Ver- trachten wäre oder diese Rechtsform bestätigt erhielte,9 waltungen verpflichtet, das kleine Reichssiegel mit dem genösse sein Wappen keinen öffentlichrechtlichen Schutz. Hoheitszeichen des Reichs – das Hakenkreuz der NSDAP im Eichenkranz, darauf ein Adler – zu führen.

Seite 303 Montafoner „Wappenboom“ in den 1960er Jahren Bürgermeister Brugger ersuchte das Amt der Landesregie- rung um Genehmigung dieses Wappens; Gemeindesymbole Von 1947 bis 1965 verlieh die Landesregierung 16 weiteren fielen in die Zuständigkeit der Abteilung Ib-Innere Angele- Gemeinden ein Wappen, darunter nicht weniger als sechs genheiten. Landesarchivar Ludwig Welti sah als Gutachter Montafoner Gemeinden: 1964 Silbertal und Stallehr, 1965 die Geschichte des Silbertals gut versinnbildlicht, die durch Vandans, Bartholomäberg, Gaschurn und Tschagguns – den im 14. und 15. Jahrhundert im Gemeindegebiet betrie- wohl eine Kettenreaktion. benen Silberbergbau und durch das bis 1453 fungierende eigene Walsergericht gekennzeichnet sei. Der Gutachter Hoffentlich lässt sich in den Gemeindearchiven nachvoll- des Bundesministerium für Inneres empfahl aus heral- ziehen, wann und wie die Begehrlichkeit im Montafon ge- dischen Gründen einen silbernen, statt eines schwarzen weckt wurde und wie die Entscheidungsprozesse abliefen. Hammerkopfs. Die Gemeinde war einverstanden und bat Die Akten des Amtes der Vorarlberger Landesregierung und um rasche Erledigung, da der Verkehrsverein Silbertal seine des Vorarlberger Landesarchivs, das als eine Art „Herold- neuen Prospekte mit dem Wappen schmücken möchte. Am samt“ fungierte, geben darüber leider nur unzureichend 12. Mai 1964 beschloss die Landesregierung, die Gemeinde Auskunft. Aus den Heimatbüchern erfahren wir wenig über zur Führung des Wappens zu berechtigen. die Gemeindewappen und nichts über ihre Entstehung.13 Die Ansuchen beruhten durchwegs auf Beschlüssen der Für die Gestaltung der Urkunde hatte noch die Gemeinde Gemeindevertretungen, der wohl mehr oder weniger lange Sorge zu tragen. Sie wurde dann für die Landesregierung Phasen der Wappenfindung und Beratung vorangingen. vom ressortzuständigen Mitglied unterzeichnet. Je eine Gleichschrift der Wappenurkunde erging an die Gemeinde Silbertal 1964 und zur Sicherung an das Landesarchiv und an die Grati- alregistratur des Innenministeriums (heute im Österrei- So berichtet Lehrer Otwin Netzer 1968 in seiner Hausarbeit chischen Staatsarchiv). Dieses Verfahren wiederholte sich über Silbertal, dass es schon seit vielen Jahren Wunsch des im Wesentlichen bei allen Gemeinden. Bürgermeisters Hermann Brugger und der gesamten Bevöl- kerung gewesen sei, ein Gemeindewappen zu besitzen.14 Stallehr 1964

Die Silbertaler beauftragten Markus Bachmann (1894 bis Für Stallehr entwarf der Schrunser Kunstmaler Konrad Ho- 1964) in Götzis mit der Ausarbeitung von Entwürfen. Der aus nold im Zusammenwirken mit dem Bludenzer Stadtarchivar Bludenz stammende Graphiker hatte an der Graphischen August Manahl (1911 bis 1971) ein Wappen.17 Manahl hatte Lehr- und Versuchsanstalt in Wien gelernt und spezialisier- bereits vor Jahren für Stallehr eine Heimatkunde erarbei- te sich auf Reklame durch Schriftgestaltung und Sgrafitto.15 tet.18 Der Entwurf war eine Kombination aus dem Wappen Er war einer der führenden Vorarlberger Gebrauchsgrafiker der Edlen von Rudberg (drei schwarze Ringe auf silbernem der Nachkriegszeit und hatte auch schon für andere Ge- Grund), die einst im Diebschlössle auf dem Schlosskopf re- meinden Wappen entworfen. sidiert haben sollen,19 und dem gekreuzten Bergwerkszei- chen (Eisen und Schlägel) in Erinnerung daran, dass einst Am 24. Jänner 1964 einigte sich die Gemeindevertretung Erz vom Kristberg über Stallehr zu den Öfen nach Bludenz einstimmig auf einen Entwurf.16 Er zeigte in blauem Schild transportiert worden sei. Zudem liege heute der Steinbruch einen Montafonerschlüssel gekreuzt mit einem Bergmann- Zementwerks Lorüns auf Stallehrer Gemeindegebiet.20 Die Schlegel, im Schildhaupt drei Walsersterne. Gemeindevertretung stimmte dem Entwurf am 17. März 1964 einstimmig zu.

Seite 304 Landesarchivar Welti erhob keine Einwände; er merkte nur Das Amt der Landesregierung teilte der Gemeinde Vandans an, dass die Rudberg keine „Edelfreien“, sondern werden- die Wappenbeschreibung mit und ersuchte darum, einen bergische Dienstleute gewesen sein, die noch im 15. Jahr- Beschluss der Gemeindevertretung herbeizuführen, die hundert in der Herrschaft Bludenz eine Rolle gespielt und den Entwurf am 22. Dezember 1964 „erneut“ bestätigte.25 im Montafon über eine kleine Steuergenossenschaft verfügt Die Bewilligung der Landesregierung erfolgte am 26. Jänner haben. 1965.

Auch das Bundesministerium des Innern erhob aus heral- Bartholomäberg 1965 discher Sicht keine Bedenken, schlug nur eine verbesserte Wappenbeschreibung vor. Die Landesregierung bewilligte Weniger harmonisch gestaltete sich das Verfahren bei der Stallehr am 15. Dezember 1964 das Wappen. Gemeinde Bartholomäberg, für die Konrad Honold tätig war. Im März 1965 ersuchte Bürgermeister Erwin Vallaster Nach jüngeren historischen und archäologischen Erkennt- um die Bewilligung eines Wappens, auf das sich die Ge- nissen ist übrigens auszuschließen, dass die Rudberger meindevertretung am 24. Februar 1965 geeinigt hatte.26 Es (Rüdberger) auf dem Diebschlössle ansässig waren.21 vereinte in einem durch Deichselschnitt geteilten Schild den Kirchenpatron Bartholomäus auf einem Dreiberg ste- Vandans 1964 hend, die gekreuzten Montafoner Schlüssel und in Erinne- rung an die Bergbauvergangenheit zwei gekreuzte Hämmer Die Vandanser scheinen sich schon länger mit dem The- (Bergwerkszeichen). ma beschäftigt zu haben. 1951 ersuchte die Gemeinde um Nachschau im Landesarchiv, ob dort irgendwelche Unterla- Raimund Meyer, der Leiter der Abteilung Ib – Innere Ange- gen über ein Wappen der Gemeinde vorhanden seien, was legenheiten im Amt der Landesregierung, hatte Bedenken Landesarchivar Meinrad Tiefenthaler verneinen musste.22 gegen diesen komplizierten Entwurf. Die Anfertigung eines Das vorbildliche Heimatbuch von 1922 schmückten die Gemeindesiegels würde auf erhebliche Schwierigkeiten Montafoner Schlüssel.23 stoßen, außerdem widerspreche er allen heraldischen Grundsätzen. Meyer ersuchte daher das Landesarchiv, die Die Vandanser entschieden sich schließlich für eine moder- Gemeinde Bartholomäberg zu beraten. ne Symbolik, die Grafiker Markus Bachmann ausarbeite- te, für eine Kombination aus einem goldenen Montafoner Landesarchivar Welti empfahl der Gemeinde, sich auf die Schlüssel und einem symbolischen Blitz, mit dem gemein- Figur des namengebenden Kirchenpatrons zu beschränken, hin vor gefährlicher elektrischer Spannung gewarnt wird.24 da ein Wappen aus praktischen und heraldischen Gründen Im September 1964 übersandte Bürgermeister Alfons möglichst einfach gestaltet werden sollte. Als Bekleidung Bitschnau der Landesregierung den Wappenentwurf. für den Märtyrer Bartholomäus schlug er einen roten Man- tel, als Hintergrund Blau vor. Der ehemalige Silberreichtum Landesarchivar Welti befürwortete ihn, da seine Symbol- und der alte Bergbaubetrieb könnten mit einer durch den kraft die Geschichte der Gemeinde bis zu ihrer heutigen untersten Teil des grünen Dreibergs gezogenen gewellten Stellung als Kraftspeicher der Vorarlberger Illwerke deutlich Silberader angedeutet werden. zum Ausdruck bringe. Auch das Bundesministerium für In- neres meldete keine Bedenken an. Am 15. Mai musste Welti Meyer sichtlich „verschnupft“ mit- teilen, die Gemeinde habe es nicht der Mühe Wert gefun-

Seite 305 den, auf seinen Vorschlag schriftlich zu antworten, sondern Die Grafen von Hohenems waren Ludwig Weltis Spezial- durch Konrad Honold einen etwas abgeänderten Entwurf gebiet. Vielleicht kritisierte er deshalb bei Gaschurn nicht eingereicht, in dem St. Bartholomäus nunmehr in Halb- die Komplexität des Entwurfs. Der Landesarchivar stellte statt in Ganzfigur erscheine. „Wenn diese, das Wappenbild mit Hinweis auf seine Forschungen klar, dass es sich bei etwas konzentrierter erscheinen lassende Änderung von Lukas Tschofen um keine legendäre, sondern eine fest um- der Abt. Ib für ausreichend befunden wird, hat auch das schriebene Person gehandelt habe, das Wahlfahrtskirch- Landesarchiv dagegen nichts einzuwenden, bemerkt aber lein „Maria Schnee“ aber von dessen gleichnamigen Sohn dazu, dass damit ein Präjudizfall geschaffen wird, demzu- erbaut worden sei.30 Ihm sei 1636 ein Wappenbrief verlie- folge sich keine Gemeinde mehr an einen Abänderungsvor- hen worden, in dem ein geharnischter Reiter mit Hellebarde schlag des Landesarchivs zu kehren braucht.“27 aufscheine. Gegen den Entwurf werde unter der Vorausset- zung, dass gegen die Aufnahme der Montafoner Schlüssel Wie der Entscheidungsprozess im Regierungsgebäude ab- keine Bedenken bestünden, kein Einwand erhoben. Auch lief, lässt sich aus dem Akt nicht erschließen. Jedenfalls das Bundesministerium für Inneres fand nichts auszuset- holte die Landesregierung Ende Mai für den geänderten zen. Die Landesregierung verlieh der Gemeinde Gaschurn Entwurf das Gutachten des Bundesministeriums für Inneres am 17. August 1965, zeitgleich mit Bartholomäberg, die Be- ein, das drei Monate später mitteilte, dass aus heraldischer rechtigung zur Wappenführung. Sicht keine Bedenken bestünden. Im Amtsvortrag schrieb Meyer: „Trotz heraldischer Bedenken des Landesarchives Tschagguns 1965 legt die Gemeinde Bartholomäberg Wert darauf, daß die Gestalt des Apostels Bartholomäus, nach welchem die Ge- Parallel beriet Konrad Honold auch die Gemeinde Tschag- meinde benannt ist, im Gemeindewappen enthalten ist.“28 guns.31 Der Gemeindevertretung lagen am 17. März 1965 – Dabei hatte Welti im Gegenteil empfohlen, sich auf Bart- mehrere Entwürfe vor. Sie entschied sich für Entwurf 2a, der holomäus zu beschränken! – Die Landesregierung bewilligt die Tschaggunser Kirche als Wahrzeichen der Gemeinde, die Wappenführung am 17. August 1965. die gekreuzten Schlüssel für die Zugehörigkeit zum Stand Montafon der „Zehn Gemeinden“ und ein Wasserrad als Gaschurn 1965 Hinweis auf vielen Korn- und Sägemühlen von einst und die drei Elektrizitätswerke von heute vereinte. Am 20. März 1965 entschied sich auch die Gaschurner Gemeindevertretung einstimmig für einen Entwurf,29 den Bürgermeister Anton Brugger schickte den Wappenentwurf Konrad Honold ausgearbeitet hatte: eine Kombination aus in doppelter Ausfertigung nach Bregenz, offenbar die Ent- einem Montafoner Schlüssel, einem Wasserrad als Symbol würfe 2 und 2a. Im Akt der Landesregierung ist nur 2a über- für die Nutzung der Wasserkraft, früher durch Mühlen, nun liefert. durch die Vorarlberger Illwerke, und einer Hellebarde in Er- innerung an den Abwehrwillen der Gaschurner während der Wie Abteilungsvorstand Meyer favorisierte auch Landesar- Bündner Einfälle 1620 bis 1622 und vielleicht auch an die chivar Welti Entwurf 2, gegen den nur eingewendet werden legendäre Gestalt Lukas Tschofen, der 1578/79 als Haupt- könne, dass ein ähnlich komplizierter der Gemeinde Bart- mann im Heer des Grafen von Hohenems vor Maastricht holomäberg nicht akzeptiert worden sei. Zudem müsse die gekämpft haben solle und nach seiner Heimkehr dem Ort grundsätzliche Frage aufgerollt werden, ob die Schlüssel Gaschurn zu einem gewissen Wohlstand verholfen habe. von jeder der zehn Gemeinden in ihr Wappen aufgenommen werden dürfe. Schruns habe sie als Sitz des Montafoner Ge-

Seite 306 richtsbezirks schon 1927 neben Stier und Sonne bewilligt Doch im Rechtsausschuss des Landtages setzte sich die bekommen. „Soll diese Symbolhäufung in einem Wappen Meinung durch, „daß ein Wappen, das von einer staatli- weiterhin Montafoner Gepflogenheit werden?“, fragte Welti chen Behörde verliehen worden ist, doch in seiner Qualität auch mit Hinweis auf das Silbertaler Wappen.32 und Wertung höher steht als ein Wappen, das man sich selbst geben kann“.34 – Ein bemerkenswertes Demokratie- Im „Grauen Haus“ (Regierungsgebäude) in Bregenz scheint verständnis. man dagegen keine Bedenken gehabt zu haben. Das Bun- desministerium für Inneres bevorzugte ebenfalls Entwurf Zudem seien die noch wappenlosen Gemeinden meist 2, wobei die graublaue Farbe des Vorderen Feldes durch kleinere Gemeinden, die selbst nicht so leicht in der Lage einfaches blau ersetzt werden müsste. Meyer ersuchte die seien, das richtige Symbol zu finden. – Wenn wir uns die Gemeinde in diese Richtung einen neuen Beschluss zu fas- Entwürfe und Wünsche zu Gemüte führen, die verschiedene sen, was offenbar unterblieb. Am 13. Dezember 1965 bewil- Gemeinden einbrachten, ist das nicht ganz von der Hand ligte die Landesregierung die Wappenführung. Entwurf 2 ist zu weisen. im Akt nicht erhalten, Entwurf 2a und die Abbildung in der Wappenurkunde stimmen überein. Bei dieser „Zwangsbeglückung“ führte Landesamtsdirektor Elmar Grabherr zunehmend persönlich Regie. Abteilungs- Gemeindegesetz 1965: Pflicht zur Wappenführung vorstand Meyer wurde de facto zum Erfüllungsgehilfen degradiert, Landesarchivar Welti 1968 ausgebootet. Wenn Nun führten 54 der 96 Gemeinden ein Wappen. Die Tschag- überhaupt, zog Grabherr zur Begutachtung nicht mehr gunser Wappenverleihung war die letzte auf der Grundlage den Landesarchivar heran, sondern halboffiziell seinen der Gemeindeordnung 1935. St. Gallenkirch hatte dafür zu „Hofhistoriographen“ Benedikt Bilgeri, Weltis Erzrivalen, spät eingereicht. Mit 1. Jänner 1966 trat das neue Gemein- den Grabherr 1964 im Landesarchiv untergebracht und de degesetz in Kraft, das in Sachen „Gemeindewappen“ bis facto ganz für die Forschung vom Archivdienst freigestellt heute seinesgleichen suchen dürfte. Es verpflichtete die hatte.35 In der Regel begutachtete der geschichtsbeflissene Landesregierung, den 42 bisher „wappenresistenten“ Ge- Landesamtsdirektor selbst; oder besser noch, er schlug Ge- meinden binnen fünf Jahren ebenfalls ein Wappen zu ver- meinden gleich von sich aus Wappen vor. Der Zeitdruck war leihen – ob sie wollten oder nicht. erheblich. Und dann glaubten auch noch „Heimathirsche“ und Hobbyheraldiker, Grabherr ins Handwerk pfuschen zu Der Vorarlberger Gemeindeverband hatte die Verpflichtung müssen! zur Wappenführung als unnotwendig abgelehnt, eben- so die SPÖ, die Landesregierung dagegen die Auffassung Hatten bisher die Gemeinden selbst die künstlerische Aus- vertreten, dass dadurch die „äußere Stellung aller Gemein- gestaltung der Wappenurkunden in Auftrag geben müssen, den“ gehoben werde.33 übernahm das ab 1968/69 die Landesregierung samt den anfallenden Kosten. Soweit es Grabherr damit in der Hand Die Regierungsvorlage hatte allerdings vorgesehen, dass hatte, Aufträge zu vergeben, beschäftigte er bevorzugt Kon- sich die Gemeinden künftig Inhalt und Form ihrer Wappen rad Honold;36 zum Teil gleichzeitig und in Konkurrenz mit unter Bedachtnahme auf heraldische Grundsätze selbst Graphikern oder Kunstmalern, die im Auftrag von Gemein- verordnen mögen, da sie doch wohl im eigenen Wirkungs- den Entwürfe lieferten. bereich lägen. Die Landesregierung hätte die Genehmigung nur unter bestimmten Gründen versagen dürfen.

Seite 307 Ein gestürzter Dreiberg über einer Kirche dräuend erinnert an die blühende Stadt Prazalanz, die der Legende nach an der Stelle des heutigen St. Anton gestanden haben und Letztlich erzielte die Landesregierung mit allen Gemeinden durch einen ungeheuren Bergsturz verschüttet worden sein eine mehr oder weniger glückliche Lösung. Es gelang ihr, soll.39 – St. Anton wird in alten Quellen als „Zalanz“ be- fristgerecht bis Jahresende 1970 alle Gemeinden zu „be- zeichnet, bis sich um 1670 das Pfarrpatrozinium als Ortsna- glücken“. Zumindest die Gestaltung der Wappenurkunden men durchsetzte.40 – Die gekreuzten Montafoner Schlüssel wurde nun fast ausschließlich Konrad Honold übertragen sollen die Zugehörigkeit zum Tal Montafon bekunden und und damit eine gewisse Einheitlichkeit erreicht. außerdem werde, so Bürgermeister Ignaz Batlogg, der Ort „St. Anton im Montafon“ genannt, zum Unterschied von St. St. Gallenkirch 1966 Anton am Arlberg. – Durch eine Aufzählung der Gemeinden im Anhang zum Gemeindegesetz 1965 war bewusst die Als erste Gemeinde bedachte die Landesregierung am 19. Schreibweise der Gemeindenamen verbindlich normiert April 1966 St. Gallenkirch aufgrund des neuen Gemeinde- worden.41 Den Beinamen „im Montafon“ darf demnach al- gesetzes mit einem Wappen, das Konrad Honold entworfen lein St. Anton offiziell führen. haben dürfte:37 als redendes Wappen der heilige Gallus und die Ortskirche in schematischer Darstellung, die gekreuzten Landesarchivar Welti brachte gegen den „in Form eines Montafoner Schlüssel. Kleeblattes im oberen Teil des Wappenschildes wie eine Wolke hereinhängenden gestürzten Dreiberg“ schwerwie- Für dieses Wappen hatte sich die Gemeindevertretung be- gende Bedenken vor.42 Nun ist ein „gestürzter Dreiberg“ reits am 14. Dezember 1965 ausgesprochen. Landesarchivar tatsächlich eine eigenwillige heraldische Schöpfung, der Welti erhob keinen Einwand, da der Name der Gemeinde von Welti skizzierte Gegenvorschlag überzeugt jedoch auch zutreffend symbolisiert und die Montafoner Schlüssel be- nicht unbedingt. reits auch anderen Gemeinden zugestanden worden seien. Abteilungsvorstand Meyer wieder erachtete die Kirche als Obwohl das Gemeindegesetz die Landesregierung nicht zu beliebig, zu klein und zu unpraktisch und empfahl der mehr ausdrücklich dazu verpflichtete, beim Bundesmini- Gemeinde, auf die Kirche zu verzichten, da das heraldische sterium für Inneres ein heraldisches Gutachten einzuho- Bild ohne die Kirche weit einprägsamer sei. Bürgermeister len, behielt sie diese Übung bei. Das brachte nicht zuletzt Batlogg, Obmann des ÖVP-Landtagsklubs, wusste wohl, den Vorteil, dass die Berufsheraldiker in Wien jeweils eine wen es als „Obergutachter“ im Amt der Landesregierung Wappenbeschreibung lieferten, die in den Bewilligungsbe- zu gewinnen galt. Dem Wunsche der Herren Landesamts- schluss und in die Urkunde übernommen wurde. Das war direktor Grabherr, Hofrat Arnulf Benzer (Vorstand der Kul- auch bei St. Gallenkirch der Fall. turabteilung) und Hofrat Meyer entsprechend sei die Kirche vergrößert worden. St. Anton im Montafon 1966 Das Bundesministerium für Inneres fand keinen Grund zur Auch für St. Anton arbeitete Konrad Honold mehrere Ent- Beanstandung. Die Landesregierung stimmte der Wappen- würfe aus.38 Die Gemeindevertretung entschied sich am 12. führung am 12. März 1966 zu. März 1966 einstimmig für Entwurf Nr. 7, der in die Sagen- welt entführt: Damit fehlte im Montafon nur noch Lorüns.

Seite 308 Lorüns 1967 „Richtige“ und „falsche“ Wappen

Im Mai 1967 teilte Bürgermeister Otto Ladner der Landes- 1975 gab Landesarchivar Karl Heinz Burmeister ein Gemein- regierung mit, die Gemeinde Lorüns ersuche um die Verlei- dewappenbuch heraus. Dafür wurden die Wappen nach hung des Wappens der heimischen Familie von Arüns (der heraldischen Gesichtspunkten vereinheitlicht und verein- späteren Familie Lorünser) als Gemeindewappen.43 Bereits facht. Dabei bediente sich der Verlag dreier Münchener in einer Urkunde von 1487 sei das Wappen beschrieben, Graphiker.48 das an einem Haus in Arüns zu sehen gewesen sei, wie der Ort Lorüns bis ins 17. Jahrhundert hinein bezeichnet worden Seither wird nachgefragt, welches Wappen das „richtige“ sei. sei – die Darstellung in der Wappenurkunde oder jene bei Burmeister? Das Wappen der Arünser zeigt in Blau einen silbernen Wellenbalken, darüber eine Sonne, darunter zwei Sterne. Nach der Rechtsansicht des Landesarchivs ist allein die Primararzt Friedrich Wilhelm Lorinser (1817 bis 1895) mut- Wappenbeschreibung in der Urkunde entscheidend.49 Jede maßte in seinen „Gedenkblättern der Familie Lorinser“ Darstellung und nur eine Darstellung, die dieser Beschrei- (Wien 1868), dass es „wahrscheinlich (sic!) – dem bei Arüns bung entspricht, ist „richtig“. Das besagen auch die Grund- von Mittag (Sonne) gegen Mitternacht (Sterne) strömenden sätze der Heraldik. Illflusse entnommen ist“.44 Diese Deutung wäre möglich, gesichert ist sie keineswegs. Doch Bürgermeister Ladner Bei Burmeister wurde der Schrunser Sprungstier übrigens konnte den Historiker Benedikt Bilgeri ins Treffen führen, seines Phallus beraubt, des Zeichens seiner Potenz und der dazu schreibe: „‚Es liegt also ein echtes Ortswappen Stärke. Diese Schmähung wäre früher ein Kriegsgrund ge- von nicht alltäglichem Alter vor.’“ Durch diese Ausfüh- wesen. Denn die Verhunzung von Wappen ist eine ernste, rungen, schloss der Bürgermeister, dürfte der Vorschlag zur mitunter todernste Angelegenheit. Übernahme des alten Arünser Wappens als Gemeindewap- pen genügend begründet sein.45 Es geht um das „Wir-Gefühl“

Bilgeri war demnach bereits im Vorfeld beigezogen worden. Wir sollten uns hüten, die Heraldik in ein zu enges Korsett Das Bundesministerium für Inneres meldete keine Beden- einzuschnüren. ken an. Mit Beschluss vom 29. August 1967 verlieh die Lan- desregierung Lorüns das gewünschte Wappen. Die Urkunde Wenn es Bürgermeister mit ihren Gemeindewappen mitun- gestaltete Konrad Honold. ter übergenau nehmen, hängt das wohl weniger mit dem Hoheitszeichen, als mit dem Bürgerstolz zusammen. Ein späterer Hinweis, die Übereinstimmung mit dem Wap- pen von Sonnenberg (goldene Sonne in Blau) drücke zu- Das Wappen ist deshalb eine „heilige Sache“, seine Ver- gleich die historische Zugehörigkeit von Lorüns zu dieser hunzung deshalb ein Sakrileg, weil es um Identität geht, Herrschaft aus,46 ist unzutreffend. Im Unterschied zu Stal- um ein individuelles Symbol, das eine Gemeinde verkör- lehr gehörte Lorüns nie zur Herrschaft Sonnenberg, sondern pert, um eine Fahne, um die sich die Gemeinde schart. Es wie das gesamte Tal Montafon zur Herrschaft Bludenz.47 geht um die Gruppenidentität, um das „Wir-Gefühl“ – wo- bei sich Gruppen immer durch Abgrenzung gegenüber an- deren Gruppen bilden.

Seite 309 Das spielte zweifellos auch in den historischen Prozessen Landesregierung (fortan: AVLReg) IIb-860/1927: Protokollauszug der Gemeindebildung eine Rolle und trägt zur Erklärung der Gemeindevertretungssitzung 19.07.1925. Zum Ortsnamen vgl. Werner mitunter extremen Konkurrenz zwischen Nachbargemein- Vogt, Die Ortsnamen, in: Montafoner Heimatbuch. Schruns 1974, S. 81- den bei. 88, hier S. 85. 6 Viktor Kleiner, Aus der Geschichte von Schruns. Gedenkblätter zur Darin werden die Montafoner Gemeinden keine Ausnah- Markterhebungsfeier am 1. Juli 1928. Schruns 1928, S. 16-17. – Nachdem me bilden. Es spricht aber für das Montafon, dass acht der das Wappen in Alemannia 4 (1930) 5/6, S. 248, mit der Beschreibung zehn Gemeinden – bezeichnenderweise die Gemeinden aus dem Wappenbrief vorgestellt worden war, wurde in Alemannia 5 des „achtgliedrigen Standes“ (Forstfonds) – die Montafo- (1931) 1, S. 53, die Erklärung Kleiners nachgetragen. ner Schlüssel in ihrem Wappen führen wollten, um die ge- 7 VLA: AVLReg IIb-893/1928: AVLReg an VLA, Bregenz 21.06.1928. meinsame Tradition und wohl auch Zukunft auszudrücken. 8 VLA: AVLReg IIb-530/1929; VLA: Gemeindewappenregistratur, Montafon. 9 Die Rechtsnatur des „zehngliedrigen“ Standes Montafon ist umstritten. Vgl. Stenographische Sitzungsberichte (fortan: StenSib) 28. Vorarlberger 1 Hermann Sander, Beiträge zur Geschichte des Montafoner Wappens. Landtag (fortan: LT), Anfrage Fritz/Rauch 10.06.2008 Nr. 29.01.312, Mit Anmerkungen über die Familie Friz und die Vorgesetzten von Anfragebeantwortung Landesrat Schwärzler 01.07.2008 (www. Montafon. Innsbruck 1903 (Beiträge zur Geschichte von Bludenz, vorarlberg.at 26.09.2008). Montafon und Sonnenberg in Vorarlberg 5). – Trotz dieser gründlichen 10 Vgl. Brugger, Skisport (wie Anm. 1), S. 282: „Fest steht hingegen, historischen Arbeit wird bis heute die unhaltbare Legende genährt, dass die zwei gekreuzten Goldschlüssel nicht nur zum Symbol der Gegenpapst Johannes XXIII. habe der Talschaft für die gute Aufnahme Montafoner Einheit, sondern auch dieser Rennen wurden.“ und Unterstützung auf dem Weg zum Konstanzer Konzil (1414 11 LGBl. Nr. 25/1935, § 3. bis 1418) dieses Wappen verliehen. Vgl. z.B. Raimund Meyer, Die 12 VLA: AVLReg II-245/1938. Gemeindewappen von Vorarlberg, in: Österreichische Gemeindezeitung 13 Bei Vogt, Ortsnamen (wie Anm. 5), S. 81-88, sind die Wappen ohne 39 (1971) 11, S. 256-260, hier S. 259; Andreas Brugger, 100 Jahre Skisport Erklärung schwarzweiß abgebildet. – Josef Zurkirchen, Heimatbuch im Montafon (Montafoner Schriftenreihe Sonderbd. 3). Schruns 2006, S. Gaschurn-Partenen. Gaschurn 1985, beschränkt sich auf eine farbige 282. Wappendarstellung auf dem Titelblatt. – Josef Zurkirchen, Heimatbuch 2 Vgl. Karl Heinz Burmeister, Die Vorarlberger Gemeindewappen, St. Gallenkirch-Gortiohl-Gargellen. St. Gallenkirch 1988, S. 11-12, bringt in: Bericht über den 12. österreichischen Historikertag in Bregenz. das Wappen (aus der Wappenurkunde) in Farbe und referiert ohne Wien 1974 (Veröffentlichungen des Verbandes Österreichischer Zitierung Karl Heinz Burmeister, Die Gemeindewappen von Vorarlberg. Geschichtsvereine 20), S. 252-256, hier S. 253-255. Sigmaringen 1975, S. 176. – Josef Zurkirchen, St. Anton im Montafon. St. 3 Zum Folgenden: Ulrich Nachbaur, Über das Werden und Wesen von Anton im Montafon 1989, S. 11, beschränkte sich auf eine Farbabbildung „Marktgemeinden“ in Vorarlberg. Die Markterhebung von Schruns 1927, der Wappenurkunde und den Hinweis, dass der Gemeinde 1966 in: Ulrich Nachbaur/Peter Strasser, Die Markterhebung von Schruns. die Berechtigung verliehen wurde. – Brigitte Truschnegg, Lorüns. Marktgemeinden in Vorarlberg (Montafoner Schriftenreihe 13), S. 9-126, Dorfgeschichte in Schrift und Erzählung, unter Mitarbeit von Ernst hier S. 62-84. Zech (Sonderband zur Montafoner Schriftenreihe 2). Lorüns 2006, S. 4 Die Vermutung von Burmeister, Gemeindewappen 1974 (wie Anm. 2), S. 35, bringt in Farbe den Wappenausschnitt aus der Wappenurkunde, 254, dass die Aufnahme des Stiers in das Wappen sehr wahrscheinlich die Beschreibung das Wappen derer von Arüns (irrtümlich mit auf ältere Vorlagen zurückgehe, lässt sich nicht bestätigen. Vermutlich falschem Zitat) und den Hinweis, dass es 1967 als Gemeindewappen liegt dem eine Fehlinterpretation des Hohenegger Büffels im übernommen wurde. Kreisamtssiegel als Montafoner Ochsen zugrunde. 14 Otwin Netzer, Ereignisse aus der Ortsgeschichte von Silbertal. Ein 5 Vorarlberger Landesarchiv (fortan: VLA): Amt der Vorarlberger Beitrag zur ortskundlichen Stoffsammlung für die Volksschule Silbertal

Seite 310 mit Hinweisen für den Einbau und die Auswertung im Unterricht. Masch. einer Montafoner Oberschichtfamilie im 16. und 17. Jahrhundert, in: Hausarbeit Pädagogische Akademie Feldkirch 1968, S. 97-98. Andreas Rudigier und Manfred Tschaikner, Lukas Tschofen und Gaschurn 15 Rupert Tiefenthaler, Schaulust. Vorarlbergs Wirtschaft im Plakat 1895 (Bludenzer Geschichtsblätter 14/15). Gaschurn 1993, S. 9-86; Konrad bis 1965. Feldkirch 1995, S. 13 (Foto); Franz Ortner, Vater der Vorarlberger Honold, 350 Jahre Kapelle Maria Schnee in Gaschurn, in: Montfort 40 Graphik, in: Vorarlberg-Wien (1959) Nr. 17, S. 21. (1988) 3/4, S. 222-239. 16 Zum Folgenden: VLA: AVLReg Ib-213-82/1980. 31 Zum Folgenden: VLA: AVLReg Ib-213-89/1980. 17 Zum Folgenden: VLA: AVLReg Ib-213-84/1980. 32 VLA: AVLReg Ib-213-89/1980: Welti an AVLReg Abt. Ib, Bregenz 18 August Manahl, Stallehr. Geschichtliche Abhandlung über den Ort und 16.04.1965. seine Bewohner. Typoskript Bludenz 1952. 33 Regierungsvorlage Gemeindegesetz, Erläuterungen zu § 9, StenSib 20. 19 Mit Berufung auf Andreas Ulmer, Die Burgen und Edlesitze Vorarlbergs LT, Beilage 22/1965. und Liechtensteins. Dornbirn 1925, S. 550-559, und Josef Zösmair. 34 Berichterstatter Landesstatthalter Dr. Gerold Ratz, StenSib 20. LT, 9. 20 Die Steinbrüche lieferten Rohmaterial zur Herstellung von Sitzung 28./29.10.1965, S. 180. Portlandzement (Hans Nägele, Die Vorarlberger Zementwerke und 35 Alois Niederstätter, „Wenn ich mich mit Geschichte befasse, mache ihre Erzeugnisse, in: Feierabend 10 [1928] 50, S. 312-314). 1996 ich mich zum Sprecher früherer Zeiten. Da gibt es keine Korrektur.“ wurde der Klinkerbrennbetrieb in den 1907 gegründeten Vorarlberger – Bemerkungen zur Vorarlberger Landesgeschichtsschreibung nach Zementwerken Lorüns eingestellt und das Werk als Mahlwerk und Teil 1945, in: Aufbruch in eine neue Zeit. Vorarlberger Almanach zum des „Holcim-Konzerns“ weiterbetrieben. Jubiläumsjahr 2005, hg. von Ulrich Nachbaur/Alois Niederstätter. 21 Alois Niederstätter, Die Burg Rüdberg (Kanton St. Gallen) als sitz Bregenz 2006, S. 209-217, hier S. 213. der Bludenzer Edlen von Rüdberg?, in: Bludenzer Geschichtsblätter 36 Zu Honold u.a.: Hans Jäger-Sunstenau, Der Heraldiker Konrad Honold (2005) 75, S. 3-19. Zum Diebschlössle: Ausgrabungen im Montafon. und seine Vorarlberger Gemeindewappen, in: Adler. Zeitschrift für Diebschlössle und Valkastiel. Archäologische Befunde und Genealogie und Heraldik, Bd. 10 (1974–1977) 3, S. 58-59; Andreas Interpretationen, hg. von Karsten Wink (Montafoner Schriftenreihe 14). Rudigier, Altobmann Konrad Honold ist 85 Jahre alt, in: Jahresbericht Schruns 2005; Diebschlössle. Pläne und Zeichnungen, hg. von Karsten Montafoner Museen 2003, S. 66-67. Wink (Montafoner Schriftenreihe 14/2). Schruns 2005; Truschnegg, 37 Zum Folgenden: VLA: AVLReg Ib-213-69/1980. Lorüns (wie Anm. 13), S. 21-31. 38 Zum Folgenden: VLA: AVLReg Ib-213-89/1980. 22 VLA: VLA Archivregistratur 226/1951: Bgm. Wilhelm Mayer an AVLReg, 39 Vgl. Franz Josef Vonbun, Die Sagen Vorarlbergs mit Beiträgen aus Vandans 18.12.1951; Landesarchivar Tiefenthaler an Gemeindeamt Liechtenstein, neu bearb. und hg. von Richard Beitl. Feldkirch 1950, S. Vandans, Bregenz 21.12.1951. 130-131. 23 Hans Barbisch/Adolf Helbok/Leo Jutz, Vandans. Eine Heimatkunde aus 40 Vgl. Vogt, Ortsnamen (wie Anm. 5), S. 82-83; Zurkirchen, St. Anton (wie. dem Tale Montafon. Innsbruck 1922, Einbanddeckel. Anm. 13), S. 10. 24 Zum Folgenden: VLA: AVLReg Ib-213-9171980. 41 LGBl. Nr. 45/1965, Anlage zu § 1; StenSib 20. LT, Beilage 22, S. 424 25 VLA: AVLReg Ib-213-9171980: Gemeinde Vandans an AVLReg, Vandans (Erläuterungen zu § 1). 24.12.1964. 42 VLA: AVLReg Ib-213-89/1980: Welti an AVLReg Abt. Ib, Bregenz 26 Zum Folgenden: VLA: AVLReg Ib-311/1965. 20.04.1966. 27 VLA: AVLReg Ib-311/1965: Welti an AVLReg Abt. Ib, Bregenz 12.05.1965. 43 Zum Folgenden: VLA: AVLReg Ib-213-53/1980. – Ladner verwies auf 28 VLA: AVLReg Ib-311/1965: Amtsvortrag betr. Gemeinde Bartholomäberg, Friedrich Wilhelm Lorinser, Gedenkblätter der Familie Lorinser, mit Verleihung des Rechtes zur Führung eines Gemeindewappens, Bregenz culturgeschichtlichen Bemerkungen über Bludenz, Sonnenberg und 13.08.1965. Montavon in Vorarlberg, Schussenried in Württemberg und Niemes in 29 Zum Folgenden: VLA: AVLReg Ib-379/1965. Böhmen. Wien 1868, S. 49 u. 62-65; Gebhard Fischer, Urkundenauszüge 30 Vgl. Manfred Tschaikner, Lukas Tschofen von Gaschurn – Zur Geschichte aus dem Archive, in: Jahresbericht des Vorarlberger Museumsvereins

Seite 311 1888, S. 26-82, hier S. 88. Vgl. zuletzt: Truschnegg, Lorüns (wie Anm. 13), S. 35. Die Urkunde wird im Vorarlberger Landesarchiv verwahrt (Stadtarchiv Bludenz Urk. 10079). 44 Lorinser, Gedenkblätter (wie Anm. 43), S. 65. 45 VLA: AVLReg Ib-213-53/1980: Bgm. Ladner an AVLReg, Lorüns 18.05.1967, ohne Hinweis darauf, in welchem Zusammenhang sich Bilgeri äußerte. 46 Burmeister, Gemeindewappen 1975 (wie Anm. 13), S. 140; Sonne und Sterne in Lorüns Gemeindewappen, in: Vorarlberger Nachrichten 10.09.2008, S. A10. 47 Für diesen Hinweis danke ich Dr. Manfred Tschaikner, Vorarlberger Landesarchiv. 48 Günter Halden, Helmut Rohrer und Regina Rohrer (Burmeister, Gemeindewappen 1975 [wie Anm. 13], S. 7). 49 Ulrich Nachbaur, Die Vorarlberger Gemeindesymbole – rechtliche und rechtsgeschichtliche Aspekte (Kleine Schriften des Vorarlberger Landesarchivs 7). Bregenz 2007, S. 16-59.

Seite 312 Vortragsreihe der Montafoner Museen; Tschagguns, Altes Gemeindeamt, 14. Oktober 2008 Andreas Rudigier (geb. 1965 in Bludenz), Mag. iur. Mag. phil. Dr. phil., seit 2000 kulturwissenschaftlicher Bereichsleiter beim Stand Montafon (Zuständigkeit für die Montafoner Museen, das Montafon Archiv, den Heimatschutzverein Montafon sowie Organisation verschiedener historischer Projekte)

Die „Heimatkunst“ Konrad Honolds in Bezug auf die Montafoner Gemeindewappen Andreas Rudigier

Vorbemerkung des Ortes als Marktort zurück, die heute nur mehr in Resten zu beobachten ist. Die Beschäftigung des Heimatschutzes mit den Gemeinde- wappen scheint auf den ersten Blick auf den Inhalten der Der springende Stier im Wappen steht für die Wichtigkeit Wappen zu gründen, weisen doch die hier vorkommenden des Schrunser Marktes, der seinerseits eine Folge der jahr- Darstellungen der Kirchen, der lokalen Schutzheiligen, hundertelangen besonderen Bedeutung der Landwirtschaft der Montafoner Sagenwelt, der Montafoner Schlüssel, der für die Talschaft ist. Immerhin erinnert mit dem Piz Buin (= Bergbauzeichen und der Hinweise auf die Wasserkraft im Ochsenkopf) einer der prominentesten Berge – er ist ja zu- weitesten Sinn auf traditionelle, eben vor allem vom Hei- gleich die höchste Erhebung im Montafon – an diesen As- matschutz tangierte Themen. Dass acht der zehn Gemein- pekt des Erwerbslebens früherer Zeiten. Alle anderen neun dewappen von zwei Personen gestaltet wurden, die der Montafoner Gemeindewappen, die zwischen 1964 und 1967 Entwicklung des Heimatschutzes im Montafon sehr nahe ohne speziellen Anlass gestaltet wurden, verzichten dage- standen, mag deshalb nicht überraschen. Hans Bertle gen auf die Darstellung dieses einstmals so bedeutenden (1880 bis 1943) und Konrad Honold (1918 bis 2007) unter- Erwerbszweiges. scheiden sich von vielen anderen Heimatschützern – nicht allen, wie heute die malenden Mitglieder des Heimat- Wenn wir nun den Blick auf den unteren Teil des Wappens schutzvereins, Wilfried Dür und Klaus Fussenegger, zeigen lenken, dann wird uns ein zukunftsweisendes Symbol prä- – durch ihre künstlerische Ader, welche sie von zwei Seiten sentiert: Die aufgehende Sonne steht für den aufblühenden betrachtet zur Gestaltung von Gemeindewappen befähigte. Fremdenverkehr. Hans Bertle verbindet in seinem Wappen Tradition und Moderne und dies in einer Form, wie es bei Interessant ist der Vergleich zwischen Hans Bertle und den Wappenentwürfen Honolds in den 60er Jahren nicht zu Konrad Honold sowie deren unterschiedlichem Zugang zu beobachten ist. diesem Thema. Nachdem jede Zeit ihre Wappen hat, wirkt diese Feststellung zwar nicht sehr originell, aber sie scheint Hans Bertle war der Tourismus wichtig. Das lässt sich nicht mir zum Einstieg des Verständnisses der Arbeiten Honolds nur aus der Wappengestaltung für Schruns ablesen, son- nicht unwichtig, auch wenn ich schon jetzt festhalten darf, dern wird vor allem auch aus seinem Vortrag von 1932 deut- dass Hans Bertle oder zumindest die Zeit, in der er sich lich. Bei der damaligen 25-Jahr-Feier des Heimatschutzver- bewegte, durchaus starken Einfluss auf den Honold der eins Montafon war Hans Bertle zum Ehrenmitglied ernannt späten 50er und 60er Jahre nehmen sollte. worden, und anschließend hielt er den Festvortrag. In die- sem ging er mit Lichtbildern den Schönheiten der Schweiz nach und verglich diese mit dem Montafon.2 Die Idee, über Das Schrunser Wappen von Hans Bertle den Vergleich die eigenen Stärken herauszuarbeiten, ken- nen wir vor allem aus dem Fremdenverkehr der Jahrhun- Ulrich Nachbaur skizziert in seinem Beitrag den Schrunser dertwende, als etwa Bludenz im Anzeiger seitenlang mit Wappenstreit.1 Was an dieser Stelle ergänzt werden soll, ist Interlaken in der Schweiz verglichen oder Gargellen als die Betrachtung jenes Wappens, dass uns seit 1927 bekannt Vorarlberger Davos oder Neu-Davos tituliert wurde.3 ist. Im Unterschied zu den anderen Montafoner Wappen ist das Schrunser Beispiel für einen konkreten Anlass in Auf- Hans Bertle gehörte aber auch zu jenen Vertretern der trag gegeben worden, nämlich wegen der Markterhebung Tradition, die Anfang der 30er Jahre das vermehrte Tragen des Ortes. Der Schrunser Markt geht auf die große Tradition der Montafonertracht anregten. Zu diesem Zweck bat der

Seite 313 Konrad Honold, Madonna in Latschau Selbstbildnis

Verein zwölf Frauen und zehn Mädchen, deren Namen den ungewöhnlich. Die zahllosen restaurativen Maßnahmen, Urkunden zu entnehmen sind, bei Prozessionen wie an die im 20. Jahrhundert gesetzt wurden, finden ihren Nie- Fronleichnam oder an Mariä Himmelfahrt die Pelzkappen derschlag auch in der Literatur, allerdings sind die meisten beziehungsweise die Schäpeltracht zu tragen. Die eifrigste Beiträge von Kunsthistorikerinnen und Kunsthistorikern ge- Werberin war übrigens Sabine Kessler, die als Dank dafür schrieben worden, die zum Teil in der Denkmalpflege tätig ein Bild von Hans Bertle erhielt.4 Die Wiederbelebung der waren oder sind. Ein bekanntes Beispiel ist die Entdeckung Tracht und der Montafoner Tänze war in den 30er Jahren des Gemäldes aus dem Wolf-Huber-Altares in der Mehrer- ein Anliegen, das aus dem Heimatschutzverein heraus ge- au, welches vom Schlinser Restaurator Andreas Amann er- wachsen ist, dass aber sehr bald viel mehr vom Tourismus kannt und von Erwin Heinzle dann umfassend veröffentlicht verfolgt wurde. Es verwundert auch nicht, dass nach dem wurde.10 Zweiten Weltkrieg die ursprünglich vom Heimatschutzge- danken getragenen Heimatabende nicht mehr vom Verein, Konrad Honold konnte dies nicht passieren, dafür war ei- sondern von neu gegründeten Trachtengruppen mit starker nerseits sein Interesse gerade am Mittelalter zu groß und Unterstützung des Fremdenverkehrs durchgeführt wurden.5 andererseits bemühte er sich immer wieder, seine neuen Erkenntnisse zu publizieren. Honold beschäftigte sich so Konrad Honold und seine sieben Montafoner auch mit der Bedeutung der Züricher Wappenrolle für Vorarl- Wappen berg,11 mit einer vierten Nibelungenhandschrift aus dem Gebiet der Grafen von Montfort,12 mit der Ährenmadonna Konrad Honold stammte aus Weingarten – der Heimat eines aus Tschagguns13 sowie mit einem gotischen Tragaltärchen der bedeutendsten Barockkirchenbauten mit Vorarlberger aus dem Silbertal.14 Mit den letzteren beiden Beiträgen darf Hintergrund, wo er am 6. Juli 1918 geboren wurde. Honolds ich die Leserin beziehungsweise den Leser im Folgenden Ausbildungsweg führte von Ravensburg über Stuttgart und ein wenig näher bekannt machen, weil sie zeigen, dass Berlin nach Innsbruck. Die Liebe zu den Bergen und zu Konrad Honold zum einen bereit war zu experimentieren, einer Frau ließen Honold schließlich in Schruns sesshaft und zum anderen vermitteln sie auch sein Bemühen um ei- werden. Sein Werk ist bestimmt durch Landschaftsmalerei, nen historischen und kunsthistorischen Tiefgang. Porträts, durch öffentliche Aufträge6 und vor allem durch Restaurierungen kirchlicher und privater Objekte.7 Von 1973 Die Madonna in Latschau bis 1979 leitete Konrad Honold als Obmann auch den Hei- matschutzverein Montafon.8 Die Wallfahrtskirche in Tschagguns zählt zweifellos zu den bedeutendsten Gotteshäusern des Montafons, die am Vorliebe für das Mittelalter Ende des Mittelalters existierten. Ein schönes Beispiel ei- ner spätgotischen Madonna aus der Kirche in Tschagguns 1967 veröffentlichte Konrad Honold in den Tiroler Heimat- wird heute in der Filiale in Latschau aufbewahrt. Dabei war blättern einen Beitrag über ein unbekanntes Bildnis Kaiser die Figur nicht immer gotisch. Als sie 1967 von Dekan Josef Maximilians des Ersten. Anlass für seine erste Publikation Ellensohn am Dachboden der Tschaggunser Pfarrkirche ge- war der Umstand, dass Honold zuvor das besprochene Bild funden wurde, präsentierte sich dem Restaurator Konrad restauriert und als Werk Bernhard Strigels erkannt hatte.9 Honold ein durchaus differenziertes Bild: „Auf den ersten Dass Restauratoren, die sich umfassend stilgeschichtlich Blick waren gotische und barocke Formelemente an dieser und technologisch mit einem Objekt auseinandersetzen, Figur zu erkennen. Sah man sie aber von der Rückseite, so darüber publizieren, ist konsequent aber auch durchaus trat die gotische Madonna klar in Erscheinung“.15 Die Ma-

Seite 314 Malerkapelle (Volksschule Partenen)

donna zeigte ein quer vor der Brust Mariens liegendes Kind, dung eine Rekonstruierung der gotischen Figur der Ergän- welches mit der Linken Mariens gehalten wird, und einen zung der barocken Zutaten vorzuziehen sei, denn die Ma- auffallend fächerartig ausladenden Mantel. Der nach vorne donna soll in der neuen Kirche von Latschau Aufstellung abgewinkelte rechte Arm dürfte das inzwischen fehlende finden.“ 18 Zepter getragen haben. Zu diesem Zweck führte er Studien der Ulmer Werkstätten Es handelte sich zweifellos um eine gotische Madonna, die des 15. Jahrhunderts durch, die für ihn angesichts ihrer Do- vermutlich im Zuge der Neuerrichtung des Altares der Pfarr- minanz im ausgehenden 15. Jahrhundert als Urheber in Fra- kirche Tschagguns (1774/75) eine Barockisierung erfuhr, ge kamen. Die Rekonstruktion wurde zunächst zeichnerisch indem ihr der gotische Faltenwurf des Gewandes vor dem und dann in einem Tonmodell mit dem Maßstab 1:2 festge- Körper abgenommen und durch den genannten, breit aus- halten. Die Ergänzungen der Kleidung mit ihrem gotischen ladenden Mantel ersetzt wurde. Die Skulptur könnte bald Faltenwurf orientierten sich an den originalen Resten. Die nach 1454, also dem Zeitpunkt der Errichtung der spätgo- bildhauerische Umsetzung nahm schließlich der Latschau- tischen Kirche in Tschagguns, entstanden sein. Die Figur er Bildhauer Robert Fleisch vor. Die neuen Teile erhielten wurde schließlich 1861, als die Kunst der Nazarener in der eine an der originalen Fassung orientierte Neufassung; das Kirche Einzug hielt, aus dem Kirchenraum verbannt.16 Inkarnat bei Maria und dem Kind ist hingegen die frei ge- legte Originalfassung.19 Der Restaurator Konrad Honold hatte den Auftrag zur Re- staurierung erhalten, und sein puristischer Umgang mit der Die Fassung an der erhaltenen Kleidung zeigte im Übrigen Madonna, nämlich die Rückführung in den spätgotischen noch eine Besonderheit: Honold stellte auf dem blauen Ge- Urzustand, wirft einen interessanten Einblick in die Genese wand unregelmäßig verteilte Ährendarstellungen fest, die des Umgestaltungsprozess. Honold nahm die in der Barock- aus vergoldetem feinen Leinen ausgeschnitten und aufge- zeit ergänzten Holzteile (Mantel) sowie die barocke Fassung setzt waren.20 Es handelte sich also um eine Ährenmadon- ab. Bemerkenswerterweise wurden am linken Oberschen- na, die im 15. Jahrhundert vor allem im Raum Mailand Ver- kel des Kindes Auflagepunkte der gotischen Handhaltung ehrung fand, und deren Typus vermutlich über Vermittlung Mariens festgestellt,17 das heißt, Maria hatte das Kind da- schwäbischer Künstler nach Süddeutschland kam. Der Weg mals auch mit ihrer Rechten gehalten. Dieser Umstand zeigt nach Vorarlberg war über die Exporte bildhauerische Werke deutlich, dass die geschlossene Form der spätgotischen nicht mehr weit. Figurengestaltung in der Barockzeit einer offenen Form weichen musste. Gemeint ist damit, dass der Umriss der Die Sage von der Malerkapelle Skulptur in barocker Zeit durch den nun vom Körper weg- führenden Arm eine Öffnung erfuhr. Der gotische Faltenwurf Konrad Honold beschäftigte sich nicht nur mit der Frage der Kleidung war lediglich unter dem rechten Arm Mariens der stilistischen Herkunft der gotischen Bildwerke, sondern etwa von der Hüfte abwärts beziehungsweise ab dem rech- griff auch die Sagen auf, die uns die Existenz mancher spät- ten Knie abwärts erahnbar. mittelalterlicher Heiligenfigur im Montafon erklären wollen. Bekannt ist vor allem die Sage von der Malerkapelle in Par- Konrad Honold beschloss die Rekonstruktion der mittelal- tenen, aus welcher sich noch eine Figur in Privatbesitz er- terlichen Figur, die ihm mehr entgegen kam als die barocke halten hat. Die örtliche Überlieferung will wissen, dass im Umgestaltung: „Qualitätsvergleiche der beiden Stilformen Zuge des reformatorischen Bildersturms einige Kunstwerke ließen keinen Zweifel offen, daß für eine sakrale Verwen- zur Sicherstellung ins Montafon gebracht wurden.21 So soll

Seite 315 Tragaltärchen

eines Tages auch ein Maler aus Graubünden wertvolle Fi- stammen die beiden Flügel mit naiver Bauernmalerei aus guren aus dem Prättigau nach Partenen getragen haben. dem 19. Jahrhundert. Von der beschnittenen Predella sind Das Versprechen des Malers, am ersten grünen Fleck im nur noch vier Zentimeter übrig geblieben.23 Montafon eine Kapelle zu bauen, soll zum Bau der so ge- nannten Malerkapelle geführt haben. Tatsächlich befanden Aufgrund der reduzierten Erhaltung waren die Fragen zur sich in der Kapelle im Partener Ortsteil Loch bis zum Anfang Herkunft des Objektes schwieriger zu beantworten. Formal des 20. Jahrhunderts mehrere spätgotische Altarfiguren. beziehungsweise stilistisch ist eine Datierung in die Spät- Bis auf eine Madonna, die sich heute in Montafoner Privat- gotik um 1500 anzunehmen.24 Die beiden auf den Resten besitz befindet, wurden alle weiteren in den 1920er Jahren der Predella erkennbaren Wappen geben wichtige Auff- in Richtung Tirol verkauft, wo sich die Spuren verloren ha- schlüsse. Wir finden hier das Wappen der Besserer, einer ben.22 Patrizierfamilie aus Ulm; das zweite Wappen stammt aus dem Geschlecht der Frau dieses Besserers. Konrad Honold Konrad Honold hat die Sage von der Malerkapelle in einem erkannte den Ravensburger Lietfriedus Besserer mit seiner Wandbild in der Volksschule von Partenen festgehalten. ersten Frau Agnes Humpis als Stifter, der 1507 als verstor- Dieses Bild zeigt nicht nur sein Interesse an der lokalen ben geführt wird.25 Zweifellos haben die Stifter das Werk in Geschichte, sondern im Besonderen auch an den mittelal- einer Ravensburger oder vielleicht Ulmer Werkstatt in Auff- terlichen Schnitzfiguren. Neben der Malerkapelle werden trag gegeben. Wie das Altärchen ins Silbertal gekommen der Kirchenbrand von 1800, Bischof Franz-Josef Rudigier, ist, wissen wir nicht. als großer Sohn der Berggemeinde, und das ehemalige, in den Fluten des Silvretta Speichers untergegangene Veltliner Die Montafoner Wappen Hüsli gezeigt, das die Montafoner Tradition der Landwirt- schaft und des grenzüberschreitenden Handels versinn- Die Vorliebe für das Mittelalter mag ein wesentlicher Ge- bildlicht. sichtspunkt in der Betrachtung der Wappen aus der Hand Honolds sein. Das Interesse an der Grafik, erinnern wir nur Das gotische Tragaltärchen aus Silbertal aus Montafoner an die Illustration des von Natalie Beer aufgezeichneten Privatbesitz Weihnachtsliedes von Walther von der Vogelweide,26 ist ein zweiter Aspekt, den Honold bei der Befassung mit der He- Bleiben wir noch kurz bei einem Werk, das von Konrad Ho- raldik schätzte. Und dann gilt es noch einmal festzuhalten, nold publiziert worden ist. Ein interessantes Objekt aus der dass Honold auch die lokale Geschichte sehr faszinierte, Zeit der Spätgotik hat sich nämlich in Privatbesitz erhalten. nicht umsonst hat er sich für Belange des Heimatschutzes Es handelt sich um ein so genanntes „Tragaltärchen“, das eingesetzt. sich ursprünglich in Silbertal befunden hat. Das Werk zeigt einen kleinen Schrein mit den Maßen 22 cm (für die Höhe) Die Restaurierungen der Kapellen an der Litz in Schruns27 und 17,7 cm (für die Breite). Vor den Resten des Goldhinter- und Maria Schnee in Gaschurn28 wurden von Honold auch grundes ist ein Relief mit der hl. Familie zu sehen. Maria wissenschaftlich untersucht und haben deshalb einen über und Josef beten das auf dem Boden liegende Kind an. die reine Erhaltung der Objekte hinausgehenden Wert. Dies gilt es zu beachten, wenn wir nun näher auf seine Montafo- Um dem Kind das Liegen zu erleichtern, ist der verlänger- ner Wappen eingehen. te Mantel Mariens als Unterlage ausgebreitet. Während der Schrein und das Relief spätgotischen Ursprungs sind,

Seite 316 Lukas Tschofen (Volksschule Gaschurn)

Das Verständnis Honolds für die Gestaltung der Montafoner War es in Stallehr eine Burg, die auf das alte Geschlecht hin- Wappen wird aus dem inzwischen zerstörten Wandbild vom wies, so ist es in Lorüns der Name des Geschlechts selbst, alten Dawennasaal in Stallehr deutlich, das auf das Stalleh- der zum Maßstab wird. Hier erinnert Honold nämlich an die rer Wappen von 1964 Bezug nimmt. mittelalterliche Familie der Arünser, die namengebend für den Ort waren, und deren Wappen Vorlage für die moderne Das Wappen zeigt in der oberen Hälfte zwei gekreuzte Gestaltung war.30 Bergknappenwerkzeuge; die untere Hälfte ist mit den drei Ringen des Geschlechts der Rüdberger gestaltet. Ausgangs- Das Vandanser Wappen stammte ebenfalls von Markus punkt für die Geschichte Stallehrs und somit für das Wap- Bachmann. Dass es nicht von Konrad Honold stammen pen ist das Diebschlössle, welches nicht nur über den Ort- konnte, wird auf den ersten Blick deutlich: Honold wäre schaften Stallehr und Lorüns sondern auch über der Szene wohl an der Ruine Valkastiel, einem bis vor kurzem vermu- des Wandbildes thront. Das Diebschlössle wird eindeutig teten Schloss Montafon,31 sowie an alten, hier lebenden Ge- als mittelalterliche Lokalität ausgewiesen, sind doch die schlechtern nicht vorbei gekommen. Bachmann hingegen Rüdberger als Ritter dargestellt, die – wie wir inzwischen nimmt mit dem modern anmutenden Symbol des Blitzes wissen fälschlicherweise –29 als dort wohnhaft angenom- Bezug auf die für das 20. Jahrhundert bestimmende Ener- men wurden. Ein mittelalterliches Schloss mit seinen giewirtschaft. wehrhaften Bewohnern sollte sich als Wappenmotiv also bestens eignen. Honold vergisst diesen Aspekt der Montafoner Geschichte, aber als die Wappen von Gaschurn und Tschagguns jeweils Neben der Bezugnahme auf das Diebschlössle war es Ho- mit einem Wasserrad ausstattete, notierte er gleichzeitig nold auch wichtig, die Verbindung Stallehrs zum Montafon auch die Bedeutung der Mühlen und Sägen vergangener anzuzeigen. Hier eignete sich nicht die in den 60er Jahren Jahrhunderte. Dieser Blick in die Vergangenheit vermittelt wohl als aktuell anzunehmende Charakterisierung des einen wichtigen, aber in der Gegenwart nicht mehr wahr- Montafons als energiewirtschaftlich oder touristisch orien- genommenen Teil der Bedeutung der Wasserkraft. Die nicht tiertes Tal, sondern der Künstler wählte auch hier ein mittel- mehr existierende Darstellung eines Wandbildes an der Au- alterliches Motiv: die Bergknappen. Alten Überlieferungen ßenseite der Volksschule in Partenen wirft dann aber doch zufolge sollen die Bergknappen von Bartholomäberg über noch einen seltenen Blick Honolds auf einen Strommasten, die Dawenna talauswärts gegangen sein, und sie hätten der wie kaum ein zweites Element die Kulturlandschaft des erst in Stallehr wieder den Talboden erreicht. Zwei gekreuzte Montafons im 20. Jahrhundert bestimmen sollte. Schlüssel waren im Übrigen nicht notwendig, hier genügte die Nachahmung der Form durch die entsprechende Anord- Das Gaschurner Wappen zeigt neben dem Wasserrad eine nung der Werkzeuge. Der Grafiker Markus Bachmann war Hellebarde, die uns Honolds Vorliebe für die weit zurück- zur selben Zeit in der eigentlichen Bergbauhochburg des reichende Lokalgeschichte zeigt. Im konkreten Fall verweist Tales, nämlich beim Wappen des Silbertals, ähnlich ver- die dargestellte Waffe auf den Gaschurner Lokalheros Lukas fahren, indem er einen Schlüssel mit einem Berghammer Tschofen, der mit allerlei Wohltaten in Verbindung gebracht kreuzte. Das Stallehrer Wappen ist ein schönes Beispiel für wird. Wie sich die Schulkinder und damit Generationen den starken Bezug zum Mittelalter, den Konrad Honold be- von Gaschurnerinnen und Gaschurner diesen Helden vor- saß. zustellen hatten, wird durch das imposante Wandgemälde in der dortigen Volksschule deutlich. Konrad Honold setzte den auf einem Pferd heimkehrenden Lukas Tschofen in

Seite 317 Kirchenbrand Partenen (Volksschule Partenen)

den Mittelpunkt. Die Bevölkerung gibt in freudiger Erwar- ziert das St. Gallenkircher Wappen. Beim Bartholomäberger tung die Kulisse. Dass sich der Reichtum Lukas Tschofens Beispiel sehen wir den hl. Bartholomäus mit jenem Messer, nicht auf einer geplünderten Kriegskasse gründete, und das die seine Schinder verwendet hatten, um dem Apostel dass es gleich vier wichtige Lukas Tschofen gab, ist seit den die Haut abzuziehen. Forschungen Manfred Tschaikners bekannt32 und hat der legendären Figur keinen Abbruch getan. Die Kapelle Maria In Eichenberg hatte Konrad Honold kurzerhand Eichen und Schnee ist vom zweiten Lukas Tschofen gebaut worden, und Berge dargestellt und damit den Typus des redenden Wap- hat Honold bei der Restaurierung dieses barocken Kleinods pens bedient. Im Montafon wird dies am Bartholomäberg und Wahrzeichen Gaschurns noch einmal intensiv mit den deutlich, wo nämlich bei genauerer Betrachtung der hl. Tschofen beschäftigen lassen. Bartholomäus auf einen Berg gestellt ist und damit genau diesen Typus des redenden Wappens erfüllt. Ein anderes Das Tschaggunser Wappen, das übrigens am 17. März 1965 wäre zweifellos in Silbertal möglich gewesen. Hier erhielt (dem Geburtstag des Verfassers) von der Gemeinde abge- Markus Bachmann den Auftrag, und er verzichtete auf die- segnet wurde, zeigt die Abbildung der Wallfahrtskirche mit se Möglichkeit der Umsetzung in Form der Wiedergabe dem spätgotischen Chor und dem markanten, typischen eines silberschimmernden Tales. Tatsächlich bezieht sich Tirolerturm mit zwei Zwiebeln und Laterne. Auch in St. Bachmann ganz allgemein auf die Walserherkunft, indem Anton und in St. Gallenkirch hält Honold die Kirche fest. er die drei Walsersterne ins Wappen integriert. Konrad In der lokalen Kirchengeschichte beziehungsweise in der Honold hatte bei seinen Walserwappen, etwa für Sonntag Bedeutung von Gotteshäusern vor Jahrhunderten sieht sich oder Dünserberg, jeweils den aufgerichteten Steinbock als die „Heimatkunst“, wie Wilfried Dür in seiner Diplomarbeit Zeichen der freien Walser von 1408 festgehalten. Ein Sym- zu Konrad Honold schreibt,33 verwirklicht. Eine Kirchenge- bol, das weitaus heroischer angelegt ist, als die dezenten schichte, die Honold im Besonderen fasziniert, ist jene von Sterne.35 Gortipohl, wo die Kirche 1689 von einer Lawine zerstört worden ist. Das Wandbild bei der Gortipohler Volksschule Die „Heimatkunst“ Konrad Honolds greift dieses Thema auf, Honold weitet den Schutzgedan- ken Mariens allerdings auf alle Unwetterfolgen aus. Auf die Konrad Honold erhielt in den 50 und 60er Jahren des 20. Darstellung des Partener Kirchenbrandes von 1800 in der Jahrhunderts eine Reihe von öffentlichen Aufträgen, die dortigen Volksschule wurde schon hingewiesen. sich vor allem im blühenden Schulhausbau thematisch mit der Lokalgeschichte auseinandersetzen sollten. Ähnlich Lukas Tschofen hatte uns neben der Darstellung des Malers verlief die Situation bei den Banken, die auch gerne auf in Partenen schon auf die Fährten von Legenden gebracht. Konrad Honold zurückgriffen, der mit seinen Themen auch Bei der Gestaltung des St. Antoner Wappen taucht Honold das Motiv der Landesverbundenheit der Banken auftragge- tief in die Montafoner Sagenwelt ein, stellt das Symbol des bergerecht umzusetzen wusste.36 auf den Kopf gestellten Dreibergs doch jenes Bergsturzer- eignis dar, welches die sagenhafte Ortschaft Prazalanz ver- Die auf Heldentaten der lokaler Größen beruhende Stil- schüttet haben soll.34 richtung der „Heimatkunst“ kennen wir schon aus der Zwi- schenkriegszeit, und sie hatte naheliegender Weise auch Die nach Heiligen benannten Orte des Montafons – von St. im Nationalsozialismus Gefallen gefunden. Honold nahm Anton abgesehen – weisen noch ein anderes Merkmal der diese Richtung auf und führte sie in den späten 50er und Gestaltung auf, nämlich die Darstellung eben jener Hei- 60er Jahre zu einer letzten Blüte. ligenfiguren. Der hl. Gallus mit seinem Attribut, dem Bär,

Seite 318 Märzengericht, Schruns 1840 (Sparkasse Schruns)

Abschließende Bemerkungen 5 Siehe dazu Rudigier (wie Anm. 2), S. 211-212. 6 Siehe hiezu die Übersicht in: Susanne Fink, Kunst und Bau in Vorarlberg Zusammenfassend lässt sich festhalten, dass Konrad Ho- seit 1945 (Schriften des Vorarlberger Landesmuseums, Reihe B. nold im Unterschied zu Markus Bachmann viel konkreter Kunstgeschichte und Denkmalpflege 4). Bregenz 2003. auf die zu „bewappnenden“ Orte und deren Geschichte 7 Vgl. zu Konrad Honold etwa Gert Ammann, Zum Werk Honolds, eingeht und sich dabei weniger um die Gegenwart und Zu- in: Konrad Honold. Schruns. Gemälde, Zeichnungen, Monotypen, kunft als viel mehr um weit zurückliegende Inhalte bemüht. Wandbilder, Glasmalereien, Mosaiken. Katalog zur Ausstellung im Diese Feststellung ist keine Überraschung, aber dennoch Künstlerhaus Palais Thurn und Taxis. Bregenz 1979, unpag.; Andreas Wert hier abschließend festgehalten zu werden. Rudigier, Altobmann Konrad Honold ist 85 Jahre alt, in: Jahresbericht der Montafoner Museen, des Heimatschutzvereins Montafon und des Hans Bertle steht am Anfang einer der Vergangenheit heroi- Montafon Archivs 2003, S. 66-67; Wilfried Dür, Konrad Honold. Kunst sierenden Kunst (die ihre Wurzeln schon im späten 19. Jahr- am Bau und sakrale Werke. Dipl. Arb. Innsbruck 2006, S.5-9; Bildende hundert hat) und die bei ihm auch einen Niederschlag in Kunst in Vorarlberg 1945-2005. Biografisches Lexikon. Hohenems 2006, der Gestaltung von „Events“ wie die Markterhebungsfeier S. 149. oder die Battloggspiele haben sollte.37 Konrad Honold greift 8 Siehe dazu etwa Rudigier (wie Anm. 2), S. 217-220. dieses Genre zumindest in seiner Malerei auf, und man 9 Konrad Honold, Ein unbekanntes Bildnis Kaiser Maximilians I. von bekommt das Gefühl, dass Hans Bertle durchaus Einfluss Bernhard Strigel, in: Tiroler Heimatblätter 42 (1967), S. 33-39. genommen hat. 10 Erwin Heinzle, Wolf Huber (um 1485-1553). Innsbruck 1953. 11 Konrad Honold, Die Bedeutung der Wappenrolle von Zürich für Konrad Honold ist ein zutiefst öffentlicher Künstler, dessen Vorarlberg, in: Montfort 36 (1984), S. 26-233, und Konrad Honold, Die Werke Generationen von Montafonerinnen und Montafoner Bedeutung der Wappenrolle von Zürich für Vorarlberg, in: Montfort 47 zumindest unbewusst betrachtet haben. Langsam aber si- (1995), S. 131-144. cher gehen diese Arbeiten verloren, da nun die nächste Ge- 12 Konrad Honold, Eine vierte Nibelungenhandschrift aus dem Gebiet der neration der öffentlichen Bauten ansteht und die früheren Grafen von Montfort und von Werdenberg, in: Montfort 40 (1988), S. Werke Honolds Gefahr laufen, aus dem öffentlichen Raum 21-32. zu verschwinden. Die Wappen sollten aber bis auf Weiteres 13 Konrad Honold, Die Ährenmadonna von Tschagguns, in: Montfort 41 eine bleibende Erinnerung an Konrad Honold darstellen. (1989), S. 223-231. 14 Konrad Honold, Gotisches Tragaltärchen aus Silbertal und die 1 Vgl. auch Ulrich Nachbaur, Über das Werden und Wesen von Verbindung zu Martin Schongauer, in: Montfort 42 (1990), S. 179-194. „Marktgemeinden“ in Vorarlberg. Die Markterhebung von Schruns 1927, 15 Honold, Ährenmadonna (wie Anm. 13), S. 223-224. in: Ulrich Nachbaur und Peter Strasser, Die Markterhebung von Schruns. 16 Ebenda, S. 230-231. Marktgemeinden in Vorarlberg (Montafoner Schriftenreihe 13). Schruns 17 Ebenda, S. 224. 2004 S. 9-126, hier S. 70-83. 18 Ebenda. 2 Andreas Rudigier, Der Heimatschutzverein Montafon. Ein Beitrag zu 19 Ebenda, S. 226. seiner Geschichte, in: Andreas Rudigier (Hg.), Heimat Montafon. Eine 20 Ebenda. Annäherung. Schruns 2007, S. 177-222, hier S. 211. 21 Vgl. Ernst Rudigier, Gaschurn und Partenen im Montafon mit seinen 3 Rudigier (wie Anm. 2), S. 211, und N. N., Interlaken und Bludenz, in: Kirchen und Kapellen. Bad Buchau o.J., S. 29-30. Manfred Tschaikner, Bludenz Lesebuch. Allerlei übers Städtle. Dornbirn 22 Siehe dazu auch Rudigier (wie Anm. 21), S. 30. 2007, S. 105-106. 23 Honold, Tragaltärchen (wie Anm. 14), S. 179-180. 4 Rudigier (wie Anm. 2), S. 197. 24 Ebenda, S. 181.

Seite 319 25 Ebenda, S. 181-182. 26 Natalie Beer, Walthers Weihnachtslied. Dornbirn 1985 (von Konrad Honold in Zierschrift geschrieben und illustriert). 27 300 Jahre Litzkapelle. Schruns 1988 (Text von Konrad Honold). 28 Konrad Honold, 350 Jahre Kapelle Maria Schnee in Gaschurn, in: Montfort 40 (1988), S. 222-239, und Konrad Honold, Kapelle Maria Schnee. Gaschurn/Montafon (Schnell Kunstführer 1882). München- Zürich 1991. 29 Die Anlage des Diebschlössles wurde nie fertig gebaut; vgl. den Befund in Karsten Wink, Christina Kaufer und Ralf Wallnöfer, Die archäologischen Grabungen auf dem Diebschlössle, in: Ausgrabungen im Montafon. Diebschlössle und Valkastiel, hg. von Karsten Wink (Montafoner Schriftenreihe 14). Schruns 2005, S. 42-45. 30 Brigitte Truschnegg, Lorüns. Dorfgeschichte in Schrift und Erzählung (Sonderband zur Montafoner Schriftenreihe 2). Lorüns 2006, S. 35. 31 Alois Niederstätter, Das „Schloss Montafun“ – eine historische Fiktion!, Ausgrabungen im Montafon. Diebschlössle und Valkastiel, hg. von Karsten Wink (Montafoner Schriftenreihe 14). Schruns 2005, S. 9-12. 32 Manfred Tschaikner, Lukas Tschofen von Gaschurn – Zur Geschichte einer Montafoner Oberschichtfamilie im 16. und 17. Jahrhundert, in: Andreas Rudigier und Manfred Tschaikner, Lukas Tschofen und Gaschurn (Bludenzer Geschichtsblätter 14+15). Gaschurn 1993, S. 9-86. 33 Dür (wie Anm. 7), S. 42. 34 Vgl. etwa Franz Elsensohn, Montafoner Sagenreise. Götzis 2006, S. 69- 80. 35 Siehe dazu auch Hans Jäger-Sunstenau, Der Heraldiker Konrad Honold und seine Vorarlberger Gemeindewappen, in: Adler. Zeitschrift für Genealogie und Heraldik 10 (1974-1977), S. 58-59. 36 Vgl. auch Dür (wie Anm. 7), passim. 37 Siehe dazu Peter Strasser, Die Schrunser Markterhebungsfeier 1928, in: Ulrich Nachbaur und Peter Strasser, Die Markterhebung von Schruns. Marktgemeinden in Vorarlberg (Montafoner Schriftenreihe 13). Schruns 2004S. 127-207.

Seite 320 Ausstellung „Das Gebiet der Stadt Bregenz im Wandel der Zeiten – Von den Marken des städtischen Gerichts zu den Grenzen der Gemeinde“; Bregenz, Magazin 4, 16. Oktober bis 7. November 2008 Thomas Klagian (geb. 1970 in Bregenz), Mag. phil., seit 1998 Stadtarchivar der Landeshauptstadt Bregenz

Das Gebiet der Stadt Bregenz im Wandel der Zeiten Von den Marken des städtischen Gerichts zu den Grenzen der Gemeinde Thomas Klagian

Die Morphologie der Landschaft chen. Bis in die frühe Bronzezeit um 1.500 v. Chr. reichen die ältesten Funde aus Bregenz zurück; sie stammen aus Pfänderstock und Bodensee berühren sich an der Klause, der Gegend an der Kennelbacherstraße gegen die Bregen- die Verkehrswege werden dort einem Fächer gleich zusam- zerach zu. mengepresst. Die Klause begründete die strategische Be- deutung von Bregenz, war aber gleichzeitig ein Verkehrshin- Die Kelten dernis ersten Ranges. Der Bodensee, der jahrhundertlang Bregenzersee hieß, wirkt auf der Landkarte wie ein Sper- Das um 400 v. Chr. einwandernde keltische Volk der Bri- riegel, der Schwaben vom Alpenraum trennt. In Wirklichkeit gantier siedelte auf der Terrasse des Ölrains. Brigantion, so verband der Bodensee seit der Antike die Menschen. nannte Strabon um die Zeitenwende die Siedlung, war wohl der zentrale Ort für ein Gebiet, das wesentlich größer war als das heutige Vorarlberg. Aus der Siedlungsgeschichte Die Römer Das Rheintal wurde vor etwa 10.000 Jahren über die natür- lichen Zugänge von Norden entlang der Bodenseeufer und Im Jahr 15 v. Chr. eroberten die Römer den Alpenraum und von Westen über die Walenseefurche erschlossen. Für die- somit auch Bregenz. Die Römer errichteten zunächst ein se Zeit lässt sich selbstverständlich noch nicht historisches wall- und grabengeschütztes Militärlager auf dem Ölrain, Geschehen darstellen, ebenso bleibt die ethnische Zusam- das Mitte des ersten nachchristlichen Jahrhunderts von ei- mensetzung der während der sogenannten Neolithischen ner städtischen Anlage abgelöst wurde. In der Spätantike Revolution sesshaft werdenden Siedler unklar. Die Zentren befand sich auf dem Plateau der Oberstadt eine beschei- früher Siedlungstätigkeit in Vorarlberg waren das Rheintal dene, leicht befestigte Rückzugssiedlung. und der Walgau. In ur- und frühgeschichtlicher Zeit waren vor allem die Inselberge im Raum Götzis, das Vorderland Die Alemannen mit der Feldkircher Gegend und die Umgebung von Bregenz und Bludenz bewohnt. Daran sollte sich bis zum Ende des Seit dem 3. Jh. hatten die Alemannen immer wieder das frühen Mittelalters um 1000 nur wenig ändern. römische Grenzgebiet heimgesucht, ohne sich in Vorarl- berg niederzulassen. Erst nach dem Zusammenbruch des Die Räter Weströmischen Reiches gegen Ende des 5. Jh. wurden die Alemannen während der beiden folgenden Jahrhunderte Um ein Volk ethnisch näher bestimmen zu können, bedarf bei uns sesshaft. es sprachlicher Zeugnisse, die aber aus dem Alpenraum nur in Spuren erhalten sind. Die lateinischen und griechischen Das einstige alemannische Dorf Bregenz, das vor der mittel- Quellen sprechen unisono von Rätern, wann immer von den alterlichen Stadtgründung den Kern von Bregenz gebildet Bewohnern des Alpenraums die Rede ist, eine Klassifizie- hat, lag am stadtwärts gelegenen Teil der Ölrainterrasse rung, die auf mangelhaften Kenntnissen der tatsächlichen und reichte vom Babenwohlweg hinter der Pfarrkirche St. Verhältnisse beruhte. In den Alpen lebte wohl eine Vielzahl Gallus bis hinüber zur alten Landstraße – der Gallusstraße von kleinräumigen Ethnien mit unterschiedlichen Spra- - und bis zum Anfang der Kirchstraße hinab.

Seite 321 Die mittelalterliche Stadtgründung tigste Bauwerk der Stadt. Nach Norden hin entlang der Stadtmauer schlossen sich an: die Mühle, die Wette oder Die Bregenzer Grafen beherrschten das Bregenzerland voll- Rossschwemme, die Schmiede und die Badstube. Zur Burg kommen: jenes Gebiet, in dem das Dorf Bregenz und die gehörte der Vorplatz – der spätere Marktplatz – mit dem beiden herrschaftlichen Großhöfe Rieden und Steig mit ih- Brunnen. Dieser Brunnen hatte eine eigene Zuleitung aus ren zahlreichen Bauerngütern lagen. einer Brunnenstube oberhalb des Stockachs (Berg Isel), die auch des Grafen Wohnsitz vor der Stadt, das Gut Milden- Den entscheidenden Schritt in der Siedlungsgeschichte von berg versorgte. Bregenz setzte um die Mitte des 13. Jh. Graf Hugo II. von Montfort mit der Neu-Gründung der Stadt auf dem Plateau Am Unteren Tor befand sich der Hof oder das Höflin als der Oberstadt. Die 802 urkundlich erwähnte Burg Bregenz Sammelstelle für die herrschaftlichen Abgaben, wohl am ist wohl hier zu suchen. In unmittelbarer Nähe dieser Burg Standort des erst 1599/1601 als Hochwacht errichteten standen vielleicht ein paar einfache Häuser mit Wohnungen Martinsturms. Außerhalb der Stadtmauer lag nach späterer und Werkstätten für Dienstmannen, Hofleute und Handwer- Überlieferung ein Garten mit Hundezwinger im Eigentum ker. des Stadtherrn.

Die neu gegründete Stadt bestand aus etwa 60 Hofstätten Eine breite Gasse von Tor zu Tor halbiert die Oberstadt, ihr - Platz für Haus und Hof -, die Erblehen des Grafen waren. parallel verlaufen zwei schmälere Gassen gegen den Terras- Ihre Inhaber waren Eigenleute des Stadtherren und damit senrand zu. Die mittlere Gasse hieß Vordergasse, die par- in ihrer Freiheit eingeschränkt. Sie zahlten Hofstattzins, allelen hießen beide Hintere Gasse. Die Raumvorstellung lieferten Mist für die gräflichen Weinberge und verrichteten der alten Bregenzer ging von der zentralen Achse aus, sie Wachdienste; vom Todfall - einer Art Erbschaftssteuer, starb unterschied nicht drei Gassen wie wir, sondern nur zwei, der Familienälteste musste das beste Stück Vieh abgege- eine vordere und eine hintere, die sich in zwei unverbun- ben werden - und vom Frondienst waren sie befreit. Todfall- dene Äste teilt. pflicht und der eintägige Frondienst, der Tagwan, begannen genau an der Stadtgrenze. An der Vordergasse, am heutigen Ehregutaplatz, befanden sich einander gegenüber die öffentlichen Gebäude der Im Jahr 1260 tritt uns Bregenz in einer Urkunde zum ersten Metzg und der Brotlaube. Mal als Civitas, als Stadt im Rechtssinn entgegen. Auf den Hofstätten standen wohl einstöckige Holzhäuser, Die Oberstadt ist eine Festung von Natur aus, auf drei Sei- die Traufseite zur Gasse, mit dem Stall im engen Höflein ten geschützt durch eine steile Halde, nur auf der Bergsei- dahinter. Auch die Burghalde wurde ausgeteilt, die langen, te wie über einen Flaschenhals verbunden mit dem Pfän- schmalen Streifen – Baum- oder Rebgärten – lagen zumeist derstock. Dort, an der schwächsten Stelle, stand die Burg hinter dem Haus des Besitzers, getrennt durch Mauer und beiderseits des Oberen Tores, das Haus der Grafen mit der Wehrgang – die Ausgabe erfolgte also vermutlich noch vor Kemenate. Beim heute noch erhaltenen Beckenturm stand dem Bau der Mauer. das älteste bekannte Zeughaus. Jenseits des Oberen Tores an der Ostecke stand der Turm – der Bergfried -, das mäch-

Seite 322 Burg in der Oberstadt 1857, kurz vor dem Abriss

Der Stadtgerichtsbezirk 1300-1380: gräfliches Ried, Fahrlehen, Eichholz, Steinebach Graf Hugo II. von Montfort trennte den Bezirk, den er Stadt- ammann und Rat zugewiesen hatte, das Stadtgericht, Spätestens im 14 Jh. wurde das Maurach befestigt, am Leut- durch die Vermarkung bestimmter Grenzen aus Hofrieden bühel stand ein Tor, wie die bis ins 17. Jh. belegte Ortsbe- heraus. Dieser Stadtgerichtsbezirk deckte sich wohl mit zeichnung „Vor dem Tor“ für die Häuser unterhalb dieses dem Umfang der Siedlung, beschränkte sich anfangs also Platzes zeigt. Der Leutbühel ist nichts Anderes als der Lü- auf die Oberstadt. ckenbühel, früher Lugbühel, weil sich dort eine Lücke, ein Tor befand. Im Stadtgerichtsbezirk galt das Stadtrecht, innerhalb dieses Bezirks hatte der Stadtherr Zwing und Bann inne, das Recht Ins frühe 14. Jh. fällt die Ausgabe weiterer 30 dem Grafen unter Strafandrohung verbindliche Gebote und Verbote zu zinspflichtiger Hofstätten im Bereich des Rieds (Kaiserstra- erlassen. Das Recht war aber nach mittelalterlichen Vorstel- ße), auf der Allmende dieses Namens, die sich dem Seeufer lungen nicht an das Territorium gebunden, sondern an die entlang Richtung Mehrerau erstreckte. Das Ried war un- Menschen, und so galt das Stadtrecht auch für Bregenzer kultiviertes, sumpfiges und nicht selten überschwemmtes Bürger, die außerhalb dieses Bezirks wohnten. In Mittelal- Weideland. Die Grenze der neuen Siedlung beidseits der ter und früher Neuzeit war die Gerichtszugehörigkeit weni- Riedgasse bildeten gegen Süden hin der Thalbach und ein ger räumlich bestimmt als vielmehr durch die Zugehörigkeit zum See ziehender Graben, der als Grenzmark der Stadt Ee- zu einem bestimmten Personenkreis oder Personenver- graben hieß (entlang der Jahnstraße); Richtung See reichte band. die Verbauung bis etwa auf die Höhe der Schulgasse.

Da die Hofstätten Erblehen des Grafen waren, bestimmte er Seit dem ausgehenden 13. Jh. war das Holzwerk ein wich- allein über die Verleihung des Bürgerrechts und damit über tiger Erwerbszweig. Das Holz wurde im Bregenzerwald ge- die Zusammensetzung der Bürgerschaft. schlägert und auf der Bregenzerach in die Bregenzer Bucht geflößt. Auf dem Steinach, dem Bregenzer Kiesufer, vom Vatzenwasen (Kornmarktplatz) stadtauswärts standen die 1250-1300: Maurach Hütten und Werkstätten, in denen das Holz verarbeitet wur- de. In der zweiten Hälfte des 13. Jh. entstand unter der Stadt eine Vorstadt, in jener Gegend, die nach den vielen Mauer- Alt sind auch die Fahrlehen, deren Inhaber verpflichtet wa- resten aus der Römerzeit Maurach hieß. Der Stadtherr gab ren, für den Grafen Fahrdienste auf dem See zu leisten. Die weitere 30 ihm zinspflichtige Hofstätten aus, die beidseits Fahrlehen finden wir auf zwei Fluren: „Vor dem Maurach“ der Maurachgasse zwischen dem Weißenreutebach und und „Ob dem Kalkofen“. „Vor dem Maurach“ ist die Gegend dem Thalbach lagen. vom Beginn der Obergasse (Anton Schneiderstraße) bis über die Brandgasse hinaus, „Ob dem Kalkofen“ liegt am Vatzenwasen, wo heute das Hotel Messmer steht.

Holzhütten und Fahrlehen lagen ursprünglich außerhalb des Stadtgerichts.

Seite 323 Am Eichholz – zwischen Brandgasse und Eichholzstraße – nik aus dem Jahr 1616, war der Holzhandel. Die Bregenzer lagen einige Hofstätten. Später unterschied man das vor- Holzleute betrieben seit dem ausgehenden 13. Jh. das ka- dere und das hintere Eichholz, beide waren alte Lehen des pitalintensive Holzwerk gemeinschaftlich, das gegen ein Klosters Mehrerau. jährliches Schirmgeld, die Achlöse, unter gräflichem Schutz stand. Produziert wurden Bretter, Balken, Schindeln und Am Steinebach, weit außerhalb der Stadt und jenseits der vor allem Rebstecken. Die Holzwaren wurden mit großen Stadtgrenze auf Hofrieder Boden, standen mehrere Höfe Lastenseglern zu den anderen bedeutenden Bodenseeor- und Mühlen. ten verschifft.

Die Stadt Bregenz zählte in der zweiten Hälfte des 14. Jh. Das „Bregenze stade“, das Bregenzer Ufergelände wird kaum mehr als 500 bis 700 Einwohner. 1249 erstmals genannt, dort befand sich wohl auch die Schiffsanlegestelle. Lastensegler aller Art durchpflügten den See: Lädinen (Lädi leitet sich von Last her), Halblädi- Exkurs Wirtschaft nen, Segmer (von lateinisch sagma, die Last), Halbsegmer, Viertelsegmer und noch kleinere Schiffe, die man auf gut Im Jahr 1330 erhielt Bregenz ein kaiserliches Privileg, das bregenzerisch als „Gundele“ bezeichnen würde. den – wohl schon seit dem 13. Jh. bestehenden - montäg- lichen Wochenmarkt mit jenen Rechten ausstattete, die Im Jahr 1390 konnten Schiffe an den „Seepfahlen“, an in den Märkten der Reichsstädte zukamen. Im Regelfall ist der Ufernähe eingerammten Pfählen anlegen. Schon 1299 Markt die wichtigste Einnahmequelle einer Stadt, nicht so scheint der Familienname Seehuser auf, der sich wohl vom in Bregenz, denn die Stadt lag abseits der Handelsstraßen. Seehaus, von der den Hafen schützenden Seeburg ableitet. In Mittelalter und Neuzeit wählte man, wann immer es ging, Die Seeburg wurde 1811 unter bayrischer Herrschaft abge- den Wasserweg; und so lief der lukrative Italienhandel von rissen. Lindau oder Konstanz über den Bodensee nach Fußach und dann weiter nach Feldkirch oder direkt auf dem Rhein nach Chur. 1380-1484: städtisches Ried, Insel, Graben, Vatzen- wasen, Kirchgasse Der Bregenzer Wochenmarkt fand auf dem kleinen Platz vor der Burg statt. Eine gewisse Bedeutung erlangte der Markt Ende des 14. Jahrhunderts ergriff die Stadtgemeinde die nur für die unmittelbare Umgebung der Stadt, sein Einzugs- Initiative. Sie teilte das ihr zugewiesene Allmendland un- gebiet war klein. Das Handwerk blieb überhaupt auf den terhalb des gräflichen Rieds an Siedler aus – in Verlänge- lokalen Bedarf beschränkt. Und so erstaunt es nicht, daß rung der bereits bestehenden Riedgasse. Diese Hofstätten sich der Markt weder als Marktplatz noch als Marktstraße waren doppelt zinspflichtig, sie zahlten einen Zins an die verewigt hat. Stadt und den üblichen Hofstattzins an den Grafen.

Weinbau und Weinhandel bildeten ursprünglich einen sehr Etwa zeitgleich gab die Stadt vereinzelte Hofstätten im Be- einträglichen Erwerbszweig der Bregenzer, wobei der Graf reich der Insel (Inselstraße), des Grabens (Rathausstraße) selbst der größte Weinbauunternehmer war. Der Bregenzer und des Vatzenvasens (Kornmarktplatz) aus. Diese Hofstät- fürnehmste Hantierung, so Schleh in seiner Emser Chro- ten zahlten nur noch den städtischen Zins. Eingerahmt von

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Um 1409

Um 1480

Seite 325 Thalbach und Weißenreutebach verdiente die Insel ihren Verfassung und Verwaltung Namen. Dem Vatzenwasen gab der Hofstättenbesitzer Vatz den Namen. Bregenz hatte kein großartiges altes Stadtrecht, die Bregen- zer Bürger lebten nach Gewohnheitsrecht, und das Recht Die Stadtgrenze hatte sich bereits vor 1380 vom Graben, in ging vom Stadtherrn aus. Die Bregenzer Grafen sahen keine dem der Weißenreutebach floß, bis zum Eichholzbach vor- Notwendigkeit, ihrer Stadt ein schriftlich fixiertes Stadt- geschoben. Die Hofstätte der Seehuser (heute Hotel Mess- recht zu verleihen, denn so blieben ihnen mehr Möglich- mer) war das erste Haus jenseits der Stadtgrenze. keiten, auf die Stadt und ihre Bürger Einfluss zu nehmen. Wenn gewohnheitsrechtliche Bestimmungen aufgezeich- Seit etwa 1400 begann sich die Stadt in das Gebiet der net oder modifiziert werden mussten, veranlasste dies der heutigen Kirchstraße auszudehnen. Der heutige Gasthof Stadtherr. Hirschen (Kirchstraße 8) ist als ältestes Haus der Kirchgas- se im Jahr 1427 belegt. Es stand damals „In der Vorstadt“ Bis zum Ende des Mittelalters ist über das innerstädtische und hatte noch keine Nachbarn. Der älteste Teil der Gasse Leben, über Verfassung, Verwaltung und Rechtspflege nur dem Thalbach entlang hieß bezeichnend „Hinter dem Mau- wenig bekannt. Zugleich mit der neuen Siedlung in der rach“. Der Name Kirchgasse scheint 1463 zum ersten Mal Oberstadt schuf der Stadtgründer Graf Hugo II. von Mont- auf. Diese Gasse war ursprünglich Teil der alten Landstra- fort die Stadtgemeinde als einen Bereich eigenen Rechts ße, die über die heutige Gallusstraße und die Riedergasse mit einer eigenen Obrigkeit. Dem Stadtammann stand zur Heufurt führte – das war lange vor dem Bau der Lau- spätestens seit 1349 ein Rat zur Seite. Der Stadtammann teracher Brücke 1517. Zum Kirchweg wurde sie erst mit dem war Richter in niedergerichtlichen Fällen, der Rat hatte die Ausbau der Vorstadt, mit der Verlagerung des städtischen Marktaufsicht inne und saß mit dem Stadtammann zu Ge- Lebens Richtung See. Die Kirchgasse wuchs rasant, bereits richt. Stadtammann und Rat waren keine gewählten Ver- um 1480 standen hier in etwa ebenso viele Häuser wie heu- treter der Bürgerschaft, sondern wurden vom Stadtherrn te. Die Häuser der Kirchgasse lagen damals noch außerhalb eingesetzt. Dem zwölfköpfigen Rat wurde 1436 ein Rat aus der Stadtgrenze, die vom Thalbach gebildet wurde. acht Mitgliedern beigesellt. Der alte Zwölferrat saß zu Ge- richt – aus ihm entwickelte sich das Stadtgericht -, der Ach- In den 1440er-Jahren standen auf dem städtischen Ried terrat (der kleine Rat) besorgte die Verwaltung. Rechtspre- beim Weiher eine Mühle und eine Gerberei. chung und Verwaltung lagen in einer Hand, sie waren noch nicht im Sinn der modernen Gewaltenteilung voneinander 1484 setzte Bregenz im Bereich der Kirchgasse eine Stad- geschieden. Das Amt des Stadtammanns und die anderen terweiterung auf Kosten Hofriedens durch. Die Stadtgren- städtischen Funktionen waren ehrenamtlich, die Amtsin- ze wanderte vom Thalbach zum Thalbachgässele und zum haber Honoratioren im eigentlichen Sinn des Wortes, ihre Weg zur Linden (die Wolfeggstraße) und verlief von dort hin- Dienste blieben unbezahlt. ter den nordseitigen Hausgärten der Kirchgasse abwärts in den Eegraben. Teilung von Grafschaft und Stadt Bregenz – Übergang an Österreich Die Stadt Bregenz hatte damals etwa 1.200 Einwohner. 1379 teilten die Bregenzer Montforter Grafschaft und Burg Bregenz, nicht aber die Stadt und die Vogtei über das Klo- ster Mehrerau. Der südliche Teil umfasste Hofsteig, Alber-

Seite 326 Bregenz um 1647 (Matthäus Merian)

schwende, Lingenau (und die Herrschaft Hohenegg), der Vatzenwasen nach Schwaben weiterging. Um 1500 verla- nördliche Hofrieden, Sulzberg und Oberlangenegg. 1409 gerte sich das Marktgeschehen von der Oberstadt auf den teilten die Bregenzer Montforter auch die Stadt: die Tei- Leutbühel. lungslinie verlief mittendurch, vom Oberen zum Unteren Tor, von dort durch das Maurach und das Ried bis zum See. Die Bregenzer Flur 1451 erwarb Österreich den südlichen Teil von Grafschaft und Stadt Bregenz, 1523 den nördlichen. Anders als viele Städte besaß Bregenz aus dem Erbe sei- ner dörflichen Vergangenheit eine weitläufige fruchtbare Erst in österreichischer Zeit, 1529, erhielt die Stadt Bregenz Ackerflur. Sie reichte von der Klause bis an den Südrand ein eigenes Wappen und das Siegelrecht. Mit dem Über- der Ölrainterrasse. Die Auflösung des aus fränkischer Zeit gang an Österreich begann der langsame Aufstieg der Stadt stammenden Dorfs war im 14. Jh. schon sehr weit fortge- in rechtshistorischer Hinsicht. schritten, nur mehr wenige Häuser lagen im Dorf.

Der sogenannte Stadtbrauch von 1582/90 bzw. 1594 fasste Ihre Flur bearbeiteten die Bregenzer auch nach der Stadt- einen Teil des geltenden Rechts zusammen, einen Teil wohl- gründung im gemeinsam geregelten Dreifelderbetrieb - mit gemerkt, nach wie vor galt auch Gewohnheitsrecht, das alte ihrem im Kreis wandernden Anbau: Im jährlichen Wechsel Herkommen. Zudem griff man zur Rechtsfindung auf Ge- wurde ein Feld mit dem vor dem Winter gesäten Winterge- richtsurteile, Privilegien und Verträge zurück. 1579 wurden treide (Roggen, Vesen) und eines mit dem nach dem Winter die letzten Bregenzer Bürger aus der Leibeigenschaft entlas- gesäten Sommergetreide (Hafer, Hirse, Gerste) bestellt. Das sen. Seit 1594 hatte ein Wahlmännerkollegium - bestehend dritte Feld lag brach und diente als Weide. Diese drei groß- aus dem bisherigen Ammann, den Altammännern und den en dem Flurzwang unterliegenden Felder hießen in Bregenz ältesten Ratsmitgliedern - das Recht inne, dem habsbur- wie andernorts auch Esche: gischen Vogt und den Amtleuten drei taugliche Bürger für das Ammannamt vorzuschlagen. Vogt und Amtleute waren Der Esch hinter dem Gottesacker unter dem Ölrain reichte freilich an diesen Dreiervorschlag nicht gebunden. von den Häusern der untersten Kirchstraße und vom Beginn Seit 1643 schließlich durfte ein Teil der männlichen Bevöl- der heutigen Wolfeggstraße bis zum Erawäldele, immer un- kerung den Stadtammann und das Gericht (den großen Rat) terhalb der Ölrainterrasse bleibend. Die Ölrainterrasse teil- frei wählen, der kleine Rat, der die Verwaltung besorgte, ten sich der seeseitig gelegene Esch auf dem Ölrain und der wurde nach wie vor von der Obrigkeit eingesetzt. bergwärts gelegene Bregenzer Esch. Die Etymologie des Na- mens Ölrain ist nach wie vor nicht geklärt. Vielleicht verbirgt sich dahinter die Erle aus der Familie der Birkengewächse: 1484-1602: die große Stadterweiterung aus dem Erlenrain wäre dann ein verballhornter Ölrain ge- worden. Zweimal im 15. Jh. war die Vorstadt in Flammen aufgegan- gen: 1406 im Appenzellerkrieg und 1445 im Alten Zürich- 1506 war das System der Dreifelderwirtschaft noch intakt, krieg. Die Jahre danach waren eine Zeit des bescheidenen 1553 beschäftigte die Stadt drei Eschbeschauer (Feldauf- Aufschwungs, die Häuserreihen verdichteten sich, der seher), einen Hirten und zwei Bannwärter (Waldaufseher); Leutbühel rückte ins Zentrum. Hier trafen sich die Maurach- 1603 nur mehr einen Eschbeschauer. Zur selben Zeit versch- gasse, die Riedgasse und die alte Landstraße, die von der wanden die Esche aus den Urkunden. Irgendwann in der Kirchgasse herabführte und über die Obergasse und den zweiten Hälfte des 16. Jh. erhielten die Grundbesitzer von

Seite 327 der Gemeinde die Erlaubnis, ihre Gründe vom Flurzwang an die österreichische Herrschaft: Der letzte Montforter losgelöst frei zu nutzen; die genossenschaftlich betriebene habe 1518 der Stadt eine Erweiterung ihrer Grenzen zuge- Dreifelderwirtschaft wurde Geschichte. sagt. Die Pfarrkirche, das Siechenhaus an der Siechensteig und auch die Holzhütten am See stünden ohnedies bereits Das andere größere Ackergebiet lag an der Obergasse (An- unter städtischer Aufsicht, gegen eine entsprechende Er- ton Schneiderstraße) und reichte vom Eichholzbach über weiterung des Stadtgerichts sei also nichts einzuwenden. den Steinebach bis zum Tannenbach. Eine Flucht von lan- Demnach hatte man als neue Grenzen den Tannenbach und gen Ackerstreifen, die nie dem Flurzwang unterlagen, stieß die Siechensteig ins Auge gefasst. Ein vergeblicher Versuch, auf die Obergasse herab. dem 1543 oder 1546 ein weiterer folgte. Immerhin erhielt die Stadt 1529 den Flurbann – das Recht, Gebote und Verbote Ein Großteil der Bregenzer Ackerflur lag also außerhalb zu erlassen - auch für städtische Grundstücke, die außer- des Stadtgerichts und unterlag damit der Flurhoheit des halb des Stadtgerichts lagen. Gerichts Hofrieden, was den Bregenzern naturgemäß nicht schmeckte. Im Lauf des 16. Jh. stieg Bregenz merklich in seiner poli- tischen Bedeutung: die Stadt war den Habsburgern im Die Stadt Bregenz kontrollierte ihr Umland wirtschaftlich Zeitalter der Reformation ein katholisches Bollwerk gegen und politisch die evangelischen Reichsstädte und ein Bollwerk gegen die Eidgenossen. 1573 wurde Bregenz neben Feldkirch zweiter Die führenden Bregenzer Geschlechter hatten gewaltigen Tagungsort der Vorarlberger Landstände. Grundbesitz in Hofrieden und in Hofsteig. Sie übten dort Die Stadt Bregenz hatte im ausgehenden 16. Jahrhundert zudem – zusammen mit dem Kloster Mehrerau - als wich- etwa 1.300 Einwohner. tigste Geldgeber und Geldverleiher eine regelrechte Finanz- herrschaft aus. 1594 bat die Stadt die Regierung neuerlich, den Stadtge- richtsbereich zu erweitern: im Norden bis an die Klause, Die Stadt Bregenz hatte ursprünglich auch politisch das Sa- im Süden bis zur Achbrücke und bergwärts, soweit die gen. Die Bregenzer Montforter rekrutierten die Landammän- städtischen Güter und Allmenden reichten. Man forderte ner von Hofrieden aus der städtischen Elite. Der erste nach- also mehr als 1526. Der Stadt ging es auch um Ansehen weisbare Landammann von Hofrieden, Heinrich Mülegg und Prestige, wenn sie auf den gar zu kleinen, engen und (1390-1398), war ein Niederadeliger mit ländlichem Grund- geringfügigen Stadtgerichtsbereich hinwies, der eines so besitz, seine Nachfolger Hans Loher (1401-1403, 1410-1417) alten Städtleins unwürdig sei. Das Gericht Hofrieden erhob und Heinrich vom Bach, genannt Henz (1408), waren Bre- heftig Einspruch. Wenn der Hofrieder Gerichtsbezirk ver- genzer Bürger. Diese Praxis änderte sich aber 1523 mit dem kleinert würde, verlöre man auch Steuer- und Strafgelder, Übergang Hofriedens an Österreich. In der ersten Hälfte des auf die man nicht verzichten könne. Die Stadt entgegnete, 16. Jh. dominierte der österreichische Amtmann, später der von den fraglichen 71 Hofstätten würden ohnedies nur 16 Landammann, der Vogt und Amtmann unterstellt war. von Hofrieden besteuert, die anderen 55 seien Bürgergüter.

Die Stadt Bregenz übte zwar großen Einfluss auf Hofrieden Der Stadtherr, Kaiser Rudolf II., ernannte schließlich eine aus, aber sie beherrschte Hofrieden nicht. Und so musste Kommission aus Vertretern der Herrschaft, der Stadt und der Sinn der Stadtgewaltigen nach einer Stadterweiterung des Gerichts Hofrieden, die am 28. August 1598 nach vier- trachten. 1526 richtete die Stadt Bregenz eine Bittschrift tägigen Verhandlungen folgende Stadtgrenze festlegte: Im

Seite 328 Grenzbeschreibung 1856

Norden reicht das Stadtgericht bis zum Tannenbach, im Sü- Als Vorarlberg 1814 wieder zu Österreich kam, war die Re- den bis an die Siechensteig. Schwer zu bestimmen ist der gierung weitsichtig genug, die bayerischen Reformen weit- Grenzverlauf am Pfänderhang. Das Gut Babenwohl (Gal- gehend beizubehalten. lusstift, heute Landesbibliothek) gehört zur Stadt, obwohl es außerhalb der Stadtmarken liegt. Die Pfarrkirche, der Pfarrhof und die Pfründehäuser, die innerhalb der neuen Der österreichische Grundkataster Stadtgrenzen liegen, bleiben beim Gericht Hofrieden. Der Kirchweg ist für die Bewohner Hofriedens offen zu halten. Am 23. Dezember 1817 erließ Kaiser Franz I. das Gesetz zur Die Hofrieder Gerichtsbesatzungen und Gerichtsverhand- Gründung der österreichischen Katastralvermessung. Die lungen finden weiterhin im Gut Mildenberg statt, unbehel- Vermessungsarbeiten begannen 1817 in Niederösterreich ligt von der Stadt Bregenz. Diesen Vertrag bestätigte Kaiser und endeten 1861 in Tirol. In Vorarlberg arbeiteten die Ver- Rudolf II. am 27. Februar 1602. messer im Jahr 1856. Die Grenzen der Katastralgemeinde Bregenz deckten sich mit den Grenzen des bayerischen Die Stadtgrenze von 1602 hatte jahrhundertlang Bestand: Steuerdistriktes. Die Nordgrenze am Tannenbach gilt noch heute, die Süd- grenze an der Siechensteig galt bis 1919, bis zur Vereini- Bemerkenswert ist der Verlauf der Grenze am Bodensee. gung der Stadt mit der Gemeinde Rieden. Die Burg Hohen- 1808/1809 endeten die Gemeindegebiete von Lochau und Bregenz und der große Schlosswald am Gebhardsberg Bregenz gegen Westen am Ufer des Bodensees. Die Ufer- gehörten 1602 noch nicht zum Stadtgericht. linie bildete die jeweilige Gemeindegrenze. Der Bodensee wurde weder zu Bregenz noch zu Lochau gerechnet.

Der bayerische Kataster von 1808/1809 Der österreichische Kataster von 1856/1857 hingegen zählte einen beträchtlichen Teil des österreichischen Bodensees Im Frieden von Preßburg mußte Österreich am 25. Dezember zum Bregenzer Gemeindegebiet. Der Bregenzer Bodensee- 1805 Tirol und die Vorarlberger Herrschaften an das mit Na- anteil begann an der Gemeindegrenze zu Rieden, reichte poleon verbündete – neu geschaffene - Königreich Bayern weit in den See hinaus und endete erst an der Leiblach. Zu abtreten. Die bayerische Herrschaft – die besser war als ihr Beginn des 19. Jh. kam es zu einer Reihe von Gebietsver- Ruf – brachte einen enormen Modernisierungsschub. Im änderungen im Bodenseegebiet: Reichsdeputationshaupt- Juni 1807 ordnete König Maximilian eine Steuerreform an, schluss, Rheinbundakte, Napoleonische Friedenschlüsse zu welchem Zweck Steuerdistrikte gebildet werden mußten. und Wiener Kongress. Nirgends wurde ein Seeanteil oder Der bayerische Kataster war die erste flächendeckende, ins eine Seegrenze erwähnt. Offenbar gab es noch keine kla- Detail gehende Verzeichnung des Grundbesitzes. Am 28. re gewohnheitsmäßige Aufteilung des Sees. In Österreich Juli 1808 erließ der König ein „Organisches Edikt über die setzte sich die Kondominiumstheorie durch: Der ufernahe Bildung der Gemeinden“. Die Gemeindegrenzen hatten Bereich – die Halde - gehört zum Anliegerstaat. Der Rest sich nach den Steuerdistrikten zu richten. Die Grenzen des des Bodensees ist frei: Jeder Staat kann auf der sogenann- bayerischen Steuerdistriktes Bregenz orientierten sich im ten Hohen See seine Gesetze anwenden, solange die Inte- wesentlichen an der Stadtgrenze von 1602. Der Schloßwald ressen der anderen Anlieger dadurch nicht verletzt werden. und der Gebhardberg kamen damals in den Bereich der Die reale Aufteilung des Bodensees im Kataster von 1857 Stadt. Das bayerische Gemeindeedikt brachte den endgül- steht dazu interessanterweise im Widerspruch. tigen Übergang vom mittelalterlichen Personenverband zur territorial begrenzten Ortsgemeinde.

Seite 329 Bregenz 1810 (nach Johann Babtist Isenring)

Plan der Stadt Bregenz 1810

Seite 330 Österreichischer Grundkataster 1857 mit Stadtgrenzen von 1602

Seite 331 Die Fischereirechte verkomplizierten den Sachverhalt. Im Jahr 1825 wurde ein Teil und 1859 der Rest der Fischerei vom österreichischen Ärar versteigert. In der Bregenzer Bucht besaß schließlich eine Familie alle privaten Fischereirechte. Es folgten noch viele Streitereien, ob diese Rechte nur für den Bereich der Halde oder auch für die Hohe See zwischen Leiblach- und Rheinlinie gelten sollten.

Der Bau der Vorarlberger Bahn brachte eine Änderung der Gemeindegrenze. Das Nachtrags-Protokoll zur Grenz- beschreibung der Gemeinde Bregenz mit der Gemeinde Lochau aus dem Jahr 1875 führt aus: [...] geht die Grenze nach der Mitte des Tannenbachs weiter, bis zur Eisen- bahn, welche von hier aus zur Gemeinde Bregenz einbe- grenzt bleibt, [...]. Dagegen erhob die Gemeinde Lochau Einspruch. Die Vorstehung wollte die neue Grenze nur ak- zeptieren, wenn sie [die Gemeinde] alle Rechte, welche sie beim niedersten Wasserstande auf die wasserfreien Grün- de, Kies- und Schottergruben hatte, weiter ausüben konn- te. Dem Einspruch trug man offenbar Rechnung, denn der Übersichts-Croquis des geänderten Grenzzuges zwischen den Gemeinden Bregenz und Lochau führt aus: [...] und wird die Bahn durch die neue Grenze [zwischen Lochau und Bregenz] derart durchgeschnitten, daß der von A nördlich liegende Bahntheil, ohne Unterbrechung zur Gemeinde Lochau, und der südlich von A liegende Bahntheil, ohne Unterbrechung, zur Gemeinde Bregenz, einbegrenzt ist.Der Punkt A lag etwa auf Höhe des Langen Steins.

Seite 332 Buchpräsentation auf Einladung des Vorarlberger Landesarchivs; Bregenz, Landesarchiv, 17. Oktober 2008 Hans Matschek (geb. 1940 in Pöchlarn), AHS-Lehrer für Geographie und Englisch in Ruhe.

Das Sippenbuch von Schröcken

Hans Matschek

An den Anfang meiner Ausführungen möchte ich – vielleicht Dornbirn war damals schon ein Magnet für viele Bewohner etwas ungewöhnlich – ein paar Sätze aus einem Brief vor- des Landes. Es ist erstaunlich, wie viele Schröckener in den lesen. Dieser stammt von Alfred Salzgeber aus Schruns und Trau- und Sterbebüchern dieser Stadt aufgestöbert werden ist über Umwege an mich gelangt. Er schreibt, nachdem er konnten. Erstaunlich ist aber auch, wie viele Schröckener im Sippenbuch seine Ahnen gefunden hat, an eine Frau nach der Gründung der Valduna dort den Rest ihres Lebens Strolz in Au: verbrachten. Innerhalb der ersten 23 Jahre waren das fünf Personen. „Der Stammvater meiner mütterlichen Linie ist ein Tobias Schwarzmann, der um 1660 in Sonntag das Licht der Welt Die Forschungsversuche in den Kirchenbüchern von Schrö erblickte. Welch ein Glücksfall! Seit Jahrzehnten suchte ich cken erwiesen sich zunächst als aussichtsloses Unterfan- die Herkunft der Schwarzmann aus Schröcken. Dieser Fund gen, denn vor 1800 sind in den Traubüchern nie die Eltern ist mir mehr wert als ein hoher Gewinn im Spiel.“ angeführt. Zudem hießen rund 70% aller Einwohner „Jo- chum“. Aber kein echter Ahnenforscher gibt schnell auf. Wenn man jemandem eine solch große Freude bereiten Ich entdeckte eine Gebetsordnung aus dem Jahr 1790. Der kann, lohnt sich alle Mühe! Ich hoffe, dass ich auch Ihnen Ausdruck ist irreführend, denn der Pfarrer hat eher eine einiges bieten kann, was Sie noch nicht wissen. Erhebung aller Einwohner durchgeführt, beinahe eine Volkszählung. Er hat alle Erwachsenen und Jugendlichen Vor mir sitzt eine gemischte Zuhörerschaft. Die Mitarbeiter aufgeschrieben und eingeteilt, sie der jeweiligen Parzelle des Landesarchivs wissen zum größten Teil, wie das Sip- und Hausnummer zugeordnet und in jedem einzelnen Fall penbuch von Schröcken zustande gekommen ist. Dennoch einen verwandtschaftlichen Bezug hergestellt. Er vermerk- muss ich jetzt ein paar Eulen nach Athen tragen, denn die te entweder den Ehepartner, die Eltern oder irgendwelche übrigen Gäste muss ich aufklären. Es ist ja einigermaßen Geschwister und fügte auch noch das Lebensalter hinzu. ungewöhnlich, dass sich ein Villacher um die Vorfahren der Genauer geht es kaum noch! Auf diese Weise ließen sich Schröckener kümmert. Als ich für eine befreundete Familie alle Einwohner Schröckens bis etwa 1725 eindeutig identi- in Lustenau ein Ahnenbuch erarbeitete, stieß ich auf Anna fizieren. Maria Jochum, geboren 1786 in Schröcken. So begann meine Beziehung zu diesem Ort. Im Laufe der Einzigartig ist bezüglich Schröcken noch ein weiterer Forschungen reifte dann der Gedanke, ein ganzes Sippen- Schatz. Meines Wissens besitzt keine Vorarlberger Pfarrei buch zu erstellen. etwas Ähnliches – nämlich eine genealogische Aufstellung aller Familien, die 1666 in Schröcken lebten. Mit Hilfe die- Diese Anna Maria hatte übrigens 3 Geschwister, die sich ser Listen lassen sich die Vorfahren der Schröckener bis alle nach Dornbirn verheiratet hatten: etwa 1490 zurückverfolgen.

Katharina – Frau des J. Georg Spiegel Schröcken ist eine winzige Pfarrei, die 1648 aus der Urpfar- Maria Anna – Frau des Josef Thurnherr re Lech entstand und 1666 genau 49 Haushalte plus den J. Christian, Glaser – Mann der Barbara Rümmele Pfarrhof umfasste. Davon hieß in 32 Fällen der Mann „Jo- chum“, in weiteren 6 trug die Frau diesen Namen. Der erste Elisabeth – sie heiratete den Josef Alois Schneller aus Pfarrer hieß Sebastian Bickel. Er stammte aus Sonntag und Schröcken und übernahm den Hof. Etwas seltsam, dass sah sich – so wie ich Jahrhunderte später – einem unent- nicht der Sohn das Erbe weiterführte. wirrbaren Geflecht von Jochum-Namensträgern gegenüber.

Seite 333 Darum besuchte er zwischen dem 8. August und dem 26. haben! Vom Umfang des Pfarrbestandes macht man sich September 1666 alle Haushalte, befragte deren Vorstände vielleicht ein klareres Bild, wenn ich erwähne, dass mein und ihre Frauen nach den familiären Verhältnissen und Auto zweimal voll wurde, um die vielen Kisten und Schach- schrieb alles in ein sogenanntes „Tagebuch“. Herauskam teln ins Landesarchiv zu verfrachten. eigentlich ein „Seelenbeschrieb“ (lat. „status animarum“) mit ganz genauen Angaben über die Anzahl und das Alter Was in diesem kleinen Holzhaus in Schröcken an Schätzen der Kinder, über die Eltern und Großeltern der Hausbesit- lag, schien mir unfassbar. Es nährt meinen Verdacht, dass zer und in zwei oder drei Fällen auch über die Urgroßeltern. in so manchem alten Pfarrhof noch viel zu bergen wäre. Karl-Gernot Jochum aus Hilpoltstein in Mittelfranken, ein Die Unterlagen umfassen alle Bereiche des Lebens. Von Nachfahre eines Schröckener Auswanderers, unterzog sich kirchlichen Angelegenheiten über die Schule, die Schulno- der Mühe, alle diese Angaben aufzuschlüsseln. Er veröf- ten der Kinder, die behördliche Beurteilung eines Lehrers, fentlichte einen höchst verdienstvollen Aufsatz im Jahrbuch weiters über die Feuerwehr, das Schicksal von Schwaben- 2004 des Vorarlberger Landesmuseumsvereins. Von wirk- kindern, den Briefverkehr mit Amerika-Auswanderern bis lichem Nutzen für Ahnenforscher sind alle diese Angaben hin zum Bau von Schi-Liften. Es ließe sich eine wunderbare von Pfarrer Bickel aber nur, wenn man die Lücke zwischen Dorfchronik erstellen, die viele Jahrhunderte abdeckt. Und seinen letzten Aufzeichnungen (1679) und der Zeit um 1725 mit den Daten des Sippenbuches könnte man höchst ge- schließen könnte. Das betrachtete ich nun als meine ganz naue demographische Studien anstellen. persönliche Herausforderung. Als die ergiebigsten Quellen im Schriftgut des Pfarrhofes Wie geht man da ans Werk? Zunächst galt es, alle Urkun- erwiesen sich für die Zwecke des Sippenbuches die so- den im Landesarchiv aufzustöbern: Kaufbriefe, Verlassen- genannten Zunftbücher. Auch wieder ein irreführender schaften, Heiratsverträge, Briefprotokolle und dergleichen. Begriff, denn mit dem Handwerk haben sie nichts zu tun. Die Ausbeute erwies sich als mager, war aber doch in eini- Andernorts nennt man sie Stiftbücher. Darin sind die Jahr- gen Fällen sehr hilfreich. Auf einer Wanderung in Schröcken tage vermerkt, also die jährlichen Gedenkmessen für die mit Albin Beiser (ich musste mich ja mit den Örtlichkeiten Verstorbenen. Und in Schröcken haben die Pfarrer sehr oft vertraut machen!) führte uns die Leutseligkeit Albins auch verwandtschaftliche Beziehungen hinzugefügt: „Des Si- zu Sr. Domenica, einer Klosterschwester aus Deutschland, mons Tochter, des Leonhards Schwester“ und dergleichen. die in Schröcken – so gut es geht – den Pfarrer ersetzt. (Nebenbemerkung: In der Pfarre Au reichen solche Stiftbü- Ohne ihre Freundlichkeit und ihr Wohlwollen wäre dieses cher ebenfalls weit zurück. Weil sie aber keine solchen Hin- Sippenbuch niemals entstanden. Auf unser Ersuchen zeigte weise enthalten, sind sie für eine genealogische Forschung sie uns einige uralte Schriftstücke aus der Zeit vor 1700. Sie eigentlich wertlos. Zum Glück sind dort aber Familienbü- konnte es kaum fassen, dass jemand das noch entziffern cher erhalten, die hervorragend angelegt sind und von den konnte. Der langen Rede kurzer Sinn: Sie war auf Ersuchen Pfarrern fortlaufend bis in die Gegenwart ergänzt wurden. von Frau Albertani bereit, das gesamte Schriftgut des Pfarr- Ihre Genauigkeit ist darum unübertroffen. Diese Bücher hofes dem Landesarchiv zu überlassen, damit es auf Filme sind ja nicht im Nachhinein geschrieben, sondern während gebannt wird und somit der Öffentlichkeit zugänglich ge- der Amtszeit des jeweiligen Pfarrers verfasst worden. Bei macht werden konnte. Es wurde auch alles in monatelanger Unklarheiten konnte man sofort nachfragen. Diese Bücher Arbeit gereinigt und geordnet. Das Diözesanarchiv in Feld- wurden 1789 begonnen und reichen mit ihren Angaben bis kirch, wo jetzt alle Bestände lagern, wird sich sehr gefreut etwa 1730 zurück).

Seite 334 Schröcken um 1900

1721 verstarb der langjährige Schröckener Pfarrer Christian 1. Grad: Kommt nicht vor, weil in diesem Fall Geschwister Jochum. Er war so etwas wie die rechte Hand des ersten heiraten würden. Pfarrers Sebastian Bickel gewesen und hatte als Teil seiner 2. Grad: Es heiraten Vetter und Base (Cousin und Cousine). Ausbildung eine kurze Zeit sogar in Linz verbracht. 1680 3. Grad: Es heiraten Großcousin und Großcousine. folgte er seinem Vorbild und wurde sein unmittelbarer 4. Grad: Es heiraten Urgroßcousin und Urgroßcousine. Nachfolger. Bevor er starb, brachte er rund 2000 Gulden in eine Stiftung ein, deren Nutznießer die Nachkommen Ab dem 5. Grad gilt man nicht mehr als verwandt. Man seiner Geschwister sein sollten. Offenbar hatte man dann pflegt mit jemandem dann eben Ahnengemeinschaft. Die irgendwann einmal den Überblick verloren und beschloss Verwandtschaftsverhältnisse können sich nun in gerader darum 1824, sämtliche Pfarrer der näheren und auch fer- Linie darstellen oder in ungerader. Man kann zudem mit neren Umgebung (Holzgau im Lechtal!) zu bitten, die Ver- einem Ehepartner bloß einmal verwandt sein, aber auch wandten dieses Pfarrers aufzuspüren. In einer sieben dreimal. Und damit wird die Sache etwas verwickelt und so- Meter langen Stifterrolle, die auch in den Schränken des gar verworren. Zwei Beispiele mögen das veranschaulichen. Pfarrhofes dahinschlummerte, sind sie alle fein säuberlich aufgezeichnet. Auch dieses Schriftstück trug entscheidend Fall 1 dazu bei, dass fast alle verwandtschaftlichen Beziehungen erhellt werden konnten. Es war dann auch leicht, die Ster- Jodok Alois Jochum heiratet 1863 Theresia Jochum. Es liegt bedaten dieser ausgewanderten Schröckener in den jewei- eine dreifache Verwandtschaft vor – einmal im 2. Grad (der ligen Pfarreien ausfindig zu machen. Bräutigam war somit der Vetter der Braut) und eine dop- pelte im dritten Grad. An Gebühren fielen damals 200 Gul- Einen ganz wesentlichen Beitrag zur richtigen Zuordnung den Reichswährung an (heute rund 2000 Euro). Der Pfarrer der Ehepaare lieferten die sogenannten Dispens-Ehen. In schrieb in einer privaten Briefvorlage: Freut mich, dass sie diesen Fällen erteilte die Kirche, die ja das Standesamt wacker zahlen mussten. Das geradezu Unglaubliche an die- darstellte, eine bischöfliche oder gar päpstliche Ausnah- sem Fall ist die Tatsache, dass alle 8 Großeltern den Namen megenehmigung wegen bestehender Verwandtschaft. „Jochum“ trugen. Und sogar von den 16 Urgroßeltern hie- Rund 36 Prozent aller Ehen wurden in Schröcken über die ßen noch 12 „Jochum“. Jahrhunderte hinweg auf diese Weise geschlossen. Das ist ein hoher Anteil, aber in einem so kleinen Dorf ist das nicht Fall 2 anders zu erwarten. Die Gebühren waren beträchtlich und eine nicht zu unterschätzende Einnahmequelle der Kirche. Matthias Jochum heiratet 1691 die Katharina Jochum mit Um 1666 zahlte man bei einer Mehrfachverwandtschaft 22 Dispens im 3. Grad (in gerader Linie) sowie im 3. und 4. Gulden. Davon konnte man sich eineinhalb Kühe kaufen! Grad (in ungerader Linie). Die gemeinsamen Vorfahren müssen somit in 2 verschiedenen Generationen vorkom- Man unterscheidet grundsätzlich zwei Dispensgründe – men. Tatsächlich trifft das auf Matthias Jochum und Christi- Blutsverwandtschaft und Verschwägerung (consanguinitas na Schneider im 3. Grad sowie auf Jakob Jochum und Ursula und affinitas). Die Verschwägerung kommt zum Tragen, Schuler im 3. und 4. Grad zu. wenn zumindest 1 Ehepartner im Witwenstand heiratet und der zweite Ehepartner mit dem ersten in einem verwandt- Wie verlässlich sind nun die Berechnungen der Pfarrer in schaftlichen Verhältnis steht. Es gibt vier Grade: Hinblick auf diese Dispensen? Sie sind erstaunlich genau! Von 1906 zurückgerechnet bis 1776 erwiesen sie sich in

Seite 335 Schröcken alle als richtig. Einen Knackpunkt galt es aller- Ich möchte in diesem Zusammenhang noch kurz auf die un- dings zu überwinden. Er zeigt, wie sich auch bei größter glaubliche Leistung des ehemaligen und nun verstorbenen Sorgfalt Missverständnisse einschleichen können. 1814 Gastwirtes Willi von der Thannen aus Egg eingehen. Was heiratete Matthias Jochum in 2. Ehe die Theresia Schwarz- er vollbracht hat, lässt sich gar nicht wirklich ermessen. mann. Der Pfarrer vermerkte bloß, dass eine Dispens im 3. Er schaffte es jedenfalls, die Namen und Daten sämtlicher Grad vorliege. Weil es die 2. Ehe war, stand auch eine Ver- Tauf- und Traubücher des Bregenzerwaldes, zudem noch schwägerung im Raum. Die Angaben vor allem zum Bräuti- der jüngeren Sterbebücher, in seinen PC einzuspeisen. gam waren überaus genau – sogar sein Geburtsdatum war Dazu kommen noch die Kirchenbücher von Warth, Lech, angeführt. Trotzdem ließen sich die verwandtschaftlichen Damüls und Fontanella. Wie er das alles zuwege gebracht Verhältnisse in keiner Weise ermitteln. Nach Wochen plötz- hat, scheint ein Rätsel. Dazu kommen noch unzählige Steu- lich das Aha-Erlebnis! 3 Geschwister aus der Jochum-Sippe erbücher fast aller Gemeinden (zurückreichend bis 1617 waren mit 3 Geschwistern der Schwarzmann-Familie ver- und in Einzelfällen noch weiter) und eine riesige Samm- ehelicht. Es lag also eine dreifache Verschwägerung vor. Der lung aller Urkunden, die im Landesarchiv hinsichtlich des Pfarrer hatte sich nur etwas ungeschickt ausgedrückt. Bregenzerwaldes aufbewahrt werden. Das ist aber immer noch nicht alles: Es finden sich lange Listen von Pfarrern Dennoch scheint es, dass der eine oder andere Pfarrer in und Klosterschwestern des Gebietes, lange Bibliographien Sachen Dispensen nicht so sattelfest war. In Schröcken betreffend den Bregenzerwald, Aufstellungen über die wirkte zwischen 1733 und 1736 Pfarrer Weißenbach. Er Barockbaumeister und ihre Bauten (einmal nach Namen, nahm insgesamt sechs Trauungen vor. In fünf Fällen scheint einmal nach Orten gegliedert) und anderes mehr. Als der ein Dispensvermerk auf. Vier ließen sich nicht nachvollzie- Gastwirt starb, ist es – trotz des seltsamen Programms, das hen. Im Namenswirrwarr der Jochums scheint Pf. Weißen- er verwendete - gelungen, die Daten zu retten und auf eine bach gänzlich verstrickt worden zu sein. In 2 Fällen löst sich CD zu brennen. Ich schätze mich überaus glücklich, dass die Sache, wenn man annimmt, dass er den Georg Jochum mir Dr. Ambros Nussbaumer aus Mellau alle diese Daten aus Schröcken mit dem Georg Jochum aus Lechleiten (Pfar- zur Verfügung gestellt hat. rei Warth) verwechselt hat. Aber nachweisen lässt sich das nicht. Im Fall der Cleopha Jochum, die 1735 heiratete, hat Doch wie steht es hier mit der Zuverlässigkeit und Genau- er sich ganz sicher geirrt. Nach seinen Angaben war sie mit igkeit? Vorsicht ist geboten! Die Taufbücher weisen eine ihrem Mann Josef im 3. Grad verwandt. Mit sämtlichen drei bemerkenswerte Genauigkeit auf. Vor allem vermitteln sie in Frage kommenden Josef bestand aber eine Verwandt- einen schnellen Überblick über die Zahl der Kinder. Das ist schaft im 2. Grad. Sie waren alle ihre Vettern. Das Sterbe- bei Frauen sowohl für die Ermittlung des Geburts- wie auch buch brachte die Lösung. Denn der damalige Pfarrer, selbst des Sterbedatums wichtig. Die Traubücher weisen in jenen ein Schröckener, führte das Lebensalter mit 56 genau an, Pfarreien, in denen die Eltern nicht genannt werden, viele ebenso die Parzelle, in der die Familie wohnte. Damit war Fehler auf. Das gilt besonders für Au. Dennoch sind diese alles klar! Unterlagen für mich eine außerordentliche Hilfe gewesen. Ich bereite mich zu Hause vor und überprüfe dann alle Daten Im Landesarchiv lagern seit kurzem auch die Filmrollen der im Landesarchiv. Die Forschungsarbeit erfährt dadurch eine Bestände des Pfarramtes Au. Darunter befinden sich Auf- ganz wesentliche Beschleunigung. Und in einem Fall haben stellungen der Pfarrer, richtige Stammbäume, aus dem 19. die Angaben von der Thannens sogar einen ganz wunder- Jahrhundert, um die Notwendigkeiten von Dispensen nach- lichen Fall gelöst. In Schnepfau heiratete am 16.8.1815 der zuweisen. Leider muss man feststellen: Auch da haben sich Josef Matthäus Zünd die Theresia „Battig“. Diese wurde am Pfarrer in Einzelfällen geirrt.

Seite 336 21.11.1788 in Valdojol geboren – als Tochter von Johann Bat- Am Schluss noch ein Hinweis auf kuriose Fälle. In der Ah- tig und Agatha Gattad. So die Angaben im Traubuch. nenforschung (so wie in allen menschlichen Bereichen) muss man auch mit den unglaublichsten Fällen rechnen, Mir drängte sich bald der Verdacht auf, dass dem Pfarrer auch wenn sie einem nicht in den Kopf gehen wollen. allerlei „Verstümmelungen“ gelungen sind. Er hatte ja al- les bloß nach dem Gehör niedergeschrieben. Könnten das 1. Der Schröckener Gregor Anton Walch (zum Glück eine Na- nicht Jean Patique und Agathe Gatard gewesen sein? Über mensverbindung, die einzigartig ist und somit nicht ver- das Internet fand ein mir bekannter Ahnenforscher bald he- wechselt werden kann) wurde am 19.12.1726 geboren. raus, dass es in den südlichen Vogesen tatsächlich den Ort 1743 heiratete er – noch nicht 17-jährig – in Lingenau die „Val d`Ajol“ gibt! Und jetzt passten auch folgende Angaben Witwe (!) Katharina Heidegger. Nach ihrem Tod ging er bestens dazu: 1762 in Au eine zweite Ehe ein und starb dort auch. Der Grund dieser seltsamen ehelichen Verbindung lässt sich – Im Sterbeeintrag des Josef Matthäus Zünd steht, dass er nicht mehr ermitteln. viel in der Weltgeschichte herumgekommen sei. 2. In Schoppernau heiratete 1727 Josef Moosbrugger zum – Und in den Listen der Maurer, Zimmerer und Stukka- dritten Mal. Der Pfarrer nahm, wohl um der Nachwelt teure bei Willi v.d. Thannen fand ich einen Josef Anton alles glaubhaft erscheinen zu lassen, eine überaus ge- Zünd, der 1818 geboren wurde und später in Cemboing/ naue Eintragung vor. Er führte nicht nur die Eltern der Vesoul künstlerische Arbeiten ausführte. Und dieser Ort Brautleute an, sondern auch das Alter: Der Bräutigam liegt ebenfalls ganz in der Nähe der südlichen Vogesen. war 76, die Braut 27. Der Unterschied betrug fast 49 Jah- re! – Merkwürdig war ferner, dass das besagte Ehepaar zwar 1815 eine Ehe einging, aber erst 1823 das erste Kind tau- 3. Am 23.4.1956 ließen sich in Au drei Paare gleichzeitig fen ließ. Da hat das Paar die ersten Jahre wohl in Frank- trauen. Die Bräutigame hießen Erwin Moosbrugger, reich verbracht. Kaspar Berlinger und Josef Greber. Über ihre Bräute war jeder mit jedem verschwägert. Und 2006 haben alle Ahnenforscher sollten jede denkbare Quelle auswerten. gemeinsam auch die goldene Hochzeit gefeiert. Pfarrer Als Beispiel nenne ich hier das Schaffbuch von Schnepfau Fässler erzählte mir in einem persönlichen Gespräch, (1786-1806)! Es ging um zwei tote Punkte – um die Her- dass in seiner eigenen Verwandtschaft ein noch sel- kunft des Stukkators Josef Feuerstein und um Anna Maria tenerer Fall auftrat. Vier Brüder haben vier Schwestern Wüstner, die Frau des J. Michael Hager. Des einen Geburt geheiratet. Ob das in 300 Jahren noch jemand glauben und der anderen Trauung waren weder in Schnepfau noch wird? in den Nachbarpfarreien zu finden. Über das Schaffbuch, in welchem Käufe und Verkäufe vermerkt sind, wurden alle Unklarheiten beseitigt. Die Eltern des Josef Feuerstein haben auswärts geheiratet und das vermutlich erste Kind auch auswärts taufen lassen und die Trauung Hager/Wüst- ner-Trauung hat der Pfarrer wohl einzutragen vergessen. Die Suche nach der Geburt des Josef Feuerstein in Nachbarpfar- reien hätte vollkommen in die Irre geführt!

Seite 337 Landammännertafel aus Andelsbuch: Landammänner des Hinterbregenzerwaldes 1400 bis 1773

Seite 338 Vortrag auf Einladung der Volkshochschule Bregenzerwald-Egg, Egg, Gymnasium, 7. November 2008 Mathias Moosbrugger (geb. 1982 in Au), Dr. phil., Studienassistent an der Universität Innsbruck

Jenseits von Bauernrepublik und Bezegg

Neue Perspektiven auf die Geschichte der Gerichtsgemeinde im Hinteren Bregenzerwald Mathias Moosbrugger

I. zu beweisen, dass der Hintere Bregenzerwald eben zu al- len Zeiten und von allem Anfang an ein Land der Freiheit Das Thema, dem im Folgenden näher nachgegangen werden gewesen sei – die Bregenzerwälder seien ähnlich den soll, ist aus mehrerlei Gründen nicht einfach zu behandeln.1 Schiller‘schen Urschweizern ein „einzig Volk von Brüdern“ Das liegt zum einen an der großen zeitlichen Erstreckung, gewesen, das sich gegen die ungerechte Tyrannei durch die durchmessen werden muss. Inklusive der frühesten ausländische Adelsgeschlechter über Jahrhunderte hinweg greifbaren Quellen zur Vorgeschichte der Hinterbregenzer- erfolgreich gestemmt habe. Die hier ansässigen selbstbe- wälder Gerichtsgemeinde, die uns vorliegen, sollte im Ide- wussten „freien Bauern“ hätten dabei in einer freien Bau- alfall ein Zeitraum von über 700 Jahren abgedeckt werden. ernrepublik – eben der Gerichtsgemeinde im Hinteren Bre- Das allein wäre aber ein Problem, das sich wohl in einer genzerwald – eine Form von Demokratie entwickelt, die im klug konzipierten systematischen Darstellung, die weiß, gesamten Alten Europa ihresgleichen gesucht und letztlich über welche Einzelthemen getrost hinweggegangen werden nicht nur die antike griechische, sondern auch die moder- darf, ohne dass das größere Ganze aus den Augen verlo- ne liberale Demokratie an Gehalt bei weitem übertrumpft ren ginge, doch bewerkstelligen ließe. Wenn man zeitlich habe. Nicht nur hätten die Bregenzerwälder alle wichtigen derart aus dem Vollen schöpfen kann und das vorhandene Verwaltungsangelegenheiten in Eigenregie ausgeführt, vor historische Material halbwegs kennt, dann müsste es doch allem hätten sie auch untereinander keine Standesdünkel ein Leichtes sein, so möchte man annehmen, wenigstens aufkommen lassen.6 Denn immerhin seien die dem Gericht die Highlights der geschichtlichen Entwicklung zu verfolgen vorstehenden Ammänner und die ihm beigesellten Räte und miteinander in eine möglichst spannende Erzählung und Geschworenen ja von den Bregenzerwäldern selbst zu packen. Aber gerade an diesem Punkt schließt sich un- gewählt worden – und zwar in aller Freiheit und ungeach- mittelbar das zweite und eigentliche Problem der Ausei- tet von Vermögen und Stand, sondern allein auf Grund der nandersetzung mit unserem Thema an. Die sachgerechte persönlichen Tüchtigkeit. Erforschung der Entwicklung der politischen Strukturen des Bregenzerwaldes vom Mittelalter bis zum Beginn des Bilgeri war jedoch nicht der erste, den die Auseinanderset- 19. Jahrhunderts ist nämlich bis heute über weite Strecken zung mit der Zeit der Gerichtsgemeinde im Hinteren Bregen- ungenügend geblieben. Damit sollen selbstverständlich die zerwald vor 1808, also vor der radikalen Umgestaltung des Leistungen der Regionalgeschichte und Heimatkunde nicht politischen Systems durch die Bayern, zu romantisierenden abgestritten werden – ganz im Gegenteil: gerade der als Höhenflügen angeregt hat. In diesem Zusammenhang darf Landeshistoriker bestens bekannte Benedikt Bilgeri, der in an das bekannte Diktum Franz Michael Felders aus den drei größeren Arbeiten aus den 1930er,2 1940er3 und 1960er 1860er Jahren erinnert werden: „Sie ist nun vorüber, jene Jahren4 über den Bregenzerwald gearbeitet hat, hat die Zeit, wo aus dem Auge jedes jungen ‚Wälders‘ die stolze überlieferten Urkunden und Handschriften intensivst stu- Hoffnung, einmal Landammann zu werden, herauszu- diert und dabei das vorhandene Quellenmaterial praktisch leuchten schien, doch lebte die Erinnerung an sie immer zur Gänze gesichtet und ausgewertet. Allerdings ist bei im Gedächtnis und noch mehr im Wesen der Besten des ihm – und in seinem Windschatten auch bei den meisten Volkes fort.“7 Bereits wenige Jahrzehnte nach dem Ende anderen Historikern und Heimatkundlern – ein diffuser Lo- der Gerichtsgemeinde war diese zu einer willkommenen kalpatriotismus überdeutlich spürbar, der seine Interpre- Projektionsfläche politischer Idealisten geworden. War tationen sehr belastet, da sie einer kritischen Prüfung an aber bei Felder die „Bauernrepublik“ noch ein Symbol für den Quellen oft nicht standhalten.5 Bilgeri hat den meisten notwendige soziale und politische Veränderungen seiner Raum in seinen einschlägigen Aufsätzen darauf verwendet, Gegenwart gewesen, so wurde die Erinnerung an diese

Seite 339 vermeintliche Vergangenheit bald zu einem Instrument, II. um durch vermeintlich uralte Traditionen den politischen Veränderungswillen in der Region trockenzulegen. In die- Noch bis vor wenigen Jahren hätte man auf relativ bündige sem Zusammenhang wurde 1871 in Erinnerung an die so- Weise schildern können, wie vom 11. bis 14. Jahrhundert genannte „Bauernrepublik“ auf der Bezegg die Bezegg-Sul der Bregenzerwald im Rahmen der mittelalterlichen Bin- errichtet, die an das einst in der Nähe gelegene Rathaus nenkolonisierung des Deutschen Reiches erstmals stufen- erinnern sollte.8 Hier nämlich habe das eigentliche Herz der weise besiedelt worden sei.11 Die frühesten schriftlichen demokratischen Gerichtsgemeinde geschlagen: ein echtes Zeugnisse berichten nämlich davon, dass diese Besiedlung Parlament, wo sich die in freier Wahl ausgeschossenen noch im ausgehenden 11. Jahrhundert kaum eingesetzt Räte und Geschworenen alljährlich versammelt hätten, um habe. Bekannt ist diesbezüglich die berühmte Petershau- über die Befolgung des alten Herkommens zu wachen und ser Chronik,12 die schildert, wie das Kloster Mehrerau in keine Abweichung von den von den Vätern ererbten Sitten Andelsbuch gegründet wurde, bevor es aus infrastruktu- und Bräuche zu dulden – und genau daran sollten sich die rellen Gründen an den Bodensee verlegt werden musste. Bewohner des Bregenzerwaldes auch in Zukunft halten. Die Der Chronist schreibt: Wunschvorstellung einer einstigen „Bauernrepublik“ wur- de – im Kontext des politischen wie sozialen Durchbruchs „Von Andelsbuch. In dem Waldgebiet von Andelsbuch lebte des Konservativismus in Vorarlberg9 – von einem dyna- ein Einsiedler namens Diedo, der sich dort eine Kapelle und mischen zu einem konservativen Prinzip. Allerdings: bei eine Wohnstatt gebaut und ringsum Äcker gerodet hatte, beiden Varianten des Umgangs mit dem historischen Erbe da ihm dieser Ort zum Dienst des Herrn geeignet schien. des Hinteren Bregenzerwaldes handelte es sich letztlich um Nachdem aber dieser Einsiedler im Herrn entschlafen war, Projektionen. bat der Graf Odalrich den ehrwürdigen Abt Theoderich, er möge dort ein Klösterchen erbauen und das klösterliche Le- Im Folgenden soll versucht werden, durch einen mehr ben einrichten. […] Später übergab er den Ort Andelsbuch schlaglichtartigen Überblick zu zeigen, dass die Entwicklung und eine andere Besitzung mit dem Namen Hasenau dem der politischen Organisation im Hinteren Bregenzerwald er- Kloster Petershausen zum ewigen Eigentum […]. Nachdem heblich komplexer gewesen ist, als die bisherige Forschung sie eine Weile dort oben gelebt hatten und sich die Zahl angenommen hat, und dass noch einige Wissenslücken be- der Brüder vermehrte, die Lebensmittel und die anderen stehen, über die wir nicht einfach mit dem Verweis auf die notwendigen Dinge wegen der Länge und Beschwerlichkeit freiheitlich-demokratische Kraft des Bregenzerwälders hin- des Weges jedoch kaum herangebracht werden konnten, weggehen können. Besonderes Augenmerk soll dabei der da das Kloster zu weit in den Wäldern lag, beschlossen die Grundlegung der gerichtsgemeindlichen Verfassungsstruk- Brüder die Verlegung des Klosters nach Bregenz, wo sie tur im Mittelalter gewidmet werden – hier gingen die ent- leichter und bequemer ihren Bedarf decken konnten.“13 scheidenden strukturgenetischen Prozesse vonstatten, die für die Ausgestaltung der konkreten gerichtsgemeindlichen Andelsbuch, das klimatisch und topographisch wohl gün- Verfassungselemente von nachhaltiger Bedeutung werden stigste Gebiet des Bregenzerwaldes, sei also mitten in sollten.10 Im Anschluss daran soll dann – aufgrund des un- tiefsten Wäldern gelegen, nur ein einsamer Einsiedler befriedigenden Forschungsstandes noch kursorischer – die habe sich schon vor der missglückten Klostergründung dort Entwicklung ab dem 16. Jahrhundert unter die Lupe genom- aufgehalten. Dieser Diedo ist nun jedem Bregenzerwälder men werden. allzu bekannt: gemeinsam mit seinem Bruder Merbod, der in Alberschwende gewirkt habe und von den Alberschwen-

Seite 340 dern erschlagen worden sei, und seiner Schwester Ilga, die das bis heute als Pfarrgebiet gilt, das von der Mehrerau er- bis heute in Schwarzenberg verehrt wird, hätten diese drei schlossen worden sei, dürfte tatsächlich kirchlich ursprüng- seligen Geschwister aus gräflichem Hause in der zweiten lich vom Reich kontrolliert worden sein.16 Erstmals hören Hälfte des 11. Jahrhunderts die Einsamkeit des noch uner- wir von einer vom Kloster Mehrerau beanspruchten Kirche schlossenen Bregenzerwaldes gesucht. Eine auf den ersten in Andelsbuch bezeichnenderweise in einem päpstlichen Blick glaubwürdige Geschichte, denn sie passt ausneh- Schutzbrief von 1249,17 als die kaiserliche Macht im Südwe- mend gut ins Hochmittelalter, das von einer sich beschleu- sten des Reiches schon kollabiert war18 und die Mehrerau nigenden Rodung der noch unermesslich großen Wälder während der folgenden Jahrzehnte des sogenannten Inter- des damaligen Deutschen Reiches geprägt war. Allerdings regnums – also der Zeit, als es im Reich keinen allgemein – so kann es nicht gewesen sein. Nicht nur sind nämlich anerkannten König oder Kaiser gab – die eigene Position jüngst eindrückliche Hinweise zusammengestellt worden, in der Region nachhaltig festigen konnte. Alle weiteren die die Existenz aller drei Einsiedler überhaupt sehr fraglich Gründungen von Pfarren im hinteren Talbereich waren an machen14 – vor allem haben naturwissenschaftliche Unter- diese drei Kirchen in Egg, Andelsbuch und Schwarzenberg suchungen der letzten Jahre für den noch weiter im Talhin- gebunden. Von daher kann man also sagen, dass das Reich tergrund liegenden Bezauer Raum wirklich spektakuläre grundsätzlich zur Gänze über die kirchlichen Rechte im ge- Ergebnisse erzielt. Hier hat die Analyse von Polleneinlage- samten Tal verfügt hat.19 Aber auch die anderen Rechtstitel rungen eines Bohrkerns aus dem „Grebauer Moos“, einem wurden bis ins ausgehende 13. Jahrhundert prinzipiell vom Moorgebiet nahe dem heutigen Dorfzentrum, gezeigt, dass Reich beansprucht. Ein schöner Beleg dafür ist, dass die mit einer Siedlungskontinuität bis über die Zeitenwende Ritter und späteren Grafen von Ems den Wildbann, genauer hinaus gerechnet werden muss.15 Es gibt also eindeutige gesagt das Jagdrecht auf Rotwild im ganzen Bregenzerwald Beweise für permanente Siedlungen im Bregenzerwald seit besaßen.20 Als ehemalige Dienstmannen des Reiches kön- weit über 2000 Jahren – und doch findet sich vor dem 12. nen sie diesen aber nur erlangt haben, wenn das Reich Jahrhundert nicht ein einziger schriftlicher Hinweis darauf. Rechte im gesamten Bregenzerwald – also nicht, wie Bilgeri Alles deutet darauf hin, dass das von daher kommt, dass angenommen hat, nur in einem Teil des Bregenzerwaldes21 erst mit der herrschaftlichen Erfassung des Tales von außen – innegehabt hat. vor allem während des späten Mittelalters überhaupt die Notwendigkeit einer schriftlichen Verwaltung und Bean- Aber wie auch immer – jedenfalls löste sich das Reich 1290 spruchung von bestimmten Besitztiteln aufgekommen ist. von allen seinen Rechten in der Region, indem es diese an Und gerade deshalb haben wir erst dann Nachrichten über die Grafen von Montfort-Bregenz verpfändete,22 die damit den Bregenzerwald, als dieser zwischen grundherrschaft- zu den maßgeblichen herrschaftlichen Akteuren im Wald lichen und landesherrschaftlichen Kräften umstritten war wurden. Dieses Pfand wurde vom Reich nie mehr eingelöst. – derartige Etablierungsbestrebungen setzten faktisch erst Während allerdings die Montfort-Bregenzer im vorderen im 12. Jahrhundert ein. Bregenzerwald ein stabiles grund- und leibherrschaftliches Netz aufbauen konnten,23 gelang das im Hinteren Bregen- Ein wichtiges Eckdatum ist für die weitere Entwicklung des zerwald nicht und zwar nicht deshalb (wie gerne behauptet Bregenzerwaldes ist das Jahr 1290. Bis zu diesem Zeitpunkt wird), weil dort die Bauern ihre Freiheit und Autonomie hatte das Reich vor Ort über die entscheidenden Rechte ver- erfolgreicher verteidigen hatten können, sondern weil die fügt. So sind beispielsweise Egg und Schwarzenberg schon Grafen von Montfort-Bregenz sich schon nach nur wenigen allein aufgrund der spärlich vorhandenen Quellen eindeutig Jahrzehnten von diesem Gebiet hatten trennen müssen. als Reichskirchen zu identifizieren, aber auch Andelsbuch, 1338 war der Bregenzer Zweig der großen Montforter Familie

Seite 341 nämlich ausgestorben. Die darauffolgende Erbteilung24 zwi- Es wurde bereits darauf hingewiesen, dass es ein weitver- schen den Montfort-Feldkirchern und den Montfort-Tettnan- breiteter Mythos ist, dass der Hintere Bregenzerwald als Ge- gern25 zerriss auch den Bregenzerwald. Während das Gebiet richtsgemeinde eigentlich von den Hinterbregenzerwäldern rechts der Subersach an die Tettnanger fiel, die eine jün- selbst geschaffen worden sei. In die gleiche Richtung geht gere Linie Montfort-Bregenz gründeten, wurde der Hintere es, wenn in den meisten einschlägigen Untersuchungen zu Bregenzerwald (diese Bezeichnung bezieht sich historisch lesen ist, dass das kommunale Landammannamt bereits in betrachtet auch auf den heutigen Mittelwald, also Egg, der Mitte des 14. Jahrhunderts voll ausgebildet greifbar sei, Schwarzenberg und Andelsbuch) zur Grafschaft Feldkirch so wie die Gemeinde überhaupt schon seit dem Ende des geschlagen. Nur eine kleine Exklave im Vorderwälder Ge- 13. Jahrhunderts als eine solche auftrete. Von daher wird biet, Krumbach und Unterlangenegg, sollte an der Wende in der Regel davon ausgegangen, dass der Landammann zum 15. Jahrhundert wieder unmittelbar mit dem Hinteren bereits in montfortischer Zeit, also vor dem Ende des 14. Bregenzerwald verbunden werden.26 Jahrhunderts, schon als gewähltes Vertretungsorgan der Gerichtsgemeinde vorhanden gewesen sei und als Vertreter III. der Gemeinde grundsätzlich über alle Kompetenzen verfügt habe, wie sie uns in der Neuzeit in den bekannten Lands- Nun ist ungünstigerweise auch das 14. Jahrhundert noch bräuchen entgegentreten. Alle diese Annahmen finden je- äußerst quellenarm – vor allem, was seine Auskunfts- doch in den Quellen faktisch keinerlei Stütze. Eine angeb- freudigkeit bezüglich des politischen Verfassungs- und liche Urkunde von 1344, in der der Kaiser den Staufnern die Verwaltungslebens im Hinteren Bregenzerwald betrifft. Rechte und Privilegien der Bregenzerwälder verliehen habe Wir kommen von daher ohne die Auseinandersetzung mit und die gerne als Beweis für die Existenz einer organisier- etwas komplexeren verfassungstheoretischen Fragen nicht ten Gerichtsgemeinde herhalten muss, ist nicht nur nicht aus, um zu verstehen, wie überhaupt ein talschaftsüber- original überliefert, sondern höchstwahrscheinlich auch greifendes Gemeinwesen entstehen konnte,27 obwohl doch inhaltlich gefälscht.30 Überhaupt ist es kaum möglich, von der Hintere Bregenzerwald sowohl grundherrschaftlich als einer Einzelurkunde auf den kommunalen Entwicklungs- auch was seine Siedlungsgeographie und Topographie grad einer Gemeinde zu schließen. Und auch bei dem 1353 betrifft äußerst zergliedert war und bis heute ist. Viel ein- im liber taxationis, einem Abgabenverzeichnis der Diöze- leuchtender wäre es von daher auf den ersten Blick eigent- se Konstanz, genannten minister im Bregenzerwald,31 der lich gewesen, wenn sich wie beispielsweise im Vorarlberger meist unbedenklich als Ammann eines mutmaßlich bereits Oberland kleinräumige, relativ autonome Gemeinden auf vorhandenen Gerichtssprengels im Hinteren Bregenzer- der Ebene der Siedlungsgenossenschaften gebildet hätten, wald übersetzt und verstanden wird,32 kann es sich um alles die nachträglich und in bestimmten Bereichen als Gerichts- Mögliche gehandelt haben – wahrscheinlich um einen Ver- sprengel zusammengeschlossen waren.28 Aber gerade das walter der Grafen von Montfort oder unter Umständen auch unterscheidet den Bregenzerwald vor dem bayerischen Ge- des Klosters St. Gallen, da er lediglich in der Funktion eines meindegesetz von 1808 von dem danach: es gab schlicht Einziehers einer Abgabe der St. Galler Kirche am Schwar- keine Gemeinden im Bregenzerwald, der Hintere Bregen- zenberg erscheint.33 Dass er unmittelbar in die amtliche zerwald als ganzer war eine Gemeinde – eben eine soge- Genealogie der späteren gerichtsgemeindlichen Landam- nannten Tal- oder Samtgemeinde, die alle politisch-recht- männer gehört, ist reine Spekulation und sachlich mehr als liche Agenden auf einer überlokalen Ebene organisierte.29 nur unwahrscheinlich.

Seite 342 Vorarlbergkarte 1783

Seite 343 Es ist jedenfalls außerordentlich auffallend, dass ein gion nicht auf eine althergebrachte Tradition zurückführen kommunal organisiertes Gemeinwesen mit einer entspre- konnten. Sie mussten ihre Autorität also in einem neuge- chenden Autorität im ganzen Talbereich des Hinteren Bre- schaffenen rechtlich-verbindlichen Kontext absichern. Der genzerwaldes erstmals im Jahr 1380 in Zusammenhang mit dazu notwendige Vertragspartner musste allerdings erst der Übergabe der Besitzungen Rudolfs V. von Montfort-Feld- geschaffen werden, damit sich die Bregenzerwälder über- kirch, des letzten Feldkircher Grafen,34 an die Habsburger haupt rechtsgültig unterwerfen konnten – aus diesem auftaucht. Hier tritt uns in der entsprechenden Huldigungs- Grund wurde die politische Gerichtsgemeinde im Hinteren urkunde vom 9. Januar35 auch ein Ammann entgegen, der Bregenzerwald konstruiert. Diese Interpretation wird mas- gemeinsam mit den Land Lüt gemeinlich in dem Pregent- siv dadurch gestützt, dass wir vor 1380 keinerlei Hinweise zerwald dem neuen Herrn huldigt. Mindestens so bemer- aus dem internen Rechtsleben der Hinterbregenzerwälder kenswert ist, dass an die entsprechende Huldigungsurkun- darauf haben, dass es ein politisch organisiertes Gemein- de sogar ein Siegel des „Landes“ Bregenzerwald gehängt wesen im Hinteren Bregenzerwald überhaupt gegeben hat. wurde.36 Gerade dieser Umstand hat immer wieder als In den 1380er Jahren allerdings, also unmittelbar anschlie- vermeintlich schlagender Beweis dafür gedient, dass der ßend an diesen urkundlichen Huldigungsakt, tauchen be- Bregenzerwald eben doch schon viel früher ein eigenstän- zeichnenderweise erstmals Urkunden auf, die zeigen, dass diges Gemeinwesen gewesen sei, dessen Autonomie so mit einem Mal die anfallenden Rechtsgeschäfte unter den weit gegangen sei, dass es sogar ein eigenes Siegel geführt Hinterbregenzerwäldern von einem talschaftsübergreifend habe.37 Ein genauerer Blick in die Urkunde selbst zeigt aller- agierenden Ammann besiegelt wurden, der offenbar nun- dings, dass dieses Siegel hier noch nicht von der Gemein- mehr als eine Autorität galt, die allgemein als rechtsschaf- de selbst, sondern von einer externen Autorität, wohl der fend bzw. -sichernd anerkannt wurde.39 Auch aus dieser neuen Herrschaft, lediglich im Namen des Landes geführt Perspektive ist also der Schluss naheliegend, dass erst die wurde.38 Die Frage ist nun naheliegend: Warum sollte es im rechtsverbindliche Unterwerfung unter die Herrschaft von Interesse der Herrschaft liegen, dass im Hinteren Bregen- Österreich die notwendige Initialzündung dafür war, dass zerwald eine Gemeinde bestand, die über ein so wichtiges sich ein politisches Gemeinwesen im Hinteren Bregenzer- Instrument wie das Siegel verfügte? Nun, gerade dadurch, wald überhaupt erst entwickeln konnte. Kaum überspitzt dass die Herrschaft dem Hinteren Bregenzerwald ein Sie- kann man sagen, dass der eigentliche Motor der Entste- gel verlieh und ihn damit zum juristischen Subjekt machte, hung einer politisch verfassten Gerichtsgemeinde im Hin- konnte sie einen Vertragspartner schaffen, der sich auf die teren Bregenzerwald nicht die Bregenzerwälder, sondern Unterordnung unter die neue österreichische Herrschaft die Habsburger als ihre Landesherren gewesen sind. So überhaupt erst verpflichten konnte. Der österreichische wurden also erst durch diesen Unterwerfungsakt von 1380 Herzog hatte nämlich das Problem, dass er zur Etablie- die Hinterbregenzerwälder zu einer vertragsfähigen und rung seiner Macht im Hinteren Bregenzerwald über keinen politischen Gemeinde verbunden, die als ganze dem neu- rechtsfähigen und umfassend vertretungsbefugten Ver- en Landesherrn gegenüberstand und die im Ammann, der tragspartner vor Ort verfügte, der notwendig war, damit die seine Autorität in jedem von ihm besiegelten urkundlichen rechtskonforme Huldigung und Unterwerfung der dort an- Akt eben auf den Landesherrn zurückführte, ein Organ be- sässigen Leute vollzogen werden konnte. Ein solcher rechts- saß, das das Rechtsleben innerhalb der Gemeinde ordnen konformer Huldigungsakt aber war nicht nur im Verständ- und damit verrechtlichen konnte. Es gab nunmehr im Am- nis der Zeit nötig, damit es zur Aufrichtung von Herrschaft mann jemanden in der Region, der im mächtigen Herzog kommen konnte, sondern musste für die Habsburger auch von Österreich die notwendige Rückendeckung besaß, um deshalb wichtig sein, weil sie ihre neue Autorität in der Re- gegenüber den Bregenzerwäldern als einigendes Element

Seite 344 aufzutreten – und wie hätte das besser gehen können, als das politische Selbstbewusstsein der entstehenden Ge- über die Regulierung des agrarisch-ökonomischen Alltags: meinde gegenüber den grundherrschaftlichen Herrschafts- plötzlich mussten die Bregenzerwälder Verträge und Ab- trägern, die vor Ort über diverse Rechtstitel und Abgaben- machungen untereinander vom Ammann besiegeln lassen, ansprüche verfügten. Besonders gut wird das im 1465/66 damit diese überhaupt Rechtskraft besaßen – der Hintere ausgetragenen Streit um die Todfallpflichtigen zwischen Bregenzerwald wurde so zu einer Gemeinde, in der eine ge- den Bregenzerwäldern und dem Kloster Mehrerau greifbar, meinsame rechtlich-politische Kultur gepflegt wurde. in dessen Verlauf der Landesherr eine Schiedsrichterfunk- tion einnahm, das heißt von beiden Seiten ohne Weiteres IV. als die entscheidende politische Kraft vor Ort anerkannt wurde.43 Es lässt sich zeigen, dass auch das hohe politische Halten wir also fest: den Hinteren Bregenzerwald als po- Selbstverständnis der Gemeinde gegenüber dem Landes- litische Gerichtsgemeinde hat es tatsächlich vor der of- herrn, wie es in den reicher fließenden Quellen der frühen fiziellen Inbesitznahme durch die Habsburger so nicht Neuzeit durchaus greifbar wird, nicht das Ergebnis einer gegeben. Diese waren daran interessiert, dass es zu einer angeblich ursprünglich demokratisch-republikanischen stabilen Vereinigung der Hinterbregenzerwälder in einer Gesinnung der dortigen Bauern gewesen ist, sondern sich solchen politischen Gemeinde komme, da dadurch die – auf den ersten Blick paradoxerweise – vielmehr einer dortigen Leute zu einem „politischen Subjekt“ wurden, das ordnenden Intervention durch den Herzog von Österreich von einem Ammann vertreten werden konnte – das heißt verdankt hat. vor allem: rechtsgültig die Herrschaft des Habsburgerher- zogs anerkennen konnte. Durch solche Aktionen gelang Die Fortführung dieses Prozesses der Herrschaftsverdich- es den Habsburgern gleichzeitig auch, die Bindungen der tung mit einer damit einhergehenden Vertiefung des po- Bregenzerwälder an andere Herrschaftsträger zu untermi- litischen Selbstverständnisses der Gemeinde lässt sich nieren. Die Bevölkerung war grundherrschaftlich betrachtet während des 15. Jahrhunderts anhand mehrerer Beispiele sehr fragmentiert, d.h. die Bauern waren zu Zinsen und nachvollziehen. Im Folgenden soll exemplarisch der Be- Todfällen40 – oft waren diese Abgaben schon im ausge- reich der Hoch- und Blutgerichtsbarkeit herausgegriffen henden Mittelalter nicht mehr in Naturalien, sondern in werden.44 Dieser nimmt sich im Hinteren Bregenzerwald Form von Bargeld abzuliefern – an verschiedenste Herren tatsächlich sehr eigen aus und zwar vor allem deshalb, weil verpflichtet. So war beispielsweise ein Teil der Bizauer ho- wir nirgendwo sonst in ganz Vorarlberg während des Mittel- henemsisch, während die anderen zur Grundherrschaft des alters und darüber hinaus eine solche Fülle an Urkunden Klosters Mehrerau gehörten,41 lange Zeit verfügte das Klos- finden, die die Vollstreckung von Todesurteilen bzw. die ter St. Gallen über den größten Teil von Schwarzenberg,42 Begnadigung von Verbrechern bezeugen – und das noch während vermögende Bregenzer und auch Einheimische dazu auf bemerkenswert hohem juristischem Niveau. In grundherrschaftliche Rechte auf einzelnen Höfen im Tal für aller Regel wurde es im Mittelalter nämlich gar nicht für sich beanspruchten. Indem der Herzog von Österreich, also nötig erachtet, über solche Verurteilungen dokumentieren- der Landesherr, die Bregenzerwälder zu einer einheitlichen de Urkunden anzufertigen. Bei handhafter Tat, das heißt Gemeinde machte, löste er sie in gewisser Weise von den wenn man auf frischer Tat beispielsweise beim Diebstahl freilich unausgebauten, mehr potenziellen politischen Bin- erwischt wurde, genügte mitunter der nächste Baum. Ein dungen an diese vereinzelten Grundherren – diese sollten solches spontanes Erhängen war durchaus konform mit in Zukunft nur noch rein abgabenorientiert in der Region ak- den Rechtsvorstellungen der damaligen Zeit.45 Und auch tiv sein können. Dadurch stärkte er aber gleichzeitig auch bei einem offiziellen Todesurteil war es sachlich gesehen

Seite 345 kaum nötig, eine sowohl in der Herstellung als auch in der wegen der duluchten hochgebornen fürsten miner gnädiger rechtsgültigen Ausfertigung teure Urkunde auszustellen – herrschafft von Osterrich“.48 außer, sie wurde eben weniger als objektive Feststellung ausgestellt, dass man jemanden zum Tode verurteilt habe, Die außergewöhnlich zahlreichen offiziellen blutgericht- als vielmehr mit dem Ziel, zu dokumentieren, dass die kon- lichen Urkunden aus dem ausgehenden Mittelalter sind kret vorgenommene Fällung eines entsprechenden Urteils also – so zeigt schon der Blick auf die erste entsprechende tatsächlich rechtens gewesen sei. Solche Absichten lassen Urkunde aus dieser Gattung – alles andere als ein Beweis sich im Hinteren Bregenzerwald nun eindeutig erheben. Ein für die selbständige Verwaltung der hohen Gerichtsbarkeit Durchgang durch die einschlägigen Urkunden zeigt, dass durch die Hinterbregenzerwälder. Sie zeigen vielmehr genau die konkrete Gestalt der Ausübung der Hochgerichtsbarkeit das Gegenteil an: die Dokumentation dieser gerichtlichen in der Region eben nicht selbstverständlich war, sondern Akte diente tatsächlich dem Landesherrn, der im Ammann erst urkundlich durchgesetzt werden musste. Dieser Vor- sein entscheidendes herrschaftspolitisches Instrument be- gang lässt sich bereits am ersten überlieferten Todesurteil saß, dazu, seine Kompetenz in diesem Bereich festzuschrei- vom 10. Februar 1400 nachvollziehen.46 Dieser Prozess mit ben und sich damit als entscheidende politische Größe in der anschließenden Exekution ist anscheinend hochdra- der Region präsent zu halten. Zwar konnte die Gemeinde matisch verlaufen: unter dem Vorsitz von Landammann Wil- die formelle Verurteilung vornehmen, aber vollstreckt wer- helm von Fröwis kam es zur Vollstreckung des Urteils wegen den durfte sie nur im Namen des Landesherrn. Die zahl- Diebstahls an den drei Söhnen des Heinrich Knechten- reichen weiteren einschlägigen Urkunden des 15. Jahrhun- hofer, der nicht nur materiell gesehen zur Bregenzerwäl- derts können hier nicht näher behandelt werden, aber auch der Oberschicht gehörte, sondern sogar über ein eigenes bei ihnen lässt sich ganz deutlich der sich beschleunigende Siegel verfügte, also rechtsfähig war. Die Vollstreckung Prozess der Festschreibung des landesherrschaftlichen klappte allerdings nicht wie beabsichtigt: während der er- Einflusses auf die Blutgerichtsbarkeit nachvollziehen. Mit ste Sohn tatsächlich erhängt wurde, brach beim zweiten der Zeit wurde beispielsweise das gerichtsgemeindlich der hälsling – das wurde als Gottesurteil interpretiert, wo- verantwortete Übersagungsverfahren immer stärker in raufhin die Begnadigung der beiden noch lebenden Söhne rechtlich-verbindliche Formen transponiert und damit aus ausgesprochen wurde, die Urfehde leisten, das heißt das der unmittelbaren, nicht näher geregelten Verantwortlich- eidliche Versprechen abgeben mussten, keine Rache an keit der Gemeinde gelöst49 – ein definitiv festgeschriebenes denen zu nehmen, die den Prozess gegen sie angestrengt Recht verpflichtete auch die Gemeinde und machte so die und durchgeführt hatten.47 Dieser Prozess dient bis heute gemeindliche Übersagung von Verbrechern prinzipiell zu als angeblicher Beweis, dass der Hintere Bregenzerwald einem Bereich, in das von herrschaftlicher Seite mit juri- schon im 14. Jahrhundert selbständig über das Recht der stischen Mitteln eingegriffen werden konnte.50 Im 15. Jahr- Blutgerichtsbarkeit verfügt habe. Tatsächlich zeigt die frag- hundert wurde allerdings der Ammann immer mehr auch liche Urkunde aber vielmehr, dass der Landammann als zu einem Organ der Gemeinde, bei dessen Bestellung die Richter vollkommen im Namen des Herzogs von Österreich Hinterbregenzerwälder – zumindest in gewisser Weise handelte – von einer besonderen Kompetenz der Gerichts- – mitzureden hatten.51 So verschmolz das hohe Selbstbe- gemeinde ist hier nicht die Rede. Diese war zwar für die wusstsein des Ammanns als herrschaftlicher Blutrichter mit eigentliche Verurteilung des Angeklagten zuständig – aber dem politischen Selbstverständnis der Gemeinde, das im sie hatte der Urkunde nach keine Kompetenz, dieses Urteil Ammann in erster Linie seinen Vertreter sah. Und so kam auch zu vollstrecken. Dieses Vorrecht stand allein Ammann es schließlich dazu, dass die Gemeinde paradoxerweise Wilhelm von Fröwis zu, und zwar „von gnaden und gewaltes nunmehr gerade im Bereich der Blutgerichtsbarkeit, der ei-

Seite 346 gentlich ursprünglich ein Einfallstor landesherrschaftlicher hintersten Bregenzerwald, also Bizau, Reuthe, Schnepfau, Macht gewesen war, eine besondere Kompetenz für sich Au und Schoppernau (Bizauer Viertel).55 Gerade die Ent- selbst sah. Deshalb konnte im Landsbrauch von 1744 ste- wicklungen im Bereich der Zivilgerichtsbarkeit sind aber hen: „Erstlich hat der Bregenzerwald Hoch u. Niedergericht noch sehr schlecht erforscht – ihnen näher nachzugehen über Leib und Blut zu richten, u. abzustrafen jeden nach wäre eine lohnende Aufgabe. seinem Verbrechen, mithin unter die löbl. Oberämter nicht gehörig, noch deren Befehl anzunehmen hat, außer solche V. kommen von unsrem allergnädigsten Landesfürsten als na- Wir können also das nervöse Zentrum der Entwicklung türlichen Herren“.52 zentraler Elemente der Verfassung des Hinteren Bregenzer- waldes, das späte Mittelalter, mit der Feststellung hinter Das Beispiel der Blutgerichtsbarkeit zeigt also, dass die uns lassen, dass die Anfänge und weitere Entwicklung der Ausgestaltung zentraler Bereiche der Verwaltung und Ver- Gerichtsgemeinde auf einer sehr starken herrschaftlichen fassung des Hinteren Bregenzerwaldes – und zwar gerade, Einflussnahme durch die Habsburger beruht hat. Gerade was seine weitreichenden Privilegien in so wichtigen Be- dadurch aber kam es auch – wie wir am Beispiel der Blut- reichen wie eben dem der Gerichtsbarkeit betrifft – nicht gerichtsbarkeit gesehen haben – zur Ausbildung der weit- eine ureigene Schöpfung der sogenannten „freien Bre- reichenden Privilegien und Rechte des Hinteren Bregenzer- genzerwälder“, sondern vielmehr das Ergebnis eines viel- waldes in Angelegenheiten der Selbstverwaltung und der schichtigen kommunikativen Verhältnisses zum Landes- Gerichtsbarkeit. herrn bzw. dem herrschaftlichen Vogt in Feldkirch gewesen sind. Dasselbe ließe sich auch in anderen Bereichen zei- Mit dieser zentralen Feststellung können wir den Schritt in gen, beispielsweise im Kontext der Entwicklung des Steu- das 16. Jahrhundert und damit in die Neuzeit tun. Es bie- ersystems,53 aber wohl auch im Kontext der Gestaltung der tet sich hier an, unseren mehr kursorischen Überblick, der freiwilligen Gerichtsbarkeit bzw. der Zivilgerichtsbarkeit. ungünstigerweise nicht an einen ausgearbeiteten verfas- Letztere wurde vor allem auf den drei jährlichen Zeitgerich- sungsgeschichtlichen Forschungsstand anschließen kann, ten, den sogenannten „ehehaften Gerichten“ – so wurden auf das Phänomen hin zu fokussieren, das das Bild von die Rechtstage der ordentlichen Fasnacht-, Märzen- und der Hinterbregenzerwälder Gerichtsgemeinde in der Neu- Herbstgerichte genannt – ausgeübt. Diese fanden bis 1522 zeit am entscheidensten geprägt hat: die Bezeggversamm- nur in Egg, Andelsbuch und Schwarzenberg statt, bis in lung und ihre Rolle im Rahmen der gerichtsgemeindlichen diesem Jahr auch ein Gerichtstag für Bizau und damit den Verfassung. Klare Antworten können wie gesagt aufgrund hintersten Bregenzerwald dazukam. Hier wurden vor allem fehlender Vorarbeiten vorläufig nur bedingt formuliert wer- Streitigkeiten im agrarischen und ökonomischen Bereich den; es soll hier mehr eine erste kritische relecture dieses unter den Bregenzerwäldern selbst gelöst und urkundlich geschichtlichen Komplexes und Erinnerungsortes versucht dokumentiert.54 Der Ammann führte dabei den Vorsitz und werden. wurde bei der Rechtsfindung von einer bestimmten Anzahl von Ratsherren als gerichtlichen Beisitzern unterstützt. Von Besonders patriotische Historiker wollten die Anfänge ihnen gab es zumindest Anfang des 16. Jahrhunderts 24, der Bezeggversammlung in die früheste Zeit der Gerichts- also jeweils sechs pro Viertel: sechs aus Egg (Egger Viertel), gemeinde zurückdatieren und ihr damit einen von allem sechs aus Schwarzenberg, Hof, Baien und Mellau (Schwar- Anfang an zentralen Platz bei der Entwicklung dieser Ge- zenberger Viertel), sechs aus Andelsbuch, Krumbach und richtsgemeinde zuweisen.56 Tatsächlich aber taucht die Bezau (Andelsbucher Viertel) und weitere sechs aus dem Bezeggversammlung erstmals am 4. April 1522 auf, als

Seite 347 dem Bizauer Viertel, wie bereits angesprochen, ein eigener und den 24 Ratsherren 48 Vertreter der Gemeinde selbst Gerichtstag zugesprochen wurde.57 Werfen wir einen ge- als stimmberechtigte Teilnehmer dabei waren, die in den naueren Blick auf diese Erstnennung: einzelnen Orten selbst nach verschiedenen Mustern aus- geschossen wurden. Bemerkenswert ist aber immerhin, „Wir landamman unnd ratt unnd gannze gemaind des hin- dass der erste Akt, der von der angeblich so demokratisch- deren taillß des Bregennzerwalldß bekennend offenlich mit republikanischen Bezeggversammlung beschlossen wurde, disem brieff unnd thund khund kunnd [!] allermengklich, lediglich die Ratifikation eines Beschlusses zur Neurege- alls wier by renngyrung der durchluchtigesten unnd groß- lung der Gerichtsverfassung gewesen ist, der im Februar mechtigesten fürsten unnd herren her Karls des fünfften […] desselben Jahres 1522 unter dem Vorsitz des herrschaft- uff der Bazen Egg inmergklich anzall mit ratt unnd gemaind lichen Vogtes in Feldkirch zustande gekommen war.59 Es anstatt unnd inamen gemainer lannzlüt samet und sonnder ist durchaus mit der Möglichkeit zu rechnen, dass die Be- mit folkomem gewallt erschienen sind, habennd demnach zeggversammlung ursprünglich lediglich eine verwaltungs- mit verainntem willen der nochturfft nach mit merer ainhe- technische Verlegenheitslösung war, um die nicht mehr liger hannd fur uffgenomen unnd gesezt furnemlich das beschlussfähige Landsgemeinde bei dieser wichtigen Frage nun hinfür […] die nach angezaigten unnd geschrybnen nach der Neugestaltung der Verteilung der Gerichtstage auf punnghten unnd artigkel von allen unnd yegklichen virden die einzelnen Viertel abzulösen. Und doch sollte diese „Ver- taylen, stürzen unnd achtennd tailen unnd allermegklich legenheitslösung“ in Zukunft als diejenige Instanz, die die gehallten folzogen unnd trüelich unnd unngeferlich nach- „Landsbräuche“ festzustellen bzw. überhaupt erst zu be- komen werde alls dann sich deshallben gepür […]“. schließen und schriftlich festzulegen hatte, eine zumindest in gewissen Phasen nicht unwichtige Rolle spielen.60 Dass Es handelte sich bei der Bezeggversammlung demnach es im Hinteren Bregenzerwald ein Gremium gab, das die also um ein Gremium, das aus dem Landammann, den 24 diffusen lokalen Bräuche und Gewohnheiten festschrieb, Ratsherren und Vertretern der ganzen Gerichtsgemeinde lag vor allem im Interesse der Herrschaft Österreich, denn gebildet wurde, und das die bis zu diesem Zeitpunkt üb- mit geschriebenem Recht konnte man als Landesfürst leich- liche Landsgemeinde – also die Versammlung der ganzen ter umgehen, als mit einer Gerichtsgemeinde, die im Kon- Gemeinde im Hinteren Bregenzerwald – als maßgebliches fliktfall immer behaupten konnte, sie habe recht, denn ihre Beschlussorgan in Selbstverwaltungsangelegenheiten Meinung beziehe sich auf einen uralten Brauch – wir haben ablöste. Diese Landsgemeinde, die ursprünglich in An- diese Logik schon im Bereich der Entwicklung der Hochge- delsbuch getagt hatte, dürfte aufgrund des Bevölkerungs- richtsbarkeit im ausgehenden Mittelalter festgestellt. Wenn wachstums des ausgehenden Mittelalters verwaltungstech- solche zentralen Strukturen aber einmal schriftlich fixiert nisch nicht mehr praktikabel gewesen sein. Da aber in der waren, konnte man sich von gerichtsgemeindlicher Seite Selbstrechtfertigung der Bezeggversammlung auf diese zumindest in gewissen Fragen nicht mehr auf eine mögli- Landgemeinde noch direkt Bezug genommen wird, muss cherweise zweifelhafte alte Gewohnheit beziehen. Leider wohl angenommen werden, dass diese in diesem Jahr 1522 ist ein erstes Exemplar dieser so zusammengestellten erstmals durch diesen Ausschuss auf der Bezegg abgelöst Landsbräuche aus dem Jahr 1544, das noch 1970 erwähnt worden ist.58 Es fällt auf, dass von einem Rathaus auf der wird,61 seit mehreren Jahrzehnten nicht mehr auffindbar. Bezegg keine Rede ist. Auch über die Art der Beschickung Es soll hier keine katalogartige Aufzählung derjenigen Ge- und die Anzahl der Vertreter der ganzen Gemeinde wis- genstände angeführt werden, die in diesen Landsbräuchen sen wir aus dieser Zeit noch überhaupt nichts. Erst sehr geregelt wurden – sie umfassten in kaum näher systema- viel später erfahren wir, dass neben dem Landammann tisierbarer Weise nahezu sämtliche Bereiche des sozialen

Seite 348 und politischen Lebens in der Gerichtsgemeinde. Hier inte- 19. Jahrhundert greifbar wird und das Entstehen des Mythos‘ ressierte beispielsweise die Frage, wie viele Leute man zu „Bezegg“ sehr begünstigte – ob es tatsächlich so gewesen seiner Hochzeit einladen dürfe genauso wie die Frage, wie ist, ist zumindest zweifelhaft; es klingt mehr nach einer le- der genaue formelle Ablauf der Gerichtstage auszusehen gendarischen Übertragung des Papstwahlgewohnheiten im hatte. Die Bezeggversammlung war ganz eindeutig nicht Konklave auf die Lokalgeschichte. Überhaupt ist es kaum dazu geschaffen worden, eine geschlossene geschriebene zu sagen, ab wann wir überhaupt mit dem Bestehen eines Verfassung von der Machart für die Gerichtsgemeinde im Rathauses auf der Bezegg zu rechnen haben – die Quellen Hinteren Bregenzerwald zu setzen, wie wir sie im Kontext lassen uns diesbezüglich nahezu gänzlich im Stich. In den moderner Staatlichkeit gewohnt sind – systematisch Recht Urkunden ist erstmals im Jahr 1780 (!) von einem solchen gesetzt wurde auf der Bezegg ursprünglich nicht, sondern die Rede – und das noch dazu nicht im Zusammenhang nur bei Notwendigkeit in verschiedenste soziopolitische mit einem politisch relevanten Ereignis, sondern nur im Bereiche regulierend eingegriffen. Die Tendenz zu einer Kontext der Lokalisierung von Holzriesen auf der Bezegg;64 relativen Zentralisierung und Verrechtlichung des gesell- von der Möglichkeit einer auch nur annähernd genauen Re- schaftlichen Zusammenlebens lag ganz im Zug der Zeit und konstruktion des Gebäudes sind wir jedenfalls meilenweit wurde vor allem von den Landesfürsten forciert, die sich da- entfernt.65 durch eine Vereinfachung der Verwaltung und eine bessere Disziplinierung der Untertanen erhofften und auch erreich- Um auf die weitere Entwicklung zu sprechen kommen zu ten.62 Es ist von daher nicht außergewöhnlich, dass eine können, machen wir hier einen größeren Sprung ins 18. der ersten überlieferten umfangreicheren Beschlüsse der Jahrhundert. Das ist unter verwaltungs- und verfassungsge- Bezeggversammlung aus dem Jahr 1555 eine sogenannte schichtlicher Rücksicht deshalb möglich, weil die Gerichts- Polizeiordnung war, die für den sozialen Frieden sorgen und struktur des Hinteren Bregenzerwaldes selbst sich über Verstöße unter strenge Strafe stellen sollte. Diese rechtferti- nahezu drei Jahrhunderte nicht mehr massiv verändert gt sich bezeichnenderweise mit den Worten: hat: die kommunalen Organe – der Landammann, der Rat und die Bezeggversammlung – waren bis ins 16. Jahrhun- „Nachdem sich lange Zeitt her das Gotzlesteren, Fridbre- dert grundsätzlich ausgebildet worden. Der Landammann chen, Rotten, vechten, Auch andere unzüchtig Handlung, besiegelte die notwendigen Urkunden bei Nachbarschafts- unnd wesen über Hannd genomen, Das guott geminderet, oder Erbstreitigkeiten, die Räte agierten als Gerichts- und unnd das Böß gehauffet, und will Niemantz kain straff mer Gemeinderepräsentanten in den einzelnen Orten und haben, soliches ain Erberer aman und Rath, weder gegen die jährlichen drei Gerichtswochen in Andelsbuch, Egg, Gott noch der Oberkait mer verandtwurtten könen, Derwe- Schwarzenberg und Bizau waren die Anlaufstellen zur gen mit hilff ainer Ersamen Gemaind diese Artickhel und Austragung aller möglichen Konfliktfälle. Es gab daneben Poleyzey geordnet und gesetzt […]“.63 natürlich noch viele Details, die es wert wären besprochen zu werden, was in diesem kurzen Überblick leider nicht Nur nebenbei sei an dieser Stelle darauf hingewiesen, dass geschehen kann. Um nur einige Beispiele zu nennen: es über das Prozedere innerhalb der Bezeggversammlung aus wurden eigene Kundschaftsgerichte in Angelegenheiten ab- der Zeit der Gerichtsgemeinde selbst praktisch nichts be- gehalten, die die Präsenz von Gerichtsleuten vor Ort erfor- kannt ist. Die bekannte Geschichte von der Leiter, die vom derten, die Wahl des Landammanns, die auf Vorschlag des auf Säulen stehenden Rathaus weggezogen wurde, damit herrschaftlichen Vogtes seit spätestens dem ausgehenden die Versammelten bis zur Beschlussfassung das Gebäude 15. Jahrhundert anfangs jährlich, dann in einem längeren nicht mehr verlassen konnten, ist ein Element, das erst im Turnus durch die hausbesitzenden Bregenzerwälder er-

Seite 349 folgte, musste immer wieder neu geregelt werden, es kam zweihundert Jahren hinweg zusammengestückelten alten zu strukturell bedingten Eifersüchteleien zwischen dem Landsbrauch ablöste.69 Das heißt aber nichts anderes, als hintersten Wald und dem Mittelwald, weil sich die Hinter- dass die Bregenzerwälder selbst von ihrem alten Brauch wälder durch die Konzentration der wichtigsten Ämter in abkamen, einfach bei dringender Notwendigkeit Beschlüs- den Händen der Mittelwälder übervorteilt fühlten66 usw. se in verschiedensten Bereichen zu fassen und nunmehr Die weitere Entwicklung während des 18. Jahrhunderts und ähnlich einem modernisiertes Gesetzgebungsorgan ganz darüber hinaus muss allerdings noch ausdrücklich thema- im Sinne der von oben gewünschten Verrechtlichung eine tisiert werden, weil es hier zu wichtigen Neufassungen der systematische Verfassung erließen, die möglichst alle zen- gerichtsgemeindlichen Struktur gekommen ist. tralen Bereiche auf politischer Ebene regeln sollte. Der primäre fundamentale Einbruch in die alterhergebrachte Es sei diesbezüglich eingangs angemerkt, dass der umfang- Verfassung des Hinteren Bregenzerwaldes geschah also reiche Bestand an Gerichtsprotokollbüchern und ähnlichem nicht, wie oft zu lesen ist, durch die Reformen unter Kai- Verwaltungsschriftgut, wie es seit der Mitte des 17. Jahrhun- ser Joseph II. oder während der Bayernherrschaft, sondern derts (zum Teil sogar noch früher) systematisch angelegt begann letztlich von innen her, indem die Bezeggversamm- worden ist, immer noch einer entsprechenden Bearbeitung lung schon während der ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts harrt. Gerade diese intensive, eigenständig dokumentierte zu etwas gemacht wurde, was sie vorher eigentlich nicht und archivierte Verwaltungstätigkeit der Gerichtsgemeinde gewesen war: zu einem quasi verfassungsgebenden Organ im Hinteren Bregenzerwald ist etwas wirklich Besonderes mit Ähnlichkeiten zu einem modernen Parlament, dem mit und zeichnet diese Gemeinde unter den ländlichen Vorar- dem neuen Landsbrauch ein verfassungsähnliches Werk lberger Gerichtssprengeln aus, von denen die meisten von zur Seite gestellt wurde. den nahegelegenen Städten aus massiv kontrolliert und verwaltet wurden.67 Aber bevor eine solche Bearbeitung Schauen wir uns bei dieser Gelegenheit an, welche Bedeu- dieses umfangreichen Verwaltungsschriftguts geleistet ist, tung der Bezeggversammlung von der Gerichtsgemeinde lässt sich hierzu kaum etwas Verlässliches sagen. Was sich selbst zugestanden wurde.70 Sehr bemerkenswert ist dabei allerdings bereits jetzt feststellen lässt, ist, dass es im Lau- der Anhang des Landsbrauches von 1744, der über die Vor- fe des 18. Jahrhunderts zu einer geradezu galoppierenden geschichte der Redaktion dieses Landsbrauches berichtet. Verrechtlichung und Durchdringung der Bräuche und Ge- Hier können wir folgende Aussagen lesen: wohnheiten des Hinteren Bregenzerwaldes durch die Prin- „Bevor man dises geschäfft würkhlich angriff, so hatt sich zipien des modernen Staates gekommen ist – Effizienz und ein anstandt und respective zwispalt eraignet wer nem- Einheitlichkeit in der Verwaltung waren gefragt, nicht mehr blichen des gemainen mann auff die Bezegg auszuziehen die bloße Berufung auf die althergebrachte, traditionelle und zuschiessen habe: indem einige von alter (in specie Verfasstheit. Es hat eine gewisse Ironie, dass es eigentlich Baltasar Hartmann rath von Andelspuch als welcher schon nicht der Versuch Maria Theresias zur Schaffung solcher 2 mahl vorhero auf der Bezegg gewesen war) bey ihren ge- Verwaltungsänderungen von oben war,68 der in der Mitte wissen und pflichten den sichern bericht ertheilt, die räth des 18. Jahrhunderts modernere Verwaltungsstrukturen in nemblich jeder habe 2 von gemainen mann vor sich selbst- der Region konstruierte, sondern die Hinterbregenzerwäl- en hierzu ernenth, und außgezogen. Dargegen suchte son- der selbst dieser „Verstaatlichung“ vorarbeiteten und da- derbahr aus denen 3 pfareyen Egg, Andelspuch und auch mit den landesfürstlichen Wünschen letztlich entgegenka- Schwarzenberg zu behaubten, dieses ausziehen des ge- men – und zwar nicht zuletzt dadurch, dass im Jahr 1744 auf mainen manns sehe den bauren gleich und folglich denen der Bezegg ein neu überarbeiteter Landsbrauch den über ein solches zuständig seye.“71

Seite 350 Bezeggsul (Josef Feuerstein 1871)

Wäre die Bezegg tatsächlich bis zu diesem Zeitpunkt für die prozedere zu handhaben war. Es scheint sogar so gewesen Gerichtsgemeinde so wichtig gewesen, wie bis heute in der zu sein, dass die Versammlung nach der Kodifizierung des regionalgeschichtlichen Literatur angenommen wird, dann Neuen Landsbrauches kaum noch irgendeine Bedeutung ist es doch allzu seltsam, dass die politischen Vertreter gehabt hat – es war ja sozusagen alles geregelt. Von daher des Hinteren Bregenzerwaldes 1744 nicht einmal wussten, ist es kein Wunder, dass beim Abriss des Rathauses 1807 wie die Besetzung durch die Gemeindevertreter in den keinerlei Proteste durch die Bregenzerwälder aufgekom- einzelnen Orten zu geschehen hatte – ganz zu schweigen men sind76 – es war ganz einfach zu unwichtig gewesen. davon, dass jemand, der zweimal auf der Bezegg gewe- sen war, schon als erfahren galt. Die Räte waren ja auf Le- VI. benszeit gewählt72 – die Tagungen auf der Bezegg müssen also sehr selten gewesen sein und haben allem Anschein Die Auflösung der althergebrachten Struktur der Gerichts- nach für das institutionelle Leben der Gerichtsgemeinde gemeinde im Hinteren Bregenzerwald war also schon min- keine sehr nachhaltige Rolle gespielt. Deshalb hatte man destens seit der ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts von in- offenbar auch keine Ahnung, wie man regelkonform die Ab- nen her geschehen. Da waren die Reformen unter Joseph stimmungen zu handhaben hatte und stellte deshalb 1744 II. von 1786, die neben dem Landammann und dem Rat ein pragmatisch fest: separates Landgericht mit beamteten Mitgliedern einrich- teten, was bereits 1790 zurückgenommen werden musste, „Ohneracht zwar von ehewig hergangen der Bezeggischen und die Tatsache, dass der Landammann nicht mehr von zusammenkunfften nichts bekanth oder geschribens vor- allen Bregenzerwäldern, sondern von einem 66-köpfigen handen, so hatt mann im sizen und umbfrag folgende ord- Ausschuss gewählt wurden, nur eine Beschleunigung jenes nung gebraucht: […].“73 Vorganges, der sowieso schon lange eingesetzt hatte. Bei der Auflösung des behördlichen Landgerichts 1790 stellte Die Bezeggversammlung hatte also nicht nur im kollek- die Regierung sogar fest, dass diese Gewaltenteilung vier tiven politischen Bewusstsein der Gerichtsgemeinde keine Jahre zuvor ja auf Wunsch der Bregenzerwälder selbst er- wichtige Rolle gespielt, sondern auch in der schriftlichen folgt sei – und Landammann Josef Anton Metzler zeigte sich Verwaltung offenbar keinen nachhaltigen Niederschlag in einem Brief an Angelika Kauffmann sogar froh darüber, gefunden.74 Die Ausarbeitung von Beschlüssen des neuen dass er mit der Einführung des Landgerichtes nicht mehr Landsbrauchs geschah noch dazu nicht einmal auf der Be- über Leben und Tod zu richten hatte.77 Da war die vollstän- zegg selbst, sondern musste im Haus des Landammanns in dige Abschaffung der Gerichtsgemeinde und die Einführung Bezau vorgenommen werden – erst danach begab man sich des neuen Gemeindegesetzes von 1808 unter den Bayern auf die Bezegg um dort die entsprechenden Beschlüsse zu nur noch der Schlussstein unter eine lange Entwicklung.78 fassen.75 Nunmehr wurden große Landgerichtssprengel eingerichtet, die sich nicht an die alten Gerichtsgrenzen hielten. Die ein- Offensichtlich also spielte die Bezeggversammlung – von zelnen, kleinräumigeren Gemeinden, wie sie heute im Bre- Ausnahmen abgesehen – keine zentrale Rolle im Verwal- genzerwald im Wesentlichen noch bestehen, traten als die tungsleben des Hinteren Bregenzerwaldes. Man traf sich untersten Glieder der staatlichen Verwaltung an die Stelle zwar schon seit Jahrhunderten dort, um falls notwendig der alten Talgemeinde – auch wenn das im Hinteren Bre- Beschlüsse zu fassen, aber offenbar faktisch so selten, genzerwald lange nicht sehr gut funktionierte. dass die Beteiligten 1744 noch nicht einmal wussten, wie die Geschworenen zu bestellen oder wie das Abstimmungs-

Seite 351 Es kam allerdings noch zu einem Nachspiel der alten Orga- 4 Benedikt Bilgeri, Der Bregenzerwald in der ländlichen nisationsformen der Gerichtsgemeinde, das bis heute an- Verfassungsentwicklung Vorarlbergs, in: Montfort 21 (1969) 3/4, hält. Die Gerichtsgemeinde hatte ja Vermögen gehabt, das S. 282-334. auch weiterhin verwaltet sein wollte. Dazu gehörten unter 5 Das schlagendste Beispiel dafür ist die extrem sozialromantisch anderem Waldungen, das Gerichtsgebäude und das Kapu- angelegte Dissertation von Rudolf Fischer, Die Rechte der Bauernschaft zinerkloster in Bezau – für dessen Besetzung übrigens bis im Innerbregenzerwald seit der örtlich bedingten Frühzeit bis zur heute der Stand zuständig ist –, aber auch die Verwaltung bayrischen Fremdherrschaft (1805/06). Ein Beitrag zur Rechtsgeschichte zweier Schulstipendien war beispielsweise zu besorgen. So Vorarlbergs. Masch. phil. Diss. Graz 1950; vgl. kritisch zu dieser existierte der „Stand Bregenzerwald“ als Vereinigung der Methodik Alois Niederstätter, „Wenn ich mich mit Geschichte befasse, Gemeinden Krumbach, Unterlangenegg (heute Langenegg), mache ich mich zum Sprecher früherer Zeiten. Da gibt es keine Egg, Andelsbuch, Schwarzenberg, Reuthe, Bezau, Bizau, Korrektur.“ Bemerkungen zur Vorarlberger Landesgeschichtsschreibung Schnepfau, Mellau, Au und Schoppernau notgedrungen nach 1945, in: Aufbruch in eine neue Zeit. Vorarlberger Almanach zum weiter, spielte allerdings politisch gesehen praktisch kei- Jubiläumsjahr 2005, hg. von Alois Niederstätter/Ulrich Nachbaur. ne Rolle mehr. Beschickt wurde der koordinierende Stan- Bregenz 2006, S. 209-217. Vgl. allgemein weiters die kritische desausschuss durch die Vorsteher dieser Gemeinden, die Untersuchung von Markus Barnay, Die Erfindung des Vorarlbergs. einen Standeskassier, der ab den 1890er Jahren Standes- Ethnizitätsbildung und Landesbewußtsein im 19. und 20. Jahrhundert repräsentant genannt wurde, wählten und von denen ein (Studien zur Geschichte und Gesellschaft Vorarlbergs 3). Bregenz 1988. jährlicher Rechnungsabschluss erarbeitet wurde.79 1895 6 Vgl. dazu v.a. Bilgeri (wie Anm. 4), S. 282-284; vgl. weiters Bilgeri (wie wurde erstmals ein eigenes Statut erlassen, um die institu- Anm. 3), S. 6-10. tionellen Unsicherheiten auszuräumen.80 Der „Stand Bre- 7 Franz Michael Felder, Gespräche des Lehrers Magerhuber mit seinem genzerwald“ führt ein eigenes Wappen81 und ist – nachdem Vetter Michel, in: Ders., Vermischte Schriften, ediert von Walter Methlagl 1998 eine neue Vereinbarung unter den Standesgemeinden (Sämtliche Werke Bd. VIII). Bregenz 1979, S. 155-185, hier S. 155 f. getroffen wurde – bis heute für die Verwaltung des Standes- 8 Zur Denkmalenthüllung und ihrer Vorgeschichte vgl. Rudolf Fischer, vermögens zuständig. Mit der alten politischen Gerichtsge- Die Bezegg-Sul. Sinnbild demokratischer Gemeinschaft, in: Jahrbuch meinde im Hinteren Bregenzerwald hat er allerdings sach- Vorarlberger Landesmuseumsverein 115 (1971), S. 11-19, hier S. 17 f. lich nichts mehr zu tun. Nichtsdestotrotz ist er bis heute ein 9 Vgl. Leo Haffner, Die Kasiner. Vorarlbergs Weg in den Konservativismus. Zeuge der einstigen talschaftsübergreifenden Gemeinde im Bregenz 1977, S. 18-26. Hinteren Bregenzerwald, die bis zum Beginn des 19. Jahr- 10 Zu diesem Gesamtkomplex vgl. Mathias Moosbrugger, Untersuchungen hunderts die entscheidende Akteurin bei der Gestaltung zur Verfassungsgeschichte des Hinteren Bregenzerwaldes. des soziopolitischen Lebens vor Ort gewesen ist. Strukturgeschichtliche Bewegungen vom Mittelalter zur Neuzeit. Masch. phil. Diss. Innsbruck 2008, S. 167-180 und S. 206-327. 11 Der Entwurf dieses Modells wurde vorgenommen von Bilgeri (wie Anm. 2). 1 Der Vortragscharakter der folgenden Ausführungen wurde weitgehend 12 Die Chronik des Klosters Petershausen, hg. von Otto Feger (Schwäbische beibehalten. Der ursprüngliche Vortragstitel lautete: „Der Hintere Chroniken der Stauferzeit 3). Sigmaringen 1978. Bregenzerwald als Gerichtsgemeinde und Stand – Politische 13 Ebenda, S. 147. Organisation in vormoderner Zeit.“ 14 Vgl. Alois Niederstätter, Zur Konstruktion von Geschichte(n): die „seligen 2 Benedikt Bilgeri, Die Besiedlung des Bregenzerwaldes in ihren Geschwister“ Diedo, Merbod und Ilga, in: Montfort 60 (2008) 3, S. 139- Grundzügen. Dornbirn 1936. 155. 3 Benedikt Bilgeri, Die Anfänge des freien Hinterbregenzerwaldes, in: Montfort 1 (1946) 1/2, S. 6-15. 73-87. 121-131.

Seite 352 15 Vgl. Christine Tschisner, Pollenanalytische Untersuchungen zur 25 Ein kurzer Überblick bei Alois Niederstätter, Die Besiedlung des Vegetationsgeschichte von Bezau anhand des Profiles Grebauer Moos Bregenzerwaldes und seine wirtschaftliche und politische Entwicklung, [unveröffentlichte Studie]. o.O. 1997, S. 5-7; vgl. weiters Anton Pfeifer, in: Aus der Wälder Geschichte. Dokumentation der Vortragsreihe Fenster in die Vergangenheit. Neue Erkenntnisse zur Frühgeschichte des „Wälder Geschichtstage“ im März 1998, Dornbirn 1998, S. 9-25, hier: S. Bregenzerwaldes, in: Bregenzerwald-Heft 23 (2004), S. 6-10. 18. Zu den dynastieinternen Geschehnissen vgl. Karl Heinz Burmeister, 16 Vgl. dazu Moosbrugger (wie Anm. 10), S. 94 f. Geschichte Vorarlbergs. Ein Überblick (Geschichte der österreichischen 17 Urkunde bei Joseph Bergmann, Früheste Kunde über den Bregenzerwald Bundesländer, hg. von Johann Rainer). Wien 41998, S. 74 f. und die Stiftung des Klosters Mehrerau, so wie auch über das Erlöschen 26 Vgl. Bilgeri (wie Anm. 3), 78 f. der alten Grafen von Bregenz im zwölften Jahrhunderte, in: Anzeige-Blatt 27 Karl Siegfried Bader, Dorfgenossenschaft und Dorfgemeinde (Studien für Wissenschaft und Kunst Nr. 128 (Jahrbücher der Literatur 118 [1847]), zur Rechtsgeschichte des mittelalterlichen Dorfes II). Weimar 1962, S. 1-54, hier: S. 27-30; Regest der Urkunde in: Regesten von Vorarlberg S. 251 stellt fest, dass die Entwicklung von Tal- bzw. Samtgemeinden und Liechtenstein bis zum Jahre 1260, bearb. von Adolf Helbok (Quellen – anders als die auf ökonomisch-agrarischen Notwendigkeiten zur Geschichte Vorarlbergs und Liechtensteins 1). Innsbruck 1920-1925, beruhenden dörflichen Zusammenschlüsse – von einem jeweils eigenen Nr. 445. „Rechtsvorgang besonderer Art“, der je einzeln aufgedeckt werden 18 Karl Siegfried Bader, Der deutsche Südwesten in seiner müsse, abhängig gewesen sei. territorialstaatlichen Entwicklung. Sigmaringen 21978, S. 48 hält fest: 28 Vgl. den materialreichen, allerdings höchst einseitigen Aufsatz von „Man übertreibt nicht, wenn man sagt, daß die staatliche Gewalt Benedikt Bilgeri, Die Vorarlberger Landgemeinden bis zur bayrischen im deutschen Südwesten von etwa 1240 an in ein Stadium völliger Zeit, in: Jahresbericht des Realgymnasiums Bregenz (1953), S. 6-21. Zerrüttung geraten war.“ 29 Karl Heinz Burmeister, Die ländliche Gemeinde in Vorarlberg bis 1800, 19 Vgl. Moosbrugger (wie Anm. 10), S 121 f. 152-158. in: Die ländliche Gemeinde. Historikertag in Bad Ragaz 16. – 18. X. 20 Die Aufarbeitung dieses Themas stellt eines der dringendsten 1985 (Schriftenreihe der Arge Alp). Bozen 1988, S. 139-157, hier S. Desiderate der Bregenzerwälder Strukturgeschichte dar – die 152 bestimmt den Hinteren Bregenzerwald als eine eigene Kategorie Rekonstruktion des Beziehungsgeflechtes zwischen den Reichsrittern innerhalb der Gemeindetypen Vorarlbergs und bezeichnet ihn als von Ems und dem Bregenzerwald gerade im Mittelalter dürfte „Gericht mit Ausübung der Funktionen der Gemeinde“. einiges Licht auf die Frühzeit der Region werfen; das Jagdrecht im 30 Vgl. den Verweis auf diese angebliche Urkunde in einer Urkunde von Bregenzerwald war einer der kontroversiellsten Bereiche zwischen 1467, behandelt bei Otto Rieder, Urkundenkuriosa des k. Allgemeinen den Bregenzerwäldern und den Rittern bzw. Grafen von Ems, vgl. dazu Reichsarchivs, insonderheit der Gerichtsbrief über die Leibeigenschaft exemplarisch die entsprechende Korrespondenz aus dem Jahr 1528 der Staufner v. J. 1467, in: Archivalische Zeitschrift (1906), S. 103-159, hier mit dem Landesfürsten in den Büchern Walgau, Tiroler Landesarchiv, S. 117. Zur Kritik an der Stichhaltigkeit dieses Belegs vgl. Moosbrugger Bücher Walgau Bd. 1, fol. 64r. 87r. 94r. (wie Anm. 10), S. 164 f. 21 Vgl. Bilgeri (wie Anm. 2), S. 46; vgl. Bilgeri (wie Anm. 3), S. 14. 31 Vgl. Liber taxationis ecclesiarum et beneficiorum in Dioecesi 22 Abdruck in: Jahrs-Bericht des historischen Vereins im Oberdonau-Kreise Constantiensi de anno 1353, hg. von Wendelin Haid, in: Freiburger für das Jahr 1834. Augsburg 1836, S. 70-71. Diöcesan-Archiv (1870), S. 3-118, hier S. 26 f. 23 Vgl. dazu Elmar Haller, Geschichte Sulzbergs (Vorarlberg). Dornbirn 32 Vgl. Karl Heinz Burmeister, Die Vorarlberger Landsbräuche und ihr 1961. Standort in der Weistumsforschung (Forschungen zur Geschichte 24 Urkunde abgedruckt in Johann Nepomuk Vanotti, Geschichte der Vorarlbergs 1). Zürich 1970, S. 90: „Erstmals begegnet uns ein Ammann Grafen von Montfort und Werdenberg. Ein Beitrag zur Geschichte an der Spitze des Niedergerichts […] 1353 im Bregenzerwald“. Schwabens, Graubündens, der Schweiz und Vorarlbergs. Bregenz 1988 (= Unveränderter Nachdruck der Ausgabe Belle-Vue bei Constanz 1845), S. 550-551.

Seite 353 33 Erstmals ist das Kloster St. Gallen in den 1270er Jahren als Inhaber des 42 Vgl. Alois Niederstätter, St. Galler Klosterbesitz Klosterbesitz im Schwarzenberger Kirchensatzes bezeugt, vgl. z.B. den entsprechenden heutigen Vorarlberg während des Mittelalters. Ein Überblick, in: Vermerk im diözesanen Abgabenverzeichnis von 1275, des liber Schriften des Vereins für Geschichte des Bodensees und seiner decimationis: Gerlinde Person-Weber, Der Liber decimationis des Umgebung 103 (1985), S. 1-32, hier: S. 26. Bistums Konstanz. Studien, Edition und Kommentar (Forschungen zur 43 Vgl. zu Verlauf und Deutung dieses Streits Moosbrugger (wie Anm. 10), oberrheinischen Landesgeschichte 44). München 2001, S. 264. S. 72-87; vgl. einen nacherzählenden Überblick des Konflikts bei Franz 34 Zu ihm vgl. Karl Heinz Burmeister, Rudolf V. von Montfort. Der letzte X. Moosmann, Das Recht des Todfalls, in: Bregenzerwälder-Blatt Nr. 23 Graf von Feldkirch (ca. 1320-1390), in: Ders., Die Grafen von Montfort. (1. Dezember 1875), S. 93-94; Nr. 24 (15. Dezember 1875), S. 97-98; Nr. 4 Geschichte, Recht, Kultur. Festgabe zum 60. Geburtstag, hg. von Alois (5. Februar 1876), S. 16; Nr. 5 (1. März 1876), S. 20; Nr. 6 (15. März 1876), Niederstätter (Forschungen zur Geschichte Vorarlbergs N.F. 2). Konstanz S. 23-24; Nr. 7 (1. April 1876), S. 27-28. 1996, S. 209-211. 44 Einzelthemen aus diesem Gesamtkomplex behandelt bei: Markus 35 Urkunde abgedruckt bei: Joseph Bergmann, Urkunden der vier Bartholomäus Fink, Regionale Strafrechtsgeschichte des ehemaligen vorarlbergischen Herrschaften und der Grafen von Montfort mit Landgerichtes Hinterbregenzerwald unter besonderer Berücksichtigung topographisch-historischen Erläuterungen, in: Archiv für Kunde der Auswirkungen der Peinlichen Halsgerichtsordnung Karls V. von österreichischer Geschichtsquellen 3. Wien 1849, S. 120-122. 1532 auf die Strafrechtspflege dieses Gerichtes. Masch. jur. Diss. o. O. 36 Eine Abbildung des (NB: späteren) Landessiegels bei Benedikt 1997; Andreas Bauer, Das Gnadenbitten in der Strafrechtspflege des 15. Bilgeri, Das Siegel des Landes Bregenzerwald um 1380, in: Jahrbuch und 16. Jahrhunderts. Dargestellt unter besonderer Berücksichtigung Vorarlberger Landesmuseumsverein 115 (1971), S. 30-31, hier: S. 31. von Quellen der Vorarlberger Gerichtsbezirke Feldkirch und des Zum Begriff des „Landes“ vgl. Alois Niederstätter, Bäuerliche ‚Länder‘ Hinteren Bregenzerwaldes (Rechtshistorische Reihe 143). Frankfurt a. im alemannischen Südwesten. Beobachtungen zur Verwendung Main u.a. 1996; Hermann Sander, Ueber das Begnadigungsrecht der des Begriffs ‚Land‘ im Spätmittelalter in: Tirol – Österreich – Italien. Stadt Feldkirch und des hintern Bregenzerwaldes. Innsbruck 1883; für Festschrift für Josef Riedmann zum 65. Geburtstag, hg. von Klaus die ausführliche Nachzeichnung der Hoch- und Blutgerichtsbarkeit Brandstätter/Julia Hörmann (Schlern-Schriften 330). Innsbruck 2005, S. als eines wichtigen Moments beim Ausbau der Herrschafts- und 483-492. Verwaltungsstrukturen in der Region vgl. Moosbrugger (wie Anm. 10), S. 37 Vgl. ebd.; vgl. auch Bilgeri (wie Anm. 3), S. 10 und 129. 206-257. 38 Zur ausführlichen Argumentation vgl. Moosbrugger (wie Anm. 10), S. 174 45 Vgl. Arno Borst, Lebensformen im Mittelalter. Hamburg 2004, S. 59. f. 46 VLA, Urk., Nr. 3749. 39 Die erste entsprechende Urkunde stammt aus dem Jahr 1386, 47 VLA, Urk., Nr. 3750; Regest bei Alois Niederstätter, Vorarlberger Vorarlberger Landesarchiv (fortan: VLA), Urk., Nr. 5093; vgl. dazu Urfehdebriefe bis zum Ende des 16. Jahrhunderts. Eine Moosbrugger (wie Anm. 10), S. 187-189. Quellensammlung zur Rechts- und Sozialgeschichte des Landes 40 Der Todfall war eine Abgabe des Grundholden an seinen Grundherrn, (Forschungen zur Geschichte Vorarlbergs 6). Dornbirn 1985, S. 24 f. die beim Tod des jeweiligen Haushaltsvorstandes fällig wurde und Zur Interpretation der verunglückten Vollstreckung als Gottesurteil vgl. ursprünglich meist in Form des besten Stücks Vieh geleistet werden ebenda, S. 16. musste. 48 VLA, Urk., Nr. 3749. 41 Vgl. dazu Ludwig Welti, Fallbuch der hohenemsischen 49 Die diesbezüglich wichtigste Urkunde stammt vom 10. März 1460, wo Grundherrschaft 1596-1653. Abschnitt Bizau, in: Jahrbuch Vorarlberger in einem weistumsartigen Abschnitt das Übersagungsverfahren fixiert Landesmuseumsverein 96 (1953), S. 30-51, hier S. 32; vgl. den worden ist, VLA, Urk., Nr. 8783; abgedruckt bei Sander (wie Anm. 44), auszugsweisen Faksimiledruck des Fallbuchs in: Dokumente zur Bizauer Fußnote 12. Geschichte, hg. von Alois Niederstätter. Bizau 1997, S. 9; vgl. Volaucnik, Geschichte des Klosters Mehrerau im Mittelalter. Masch. Univ. Diplomarbeit. o. O. o. J., S. 282 f.

Seite 354 50 Schlagend sollte das beispielsweise im Kontext der Verfolgung der 56 Vgl. Fischer (wie Anm. 5), S. 110 [Fußnote 1]: „Bezau liegt am Fuße Täufer in Au und Schoppernau werden. Der Prozess gegen Jos Wilhalm jener erhabenen, von feierlichster Alpenlandstimmung umfangene und seine Frau Elisabeth Moosbruggerin aus dem Jahr 1618 hatte ‚Bezegg’, die durch ein halbes Jahrtausend hindurch unser heroisches nämlich vorläufig mit einem Todesurteil geendet – das Gericht hatte ‚Wälderparlament’ trug, in dem Landamann [!] und Rat und noch einmal allerdings vorgehabt, dieses Urteil nachträglich zu mildern, d.h. von so viele Abgeordnete der Gemeinden zum tunlichen Wohle des Landes seinem Begnadigungsrecht Gebrauch zu machen. Der anwesende ‚das Recht wiesen’.“ Vgl. ebenda, S. 111: „Werfen wir erst einen Blick landesfürstliche Kommissär verhinderte jedoch mit Berufung auf eine hinein in die Zusammensetzung der Hinterwälder Volksvertretung, so landesfürstliche Entscheidung das Ergehen eines Begnadigungsurteils, nehmen wir in ihr wohl so recht das ideale Spiegelbild einer Demokratie vgl. dazu Hildegund Gismann-Fiel, Das Täufertum in Vorarlberg wahr. Und berief der Wälder Magistrat eine Ratsversammlung ‚auf die (Forschungen zur Geschichte Vorarlbergs 4). Dornbirn 1982, S. 82-84. Bezegg’ ein, was mindestens einmal im Jahr, nach Bedarf mehrmals der 51 Der erste bekannte Hinweis auf ein „Wahlrecht“ der Bregenzerwälder Fall war, so kam es zunächst zum sogenannten ‚Auszug’.“ Vgl. ebenda, stammt aus dem Jahr 1497, VLA, Urk., Nr. 3815. König Maximilian I. hält S. 75: „Sie, diese bäuerliche Volksvertretung ‚auf der Bezegg’ als die hier fest, das ein yegklicher lanndtaman so dann eines yeden jars aus oberste richterliche und administrative Instanz der Landgemeinde den vieren, die unser vogt zu Veldkirch fürslecht und anzaigt und von des H.Br.Ws., hat sie diese Friedensordnung nicht in idealster Weise den obgemelten unnsern leuten des hintern teils des Pregenntzerwalds verkörpert?“ wie von alter herkomen ist angenomen und erwelt wirdet. Solche 57 VLA, Urk., Nr. 3854; näher behandelt bei Moosbrugger (wie Anm. 10), S. Bezugnahmen auf ein angebliches altes Herkommen waren übrigens 328-332. sehr oft reine Phrase, hinter denen meist tatsächlich Neuerungen 58 Übrigens bestand die Landgemeinde als Wahlveranstaltung weiter – die steckten, die durch diese Formel legitimiert werden sollten, vgl. Simon Bestellung des Landammannes geschah auch weiterhin in Andelsbuch Teuscher, Erzähltes Recht. Lokale Herrschaft, Verschriftlichung und durch Wahl durch die hausbesitzenden Bregenzerwälder. Zum Prozedere Traditionsbildung im Spätmittelalter (Campus Historische Studien 44). nach neuzeitlichen Quellen vgl. Meusburger (wie Anm. 55), S. 31 f. Frankfurt a. Main/New York 2007, S. 204; vgl. besonders eindeutig 59 VLA, Urk., Nr. 3853. Otto Brunner, Land und Herrschaft. Grundfragen der territorialen 60 Sammlungen der „alten Landsbräuche“ (d.h. derjenigen vor der Verfassungsgeschichte Österreichs im Mittelalter. Wien/Wiesbaden Neuredaktion von 1744): VLA, Gericht Bregenzerwald, Hss. 2 und 3. 19594, S. 138 f. 61 Vgl. Burmeister (wie Anm. 32), S. 51. 52 Vgl. Wilhelm Meusburger, Die Landammänner des Hinteren 62 Vgl. zu diesen Prozessen Winfried Schulze, Einführung in die Neuere Bregenzerwaldes. Ein Beitrag zur Geschichte des Bregenzerwaldes. Geschichte (UTB für Wissenschaft: Uni-Taschenbücher 1422). Stuttgart Masch. phil. Diss. masch. Innsbruck 1981, 488. 31996, S. 80-86. 53 Vgl. dazu Moosbrugger (wie Anm. 10), S. 298-324. 63 Abgedruckt: Der Landsbrauch im innern Bregenzerwalde, in: 54 Eine systematisch erarbeitete Zusammenstellung einschlägiger Vorarlberger Volks-Kalender (1855), o. S. Das Original dieses Urkunden, die den Raum Au-Schoppernau betreffen, bei Gerhard Beschlusses ist verschollen. Feuerstein, Urkunden zur Agrargeschichte des Bregenzerwaldes 64 Urkunde vom 18. April 1780: VLA, Urk., Nr. 6301: das anderte [Holzries] (Forschungen zur Geschichte des Bregenzerwaldes 5). Dornbirn 1983. durch den tiefen graben gegen dem rathshaus. 55 Vgl. dazu die Darstellung des Forschungsstandes bei Wilhelm 65 Trotzdem gibt es bis heute Versuche der Rekonstruktion dieses Meusburger, „Die Wälderrepublik“?, in: Aus der Wälder Geschichte. Gebäudes, vgl. z.B. Franzmichel Willam, Das Rathaus auf der Bezegg, in: Dokumentation der Vortragsreihe „Wälder Geschichtstage“ im März Vorarlberger Volkskalender (1961), S. 54-58. 1998. Dornbirn 1998, S. 27-38. 66 Vgl. Bilgeri (wie Anm. 4), S. 308 f.

Seite 355 67 Vgl. z.B. das Montafon, das verwaltungstechnisch stark an Bludenz 76 Vgl. Meusburger (wie Anm. 55), S. 37. gebunden war, vgl. Alois Niederstätter, Bludenz im Mittelalter (bis 1420), 77 Vgl. ebenda, S. 36 f. in: Geschichte der Stadt Bludenz. Von der Urzeit bis zum Beginn des 20. 78 Vgl. dazu Ulrich Nachbaur, Von den Ständen zu den Gemeinden (Verba Jahrhunderts, hg. von Manfred Tschaikner (Bodensee-Bibliothek 39). volant 42, www.landesarchiv.at, urn:nbn:de:0198-03426). Sigmaringen 1996, S. 53-100, hier S. 64 f; vgl. dazu auch Nicole Diana 79 Vgl. die entsprechenden Akten in: VLA, Landesausschuss 2/1868-1918, Ohneberg, So geschaehe darum, das recht sye. Rechtsprechung und Gemeindefinanzen Stand Bregenzerwald [Sch. 257]. Die Rechnung für Konfliktbewältigung im Montafon anhand der Märzengerichtsprotokolle das Jahr 1876 auch in: Bregenzerwälder-Blatt (1877), S. 78-80. (1490-1506). Masch. phil. Diss. Innsbruck 2003. Vgl. weiters Anita 80 In: VLA, Landesausschuss 2/1868-1918, Gemeindefinanzen Stand Muther, Das Gericht Rankweil-Sulz (15. bis Ende 17. Jahrhundert). Masch. Bregenzerwald [Sch. 257]. phil. Diss. Innsbruck 2005. 81 Vgl. Cornelia Albertani/Ulrich Nachbaur, Vorarlberger 68 Vgl. dazu Benedikt Bilgeri, Geschichte Vorarlbergs, Bd. 4: Zwischen Gemeindewappenregistratur (Kleine Schriften des Vorarlberger Absolutismus und halber Autonomie. Wien/Köln/Graz 1982. S. 73-87. Landesarchivs 6). Bregenz 2007, S. 51. 69 Abgedruckt ist eine Abschrift des „Neuen Landsbrauchs“ bei Meusburger (wie Anm. 52), S. 431-490. 70 Um diesbezüglich absolut verlässliche Antworten zu liefern, müsste faktisch das gesamte umfangreiche Quellenmaterial der frühen Neuzeit untersucht werden, was allerdings aus den mehrfach genannten Gründen im Rahmen dieses kleinen Aufsatzes nicht möglich ist. Es soll deshalb hier lediglich die Wahrnehmung der Bezeggversammlung in der Mitte des 18. Jahrhunderts thematisiert werden, was aber doch erste Rückschlüsse auf die prinzipielle Bedeutung der Bezeggversammlung im Gesamt der Gerichtsgemeinde ermöglicht und jedenfalls neue Perspektiven eröffnet. 71 VLA, Gericht Bregenzerwald, Hs. 6, S. 140. 72 Vgl. Karl Heinz Burmeister, Die Verfassung der ländlichen Gerichte Vorarlbergs vom Spätmittelalter bis zu Beginn des 19. Jahrhunderts, in: Zeitschrift für Agrargeschichte und Agrarsoziologie 19 (1971) 1, S. 26-39, hier: S. 32. 73 VLA, Gericht Bregenzerwald, Hs. 6, S. 142. 74 Hier ist daran zu erinnern, dass die oben erwähnten älteren Landsbrauchkompilationen letztlich private Zusammenstellungen waren, die wohl zwar im gerichtlichen Kontext von Einzelpersonen verwendet wurden, aber offenbar nicht als offizielle Redaktionen der Landsbräuche der Gerichtsgemeinde galten. 75 Vgl. VLA, Gericht Bregenzerwald, Hs. 6, S. 142: und ward die ganze manschaft unterm 30. July 1744 zue Bezau in H. landamman Feürsteins behausung zuesammen getretten um praeliminaria zuemachen, und sich ein und anderern nothwendigkeithen halber zu underreden wo mann auch schon damahl einige schlus abgefaßet, und hernach auff der Bezegg bestätiget.

Seite 356 Eröffnung der Ausstellung „Gemeinde Lech 1808 bis 2008“; Lech, Museum Huberhus, 28. November 2008 Petra Walser (geb. 1971 in Bludenz), Mag. Dr. phil., von 1995 bis Oktober 2008 Gemeindearchivarin der Gemeinde Lech

HeimatGemeinde

Gedanken zum Begriffspaar Heimat - Gemeinde Petra Walser

Man würde meinen, eine Eröffnungsrede zum Thema Ge- und nach Raum zu erfassen. Dies hängt vor allem mit der meinde fördert sicherlich keine neuen Erkenntnisse zutage. Entwicklung der Sinnesorgane und mit der körperlichen Denn der Begriff Gemeinde scheint im ersten Moment doch Reichweite zusammen. Zunächst beschränkt sich der Blick- sehr leicht fassbar zu sein. In der Öffentlichkeit oft strapa- winkel auf unser Zuhause – auf unsere Gemeinde, doch zierte Definitionen stempeln die Gemeinde zum bloßen spätestens mit dem Eintritt in die Schule wird die Perspek- Verwaltungsapparat. Andere Betrachtungsweisen eröffnen tive unserer Umwelt unwiderruflich erweitert. Wir verlassen zwar Assoziationen die höchst komplexe Fragen aufwerfen, unsere Gemeinde, unsere gewohnte Umgebung.1 werden aber nur sehr selten analysiert oder gar in ihrer Ge- samtheit untersucht. Gemeinde ist demnach eben nicht nur eine politische Ein- heit eines Staatsgebildes sondern Heimat. Der Begriff an Es genügt nicht, einen Ort und seine Menschen, die nor- sich beschreibt eine Dreiheit von Gesellschaft, Raum und mativ verbunden sind und dazu innerhalb einer politischen Tradition, was bedeutet, dass Heimat die „[…] mensch- Verwaltungseinheit erfasst werden, als Gemeinde zu defi- liche, landschaftliche und gesellschaftliche Umwelt, in der nieren. Denn allein die Komponenten Raum und Mensch sich der Mensch identifiziert, rational und emotional bindet bilden ein Spannungsfeld, das eine nahezu unerschöpf- und sichert.“2 Wenn man so will, so ist diese ursprüngliche liche Fülle an Forschungsmaterial in sich birgt. Definition von „Heimatgemeinde“ im 21. Jahrhundert durch modernste Kommunikationstechnik ins Wanken geraten. Zunächst also ist da der Raum, ein Ort, wo wir hingehören Bedenkt man, dass es heute sogar möglich ist, Gegenden und der uns räumlich bindet. Wenn wir Teil eines Raumes zu kennen, ohne zumindest physisch dort gewesen zu sein, sind, dann liegt also etwas Erfahrbares vor, etwas, das wir so fragt man sich, ob diese Räume jemals zur Heimat wer- kennen. Erste Voraussetzung dafür ist, dass der Mensch den können. Eine Frage, die sich auch Max Frisch stellt, mit einem Sinnesapparat ausgerüstet ist, der ihm das drei- indem er den Satz formuliert: „Ist Ihnen schon einmal der dimensionale Wahrnehmen seiner Umgebung erst ermög- Gedanke gekommen, sie hätten sich für eine andere Hei- licht. Dabei sind es nicht allein materielle Eigenschaften mat möglicherweise besser geeignet?“3 der umgebenden Landschaft, die sich einprägen, sondern entsprechend der Einzigartigkeit, die jedem Wesen zu ei- Die Möglichkeit einer anderen und damit weiteren Heimat gen ist, wird der Raum immer als komplexe, individuelle mutet surreal an, denn um dies zu wissen oder zu erfah- Sinneserfahrung erlebt. Die Reize, die dabei von der Um- ren, müsste man sich zuerst eine neue Heimat schaffen. welt ausgesendet werden, stimulieren unser Bewusstsein Doch sind wir überhaupt in der Lage zwei oder mehrere von einer Orientierungs- und Strukturierungsebene bis hin „Heimaten“ zu haben? Haben wir in unserer schnelllebigen zu einer Gefühlsebene mit verschiedensten Ausprägungen. Welt überhaupt Zeit an einem Ort „Heimat zu leben“? Wird Heimat in Zukunft noch eine Rolle spielen, wenn uns durch Die Beziehung Raum – Mensch ist also von höchster Kom- modernste Technik selbst die Fremde vertraut ist. Eines ist plexität, in der verschiedenste Faktoren den Umgang des sicher, das Wortpaar Heimat - Fremde hat in seiner Konno- Menschen mit seiner Umgebung beeinflussen, indem er tation als „gegensätzliches Wortpaar“ viel eingebüßt. Der mentale Landkarten als kognitive Karten erstellt. Wir haben Gegenpol Fremde wurde durch Globalisierung ersetzt: Die eine Strategie parat, um diesen Raum kennen zu lernen. Di- Welt ist vernetzt wie nie zuvor, wir können uns quasi über- ese Strategien und die daraus resultierende Fähigkeit sich allhin „einloggen“, und doch verteidigen wir paradoxerwei- orientieren zu können, sind für das menschliche Überleben se unsere „Scholle“, unsere Heimat, wie nie zuvor, wenn es im Alltag eine Voraussetzung. So lernen auch Kinder nach sein muss, sogar mit Gewalt.

Seite 357 Das Begriffspaar Heimat - Gemeinde ist demnach nichts anderes als eine tragende Säule unserer menschlichen Identifikation – eine lebenslange Auseinandersetzung mit Mensch und Raum, die uns zu dem macht, was wir sind.

1 Vgl. Petra Walser, Lech. Namen einer Landschaft. Untersuchungen zur Mikrtoponymie. Lech 2004, S. 51 f. 2 Michael Neumeyer, Heimat. Zu Geschichte und Begriff eines Phänomens (Kieler geographische Schriften 84). Kiel 1992, S. 64. 3 Max Frisch, Heimat – Ein Fragebogen, in: Analysen, Themen, Perspektiven - Bundeszentrale für politische Bildung 249/I (1990), S. 243.

Seite 358 Ausstellung „Gemeinde Lech 1808 bis 2008“; Lech, Museum Huberhus, 28. November 2008 bis 19. April 2009 Birgit Ortner (geb. 1982 in Wien), Mag. phil. BSc, seit Oktober 2008 Gemeindearchivarin der Gemeinde Lech

Gemeinde Lech

Ein Querschnitt aus 200 Jahren Gemeindegeschichte Birgit Ortner

Vor rund 200 Jahren zählte „Lech“ 445 Einwohner und da- Bis zum Jahr 1900 sank die Bevölkerung der Gemeinde Lech mit etwa ein Viertel der heutigen Bevölkerung. Die Bezeich- auf 339 Personen.5 Eine Trendumkehr der Bevölkerungsent- nung „Lech“ trug bis dahin jedoch lediglich der Fluss und wicklung erfolgte schließlich mit dem Bau der Flexenstraße nicht die Ortschaft selbst, welche „Tannberg“ oder auch gegen Ende des 19. Jahrhunderts, die die notwendige infra- „Tannberg am Lech“ genannt wurde. Bis zur Auflösung im strukturelle Voraussetzung für das Aufkommen des Frem- Jahr 1808 war „Tannberg“ zudem der Name des Gerichts, denverkehrs darstellte. dem neben Lech auch Warth, Schröcken und Hochkrum- bach angehörten. Nicht Teil des Gerichts waren die Parzelle Vor Errichtung der Flexenstraße, bis etwa 1850, erfolgte der Omesberg, Zürs und die Leute des Älpele. Sie unterstanden Handel der Gemeinde mit Bayern. Ein Weg führte ursprüng- der Herrschaft Sonnenberg und wurden erst im Jahr 1844 lich über die Lechleitner Alpen durch das Rappenalp- und der Gemeinde Lech eingegliedert.1 Stillachtal nach Oberstdorf. Durch den Ausbau des Saum- pfades über den Flexen zu einem Karrenweg 1856 nahm der Der Name der Ortschaft änderte sich später in „Lech am Verkehr am Flexen weiter zu und die Handelsroute nach Ba- Tannberg“ und als „Lech am Arlberg“ wurde die Ortschaft yern verlor allmählich an Bedeutung. Der Handel verlagerte erstmals in einem im Jahr 1921 erschienenen Alpinführer sich in das übrige Vorarlberg, die Schweiz, nach Tirol und beworben. Der Herausgeber des Alpinführers war der Kro- Italien. Mit der Eröffnung der Arlbergbahn 1884 erfolgte der nenwirt Wilhelm Pfefferkorn, der die Bezeichnung „Lech Warenbezug in Langen am Arlberg, wodurch der Weg von am Arlberg“ vornehmlich aufgrund des besseren Werbe- Stuben nach Lech erneut an Bedeutung gewann. Der Weg effektes verwendete und Lech als den Mittelpunkt des Ar- war jedoch im Sommer durch Steinschlag und im Winter lberggebietes darstellte.2 Bis heute definiert sich Lech als durch Lawinen stark gefährdet.6 Am 21. Dezember 1886 dem Arlberggebiet zugehörig und bildet zusammen mit wurde der Frächter und Postbote Franz Josef Mathies, der in St. Anton, St. Christoph, Stuben und Zürs eine Tourismus- die Geschichte als „Lawinen-Franz-Josef“ einging, im Kurz- region.3 Die ursprüngliche Bezeichnung „Tannberg“ blieb kehrtobel von einer Staublawine erfasst. Schwer verletzt dennoch erhalten und zwar als Bezeichnung für die in der konnte der Verschüttete geborgen werden. Am 29. Dezem- Gemeinde Lech unterhalb der Rudalpe gelegene Parzelle. ber 1891 kam der Lecher Josef Anton Walch, Vater von sechs Kindern, an der gleichen Stelle ums Leben. Der Bruder des In der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts setzte am Tann- Verunglückten, der damalige Gemeindevorsteher Sebastian berg, wie auch in anderen Berggemeinden Vorarlbergs, Walch, wurde zur treibenden Kraft für den Bau der Flexen- eine starke Abwanderung ein. Insbesondere in der zwei- straße. 1895 wurde der Bau in Angriff genommen und zwei ten Hälfte des 19. Jahrhunderts verließen viele Menschen Jahre später, 1897, wurde die Errichtung des Teilstücks Stu- die Ortschaft und zogen einen Arbeitsplatz in der aufstre- ben-Flexenpass abgeschlossen. Die Fertigstellung der Stra- benden Textilbranche der Arbeit eines Bergbauern vor. Vom ße nach Lech erfolgte bis 1900. 1909 war die Verbindung Rheintal ausgehend wanderten wiederum einige hundert von Lech nach Warth und weiter bis an die Landesgrenze Personen in die USA aus, darunter einige Lecherinnen und fertig gestellt.7 Die bessere Erreichbarkeit von Zürs und Lech Lecher. Auch die Familie des Josef Anton Jochum (geboren machte sich bereits um die Jahrhundertwende bemerkbar, 1848) und seiner Frau Veronika Wolf (geboren 1851), wohn- als die ersten Gäste kamen. Den ersten Skikurs hielt Viktor haft in Tannberg 5/62, wanderte um 1889 nach Idaho in die Sohm 1906 in Zürs ab. Mit Einsetzen des Fremdenverkehrs USA aus. In den USA brachten es die Auswanderer zu einer stieg auch die Bevölkerungszahl leicht an. Zwischen 1910 eigenen Farm.4 und 1923 dürften bereits erstes Gast- und Gewerbepersonal

Seite 359 Lech 1907

sowie Straßenarbeiter nach Lech gekommen sein. Zwischen len Wintersportort. Zu Beginn des neuen Jahrtausends 1923 und 1934 verdoppelte sich die Einwohnerzahl auf 751 verbuchte Lech knapp eine Million Nächtigungen jährlich. Personen.8 Rund 93,4 Prozent der erwerbstätigen Personen waren im Dienstleistungsbereich Tourismus beschäftigt.10 Neben dem Bau der Flexenstraße war auch der Ausbau der kommunalen Infrastruktur für den wachsenden Frem- 1 Andreas Ulmer, Topographisch-historische Beschreibung des denverkehr von Bedeutung. Erwähnt sei an dieser Stelle Generalvikariates Vorarlberg. Bd. VI: Dekanat Sonnenberg, 1. Teil. die Elektrifizierung von Lech, die in den 1920er-Jahren er- Dornbirn 1937, S. 9-14. folgte. Als erstes Elektrizitätswerk entstand im Sommer 2 Georg Sutterlüty, Die Bedeutung des alpinen Skilaufs für die 1924 das Mühlewerk. Es folgten die Errichtung eines Elek- wirtschaftliche Entwicklung der Gemeinde Lech von seinen Anfängen bis trizitätswerkes in Zürs und des Elektrizitätswerks Walker- zum Beginn des Massentourismus. phil. Dipl.-Arb. Innsbruck 1999, bach bei der Stubenbacher Brücke. Noch im Jahr 1954 gab S. 33. es Schwierigkeiten mit der Stromversorgung. Wie aus der 3 Petra Walser, Lech. Namen einer Landschaft. Untersuchungen zur Schulchronik hervorgeht, fiel am 11. Jänner 1954 in Lech die Mikrotoponymie. Lech 2004, S. 14. gesamte Stromversorgung aus. Der Grund für den Ausfall 4 Petra Walser, „The American Dream“ – Lecher Auswanderer und ihre waren die starken Schneefälle. 65 und 90 cm lockerer Neu- neue Heimat in den USA, unveröffentlichtes Manuskript, Lech o.J.; schnee waren bei starkem Westwind gefallen. Die einzige Gemeindearchiv Lech, Historisches Häuserverzeichnis, Tannberg 5/62. Zuleitung über die Auenfelder war durch die Schneefälle 5 Sutterlüty (wie Anm. 2), S. 6 und den Sturm zerstört worden. Die Gemeinde war ohne 6 Ebenda, S. 12-13. Strom. Ganz Lech blieb im Dunkeln und wie in alten Zeiten 7 Ulmer (wie Anm. 1), S. 9. flackerten Kerzenlichter in den Stuben auf. Die Elektroge- 8 Sutterlüty (wie Anm. 2), S. 6-7. räte und die Wasserpumpen standen still. Aufgrund des 9 Gemeindearchiv Lech, Schulchronik. Fremdenverkehrs und der vielen Skigäste war rasches Han- 10 Walser (wie Anm. 3), S. 14, S. 31. deln angesagt. Nach zwei Tagen konnte im Elektrizitätswerk Walkerbach eine Notstromversorgung eingerichtet werden. Das kleine Kraftwerk war jedoch nicht in der Lage, den ge- samten Ort zu versorgen. Die einzelnen Ortsteile wurden daher abwechselnd mit Strom versorgt.9

Mit weiteren infrastrukturellen Einrichtungen, wie dem Bau einer Kleinkabinen-Seilbahn zur Erschließung von Oberlech 1947, dem Ausbau der Wasserversorgung in den 1950er-Jahren, dem Baubeginn der Ortskanalisation 1966, der Errichtung der Mühlegarage 1968, der Einführung eines Ortsbusses 1997 und einer Vielzahl an neuen Liftanlagen wandelte sich die Gemeinde Lech fortlaufend von einem von der Landwirtschaft geprägten Dorf zum internationa-

Seite 360 Vortrag bei der Präsentation dieses Almanachs; Bregenz, Landhaus, 17. Juni 2009 Alois Niederstätter (geb. 1955 in Bregenz), Dr. phil., a. o. Univ.-Prof., leitet seit 2001 das Vorarlberger Landesarchiv

Die Bayernzeit in der Vorarlberger Historiografie Alois Niederstätter

Heinrich Heine, der oft gnadenlose Spötter, glaubte, die wirkten die Landstände. Vor allem zur Genehmigung außer- Ursache für den Aufstand der Tiroler im denkwürdigen Jahr ordentlicher Steuern sowie zur Organisation der Landesver- 1809 zu kennen: „Von der Politik wissen sie nichts, als daß teidigung berief der Landesfürst die Repräsentanten der sie einen Kaiser haben, der einen weißen Rock und rote Ho- ländlichen und städtischen Gerichtssprengel der österrei- sen trägt; das hat ihnen der alte Ohm erzählt, der es selbst chischen Gebiete des nachmaligen Vorarlberg zu Landtagen in Innsbruck gehört von dem schwarzen Sepperl, der in zusammen. Eine Adels- und eine Prälatenkurie existierte Wien gewesen. Als nun die Patrioten zu ihnen hinaufklet- nicht. Erst als Folge dieser seit der Wende vom 15. zum 16. terten und ihnen beredsam vorstellten, daß sie jetzt einen Jahrhundert allmählich greifbaren Zusammenfassung der Fürsten bekommen, der einen blauen Rock und weiße Ho- Untertanen zu einer eigenen, von den anderen vorderöster- sen trage, da griffen sie zu ihren Büchsen und küßten Weib reichischen Ständen getrennten Körperschaft entstand das und Kind und stiegen von den Bergen hinab und ließen sich spätere Land Vorarlberg. Auch der Name „Vorarlberg“ fand totschlagen für den weißen Rock und die lieben alten roten erst im 18. Jahrhundert Verwendung.4 Hosen.“1 Noch zu Weihnachten 1805 rückte eine kleine bayerische Dass Andreas Hofer und die Seinen damals nicht allein ge- Truppe als Vorbote des Herrschaftswechsels in Bregenz blieben waren, dass auch die Vorarlberger sich gegen die ein, am 19. Januar 1806 empfing König Maximilian I. eine weißen Hosen und den blauen Rock erhoben hatten, war für Delegation der Vorarlberger Stände zur Huldigung, die Heine offenkundig ohne Belang. Nach dem Sieg Napoleons formelle Übergabe des Landes erfolgte am 13. März 1806. in der Dreikaiserschlacht von Austerlitz hatte Österreich ge- Die Trennung vom Haus Österreich, einer verhältnismäßig mäß dem Pressburger Frieden vom 26. Dezember 1805 näm- fernen und daher milden Herrschaft, schmerzte. Bis dahin lich nicht nur Tirol mit den Hochstiften Trient und Brixen, hatten sich die Vorarlberger Stände gegen gelegentlich ge- die Markgrafschaft Burgau, die Grafschaft Königsegg-Ro- plante Änderungen der Herrschaftsverhältnisse erfolgreich thenfels im Allgäu, die Herrschaft Tettnang-Argen sowie die zur Wehr gesetzt. ehemalige Reichsstadt Lindau mit ihrem Gebiet an Bayern abtreten müssen, sondern auch die „sieben Herrschaften In das arrondierte, souverän gewordene Königreich Bayern im Vorarlbergischen mit ihren Inklavierungen“ samt der integriert, wurde Vorarlberg von einem ungestümen Moder- Grafschaft Hohenems – kurz gesagt: etwa das Gebiet des nisierungsschub erfasst, der keinen Stein auf dem anderen heutigen österreichischen Bundeslandes Vorarlberg. beließ: Am 26. April 1806 erfolgte die Eingliederung Vorar- lbergs in die Provinz Schwaben, am 1. Oktober der Erlass Es handelte sich um kleine, reichsfreie Herrschaften, die der bayerischen Gerichtsordnung, am 26. November traten nach und nach in habsburgische Hand gekommen waren: an die Stelle der bisherigen 24 Gerichtssprengel mit ihren 1363 Neuburg, 1375/90 Feldkirch, 1394/1420 Bludenz, 1451 völlig unterschiedlichen Strukturen und Kompetenzen sie- und 1532 die beiden Hälften der Herrschaft Bregenz samt ben gleichartige Landgerichte mit beamtetem Personal für Hohenegg, 1474 Sonnenberg. Hohenems und Blumenegg Jurisdiktion, Verwaltung und öffentliche Wohlfahrt. Mit der folgten 1765 bzw. 1804.2 Diese Sprengel waren einzig durch Einführung der allgemeinen Wehrpflicht am 15. November die Person des gemeinsamen Landesfürsten verbunden, 1806 verloren die Landstände ihre Kompetenzen auf dem in Bregenz, Feldkirch und Bludenz entstanden einander Gebiet der Landesverteidigung, im folgenden Jahr auch das gleichgeordnete Vogteiämter. Eine Zentralbehörde für die Recht der Steuereinhebung. Gemäß der Verfassung vom 1. österreichischen Gebiete auf Vorarlberger Boden wurde erst Mai 1808 wurden mit allen Sonderverfassungen im König- im 18. Jahrhundert eingerichtet.3 Herrschaftsübergreifend reich Bayern die Vorarlberger Stände aufgehoben. Zuletzt

Seite 361 Bregenz 31. August 1909: Defilee des Festzugs vor Kaiser Franz Josef

verschwand Vorarlberg, das eben erst zu einem Land ge- Darstellungen standen die militärischen Ereignisse des worden war und ein Landesbewusstsein entwickelt hatte, Jahres 1809 im Vordergrund, so auch bei Robert Byr8 oder mit der Beseitigung des kommissarischen Kreisamtes und dem späteren österreichischen Ackerbauminister Alfred der Zuweisung der sieben Landgerichte zum Illerkreis und Ebenhoch, der eine Festschrift zum 75-jährigen Jubiläum seinem Generalkommissär in Kempten von der Karte. „der ruhmvollen Erhebung Vorarlbergs für Oesterreich“ verfasste, in patriotischer Geste Napoleon einen „neuen Als Vorbote einer allgemeinen Insurrektion gilt der „Weiber- Attila“ nannte und der bayerischen Herrschaft jene Charak- aufstand“ von Krumbach, der sich 1807 gegen die Aushe- teristik gab, die fortan zum Stereotyp werden sollte: „Die bung von Rekruten richtete.5 Im Frühjahr 1809 erhoben sich Willkür der unfähigen und rücksichtslosen bayerischen Be- bald nach der österreichischen Kriegserklärung an Frank- amten, die Einführung der Conscription, die Härte und Un- reich, die den Fünften Koalitionskrieg auslöste, die Tiroler gerechtigkeit der Steuern, die rohe Art ihrer Einhebung, die unter Andreas Hofer mit Waffengewalt. Wenig später folgten Einschränkung in der Ausübung der religiösen Pflichten, die Vorarlberger. Hier stand der Advokat Dr. Anton Schnei- die Verhöhnung alles Katholischen von Seiten der könig- der (1777 bis 1820), gebürtig aus dem damals vorarlber- lichen Beamten, die Aufhebung der Klöster und insbeson- gischen Weiler im Allgäu (heute Landkreis Lindau) an der dere des Stiftes Mehrerau bei Bregenz, die Niederreißung Spitze der Bewegung, die reaktivierten Stände wählten ihn der schönen Stiftskirche dortselbst und die Benützung ih- am 19. Mai 1809 zum Landeskommissär. Weil in Vorarlberg rer Mauersteine zur Erbauung des Seehafens in Lindau, die kein Militär stationiert war, kam es zunächst nicht zu Kampf- Vergewaltigung und schlechte Behandlung der Priester des handlungen. Als aber bayerische und württembergische Landes – und noch viele derartigen Umstände erhalten den Verbände ins Rheintal vorrückten, wurden diese von der Keim zur Abwerfung des fremden Joches wach und rege.“9 Vorarlberger Miliz geschlagen und über die Landesgrenze zurückgeworfen. In Anbetracht der allgemeinen politischen Mit der Eingliederung Vorarlbergs in das Königreich Bay- und militärischen Lage brach der Vorarlberger Aufstand ern beschäftigte sich 1902 Landesarchivar Viktor Kleiner allerdings bereits im Juli 1809 zusammen, nachdem es zu – vor allem, um den Wortbruch König Maximilians zu doku- heftigen Kontroversen zwischen Friedenswilligen und den mentieren. Dieser hatte den Deputierten der Vorarlberger Befürwortern einer Fortsetzung des Krieges gekommen war. Stände im Reskript auf deren Huldigung die Beibehaltung Vorarlberg wurde besetzt, in allen Landesteilen erfolgten ihrer Verfassung zugesichert, ein Versprechen, das freilich Geiselaushebungen. Dr. Anton Schneider und andere An- angesichts der Notwendigkeit, für das neue, aus verschie- führer wurden zwar gefangen genommen, von Württember- denartigen Territorien erwachsene Königreich Bayern ein gern und Bayern jedoch nicht an Frankreich ausgeliefert. einheitliches Staatsrecht zu schaffen, allenfalls vorläufigen Sie entgingen so dem Schicksal Andreas Hofers.6 Charakter haben konnte.10 Breiten Raum nimmt außerdem die schon unter Joseph II. erwogene Aufhebung des älte- Während der Aufstand der Tiroler schon bald als Freiheits- sten und bedeutendsten Vorarlberger Klosters, des Bene- kampf Berühmtheit erlangt hatte und zu einer Ikone der diktinerstifts Mehrerau, ein, der darauf zurückgehende deutschen Nationalbewegung geworden war, musste auf Verlust ihrer Bibliothek sowie der Abriss der Klosterkirche, jenen der Vorarlberger erst hingewiesen werden. Den An- eines Rokokobaus von 1743. fang machte im Jahr 1820 der Bregenzer Stadtarzt Johann Gunz.7 Bereits ihm galten der Entzug „heiliger, ererbter, Erster mit einer Monographie geehrter Vorarlberger „Kriegs- garantierter“ Rechte sowie „unkluge und vorschnell betrie- held“ von 1809 war nicht Dr. Anton Schneider, sondern der bene Neuerungen“ als Auslöser. Hier wie in den folgenden Bludenzer Wirt und Schützenmajor Bernhard Riedmiller,

Seite 362 12. Hauptgruppe b: Einzug der siegreichen Landesverteidiger

dem 1905 ein Denkmal gesetzt und eine Festschrift gewid- tigung feiert Vorarlberg ebenso wie sein Nachbarland das met wurde. Auch für ihren Verfasser Josef Zösmair, einem Zentenarium der Freiheitskämpfe von 1809“.14 Im Zentrum prononciert liberalen Historiker, stand Vorarlberg damals des Gedenkens stand ein Festzug, der vor dem Publikum unter einer Fremdherrschaft, die immer unerträglicher ge- annähernd 2000 Jahre Landesgeschichte Revue passieren worden sei.11 und den eigentlichen Anlass des Jubiläums zur Episode werden ließ: Nur die Gruppen „Anmarsch der Feinde auf Als etwa zur selben Zeit liberale Kreise Vorarlbergs daran Bregenz“ und „Einzug der siegreichen Landesverteidiger“ gingen, die Errichtung eines Denkmals für Anton Schneider widmeten sich ihm. Zuvor hatte die Statthalterei in Inns- in Angriff zu nehmen, setzte eine heftige Gegenkampagne bruck dringend empfohlen, alles zu vermeiden, was in Bay- aus dem katholisch-konservativen Lager ein. Die Schrift- ern Anstoß erregen könnte.15 stellerin Anna Hensler unterstellte Schneider – zu Unrecht12 – finanzielle Unregelmäßigkeiten und einen unmoralischen Die historische Aufarbeitung der Erhebung überließen die Lebenswandel. Eigentlicher Grund war aber ohne Zweifel, Vorarlberger einem Tiroler, dem an der Realschule in Dorn- dass Schneider, im Grunde genommen ein „Josephiner“, birn wirkenden Ferdinand Hirn.16 Er sah die Vorgänge auf seinerzeit an der Zerstörung der Mehrerauer Klosterkirche wesentlich breiterer Quellenbasis differenzierter als seine mitgewirkt hatte.13 Zu einem Freiheitshelden vom Kaliber Vorgänger. Der Vorwurf das Bruchs der ursprünglichen Zu- eines Andreas Hofer eignete sich der akademisch gebildete, sage, die althergebrachte Verfassung zu belassen, blieb. Al- aufgeklärte Advokat, der den Aufstand zu allem Überfluss lerdings sei es Minister Montgelas gewesen, der im Patent, auch noch überlebt hat, eben nicht. Wegen dieser Wider- mit dem der König von Bayern Vorarlberg in Besitz nahm, stände konnte das Anton-Schneider-Denkmal erst 1910, im den Wortlaut der Friedensurkunde „ins Gegenteil verdreht“ Jahr nach den pompösen Feierlichkeiten zum 100-Jahr-Jubi- habe. Er „wollte freie Hand, um auch in diesen Gebieten läum der Erhebung, enthüllt werden. Es wurde später vom seine völkerbeglückenden, aufgeklärten Reformen un- zentralen Bregenzer Kornmarktplatz an einen wesentlich gehindert durchführen zu können.“17 Veränderungen im weniger prominenten Standort verlegt. Sinn der Aufklärung hatten auch am Vorabend des Ersten Weltkriegs im konservativ gewordenen Westen Österreichs Die Jahrhundertfeier der Erhebung im Jahr 1909 stand einen schalen Beigeschmack. Dass die „althergebrachte schließlich ganz im Zeichen des Wunsches der Vorarlberger Verfassung“ Vorarlbergs zu Beginn des 19. Jahrhunderts nach einer eigenen Landesverwaltung. Nach der Rückkehr ein durch die Reformen in maria-theresianischer und jose- von Bayern an Österreich mit Tirol vereinigt, hatte Vorarl- phischer Zeit bereits weitgehend ausgehöhltes Auslaufmo- berg zwar 1861 einen eigenen Landtag erhalten, verwal- dell war, mochte dabei nicht ins Gewicht zu fallen – eben- tungsmäßig blieb das Land aber der Statthalterei in Inns- so wenig wie die Tatsache, dass die Vorarlberger 1809 mit bruck unterstellt. Im ausgehenden 19. und zu Beginn des Waffengewalt gegen ihre nach allen Rechtsnormen legitime 20. Jahrhunderts bildeten daher die Bemühungen um eine Herrschaft vorgegangen waren. Man musste folgerichtig Trennung von Tirol eine Konstante der Vorarlberger Politik. den Aufstand zu einer „patriotischen“, von der „Liebe zum Auch die höchst aufwändigen Feierlichkeiten zum Jubiläum angestammten Herrscherhaus“18 getragenen Erhebung sti- von 1809 sollten diesem Zweck dienen: Es galt zu zeigen, lisieren und darüber hinaus als einen Akt der Notwehr ge- dass Vorarlberg – bei aller innigen Verbundenheit mit Ös- gen bayerische Willkür rechtfertigen. terreich und dem Erzhaus – eine eigenständige, von Tirol unterschiedliche Geschichte habe. Eine gemeinsame Feier Erst der Zusammenbruch der Donaumonarchie machte eine mit Tirol kam folglich nicht Frage: „[…] und mit voller Berech- andere Sichtweise möglich: 1925 publizierte Adolf Helbok,

Seite 363 damals außerordentlicher Professor für Österreichische den habe – gegen die Römer, das fränkische Königtum, die Geschichte und Wirtschaftsgeschichte an der Universität Staufer, die Habsburger und schließlich gegen den Wiener Innsbruck, eine Vorarlberger Landesgeschichte.19 Dem Zentralismus der Republik Österreich. Durch die vom Land liberal-deutschnationalen Lager zugehörig, waren ihm die Vorarlberg finanzierte, von 1971 bis 1987 in fünf Bänden Reformen Montgelas ein Erfordernis der Zeit, die im Spät- erschienene „Geschichte Vorarlbergs“ von Benedikt Bilgeri mittelalter fußenden landständischen Strukturen hingegen fand dieses Geschichtsbild weite Verbreitung. Die Vorgänge ein Anachronismus. Helbok wies erstmals sowohl auf die der Jahre von 1806 bis 1814 mussten ihm folgerichtig als un- Errungenschaften der Verfassung von 1808 als auch auf erträgliche Kulmination von Fremdbestimmung erscheinen. den Zusammenhang zwischen der Aufhebung aller Son- Bilgeri nahm alle bereits im 19. Jahrhundert formulierten derverfassungen und dem Vorhaben der Schaffung einer Vorwürfe wieder auf, benannte das einschlägige Kapitel sei- bayerischen Nationalrepräsentation hin. Von der Einmü- ner Landesgeschichte „Die bayerische Knechtschaft“ und tigkeit der Vorarlberger bei der Ablehnung der Neuerungen charakterisierte das „verhaßte Polizeiregime“ als „rück- war Adolf Helbok nicht überzeugt: „Was in Tirol leicht ge- sichtslose“, als „ungeheuerliche“„Zwingherrschaft“, getra- lang, wollte aber in Vorarlberg zunächst nicht gehen. Dort gen von einer korrupten Beamtenschaft sowie von einigen waren die maßgebenden Kreise in den Städten vor allem wenigen Spitzeln und Kollaborateuren aus der Priester- und sehr zurückhaltend. Selbst als österreichische Truppen aus Lehrerschaft. Was nicht in dieses Bild passte, verschwieg Tirol ins Land kamen, blieb es beim alten. Die Meinungen Bilgeri konsequent.22 Im Ton moderater, aber mit gleicher gingen sogar bei den Bauern durcheinander. War man zwar Tendenz hatten zuvor schon Arthur Schwarz und Ludwig gegen die im französischen Vasallentum stehenden „frän- Welti gewertet.23 kischen“ Bayern erbost und mit dem Grundsätzlichen der neuen Dinge unzufrieden, so entzog man sich je länger je Bezeichnenderweise fehlt in Benedikt Bilgeris Literaturver- mehr doch nicht der stillen Ueberzeugung vom Werte der zeichnis die 1977 bei Hans Wagner in Salzburg verfasste einzelnen Einführungen. Dann war die Anhänglichkeit an Hausarbeit von Klaus Gnaiger mit dem Titel „Vorarlberg zur Oesterreich nie so stark wie in Tirol gewesen und hatte in Bayernzeit“. Sie zieht ein insgesamt positives Resümee, den Kriegsereignissen der letzten anderthalb Jahrhunderte verweist auf die historische Relevanz der Neuordnung des manchen Stoß erlitten.“20 Mit dieser Sicht der Dinge blieb Verwaltungs- und Gerichtswesens, vor allem aber auf die Helbok allerdings isoliert, zumal wegen seiner späteren Fortschritte im sozialen Bereich und hält fest, dass ein Gut- Engagements für den Nationalsozialismus auch sein histo- teil der Reformen nach der Rückkehr an Österreich beibe- risches Oeuvre in Misskredit geriet.21 halten wurde.24 Diesem Urteil schließt sich auch Karl Heinz Burmeister an: Zwar seien die bayerischen Reformen „für Vor allem weil Vorarlberg während der NS-Herrschaft sei- ein konservatives Volk zu radikal, zu schnell“ gekommen, ne Selbständigkeit neuerlich verloren hatte und zu Tirol man möge aber nicht vergessen, dass sie getragen waren geschlagen worden war, sah sich die „offiziöse“ Landes- „von den Grundsätzen der Freiheit, Gleichheit und Brüder- geschichtsschreibung nach 1945 in besonderem Maß be- lichkeit, die durch die Französische Revolution zum Allge- müht, identitätsstiftend zu wirken: Vorarlberg, so wurde meingut der Menschheit geworden sind.“25 Erst im letzten argumentiert, sei seit undenklichen Zeiten eine mit beson- Viertel des 20. Jahrhunderts durfte sich in der Vorarlberger deren Rechten und Freiheiten ausgestattete geopolitische Historiographie die bayerische Verfassung von 1808, die Einheit; die Vorarlberger seien – da anders als ihre Nach- unter anderem Gleichheit vor dem Gesetz und Gewissens- barn – eine eigene Nation, die sich stets in einem Abwehr- freiheit gewährte, als ein relevantes Kriterium der Bewer- kampf gegen die Bedrohung von Einheit und Freiheit befun- tung dieser Jahre etablieren.

Seite 364 1 In: Die Bäder von Lucca, Kapitel 12, Reisebilder 3, 1829. 2 Überblick bei Karl Heinz Burmeister, Geschichte Vorarlbergs. Wien 41998, S. 74–106. 3 Alois Niederstätter, Beiträge zur Verfassungs- und Verwaltungsgeschichte Vorarlbergs (14.–16. Jahrhundert), in: Montfort 39 (1987) 1/2, S. 53–70. – Anton Bundsmann, Die Entwicklung der politischen Verwaltung in Tirol und Vorarlberg seit Maria Theresia bis 1918. Dornbirn 1961. 4 Alois Niederstätter, Bürger und Bauern – Die Vorarlberger Stände, Dennoch: Die Geschichte Vorarlbergs zur „Bayernzeit“ ist in: Landschaften und Landstände in Oberschwaben (Oberschwaben nach wie vor noch nicht geschrieben, allenfalls die Fak- – Geschichte und Kultur 5), hg. von Peter Blickle. Tübingen 2000, S. tenlage zum Aufstand von 1809 einigermaßen gesichert. 119–131. – Ders., Von den „Herrschaften enhalb des Arlbergs“ zum Selbst der 115 Schachteln umfassende, aus verschiedenen Land Vorarlberg – Bemerkungen zum Landesnamen und zur Funktion Provenienzen zusammengeflossene Bestand „Bayerische Vorarlbergs als Land, in: Montfort 56 (2004) 1/2, S. 17–23. Akten“ im Vorarlberger Landesarchiv harrt bis heute einer 5 Karl Heinz Burmeister, Die rechtliche und soziale Stellung der Frau im systematischen Durchsicht und der Auswertung. Indem die Zeitalter der Aufklärung in Vorarlberg, in: Hexe oder Hausfrau. Das Bild regionale Historiographie die bayerische Verwaltungstätig- der Frau in der Geschichte Vorarlbergs, hg. von Alois Niederstätter/ keit – so wie die Zugehörigkeit zum Königreich Bayern – zur Wolfgang Scheffknecht. Sigmaringendorf 1991, S. 110–131, hier S. bloßen Episode machte, verkannte sie deren enorme Be- 126–128. deutung für die weitere Entwicklung des Landes. Dass Ös- 6 Volksheld oder Verräter? Dr. Anton Schneider 1777–1820 (Schriften des terreich fast alles, was die Bayern zwischen 1806 und 1814 Vorarlberger Landesarchivs 1), hg. von Karl Heinz Burmeister. Bregenz eingeführt hatten, beibehielt, machte das Westende der 1985. Donaumonarchie für mehr als ein halbes Jahrhundert zu 7 Johann Gunz, Der Krieg der Vorarlberger i. J. 1809, in: Der Gesellschafter ihrem weitaus modernsten Teil. Die Sprengel der heutigen oder Blätter für Geist und Herz, Nr. 80–84/1820, nachgedruckt in: Archiv Bezirksgerichte lassen sich auf die der bayerischen Land- für Geschichte und Landeskunde Vorarlbergs 7 (1907) 3, S. 13–17 und gerichte zurückführen, die meisten Gemeinden Vorarlbergs 35–40. können 2008 ihr zweihundertjähriges Bestehen feiern, der 8 Robert Byr, Anno Neun und Dreizehn. Biographisches Gedenkblatt aus „Bayerische Kataster“ wurde bis weit über die Mitte des 19. den deutschen Freiheitskämpfen. Innsbruck 1865. Jahrhunderts fortgeführt. Ähnliches gilt für das Sanitäts-, 9 Alfred Ebenhoch, Vorarlberg im Jahre 1809. Zur 75. Gedenkfeier der das Stiftungswesen und andere Bereiche des öffentlichen ruhmvollen Erhebung Vorarlbergs für Oesterreich im Jahre 1809. Bregenz Lebens. Es würde nicht verwundern, sollten künftige, viel- [1884], S. 10. leicht sogar grenzüberschreitende Forschungen ergeben, 10 Viktor Kleiner, Der Uebergang Vorarlbergs an Bayern 1806, in: dass ausgerechnet die „Revolution von oben“,26 die Mont- Katholischer Volks-Kalender (1902) S. 121–125. gelas den Vorarlbergern verordnet hatte, die Weichen für 11 Josef Zösmair, Festschrift zur feierlichen Denkmals-Enthüllung in die weitere wirtschaftliche, politische und kulturelle Ent- Bludenz am 25. Juni 1905 für Bernhard Riedmiller, Kronenwirt zu wicklung des Landes stellte und die von der Historiographie Bludenz, Schützenhauptmann in den Kriegsjahren 1796–1800 und als Grundlage ihrer fast durchwegs negativen Charakteristik Landesverteidigungs-Major von Vorarlberg und Tirol anno 1809. Bludenz herangezogenen Äußerungen von Zeitgenossen in erster Li- 1905. nie mit einem Elitenwechsel als Folge der Professionalisie- 12 Karl Heinz Burmeister, Dr. Anton Schneider – der Vorarlberger „Andreas rung von Rechtswesen und Verwaltung zusammenhängen. Hofer“? In: Burmeister, Volksheld (wie Anm. 6) S. 11–31, hier S. 25–29.

Seite 365 13 Anna Hensler, Memorandum in Sachen der Errichtung eines Anton Schneider-Denkmals, Bregenz [wohl 1907]. 14 Festschrift zur Jahrhundertfeier 1809–1909 des Landes Vorarlberg in Bregenz, 30.–31. August, Bregenz [1909], unpag. 15 Alois Niederstätter, Das Jahr 1809 im Wandel geschichtlicher Betrachtung, in: Gerhard Wanner (Hrsg.), Neue Perspektiven 1809, Lochau 1985, S. 87–91. 16 Als Hauptwerk: Ferdinand Hirn, Vorarlbergs Erhebung im Jahr 1809. Bregenz 1909. Des Weiteren von besonderer Bedeutung: ders., Vorarlbergs Herrscherwechsel vor hundert Jahren, Dornbirn 1906. 17 Hirn, Herrscherwechsel (wie Anm. 16), S. 23. 18 Festschrift (wie Anm. 14). 19 Adolf Helbok, Geschichte Vorarlbergs von der Urzeit bis zur Gegenwart, Wien u.a. 1925. 20 Ebd. S. 171. 21 Helbok, geb. 1883 in Hittisau (Vorarlberg), gest. 1968 in Götzens (Tirol), wurde 1934 aufgrund seines Eintretens für den Nationalsozialismus von der Universität Innsbruck beurlaubt. 1935 folgte er, nach Wahrnehmung einer Gastprofessur in Berlin, der Berufung als Professor für Geschichte an das „Institut für Deutsche Landes- und Volksgeschichte“ nach Leipzig. 1941 erhielt er in Innsbruck den neu geschaffenen Lehrstuhl für Volkskunde, 1945 wurde Adolf Helbok aus dem Dienst ausgeschieden. 22 Benedikt Bilgeri, Geschichte Vorarlbergs. 5 Bde., Wien u.a. 1971–1987, zur bayerischen Zeit Bd. 4: Zwischen Absolutismus und halber Autonomie, Wien u.a. 1982, S. 204–243. 23 Ludwig Welti, Landesgeschichte, in: Landes- und Volkskunde, Geschichte, Wirtschaft und Kunst Vorarlbergs, hg. von Karl Ilg, Bd. 2: Geschichte und Wirtschaft, Innsbruck 1968, S. 151–343, hier S. 283–292. – Heimatkunde von Vorarlberg, hg. von Arthur Schwarz. Bregenz 1949, S. 339–345. 24 Klaus W. O. Gnaiger, Vorarlberg zur Bayernzeit. Masch. phil. Hausarbeit, Salzburg 1977. 25 Karl Heinz Burmeister, Die bayerische Verwaltung in Vorarlberg, in: Wanner (wie Anm. 15) S. 57–65, hier S. 65. Ähnlich in seiner Geschichte Vorarlbergs (wie Anm. 2) S. 150–159. 26 Handbuch der Bayerischen Geschichte, Bd. 4/1: Das neue Bayern 1800 bis zur Gegenwart, begr. von Max Spindler, neu hrsg. von Alois Schmid. München 22003, S. 45.

Seite 366 Ulrich Nachbaur (geb. 1962 in Feldkirch), Dr. iur., M.A., seit 1997 Mitarbeiter im Vorarlberger Landesarchiv

Vorarlberger Gemeinden 1849 bis 2008

Eine Bestandsaufnahme Ulrich Nachbaur

Die Bildung des Bestandes an Vorarlberger Ortsgemein- Blons den und seine Veränderungen vor der Reorganisation auf Bludenz 1938 bis 1946 Vereinigung mit Stallehr der Grundlage des österreichischen Gemeindegesetzes von (LGBl.Nr. 9/1938, 13/1946) 1849 bleibt genauer abzuklären. Für die Zeit danach gilt das Bludesch noch für Nofels: 1849 wurde Nofels als separate Ortsge- Blumenegg siehe Thüringerberg meinde (LGBl. Nr. 1/1850), 1854 als Ortsteil der Gemeinde Bolgenach 1938 zu Hittisau Tosters dem Bezirksgericht Feldkirch zugeteilt (LGBl. II Nr. Brand 22/1854); in anderen Verzeichnissen ist Nofels zeitgleich Bregenz 1919 Vereinigung mit Rieden (LGBl.Nr. bereits als Ortsteil der Gemeinde Altenstadt ausgewiesen 43/1919), 1938 mit Fluh (LGBl.Nr. 7/1938, . Eine Sonderkonstruktion war die „Judengemeinde“ Ho- 13/1946), 1938 bis 1946 mit Eichenberg, henems, die bis 1878 als politische Personalgemeinde ne- Kennelbach und Lochau (LGBl.Nr. ben der politischen Territorialgemeinde Hohenems („Chri- 7/1938, 13/1946) stengemeinde“) bestand. Buch Bürs Zahl der Gemeinden Bürserberg 1850 *104/106 Dalaas 1900 103 Damüls 1937 99 Doren 1946 90 Dornbirn 1932 Vereinigung mit Ebnit (LGBl.Nr. seit 1947 96 6/1931) * ohne/mit Nofels und Judengemeinde Hohenems Düns Dünserberg In der folgenden Aufstellung sind die 2008 bestehenden Ebnit 1932 zu Dornbirn Ortsgemeinden in Fettdruck, nicht mehr bestehende Orts- Egg gemeinden in Normaldruck und Namensänderungen in Eichenberg 1922 Trennung von Möggers (LGBl.Nr. Kursivdruck ausgewiesen. 46/1922), 1938 bis 1946 bei Bregenz Feldkirch 1925 Vereinigung mit Altenstadt, Tosters (LGBl.Nr. 23/1925) und Tisis (LGBl.Nr. 31/1925) Alberschwende Fluh 1938 zu Bregenz Altach Fontanella Altenstadt 1925 zu Feldkirch Frastanz Andelsbuch Fraxern Au Fußach 1938 bis 1946 bei Rheinau Batholomäberg Gaißau 1938 bis 1946 bei Rheinau Bezau: 1938 bis 1946 Vereinigung mit Reuthe Gaschurn (LGBl.Nr. 15/1938, 13/1946) Göfis Bildstein führte bis 1857(?) den Namen Steußberg Götzis Bizau Hard

Seite 367 Vorstehertafel Lorenz Burtscher, Nenzing 1828

Hittisau 1938 Vereinigung mit Bolgenach (LGBl. Rheinau 1938 Vereinigung von Fußach, Gaißau Nr. 14/1938) und Höchst ((LGBl.Nr. 8/1938), Auflösung Hochkrumbach 1885 zu Warth-Hochkrumbach 31.12.1946 (LGBl.Nr. 13/1946) Höchst 1938 bis 1946 bei Rheinau Rieden 1911 Abtrennung Kennelbachs, 1919 zu Hohenems („Christengemeinde“): 1878 Bregenz Inkorporierung der „Judengemeinde“ Riefensberg Hohenems „Judengemeinde“: siehe Einleitung Röns Hohenweiler Röthis Hörbranz St. Anton im Montafon Innerbraz St. Gallenkirch Kennelbach 1911 Trennung von Rieden (LGBl.Nr. St. Gerold 132/1911), 1938 bis 1946 bei Bregenz Satteins Klaus Schlins Klösterle Schnepfau Koblach Schnifis Krumbach Schoppernau Langen bei Bregenz Schröcken Langenegg 1924 Vereinigung von Oberlangenegg Schruns und Unterlangenegg (LGBl.Nr. 66/1923) Schwarzach Laterns Schwarzenberg Lauterach Sibratsgfäll Lech Silbertal Lingenau Sonntag Lochau 1938 bis 1946 bei Bregenz Stallehr 1938 bis 1946 bei Bludenz Lorüns Steußberg siehe Bildstein Ludesch Sulz Lustenau Sulzberg Mäder Thüringen Meiningen Thüringerberg (Kreis Bludenz) siehe Thüringerberg Mellau Thüringerberg 1938 Umbenennung in Blumenegg (LGBl. Mittelberg Nr. 8/1938), 1939/40 in Thüringerberg Möggers 1922 Abtrennung Eichenbergs (Kreis Bludenz), 1945 in Thüringerberg Nenzing Tisis 1925 zu Feldkirch Nofels siehe Einleitung Tosters 1925 zu Feldkirch Nüziders Tschagguns Oberlangenegg 1924 zu Langenegg Übersaxen Raggal Vandans Rankweil Unterlangenegg 1924 zu Langenegg Reuthe 1938 bis 1946 bei Bezau Viktorsberg

Seite 368 Gerichtsbezirk Bregenz 1849 bestehend aus einer Stadt- und 17 Landgemeinden (Jacob Schuchter) Warth 1885 Vereinigung mit Hochkrumbach zu Warth-Hochkrumbach (LGBl.Nr. 9/1885), 1924 Umbenennung in Warth Warth- Hochkrumbach siehe Warth Weiler Wolfurt Zwischenwasser

Seite 369 Seite 370 Ulrich Nachbaur (geb. 1962 in Feldkirch), Dr. iur., M.A., seit 1997 Mitarbeiter im Vorarlberger Landesarchiv

Auswirkungen der bayerischen Reformen von 1806 bis 1814 auf die Vorarlberger Verwaltungsstrukturen

Ulrich Nachbaur

Bei dieser Arbeit handelt es sich um den Versuch, einen mittelbarkeit und ihrer Landesherrin überdrüssig, auch die ersten Überblick über die Veränderungen der Verwaltungs- Untertanen des Reichshofes Lustenau Kaiser Franz, sein strukturen von 1805 bis 1814 zu gewinnen, die einzelnen österreichisches Vorarlberg um ihr kleines, benachteiligtes Ämter zeitlich und räumlich abzugrenzen. Verständlich wer- Grenzterritorium zu arrondieren.2 den die Maßnahmen nur in der Zusammenschau der ganz Bayern umfassenden Staats- und Verwaltungsreformen, die in München nicht erfunden wurden, um gezielt die Vorarl- 1.1. Friede von Pressburg 26. Dezember 1805: „Die sieben berger zu pflanzen und zu knechten. Herrschaften im Vorarlbergischen mit ihren Inklavirungen, die Grafschaft Hohenembs“

1. Bayerns territoriale Ansprüche 1805/06 Doch der Friedensvertrag von Pressburg am 26. Dezember 1805 bereitete der Provinz Vorderösterreich endgültig ein Im Zuge der napoleonischen Neuordnung Europas entschä- Ende. Als Folge des Dritten, erneut verlorenen Koalitions- digten sich die weltlichen Fürsten des Heiligen Römischen krieges gegen Frankreich musste der Kaiser von Österreich Reichs deutscher Nation für ihre linksrheinischen Gebiets- an den mit Napoleon verbündeten König von Bayern ab- verluste großzügig mit der Mediatisierung und Säkulari- treten „die Markgrafschaft Burgau und was dazu gehört, sierung geistlicher Fürstentümer sowie der Mediatisierung das Fürstenthum Eichstädt, denjenigen Theile des Gebietes weltlicher Reichsfürsten, -grafen und -ritter, von Reichs- von Passau, der Sr. königlichen Hoheit, dem Kurfürsten von städten und -dörfern. Nach dem Reichsdeputationshaupt- Salzburg gehörte, und zwischen Böhmen, Oesterreich, der schluss von 1803 begann ein großes Feilschen und Tau- Donau und dem Inn gelegen ist, ferner die Grafschaft Ty- schen, das für Österreich eine neue vorderösterreichische rol mit Inbegriff der Fürstenthümer Brixen und Trient; die Perspektive eröffnete. Den Breisgau und die Ortenau muss- sieben Herrschaften im Vorarlbergischen mit ihren Inklavi- te es an die Nebenlinie Habsburg-Este abtreten. Gleichzei- rungen, die Grafschaft Hohenembs, die Grafschaft Königs- tig baute Österreich zielstrebig seine Position in Schwaben egg-Rothenfels, die Herrschaften Tetnang und Argen und und Vorarlberg aus. die Stadt Lindau nebst ihrem Gebiete“.3

Das Haus Oranien-Nassau-Dillenburg war 1802 unter an- Im Folgenden geht es um „die sieben Herrschaften im Vorar- derem mit dem Territorialbestand der aufgehobenen Abtei lbergischen mit ihren Inklavirungen“ und „die Grafschaft Weingarten entschädigt worden. Österreich zwang es zu Hohenembs“. Teilverkäufen und erwarb 1804 auf diesem Weg endlich die Vorarlberger Enklaven Blumenegg und St. Gerold und weitere kleinere „Lückenfüller“. Hinzu kamen Stadt und 1.1.1. FELDKIRCH-NEUBURG, SONNENBERG, BLU- Stift Lindau, eine Landbrücke zwischen Vorarlberg und der DENZ-MONTAFON, BREGENZ-HOHENEGG seit 1780 österreichischen Herrschaft Tettnang und Argen, sowie die im Nordosten an Vorarlberg angrenzende Reich- Wie die Vertragsparteien auf „sieben“ Herrschaften vor grafschaft Rothenfels. Territorial gestärkt sollten Schwä- dem Arlberg kamen, bliebe zu klären. Dass es sich bei der bisch-Österreich und Vorarlberg unter einer neuen vorde- siebten Herrschaft um die Herrschaft Gutenberg in Liech- rösterreichischen Landesstelle in Günzburg reorganisiert tenstein gehandelt haben soll,4 überzeugt nicht. Es ging um werden.1 Übrigens ersuchten im März 1803, der Reichsun- die alten „vier Herrschaften vor dem Arlberg“: um die Herr-

Vorarlberg um 1783: Gerichte und Herrschaften (Grenzziehungen zum Teil fehlerhaft)

Seite 371 schaft Feldkirch einschließlich der Herrschaft Neuburg, die 1.1.3. BLUMENEGG, ST. GEROLD, „BENDERN“ Herrschaften Bludenz und Sonnenberg sowie die Herrschaft Bregenz einschließlich der Herrschaft Hohenegg. Gelegent- Im Reichsdeputationshauptschluss von 1803 wurde das lich wurde schon früher das Tal Montafon als Attribut der Haus Oranien-Nassau-Dillenburg unter anderem „die Abtey Herrschaft Bludenz miterwähnt. Seit der Errichtung eines Weingarten, die Abteyen und Probsteyen Hofen, St. Gerold separaten Gerichts für das Montafon (1775) wurde jeden- im Weingartischen, Bandern [sic!] im Lichtensteinischen falls zwischen der „Herrschaft Bludenz“ (heutiges Stadt- Gebiete“ zugesprochen.6 Das Reichsstift Weingarten wurde gebiet) und der „Herrschaft Montafon“ unterschieden.5 mediatisiert und säkularisiert. Zu ihm gehörte seit 1612/14 Mit Feldkirch, Neuburg, Sonnenberg, Bludenz, Montafon, die hier nicht genannte Herrschaft Blumenegg oder das an- Bregenz und Hohenegg kämen wir auf sieben Herrschaften. geführte Priorat Hofen (heute Stadtteil von Friedrichshafen). Diese Kernterritorien, die Habsburg-Österreich zwischen 1363 und 1523 erworben hatte, zählten innerhalb der Orga- Landesherr der Propstei St. Gerold hingegen war nicht der nisation des Heiligen Römischen Reichs deutscher Nation Abt von Weingarten, sondern der Abt des Klosters Einsie- zum Österreichischen Reichskreis. deln, das 1648 mit der Eidgenossenschaft de facto aus dem Reichsverband ausgeschieden war, deren Äbte damit bis 1803 nur noch dem Titel nach Reichsfürsten waren, mit St. 1.1.2. HOHENEMS Gerold aber spätestens seit Verleihung der Hochgerichts- barkeit 1718 über eine reichsunmittelbare Herrschaft ver- Die Reichsgrafschaft Hohenems, der Reichshof Lustenau, fügten, die im Kreistag weiterhin von Weingarten mitvertre- die Reichsherrschaften Blumenegg und St. Gerold sowie die ten wurde. Nun kassierte sie Oranien-Nassau.7 Denn die in Reichsrittergüter Laubenberg („Schinau“) und Waltrams, Regensburg tagende Reichsdeputation stellte sich auf den die im Organisationsreskript vom 16. November 1806 Standpunkt, dass alles, was der Bischof von Chur, der Abt (Edition im Anhang) angeführt werden, gehörten dagegen von St. Gallen und alle Schweizer Stifte im Reich besitzen, zum Schwäbischen Reichskreis. Von ihnen hatte auf den Reichsgut sei.8 Kreistagen allerdings nur Hohenems Sitz und Stimme. Die Kreisstandschaft könnte der Grund sein, weshalb die Graf- So kam auch der nicht minder fragliche Erwerbstitel für schaft Hohenems ausdrücklich angeführt wurde, obwohl Bendern („Bandern“) zustande, womit Oranien-Nassau sie Österreich bereits 1765 erfolgreich vereinnahmt hatte. kein Territorium, sondern nur die Rechte und das Vermögen Bei der Neuorganisation der Verwaltung, im Organisations- der ausgedehnten Pfarrei Bendern in Liechtenstein erwarb, entwurf wie im Reskript, wurde die Grafschaft Hohenems die auch Besitz in Vorarlberg hatte.9 Die Pfarrei war dem ohne Kommentar und damit wohl selbstverständlich als Teil Churer Kloster St. Luzi inkorporiert, dessen Konvent von des „Landes Vorarlberg“ behandelt und nicht etwa mit den 1538 bis 1624 in Bendern Zuflucht gesucht hatte, wo er nach „sieben Herrschaften“ fusioniert. seiner Rückkehr nach Chur eine Statthalterei unterhielt. Sie wird in den Quellen auch als „Pflegei“ bezeichnet, im Als „Inklavierungen“ sollten im Organisationsreskript bayerischen Organisationsreskript von 1806 (Anhang) als Lustenau, Blumenegg und St. Gerold im heutigen Vorar- „Rezeptur“ (Einnehmerei). St. Luzi war kein Reichsstift, lberg aufgezählt werden, zudem Laubenberg (hier Schö- Bendern lag aber im Reichsfürstentum Liechtenstein und nau), Waltrams und Ellhofen im historischen Norden des wurde als selbständige Statthalterei oder Abtei behandelt Landes. In einem ersten Schritt konnte sich Bayern aber nur und Oranien-Nassau zugesprochen. Blumenegg und St. Gerold einwandfrei sichern.

Seite 372 Gedenktafel im "Löwen" in Bregenz (nach 1863)

1804 erwarb Österreich von Oranien-Nassau neben den abhangenden Rechten, Titeln und Vorrechten besitzen, wie Herrschaften Blumenegg und St. Gerold auch die Pflegei seine Majestät der Kaiser von Deutschland und Oesterreich Bendern. 1805 trat Bayern in diese Rechte ein.10 selbe besessen hatten.“14

Betrachten wir die Landesherrschaft der Vorarlberger Herr- 1.2. Übergabe des „Landes Vorarlberg“ 13. März 1806 schaften und ihrer Enklaven, so bot sich 1805 folgendes Bild: Habsburg-Österreich war unbestritten Landesherr von In Vorarlberg traf bereits zu Weihnachten 1805 eine kleine Feldkirch-Neuburg, Sonnenberg und Bludenz-Montafon, militärische Abordnung ein. Am 19. Januar 1806 empfing Bregenz-Hohenegg und Hohenems, von Blumenegg und König Maximilian I. in München eine Delegation der Vorarl- St. Gerold. – Ob es über Ellhofen tatsächlich eine Landes- berger Landstände zur Huldigung, die offizielle Übernahme hoheit behauptete, ist mehr als fraglich. – Den Reichshof der österreichischen Herrschaften wurde am 13. März 1806 Lustenau hatte Österreich als Teil der Herrschaft Hohenems in Bregenz zelebriert.11 Die formelle Übergabe erfolgte nicht beansprucht, 1789 jedoch der Erbtochter Rebecca von Har- durch Österreich. Es war vielmehr ein französischer Bevoll- rach-Hohenems die Landeshoheit weitgehend zugestehen mächtigter, der „im Namen seiner Majestät des Kaisers und müssen, sich vertraglich allerdings die Ausübung einiger Königs Napoleon“ an Maximilian von Merz, den die Lan- Hoheitsrechte in Lustenau gesichert (unter anderem die desdirektion in Schwaben mit der Organisation der neu- Werbung zum Militär, ein Besatzungsrecht im Kriegsfall); en Gebiete beauftragt hatte, „die sieben vorarlbergischen zudem hatte Habsburg-Österreich Lustenau als Graf von Herrschaften mit den darin inklavirten Gebieten nebst der Hohenems im schwäbischen Kreistag mitvertreten.15 – Lau- Herrschaft Hohen-Embs, so wie sie dermal bestehen mit al- benberg und Waltrams waren Reichsrittergüter. – Die feier- len Rechten, welche daran kleben und den Bürden, welche liche Übergabe des österreichischen „Landes Vorarlberg“ darauf haften,“ übergab.12 am 13. März 1806 konnte sich daher formal gesehen jeden- falls nicht auf Laubenberg und Waltrams beziehen, wahr- Am 18. März versandte Kreishauptmann Vintler an die scheinlich auch nicht auf Ellhofen. Lustenau war ebenfalls nachgeordneten Ämter Drucke des königlichen Besitzer- noch nicht einbezogen. Hier ist die Chronologie zu beach- greifungspatents vom 30. Jänner 1806, die gemeinsam mit ten. einem beigelegten bayerischen Wappen an den Amtshäu- sern zu affichieren waren.13 1.3. Ergänzungen

1.2.1. UMFANG UND GRENZEN 1.3.1. REICHSRITTERGÜTER LAUBENBERG, WALTRAMS

„Was den Umfang und die Gränzen der sieben vorarlber- Bei Laubenberg und Waltrams handelte es sich um klei- gischen Herrschaften mit den darin inklavirten Gebieten ne reichsritterliche Herrschaften der Pappus von Tratzberg und der Graffschafft Hohen-Embs betrift,“ wurde im Über- bzw. der Hundbiß (Humpis) von Waltrams. Sie zählten zum gabeprotokoll festgehalten, „so sollen sie die nämlichen Ritterbezirk Allgäu-Bodensee des Kantons Hegau-Allgäu- seyn und verbleiben, wie bey Entstehung des gegenwär- Bodensee der Reichsritterschaft, die von den süddeut- tigen Krieges waren; Seine Majestät der König von Baiern schen Fürsten gewaltsam mediatisiert, ihrer Landesho- soll diese Herrschaften, welche ihm hiemit überlassen wer- heit unterworfen wurde. Der Ritterbezirk Allgäu-Bodensee den, in dem Maaße mit der Souverainität, und allen davon blieb dank seiner nicht uneigennützigen kaiserlichen und

Seite 373 Laubenberg und Waltrams im Ritterbezirk Allgäu-Bodensee

österreichischen Schutzmacht länger verschont.16 Sein Waldburg-Zeil-Trauchburg verheiratet war. Das Paar hatte Schicksal wurde, wie jenes Vorarlbergs, erst am 2. Dezem- sich jedoch bereits vor vielen Jahren getrennt. Sie lebte in ber 1805 auf dem Schlachtfeld bei Austerlitz entschieden. Kunewald (Mähren), er auf Schloss Zeil, später in Kempten.19 Unter dem Vorwand, die Reichritter hätten den Kaiser un- terstützt, befahl Napoleon am 19. Dezember 1805 seinen Am 26. April wurden die Vorarlberger Herrschaften der französischen Truppenkommandanten, den verbündeten schwäbischen Landesdirektion unterstellt. Zu diesem Fürsten bei der Besetzung der reichsritterlichen Gebiete zu Schritt hatte Minister Montgelas seinem König nicht zu- helfen. Der bayerische Kurfürst und spätere König ließ am letzt deshalb geraten, weil von Ulm aus die Einziehung 27. Dezember von der Ritterkanzlei Allgäu-Hegau-Bodensee der Reichsunmittelbarkeit einiger Besitzer in diesen Herr- in Wangen Besitz nehmen und den Bezirksvorstand für auf- schaften schlagkräftiger besorgt werden könne als von gelöst erklären. Am folgenden Tag wurden alle Orte des Rit- Innsbruck aus.20 terschaftsbezirks durch zwei Infanteristen besetzt und die Lokalbeamten dem neuen Landesherren verpflichtet. Am 28. April ließ das Haus Waldburg-Zeil Lustenau durch einen Beamten und einen Notar im Namen der Erbtochter Dazu zählten die Rittergüter Laubenberg (heute in der und ihres Gemahls in Zivilbesitz nehmen und die Beamten Gemeinde Grünenbach, Landkreis Lindau) und Waltrams in Hohenems vereidigen, nachdem es den bayerischen Be- (heute in der Gemeinde Weitnau, Landkreis Oberallgäu), hörden diesen Schritt angekündigt hatte.21 Ob dieser Schritt Enklaven der Herrschaften Bregenz und Hohenegg, die in mit Gräfin Walburga abgesprochen war, bliebe zu klären. Pressburg gleichzeitig Bayern zugesprochen wurden. Der Abgesehen davon war es mit der Autorität des Hauses Zugriff auf die Reichsrittergüter sollte dagegen erst im Juli Waldburg-Zeil auch nicht mehr weit her; es erwartete selbst 1806 durch die Rheinbundakte „legalisiert“ werden. Napoleons Entscheidung über sein Schicksal.22

Am 10. Mai versiegelten königliche Beamte das Archiv des 1.3.2. REICHSHOF LUSTENAU gräflichen Oberamts in Hohenems und erklärten, dem bay- erischen König die vormals Österreich zugestandenen Ge- Die bayerischen Entscheidungsträger wurden im Februar rechtsamen und Hoheitsrechte vorzubehalten.23 auf den Vertrag von 1789 aufmerksam, der Österreich ei- nige Hoheitsrechte in Lustenau garantiert hatte.17 Am 31. Da sie aufgrund der verarmten Lage Lustenaus nicht in der März erhielt der Vorarlberger Kreishauptmann Vintler den Lage seien, das Reisegeld für eine Deputation (nach Mäh- allerhöchsten Auftrag, sogleich Maßnahmen zu treffen, um ren) aufzubringen, versicherten Hofammann und Gericht diese Rechte auszuüben.18 Neben diesem Vertrag hätte der Gräfin Walburga am 2. Juni schriftlich, dass es der einhei- bayerische König noch ins Treffen führen können, dass nun lige Wunsch der ganzen Gemeinde sei, „ewige Untertanen“ ihm das Recht zustehe, als Reichsgraf von Hohenems auch ihrer „Landesmutter“ zu bleiben, ersuchten sie aber gleich- Lustenau im schwäbischen Kreistag zu vertreten. zeitig erneut um Hilfe in ihrer materiellen Not.24

Am 18. April 1806 starb Reichsgräfin Maria Rebecca von Die Gründung des Rheinbundes bereitete einige Wochen Harrach-(Hohenems). Lustenau ging damit an ihre Tochter später dem Reich und damit auch dem Reichshof Lustenau Maria Walburga über, die mit Graf Clemens Truchsess von ein Ende.

Seite 374 1.3.3. RHEINBUNDAKTE 12. JULI 1806 Bayern hatte sie am 26. März 1806 Besitz genommen und seine Gebietsansprüche in Schwaben am 3. Juni durch ei- Am 12. Juli 1806 schloss sich Bayern unter Napoleons Druck nen Vertrag mit Württemberg abgesichert. Ellhofen hatte mit anderen süddeutschen Staaten zu einem „Rheinbund“ 1577 der Deutsche Orden erworben. Es hatte zur Landkom- zusammen. In ihrem Konföderationsvertrag, der Rhein- turei Altshausen gehört, die Ellhofen über ihren Obervogt bundakte, einigten sich auch auf die Bereinigung offener der Herrschaft Achberg verwalten hatte lassen. Durch die Territorialfragen, nicht zuletzt auf eine Abrundung ihrer Rheinbundakte wurde nun dem König von Württemberg die Fürstentümer um weitere bisher reichsunmittelbare Territo- Kommende Altshausen als Eigentum zugesprochen (Art. rien.25 Dabei unterschieden sie rechtlich in drei Kategorien: 18), dem Fürsten von Hohenzollern-Sigmaringen die Herr- Erstens in Gebiete, die der begünstigte Rheinbundfürst schaft Achberg (Art. 19), worauf beide Anspruch auf Ellhofen „mit allen Eigenthums- und Souverainitäts-Rechten“ in erhoben. Besitz nahm und mit seinem Staat vereinigte; der baye- rische König zum Beispiel die Reichsstadt Nürnberg und Bayern sollte sich in diesem mehrjährigen Rechtsstreit mit zwei Deutsch-Ordens-Kommenden (Art. 17). Zweitens in dem Argument durchsetzen, Ellhofen habe stets zu dem Gebiete, in über die der begünstigte Rheinbundfürst „nur“ ihm zugesprochenen Vorarlberg gehört.29 Dagegen hatte „alle Souverainitäts-Rechte“ auszuüben berechtigt wurden; eine Innsbrucker Gubernialkommission Ellhofen 1792 in ei- der König von Bayern zum Beispiel in Schwaben über Be- ner Kreis- und Landesbeschreibung neben Blumenegg, St. sitzungen der Grafen Fugger (Weißenhorn, Kirchheim), die Gerold, Lustenau, Laubenberg und Waltrams ausdrücklich sich bereits „freiwillig“ Bayern unterworfen hatten, des zu den sechs „Reichsherrschaften“ gezählt, die mitten im Fürsten Fugger (Babenhausen), der Ostein (Buxheim), Oet- Kreis Vorarlberg lägen, aber nicht der österreichischen Lan- tingen-Wallerstein (St. Mang), Lobkowitz-Sternstein (Wei- deshoheit und damit auch nicht dem Kreis- und Oberamt ßenau), Stadion (Thannhausen), Esterhazy (Edelstetten) unterstünden. Zum „Reichslehen Schloßalt-Laubenberg“ und Sinzendorf (Winterrieden), die erst 1803 mit diesen merkten die Beamten an, dass es „im österreichischen Besitzungen entschädigt worden waren, sowie über die ge- Lehendorf Schinau“ liege, bei der „Herrschaft Waltrams“, samte Heerstraße von Memmingen nach Lindau (Art. 24).26 dass es ein „Fürstlich Würzburgisches Lehen“ sei, dagegen Drittens sollte jeder Rheinbundfürst die in seinen Territo- nur: „Herrschaft Ellhofen des Teutschen Ordens in Simmer- rien „inklavierten“ ritterschaftlichen Güter „mit voller Sou- berg“.30 veränität“ besitzen. Die zwischen zwei Staaten gelegenen Rittergüter sollten aufgeteilt werden (Art. 25). Die bayerische Organisationskommission für Vorarlberg ging schlicht davon aus, dass sich Ellhofen zur „Sequestra- 1.3.3.1. Laubenberg und Waltrams legalisiert tion“ (Zwangsverwaltung) eigne, zumal die Rheinbundakte, Bayern und Württemberg einigten sich mit Vertrag vom 13. die Achberg dem Fürst von Sigmaringen zugesprochen Oktober 1806 über die Aufteilung der Reichsrittergüter.27 habe, auf diese vollständig vom Vorarlberger Gebiet um- Damit waren die Fälle Laubenberg und Waltrams geklärt. schlossene „selbständige Herrschaft“ keine Anwendung finden könne.31 Jedenfalls wurde sie im November 1806 1.3.3.2. Streitfall Ellhofen ausdrücklich in das Organisationsreskript aufgenommen Probleme bereitete nun aber die Herrschaft Ellhofen (heute (Anhang). Teil der Gemeinde Weiler-Simmerberg, Landkreis Lindau).28

Seite 375 1.3.4. 1. August 1806: Ende des Alten Reichs Lustenau hatten in ihr keine Erwähnung gefunden. Die Rege- Lustenau wurde von der Rheinbundakte nicht unmittel- lung der künftigen Verhältnisse, der der königlichen Souverä- bar erfasst. Allerdings wurde seine ohnmächtige „Schutz- nität unterworfenen Fürsten, Grafen und Herren vom März 1807 macht“ Waldburg-Zeil zugunsten des Königs von Württem- bezog sich ausdrücklich nur auf die „staatsrechtlichen Verhält- berg mediatisiert.32 nisse dieser [sic!] mediatisierten Gebiete und ihrer Besitzer“.36 In territorialer Hinsicht wäre das einerlei gewesen, denn auch Am 1. August 1806 erklärten die Rheinbundstaaten den die Gebiete dieser von „Landesherren“ zu „Standesherren“ Austritt aus dem Heiligen Römischen Reich. Am 6. August degradierten Grafen und Fürsten wurden voll in das Königreich 1806 ließ Kaiser Franz die Niederlegung der römischen Kai- Bayern integriert.37 Der Konflikt mit Gräfin Walburga sollte erst serkrone verkünden, womit das Alte Reich de facto erlosch. 1811 durch einen Vergleich beigelegt werden.38 Damit gab es keinen übergeordneten römischen Kaiser mehr, waren alle ehemals reichsunmittelbaren Landes- Die habsburg-österreichischen Herrschaften vor dem Arl herren mit ihren Territorien voll souverän geworden – zu- berg einschließlich Reichsherrschaften Hohenems, Blu- mindest theoretisch, Lustenau nicht einmal das. menegg und St. Gerold gingen 1805 einfach von einem Reichsfürsten an einen anderen Reichsfürsten über, ohne 1.3.4.1. 1. September 1806: Annexion des „österrei- dass sich dadurch an ihrer Reichsunmittelbarkeit etwas chischen“ Lustenau geändert hätte. Sie erlosch erst mit dem Alten Reich im Dass Lustenau am 6. August 1806 „jedenfalls ein voll- August 1806. Laubenberg und Waltrams wurden durch die kommen selbständiger Staat“ geworden sei,33 trifft schon Rheinbundakte vom 12. Juli 1806 noch kurz zuvor ausdrück- in rechtlicher Hinsicht nicht zu. Seine Souveränität war lich mediatisiert. Lustenau hätte dagegen am 1. September vertraglich nach wie vor eingeschränkt, und zwar seit dem 1806 seine Reichsunmittelbarkeit nicht mehr verlieren kön- Pressburger Frieden zugunsten Bayerns, dem Gräfin Wal- nen. Zumindest in diesem engeren Sinn kann bei Lustenau burga auch faktisch ausgeliefert war. An einem selbstän- von einer Mediatisierung keine Rede mehr sein. digen, isolierten Lustenau hätten wohl auch ihre Unterta- nen kein Interesse gehabt. Bayern stützte sich bei der Annexion Lustenaus am 1. Sep- tember 1806 nicht auf die Rheinbundakte, sondern auf Am 1. September 1806 erfolgte in Lustenau eine separate den Friedensvertrag von Pressburg, kassierte es formell Landeshuldigung. Am Tag darauf wurden die königlich-bay- als Enklave der Vorarlberger Herrschaften, und zwar als erischen Wappen angeschlagen. ehedem österreichisches Territorium mit beschränkten Hoheitsrechten der Hohenemser Allodialerbin und nicht Am 30. Juni 1809 machte das Landgericht Dornbirn kund, der umgekehrt. Das wird im Organisationsentwurf für Vorarl- König habe alle Besitzungen der Gräfin Waldburg-Zeil(-Har- berg deutlich, mit dem die Organisationskommission den rach) eingezogen und unter Sequestration genommen, weil Reichshof Lustenau zur Einverleibung vorschlug, „worüber sie ihren Wohnort nicht in einem Bundesstaat aufgeschlagen das Hauß Oesterreich der Hohenemsischen Erbtochter Grä- habe.34 Art. 31 der Rheinbundakte billigte den durch diesen fin von Harrach eine beschränkte Landeshoheit eingeräumt Vertrag mediatisierten Landesherren und deren Erben nur hatte, dessen Subjection aber in Folge der neuesten öf- die Freizügigkeit innerhalb der Rheinbundstaaten zu.35 Die fentlichen Traktaten vollkommen gerechtfertigt ist.“39 Beim Berufung auf die Rheinbundakte war ein fadenscheiniges Ar- künftigen Landgericht Dornbirn wurde „der dazu gefallene“ gument. Das Haus Harrach-Hohenems oder sein Reichshof Reichshof Lustenau ausgewiesen.40

Seite 376 Als Patrimonialrichter Seewald den Lustenauern im Februar schätzen gelernt hatte. So wurde das kleine Fürstentum 1807 die Auflösung ihres Hofgerichts mitteilte, berief er sich ohne Zutun seines Landesherrn Gründungsmitglied des schlicht auf die am 1. September 1806 „apprehendierte“ Rheinbundes. Im Organisationsreskript für Vorarlberg vom (ergriffene) Landeshoheit und auf das Organisationsreskript 16. November 1806 (im Anhang) erkannte der bayerische vom 16. November 1806;41 in der der „so genannte“ Reichshof König die „fürstlich-Lichtensteinische Herrschaft Vaduz“ als Lustenau zu den Enklaven gezählt und – im Unterschied zu souveränes Gebiet an (Pkt. 4). Zu prüfen bliebe, ob er sich Laubenberg und Waltrams – nicht ausdrücklich entsprechend dabei absichtlich auf die Herrschaft Vaduz beschränkte und der Rheinbundakte als Patrimonialgericht der bayerischen die an Vorarlberg angrenzende Herrschaft Schellenberg nur Landeshoheit unterworfen wurde (Anhang, Pkt. 3 e, d). vergaß, die 1719 mit zum Fürstentum Liechtenstein vereint worden war. Das Zugeständnis einer Patrimonialgerichtsbarkeit musste im Übrigen keineswegs eine Folge der Mediatisierung sein, ein Relikt landesherrlicher Rechte. Das macht auch das 1.4.2. RHÄZÜNS Beispiel der Grafen Wolkenstein oder der Freiherren von Sternbach in Vorarlberg deutlich. Die Patrimonialgerichts- Umstritten war auch die österreichische Herrschaft Rhä- barkeit war grundsätzlich mit dem Besitz einer gewissen züns in Graubünden, die seit 1497 habsburgisch war, Öster- Art von Gütern oder eines bestimmten Gutes verbunden reich aber nicht mit voller Landeshoheit besaß.45 Rhäzüns und konnte auch mit diesem Gut (patrimomium) erworben war Mitglied des Oberen oder Grauen Bundes und damit werden.42 1813 sollte sich Seewald für Lustenau auf einen des Freistaates Gemeiner Drei Bünde. Die Herrschaft war vom „vorgängig Souverän in Vorarlberg“ anerkannten „Ti- wirtschaftlich eher ein Verlustgeschäft, aber politisch in- tulo oneroso“ berufen.43 teressant, weil der habsburgische Inhaber als Freiherr von Rhäzüns die Politik der Drei Bünde mitbestimmen konnte. Deshalb wurde Rhäzüns 1696 in unmittelbare landesfürst- 1.4. Erfolglose Ansprüche liche Verwaltung genommen. Der jeweilige Verwalter war meist zugleich österreichischer Gesandter bei den Drei 1.4.1. LIECHTENSTEIN Bünden. Er verwaltete die kleine „Herrschaft“ Gutenberg, einen Güterkomplex in Liechtenstein, mit und unterstand Wie Liechtenstein bildete Lustenau am Rhein streng genom- nach einem vorderösterreichischen Zwischenspiel (1752 bis men keine Vorarlberger Enklave, sondern ein benachbartes 1782) wieder der oberösterreichischen Regierung in Inns- Territorium an der Grenze zur Schweizerischen Eidgenos- bruck. senschaft. Bayern versuchte nachdrücklich, Liechtenstein ebenfalls zu annektieren.44 Einen Ansatzpunkt wären ähn- Von 1798 bis 1800 war das umkämpfte Bündnerland je lich wie bei Lustenau Militär- und Hoheitsrechte gewesen, zweimal von österreichischen und französischen Truppen die Österreich mit Duldung des Hauses Liechtenstein aus- besetzt. Napoleon behielt die Oberhand und integrierte geübt hätte. Doch die Nachforschungen verliefen ergebnis- den 1803 geschaffenen Kanton Graubünden in die Schwei- los. Vor allem aber stand Liechtenstein unter Napoleons zerische Eidgenossenschaft. In dieser Kriegszeit besorgten Schutz, der den Fürsten Johann I. als General bei Austerlitz vorläufig Beamte des Kreis- und Oberamtes in Bregenz die und als österreichischen Verhandlungsführer in Pressburg Verwaltung der Herrschaft Rhäzüns.

Seite 377 Als sein Vorgänger Oberamtsprotokollist Seraphin Schedler jeden, der sich unbefugt einmengt. Dem Auftrag, sich mit im Jänner 1805 starb,46 wurde Kreis- und Oberamtsprakti- einer beigelegten Eidesformel dem bayerischen König zu kant Joachim Bergmann zum provisorischen Verwalter der verpflichten, kam Bergmann am 4. Juli nach.49 Die Weisung Herrschaft Rhäzüns bestellt;47 der 1806 offenbar mit der teilte er den Gemeindeleuten mit und erinnerte sie ver- bay erischen Organisationskommission davon ausging, geblich, dass sie ihre Abgaben nun dem König von Bayern dass Rhäzüns mit Vorarlberg an Bayern übergangen sei. schuldeten.50 Nachdem sich Bergmann ihr gegenüber nicht als bayerischen Verwalter legitimiert habe, erkannte ihn Wien hatte 1803 alle Schweizer Besitzungen in Österreich die Bündner Regierung nicht an. Bayern vermochte seine beschlagnahmt und zum Teil vereinnahmt.48 Die Regierung Ansprüche nicht durchzusetzen, sofern Merz überhaupt auf Graubündens hoffte, im Gegenzug nun endlich die Herr- höhere Weisung gehandelt hatte. Der kinderreiche Berg- schaft Rhäzüns zu erhalten. Im März 1806 erwog sie eine mann, dem Österreich sein Gehalt schuldig geblieben sei, eigenmächtige Besitznahme, um auch allfälligen baye- bedachte Bayern mit einer Pension.51 Ansonsten kam Rhä- rischen Ansprüchen zuvorzukommen. Doch der Landmann züns im Organisationsentwurf für Vorarlberg nicht mehr zur der Schweiz hatte dringend abgeraten. Sollte Bayern ver- Sprache. suchen, Rhäzüns in Besitz zu nehmen, solle Graubünden sich mit dem Hinweis widersetzen, dass in Pressburg eine 1809 bis 1814 musste Österreich die Herrschaft Rhäzüns vo- solche Besitzveränderung nicht verfügt worden sei. rübergehend an Frankreich abtreten. Der Wiener Kongress sprach sie Graubünden zu. Die Übergabe erfolgte 1819. Am 13. Juni teilten die österreichischen Behörden der Re- gierung des Kantons Graubünden mit, dass Bergmanns aufgrund der veränderten Umstände die Weisung habe, 1.4.3. GUTENBERG wieder zum Kreisamt nach Bregenz zurückzukehren. Die Verwaltung übernehme August von Wolf, bis die Verhand- Auch auf die Güter der kleinen Schlossherrschaft Guten- lungen mit der Eidgenossenschaft abgeschlossen seien. berg bei Balzers, die 1314 an Habsburg gelangt war, sprach Doch Bergmann räumte seinen Posten nicht, sondern holte Bayern „infolge der Acquistion von Vorarlberg […] als Per- offenbar eine Weisung aus Bregenz ein, die ihm Organisati- tinenzen an.“52 Österreich erhob Protest. Die liechtenstei- onskommissär Merz am 2. Juli unmissverständlich erteilte: nische Regierung ließ von 1806 an die Erträgnisse dieser Da die österreichischen Behörden dem Vernehmen nach Güter sowie die Gefälle der Herrschaft Rhäzüns in Vaduz versuchen wollten, sich in die Administrationsgeschäfte deponieren. Als der österreichische Gesandte in Bern 1813 und andere Verhältnisse der Herrschaft Rhäzüns einzu- die Ausfolgung der Gutenberger Erträge verlangte, wandte mischen und die Untertanen in ihren Pflichten gegen den sich das liechtensteinische Oberamt an die bayerischen König von Bayern und dessen höchsten Stelle irre zu ma- Finanzbehörden. Inzwischen hatte sich das Kriegsglück chen, habe Bergmann ein wachsames Auge darauf zu ha- und damit das politische Blatt zugunsten Österreichs ge- ben, die Untergebenen zur „strengen Treue“ gegen seine wendet. Minister Montgelas gab am 23. Februar 1814 die königlich bayerische Majestät zu ermahnen, und im Fall, Anweisung, Vaduz die weitere Verfügung zu überlassen. dass ein österreichischer Kommissär weitere Versuche 1824 sollte Österreich seine Besitzungen an die Gemeinde unternehmen sollte, gegen diesen vorzugehen wie gegen Balzers verkaufen.

Seite 378 1.5. Exkurs zum Begriff „Herrschaft“ burg“ der Fall war, die seit 1777 im Besitz der Tiroler Grafen Wolkenstein-Rodenegg war. Eine ungleich bedeutender Wenn von „Herrschaft“ die Rede ist, müssen wir auch be- Pfandschaft und seit 1744 sogar erbliches Lehen der Frei- rücksichtigen, dass der Begriff inzwischen vielschichtig Ver- herren von Sternbach waren die Herrschaften Sonnenberg wendung fand.53 und Bludenz-Montafon, die ungefähr ein Drittel neuen bay- erischen „Landes-Bezirks“ abdeckten. Zum einen wurde damit immer noch der Bezirk bezeichnet, über den die Landesherrschaft reicht; im neueren Verständ- Ob sich Lehen im Lauf der Zeit zu einer Landeshoheit ver- nis ein „Territorium“. dichteten, war letztlich eine Frage der Macht, eine Frage der tatsächlichen Durchsetzung von Herrschaftsansprüchen. Daneben dürfte mit „Herrschaft“ auch der Sprengel eines landesfürstlichen Amtes verstanden worden sein. 2. Verwaltungsorganisation bei der Übernahme Zudem wurde „Herrschaft“, und das ist verwirrend, weit- durch Bayern gehend losgelöst von Hoheitsrechten zu einem Begriff der Domänenverwaltung. Dies war wohl eine Folge der zahl- 2.1. „Land Vorarlberg“, „Kreis Vorarlberg“ reichen Verpfändungen, die Österreich mitunter durch Be- lehnungen bekräftigte: Der Landesherr behielt sich die Lan- Wenn im März 1806 von der Übergabe des „Landes Vorarl- deshoheit und mehr oder weniger die daraus erfließenden berg“ die Rede ist, wird damit bereits ein Gebiet beschrie- Hoheitsrechte vor, trat aber die Verwaltung einer Herrschaft, ben und nicht mehr die „Landschaft“ im herkömmlichen eines Gerichts oder auch nur einzelner „Staatsgüter“ samt Sinn, die Vereinigung der Landstände als eine Art Selbst- Rechten und Einkünften als Pfand (und Lehen) an einen verwaltungskörper („landschaftliche Korporation“), die in Kreditgeber ab. Dessen Recht, der „Fruchtgenuss“, wurde der Frühen Neuzeit gemeinsam mit dem Landesfürsten das nun ebenfalls als „Herrschaft“ bezeichnet, und abgeleitet „Land“ gebildet hatte. Die österreichischen „Stände des davon auch der betreffende Güterkomplex, auch wenn es Landes Vorarlberg“, wie sie sich ab ungefähr 1780 bezeich- sich nur um eine Burgruine samt zugehörigen Grundstü- neten, vertraten aber nur die Bevölkerung der Herrschaften cken und Abgaben handelte, manchmal verbunden mit der Feldkirch, Sonnenberg, Bludenz und Bregenz. Hohenems, niederen Gerichtsbarkeit, wie das bei der kleinen „Herr- Blumenegg, St. Gerold und Lustenau gehörten nie zu die- schaft Neuburg“ im Rheintal mit dem „Pfandgericht Neu- sem „Land Vorarlberg“ im historischen, engeren Sinn.

Seite 379 Grafik 1: Verwaltungsorganisation des österreichischen Kreises und Landes Vorarlberg 1786 bis 1805

Landesfürstliche Verwaltung Landschaftliche Verwaltung

K. k. Kreishauptmann und landständischer Präses

K. k. Kreisamt für Vorarlberg 2. Landständische Kanzlei Bregenz und Oberamt Bregenz Untere Stände – Bregenz Grafschaft Bregenz – Hohenegg – Altenburg – Hofsteig – Sulzberg K. k. Amt Hohenegg – Lingenau – Hofrieden Herrschaft Hohenegg – Simmerberg – Grünenbach – Alberschwende K. k. Administration Hohenems – Tannberg – Mittelberg (Reichsgrafschaft Hohenems) – Kellhöf

1. Landständische Kanzlei Feldkirch

K. k. Vogteiamt Feldkirch Obere Stände – Feldkirch – Rankweil-Sulz Grafschaft Feldkirch – Bregenzerwald – Neuburg – Dornbirn – Jagdberg – Höchst-Fußach K. k. lehenbares Vogteiamt Bludenz – Damüls Innere Stände – Bludenz – Sonnenberg Grafschaft Bludenz – Montafon Grafschaft Sonnenberg

Seite 380 Kreisamtssiegel mit Herrschaftswappen Landschaftssiegel mit Städtewappen

Das „Land Vorarlberg“ deckte sich deshalb auch nicht mit gemeinsame Landesfürst. Kernaufgaben der „Landstände“ dem „Kreis Vorarlberg“, mit dem landesfürstlichen Verwal- waren die Landesverteidigung sowie die Bewilligung von tungsbezirk. Hilfstruppen oder –geldern, wozu sie der Landesfürst bei Bedarf zu Landtagen einberief. Aus der Finanzierung und Der „Kreis Vorarlberg“ war zunächst in drei gleichrangige Verumlagung der Hilfsgelder (außerordentlichen Steuern) landesfürstliche Verwaltungsbezirke gegliedert: Ein Vogt in entwickelte sich eine landständische Finanzverwaltung, die Feldkirch verwaltete die Herrschaft Feldkirch mit Neuburg, auch für die Einkassierung und Ablieferung der jährlichen ein Vogt in Bludenz die Herrschaften Sonnenberg und Blu- Herrschaftssteuer an die landesfürstliche Finanzverwaltung denz-Montafon, ein Vogt in Bregenz die Herrschaft Bregenz zuständig wurde. mit Hohenegg, wobei für Hohenegg eine Administration in Weitnau beibehalten wurde. Dem Oberamt Bregenz, Die Landstände waren nicht in Kurien geschieden, aber wie das Vogteiamt seit 1726 bezeichnet wurde, war zudem regional untergliedert. Die Gerichte der Herrschaft Bre- die Administration der 1765 beanspruchten Herrschaft Ho- genz-Hohenegg bildeten die „unteren Stände“, jene der henems nachgeordnet. Ab 1786 erfüllte das Oberamt dieser Herrschaften Feldkirch sowie Bludenz und Sonnenberg Herrschaften zusätzlich die Funktion eines Kreisamtes für die „oberen Stände“. Dabei bildeten die drei Gerichte der Vorarlberg, dem die Vogteiämter Feldkirch und Bludenz in Herrschaften Bludenz und Sonnenberg als „innere Stände“ Verwaltungsangelegenheiten (nicht aber hinsichtlich der noch eine Untergruppe der oberen Stände. Diese regionale Rechtssprechung) unterstellt wurden. Damit griffen die Gliederung entsprach nicht zufällig den landesfürstlichen landesfürstlichen Oberbehörden immer stärker in die Ge- Verwaltungsstrukturen. Die Rechtssprechung und Selbst- schäfte des „k. k. lehenbaren Vogteiamts Bludenz“ der Frei- verwaltung der einzelnen Gerichte war vom Landesfürsten herren von Sternbach ein. abgeleitet.

Ziel der Reformen auf allen Ebenen war eine effektivere Das Haupt der Stände war zunächst unbestritten die Stadt Staatsverwaltung durch eine Professionalisierung, Verein- Feldkirch, deren Kanzlei die landschaftlichen Geschäfte heitlichung und klare Aufbauorganisation. Dem entsprach mitbesorgte. Sie berief auch die allgemeinen Ständever- ein neues staatsrechtliches Konzept: „die monarchische sammlungen ein. Doch nach 1640 vermochte sich die Stadt Union von Ständestaaten wandelt sich in einen föderativen Bregenz als zweiter „ausschreibender Ort“ zu etablieren, Staat um, der ab 1804 die Bezeichnung ‚Kaisertum’ Öster- teilten sich die beiden Städte die Führung der Landschaft. reich trägt.“ 54 Das vom Landesfürsten und den Landstän- Die Stände hatten ihren Zenit allerdings bereits überschrit- den gemeinsam gebildete Land war passee. ten und wurden im Zeitalter des Absolutismus von der landesfürstlichen Verwaltung immer fester an die Kandare genommen. 2.2. Österreichische Landschaft vor dem Arlberg Auch wenn Feldkirch die Nummer Eins blieb, fungierte Ab dem ausgehenden Mittelalter bildeten die drei Städte nun die Bregenzer Stadtkanzlei als zweite landschaftliche Feldkirch, Bregenz und Bludenz mit letztlich 23 „länd- Kanzlei mit einer separaten „unterständischen“ Kassa. lichen“ Gerichten eine Landschaft der österreichischen Die Kanzleigeschäfte besorgte jeweils der rechtskundige Herrschaften vor dem Arlberg.55 Sie setzte sich also Stadtschreiber, später als Syndikus bezeichnet. Die beiden ausschließlich aus Gerichts- und Verwaltungsgenossen- Kassen führten die Bürgermeister, die Kassiere beauftrag- schaften zusammen. Das verbindende Element war der ten. Die ständische Originalregistratur wurde in Feldkirch

Seite 381 geführt. Entsprechend ist später in den Schematismen für die Stände nicht mehr versammeln. Wer den Behördensche- Feldkirch eine landständische Buchhaltung ausgewiesen. matismus zu Rate zog, sah die Vorarlberger Landschaft fak- tisch auf ein landesfürstliches Instrument beschränkt: Un- Von den Landständen als landschaftliche Korporation ter der Überschrift „Vorarlberg-ständisches Direktorium und sind begrifflich die einzelnen Stände zu unterscheiden, Landesausschuß“ sind (erstmals 1777) nur der Landvogt als die gewissermaßen Mitglied der Landschaft waren. Ihre „Director der vorarlbergischen Stände“ und namentlich nur Verfassung und Rechtsstellung war sehr unterschiedlich. die „Deputati conferentialis“, die Vertreter der so genann- Weil die meisten Anteil an der landesfürstlichen Gerichts- ten „Konferentialstände“ (Feldkirch, Bregenz, Bludenz, Ho- barkeit hatten, wurden sie auch als „Gerichte“ bezeichnet. henegg, Sonnenberg, Rankweil-Sulz, Hinterbregenzerwald, Doch seit dem ausgehenden 17. Jahrhundert waren sie im- Montafon, Hofsteig, Hofrieden) ausgewiesen; zudem die mer mehr auf staatlich kontrollierte Verwaltungsgenossen- „Landständische Directorial-Kanzlei“ (die Syndici der Städ- schaften zurückgestutzt worden, die auch landesfürstliche te Feldkirch und Bregenz), eine „Ständische Einnehmerey“ Aufgaben zu besorgen hatten. Spätestens mit der moder- (der ober- und der unterständische Kassier), eine „Stän- nen Straf- und Zivilrechtskodifikation – mit der Österreich dische Buchhaltung“ in Feldkirch sowie der Bregenzer Bayern weit voraus war – erodierten die gewohnheits- Stadtarzt zugleich als „Landschafts-Physicus“.60 Während rechtlichen „Landsbräuche“. Gericht und Ammannschaft 1803 rund 60 Bedienstete im Sold der Tiroler Landschaft wurden getrennt, die Rechtssprechung endlich professio- standen, sind für Vorarlberg gerade sechs ausgewiesen, nalisiert. Nach den josefinischen Regulierungen verfügten wovon wenigstens die Hälfte als städtische Beamte die 1790 von den 24 Gerichten noch 14 über eine niedere Zi- landschaftlichen Geschäfte im Nebenamt besorgten. Das vilgerichtsbarkeit, vier hatten zudem beschränkten Anteil galt allerdings noch für weiteres städtisches Personal. an der Strafgerichtsbarkeit (Hinterbregenzerwald, Bregenz, Feldkirch, Hohenegg).56 Seit den 1720er Jahren ist in Form von Kanzleisiegeln ein „Landeswappen“ überliefert, seit den 1780er Jahren zeich- Mögen uns die Landstände vor dem Dreißigjährigen Krieg nete ihre Vertreter für die „Stände des Landes Vorarlberg“. noch als „Länderbund“ entgegentreten, erscheinen sie im Neben dieser österreichischen Landschaft vor dem Arlberg 18. Jahrhundert immer mehr in der Rolle eines „Gemein- ist noch die Landschaft der kleinen Reichsherrschaft Blu- deverbandes“. Überspitzt formuliert: „Die Stände blieben menegg in enger Verbindung mit der Reichspropstei St. äußerlich gleich, hatten aber keine Bedeutung mehr.“57 Für Gerold zu beachten, die 1804 ebenfalls österreichisch wur- Österreich galt allgemein: „Der dualistische Ständestaat“ den; zudem die Selbstverwaltung und Beteiligung an der – beherrscht vom Dualismus Landesfürst–Landstände – Rechtssprechung im Reichshof Lustenau und in der Reichs- „wird zur autonomen, von den Landständen allein vertre- grafschaft Hohenems. tenen Gebietskörperschaft, die, ohne selbst Staat zu sein, im Rahmen des Staates der Länderverbindung einige weni- ge obrigkeitliche Aufgaben besorgt.“58 2.3. Von Oberösterreich wieder zu Vorderösterreich

Die absolutistischen Reformschritte ab 1726 galten nicht Die österreichischen Ämter und Stände vor dem Arlberg nur der landesfürstlichen, sondern ebenso der landschaft- waren traditionell der oberösterreichischen Regierung in lichen Verwaltungsorganisation.59 Seit 1750 fungierte der Innsbruck unterstellt, nur 1752 bis 1782 vorübergehend der Landvogt als „Direktor“ der Stände; ab 1786 der Kreis- vorderösterreichischen Regierung in Konstanz, ab 1759 in hauptmann als „Präses“. Ohne sein Wissen durften sich Freiburg im Breisgau. Als Österreich am 1. November 1804

Seite 382 die Herrschaften Blumenegg und St. Gerold von Oranien- mehrmal geschehen war“, zu trennen.65 Minister Montgelas Nassau übernahm, wurde deren Oberamt in Thüringen, führte dafür nicht nur die besseren Zugriffsmöglichkeiten dem auch die Pflegei Bendern unterstand, nicht mehr dem auf die Enklaven an. Der Bevölkerung sei es ziemlich gleich- Kreisamt in Bregenz nachgeordnet, sondern direkt der neu- gültig, ob sie Ulm oder Innsbruck unterstünden, zumal die en vorderösterreichischen Regierung in Günzburg, die zum Verfassung Vorarlbergs mit jener Tirols nicht analog sei. Zu- Zentrum der neu geformten Provinz Vorderösterreich auser- dem sei das Gubernium in Innsbruck vergreist und ohnehin koren war. Das Kreisamt samt nachgeordneten Ämtern war über seine Kräfte beschäftigt.66 bereits mit Dekret vom 13. Juni 1804 Günzburg zugewiesen worden. Der Vollzug dieser Hofresolution wurde jedoch aus- Diese Verfügung bedeutete zunächst nur, dass die Ämter gesetzt, womit es vorläufig noch der oberösterreichischen der zuvor österreichischen Herrschaften, offenbar mit 1. Juni Regierung in Innsbruck zugeordnet blieb,61 die nun die Bay- 1806,67 der Landesdirektion in Ulm unterstellt wurden, mit ern übernahmen. 1. September 1806 zudem Lustenau.

3. 26. April 1806: Vorläufige Zuweisung zur 4. 16. November 1806: Neuorganisation Provinz Schwaben des „Landesbezirks“

Mit dem Frieden von Pressburg im Dezember 1805 war Vor- Dem Organisationskommissär von Merz waren Abraham derösterreich Geschichte. Statt Schwäbisch-Österreich wur- Kutter und für die Finanzen Oberamtsrat Höcht zugeteilt. de Vorarlberg nun Bayerisch-Schwaben zugeteilt. Dieses Trio erwies sich als erheblich korrupt; nach dem Vorarlberger Aufstand von 1809 sollte ihnen schonungslos In Kurbayern waren 1799 als Verwaltungssprengel die drei der Prozess gemacht werden.68 Provinzen Bayern, Oberpfalz und Neuburg eingerichtet worden, die von Landesdirektionen dirigiert wurden.62 In ausführlichen Beschreibungen ließ sich die Organisati- Nach diesem Muster wurden auch die zahlreichen Neu- onskommission die Verhältnisse in den Herrschaften Bre- werbungen organisiert, die schwäbischen Gebiete 1803 zu genz, Feldkirch und Bludenz (inklusive Sonnenberg und einer Provinz Schwaben mit einer Landesdirektion in Ulm Montafon) darstellen.69 Im Vorarlberger Landesarchiv ist zusammengefasst.63 im Konzept ein 87 Seiten starker „Organisationsentwurf“ für das „Land Vorarlberg“ überliefert, der leider weder ge- Im Besitzergreifungspatents vom 30. Jänner 1806 teilte Kö- zeichnet noch datiert ist. Er entstand wahrscheinlich nach nig Maximilian mit, dass er Karl Graf von Arco mit der pro- dem 1. September 1806. Das Original war vermutlich als visorischen Administration Vorarlberg beauftragt habe,64 Motivenbericht für die Entscheidungsträger in München der wenige Tage später die Leitung des Guberniums in bestimmt. Soweit er in Ichform gehalten ist, dürfen wir die Innsbruck übernahm. Nun sah sich der König aus mehre- Aussagen Merz zuschreiben. Für die Vorschläge waren als ren, nicht weiter genannten Gründen bewogen, mit Ver- „vorzügliche Gesichtspunkte“ bestimmend: ordnung vom 26. April 1806 die Vereinigung der ihm durch den Pressburger Frieden zugewiesenen „vorarlbergischen „I. Die Vereinigung der bisher als ganz fremde Gebietstheile Herrschaften“ in allen Zweigen der Verwaltung mit seiner behandelten Inclaven, und ihre Assimilirung mit dem allge- „schwäbischen Provinz“ zu vereinigen und von Tirol, „wie meinen Regierungs-Systeme. [Blumenegg, St. Gerold, Schi- unter der kaiserlich-österreichischen Regierung auch schon nau (Laubenberg), Ellhofen und Lustenau.]

Seite 383 II. Die Auflösung der bisher bestandenen Justiz-, Polizey- fristige Ziel müsse es sein, Sternbachs Rechte abzulösen. und Kameral-Behörden und ihrer untergeordneten Ämter Der Reichshof Lustenau werde im Entwurf als „ein seiner und Rezepturen. Reichsunmittelbarkeit beraubtes und den unbeschränkten III. Die neue Eintheilung des Landes in eine verhältnismä- Landeshoheit ganz unterworfenes Patrimonialgericht“ be- ßige Anzahl von Landgerichte und Rentämter, in Folge der handelt. Hinsichtlich der Herrschaften Vaduz und Schel- systematischen Trennung der Justiz von den Cameral- und lenberg habe die Kommission aufgrund der immer noch Administrations-Geschäften.“70 zweifelhaften „Subjections-Ansprüche“ und da der Fürst von Liechtenstein als Mitglied des Rheinbundes seine Die Einteilung des Landes in Justiz- und Kameralämter habe Souveränität behauptete, „Anstand genommen“, dieses aufgrund seiner geographischen Beschaffenheit, seiner Fürstentum als einen Landesteil Vorarlbergs zu behandeln. Landesverfassung und aus finanziellen Rücksichten große Schwierigkeiten bereitet. Die finanziellen Verhältnisse bildeten bei weitem das we- sentlichste Organisationshindernis, stünden die geringen Geographie und Klima des gebirgigen Landes ließen kei- „revenuen“ (Erträge) dieses Landes in keinem Verhältnis ne wirklich befriedigende Organisationsstruktur zu, zumal mit den „ungeheuren Besoldungen“ und Regiekosten, die Gerichte Mittelberg, Tannberg und Damüls im Winter wenn diese nach den allgemeinen Vorschriften reguliert zum Teil völlig isoliert seien. Für sie wurden administrative werden sollten.71 Entsprechend einer Bevölkerungszahl von Sonderregelungen getroffen. 90.000 Seelen müssten neun Landgerichte und neun Ren- tämter errichtet werden. Die Kommission schlug vor, sowohl Die Landesverfassung räume den Landammännern und hinsichtlich der Zahl der Ämter als auch der Besoldung von Dorfgerichten einen aktiven Wirkungskreis und Amtsbe- der allgemeinen Organisationsnorm abzuweichen.72 fugnisse zu, die mit dem „Geist des neuen Organismus“ und dem allgemeinen Staatsverwaltungsgrundsatz ganz Auf dieser Entscheidungsgrundlage verfügte König Max unvereinbar seien und den neuen königlichen Beamten mit Reskript vom 16. November 1806 eine Neuorganisation eingeräumt werden müssten. Ein zweites konstitutionelles der Verwaltung und Rechtssprechung in dem „unter dem Hindernis, vor allem für die Arrondierung der Landgerichts- Namen der vorarlbergischen Herrschaften begriffene[n] bezirke, bestehe im engen Verband der verschiedenen Landes-Bezirk“ (siehe Edition im Anhang).73 Sie erfasste Gemeinden, aus denen ein Gericht bestehe, in allen admi- die landesfürstliche wie die landschaftliche Verwaltung. Es nistrativen Gegenständen, wodurch jeder Gerichtsbezirk wurde ein Provisorium geschaffen. Die endgültige Regelung zum „selbständigen Ganzen“ gebildet worden sei, dessen sollte im Rahmen der beabsichtigten Staatsreform getrof- Trennung mit großen Schwierigkeiten verknüpft und in ih- fen werden. Wenige Tage später erging eine gleichartige ren Folgen von unübersehbaren Verwirrungen begleitet Regelung für Tirol.74 sein würde. Ein weiteres staatsrechtliches Hindernis sei die Ausübung verschiedener Hoheits- und Jurisdiktionsrechte, Das Vorarlberger Organisationsreskript wurde am 3. De- die der Lehensbesitzern der Herrschaft Bludenz in den zember im Königlich-Baierischen Regierungsblatt kundge- Gerichten Sonnenberg, Montafon und der Stadt Bludenz macht.75 Die Zeitschrift „Der Rheinische Bund“ konnte die bisher unter ständigen Widersprüchen dieser Gerichte und Neuorganisation 1807 bereits mit statistischen Angaben zum Nachteil der Justizpflege ausgeübt habe. Das mittel- mitteilen.76

Seite 384 Siegel Landgericht Dornbirn

4.1. 1. Jänner 1807: Ein Kreiskommissariat, sieben Wie von Merz vorgeschlagen, wurde die Errichtung von sie- Landgerichte, zwei Rentämter ben Landgerichten – Montafon, Sonnenberg, Feldkirch, Dornbirn, Innerbregenzerwald, Bregenz und Weiler – ange- Das Ober- und Kreisamt in Bregenz wurde aufgelöst. Die ordnet (Pkte. 10, 13—28); zudem von Rentämtern in Feld- Aufgaben des Oberamtes gingen an die Landgerichte über. kirch und Bregenz errichtet, die jeweils für mehrere Landge- Als untere Mittelbehörde wurde die Errichtung eines reinen richtsbezirke zuständig wurden (Pkte. 12, 32, 33). Kreisamtes in Bregenz angeordnet, „um das nöthige Mit- telorgan zwischen der Landesstelle, und den unteren Aem- Um den Standort dieser Ämter hatten sich die Stände und tern herzustellen“ (Pkt. 34). Der bisherige Kreishauptmann Gemeinden einen Wettbewerb geliefert, zum Teil angebo- Franz von Vintler wurde in dieser neuen Funktion bestätigt, ten, für die Unterbringung zu sorgen, und vereinzelt noch damit auch als Präses der Landstände. Organisationskom- mehr. missär Merz hielt ihn für den geeigneten Mann, solange, und nur solange, die systematischen Reformen auf dem Als Sitz eines Landgerichts im Norden gab die Kommissi- Weg der Güte und ohne Widerstand von Seiten der Land- on dem Markt Weiler gegenüber dem entlegenen Weitnau stände durchgesetzt werden können.77 Als Vintler am 22. den Vorzug, das bisher Sitz der Administration der Herr- April 1807 starb, wurde er durch Merzens „Kompagnon“ schaft Hohenegg gewesen war. – Im Gericht Innerbregen- Abraham Kutter ersetzt. zerwald wetteiferten die Gemeinden vor und hinter der Bezegg um die Zentralfunktion. Die vorderen Gemeinden Wie in allen neu erworbenen Gebieten sollten auch in stritten für Schwarzenberg, „den Geburtsort [sic!] der be- Vorarlberg nach altbayerischem Vorbild flächendeckend rühmten Angelika Kaufmann,“ die sich am 13. August von „Landgerichte“ als erstinstanzliche Gerichte und Admini- Rom aus in einem Brief an Merz für ihr Bregenzerwälder strativbehörden sowie „Rentämter“ als Finanzbehörden „Vatterland“ und besonders für die „bitte der einwohner“ eingerichtet werden. Schwarzenbergs verwendete.78 Doch die hinteren Gemein- den setzten sich erfolgreich für Bezau ein, wo vor einigen Bei der Einteilung ihrer Bezirke setzte die Organisations- Jahren ein neues Gerichtshaus errichtet worden war. Als kommission voraus: die „Einheit und Untheilbarkeit des Ausgleich schlug die Kommission vor, dafür der Sitz der Landes Vorarlberg“ und dass folglich seine bisherigen Landammannschaft nach Schwarzenberg zu verlegen und Grenzen fortbestehen und kein Landesteil einem fremden den Landammann jederzeit aus einer Gemeinde außer Landgericht zugeteilt werde; dass auch die bisherigen der Bezegg zu nehmen, die ohnehin über die Mehrheit der Vorarlberger Gerichte nicht zerstückelt, sondern immer Stimmen verfügten; die Kommission zeigte sich gerade in ganze Gerichtsbezirke nach der örtlichen Beschaffenheit diesem traditionell sehr privilegierten und sensiblen Ge- zusammengelegt ein neues Landgericht bilden sollen; dass richt um Ausgleich bemüht. – Der Sitz des Landgerichts und die neu einverleibten Enklaven den nächstgelegenen Ren- des Rentamtes Bregenz sollte, sofern die Stadt ein Gebäude tämtern und Landgerichten zugeschlagen und grundsätz- stellt, Bregenz sein, sonst allenfalls das im Gericht Hofrie- lich nach gleichen Verwaltungsnormen behandelt werden; den gelegene Kloster Mehrerau. Die zum Landgericht verei- dass bei der Neueinteilung dieses Gebirgslandes nicht so nigten Stände ließen sich schließlich dazu bewegen, sich sehr auf gleich große Verwaltungsgebiete Rücksicht genom- am Ankauf eines Landgerichtsgebäudes in Bregenz finanzi- men werden kann, sondern mehr auf annähernd gleich ell zu beteiligen, nicht aber am Rentamt, nachdem es dem große Bevölkerungszahlen zu achten ist. Stadtmagistrat freigestellt gewesen sei, die Amtshäuser

Seite 385 Einteilung in Herrschaften und Gerichte bis 1806

Seite 386 Einteilung in Landgerichte ab 1807 (von den Patrimonialgerichten ist nur Lustenau eingezeichnet)

Seite 387 zur Verfügung zu stellen, wovon die Stadt und ihre gewer- betreibende Bürgerschaft allein den Nutzen zögen.79 – Im unteren Rheintal bewarben sich Dornbirn und Hohenems („und hier vorzüglich die Jüdische Gemeinde“) um den Sitz des Landgerichts; die Kommission befand sie für gleichwer- tig und überließ die Wahl der allerhöchsten Entscheidung. Sie fiel auf Dornbirn. – Im Süden anschließend lagen das große Gericht Rankweil-Sulz und die kleine Stadt Feldkirch im Wettstreit. Die späteren Volkshelden Josef Siegmund Nachbaur und Andreas Watzenegger sollen vergeblich eine Bestechungsaktion organisiert haben, damit Rankweil Sitz des neuen Landgerichts werde, wo bisher das Ortsgericht Rankweil-Sulz und das alte freie Landgericht Rankweil- Müsinen getagt hatten, nicht zum finanziellen Nachteil der Schöffen Nachbaur und Watzenegger.80 Doch die land- schaftliche Direktorialstadt Feldkirch setzte sich durch. – Die Blumenegger Gemeinden blitzten mit dem Vorschlag ab, ihr Amtshaus in Thüringen als Sitz des Landgerichts zu verwenden; einerseits wegen der schwierigen Erreichbar- keit aufgrund einer fehlenden Illbrücke, andrerseits weil das weit größere Gericht Sonnenberg den Sitz für seinen Hauptort Nüziders reklamierte. [In Nüziders besaß der Stand Sonnenberg ein Gerichtshaus mit einem Stall, der provisorisch als Gefängnis dienen sollte.]81 Die Kommission schlug Nüziders vor, bis durch eine gütliche Übereinkunft mit Freiherrn von Sternbach eine Verlegung in das schöne Schloss in Bludenz möglich werde. Bis dahin werde von ei- ner Verlegung nach Bludenz auch deshalb abgeraten, „da den Sonnenbergern jede Abhängigkeit von Bludenz seinem Dynasten lästig ist.“ – Für das Montafon stand der Hauptort Schruns außer Diskussion.82

Die Generalzuständigkeit der Landgerichte wurde durch zwei Einrichtungen durchbrochen, durch Stadtgerichte und durch Patrimonialgerichte.

Königlich Baierisches Regierungsblatt 1806

Seite 388 Seite 389 4.2. 1. Jänner 1807: Stadtgerichte Bregenz, Feldkirch, herigen Magistraten überlassen bleiben sollte, da in Mün- Bludenz chen noch nicht bestimmt worden sei, ob in Bregenz und Feldkirch der Magistrat wie bei den ehemaligen Reichsstäd- Im März 1806 war für die Provinzen Bayern, Oberpfalz, Neu- ten neu organisiert oder die Normalverordnung über die burg, Schwaben und Franken eine Verfassung der kleineren kleineren Munizipalstädte zur Anwendung gebracht werden Munizipalstädte und Märkte ergangen,83 die unter ande- solle; das letztere allfällig mit geeigneten Modifikationen, rem eine Professionalisierung der Gerichtsbarkeit zum da es sich um landständische Direktoralstädte handle. Ziel hatte, soweit sie diesen Kommunen durch Privilegien übertragen war, was in Feldkirch und Bregenz, theoretisch In Bludenz hatte der Dauerstreit zwischen den Bürgern auch in Bludenz, der Fall war. Mit der Gerichtsbarkeit waren und dem Pfandinhaber bereits 1785 zur Einsetzung eines rechtskundige, geprüfte und besoldete Richter zu betrauen. landesherrlichen Administrators anstelle des Stadtrats Wo das unterlassen wird oder die Gemeinde dazu nicht im geführt, dem die Stadtverwaltung, die zivile Gerichtsbar- Stand ist, geht sie an das Landgericht über. Diese Stadtge- keit und die niedere Polizei unterstanden.85 Damit, so die richte waren auf die Gerichtsbarkeit beschränkt. Organisationskommission, sei in Bludenz bereits von der alten Regierung die Funktion eines Stadtrichters und Stadt- In Vorarlberg sollte der Stadtrichter aber zugleich zum kommissärs vereinigt worden. Die Strafgerichtsbarkeit übte Stadt- und Polizeikommissär ernannt werden. Das dürfte allerdings das Vogteiamt Bludenz der Freiherren von Stern- auch der Grund sein, weshalb die Städte Bregenz, Feldkirch bach aus. Seit der Errichtung eines separaten Sternbachs- und Bludenz durch das Organisationsreskript nicht aus- chen Gerichts für das Montafon (1775) wurde zwischen der drücklich in die Landgerichtssprengel einbezogen wurden. „Herrschaft Bludenz“ und der „Herrschaft Montafon“ un- Für Bregenz und Feldkirch wurde die Errichtung von Stadt- terschieden. Die Herrschaft Bludenz umfasste das heutige gerichten angeordnet (Pkte. 11, 29, 30), für Bludenz in Aus- Stadtgebiet, das ins Klostertal ausufert. Beim Anschluss sicht genommen (Pkte. 31, 34). an Bayern zählten der befestigte Stadtkern 807, die zwölf „Dörfer“ im Weichbild 698 Einwohner. Die Kommission Bei Bregenz war die Sache für die Organisationskommissi- schlug vor, das Stadtgericht zu belassen, ihm eventuell on klar:84 Sie war eine landschaftliche Direktoralstadt, ver- aber auch die Kriminaljustiz zuzuerkennen, jedenfalls aber fügte bereits über eine Gerichtsbarkeit, überschritt die ge- den Wirkungskreis des Stadtrichters als Administrator auf forderte Bevölkerungszahl bei weitem, entlastete mit einem die höheren Polizeigegenstände auszudehnen, weil in der Stadtgericht das Landgericht, zumal wenn die Landrichter Polizei und Verwaltung eine geteilte Zuständigkeit zwischen zugleich zum Stadtkommissär (Polizeikommissär) ernannt Sternbach und Stadt zu Unordnung und Spaltung führe. würde, womit die Hälfte der Besoldung der Stadt überbür- Das Gesuch der Stadt Bludenz, ihre Magistratsverfassung det werden könnte, die dafür ihren Syndikus einspart. wieder herzustellen, dürfte auf jeden Fall so lange auf sich beruhen, bis sehr zerrütteten Stadtfinanzen wieder geord- Dieselben Gründe sprachen für Feldkirch. Es hatte zwar ein net seien. Für diese dringende Aufgabe besitze der Admini- Drittel weniger Einwohner, kein Gebiet, einen geringen Um- strator Joseph Hilar Dialer allerdings nicht genügend „Thä- fang, aber große Privilegien. tigkeit“ und persönliches Ansehen.86

Die Vorschläge der Kommission begnügten sich vorerst mit Der König behielt sich in Bezug auf das Stadtgericht Blu- der Verstaatlichung der kommunalen Justiz- und Polizeige- denz das Weitere vor; zunächst gelte es, die Rechte und walt, während die übrige Verwaltung einstweilen den bis- Privilegien des Freiherrn von Sternbach abzuklären (Pkt. 31;

Seite 390 vgl. auch 34). Die Administration der Stadt Bludenz wurde beibehalten; wo das nicht der Fall war, stand sie den Land- Landgericht Sonnenberg unterstellt, das als „Stadtkommis- gerichten zu. Sofern der Gerichtsherr die Gerichtsbarkeit sariat“ waltete. Administrator Dialer wurde durch Theodor selbst ausüben wollte, musste er sich einer Prüfung durch Fritz, ehedem Landschreiber des Montafon, abgelöst.87 die zuständige Landesstelle unterwerfen. Das galt auch für einen von ihm bestellten „Gerichtshalter“, den er nicht Auch die Stadtgerichte Feldkirch und Bregenz dürften letzt- mehr eigenmächtig entlassen konnte. lich auf die Gerichtsbarkeit beschränkt worden sein. Der Feldkircher Stadtrichter Alois Eberlin wurde erst am 27. Im März 1807 folgte die Regelung der künftigen Verhältnisse August 1807 in sein Amt eingesetzt, am 12. Oktober 1807 der „Standesherren“, die allerdings nicht so großzügig aus- Landrichter Christoph von Gugger als Stadtkommissär und fiel, wie es die Rheinbundakte hatte erwarten lassen.92 Polizeidirektor eingeführt.88 Mit Verordnung vom 6. Juni 1807 wurden nach dem Vorbild der Patrimonialgerichtspflege in den neu erworbenen Ge- 4.3. Patrimonialgerichtsbarkeit bieten die Guts- oder Hofmarksgerichtsbarkeit in den Pro- vinzen Bayern, Oberpfalz und Neuburg geregelt;93 und im Ausgangspunkt einer gesamtbayerischen Regelung der Juli klargestellt, dass diese Verordnung auch für Franken, Patrimonialgerichte war die Rheinbundakte vom 12. Juli Schwaben und Tirol, ergänzend und erläuternd zu den in- 1806.89 Den durch diesen Vertrag zu Lasten Dritter mediati- dividuellen Verordnungen, als „Normalgesetz“ zu gelten sierten Fürsten, Grafen und Herren – den künftigen „Stan- habe.94 Dadurch wurde dem Gerichtsherren bei Strafe und desherren“ – wurde Schonung in Aussicht gestellt, der me- Nichtigkeit untersagt, sich in die Gerichtsbarkeit seines Ge- diatisierten Reichsritterschaft von vornherein weit weniger richtshalters einzumischen. Der Gerichtsherr musste die- garantiert.90 sen ordentlich bestallen, also ein fixes Gehalt zahlen, und konnte den Dienstvertrag nur kündigen, wenn er selbst die Als den neuen Landesherren vorbehaltene Souveränitäts- Rechtssprechung unternahm oder der Gerichtshalter wegen rechte wurden die Gesetzgebung, die obere Gerichtsbarkeit einer „administrativen oder organischen Änderung“ entlas- und Oberpolizei, militärische Konskription oder Rekruten- sen werden muss. Der Wohnsitz des Gerichtherrn oder sei- zug und das Recht der Auflagen definiert (Art. 26). Zu den nes Gerichtshalters soll von den „Gerichtsholden“, über die garantierten Herrschafts- und Feudalrechten zählte eine er seine Gerichtsbarkeit ausübt, nicht über drei Meilen ent- Patrimonialgerichtsbarkeit, die im Rahmen der allgemei- fernt sein, und das Gericht, wenn kein besonderes Amts- nen Durchführungsverordnungen zur Rheinbundakte gere- haus dazu bestimmt ist, in der Wohnung des Gerichtsherrn gelt wurde, für die ehemalige Reichsritterschaft und ihre oder Gerichtshalters gehalten werden. „Hintersassen“ mit einer Deklaration vom 31. Dezember 1806.91 Ihnen wurde die Zivil- und Kriminalgerichtsbarkeit Die Patrimonialgerichtsbarkeit war vom Staat delegiert und auf unterer Ebene zugestanden, soweit Rittergüter bereits seiner Regelungskompetenz und Aufsicht unterworfen. Den bisher damit privilegiert gewesen waren. In Justizsachen Gerichtshaltern konnten neben der Gerichtsbarkeit auch sollten diese Patrimonialgerichte ausnahmslos unmittelbar Verwaltungsangelegenheiten übertragen werden, die aller- den königlichen Hofgerichten unterworfen sein (für Schwa- dings, soweit es nicht nur die Vermögensverwaltung des Pa- ben in Memmingen). Soweit sie über einen geschlossenen trimonialherrn betraf, durch die Generalzuständigkeit und Distrikt verfügten, konnten sie die Kriminalgerichtsbarkeit Aufsicht der Landgerichte beschränkt war.

Seite 391 4.4. Pappus: Patrimonialgericht Laubenberg 4.6. Wolkenstein-Rodenegg: Patrimonialgericht Neuburg

Entsprechend der Rheinbundakte bestimmte bereits das Pfandherren der so genannten „großen Pfandschaft Neu- Organisationsreskript vom November 1806, dass die ritter- burg“ mit den Burgruinen Neuburg, Alt- und Neumontfort, schaftlichen Besitzungen Laubenberg (hier „Schinau“) und Tosters und Jagdberg samt Zubehör waren seit 1777 die Tiroler Waltrams im Landgericht Weiler „in der Eigenschaft von Pa- Grafen Wolkenstein-Rodenegg.100 Ab 1795 hatten die Brüder trimonial-Gerichten der Landeshoheit unterworfen werden“ Josef und Wenzel von Wolkenstein diese und weitere Pfand- (Anhang, Pkt. 3.c). schaften in Tirol inne. Mit der Pfandschaft Neuburg war als österreichisches Lehen die Niedergerichtsbarkeit im land- Mit dem österreichischen Lehen Schloss Altlaubenberg schaftlichen Gericht (Stand) Neuburg verbunden, das deshalb war die niedere Gerichtsbarkeit und das Fischereirecht im in der Landesbeschreibung von 1792 auch als das „Graf Wol- „Schinauischen Distrikt“ verbunden.95 Beim Übergang an kensteinische Pfandgericht Neuburg“ bezeichnet wurde, aller- Bayern stand dem belehnten Geschlecht der Freiherrn Pap- dings ausdrücklich als Bestandteil der Herrschaft Feldkirch.101 pus von Tratzberg Anton Remigius Pappus (1756 bis 1810) vor,96 ehedem Kemptischer Erbhofmarschall, geheimer Rat Wie bereits in den österreichischen Behördenschematismen und Pfleger zu Kemnat und Apfeltrang, Trierischer Kämme- fand die Herrschaftsverwaltung der Pfandschaft Neuburg rer, Ritterrat und Ausschuss des Kantons Hegau-Allgäu-Bo- auch im bayerischen Organisationsreskript von 1806 keine densee, Herr der Herrschaften Laubenberg und Rauhenzell Erwähnung, sehr wohl aber im Organisationsentwurf: Die – kurz: ein schwäbischer Reichsritter und vormals Beamter 114 Familien der Herrschaft Neuburg seien so lange noch als in kirchenfürstlichen Diensten, der seine kleinen Patrimo- „mittelbare Familien“ zu betrachten, bis dem Pfandinhaber nialgerichte Lauberberg (41 Familien) und Rauhenzell (24 die Verbindlichkeit auferlegt werde, seine niedere „Jursidic- Familien) durch Obervogt Johann Nepomuk Nipp zu Wan- tions-Gerechtsame“ dem königlichen Landrichter zu delegie- gen, später zu Rauhenzell, verwalten ließ, der ihm auch ren, was er sich wahrscheinlich eher gefallen lasse dürfte, als als Patrimonialrichter diente.97 Der Sprengel des Patrimo- die Verpflichtung, einen eigenen Justizbeamten zu unterhal- nialgerichts Laubenberg umfasste die Dörfer Motzgadsried ten, die dem Dynasten auferlegt werden könnte.102 (7 Familien) und Schönau (32 Familien) und die Einöde Laubenberg (2 Familien) bei der Burgruine Altlaubenberg Bayern, wie später auch Österreich, war nicht willens oder (heute alle Gemeinde Grünenbach, Landkreis Lindau).98 in der Lage, die Jurisdiktionsrechte finanziell abzulösen. 1810 erbte der minderjährige Sohn Anton Remigius II. Pap- Sie bauten mit Erfolg darauf, dass den „Dynasten“ die ver- pus (1797 bis 1810) die Herrschaften, der es im bayerischen pflichtende Professionalisierung ihrer Gerichte mit der Zeit Heer zum Rittmeister bringen sollte. zu kostspielig werde. Die Grafen von Wolkenstein gaben aber nicht so schnell auf. Ihr Gericht Neuburg wurde am 10. Dezember 1807 als Patrimonialgericht bestätigt, als reine 4.5. Hundbiß: Patrimonialgericht Waltrams Justizbehörde.103 Im Übrigen unterstand auch die Gemein- de Neuburg (Koblach) dem Landgericht Feldkirch. Patrimo- Im ärmlichen Patrimonialgericht Waltrams der Herren von nialrichter Johann Georg Herburger war weiterhin auch als Hundbiß (Humpis), das aus dem Dorf Waltrams (20 Fami- Herrschaftsverwalter tätig. Seine Grafen bezogen Domini- lien, heute Gemeinde Weitnau, Landkreis Oberallgäu) be- kalrenten aus halb Vorarlberg.104 Herburger residierte zu- stand, fungierte ein Herr von Hundbiß zu Kempten selbst nächst in Dornbirn. 1812 verlegte er den Gerichtssitz nach als Patrimonialrichter.99 Feldkirch.105

Seite 392 Patrimonialgericht und Steuerdistrikt Neuburg 1813 (Josef Ellensohn)

Den 1807 verstorbenen Graf Wenzel beerbte seine Witwe Aus dem 1813 angefertigten Eingabeplan für die Bestäti- Gräfin Therese von Wolkenstein-Rodenegg, die mit ihrem gung als Ortsgericht erfahren wir, dass der Gerichtsbezirk Schwager Josef 1811 die Pfandschaften teilte, wodurch sie im Südosten und im Nordwesten nicht den ganzen Steuer- Alleinbesitzerin von Neuburg wurde. Als Wohnsitz der Patri- distrikt Neuburg umfasste,108 der im Wesentlichen mit heu- monialherrschaft ist Innsbruck angegeben.106 tigen Gemeinde Koblach (10 km²) identisch sein dürfte. Zum Sprengel zählten die Dörfer Au (25 Familien), Koblach (47), Im ab 1809 erscheinenden „Adresskalender oder Tasche- Neuburg (29) und Straßenhausen (8), die Weiler Bromach buch des Illerkreises“ sind das Patrimonialgericht Neu- (4) und Dürne (3) sowie die Einöden Birken (2) und In der burg am Rhein und das gleichnamige Patrimonialgericht Rütte (1).109 Möglicherweise unterstanden dem Patrimonial- Neuburg an der Kamel als einzige als „landesherrliches gericht Neuburg zudem einige Lehenhöfe in der benachbar- Pfandlehen“ (Rhein) bzw. als „königlich baierisches Lehen“ ten Pfarre Götzis (Gericht Rankweil-Sulz).110 (Kamel) ausgewiesen.107

Seite 393 Kloster Mehrerau mit der 1740 abgebrochenen romanischen Kirche

4.7. Harrach-Hohenems: Patrimonialgericht Lustenau 4.8. Sternbach: „Patrimonialkriminalgericht“ zu Bludenz

Das „gräflich Harrachische Obervogtey-Amt“ in Hohenems Die Autorität der Freiherren von Sternbach als Lehensinha- wurde zwar nicht aufgelöst, aber den verordneten Verände- ber hatte bereits in österreichischer Zeit stark gelitten. Das rungen unterworfen (Pkt. 7b). Es hatte als landesherrliche Vogteiamt sei nur mehr ein „Schattenbild“, klagte Vogtei- Behörde des Reichshofes Lustenau gedient, zudem zur Ver- verwalter Platzer dem Kreisamt im Juni 1806. Die Gerichte waltung der Hohenemser Allodien. Sonnenberg, Bludenz und Montafon gestünden ihm nur noch die „odiosen“ (verhassten) Polizei- und Kriminalun- Am 5. Februar 1807 betraute die Organisationskommis- tersuchungen zu.115 Mehr hatte Sternbach auch von den sion den bisherigen Oberamtmann Franz Xaver Seewald Bayern nicht zu erwarten, die Auskunft über die Rechtsver- mit der Patrimonialgerichtsbarkeit.111 Am 16. Februar 1807 hältnisse verlangten.116 teilte er dem Gerichtsammann in Lustenau mit, der gräf- lichen Herrschaft sei gemäß der am 1. September 1806 vom Das „Obervogtey-Amt des Freiherrn von Sternbach“ in Blu- bayerischen König „apprehendierten“ Landeshoheit, der denz blieb im November 1806 unter den geänderten Bedin- allgemeinen Landesorganisation und der Errichtung des gungen bestehen (Pkt. 7a). Es wurde durch die Errichtung Landgerichts Dornbirn die bürgerliche und peinliche Ge- der Landgerichte Sonnenberg und Montafon in seinen Kom- richtsbarkeit mit mehreren Polizeigegenständen als Patri- petenzen radikal beschnitten, ohne den Lehensinhaber zu- monialgericht zugedacht worden. Das bisherige Hofgericht vor zu konsultieren oder zu informieren, wie sich Ludwig zu Lustenau sei damit wie alle Ortsgerichte aufgelöst und Franz Freiherr von Sternbach beklagte.117 Die Administration werde auf die Verwaltung der ökonomischen Verhältnisse der Stadt (= „Herrschaft“) Bludenz wurde kommissarisch reduziert.112 dem Sonnenberger Landrichter unterstellt.

Am 25. Mai 1807 ordnete die Landesdirektion an, dass sich Zum Sitz des Landgerichts Sonnenberg war vorläufig Nüzi- das Amt künftig nicht mehr als „Gräflich Waldburgisch- ders bestimmt worden, seine Verlegung ins Schloss Bludenz Truchsessisches Patrimonialgericht“ bezeichnen dürfe, aber bereits geplant (Pkt. 25). Seinem Sprengel wurden au- sondern künftig den Titel „K. b. gräflich von Harrachisches ßer Sonnenberg noch Blumenegg, St. Gerold, Damüls und Patrimonialgericht“ zu führen habe, wobei es die Landes- Tannberg und letztlich auch die Stadt Bludenz zugeschla- direktion für nicht dienlich erachtete, die Beweggründe für gen. Das neue Landgericht Sonnenberg war damit um gut diesen Erlass jetzt näher anzugeben.113 ein Drittel größer als Sternbachs Herrschaft Sonnenberg.

Der Durchschnitt der 19 im Adresskalender des Illerkreises Die Landgerichte Sonnenberg und Montafon sollten 1808 zu Jahresbeginn 1809 ausgewiesenen Patrimonialgerichte zu den größeren des Illerkreises zählen (vgl. Tab. 1). Kein betrug 52 Familien, die kleinsten zählten 2 und 3 Familien. Patrimonialgericht reichte auch nur annähernd an sie he- Mit 459 Familien lag Lustenau mit großem Abstand an der ran (vgl. Tab. 2). Der bayerische Staat wollte und konnte die Spitze (vgl. auch Tab. 2).114 Herrschaften Sonnenberg und Bludenz-Montafon nicht dem Freiherrn von Sternbach überlassen, zumal dieser mit der Finanzierung des professionalisierten Behördenapparats wohl auch überfordert gewesen wäre. Die Patrimonialge- richtsbarkeit war auf kleinere Herrschaften zugeschnitten.

Seite 394 Mit Schreiben vom 29. Dezember 1806 teilte die Einwei- organisieret, und als solches wegen verschiedenen Modifi- sungskommission dem „K. b. Freiherr von Sternbachischen kationen beinahe nur ein Scheingericht“, schrieb der Plat- Patrimonialvogteiamt zu Bludenz“ mit, dass sie die Land- zer im Dezember 1807 an die Landesdirektion nach Ulm und richter der Landgerichte Sonnenberg und Montafon mit wies damit den Auftrag zurück, ein Inventar des Stiftungs- voller Polizeigewalt in ihre Funktion eingewiesen und das und Kommunalvermögens zu erstellen.123 Nur die „onerose Vogteiamt ihnen die entsprechenden Akten zu übergeben Kriminaljurisdiktion“ scheine ihm noch belassen worden zu habe.118 Wir dürfen annehmen, dass das Schreiben Vogtei- sein.124 „Oneros“ war das Gegenteil von „lukrativ“. verwalter Platzer anlässlich der Einführung des Sonnenber- ger Landrichters in Nüziders ausgehändigt wurde, zu der er ein- oder vorgeladen war. 4.9. Eingliederung ehemals kirchlicher Vermögensverwaltungen In München wurde die finanzielle Ablösung der Rechte des Lehensinhabers geprüft, vorläufig aber ein merkwür- Mit dem Organisationsreskript von 1806 (Anhang, Pkt. diges Arrangement getroffen: Die Verwaltung und Justiz in 6) wurden auch ein „Oberamt des Stiftes Mehrerau“, den bisher „mittelbaren“ Herrschaften Sonnenberg und eine „Administration des Priorats St. Johann“, „Amts- Bludenz-Montafon besorgten ab 1. Jänner 1807 die landes- Ammannschaften der St. Gallischen und Stift-Churischen fürstlichen Behörden grundsätzlich wieder unmittelbar, Besitzungen“ und die „Rezeptur zu Bendern“ aufgelöst. mit einer Einschränkung: Sternbach wurde provisorisch Es handelte sich dabei durchwegs um ehemals kirchliche noch die Kriminalgerichtsbarkeit in den Landgerichten Vermögensverwaltungen, deren Güter und Rechte sich der Sonnenberg und Montafon belassen, allerdings sinnge- Staat bereits angeeignet hatte, um „Sequestrations-Recep- mäß nach den für Tirol erlassenen Bestimmungen ohne turen“,125 die nun durch die Rentämter in direkte Staats- Entscheidungsrecht.119 Dort durften Landgerichte und Patri- verwaltung übernommen wurden und zu einem guten Teil monialgerichte, die nicht vorschriftsmäßig besetzt waren, unter den Hammer kommen sollten. nur noch die Untersuchungen führen, um anschließend die Akten zur Urteilssprechung an das Appellationsgericht Die Abtei Mehrerau (Benediktiner) bei Bregenz, in der Or- zu senden. Die Landgerichte hatten die Patrimonialrichter ganisationskommissär von Merz residierte, hob die bay- zu beaufsichtigen.120 Es bliebe zu klären, inwieweit diese erische Regierung mit 1. September 1806 auf; den Kon- Regelung in Vorarlberg auch sonst zur Geltung gebracht ventualen räumte sie nur noch ein Bleiberecht bis Ende wurde. Für Sternbach bedeutete sie die Beibehaltung des Februar 1807 ein.126 Im Juni 1808 erwarb der nachmalige Status quo. Generallandeskommissär Dr. Anton Schneider den Kloster- komplex am See, im Dezember 1808 wurden die Kirche Vogteiverwalter Platzer wurde am 7. Jänner von der Organi- und ihr Turm abgebrochen und als Steinbruch für den Bau sationskommission und am 25. Mai 1807 von der Landes- der Hafenmauer in Lindau verwendet. 1810, nach dem ge- direktion in Ulm als Patrimonialgerichtshalter bestätigt.121 scheiterten Aufstand, machten auf Initiative des General- Viel dürfte er nicht zu tun gehabt haben. Für das vierte kreiskommissärs Reisach die „Unterthanen Vorarlbergs“ Quartal 1808 legte er ein Verzeichnis seiner Kriminalun- Königin Carolina das Klosteranwesen zum Geschenk.127 Die tersuchungen vor, in dem acht Fälle bis Oktober 1807 rück- Mehrerau wurde in „Carolinenau“ umbenannt, ebenso die erfasst sind.122 Das Sternbachsche Vogteiamt sei „bis zu Gemeinde Vorkloster.128 Königin Carolina zeigte kaum Inte- einem blosen partiellen Patrimonialkriminalgericht zusam resse daran.

Seite 395 Das Reichsstift Ottobeuren (Benediktiner) war bereits 1802 4.10. Integration zu einem Landesteil Bayerns zu Gunsten Bayerns mediatisiert und aufgehoben worden, wobei die Rechtsverhältnisse seines Priorats St. Johann in Im Register des Königlich-Baierischen Regierungsblattes für Feldkirch zunächst unklar blieben.129 Schließlich hatte es 1806 sind die einzelnen Schritte der Integration der Vorarl- sich der österreichische Ärar einverleibt. Die Bayern ver- berger Herrschaften und ihrer Enklaven ausgewiesen: wendeten den Klosterbau und seine Kirche für das Gymna- sium, der Rest wurde versilbert.130 26. Dezember 1805: „als konstitutiver Landestheil dem Kö- nigreiche Baiern einverleibt“; Die Fürstabtei St. Gallen (Benediktiner) hatte in Feldkirch 26. April 1806: „Vereinigung derselben mit der königlichen ein Amtshaus (heute: Neustadt Nr. 8) zur Verwaltung ihrer Provinz Schwaben“; Güter und Rechte in Vorarlberg unterhalten.131 Ihre Lan- 16. November 1806: „Organisirung und Gleichstellung der- deshoheit übernahm 1803 endgültig der neu geschaffene selben mit der Staatsverfassung in den übrigen königlichen Kanton St. Gallen, der 1805 die Aufhebung des Klosters Landen.“ verfügte. 1806 unterstanden sämtliche ehemaligen Herrschaften Der Süden Vorarlbergs gehörte zum Bistum Chur, das in erstmals einem gemeinsamen, zudem souveränen Lan- Vorarlberg über bedeutende Besitzungen und Patronate desfürsten. Durch das Organisationsreskript vom 16. No- verfügte, die vom Feldkircher Domkapitelhaus (heute: Neu- vember wurden sie zu einem staatlichen Verwaltungskreis stadt Nr. 12) aus verwaltet wurden, ohne dass der Fürstbi- zusammengeschlossen und damit wohl auch territorial schof in Vorarlberg über Hoheitsrechte verfügt hätte. Der integriert. Dem Regierungsblatt wurde ein topographischer Reichsdeputationshauptschluss von 1803 bereitete seiner Ausweis „königlich-baierischen Landes Vorarlberg“ bei- seit langem eingeschränkten Landeshoheit auch formell gegeben.135 Das geeinte Vorarlberg war nun ein Landesteil ein Ende und sprach das Bistum Chur der Helvetischen Re- des bunt zusammengewürfelten Königreichs Bayern, das publik zu, die auf das Verlustgeschäft einer Säkularisierung unter Federführung des Ministers Maximilian Freiherr (ab verzichtete. 1809 Graf) von Montgelas binnen weniger Jahre im Geist des aufgeklärten Absolutismus zu einem zentralistischen Österreich beschlagnahmte im Frühjahr 1803 sämtliche und bürokratischen Einheitsstaat reformiert wurde. „Der verbliebenen Liegenschaften, Kapitalien und Rechte der Souveränitäts- und Einheitsanspruch des rational durchge- schweizerischen Stifte in Tirol und Vorarlberg und ließ am gliederten Staates duldete keine Enklaven, keine Ausnah- 3. Dezember 1803 ein Inkammerationsdekret folgen, mit mestellungen kraft eigenem, nicht vom Staat übertragenen dem sie zugunsten der Staatskassa eingezogen wurden.132 Rechtes, keinen ‚Staat im Staate’.“136 Dieser Integrations- Bayern behielt diese Anordnung aufrecht, gestand dem prozess wurde durch die Konstitution für das Königreich Bischof von Chur aber eine jährliche Entschädigung von Bayern vom 1. Mai 1808 abgeschlossen. Vorarlberg ging in 6.000 Gulden zu.133 Die Verwaltung der St. Galler und Churer einem modernen Flächenstaat auf. Besitzungen übernahm das Rentamt Feldkirch.134

Das galt auch für die Statthalterei Bendern, die bis 1803 dem Kloster St. Luzi in Chur (Prämonstratenser) inkorpo- riert gewesen war.

Seite 396 4.11. Stände minimiert, Landschaft in Liquidation statt. Anstelle dessen sollte das Recht, die Kandidaten vorzuschlagen, künftig generell nur noch den staatlichen Die landständischen Sonderverfassungen, die nur noch Behörden zustehen und nur noch ein Ausschuss wahlbe- in Alt-Bayern, Neuburg, Tirol und Vorarlberg eine Rolle rechtigt sein.138 spielten, passten nicht in dieses Reformkonzept.137 Die Aufgaben der „landschaftlichen Korporationen“ wurden Mit der Liquidierung der „landständischen Repräsentati- schrittweise staatlichen Behörden übertragen, auch in on“ wurde sofort begonnen.139 Als klar war, dass es nicht Vorarlberg. bei der Doppelverwaltung bleiben würde, überboten sich Feldkirch und Bregenz mit Bestechungen.140 Die beiden Vielfach lesen wir in der landesgeschichtlichen und heimat- landständischen Kanzleien in Bregenz und Feldkirch wur- kundlichen Literatur, durch das Organisationsreskript von den durch ein staatliches, „Königlich bairisches Vorarl- 1806 seien die Vorarlberger Stände und ihre Landschaft bergisches landständisches Central-Bureau“ in Feldkirch aufgelöst worden. Das trifft nicht zu. ersetzt, das dem Kreiskommissär als landständischem Präses unterstand und noch im Dezember 1806 seinen Sämtliche „Landammanschaften und Dorfgerichte“ blieben Dienst aufnahm. Zum Leiter wurde Ignaz Rederer bestellt, ausdrücklich bestehen, ihr Wirkungskreis wurde aber auf der bisherige Syndikus der Stadt Feldkirch und Kanzlei- die „ökonomische[n] Verhältnisse ihres Bezirks, und der leiter der oberen Stände. Der landschaftliche Buchhalter landständischen Repräsentation“ zurückgeführt, dagegen Leopold von Gugger (Gugger von Staudach) diente sich die hohe und die niedere Gerichtsbarkeit – soweit noch der Organisationskommission mit vertraulichen Infor- gegeben – und die Polizeigewalt auf die landesfürstlichen mationen über das Finanzwesen an und wurde später Landesgerichte übertragen (Anhang, Pkt. 7c). – Diese An- beschuldigt, sie sogar mit veruntreuten Landschaftsgel- ordnungen galten auch für die Verwaltungs- und Gerichtge- dern zu seinen und seiner Brüder Gunsten bestochen zu nossenschaften in den bisherigen Herrschaften Hohenems, haben.141 Blumenegg, St. Gerold und Lustenau, deren Bevölkerung nicht in der österreichischen Landschaft vor dem Arlberg Im Juni 1807 verordnete der König eine gesamtbayerische vertreten gewesen war. Steuerreform. Der Staat zog die Einhebung der Staatsabga- ben wieder an sich, alle landschaftlichen Steuereinnehmer Noch waren die staatlichen Behörden, zumal die Finanz- und Kassen wurden abgeschafft. Am 22. Juni 1807 erfolgten behörden, auf die Gerichtsgemeinden angewiesen. Aller- in Bregenz, tags darauf in Feldkirch der Rechnungsab- dings trachtete die Organisationskommission danach, sie schluss und der Kassasturz, die beiden Kassen der Vorar- noch stärker in den Griff zu bekommen. Sie suspendierte lberger Landschaft wurden in die direkte Staatsverwaltung fällige Neuwahlen in der Landammannschaft Blumenegg überführt.142 „Was die ständische Verfassung selbst, ihre und im Gericht Sonnenberg und schlug vor, die direkte Erhaltung, oder ihre Umformung nach den Erfordernissen Volkswahl der Ammänner (durch Zulauf) abzuschaffen: höherer Staatszwecke, und der Einheit des Reiches betrifft;“ „Daß diese tumultarischen Wahlen immer für den Neuge- kündigte König Max in seiner Verordnung an, „so behalten wählten sehr kostspielig und manchmal für die öffentliche Wir uns vor, diese wichtige Materie, worauf die Wohlfarth Ruhe gefährlich geworden, ist leicht zu erachten.“ Deshalb des Staates, und seine Stärke beruhet, in die reifste Ueber- finde die Landammannwahl im Innerbregenzerwald schon legung zu nehmen, und hiernach Unsere Entschließung seit geraumer Zeit nur noch unter behördlicher Aufsicht darüber zu fassen.“143

Seite 397 Die Steuerreform zielte die auf eine Beseitigung der Steu- nau festgesetzte Besoldung mit Pensionsberechtigung und erprivilegien des Adels ab. Im österreichischen Vorarlberg Hinterbliebenenversorgung als Rechtsanspruch und die war der bescheidene geistliche und adelige Grundbesitz Entlassbarkeit nur auf Grund eines Gerichtsurteils, forderte bereits 1769/70 durch eine Reform steuerpflichtig gewor- eine festgelegte Vorbildung, Staatsprüfungen und laufende den, die nicht nur mehr Geld in die leeren Staatskassen Qualifikationen und Visitationen. Aufgrund der explodie- spülen sollte, sondern ebenfalls bereits auf eine gerechtere renden Personalkosten wurde die Pragmatik jedoch schon und gleichmäßige Vermögensbesteuerung abgezielt und bald auf eine schmale Schicht von Führungskräften be- damit die privilegierten Stände, vor allem die Städte, ge- schränkt. troffen hatte, und innerhalb der einzelnen Gerichte die mit den größten Misthaufen.144 Der Adel und die Geistlichkeit Das Urteil der bayerischen Organisationskommission waren in der Landschaft gar nicht vertreten. über das angetroffene Verwaltungspersonal fiel nicht schmeichelhaft aus: „Unter dem ganzen Vorarlbergischen Mit der „Steuerpacht“ wurde nun den Landständen das Dienstpersonale […] findet sich kaum ein ausgezeichne- wichtigste politische Gestaltungsinstrument genommen; tes Subject, und es scheint überhaupt, daß der indolente die alte Landesverteidigungsordnung war bereits aufgeho- Geschäftsgang, der in den letzten Jahren bei den österrei- ben. Ihr Schicksal war besiegelt und das war ihnen auch chischen Oberbehörden sichtbar ward, in diesem Lande bewusst. Nachdem die Landschaft in Vorarlberg aufgelöst ganz besonders nachtheilig auf die Amtsverwaltung und werde, wies die Landesdirektion Schwaben im Jänner 1808 Dienstaktivität der Unterbehörden gewirkt habe, und dort das ständische Zentralbureau in Feldkirch an, ein Verzeich- die Amtsgebrechen und Geschäftsrückstände, die sich un- nis der Aktiva und Passiva der Landschaft an die staatlichen ter der äußerst schlechten Administration des im vorigen Liquidationskommissionen einzusenden.145 Jahr verstorbenen Landvogts von Vicari beträchtlich ange- häuft hatten, durch die nicht zu verkennende Thätigkeit des jezigen Kreishauptmanns von Vintler noch nicht ganz besei- 4.12. Berufsbeamtentum tigt werden konnten.“147

Voraussetzung für eine moderne Bürokratie war ein Beam- Besonders die Finanzverwaltung müsse geschickteren und tentum neuen Typs, waren professionelle Staatsdiener, die zuverlässigeren Beamten anvertraut werden als bisher. Der Abschaffung der Käuflichkeit (z.B. Pfandgericht Neuburg) am 27. Juni 1806 mit der Untersuchung der Vorarlberger Ka- und Erblichkeit (z.B. Vogtei Bludenz) der Ämter und der meralämter beauftragte Kommissär Höcht habe, ohne vom Bezahlung von Beamten über eine „Umsatzbeteiligung“ Innsbrucker Gubernium die nötigen Vorakten erhalten zu an den Gebühren, die Überlassung der Siegeltaxen usw. haben, durch seinen kritischen Scharfblick „bereits mehre- Darum hatte sich die österreichische Regierung mit mehr re tausend Gulden theils ganz unbekannter, theils vernach- und weniger Erfolg bereits seit Jahrzehnten bemüht, diesen lässigter äraralischer Gefälle zu Tage gebracht, wovon die Weg beschritt nun auch Montgelas mit dem Ziel, ein qualifi- bisherigen Kameralbeamten gar nichts ahndeten.“148 Den ziertes, nicht mehr korruptes, leistungsbereites und gegen- neuen Rentbeamten wurde zusätzlich zum fixen Gehalt über dem Staat und dem Monarchen loyales Beamtentum noch ein Prozent vom „Brutto-Ertrag“ als Erfolgsvariable zu schaffen.146 in Aussicht gestellt (Anhang, Pkt. 42), eine bedenkliche Durchbrechung des Fixbesoldungssystems. Organisations- Die bayerische Staatsdienerpragmatik von 1805 garantierte kommissär Merz schlug vor, den landfremden Höcht noch zu diesem Zweck eine angemessene, für jede Funktion ge- so lange mit der Führung des neuen Rentamts Bregenz zu

Seite 398 betrauen, bis alle Außenstände liquidiert und beide Ren- Bregenz) (vgl. Anhang), wobei die Kommission, soweit wir tämter vorschriftsmäßig organisiert sind. ihrem Bericht Glauben schenken können und wollen, meist auf Vorschläge der betroffenen Stände einging. Vier der Im Übrigen machte die Kommission fast ausnahmslos Be- Landrichter (Beer, Weiler; Christoph von Gugger, Feldkirch; amte der bisherigen Staats-, Landschafts- und Standesver- Maximilian von Gugger, Montafon; Vonbun, Sonnenberg) waltung als Führungskräfte namhaft und lobte sie in hohen sollen Schmiergeld an Organisationskommissär von Merz und, je nach Obolus, auch in höchsten Tönen. Sie habe sich bezahlt und nur wenige, vor allen Kreiskommissär Franz bei der Personalauswahl vom allgemeinen Grundsatz leiten von Vintler sowie die Landrichter Dr. Josef von Ganahl und lassen, „daß derjenige der Lokalgesetze und des Land- Johann Georg Bereitter, auf Bestechungsversuche verzich- brauchs kundige Beamte daselbst belassen oder dahin tet haben.153 versetzt werde, wo er das Vertrauen der Gemeinde genießt, wenn gegen seine absolute Amtsfähigkeit, seine Thätigkeit Vor diesem Hintergrund sind sämtliche Einschätzungen, und seinen moralischen Charakter keine gegründete Ein- Vorschläge und Maßnahmen der Organisationskommis- wendung stattfindet.“149 sion auf ihre Objektivität kritisch zu hinterfragen. Merz avancierte 1808 zum ersten Generalkreiskommissär des Zur Besetzung der Führungspositionen empfahl die Orga- Illerkreises, Kutter zu seinem Kanzleidirektor. Während des nisationskommission auch Gerichtschreiber, die bisher Aufstandes 1809 flüchteten beide aus Kempten. Merz wur- die „eigentlichen äußern Justizbeamten“ gewesen seien, de provisorisch nach Augsburg versetzt, wo er sich 1810 im nicht zuletzt zur Schonung der Staatskassa, käme ihr eine Lech ertränkte, als der Prozess gegen ihn eröffnet wurde.154 Pensionierung auf Staatskosten doch teurer; zudem fehle es an unmittelbaren landesherrlichen Justizbeamten.150 Das Schmieren war keine neue bayerische Mode, sondern Es mag auch an geschulten bayerischen Personalressour- schon eine österreichische Tradition, aber es trug nicht cen gemangelt haben, zumal in den neuen Provinzen rund dazu bei, das Ansehen der neuen Königs und die Autorität 200 Landgerichte eingerichtet wurden. Am 12. Jänner 1807 seiner Beamten zu fördern, wie 1810 im Prozess gegen Dr. sollten allerdings an alle Vorarlberger Landgerichte, aus- Anton Schneider, der Vorarlberg während des Aufstands als genommen Feldkirch, Aktuare aus anderen Teilen Bayerns Generalkommissär angeführt hatte, unangenehm öffentlich versetzt werden.151 Als wenig attraktiv stufte die Kommissi- wurde. „Wenn das Schicksal die Leitung dieses Landes ei- on die Landrichterstellen in Bezau und Schruns ein. Kein ner des Vertrauens der Regierung würdigeren Hand zuge- älterer Beamter würde sich gerne in die „raue Gegend“ des teilt hätte,“ berichtete August Graf Reisach nach München, Hinterwaldes versetzt sehen; geschweige denn an die Spit- „so würde die Anhänglichkeit an König und Vaterland frü- ze des Montafoner Volkes, „dessen Entlegenheit und ver- her Wurzeln geschlagen haben; jetzt aber werden Jahre nö- schlagener rachsüchtiger Charakter eine besonders kluge tig sein, um das Vertrauen des schwierig gemachten Volkes Behandlung erfordert.“152 wieder zu gewinnen.“155 Reisach, der Merz als Generalkreis- kommissär gefolgt war, sollte später allerdings ebenfalls Von den neun Landrichter- und Stadtrichterposten wurden wegen Veruntreuungen in großem Stil zur Rechenschaft fünf mit einer bisher ständischen oder landschaftlichen gezogen werden.156 Führungskraft besetzt (Landgerichte Montafon, Sonnen- berg, Feldkirch, Dornbirn, Stadtgericht Bregenz), vier mit Aber auch tadellose Beamte hatten nicht nur mit einer „Re- bisher landesfürstlichen Beamten der zweiten Ebene volution von unten“ zu kämpfen, sondern nicht weniger (Landgerichte Bregenz, Weiler, Bregenzerwald, Stadtgericht mit einer „Revolution von oben“, wurden sie, von den Mi-

Seite 399 nisterien bis hinunter zu den Landgerichten, vom Staccato 5. 1. Mai 1808: Konstitution und Organische Edikte an Reformen überfordert, die sie zudem in einer Kriegszeit umzusetzen hatten. 5.1. Konstitution für das Königreich Bayern Die am 16. November 1806 verfügte Neuorganisation der Verwaltung und Justiz sollte bis 1. Jänner 1807 vollzogen Am 1. Mai 1808 erließ König Max eine Konstitution für das sein. Diese Zielvorgabe war nicht einmal der Form nach Königreich Bayern,163 aus mehreren Beweggründen: „1. Die einzuhalten. Mit Datum 2. Dezember 1806 ließ die „König- Notwendigkeit, ein neues, einheitliches Staatsrecht für das lich Bayerischen Organisationskommission von Vorarlberg“ aus einer großen Zahl von Territorien zusammengesetz- eine „Bekanntmachung“ drucken, die mit übersichtlichen te neue Bayern zu schaffen. 2. Die Konsequenzen aus der Zwischentiteln das Reskript ohne die Personalverfügungen Abschaffung der alten Ständeverfassungen in Bayern, Neu- wiedergab (Pkte. 1 bis 33) und den Behörden „zur Wissen- burg, Tirol und Vorarlberg mit ihrem Dualismus zwischen schaft, Nachachtung und Kundmachung“ zugeschickt wur- Fürst und Landschaft und ihrer Zementierung ständischer de.157 Darin teilte von Merz mit, dass die „Einweisungen“ Privilegien zu ziehen. 3. Die bereits durch die vorange- der Landgerichte, Rentämter und Stadtgerichte dem neu gangenen Reformgesetze hergestellten ‚bürgerlichen Frei- ernannten Kreiskommissär von Vintler übertragen, dem zur heiten’ und Grundrechte verfassungsmäßig zu verankern schleunigen und systematischen Einhaltung der Formalien und auf die neu erworbenen Gebiete auszudehnen. 4. Eine Rechnungskommissär Durocher beigeordnet werde. größere Effektivität der Verwaltung und eine Verbesserung der Finanzlage des Staates als Folge der Aufhebung aller Der Sonnenberger Landrichter Andreas Vonbun wurde von Sonderrechte, insbesondere des landschaftlichen Steuer- der Einweisungskommission immerhin noch am 29. De- wesens, zu erreichen. 5. Einer zentralistischen Gestaltung zember in Nüziders und sein Montafoner Kollege Maximili- des Rheinbundstatuts und einer Einmischung Napoleons in an von Gugger am 30. Dezember 1806 in Schruns vorgestellt die inneren Angelegenheiten Bayerns zuvorzukommen.“164 und offiziell in ihr Amt eingesetzt,158 der Bregenzer Landrich- ter Johann Moz dagegen erst am 10. Februar 1807.159 Dabei Bayern wollte seine Souveränität, die es durch den Unter- wurden nicht nur die Beamten in ihre Rechte und Pflichten gang des Alten Reichs gewonnen hatte, nicht wieder an den eingewiesen, sondern auch die weltlichen und kirchlichen Rheinbund verlieren, soweit sie durch die militärischen Mandatare des Landgerichtsprengels ausdrücklich der neu- Beistandsverpflichtungen in der Rheinbundakte nach au- en Autorität unterstellt. 13 Geistliche und 36 Standesreprä- ßen nicht ohnehin schon beschränkt war. In Eile wurde sentanten unterzeichneten das Installationsprotokoll des deshalb eine knappe, auf das Grundsätzliche konzentrierte Bregenzer Landrichters.160 Die Beamten wieder hatten in Konstitution auf den Weg gebracht, die durch 13 „Orga- einem Verpflichtungsprotokoll ihren Amtseid auf den König nische Edikte“ und zahlreiche weitere Vollzugsvorschriften zu bestätigen.161 ausgestaltet werden sollte.165 – Wie wirkten sie sich auf die Verwaltungsorganisation in Vorarlberg aus? 1808 sollte erst noch eine große Staats- und Verwaltungs- reform folgen. Nun wurden die bayerischen Beamten pri- mär auf die Verfassung eingeschworen, hatten sie einen „Konstitutionseid“ zu leisten.162 Fürstendiener wurden zu Staatsdienern.

Seite 400 5.2. 1. Mai 1808: Auflösung der Landschaften Eine formelle Auflösung der kleinen Blumenegger Land- schaft wurde offenbar nicht mehr als notwendig erachtet.171 Bereits im zweiten Paragraphen der Konstitution wurde bestimmt: „Alle besonderen Verfassungen, Privilegien, Er- Die Aufhebung der Landschaften war vorrangig gegen den bämter und Landschaftliche Korporationen der einzelnen Adel gerichtet, traf in Vorarlberg aber protodemokratische Provinzen sind aufgehoben.“ 166 Dafür wurden „Kreisver- Strukturen, die freilich mit einem absolutistischen Ein- sammlungen“ und eine „Nationalrepräsentation“ in Aus- heitsstaat auch nicht vereinbar waren. sicht gestellt.

Gleichzeitig erging am 1. Mai 1808 eine Verordnung, mit der 5.3. 1. Oktober 1808: Generalkommissariat Illerkreis König Max alle bisherigen landschaftlichen Korporationen „hierdurch als aufgehoben“ erklärte.167 Die landschaft- Mit der Einrichtung von Fachministerien hatte Bayern be- lichen Archive, Registraturen und Gebäude hatten umge- reits vor Jahren auf der Ebene der Zentralbehörden vom Re- hend an die Staatsverwaltung übergeben zu werden. gional- auf das Ressortsystem umgestellt. Einschneidende Änderungen brachte die Konstitution von 1808 vor allem In Vorarlberg trug das „Königlich bairische Kreiskommissa- auf der Ebene der Mittelbehörden: Die historisch gewach- riat und landständische Präsidium“ diesem Auftrag Rech- senen Provinzen wurden in arithmetisch berechnete Kreise nung.168 Kreiskommissär Kutter bestellte für den 16. Mai aufgeteilt.172 Generalkreiskommissäre lösten Provinzdirek- 1808 die Standesrepräsentanten ins Feldkircher Rathaus toren ab. Sie verwalteten nicht mehr ehemals eigenstän- ein und teilte ihnen in aller Ruhe die Auflösung mit. Das dige Territorien, sondern gleichförmige Verwaltungsbezirke Archiv und die Registratur der oberständischen wie der eines Einheitsstaates. Nach dem Vorbild der französischen unterständischen Kanzlei wurden in Feldkirch eingelagert Departements wurden die neuen Kreise nach Flüssen be- und versiegelt.169 Das landschaftliche Zentralbureau hatte nannt. bis Ende Februar 1809 noch die Vermögensliquidation zu besorgen.170 Ein erster Vorschlag vom Februar 1807 hatte die Gliederung in vier Teile mit Unterbezirken vorgesehen. „Südbayern“ Durch die Konstitution vom 1. Mai 1808 wurden nur die mit der Hauptstadt Innsbruck hätte die Bezirke „am Rhein“ „landschaftlichen Korporationen“ aufgehoben, also die (200.500 Einwohner), „am Inn“ (212.500), „am Eisack“ Landschaften selbst, die Vereinigungen der Landstände zu (194.500) und „an der Etsch“ (222.000) umfasst. Das ehe- einer Selbstverwaltungskörperschaft, aber nicht die ein- malige Vorarlberg wäre also wieder einer oberen Mittelbe- zelnen bisherigen Landstände; sie verloren dadurch nur hörde in Innsbruck unterstellt worden, mit ihm aber auch die Landstandschaft. Größtenteils handelte es sich ja um weitere große Gebiete der Provinz Schwaben. Denn die sie- Adelige, Klöster, Bistümer oder Städte und nur zum Teil um ben Vorarlberger Landgerichte zählten zusammen nur gut „bäuerliche“ Genossenschaften. Die einzelnen Vorarlberger 79.000 Einwohner. An „Südbayern“ hätte „Westbayern“ Stände oder Gerichte lösten sich, sofern überhaupt, freiwil- mit den Bezirken „an der oberen Donau“, „am unteren lig und erst als Folge der neuen Gemeindeorganisation auf. Lech“ und „am oberen Lech“ angeschlossen.173

Seite 401 Bayern: Kreise und Landgerichte 1808 (Bayerische Staatsbibliothek)

Seite 402 Schließlich verfügte König Max am 21. Juni 1808 eine Terri- tionsbehörde zu verschaffen und jene Bezirke, „welche torialeinteilung in 14 Kreise, um seine „lieben und getreuen durch gleichere Sitten und die Gewohnheit langer Jahre, Unterthanen aller Theile des Reiches mit dem wohlthätigen oder durch die von der Natur selbst bezeichnete Lage näher Bande eines gemeinsamen Vaterlandes zu umfassen,“ mit einander verbunden sind,“ in ihrer engeren Vereinigung wobei er gleichzeitig danach getrachtet habe, ihnen die zu belassen.174 Vorteile einer näher gelegenen unmittelbaren Administra-

Tabelle: Illerkreis 1808

Landgerichte Quadratmeilen Seelenzahl Leutkirch 1,5 6.679 Stadt Leutkirch 1.300 Grönenbach 5,75 11.492 Ober-Günzburg 5 8.921 Oberdorf 3,75 7.795 Schongau 20 15.661 Amt Vils 1 794 Füssen 7,25 12.806 Sonthofen 5,5 14.358 Kempten 7 20.000 Stadt Kempten 0,25 2.704 Immenstadt 5,25 12.051 Weiler 4,75 13.975 Wangen 0,75 1.785 Stadt Wangen 0,25 1.485 Ravensburg 1 1.777 Stadt Ravensburg 0,25 3.233 Tettnang 3 11.416 Stadt Buchhorn 361 Lindau 1,5 6.316 Stadt Lindau 2.701 Bregenz 3,25 15.770 Inner-Bregenzerwald 8,25 13.758 Dornbirn 3,5 12.186 Feldkirch 5,25 14.391 Sonnenberg 15 13.627 Montafon 9 9.755

118 237.097

Quelle: RBl. 1808, Sp. 1500.

Seite 403 Illerkreis 1809 (Bayerische Staatsbibliothek)

Die sieben Vorarlberger Landgerichte wurden dem „Iller- Erneute Territorialveränderungen 1809/10 erforderten eine kreis“ mit der Hauptstadt Kempten zugeschlagen. Mit 49 Überarbeitung der Kreiseinteilung. Ein Vorschlag mit 14 Quadratmeilen machten sie 41,5 Prozent des Kreisgebietes, Kreisen hätte eine Verkleinerung des Illerkreises und seine mit 93.462 Einwohnern 39,4 Prozent der Bevölkerung aus. Umbenennung in „Lechkreis“ bedeutet.177 Letztlich wurde Mit großem Pomp wurde am 26. September 1808 in Kemp- am 23. September 1810 eine Neueinteilung in nur noch ten das Generalkreiskommissariat installiert.175 neun Kreise verkündet. Es blieb beim Illerkreis, der im We- sten Gebiete an Württemberg verloren hatte, dafür Teile des Das Kreiskommissariat in Bregenz hatte sich damit erübri- aufgelösten Lechkreises (Hauptstadt Augsburg) und des gt; am 30. September 1808 wurden die letzten Geschäfts- Ober-Donaukreises erhielt, zudem das Landgericht Reutte stücke in das Einlaufprotokoll eingetragen.176 im Außerfern (bisher Innkreis) (vgl. Tab. 2).178

Seite 404 Die Finanzverwaltung wurde 1808 auch auf Kreisebene von Die 1806 provisorisch errichteten oder bestätigten Stadtge- der allgemeinen Verwaltung getrennt.179 Die Rentämter Bre- richte Bregenz und Feldkirch wurden aufgelöst. Als Stich- genz und Feldkirch unterstanden damit der Kreisfinanzdi- tag der Auflösung des Stadtgerichts Feldkirch und der Ge- rektion in Kempten. schäftsübergabe an das Landgericht Feldkirch wurde der 11. Jänner 1809 bestimmt.184

5.4. 24. Juli 1808: Organisches Edikt über die Für die Stadt Bludenz wurde ebenfalls definitiv das Landge- Gerichtsverfassung richt Sonnenberg zuständig.

Zur Organisation der Gerichtsbarkeit bestimmte die Konsti- tution nur: „Die Justiz wird durch die, in geeigneter Zahl be- 5.4.2. BEIBEHALTUNG DER SIEBEN LANDGERICHTE stimmten Ober- und Untergerichte verwaltet. Für das ganze Reich besteht eine einzige oberste Justizstelle.“180 Die sieben Landgerichte Bregenz, Weiler, Innerbregenzer- wald, Dornbirn, Feldkirch, Sonnenberg und Montafon blie- Als Ergänzung erging am 24. Juli 1808 ein Organisches Edikt ben bestehen. Im Sommer 1809 verlegte das Landgericht die Gerichtsverfassung betreffend.181 Das bisherige schwä- Sonnenberg seinen Sitz von Nüziders nach Bludenz.185 bische Hofgericht in Memmingen wurde zum Appellationsge- richt für den Iller- und den Lechkreis bestimmt. Bei den Unterge- Offenbar hatte nur in Tirol, in Vorarlberg und in einzelnen richten sollte es bei den Land-, Stadt- und Patrimonialgerichten schwäbischen Distrikten in Strafgerichtsbarkeit bisher ein bleiben, den Patrimonialgerichten hinsichtlich der Strafjustiz Instanzenzug über drei Instanzen bestanden oder fort- aber nur noch die Ergreifung und Verwahrung Verdächtiger zu- bestanden. Mit Verordnung vom 30. Dezember 1808 wur- kommen. Sonderregelungen wurden zum Teil für Patrimonial- de den Landgerichten dieser Regionen die Zuständigkeit gerichte der mediatisierten „Standesherren“ verfügt. Die neue genommen, in Kriminalsachen Recht zu sprechen.186 Sie Gerichtsorganisation trat mit 1. Jänner 1809 in Kraft. wurden nun generell auf Kriminaluntersuchungsgerichte („inquirierende Unterbehörden“) reduziert und hatten die Die Konstitution und dieses Organische Edikt wurden noch Untersuchungsakten an die Appellationsgerichte einzusen- durch weitere Verordnungen ergänzt. den, die dann in erster Instanz Urteile sprachen, die Land- gerichte zu vollstrecken hatten.

5.4.1. 31. DEZEMBER 1808: AUFLÖSUNG DER DREI Im März 1809 wurden als Folge der neuen Gerichtsverfas- STADTGERICHTE sung sämtliche Landgerichte mit zwei „Assessoren“ ausge- stattet; Landgerichte mit über 18.000 Einwohner erhielten Am 3. Dezember 1808 erging eine Neuregelung der Stadtge- zusätzlich einen „Aktuar“.187 Überhaupt waren die Behör- richte, die in drei Klassen abgestuft wurden. Alle nicht nament- den einer enormen Personalfluktuation unterworfen. Dazu lich neu hergestellten Stadtgerichte wurden mit Jahresende trug auch die Rebellion von April bis August 1809 bei, in aufgelöst.182 Am 28. Dezember wurden im Regierungsblatt die denen die Beamten einen schweren Stand hatten und über- Personalernennungen sämtlicher Stadtgerichte und damit eifrige oder korrupte Staatsdiener spätestens nach einem wohl auch die neuen oder reformierten Stadtgerichte selbst misslungenen, hinterhältigen Mordanschlag auf Landrich- kundgemacht. Im Illerkreis blieb nur ein Stadtgericht dritter ter Kuttner in Nüziders auch um ihr Leben fürchteten. Wie Klasse für die Hauptstadt Kempten übrig.183 Kuttner flüchteten die Gugger-Brüder, der Feldkircher Rent-

Seite 405 Bayern: Kreise und Landgerichte 1812

beamte Fritschner oder der ehemalige ständische Syndikus jedoch nur wenige Wochen später durch Christoph von Kah- Rederer außer Landes. Die meisten führenden Beamten ler (Silian) ersetzt wurde.190 Christoph von Gugger konnte setzten sich vorübergehend ab.188 Ende August 1811 wieder als Landrichter nach Feldkirch zu- rückkehren.191 Dem Landgericht Sonnenberg standen gleich Von den sieben 1806 ernannten Landrichter waren 1812 vier Landrichter vor: Andreas Vonbun starb in Februar 1808; Joseph Gebhard Beer (Weiler), Dr. Joseph von Ganahl (Dorn- es folgten im April 1809 Johann Georg Kuttner (Aktuar In- birn) und Johann Georg Bereitter (Innerbregenzerwald) noch nerbregenzerwald, davor Ottobeuren), im Dezember 1809 und Christoph von Gugger (Feldkirch) wieder im Amt.189 Als Joseph Anton Hauber (2. Assessor in Tettnang); im Juni 1813 Folge des Aufstandes musste im Frühjahr 1810 der überfor- Joseph von Gimmi (Assessor in Türkheim).192 Unmittelbar derte Johann Moz (Bregenz) mit seinem Ravensburger Kol- vor der Rückkehr Vorarlbergs zu Österreich im Juli 1814 wur- legen Karl Friedrich Weber tauschen, Christoph von Gugger de der tüchtige Altbayer Gimmi mit dem Landgericht Weiler (Feldkirch) mit Johann Albrecht Wohllaib (Geislingen), Max betraut, das bei Bayern bleiben sollte; Weber wurde von von Gugger (Montafon) mit Hermann Gram (Tettnang) , der Bregenz nach Roggenburg versetzt.193

Seite 406 5.4.3. 31. DEZEMBER 1808: BESCHRÄNKUNG DER servative Wende in der Adelspolitik, die unter anderem PATRIMONIALGERICHTE in einem Organischen Edikt vom 16. August 1812 über die gutsherrliche Gerichtsbarkeit beredten Ausdruck fand,201 Bereits am 8. September 1808 erging ein Organisches Edikt mit dem den Gerichtsinhabern große Zugeständnisse ge- über die Patrimonialgerichtsbarkeit,194 mit dem weitere Ver- macht wurden; bis hin zur Möglichkeit, sich zur Erweiterung schärfungen und Einschränkungen verfügt wurden. ihrer Gerichtsbezirke mit landesfürstlichen Gerichtsunterta- nen belehnen zu lassen. Die neuen Gerichte schieden sich Der Wirkungskreis in Justizsachen wurde im Wesentlichen in sehr privilegierte „Herrschaftsgerichte“ und in „Ortsge- auf die nicht streitige Gerichtsbarkeit beschränkt. Zudem richte“, wobei die Herrschaftsgerichte wieder in zwei Klas- hatte der Patrimonialrichter als Zivilstandesbeamter zu sen unterteilt waren: die erste Klasse war den mediaten fungieren, durfte er Hypothekarbücher führen. In allen Zi- Fürsten, Grafen und Herren vorbehalten sowie jenen, die vilrechtstreitigkeiten und Polizeisachen waren künftig aus- der König ihnen gleichstellte; die zweite Klasse den Majo- schließlich die Land- und Stadtgerichte zuständig; ebenso ratsbesitzern und den ihnen gleich gehaltenen adeligen Va- hinsichtlich der Strafgerichtsbarkeit, abgesehen vom Recht sallen. Bis 1. Oktober 1813 hatten die Gerichtsinhaber ihre zur Verhaftung und Arretierung von Verdächtigen. Alle wei- Voraussetzungen nachzuweisen und um die Genehmigung tere Kriminalverfahren, demnach auch Kriminaluntersu- ihres Gerichts anzusuchen. chungen, sollten ihnen für immer verboten sein. Zudem verblieb den Patrimonialgerichten die „niedere Polizei“.195 Für die Herren von Hundbiß (Waltrams), die Freiherren von Pappus (Laubenberg) und die Gräfin von Wolkenstein (Neu- Auch diese Beschränkungen traten mit 1. Jänner 1809 in burg) kamen jedenfalls nur „Ortsgerichte“ in Frage. Kraft.196 Das Patrimonialgericht Lustenau der Gräfin Wald- burg-Zeil(-Harrach) mit Sitz in Hohenems trat die entspre- Für Neuburg suchte im Auftrag der Gräfin Wolkenstein ihr chenden Verfahren an das Landgericht Dornbirn ab,197 das neuer Verwalter Anton von Reinhard im Juli 1813 um ein Patrimonialgericht Neuburg der Grafen Wolkenstein-Rode- Ortsgericht an.202 Das Generalkreiskommissariat ließ of- negg mit Sitz in Dornbirn an das Landgericht Feldkirch.198 fenbar aber auch eine Einbeziehung der Untertanen in das Für das Patrimonialgericht Laubenberg der Pappus und das Landgericht Feldkirch prüfen.203 Ob das neue Ortsgericht Patrimonialgericht Waltrams der Hundbiß wurde das Land- Neuburg tatsächlich noch konstituiert wurde, bliebe zu klä- gericht Weiler zuständig. ren;204 kundgemacht wurde seine Bewilligung bis zur Rück- kehr zu Österreich im Juli 1814 jedenfalls nicht mehr. Damit war der Bestand der Patrimonialgerichte aber noch nicht gesichert. Bis 1. Oktober 1809 hatten sie vom Land- Für Laubenberg – nun „Altlaubenberg“ – wurde die Be- gericht beglaubigt nachzuweisen, dass sie die Kriterien willigung offenbar erst 1816 formell erteilt; 1831 sollte das des Organischen Edikts erfüllen,199 vor allem die Regeln für Ortsgericht aufgelöst und dem Landgericht Weiler zugewie- den geographischen Zuschnitt. Ihre Bildung bedurfte der sen werden.205 Auch das Ortsgericht Waltrams dürfte noch Genehmigung des Königs, die er für Lustenau und Neuburg einige Zeit bestanden haben.206 offenbar erteilte, ebenso für Laubenberg und Waltrams. Auch Lustenau war bereits bisher ein normales Patrimonial- Durch das antifeudale Verfassungswerk von 1808 wurden gericht gewesen. So war dem Lustenauer Patrimonialrichter insgesamt adelige Vorrechte massiv beschnitten und zu- Seewald 1808 ausdrücklich beschieden worden, dass ihm rückgedrängt.200 Doch schon ab 1809 erfolgte eine kon- keine Uniform eines standesherrlichen Beamten zustehe.207

Seite 407 Gemeinde und Patrimonalgericht Lustenau 1813 (Josef Ellensohn) (Staatsarchiv Augsburg)

Seite 408 Andrerseits hatte der König 1809 Art. 31 der Rheinbundakte ein. Die weiterhin den Landgerichten unterstellten Ortsge- zum Vorwand genommen, die Besitzungen der Gräfin Wald- richte mussten sich im Wesentlichen mit einer Ausweitung burg-Zeil(-Harrach) sequestrieren zu lassen, obwohl sich ihrer Polizeibefugnisse begnügen. diese Beschränkungen der Freizügigkeit ausdrücklich nur auf die durch die Rheinbundakte mediatisierten Fürsten, Grafen und Reichsritter bezog. Mit Verordnung vom 13. No- 5.4.4. 1809: AUFLÖSUNG DES PATRIMONIALGERICHTS vember 1810 räumte der König den säumigen, im Ausland DER STERNBACH wohnhaften Mediatisierten bis 1. Juli 1811 eine Frist ein, sich zu erklären und allenfalls aus seinem Untertanenver- Das Patrimonialgericht des Freiherrn von Sternbach mit Sitz band auszutreten. In diesem Fall hatten sie ihre in Bayern in Bludenz war auf Kriminaluntersuchungen in den ehe- gelegenen Besitzungen binnen sechs Jahren mit vollem Ei- maligen Herrschaften Sonnenberg, Bludenz und Montafon gentum an ein Familiemitglied abzutreten, das bayerischer beschränkt. Die übrigen Geschäfte hatten bereits die Land- Untertan ist; wobei sich der König im Fall eines Verkaufs auf gerichte übernommen. Für eine Bestätigung des Patrimoni- sein Vorkaufsrecht gemäß Rheinbundakte verwies.208 algerichts hätte es schon am eigenen Sprengel gemangelt.

Mit Gräfin Walburga Waldburg-Zeil geborene Harrach verg- Patrimonialrichter Platzer soll noch bis März 1809 als Patri- lich er sich 1811.209 Sie lebte von Geburt an in Mähren und monialkriminalrichter tätig gewesen sein.214 Vieles spricht stattete Lustenau nur im August 1808 und im Jänner 1809 jedoch dafür, dass Sternbachs Patrimonialgericht formell einen Besuch ab, bei dem sie der Gemeinde beinahe alle bereits mit dem Inkrafttreten der neuen Gerichtsverfassung ihre dortigen Einkünfte und Renten für Bildungszwecke am 1. Jänner 1809 seine Berechtigung verlor. stiftete.210 Ihren Wohnsitz nach Hohenems zu verlegen wird ihr wenig attraktiv erschienen sein. Jedenfalls verkaufte Anfang März 1809 wurde Platzer in den Staatsdienst über- sie, ohnehin in Geldnöten, rückwirkend mit 1. Jänner 1813 nommen und zum ersten Assessor des Landgerichts Son- ihre Besitzungen in Vorarlberg an ihren formell noch an- nenberg ernannt,215 der frühere Montafoner Landschreiber getrauten Gatten Graf Clemens Waldburg-Zeil-Trauchburg, und Bludenzer Administrator Theodor Fritz zum zweiten der in Kempten wohnte, samt allen Rechten und Pflichten, Assessor.216 Die beiden näherten sich in Nüziders den „Un- damit auch die Patrimonialgerichtsbarkeit für Lustenau.211 zufriedenen“ an. Bei seinem Abgang zu Beginn des Auf- Ob er tatsächlich die Voraussetzungen für ein Herrschafts- standes im April 1809 betraute Landrichter Kuttner dieser gericht erster oder zweiter Klasse erfüllt hätte,212 ist mehr seine beiden Assessoren mit der Führung der Geschäfte.217 als fraglich. Jedenfalls ließ Graf Waldburg-Zeil nur die Nur kurzfristig konnte im Sommer 1809 Ludwig Franz Frei- Sparvariante eines Ortsgerichts beantragen, das ihm mit herr von Sternbach hoffen, von der österreichischen In- allerhöchstem Reskript vom 24. Dezember 1813 bewilligt tendantschaft wieder in seine alten Rechte eingesetzt zu wurde.213 Der Dornbirner Landrichter Ganahl wies den bis- werden.218 Nun zog das Landgericht Sonnenberg in sein herigen Patrimonialrichter Seewald am 7. Februar 1814 in Bludenzer Schloss um. Fritz wurde nach dem Scheitern des aller Form als „Ortsrichter“ in seine gewandelte Funktion Aufstandes inhaftiert und pensioniert, Platzer 1810 nach Landsberg am Lech versetzt.219

Seite 409 Tabelle 2: Umfang des Illerkreises und Bevölkerung desselben 1812

Benennung Städte Märkte Dörfer Weiler Einöden Familien

Polizei-Distrikte: 1. Kempten 2 – 1 76 77 2.373 2. Memmingen 1 – – – – 1.603 3. Lindau 1 – – – – 639 Landgerichte: 1. Babenhausen – 1 13 2 4 1.706 2. Bregenz 1 – 165 – 317 3.226 3. Buchloe – 3 17 9 13 1.318 4. Dornbirn – 1 36 29 10 2.129 5. Feldkirch 1 2 62 32 63 3.400 6. Füssen 2 1 17 100 110 2.903 7. Grönenbach – 4 13 144 159 2.468 8. (Ober-)Günzburg – 3 15 101 26 1.977 9. Illertissen – 1 13 9 5 1.290 10. Immenstadt 1 1 35 116 23 2.221 11. Innerbregenzerwald – – 35 173 67 2.996 12. Kaufbeuren 1 1 19 21 4 2.718 13. Kempten – – 18 299 107 3.066 14. Lindau – – 65 42 12 1.383 15. Mindelheim 1 2 35 17 25 3.177 16. Montafon – – – 3 1.839 2.375 17. Oberdorf – 1 25 61 19 1.974 18. Ottobeuren – 2 36 59 67 3.134 19. Reutte – 1 49 78 46 3.522 20. Roggenburg 1 – 24 21 14 2.058 21. Schongau 1 – 33 124 134 3.345 22. Schwabmünchen – 1 13 7 11 2.362 23. Sonnenberg 1 – 28 62 33 3.076 24. Sonthofen – 3 22 119 47 3.382 25. Türkheim – 4 22 20 22 2.100 26. Ursberg – 2 15 14 4 2.045 27. Weiler – 4 182 84 43 2.999 Mediatgerichte: 1. Buxheim – – 1 1 – 75 2. Edelstetten – – 2 4 3 208 3. Kirchheim – 1 5 5 7 614 4. Weißenhorn – – 23 9 2 1.552 5. Thannhausen – 1 1 – – 410

Seite 410 Patrimonialgerichte: 1. Aitrang – – 2 12 1 234 2. Bedernau – – 1 2 2 165 3. Beuren – – 1 – – 82 4. Blumenried – – – 1 – 3 5. Eisenberg – – 2 26 6 159 6. Eisenburg – – 3 1 – 130 7. Fellheim – – 1 – – 109 8. Ferthofen – – – 1 – 20 9. Gutenberg – – 1 – – 24 10. Hohenraunau – – 1 – – 67 11. Hopferau – – – 25 3 119 12. Illereichen – 1 5 – 1 296 13. Illerfeld – – – – 1 2 14. Kellmünz – 1 1 – – 116 15. Klein-Kitzighofen – – 1 – – 35 16. Kronburg – – 2 4 4 127 17. Laubenberg – – 2 – 1 41 18. Lustenau – – 1 6 – 459 19. St. Mang – – 1 30 31 273 20. Mickhausen – 2 3 4 3 366 21. Neuburg am Rhein – – 4 2 2 120 22. Neuburg an der Kamel – 1 4 4 1 457 23. Niederraunau – – 2 2 1 285 24. Obenhausen – – 1 – – 65 25. Osterberg – – 1 1 – 175 26. Rauhenzell – – 1 4 2 24 27. Steinbach – – 1 3 – 63 28. Trunkelsberg – – 1 – – 112 29. Waal – 1 2 – – 314 30. Waltrams – – 1 – – 20 31. Wespach – – – 1 – 5 32. Winterrieden – – 1 – – 42 33. Wollmetshofen – – – 1 1 24 34. Ziemetshausen – 1 6 9 2 609

14 47 1.093 1.980 3.275 81.061 Tatsächliche Summen 14 47 1.093 1.980 3.275 80.966

Quelle: Adresskalender Illerkreis 5 (1813), S. 113-115 (Vorwort 25.01.1813)

Seite 411 5.5. 28. Juli 1808: Organisches Edikt über die Bildung von 5.6. 24. September 1808: Edikt über das Gemeindewesen Gemeinden Am 24. September 1808 wurde mit einem Edikt über das „Für eine jede Städtische- und Rural-Gemeinde wird eine Gemeindewesen eine für ganz Bayern verbindliche, einheit- Lokal-Verwaltung angeordnet werden,“ kündigte die Kon- liche Gemeindeverfassung erlassen,223 mit der die Reste der stitution am 1. Mai 1808 an.220 Am 28. Juli 1808 ließ König kommunalen Selbstverwaltung beseitigt wurden. Die Re- Maximilian ein Organisches Edikt über die Bildung der Ge- form zielte nur auf staatliche Verwaltungssprengel auf un- meinden folgen: terster Ebene ab.

„Die Gestaltung der Gemeinden ist eine notwendige Maßre- Die Gemeinden wurden unter die strenge „Kuratel“ der über- gel sowohl zur organischen Ausbildung des Staatskörpers geordneten Behörden gestellt, die sich um Kompetenzen und seiner Theile, als zur Vereinfachung und Erleichterung stritten. Die Klasse der Städte und größeren Märkte wurde der Staats-Verwaltung, deren Zweige sich größtentheils in gegen über den Ruralgemeinden etwas freier gestellt. Sie den Gemeinden, dem eigentlichen Inbegriffe der Verwal- konnten unter staatlicher Aufsicht wenigsten noch Munizi- tungs-Gegenstände, enden.“221 palräte wählen, während den Gemeindeversammlungen der Ruralgemeinden bei der Bestellung eines Gemeindevorste- Ziel war die weitgehende Überwindung der vielgestaltigen, hers nur ein Vorschlagsrecht zukam; ihm waren zur Aushilfe sich häufig überschneidenden genossenschaftlichen Per- und Beratung die zwei ältesten Gemeindemitglieder beige- sonalgemeinden und die Schaffung territorialer Einheits- geben, „welchen das Alter den Dienst dazu nicht versagt.“224 gemeinden, die für alle Bereiche der Kommunalverwaltung Wohl nicht nur der Dornbirner Landrichter Ganahl gab zu – also zugleich für die politischen, ökonomischen, finanzi- bedenken, die ältesten Männer in der Gemeinde seien „we- ellen, kirchlichen, schulischen und sonstige Zwecke – zu- gen ihren erschlaften Sinneskräften, ihrer Unbeugsamkeit ständig ist. und Unempfänglicheit für jede Neuerung die unbrauch- barsten.“225 Jede wichtigere Amtshandlung der Kommunal- Die Gemeinden sollten in zwei Klassen gebildet und ge- organe, auch der Munizipalräte, musste durch eine im In- schieden werden, in Städte und größere Märkte sowie in nenministerium zentralisierte staatliche Kuratel geprüft und kleinere Märkte und Dörfer, vereinfacht in Städte und Rural- genehmigt werden. Besonders verheerend wirkte sich die gemeinden (Landgemeinden). Die Grenzziehung sollte sich Entziehung der Vermögensverwaltung aus. grundsätzlich an den Steuerdistrikten orientieren, deren Bildung bereits mit Verordnung vom 13. Mai 1808 angeord- Diese Gemeindeverfassung erwies sich als undurchführbar net worden war, die eine Instruktion zur Bildung der Steu- und sollte in Bayern zehn Jahre später reformiert werden. erdistrikte enthielt.222 Binnen Jahresfrist hatten die Landge- richte und Generalkreiskommissariate Gemeindegrenzen zu entwerfen und zu beschreiben und die Bildung der Gemein- den in Plänen darzustellen, wobei für Vorarlberg auf die Karte Blasius Huebers von 1783 verwiesen wurde. Nach erfolgter al- lerhöchster Genehmigung sollten abermals binnen Jahresfrist die Gemeindegrenzen vermarktet werden.

Seite 412 5.7. Gemeindebildung in den Vorarlberger Landgerichten mehr oder weniger in Gemeinden auflöste; wie zum Bei- spiel das kleine Gericht Jagdberg, das den Behörden 1772 Grundsätzlich dürfte das ehemalige Vorarlberg vergleichs- zu verstehen gab, dass es mit den neuen Staatsaufgaben weise gute Voraussetzungen für die Gemeindebildung ge- intellektuell und finanziell überfordert sei.229 Im übrigen boten haben. Sie ist allerdings noch kaum erforscht. Im We- Vorarlberg nahm die Gerichtsgemeinde dagegen sämtliche sentlichen orientierte sich die Bildung der Steuerdistrikte Gemeindefunktionen wahr, bildeten sich kaum zusätzliche und Gemeinden an den Grenzen der Pfarreien, Gerichte und Gemeindestrukturen aus; sehen wir von den Pfarrgemein- ehemaligen Herrschaften. den ab.

5.7.1. REGIONAL UNTERSCHIEDLICHE 5.7.2. ENTSCHEIDENDE ROLLE DER VORAUSSETZUNGEN PFARRSTRUKTUREN

Die Abgrenzung gegen die weiter bestehenden Adelsge- Die Pfarrstruktur dürfte für die künftige Kommunalstruktur richte, die andernorts große Schwierigkeiten bereiteten,226 entscheidend gewesen sein.230 war in Vorarlberg kein Problem. Zudem gab es hier weit- hin bereits landschaftliche „Gerichtsgemeinden“, die in Als sich König Max entschloss, ab 1. Jänner 1806 seine lan- einem Verband verschiedener Gemeinden bestünden, wie desherrlichen Verordnungen für ganz Bayern authentisch die Organisationskommission 1806 feststellte, der für die in einem allgemeinen, offiziellen Regierungsblatt kundma- „Subreparation“ der Steuern und Anlagen und die Gemein- chen zu lassen, „um nicht nur allen Landesstellen, sondern dekonkurrenz zu Kriegserlittenheiten, zu Straßen- und Was- auch Unsern getreuen Unterthanen eine genauere Ueber- serbaukosten, zu Mildtätigkeits- und Unterrichtsanstalten sicht aller Landesgesetze zu verschaffen,“ verpflichtete er und überhaupt alle Lasten zuständig sei, wodurch jeder Ge- nicht nur alle Gemeindevorsteher, sondern auch alle Pfar- richtsbezirk zum „selbständigen Ganzen“ gebildet worden rer, das Regierungsblatt zu abonnieren und unter Aufsicht sei, dessen Trennung mit großen Schwierigkeiten verknüpft der königlichen Behörden sorgfältig zu sammeln, binden und in ihren Folgen von unübersehbaren Verwirrungen be- zu lassen und gehörig aufzubewahren.231 Beim Aufbau einer gleitet sein würde.227 Die Voraussetzungen für die Auflösung professionellen Staatsverwaltung hatte bereits die öster- der Gerichtsgemeinden in Ortsgemeinden waren jedoch re- reichische Regierung zunehmend die Pfarrer eingespannt. gional unterschiedlich. Denken wir nur an das 1784 „verstaatlichte“ Matrikenwe- sen, das, wie die Einführung der Hausnummerierung, auch Neben den drei Städten gab es auch Landgemeinden, die der Rekrutierung für das stehende Heer diente.232 ab dem 14. Jahrhundert ein Stück weit eine demokratische Selbstverwaltung erlangten, die über Zwing und Bann, also Um diese Zeit setzte sich zunächst im Kirchenbereich all- über ein Satzungsrecht und Polizeibefugnisse verfügten, mählich das Wohnsitzprinzip und damit die Territorialge- vor allem über den Flurzwang.228 Diese frühen Gemeinden meinde durch. Deutlich wird das etwa bei Konflikten um entstanden vor allem im länger rätoromanischen Oberland. die Pfarrzugehörigkeit zwischen den Pfarren Fontanella und Diese Dorfgemeinden bestanden hier neben den Gerich- Sonntag im Großen Walsertal, wo die Pfarrgrenze sogar für ten. Hier kam die Gerichtsgemeinde fast einem Gemeinde- den Verlauf der Staatsgrenze zwischen Österreich (Herr- verband gleich, der sich zum Teil bereits vor der Bayernzeit schaft Feldkirch) und Weingarten (Herrschaft Blumenegg)

Seite 413 maßgebend wurde.233 Aber auch die Gerichtsgemeinde Da- Feldkirch, Bludesch, Raggal mit dem Ort Marul (Kuratie), Lu- müls war schon weitgehend in die Pfarrgemeinden Damüls desch, Sonntag mit der Pfarre Buchboden, Thüringen und und Fontanella zerfallen. Thüringerberg der ehemaligen Herrschaft Blumenegg und St. Gerold mit der Pfarre Blons der ehemaligen Herrschaft Die Pfarreien und Lokalkaplaneien boten nicht nur eine St. Gerold antreten, um sie das Inventar der Passiva und territoriale Grundstruktur, sondern vielfach auch einen An- Aktiva unterzeichnen zulassen; zudem den ehemaligen satzpunkt zur finanziellen Integration und Abgrenzung, zur Gerichtskassier des Gerichts Tannberg (ehemals Herrschaft Bildung politischer Territorialgemeinden. Patronatsrechte, Bregenz).237 Schul- und Armenstiftungen oder Konkurrenzen führten üb- rigens dazu, dass auch innerhalb einer politischen Gemein- Der Feldkircher Landrichter Gugger konnte seine Inventar- de noch bis ins 20. Jahrhundert Ortschaften (Fraktionen) liste seiner 25 Gemeinden erst im März 1808 liefern. Er Träger von Sondervermögen sein konnten, zum Beispiel hatte den Vorteil, dass in seinem Sprengel auf Ebene der Marul innerhalb der Gemeinde Raggal.234 Ruralgemeinden bereits eine kommunale Finanzverwal- tung bestand. In der Rubrik „Administratoren“ verwies er 5.7.3. INVENTARISIERUNG DES GEMEINDEVERMÖGENS für die Ruralgemeinden auf die „Säckelmeister“ genannten 1807 Gemeindevorsteher mit den beigegebenen Geschworenen und Ausschüssen, die nach der bisherigen Verfassung jähr- Das Stiftungs- und das Kommunalvermögen sollten rück- lich gewählt würden.238 wirkend mit dem Etatjahr 1807/08, das am 1. Oktober 1807 begann, in staatliche Verwaltung übergehen.235 Die Land- gerichte erhielten daher im Herbst 1807 den Auftrag, das 5.7.4. BILDUNG DER STEUERDISTRIKTE 1808 Stiftungs- und Kommunalvermögen ihrer Städte, Märkte und Dörfern zu erheben und in Tabellen genau zu inventa- Die Bildung der Vorarlberger Steuerdistrikte (der späteren risieren. „Katastralgemeinden“) wurde ebenfalls 1808 in Angriff ge- nommen und 1810/11 mit der Anlegung der Steuerkataster Dabei orientierte sich der Sonnenberger Landrichter Kutt- abgeschlossen (vgl. Tab. 3). Damit konnte das bayerische ner, und wohl nicht nur er, an der Pfarrstruktur seines Be- Steuerprovisorium in Kraft gesetzt werden,239 das in Vorarl- zirks. „Ohne alle Vorarbeit mußte man sich lediglich mit berg bis 1881 in Geltung bleiben sollte.240 Leider kamen die dem begnügen, was die Gemeindsvorsteher mit den Ge- Bayern, die führenden Landvermesser ihrer Zeit, nicht mehr meindskassiren und Buchhaltern einreichten, indem bei dazu, die entsprechenden Katasterpläne zu erstellen. Die der Organisazion des hiesigen Landgerichts weder liquid Grenzen der Steuerdistrikte und der Gemeinden durften noch illiquid in Hinsicht des Kommunal-Vermögens etwas sich nicht überschneiden. Einzelne Steuerdistrikte wurden zur Hand gestellt wurde.“ Bei mehreren Gemeinden seien in der Praxis aber wieder in mehrere politische Gemein- vorher nur „Tischrechnungen mit der Kreide“ üblich gewe- den unterteilt. So bildeten die Gerichte Damüls (Damüls, sen, „und die Revision machte der rasche Finger“.236 So ließ Fontanella) oder Tannberg (Lech, Warth, [Hoch-]Krumbach, der Landrichter vom 21. bis 24. Dezember 1807 die Gemein- Schröcken) weiterhin Steuerdistrikte, oder Vandans mit devorsteher und Geschworenen der Pfarreien Brand, Braz, Lorüns, Bartholomäberg mit St. Anton und Stallehr, Bürs Bürs, Bürserberg, Dalaas, Frastanz, Klösterle, Nenzing, mit Bürserberg, St. Gerold mit Blons, Bludesch mit Thürin- Nüziders und Stuben der ehemaligen Herrschaft Sonnen- gen, Schnifis mit Düns und Dünserberg, Schlins mit Röns berg, Damüls und Fontanella aus der bisherigen Herrschaft und andere mehr.

Seite 414 Tabelle 3: Steuerdistrikte der Vorarlberger Landgerichte 1811

Landgericht Steuerdistrikte (100) Bregenz (18) Alberschwende, Bregenz, Carolinenau, Hinterberg, Hintertobel, Hard, Hohenweiler, Hörbranz, [Ober-]Langenegg, Lauterach, Lochau, Möggers, Riefensberg, Reute, Schwarzach, Steißberg, Sulzberg, Wolfurt Dornbirn (7) Dornbirn, Ebnit, Hohenems, Fußach, Gaißau, Höchst, Lustenau Feldkirch (18) Altenstadt, Feldkirch, Fraxern, Göfis, Götzis, Klaus, Laterns, Mäder, Meiningen, Neuburg, Nofels, Rankweil, Satteins, Schlins, Schnifis, Sulz, Übersaxen, Zwischenwasser Innerbregenzerwald (15) Andelsbuch, Au, Bezau, Bizau, Egg, Hittisau, Krumbach, [Unter-]Langenegg, Lingenau, Mellau, Mittelberg, Reuthe, Schnepfau, Schoppernau, Schwarzenberg Montafon (7) Bartholomäberg, Gaschurn, St. Gallenkirch, Schruns, Silbertal, Tschagguns, Vandans Sonnenberg (17) Bludenz, Bludesch, Brand, Braz, Bürs, Dalaas, Damüls, Frastanz, St. Gerold, Klösterle, Ludesch, Nenzing, Nüziders, Raggal, Sonntag, Tannberg, Thüringerberg Weiler (18) Ebratzhofen, Ellhofen, Gestratz, Grünenbach, Harbatshofen, Heimenkirch, Lindenberg, Niederstaufen, Oberreute, Opfenbach, Röthenbach, Scheffau, Scheidegg, Schönau, Simmerberg, Weiler, Weitnau, Wilhams

Quelle: Adresskalender Illerkreis 4 (1812), S. 120-132 (Vorwort 30.01.1812); „Montgelas-Statistik“ 1811/12 (BSB: Dt Hss Cgm 6844/21 Lit. A).

5.7.5. VERMÖGENSAUSEINANDERSETZUNG die statistischen Berichte der Landgerichte nach Kreisen zu ALS HEMMSCHUH Folianten binden. Ziehen wir die „Übersicht des Zustandes des Gemeindevermögens“ heran, die für den Illerkreis für Wo bereits Stadt- und Dorfgemeinden bestanden hatten, die Etatjahre 1809/10 und 1811/12 überliefert ist, gewinnen ging die Gemeindebildung relativ leicht vonstatten. Andern- wir folgendes Bild: Die Landgerichte Montafon, Sonnen- orts wurden Gerichtsgemeinden zum Teil einfach auf eine berg (mit Ausnahme des Gerichts Tannberg), Feldkirch und Dorfgemeinde reduziert. Dornbirn (mit Ausnahme der Herrschaft Hohenems) wiesen bereits in der Gemeindevermögensstatistik für 1809/10 Topographische Verzeichnisse können nur bedingt Hinwei- die neue Gemeindeeinteilung aus. Für 1811/12 war auch se auf Fortschritte bei der Gemeindebildung bieten, da sie das Landgericht Bregenz soweit, während die Landgericht Ortschaften (Städte, Märkte, Dörfer, Weiler, Einöden) nach Innerbregenzerwald und Weiler immer noch auf der Ebene ihrem Erscheinungsbild beschreiben und nicht nach ihrem der Gerichte (Stände) abrechneten. Rechtscharakter klassifizieren. Zuverlässiger sind Verzeich- nisse, die auf das Vermögen oder die Finanzen abstellen. Anstatt der für 1808/09 vorgesehenen Gemeindeformie- Denn die Vermögensauseinandersetzung war bei der Bil- rung „kam die unselige Insurrektion, welche die frühere dung neuer politischer Gemeinden im Rahmen der alten Schuldenlast ungemein erhöhte“, rechtfertigte sich der In- Gerichtsgemeinden vielfach ein entscheidender Punkt. nerbregenzerwälder Landrichter Bereitter im Oktober 1810: Hier bietet sich die so genannte „Montgelas-Statistik“ für Die „Insurrektions-Kosten und andere Kriegserlittenheiten“ einen Überblick an; das Innenministerium in München ließ seien noch nicht einmal völlig „liquidiert“ und auch keine

Seite 415 bestimmte Grundsätze darüber von höchster Stelle ausge- und Krumbach“ ausweisen, unterschrieben von den Orts- sprochen. Bei der neuen „Gemeinde-Formation“ werde erst vorstehern.247 Die fünf Gemeinden, denen Pfarrgemeinen das Gemeindevermögen ordentlich inventarisiert werden entsprachen, schienen bereits seit November 1808 in den müssen.241 Finanzaufsichtstabellen auf, allerdings ohne Zahlen. Noch in einer Zusammenstellung des Grund- und Häusersteuer- Zu Jahresende 1812 berichtete Landrichter Weber, dass im kapitals für 1813/14 scheint deshalb unter den zwanzig Ge- Landgericht Bregenz das Grundvermögen und die Passiva meinden des Landgerichts nur „Tannberg“ auf.248 Auch für der drei vorherigen Gerichte Hofrieden, Hofsteig und Sulz- die „combinirten Gemeinden“ St. Gerold und Blons zeich- berg noch nicht verteilt seien.242 neten spätestens ab 1812 zwei Vorsteher das gemeinsame Schuldeninventar.249 Wenig zu verteilen gab es wohl im Gericht Tannberg. Da es seit zwanzig Jahren keine Rechnung gestellt habe, entschul- digte sich der Sonnenberger Landrichter Hauber, konnte für 5.7.6. IM SCHATTEN DER KIRCHTÜRME – 1811/12 nicht einmal eine Rechnungsübersicht angegeben BEISPIEL LANDGERICHT BREGENZ werden.243 Im Landgericht Bregenz dürfte die Gemeindebildung grund- Kollege Beer musste aus Weiler melden, obwohl den Vorste- sätzlich ebenfalls entlang den Pfarrgrenzen erfolgt sein. hern der „Distrikte“ Altenburg, Grünenbach, Hohenegg, Kell- höfe, Simmerberg und Weiler mehrmals der amtlichen Auf- Aus dem Gericht Hofrieden gingen die Gemeinden Hörbranz, trag erteilt worden sei, Gemeinderechnungen einzuliefern, Hintertobel (später „Langen“) und Möggers hervor, die be- sei dies noch nicht geschehen –244 ein Beispiel dafür, dass reits Pfarreien waren. – Eichenberg (1842 Expositur, 1873 die vermeintliche Allmacht der Landrichter faktisch auch Pfarre) sollte 1922 die Trennung von Möggers ereichen. – Vom durch das „Engagement“ der kommunalen Eliten beschränkt verbleibenden Gerichtssprengel, der noch zur Pfarre Bregenz war, denen gerade die zentralisierte staatliche Vermögens- gehörte, wurde Lochau im Leiblachtal abgetrennt, das bereits verwaltung wenig Anreiz zu übertriebener Initiative bot. seit längerem eine Pfarrei anstrebte und über einen eigenen Geistlichen verfügte. Der Rest wurde zur Gemeinde Vorkloster Doch das Landgericht Weiler zeigt, dass die politische Ge- zusammengefasst. „Vorkloster“ als ursprünglicher Name des meindebildung im Zuge der Bildung der Steuerdistrikte der Steuerdistrikts und der Gemeinde könnte daher rühren, dass Vermögensauseinandersetzung weit voraus sein konnte. Es die Errichtung einer Pfarrei mit Zentrum im aufgehobenen lieferte bereits am 31. Dezember 1808 eine Übersicht sei- Kloster Mehrerau geplant war. 1810 wurde die Gemeinde in ner „Unter-Atbtheilungen“ mit 18 „Distrikten“ samt ihren „Carolinenau“, 1814 wieder in „Vorkloster“, dann in „Rie- „Distrikts-Vorstehern“ liefern und bemerkte dazu: „Bei der den“ umbenannt. Von Rieden spalteten sich zwischen 1817 Formirung der künftigen Gemeinden wird diese Distriktsein- und 1820 Fluh (1820 Expositur, 1872 Pfarre)250 und 1911 Ken- theilung einige, aber nicht bedeutende Abänderungen un- nelbach (1801/02 wieder Expositur, 1863 Pfarre) als selbstän- terliegen dürfen.“245 Inklusive Schönau und Waltrams dürf- dige Gemeinden ab. Die „Restgemeinde“ Rieden fusionierte ten es schon bald 19 Gemeinden geworden sein.246 1919 mit Bregenz, Fluh 1938/1946.

1814 konnte das Landgericht Sonnenberg endlich auch die Das Gericht Hofsteig wurde in die Gemeinden Hard, Lauter- Passiva und Zinsausstände des „Gerichts Thannberg oder ach, Steißberg, Schwarzach und Wolfurt geteilt. Steißberg (ab vielmehr der kombinirten Gemeinde Lech-Warth, Schrecken 1857 „Bildstein“) bestand aus den Pfarrgemeinden Bildstein

Seite 416 Pfarre Sulzberg 1812: Steuerdistrikte Sulzberg und Hinterberg (Leonard Fink)

und Buch, für die 1818/19 für separate Schuldentilgungs- Pfarrdorf Riefensberg.254 Die Pfarre Sulzberg wurde gegen pläne ausgehandelt wurden.251 1817 und 1820 ersuchten die den Wunsch der Bewohner in die Gemeinden Sulzberg und Bucher um die Loslösung als selbständige politische Ge- Hinterberg getrennt. Ein Ersuchen Hinterbergs, dem Land- meinde;252 vermutlich erfolgte die Trennung 1820/21.253 gericht Weiler zugeteilt zu werden, blieb 1812 erfolglos. Die beiden Gemeinden wurden 1819 wieder zu Sulzberg fusio- Aus dem Gericht Sulzberg schieden Reute (später „Bol- niert. Dafür begann die 1822 errichtete Kuratie Doren mit genach“) und die Exklave Langenegg (später „Oberlange- dem Kirchenbau (1853 Pfarre) und erreichte 1846/47 die negg“) aus, die zur Pfarre Lingenau gehörten, zudem das Abspaltung als politische Gemeinde.

Seite 417 Landrichter Josef von Ganahl

5.7.7. ZUR ENTFLECHTUNG VON STREITPARTEIEN – alle beisammen und hätten bisher mit der Christengemein- BEISPIEL LANDGERICHT DORNBIRN de wegen den kumulativen Abgaben, die teils auf Reali- täten, teils auf das Kapitalvermögen geschlagen wurden, Gut unterrichtet sind wir über die Motive der Gemeindebil- beständige Streitigkeiten. Deshalb sei es notwendig ihre dung im Landgericht Dornbirn, das die Gerichte Dornbirn Verbindung ganz aufzuheben, was auch dem Wunsch der und Höchst-Fußach, die Herrschaft Hohenems und den Hof Juden entspreche. – Ebnit (155 Seelen) werde durch eine Lustenau umfasste. Auf Weisung des Generalkreiskommis- Gebirgskette von Ems getrennt, liege zwei Stunden ent- sariats reichte am 18. Dezember 1808 Landrichter Ganahl fernt, im Winter werde die Kommunikation ganz unterbro- seine Vorschläge mit einem detaillierten „tabellarischem chen und auch zwischen Ems und Ebnit obwalteten wegen Konspekt“ und einer geographischen Handzeichnung Konkurrenzleistungen beständig Streitigkeiten, die durch ein.255 In diesen Plänen mussten gemäß Edikt mit verschie- die Separation, um die Ebnit schon so oft gebeten habe, denen Linien die bisherige Gemeindegrenze, die Grenze ganz behoben würden. der Steuerdistrikte, des Pfarrsprengels, des Schulbesuches und die künftige Gemeindegrenze deutlich eingezeichnet Höchst (1.266 Seelen), Fußach (452 Seelen) und Gaißau werden. Für die Pfarre Sulzberg (Steuerdistrikte Sulzberg (343 Seelen) seien zuvor zum Teil vereinigt gewesen, doch und Hinterberg) ist so ein Sprengelplan aus dem Jahr 1812 sie wünschten die völlige Trennung. Sie hätten nun auch in schönen Ausführungen erhalten.256 ihren eigenen Steuerdistrikte, die durch natürliche Gräben und Straßen geschieden seien, und sich seit mehr als 50 Dornbirn und Lustenau sollten unversehrt bleiben, Ebnit Jahren durch beständige Prozesse, besonders Höchst und und die Judengemeinde aber erwarteten „sehnlichst“ ihre Fußach, ganz entzweit.258 Trennung von „Ems“, wie Fußach und Gaißau von Höchst, „denn Ems und Höchst hatten meistens die Hauptvorsteher, Dornbirn zählte 15-mal mehr Einwohner als Gaißau, Land- welche die übrigen stets ignorirten, mehr das Interesse der richter Ganahl zählte den Markt trotzdem zu den „Rural- Haupt- als der untergeordneten Gemeinden beförderten. Da- gemeinden“. Für ihn waren offenbar weniger statistische her entstanden Mißtrauen, Uneinigkeiten und Prozesse.“257 Fragen maßgebend, als die Hoffnung, Streitparteien tren- nen zu können. Signifikant ist auch hier, dass bereits alle Jede der vorgeschlagenen Gemeinden hatte ebenfalls ihre Gemeinden in Pfarrgemeinden geschieden waren. Das eigene Pfarrkirche bzw. Synagoge, eigene Schulen und war, kleine Gericht Höchst-Fußach war seit Jahrhunderten durch mit Ausnahme der Judengemeinde, als eigener Steuerdi- komplizierte Hoheitsverhältnisse gespalten. Der Vorschlag strikt konzipiert. wurde verwirklicht, wenn auch nicht umgehend. Landrich- ter Ganahl bemerkte im September 1810 zur Vermögenssta- Dornbirn (5.167 Seelen) sei zwei groß, habe aber seit jeher tistik, dass Höchst, Fußach und Gaißau mit Jahresbeginn eine Gemeinde gebildet – ebenso Lustenau (2.005 Seelen), getrennt worden, Ems und Ebnit in zwei Steuerdistrikte ge- das in seinem „Arrondissement“ ein Patrimonialgericht bilde. teilt, aber hinsichtlich der übrigen Kommunalverwaltungen noch nicht geteilt worden seien.259 Zur Frage der Judenge- Von Hohenems (2.632 Seelen) seien dagegen Ebnit und meinde, die dem Prinzip der Territorialgemeinde widersprach, die Judengemeinde, die zum Teil mit Ems verbunden sei, merkte er nichts an. zu trennen. – Die Judengemeinde (426 Seelen) liege zwar mitten im Steuerdistrikt Hohenems, ihr „Reale“ bestehe Die jüdische Gemeinde in Hohenems hatte traditionell aber meistens in Häusern, die Hebräer wohnten bereits auch politisch-administrative Funktionen. Im November

Seite 418 1806 war noch in der k. b. Administrationskanzlei im Palast Erst im Frühjahr 1813 dürften nach Jahren provisorischer Re- die Vorsteherwahl über die Bühne gegangen.260 Ganahls gelungen allenthalben die Gemeindeorgane entsprechend Begründung widerspricht Aron Tänzers Darstellung, die dem Edikt für das Gemeindewesen eingesetzt worden sein, Juden hätten sich vom Übergang zu Bayern eine politische was zur gereizten Stimmung im Land erheblich beigetragen Vereinigung mit der Christengemeinde erhofft, die dann das haben soll.265 Zum Teil wurde dabei entschieden, welcher Edikt über die Verhältnisse der jüdischen Glaubenskongre- Gemeindeklasse die Märkte zugeordnet werden sollen. So gation im Königreich Bayern vom 10. Juni 1813 schließlich hätte der Feldkircher Landrichter den Rankweilern einen allgemein vorschrieb, mit dem eine neue und gesegnete Pe- „Bürgermeister“ samt fünf „Munizipalräten“ zugestanden, riode für die Hohenemser Juden an[brach]“, sie von vielen die für größere Märkte vorgesehen waren, das Generalkreis- der „drückenden Fesseln“ befreite.261 König Max bestimmte kommissariat hielt jedoch einen „Gemeindevorsteher“, unter anderem: „Die im Königreiche wohnenden Juden, sei beraten durch die zwei Gemeindeältesten für ausreichend, ihr Gewerbe welches immer, bilden keine eigenen Judenge- wie das für kleinere Märkte und Dorfgemeinden bestimmt meinden mehr, sondern bilden mit den christlichen Bewoh- war.266 Nur neun Städten – darunter Bregenz, Feldkirch und nern eine Gemeinde. Sie teilen mit diesen die Gemeinde- Bludenz – sowie vier Märkten des Illerkreises bestätigte der rechte und Verbindlichkeiten […]“.262 König die gewählten Munizipalräte.267

De facto wurde diese Eingemeindung in Hohenems aber nicht oder nicht vollständig durchgeführt, vielmehr sollte 5.8. Keine behördliche Auflösung der einzelnen „Stände“ 1849 die Judengemeinde als politische Personalgemeinde konstituiert werden und sich 1878 vor dem Verwaltungsge- Die ehemaligen Gerichtsgemeinden oder Stände, die die richtshof schließlich die Vereinigung mit der territorialen Vorarlberger Landschaft gebildet hatten, wurden nicht be- Christengemeinde erstreiten. Ebnit sollte 1932 hoch ver- hördlich aufgelöst. Soweit sie noch Anteil an der landes- schuldet Anschluss an Dornbirn finden, die 1938 verfügte fürstlichen Gerichtsbarkeit hatten, das war bei rund der Vereinigung von Höchst, Fußach und Gaißau zur Gemein- Hälfte der 24 Stände der Fall, waren sie funktionell und or- de „Rheinau“ 1946 durch Volksabstimmungen wieder ein ganisatorisch in Ortsgerichte und Ammannschaften geteilt. Ende finden.263 Durch die Einrichtung der Landgerichte mit 1. Jänner 1807 wurden die Ortsgerichte aufgelöst. Die Ammannschaften verloren ihre vom Landesherrn (Staat) übertragenen Ver- 5.7.8. DEFINITIVE BESTELLUNG DER waltungsfunktionen. Durch die Auflösung der Landschaft GEMEINDEORGANE mit 1. Mai 1808 büßten sie ihre Landstandschaft ein. Durch die Einrichtung der politischen Gemeinden wurden sie Wie viele politische Gemeinden bis 1814 tatsächlich gebil- letztlich ab 1808 mehr oder weniger rasch auf Vermögens- det wurden, lässt sich bisher nur abschätzen, weil in den gemeinschaften der Nachfolgegemeinden reduziert. Auch Statistiken nicht immer sauber zwischen Gemeinden und die ehemalige Landschaft Blumenegg mit St. Gerold lebte Ortschaften unterschieden wird. Es dürften, mit dem Land- als „Gericht“ oder „Stand Blumenegg“ noch einige Zeit fort. gericht Weiler, gegen 120 gewesen sein. 1817 wurden 105 „Gemeinden und Ortschaften“ den verbliebenen sechs Nicht nur die neuen Gemeinden, auch die alten „Gerichte“ Landgerichten und dem Patrimonialgericht Lustenau zuge- hatten den Behörden monatlich ihre Finanzen auszuwei- wiesen.264 sen. In den ersten Listen des Landgerichts Sonnenberg, die ab November 1808 ausgewiesen sind, finden wir auch „Ge-

Seite 419 richtsrechnungen“ für Blumenegg mit St. Gerold, Damüls, falls bis einschließlich 1883 Standesrechungen vor. Die Auf- Sonnenberg und Tannberg eingetragen. In späteren, nicht teilung des Standesvermögens wurde durch den jährlich an datierten Konspekten ist übrigens auch Bludenz nicht un- Baron Sternbach zu leistenden Lehenkanon und die „Almo- ter den Gemeinden, sondern unter den Gerichten aufgeli- senabgabe“ an das Kapuzinerkloster Bludenz behindert, stet.268 Der Damülser Gerichtskassier teilte dem Landgericht die es zuerst abzulösen galt.272 zu Jahresbeginn 1809 mit, dass die Rechnung bereits vor einem Jahr gelegt und das Gericht aufgelöst worden sei.269 In den Gemeinderechnungen und -inventaren, die der Lan- Die Gemeinsamkeiten der Gemeinden Damüls und Fonta- desausschuss als Gemeindefinanzaufsicht zu prüfen hatte nella hatten sich erschöpft. Anders sah es bei Ständen aus, und die ab 1865 vorliegen, sind nur noch Rechnungen des die gemeinsames Vermögen und gemeinsame Schulden Standes Sonnenberg überliefert sowie der Stände Monta- hatten. Vielfach waren Stände untereinander sowie Stände fon und (Hinter-)Bregenzerwald, die heute noch bestehen, und Gemeinden über Kredite miteinander verknüpft, die es wobei die Montafoner Standesverwaltung auch die Verwal- zu entwirren, zu tilgen oder umzuschulden galt. tung von Waldungen und „Konkurrenzen“ übernahm, an der nicht alle zehn Standesgemeinden oder auch Nicht- Wie der Reichshof Lustenau blieben sieben der 24 öster- Montafoner Gemeinden beteiligt waren. reichischen Stände – die Städte Bregenz, Feldkirch und Bludenz, zudem Dornbirn, Alberschwende, Neuburg und Die Konkurrenzen – es handelt sich um Lastenverbände – Mittelberg – in Form politischer Gemeinden bestehen. verschiedener Stände und verschiedener Gemeinden dau- Die meisten der übrigen Stände, ebenso die Blumenegger erten fort oder wurden neu begründet, wie Straßen-, Brü- Landschaft und der Herrschaftsverband Hohenems, lösten cken-, Wuhr-, Marsch- oder Schulkonkurrenzen. Sie sind sich auf, sobald die Vermögensfragen geklärt waren. Vorläufer der heutigen Gemeindeverbände.

Die 18 Gemeinden des Standes Rankweil-Sulz rechneten 1816 ab: Aktiva im Wert von 31.506 Gulden (davon 4.050 6. Im Ergebnis Gulden für Liegenschaften), standen Passiva von 31.470 Gulden gegenüber; die Verteilung erfolgte nach dem ehe- Als Napoleon 1813 die Fortune verließ, wechselte Bayern maligen Steuerfuß.270 noch rechtzeitig an Österreichs Seite. Am Rande der Frie- densverhandlungen in Paris gestand es in einem Geheim- Das ehemalige Gerichtshaus der „Standesgemeinde“ Lin- vertrag vom 3. Juni 1814 zu, Vorarlberg ohne das Landge- genau wurde 1829 nach längerem Zwist versteigert, der richt Weiler wieder an Österreich zurückzustellen.273 Am 7. Erlös auf die Nachfolgegemeinden Lingenau, Hittisau und Juli gab Generalkreiskommissär Joseph von Stichaner im Auf- Sibratsgfäll aufgeteilt.271 trag seines Königs in der Bregenzer Stadtkanzlei dem öster- reichischen Hofkommissär und provisorischen Landeschef von Die Aktiva des Standes Sonnenberg bestanden zuletzt nur Tirol Anton von Roschmann feierlich „das Land Vorarlberg mit noch in Obligationen. Der jährliche Zinsertrag wurde nach Ausnahme des Landgerichts Weiler, wie ein anvertrautes Pfand Abzug der Verbindlichkeiten je zur Hälfte nach Seelenzahl wieder zurück“ und entband die Beamten, Gemeindevorsteher und Grundsteuerkapital auf zehn „ständischen Gemein- und Pfarrer des Treueids auf Bayern.274 Vergeblich versuchte den“ aufgeschlüsselt und zugeteilt, zu denen auch die der Bayern, weiterhin Ansprüche auf Hohenems und Lustenau Gemeinde Lech zugeschlagene Fraktion Omesberg zählte. durchzusetzen, die in diesem Vertrag nicht ausdrücklich er- Der Stand Sonnenberg legte dem Landesausschuss jeden- wähnt waren. Umgekehrt erfüllten sich die Hoffnungen der

Seite 420 König Maximilian gibt die Vorarlbergischen Herrschaften an Österreich zurück, München 19. Juni 1814

Bewohner des Landgerichts Weiler, wieder zu Österreich zu- Damüls (alle Landgericht Sonnenberg) mit Sitz in Thüringen rückkehren zu können, ebenfalls nicht. blieb 1817 erfolglos;277 ebenso ein Antrag des Kreisamtes von 1827, die Gemeinden Lustenau (Patrimonialgericht Die Vertreter der übrigen ehemaligen Stände, die am 13. Juli Lustenau), Hohenems und Ebnit (Landgericht Dornbirn), 1814 in Feldkirch tagten, hofften nicht nur, das Westallgäu Altach, Mäder, Götzis und Koblach (Landgericht Feldkirch) zurückzugewinnen. Sie waren gerne bereit, die neuen Lan- zu einem Landgericht mit Sitz in Hohenems zusammenzu- desteile Lustenau, Hohenems, Blumenegg und St. Gerold fassen.278 1835 unternahm die Gemeinde Egg einen Vorstoß, in ihre Landschaft aufzunehmen, die in Feldkirch bereits den Sitz des Landgerichts Bregenzerwald von Bezau nach vertreten waren. Dasselbe stellten sie den Bewohnern der Egg zu verlegen.279 1839 lehnte des Appellationsgericht Herrschaften Vaduz und Schellenberg in Aussicht, sofern Innsbruck die Errichtung eines weiteren Landgerichts für Liechtenstein an Österreich fiele.275 den äußeren Bregenzerwald mit Sitz in Hittisau ab.280

Das Fürstentum Liechtenstein sollte jedoch als einziger Justiz und Verwaltung wurden auf Bezirksebene erst 1850 ehemaliger Rheinbundstaat die Zeiten als mehr oder we- getrennt (in Bayern 1862), 1854 wieder zusammengeführt niger souveräner Staat überdauern, während Bayern 1871 und 1868 endgültig Bezirksgerichten und Bezirkshaupt- (vollends 1919) im Deutschen Reich aufging. 1844/1850 mannschaften übertragen. Noch heute verfügt Vorarlberg legten Österreich und Bayern ihren genauen Grenzverlauf über die sechs Gerichtssprengel aus der Bayernzeit, auch in Vorarlberg vertraglich fest. wenn sie zum Teil etwas verändert wurden. Die bayerischen Rentämter Bregenz und Feldkirch bestehen bis heute als Die alten Eliten hofften vergeblich auf eine Restauration Finanzämter fort. der ständischen Verfassung. Die Vorarlberger Landstän- de wurden 1817 nur auf dem Papier wiedererrichtet, ohne Ob die Gräfin Wolkenstein um eine Wiedererrichtung ihres Einbeziehung der neuen Landesteile Lustenau, Hohenems, Patrimonialgerichts Neuburg ansuchte, bliebe zu prüfen. Blumenegg und St. Gerold. Erst im Revolutionsjahr 1848 Die forschen Erwartungen des jungen Ludwig Anton Freiherr sollte erstmals ein Landtag tagen, auf dem ganz Vorarlberg von Sternbach erfüllten sich nicht.281 Nur das Patrimonial- vertreten war. gericht Lustenau der Grafen Waldburg-Zeil wurde 1817 mit Sitz in Hohenems wiedererrichtet, und als Verlustgeschäft Bis dahin garantierte die staatliche Verwaltungsorganisati- schließlich heimgesagt und 1830 voll in das Landgericht on die Landeseinheit. Bei der provisorischen Neuorganisa- Dornbirn integriert.282 tion der Verwaltung übernahm Österreich in Vorarlberg die bayerischen Strukturen.276 Anstelle des 1808 aufgelösten Auch die neuen Gemeindestrukturen behielt die österrei- Kreiskommissariats wurde, ebenfalls als reine Verwal- chische Verwaltung wohl gerne bei. Mit der Zentralisierung tungsbehörde, wieder ein Kreisamt für Vorarlberg errichtet des Stiftungs- und Kommunalvermögens übernahm sie je- und der Regierung in Innsbruck unterstellt. Im Rahmen der doch eine schwere Hypothek, die es mühsam abzutragen Staats- und Verwaltungsreform von 1849 wurden die Kreis- galt. 1817 ließ die Zentral-Organisierungs-Hofkommission ämter abgespeckt und 1860 ganz aufgelöst. im Zusammenhang mit der Gemeinderegulierung und der Vorsteherwahl die Natur und Beschaffenheit der ehemals Auf der unteren Behördenebene blieb es bei den sechs bestandenen Ammannschaften prüfen.283 Die Gemeindere- Landgerichten. Eine Initiative zur Errichtung eines eigenen gulierung für Tirol und Vorarlberg knüpfte 1819 im Wesent- Landgerichts für das ehemalige Blumenegg, St. Gerold und lichen jedoch an die bayerischen Reformen an;284 weiterhin

Seite 421 unter den Vorzeichen eines zentralistischen Absolutismus, und auch fortgepflanzt wurde bis auf die gegenwärtige Zeit den 1848 bürgerliche Revolutionen ins Wanken brachten. 1848.“287 Nüchtern betrachtet dürfte Vorarlberg von der Pro- Das Provisorische Gemeindegesetz von 1849 gab schließ- fessionalisierung seiner Verwaltung sehr profitiert haben. lich für ganz Österreich den Anstoß zur Bildung von Orts- gemeinden mit einem „natürlichen“ und einem vom Staat Die bayerischen Reformen prägten nachhaltig die territori- „übertragenen“ Wirkungskreis. Es dauerte aber noch ge- alen Organisationsstrukturen der Vorarlberger Verwaltung raume Zeit, bis der vielbemühte Artikel I – „Die Grundfeste auf Bundes-, Landes- und Gemeindeebene – und damit des freien Staates ist die freie Gemeinde“ – Gestalt anneh- nicht zuletzt die lokalen und regionalen Identitäten. Mit men konnte,285 denn dieses Gesetz wurde nach drei Jahren dieser modernen Verwaltungsstruktur war Vorarlberg bei wieder aufgehoben. Der 1861 errichtete konstitutionelle seiner Rückkehr 1814 den meisten österreichischen Kron- Vorarlberger Landtag nahm sofort Beratungen über eine ländern um mindestens eine Generation voraus. Wir dürfen neue Gemeindeordnung auf der Grundlage des Reichsge- sie zu den günstigen Voraussetzungen zählen, die den wirt- meindegesetzes von 1862 auf, die Kaiser Franz Joseph 1864 schaftlichen Aufschwung im Industriezeitalter ermöglichten schließlich genehmigte. und letztlich auch zur Modernisierung der Gesellschaft bei- trugen. 1817 zählte Vorarlberg knapp 100 Gemeinden, 1838 und 1917 waren es jeweils 104, 1937 99 und 1945 90 Gemeinden. Die 1938, zu Beginn der nationalsozialistischen Diktatur, unsy- Anhang: stematisch verfügten Zusammenlegungen wurden 1946 durch Allerhöchstes Reskript vom 16. November 1806 die Volksabstimmungen großteils wieder rückgängig gemacht. Organisation von Vorarlberg betreffend Im bei Bayern verbliebenen Westallgäuer „Vorarlberg“ wurde die Zahl der Gemeinden halbiert, in Österreich war das insge- Quelle: RBl. 1806, S. 433-441 (49. Stück, 03.12.1806). samt allein seit 1945 der Fall. In Vorarlberg dagegen blieb es seit 1947 unverändert bei 96 Gemeinden, mit dem höchsten Wir Maximilian Joseph, von Gottes Gnaden König von Anteil an Klein- und Kleinstgemeinden aller Bundesländer.286 Baiern. Eine Kommunalstrukturreform war in Vorarlberg seit 1808 nie mehr ein ernsthaftes Thema. Hier blieben weitgehend die al- Wir haben uns über die Verhältnisse Unserer vorarlber- ten Kirchtürme bestimmend. gischen Herrschaften umständlichen Vortrag erstatten las- sen, und hierauf folgende Bestimmungen zu treffen, für gut Im Ergebnis kehrten die ehemaligen österreichischen Herr- befunden: schaften vor dem Arlberg und Lustenau nach der baye- rischen Metamorphose als staatrechtlich integriertes Land 1. Der bisher unter dem Namen der vorarlbergischen Vorarlberg zu Österreich zurück, in seinen heutigen Grenzen. Herrschaften begriffene Landes-Bezirk bleibt Unserer Provinz Schwaben zugetheilt, bis Wir im Allgemeinen „Jetzt beschäftiget das Landgericht Bregenz schon mehr wegen Eintheilung der Bezirke Unseres Reiches eine Beamte als damals das ganze Kreis- und Oberamt hatte,“ andere Verfügung treffen. klagte der Kreisamtskanzlist Gebhard Roder, „so daß man 2. Die in diesem Landestheile gelegenen bisher fremdar- sagen kann, daß mit dem Jahr 1806 als Vorarlberg bayerisch tig behandelten Inklaven werden mit demselben verei- wurde, der Segen Gottes gewichen, Unheil eingetreten ist niget, und sind in der allgemeinen Aemter-Organisation mit begriffen.

Seite 422 3. Diesemnach werden folgende Gebieths-Theile vollkom- an die Landgerichte, auf die ökonomische Verhält- men einverleibt: nisse ihres Bezirkes, und der landständischen Re- a. die Herrschaft Blumenegg; präsentation zurückzuführen ist. b. die Probstey St. Gerold, 8. Die Verwaltung des ganzen Bezirkes wird, nach dem c. die ritterschaftlichen Besitzungen Schinau und Vorgange in Unseren übrigen Staaten, abgesonderten Waltrams, welche in der Eigenschaft von Patrimonial Justiz- und Kameral-Aemtern übertragen. -Gerichten der Landeshoheit unterworfen werden, 9. Hiezu bestimmen Wir, nach den Uns vorgelegten stati- d. die Herrschaft Ettenhofen [richtig: Ellhofen], und stischen Notizen, sieben Landgerichte, zwey Stadtge- e. der sogenannte Reichshof Lustenau. richte und zwey Rentämter. 4. 288289Die fürstlich-Lichtensteinische Herrschaft Va- 10. Die sieben Landgerichte sollen seyn: Weyler, Bregenz, duz ist als souveränes Gebieth außer Verbindung mit Inner-Bregenzer-Wald, Dornbirn, Feldkirch, Sonnenberg der gegenwärtigen Organisation. und Montafon. 5. Die bisher in Vorarlberg bestandenen Ober- und Unter- 11. Die zwey Stadtgerichte werden angeordnet in Bregenz Aemter werden, als mit dem in Unseren übrigen Staaten und Feldkirch. eingeführten Verwaltungs-Systeme unvereinbarlich, 12. Die zwey Rentamts-Bezirke sind: Bregenz und Feldkirch, gänzlich aufgelöset, um einer assimilirten Einrichtung welche jedoch alle ihre Gefäll-Register und Rechnungen Platz zu geben. nach den sieben Landgerichten separirt halten sollen. 6. Dem zu Folge zessiren288 in Zukunft folgende Aemter 13. Das Landgericht Weyler enthält die vormals allgäuische und Rezepturen289: Gerichte: Altenburg, Grünenbach mit Schinau, die Herr- a. das vorarlbergische Kreis- und Ober-Amt Bregenz, schaft Hohenegg mit Waltrams, Kellhöf, und Simmer- b. das Obervogtey-Amt zu Feldkirch, berg. c. das Ober-Amt der Herrschaft Hohenegg, 14. Zum Sitze des Landgerichtes bestimmen Wir den Markt- d. das Obervogtey-Amt der Herrschaften Blumenegg, flecken Weyler. Da aber in demselben kein Aerarial- und St. Gerold, Gebäude292 vorhanden ist, so ist es Uns genehm, daß e. das Administrations-Amt zu Hohenems, die betheiligten Gemeinden, nach ihrem Anerbiethen, f. das Oberamt des Stiftes Mehrerau, eine angemessene Amtswohnung ankaufen; wogegen g. die Administration des Priorats St. Johann, und die Wir die Herstellung eines Gefängnißortes auf Unsere Amts-Ammanschaften der St. Gallischen und Stift- Kosten übernehmen, wozu der Erlös aus dem auf geeig- Churischen Besitzungen, und die Rezeptur zu Bendern, netem Wege zu verkaufenden Amtshause zu Weitenau h. das ehemalige kaiserliche freye Landgericht in zu verwenden ist.293 Mysinen.290 15. Das Landgericht Bregenz besteht aus dem vormaligen 7. Den aus den neuen Verhältnissen hervorgehenden Mo- Gerichten Alberschwende, Hofrieden, Hofsteig und difikationen werden unterworfen:291 Sulzberg. a. das Obervogtey-Amt des Freyherrn von Sternbach zu 16. Der Sitz des Landgerichts ist in der Stadt Bregenz, in- Pludenz, dem Wir erwarten, daß der Magistrat daselbst die b. das gräflich Harrachische Obervogtey-Amt zu nöthigen Amts-Gebäude auszeigen werde. Sollte dieß Hohenems, mit Anstände verbunden seyn, so ist der Sitz des Land- c. sämmtliche Landammanschaften und Dorfgerichte, gerichts, und des Rentamts in das zunächst gelegene deren Wirkungskreis, bey Uebertragung der hohen Stift Mehrerau zu versetzen. Der Thurm der Altstadt Bre- und niederen Gerichtsbarkeit und Polizey-Gewalt genz ist zum Gefängnisse zu verwenden.294

Seite 423 17. Das Landgericht Inner-Bregenzer-Wald enthält folgende 25. Für den Sitz des Landgerichts wird der Ort Nuziders Bestandtheile: den Inner-Bregenzer-Wald, das Gericht [richtig: Nüziders] bestimmt, bis die Verhältnisse die Lingenau, das Gericht Mittelberg. angemessene Verlegung nach Pludenz räthlich machen. 18. Zum Sitze des Landgerichts bestimmen Wir den Ort Die bereits in Nuziders bestehende Amtswohnung ist Betzau, wo sich bereits ein taugliches Amts-Gebäude jedoch zum Gebrauche des Landgerichts zu überlas- befindet. Jedoch haben die hinterbetzeckischen Ge- sen; so wie die Gemeinden nach ihrem Anbiethen die meinden auf ihre Kosten die erforderlichen Gefängnisse noch abgängigen Gebäude herzustellen haben.297 in Betzau herzustellen.295 26. Da die Berggerichte Damils und Thannberg manchmal, 19. Da das zu diesem Landgerichts-Bezirke gehörige, und besonders im Winter, längere Zeit gar keine Kommunika- einem andern Landgerichte dermal nicht wohl zuzut- tion mit dem Gerichtssitze haben, so gestatten Wir, daß heilende isolirte Gericht Mittelberg manchmal, beson- für diese Zeit die bereits dort bestehenden brauchbaren ders in den Wintermonaten, auf längere Zeit durch die Gerichtschreiber in dringenden Fällen die Kontrakte und Unzugänglichkeit der Wege von dem Landgerichtssitze Verlassenschafts-Inventarien, auch Pfändungs- und ganz getrennt ist; so genehmigen Wir, daß für jenen Zeit- Einschätzungs-Verhandlungen aufnehmen können; raum, wo durch Schnee und Witterung die Kommunika- jedoch mit der Verbindlichkeit, dieselbe, sobald die tion mit Betzau abgeschnitten ist, dem in Mittelberg Kommunikation mit dem Landgerichte Sonnenberg wie- dermal bestehenden, von der Gemeinde besoldeten der offen ist, zur Revision und definitiven Berichtigung Gerichtsschreiber die unverschieblichen Landgerichts- dahin einzusenden. Die von diesen Gerichtsschreibern Geschäfte, mit Vorbehalt der definitiven Entscheidung interimistisch aufgenommene Vertrags-Notirungen und und Bestätigung des Landrichters, welche nach wieder- Aufzeichnungen dürfen auch niemal[s] das Mutter-Pro- hergestellter Kommunikation sogleich zu erholen ist, tokoll bilden; sondern müssen erst in das Briefs-Pro- zur provisorischen Verhandlung übertragen werden. tokoll des Landgerichtes eingetragen, und von diesem 20. Das Landgericht Dornbirn ist zusammengesetzt aus die Vertrags-Urkunden aus demselben für die Theile dem Gerichte Dornbirn, dem Gerichte Höchst und Fus- ausgezogen werden. Diese Verfügung gilt auch für den sach, Hohenems, und dem Reichshof Lustenau. Gerichtsschreiber in Mittelberg (§. 19.)298 21. Der Sitz des Landgerichts ist in Dornbirn, wo bereits ein 27. Das Landgericht Montafon enthält die bisherige taugliches Amtshaus vorhanden ist; und die nöthigen Landammanschaft Montafon. Gefängnisse, wenn sie nicht schon bestehen, herge- 28. Der Sitz des Landgerichtes ist in dem Orte Schruns, wo die stellt werden sollen. Landammanschaft, nach ihrem Anerbiethen, die erforder- 22. Das Landgericht Feldkirch hat folgende Bestandtheile: lichen Amtsgebäude auf ihre Kosten herzustellen hat.299 das Gericht Rankweil und Sulz, das Gericht Neuburg, 29. Das Stadtgericht Bregenz, welches jedoch seinen Wir- und das Gericht Jagdberg. kungskreis nicht weiter, als auf die Gemarkung der 23. Der Sitz des Landgerichts ist in der Stadt Feldkirch, wo Stadt erstrecket, erhält einen eigenen Stadtrichter, die angemessenen Amtswohnungen und Gefängnisse welchem Wir zugleich die Funktionen eines Stadt- und unter den ärarialischen Gebäuden296 auszuwählen Polizey-Kommissärs übertragen wollen. sind. 30. Auf gleiche Art wird die Stadt-Markung von Feldkirch 24. Das Landgericht Sonnenberg besteht aus nachfol- ein Stadtgericht aufgestellt, und demselben ein eigener genden Gerichten: Sonnenberg, Damils, Thannberg, Stadtrichter vorgesetzt, welchem Wir zugleich die Stel- dann der Herrschaft Blumenegg, und St. Gerold. len eines Stadt- und Polizey-Kommissärs anvertrauen.

Seite 424 31. Wegen des Stadtgerichtes in Pludenz behalten Wir Uns, 40. Die Besoldungen bey den Landgerichten werden folgen- nach näher hergestellten Verhältnissen der Baron-Stern- dermassen bestimmt: bachischen Rechte und Privilegien, das Weitere bevor. a. Ein Landrichter erhält fixen Gehalt 1000 fl., und als 32. Das Rentamt in Bregenz erstrecket seinen Wirkungs- Zulage 16 Kreuzer von jeder Familie seines Landge- kreis auf die Landgerichts-Bezirke von Weyler, Bregenz, richtes.300 Für Haltung eines Reitpferdes 124 fl.; für Inner-Bregenzer-Wald, und Dornbirn, dann das Stadt- die Behölzung301 per aversum302 115 fl., dann ein gericht Bregenz. Drittheil der ersten beyden Besoldungs-Rubriken für 33. Das Rentamt in Feldkirch bereitet sich aus über die das Schreiber-Personal. Landgerichte Feldkirch, Sonnenberg und Montafon, b. Der Aktuar erhält das Drittheil der beyden ersten dann die Stadtgerichte Feldkirch, und Pludenz. Gehalts-Rubriken des Landrichters. 34. Ueber diesen ganzen Landestheil, welcher nunmehr in c. Ein Landgerichts-Arzt erhält, nebst der Belassung sieben Landgerichte, – zwey, respektive drey Stadtge- der bisherigen Emolumente,303 welche jedoch einer richte, – und zwey Rentämter eingetheilt ist, wollen Wir, förmlichen Revision zu unterwerfen sind, eine jähr- um das nöthige Mittelorgan zwischen der Landesstel- liche Besoldung von 400 fl. le, und den unteren Aemtern herzustellen, ein eigenes d. Ein Gerichts-Diener erhält zum fixen Gehalte 300 fl.; Kreisamt anordnen, welches seinen Sitz in Bregenz hat, für die Haltung eines Reitpferdes und die Kleidung und aus einem Kreis-Kommissär, und Kreisamts-Aktuar 130 fl.; für den Unterhalt eines jeden Knechtes 110 fl., bestehen soll. und für die Kleidung der Knechte 40 fl. 35. Bis hierüber eine allgemeine nähere Instruktion erfolgt, 41. Was die Besoldungen bey den Stadtgerichten betrifft, ist dem Kreisamte insbesondere die Einweisung der folgt späterhin bey den Personal-Bestimmungen. neuen Aemter; – die Zurechtweisung und beständige 42. Ein Rentbeamter erhält zum fixen Gehalte 1200 fl.; ein Aufsicht über die Beamte zur richtigen Befolgung der Prozent vom Bruto-Ertrage; ein Drittheil dieser beyden allerhöchsten Verordnungen; – die Oberaufsicht über Rubriken für das Schreiber-Personal, dann für Holz ein die Wirkungen der Gesetze; – die Besorgung der Militär- Aversum304 von 115 fl. Konscription; – die höhere Polizey, und die Erhaltung Da es übrigens, bey der großen Ausdehnung der Rent- der öffentlichen Ruhe im Allgemeinen zu übertragen. amts-Bezirke, einigen Unterthanen zu beschwerlich 36. Jedes Landgericht besteht aus einem Landrichter, einem wäre, einen so entfernten Ort für die Einhebung der Aktuar, nebst dem nöthigen Schreiber-Personal, einem Gefälle305 bestimmt zu sehen, so wollen Wir zur Erleich- Landgerichts-Arzte, und einem Langerichts-Diener. terung derselben verordnen, daß der Rentbeamte von 37. Wegen der Organisation der Stadtgerichte, rücksicht- Bregenz jene Gefälle des Landgerichtes Inner-Bregen- lich des Personals, behalten Wir Uns die weitere Be- zer-Wald, deren Einnahme auf gewisse Tage fixirt wer- stimmung vor, und wollen dermal nur festsetzen, daß den kann, in dem Orte Betzau, – und der Rentbeamte den Stadtrichtern und Stadt-Kommissären ein Stadt- von Feldkirch jene Gefälle des Landgerichtes Montafon, gerichts-Aktuar, und ein Polizey-Kommissions-Aktuar welche auf gleiche Art bestimmt werden könne, in dem beygegeben werden sollen. Orte Schruns einnehmen soll. 38. Jedem Rentamte wird, außer dem nöthigen Schreiber- Anstatt der Diäten306 wollen Wir denselben hiefür, so Personal, ein Rentamts-Bothe beygegeben. lange diese entfernte Einhebung dauert, für Haltung 39. Wegen den Besoldungen des Kreisamtes sind die allge- eines Reitpferdes jährlich 124 fl. bewilligen. meinen Bestimmungen zu erwarten. Ein Rentamts-Bothe erhält zur jährlichen Besoldung 200 fl., und zur Kleidung 28. fl.

Seite 425 Landgerichtsarzt Franz Josef Griß

43. Zum Kreiskommissär über die sieben Landgerichte, dem Kreiskommissär gebrauchen lassen soll. Weyler, Bregenz, Inner-Bregenzer-Wald, Dornbirn, Als Landgerichtsdiener ist der bisherige Kanzleydiener Feldkirch, Sonnenberg und Montafon, ernennen Wir bey dem Kreis- und Oberamte zu Bregenz, Jakob Walser, den bisherigen Kreishauptmann und Landvogt, Franz zu verwenden. von Vintler,307 mit dem Titel, Range und Uniform eines 46. Zum Landrichter des Inner-Bregenzer-Waldes ernennen Landesdirektions-Rathes, wobey derselbe zugleich Wir den bisherigen provisorischen Administrator von ständischer Präses bleibt, und seine bisherige Gehalts- Hohenems, Johann Georg Bernuter [richtig: Bereitter].316 bezüge behält. Ueber die Besetzung der Landgerichts-Aktuars-Stelle Zum Kreisamts-Aktuar ernennen Wir den bisherigen wird Unsere Entschliessung nachfolgen. provisorischen Oberamts-Protokollisten zu Bregenz, Als Landgerichts-Arzt soll der bereits in Schwarzenberg vormals Baron Sternbachischen Obervogt zu Pludenz, angestellte Doktor, Winkler [richtig: Winder], verwendet Johann Peter Vögel, mit einstweiliger Belassung sei- werden.317 ner bisherigen Taggebühren von 2. fl. – Nach den von Als Landgerichtsdiener ist der bisherige Gerichts- und demselben angerühmten vorzüglichen Eigenschaften Landammansdiener zu Betzau, Metzler, aufzustellen.318 behalten Wir Uns dessen weitere angemessene Anstel- 47. Zum Landrichter in Dornbirn ernennen Wir den bishe- lung bey schicklicher Gelegenheit bevor.308 rigen Syndikus der untern Landschaft und der Stadt 44. Zum Landrichter zu Weyler ernennen Wir den bisherigen Bregenz, von Ganal.319 Oberbeamten und Rentmeister in Hohenegg, Joseph Als Landgerichts-Aktuar ist der provisorische Kreis- Gebhard Beer.309 amts-Protokollist, Joseph Ignaz Matt, zu gebrauchen.320 Wegen der Stelle des Landgerichts-Aktuars wird Unsere Zum Landgerichts-Arzte ernennen Wir den bisher in Ho- weitere Entschließung nächstens folgen. henems angestellten Doktor Holstein [richtig: Hollen- Zum Landgerichts-Arzte ernennen Wir den bereits zu stein].321 Weyler wohnenden Doktor Madlener.310 Die Gerichtsdieners-Stelle hat der bisherige Gerichts- Die Landgerichts-Dienststelle ist dem bisherigen Ge- diener, Vogel zu Hohenems,322 provisorisch zu verse- richtsdiener, Johann Georg Imler,311 zu übertragen. hen. 45. Zum Landrichter in Bregenz ernennen Wir den dortigen 48. Zum Landrichter in Feldkirch ernennen Wir den bishe- provisorischen Oberamtsrath, Johann Nepomuk Moz.312 rigen Landschreiber von Rankweil, Christoph von Gug- Als Landgerichts-Aktuar ist dermal der provisorische ger,323 so wie zum Landgerichts-Aktuar den Kreisamts- Amts-Sekretär, Gebhard Aberer,313 zu verwenden. Dem- Praktikanten, und vormaligen Obervogt in Großkötz, selben ist jedoch eben so, wie andern ehemaligen von Funkner.324 wirklichen Staatsdienern, welche dermal als Aktuare Als Landgerichts-Arzt wird der Stadtrath, Doktor Gries gebraucht werden, die Fortdauer ihrer Existenz, als [richtig: Griß], zu Feldkirch angestellt.325 wirklichen Staatsdienern mit den aus der Dienstprag- Als Gerichtsdiener ist der bisherige Gerichtsdiener und matik für sie, ihre Wittwen und Kinder hervorgehenden Waibel zu Rankweil, Erne,326 zu verwenden. Wirkungen zu versichern.314 49. Zum Landrichter des Gerichtes Sonnenberg ernennen Die Stelle eines Landgerichts-Arztes übertragen Wir dem Wir den bisherigen Landschreiber, von Buun [Vonbun] bisherigen Kreisarzte, Rosenstiel in Bregenz,315 dem Wir zu Nuziders.327 neben seiner Besoldung auch das bisher von dem Stifte Wegen der Besetzung der Landgerichts-Aktuars-Stelle Mehrerau genossene Salarium dergestalt belassen wol- folgt Unsere Entschließung nach. len, daß er auch in Kreisärztlichen Geschäften sich von Die Stelle eines Landgerichts-Arztes wollen Wir dem

Seite 426 Doktor Ganal zu Pludenz übertragen.328 53. Die Administration in Pludenz hat einstweilen fortzu- Als Gerichtsdiener ist ein bereits besoldetes, taugliches bestehen, bis, nach den mit dem Baron von Sternbach Subjekt anzustellen. berichtigten Verhältnissen, eine definitive Organisation 50. Zum Landrichter des Gerichtes Montafon ernennen Wir eintreten kann. den vormaligen Landschreiber des Inner-Bregenzer- 54. Das Rentamt in Bregenz hat der bisher als Kommissär Waldes, Maximilian von Gugger.329 gebrauchte Oberamtsrath Höcht noch ferner proviso- Die Landgerichts-Aktuarsstelle werden Wir nächsten risch zu versehen,334 bis dasselbe ebenfalls definitiv besetzen. organisirt wird. Zum Landgerichts-Arzte wollen Wir den bisher in Sat- Als Rentamtsbothe ist der bisherige Oberamtsbothe, teins wohnhaften Doktor Bertsch ernennen.330 Joh. Adam, anzustellen. Als Gerichtsdiener wird der bisherige Kerkermeister in 55. Zum Rentbeamten in Feldkirch ernennen Wir den bis- Bregenz, Wilhelm Schmidt, angestellt. herigen Obervogt von Blumenegg, Fr. Anton Fritscher 51. Zum Stadtrichter und Stadt- und Polizeykommissär in [richtig: Fritschner],335 – und zum Rentamtsbothen den Bregenz ernennen Wir den bisherigen Landschreiber bisherigen Kanzleydiener, Joseph Zipper.336 des Inner-Bregenzer-Waldes, Moßbrugger.331 56. Ueber das noch übrige, bisher in Vorarlberg angestellte Die Besoldung dieses Beamten wird auf jährliche 1200 Personal wollen Wir folgende Bestimmungen treffen: fl. dergestalt festgesetzt, daß hievon 600 fl. aus der a. Der erste Oberamtsrath in Bregenz, Ludwig Isfordink Staatskasse, und 600 fl. von dem städtischen Aerar ge- wird, mit Beybehaltung seines Ranges und vollen geben werden. Gehaltes, dergestalt in den Ruhestand versetzt, daß Die Stadt hat zugleich für eine angemessene Amtswoh- er die rückständigen Arbeiten bey dem Oberamte nung zu sorgen; wogegen Wir die Behölzung mit jähr- noch erledigen, und dann auf die Anweisung des lichen 18 Klaftern auf ärarialische Kosten übernehmen. Kreiskommissärs sich zu denjenigen Geschäften ge Als Aktuar des Stadtgerichts ist der Kanzellist und städ- brauchen lassen soll, welche ihm besonders anver- tische Quartiermeister Schneider,332 der von der Stadt trauet werden.337 besoldet wird, anzustellen. b. Dem provisorischen Landschreiber zu Feldkirch, Ge- Ueber die Ernennung des Polizey-Aktuars, welcher, wie org Feuerstein, wollen Wir mit einem Quieszenten- die Polizeydiener, seine Besoldung ebenfalls aus dem Gehalte von 900 fl. den Acceß338 bey Unserm Hofge- städtischen Aerar erhält, wird Unsere Entschließung richte zu Memmingen bewilligen, bis sich für densel- nachfolgen. ben eine schickliche Gelegenheit zur definitiven An- 52. Zum Stadtrichter und Stadt- und Polizeykommissär in stellung in Tyrol oder in Schwaben ergeben wird.339 Feldkirch ernennen Wir den bisherigen Rentmeister bey c. Der bisherige Rentamts-Kontrolleur und Registrator, dem Obervogtamte in Feldkirch, Aloys Eberlin,333 des- Karl Fidel Flatz,340 ist, bis zur neuen Maut-Einrich- sen Besoldung auf 1200 fl. festgesetzt wird, wovon die tung, auf das eröffnete Oberzollamt Feldkirch zu ver- eine Hälfte das Staats-Aerar, und die andere Hälfte die setzen. städtische Kasse zu tragen hat. – Die Stadt wird für eine d. Bis auf diesen Zeitpunkt bleibt auch das sämmtliche angemessene Amtswohnung sorgen. – Die Behölzung Zoll- und Weggelds-Personal in seinem dermaligen mit 18 Klaftern übernehmen Wir auf ärarialische Kosten. Stande. Die Stellen des Stadtgerichts- und Polizey-Aktuars wer- e. Der Oberamtmann des Stiftes Mehrerau, Franz Anton den Wir nächstens besetzen. Einser, ist, nach vorschriftmäßiger Revision seiner Dienstesfassion, bis auf weiters zu quiesziren;341 so wie

Seite 427 f. der vorige Administrator Bergmann zu Razins,342 der 1 Franz Quarthal/Georg Wieland/Birgit Dürr, Die Behördenorganisation einen Quieszenten-Gehalt von 400 fl. zu beziehen Vorderösterreichs von 1753 bis 1805 und die Beamten in Verwaltung, hat, bis er in eine angemessene Stelle einrücken Justiz und Unterrichtswesen (Veröffentlichungen des Alemannischen kann. Instituts Freiburg i. Br. 43). Bühl/Baden 1977, S. 130-169. g. Wegen der successiven Einreihung der einstweilen 2 Vorarlberger Landesarchiv [fortan: VLA]: Reichshof und zu quieszirenden Oberamts-Kanzellisten haben Wir Patrimonialgericht [fortan: RH/PG] Lustenau, Sch. 1, Nr. 1: Unserm General-Landes-Kommissariat zu Ulm eine Bittschrift, Lustenau 02.03.1803. Vgl. Ludwig Welti, Geschichte der angemessene Weisung ertheilt. Reichsgrafschaft Hohenems und des Reichshofes Lustenau. Ein Beitrag h. Der bisherige Oberamtmann des Domkapitels zu zur Einigungsgeschichte Vorarlbergs (Forschungen zur Geschichte Chur, Adrian von Häusler ist mit einer Pension von Vorarlbergs und Liechtensteins 4). Innsbruck 1930, S. 261; Wolfgang 500 fl. in die Ruhe zu setzen.343 Scheffknecht, Reichspräsenz und Reichsidentität in der Region: i. Dem St. Gallischen Amtmann, Joseph Anton Meiß- Der Reichshof Lustenau, in: Das Reich in der Region während des burger, wird ein Quieszenten-Gehalt von 200 fl. bis Mittelalters und der Frühen Neuzeit (Forum Suevicum. Beiträge zur zu seiner ferneren Anstellung bewilliget. 344 Geschichte Ostschwabens und der benachbarten Regionen 6). Konstanz 57. In Rücksicht der Gerichtsprokuratoren behalten Wir Uns 2005, S. 307-340, hier S. 339-340. – Im selben Jahr versuchte ein Unsere allerhöchste Entschließung noch bevor. gräflicher Kommissär, die Einkünfte genauer zu untersuchen und zu 58. Die durch gegenwärtige allerhöchste Entschließung erhöhen und Klagen und Prozesse der Lustenauer beizulegen (Joseph ernannten Landrichter, Stadtkommissäre, und Rentbe- Bergmann, Die Reichsgrafen von und zu Hohenembs in Vorarlberg. amte haben unter sich durchaus gleichen Rang. – Ue- Dargestellt und beleuchtet in den Ereignissen ihrer Zeit, vom Jahre ber die Uniform, welche bey den Landrichter, und den 1560 bis zu ihrem Erlöschen 1759. Mit Rücksicht auf die weiblichen Stadtkommissären völlig gleichförmig ist, erfolgt eine Nachkommen beider Linien von 1759-1860. Sonderdruck aus weitere Bestimmung. Denkschriften der philosophisch-historischen Classe der kaiserlichen 59. Ueber die Anwendung der für die kleinere Munizipal- Akademie der Wissenschaften 11. Wien 1861, S. 85.) städte im Allgemeinen ertheilten Organisations-Vor- 3 Friedenstraktat zwischen Sr. Majestät dem Kaiser der Franzosen, König schriften auf die Städte Bregenz und Feldkirch; dann von Italien und Sr. Majestät dem Kaiser von Österreich vom 16.12.1805, über die Wahlart der Land- und Gerichts-Ammänner, be- RBl. 1806, S. 50, Art. VIII. halten Wir Uns die Entschließung bevor. Indessen sollen 4 So Elmar Grabherr, Die äußere politische Entwicklung Lustenaus. Ein die neuen Wahlen einstweilen suspendirt bleiben. bemerkenswerter Abschnitt in der Vorarlberger Geschichte, in: Montfort 60. Endlich verordnen Wir hiemit, daß die neue Einrichtung 31 (1979) 2/3, S. 178-185, hier S. 183. in allen ihren Zweigen den 1. Jänner 1807 vollständig in 5 Vgl. z. B. VLA: Vogteiamt [fortan: Vogta] Bludenz Nr. 788: Platzer an Ausübung gebracht werden sollen. Landgericht [fortan: LG] Sonnenberg als Stadtkommissariat, Bludenz 19.05.1808. München den 16. November 1806. 6 Hauptschluß der außerordentlichen Reichsdeputation vom 25.02.1803 Max Joseph (Quellensammlung zur Geschichte der Deutschen Reichsverfassung in Freyher von Montgelas Mittelalter und Neuzeit, bearb. von Karl Zeumer. Tübingen 1913, S. 509- Auf königlichen allerhöchsten Befehl. 528), § 14. von Flad. 7 Hans Ulrich Rudolf, Die Reichsabtei Weingarten und die reichsfreie Herrschaft Blumenegg 1614-1804, in: 200 Jahre Blumenegg bei Österreich. Beiträge zur Regionalgeschichte, hg. von Manfred Tschaikner (Bludenzer Geschichtsblätter [2004] 72-74), S. 202-226, hier S. 213-214;

Seite 428 Rudolf Henggeler, Geschichte der stifteinsiedlischen Propstei St. Gerold, Welti, Reichsgrafschaft (wie Anm. 2), S. 263-286; Ludwig Welti, Vom in: Montfort 13 (1961) 1/2, S. 3-90; Wolfgang Scheffknecht, Reichsfreie karolingischen Königshof zur größten österreichischen Marktgemeinde, Territorien im frühneuzeitlichen Vorarlberg: Blumenegg, St. Gerold, in: Lustenauer Heimatbuch, Bd. 1. Lustenau 1965, S. 81-525, hier S. 311- Hohenems und Lustenau, in: 200 Jahre Blumenegg bei Österreich. 316; Bergmann, Reichsgrafen (wie Anm. 2), S. 83-94. Beiträge zur Regionalgeschichte, hg. von Manfred Tschaikner (Bludenzer 18 Grabherr, Lustenau (wie Anm. 4), S. 182. Geschichtsblätter [2004] 72-74), S. 110-144. 19 Bergmann, Reichsgrafen (wie Anm. 2), S. 86-93. 8 Vgl. Blasius Caliezi, Der Übergang der Herrschaft Räzüns an den Kanton 20 Benedikt Bilgeri, Geschichte Vorarlbergs, Bd. 4: Zwischen Absolutismus Graubünden. Chur 1920, S. 69-92. und halber Autonomie. Wien/Köln/Graz 1982, S. 206-207. 9 Zum Folgenden: Johann B. Büchel, Die Geschichte der Pfarrei 21 Bergmann, Reichsgrafen (wie Anm. 2), S. 91-92. Bendern (Jahrbuch des Historischen Vereins für das Fürstentum 22 Rudolf Beck, „Als unschuldiges Staatsopfer hingeschlachtet …“ Liechtenstein 23). Vaduz 1923, S. 72-115; Andreas Ulmer, Die Klöster Die Mediatisierung des Hauses Waldburg, in: Adel im Wandel. und Ordensniederlassungen in Vorarlberg einst und jetzt, in: Oberschwaben von der frühen Neuzeit bis zur Gegenwart, hg. von Veröffentlichungen des Vereines für christliche Kunst und Wissenschaft Mark Hengerer/Elmar L. Kuhn in Verbindung mit Pater Blickle, Bd. 2. in Vorarlberg und im Westallgäu (1925/26) 14/15, S. 3-196, hier S. 104- Ostfildern 2006, S. 265-286. 105. Zu den Verlusten der Schweizer Klöster: Caliezi, Räzüns (wie Anm. 23 VLA: Adm Hohenems Nr. 42: Akt 100/1806. – Selbstverständlich wurde 8), S. 73-74. kein Archiv in Lustenau versiegelt, wie Grabherr, Lustenau (wie Anm. 4), 10 Über die einzuziehenden Besitzungen und Gefälle des Fürsten Oranien- S. 182, irrtümlich schrieb. Nassau betreffend gibt ein Akt in VLA: Bayerische Akten [fortan: BA], 24 VLA: RH/PG Lustenau, Sch. 1, Nr. 1: Hofammann und Gericht an Sch. 87, Auskunft. Walburga Reichsgräfin von Harrach-Truchsess-Zeil, Lustenau 02.06.1806. 11 Die Landesübernahme aus Sicht der Landstände ist dokumentiert in: 25 Konföderations-Akte der rheinischen Bundes-Staaten vom 12.07.1806, VLA: Landstände, Sch. 83, D 38. Königlich-Baierisches Regierungsblatt [fortan: RBl.] 1807, Sp. 97. 12 Ebenda: Übergabeprotokoll, Bregenz 13.03.1806, abgedruckt in: 26 Vgl. Eberhard Weis, Die Begründung des modernen bayerischen Beschreibung der unterm 13ten Merz 1806 erfolgten feyerlichen Staates unter König Max. I. (1799-1825), in: Handbuch der Bayerischen Uebergabe des Landes Vorarlberg an Seine Majestät der König von Geschichte, begründet von Max Spindler, in Verbindung mit Dieter Baiern Maximilian Joseph. Bregenz 1806. Alberecht u.a. hg. von Alois Schmid. München, Bd. 4/1: Das neue 13 VLA: Administration [fortan: Adm] Hohenems Nr. 42, 61/1806; VLA: Bayern. Von 1800 bis zur Gegenwart. Staat und Politik. München 22003, Patente 1806/01/20. S. 3-126, hier S. 27 Anm. 25. 14 Wie Anm. 12. 27 Karl Heinrich Ludwig Pölitz, Handbuch der Geschichte der souverainen 15 Welti, Reichsgrafschaft (wie Anm. 2), S. 199-262. Staaten des Rheinbundes, Bd. 1. Leipzig 1811, S. 173. 16 Zum Folgenden: Michael Puchta, „Indessen tritt hier nicht der Fall ein, 28 Zum Folgenden am ausführlichsten: Michael Raich, die Geschichte wo Gewalt vor Recht gehet.“ Die Mediatisierung der schwäbischen der Herrschaft Ellhofen, 42. Fortsetzung und Schluss, in: Westallgäuer Reichsritterschaft am Beispiel des Bezirks Allgäu-Bodensee, in: Adel Heimatblätter Bd. 1 (1921-1924) S. 209-211 u. 213-214. im Wandel. Oberschwaben von der frühen Neuzeit bis zur Gegenwart, 29 Franz Ludwig Baumann, Geschichte des Allgäus, Bd. 3. Kempten 1894, hg. von Mark Hengerer/Elmar L. Kuhn in Verbindung mit Pater Blickle, S. 309-310. Bd. 2. Ostfildern 2006, S. 591-604. Vgl. auch Michael Puchta, Der 30 VLA: Lichtbildserie 3 (Original im Tiroler Landesarchiv): Geographische, bayerische Adel und die Konstitution von 1808, in: Bayerns Anfänge Politische, und Oekonomische Landes- dann Individuale Domainen- als Verfassungsstaat. Die Konstitution von 1808. Eine Ausstellung im Beschreibung des Kreises und Landes Vorarlberg. Aufgenommen durch Bayerischen Hauptstaatsarchiv (Ausstellungskataloge der Staatlichen die zur Untersuchung des Domainen-Standes dahin abgeordnete Archive Bayerns 49). München 2008, S. 271-296, hier S. 280. Gubernial-Kommission. Im Jahre 1792, S. 29. 17 Zu Lustenau vgl. Grabherr, Lustenau (wie Anm. 4), S. 182-184; 31 VLA: BA Sch. 84: Organisationsentwurf (1806).

Seite 429 32 Beck, Waldburg (wie Anm. 22), S. 265-286. 46 VLA: Vogteiamt, Ober- und Kreisamt [fortan: VOKA], Sch. 272: Herrschaft 33 Grabherr, Lustenau (wie Anm. 4), S. 183. Rhäzüns 1805. 34 Bergmann, Reichsgrafen (wie Anm. 2), S. 93. 47 1806 rechnete Bergmann Diäten und Reisegelder ab, für die Zeit vom 35 Vgl. auch Ausführungsbestimmungen in Verordnung 17.03.1807 21.11.1804 bis 15.01.1815 in seiner vorübergehenden Eigenschaft als die Bestimmung der künftigen Verhältnisse, der der königlichen politischer Sanitätskommissär in Balzers (Gelbfieber-Gefahr) und Souveränität unterworfenen Fürsten, Grafen und Herren zu den für 1805 als provisorischer Verwalter der Herrschaft Rhäzüns (VLA: verschiedenen Zweigen der Staatsgewalt betr., RBl. 1807, Sp. 466, Pkte Vorarlberger Akten Nr. 149 u. 264). 7, 8. 48 Caliezi, Räzüns (wie Anm. 8). 36 Ebenda, Pkt. 14. 49 VLA: Vorarlberger Akten Nr. 583: Bergmann an Rentamt Bregenz, 37 Welti, Reichsgrafschaft (wie Anm. 2), S. 264-265 u. 288, stellte Bregenz 10.08.1807, in Abschrift beigelegt Kommissionserlass, Bregenz unzulässig auf die Rheinbundakte ab und begründete damit seine 02.06.1806. selbst unter dieser Voraussetzung nicht stichhaltige Meinung, der 50 Caliezi, Räzüns (wie Anm. 8), S. 113-114. Hof Lustenau nur mittelbar (mediat) durch seine Besitzerin, Gräfin 51 VLA: BA Sch. 84: Organisationsentwurf (1806). Vgl. Anhang. Truchsess-Zeil-Harrach, der bayerischen Souveränität unterworfen 52 Finanzdirektion Kempten an König Maximilian, Kempten 15.10.1813, worden und nicht wie die nicht mediatisierte Grafschaft Hohenems zitiert nach Johann Baptist Büchel, Gutenberg bei Balzers. Geschichte restlos im bayerischen Staat aufgegangen. der Feste und Herrschaft Gutenberg, in: Jahrbuch des Historischen 38 Bergmann, Reichsgrafen (wie Anm. 2), S. 93; Welti, Reichsgrafschaft Vereins für das Fürstentum Liechtenstein 14 (1914), S. 18-98, hier S. 97; (wie Anm. 2), S. 265. zum Folgenden ebenda, S. 97-98. 39 VLA: BA Sch. 84: Organisationsentwurf (1806). 53 Vgl. Ulrich Nachbaur, Kanzleisiegel landesfürstlicher und 40 Ebenda. landschaftlicher Ämter in Vorarlberg vor 1806. Ein Beitrag zur 41 Wie Anm. 113. Verwaltungsgeschichte, in: Montfort 59 (2007) 2, S. 134-167, hier S. 139; 42 Vgl. A. Erler, Patrimonialgerichtsbarkeit, in: Handwörterbuch zur Ulrich Nachbaur, Delikater Archivschutz und Sicherung des Bludenzer Deutschen Rechtsgeschichte, hg. von Adalbert Erler/Ekkehard Kaufmann Vogteiamtsarchivs, in: Manfred Tschaikner, Schloss Gayenhofen […], red. von Dieter Werkmüller, Bd. 3. Berlin 1984, Sp. 1547-1549. in Bludenz – eine Erfindung des 19. Jahrhunderts, in: Bludenzer 43 VLA: Reichsgrafschaft Hohenems [fortan: HoA] 52,21: Konstitution Geschichtsblätter (2009) 93 (im Druck). der Ortsgerichtsbarkeit zu Lustenau 1813: Seewald an 54 Wilhelm Brauneder, Österreichische Verfassungsgeschichte. Wien Generalkreiskommissariat, Hohenems 26.09.1813. 102005, S. 79. 44 Georg Schmidt, Fürst Johann I. (1760-1836): „Souveränität und 55 Anton Brunner, Die Vorarlberger Landstände von ihren Anfängen Modernisierung“ Liechtensteins, in: Liechtenstein – Fürstliches Haus bis zum Beginn des 18. Jahrhunderts (Forschungen zur Geschichte und staatliche Ordnung. Geschichtliche Grundlagen und moderne Vorarlbergs und Liechtensteins 3). Innsbruck 1929; Benedikt Bilgeri, Perspektiven, hg. von Volker Press/Dietmar Willoweit, München/Wien Vorarlberger Demokratie vor 1861, in: Landstände und Landtag in 1987, S. 383-418, hier S. 387-397. Vgl. u.a. auch Brigitte Mazohl-Wallnig, Vorarlberg. Geschichtlicher Rückblick aus Anlaß der Wiedererrichtung Sonderfall Liechtenstein – Die Souveränität des Fürstentums zwischen einer Volksvertretung vor hundert Jahren (1861-1961). Bregenz 1961, S. Heiligem Römischem Reich und Deutschem Bund, in: Bausteine 11-90; Alois Niederstätter, Bürger und Bauern – Die Vorarlberger Stände, zur liechtensteinischen Geschichte. Studien und studentische in: Landschaften und Landstände in Oberschwaben, hg. von Peter Forschungsbeiträge, Bd. 3: 19. Jahrhundert: Modellfall Liechtenstein, hg. Blickle (Oberschwaben – Geschichte und Kultur 5). Tübingen 2000, S. von Arthur Brunhart Zürich 1999, S. 7-42. 119-131. 45 Sigis Rageth, Die Rechtsgeschichte der Herrschaft Rhäzüns von der 56 Landesbeschreibung 1792 (wie Anm. 30), S. 76-89. Übernahme durch Österreich (1497) bis zur kantonalen Verfassung von 57 Bilgeri, Demokratie (wie Anm. 55), S. 71. 1854. Zürich 1981; Caliezi, Räzüns (wie Anm. 8). 58 Brauneder, Verfassungsgeschichte (wie Anm. 54), S. 96.

Seite 430 59 Nachbaur, Kanzleisiegel (wie Anm. 53), S. 155-159. 17). Mainz 1999, S. 182-183, und Angelica Kauffmann, „Mir träumte vor 60 Vorder-Österreichischer Schematismus 1779. Vgl. Quarthal/Wieland/ ein paar Nächten, ich hätte Briefe von Ihnen empfangen“. Gesammelte Dürr, Vorderösterreich (wie Anm. 1), S. 422-425. Briefe in den Originalsprachen, hg., kommentiert und mit einem 61 Quarthal/Wieland/Dürr, Vorderösterreich (wie Anm. 1), S. 156. Nachwort versehen von Waltraud Maierhofer. Lengwil 2001, S. 74. Um 62 Handbuch der bayerischen Ämter, Gemeinden und Gerichte 1799- welche konkrete „Bitte“ der Schwarzenberger es sich handelte, geht 1980, in Verbindung mit Richard Bauer u.a. hg. von Wilhelm Volkert. aus dem Brief nicht hervor. Laut Claudia Helbok, Miss Angel. Angelika München 1983, S. 35-36; Nicola Schümann, Die Konstitution von Kauffmann – Eine Biographie. Wien 1968, S. 239, soll Merz Kauffmann 1808 und die innere Verwaltung in Bayern, in: Bayerns Anfänge als von London her bekannt gewesen sein und seine nichtssagende Antwort Verfassungsstaat. Die Konstitution von 1808. Eine Ausstellung im bereits am 16.08.1806 in Rom eingelangt sein. – Für diese Hinweise Bayerischen Hauptstaatsarchiv (Ausstellungskataloge der Staatlichen danke ich Dr. Ulrike Längle, Franz-Michael-Felder-Archiv. Archive Bayerns 49). München 2008, S. 149-171, hier S. 149-151. 79 Ulrich Nachbaur, Amtshäuser der Bregenzer 63 Generale 15.09.1803, Regierungsblatt für die Kurpfalzbaierische Provinz Bezirksverwaltungsbehörden. Ein historischer Überblick von 1453 bis in Schwaben 1803, Sp. 5. 2009 (Kleine Schriften des Vorarlberger Landesarchivs 10). Bregenz 64 VLA: Adm Hohenems Nr. 42, Akt 61/1806. 2008, S. 14. 65 Verordnung 26.04.1806 die Vereinigung der vorarlbergischen 80 Ludwig Welti, Die kaiserlichen Freilandrichter von Rankweil und deren Herrschaften mit der schwäbischen Provinz betr., RBl. 1806, Sp. 199. Familien ab 1500, in: Heimat Rankweil, hg. von Josef Bösch. Rankweil 66 Bilgeri, Vorarlberg 4 (wie Anm. 20), S. 206-207. 1967, S. 146-152, hier S. 152. – Die Erhebungen über die Entlohnung der 67 Laut Mitteilung an das Vogteiamt Bludenz (Ludwig Welti, Funktionäre der Stände und Gerichte von 1806 sind dokumentiert in Bludenz als österreichischer Vogteisitz 1418-1806. Eine regionale VLA: BA Sch. 84. Verwaltungsgeschichte [Forschungen zur Geschichte Vorarlbergs 2]. 81 VLA: BA Sch. 11: Generalkonspekt Stand Sonnenberg 1813; Tschaikner, Zürich 1971, S. 208). Gayenhofen (wie Anm. 53). 68 Ferdinand Hirn, Vorarlbergs Erhebung im Jahre 1809. Bregenz 1909, S. 82 VLA: BA Sch. 84: Organisationsentwurf (1806). 23, 30, 68, 384. 83 Verordnung 20.03.1806 die Verfassung der kleineren Munizipalstädte 69 Liegen ein in VLA: BA Sch. 84. und Märkte betr., RBl. 1806, S. 129. 70 VLA: BA Sch. 84: Organisationsentwurf (1806). 84 Zum Folgenden VLA: BA Sch. 84: Organisationsentwurf (1806). 71 Die Besoldung aller bisherigen Ämter und Gerichte wurden detailliert 85 VLA: LG Bregenz Commun. III-6/1817-1819: Administrator Fritz an LG erhoben und sind in VLA: BA Sch. 84, dokumentiert. Sonnenberg, Bludenz 26.06.1808; Wolfgang Scheffknecht, Bludenz 72 Alle Zitate VLA: BA Sch. 84: Organisationsentwurf (1806). im Jahrhundert der Aufklärung (1730-1814), in: Geschichte der Stadt 73 Zum Folgenden vgl. u.a. Hirn, Erhebung (wie Anm. 68), S. 19-72. Bludenz. Von der Urzeit bis zum Beginn des 20. Jahrhunderts, hg. von 74 Verordnung 21.11.1806 die Organisation der Landgerichte und Manfred Tschaikner (Bodensee-Bibliothek 39). Sigmaringen 1996, S. Rentämter in Tirol betr., RBl. 1806, S. 451. 281-421, hier S. 409-415. 75 RBl. 1806, S. 433. 86 VLA: BA Sch. 84: Organisationsentwurf (1806) – Dialer wurde im März 76 K. baierische Organisation der vorhin österreichischen Provinz Tirol 1809 als erster Assessor an das LG Weiler versetzt (RBl. 1809, Sp. 467), und Vorarlberg, in: Der Rheinische Bund. Eine Zeitschrift historisch- im August 1813 an das Landgericht Ebersberg (RBl. 1813, Sp. 1140, politisch- statistisch- geographischen Inhalt, Bd. 2, Heft 4. Frankfurt am Ferdinand Hirn, Vorarlberg vor dem Heimfalle an Österreich, in: Archiv Main 1807, S. 28-41 u. 153, zu Vorarlberg S. 37-41. für Geschichte und Landeskunde Vorarlbergs 11 [1915], S. 1-19, hier S. 8). 77 VLA: BA Sch. 84: Organisationsentwurf (1806). 87 VLA: LG Bregenz Commun. III-6/1817-1819: Administrator Fritz 78 Kauffmann an Joseph Kleber, Rom 13.08.1806, zitiert nach: Angelika an LG Sonnenberg, Bludenz 26.06.1808 (ohne Nennung des Kaufmann. Briefe einer Malerin. Ausgewählt, kommentiert und mit Bestellungsdatums). einer Einleitung versehen von Waltraud Maierhofer (Excerpta classica 88 Vgl. Christoph Volaucnik, Feldkirch in der Bayernzeit, in diesem Band.

Seite 431 Landrichter Gugger ersuchte bereits am 20.04.1807 vergeblich um die angegeben, als Patrimonialrichter „von Hundbiß zu Kempten“. In der Zuerkennung einer entsprechenden Uniform für sich und seinen Aktuar direkten Waltramser Linie käme einer der Brüder Dominik (1770 bis (VLA: BA Nr. 1013). 1841) oder Franz Anton von Hundbiß auf Waltrams (1772 bis 1851) in 89 RBl. 1807, Sp. 97. Zur Adelsrechtsreform 1806/07 u.a. Marcus D. Ernst, Frage ( www.vonhumpis.de (Abfrage 12.03.2009); Gerd Schreyer, Das Der bayerische Adel und das moderne Bayern. Die Gesetzgebung Geschlecht der Hundbiß auf Walltrams, in: Martin Müller, Das Weitnauer und Debatte über die persönlichen Privilegien des in Bayern Tal. Geschichte, Geschichten und Sagen. Bergatreute 1983, S. 143-150). immatrikulierten Adels (1808-1818). Masch. Diss. Universität Passau Das Lehen sollen aber zwei Linien gemeinsam innegehabt zu haben. 2002, S. 11-32. Zumindest beanspruchte Anton Remigius I. Pappus als Vormund für 90 Das verdeutlicht auch der Schimmel für das bayerische die Kinder des 1797 verstorbenen Dominikus Freiherrn von Hundbiß, Übergabeprotokoll von 1806, abgedruckt in: Die Rheinische geheimer Rat und Obervogt in der Reichenau, den Hälfteanteil, den Conföderations-Acte oder der am zwölften Julius 1806 zu Paris Pappus, der 1810 starb, noch durchgesetzt haben soll (Schmid, Pappus abgeschlossene Vertrag […], hg. von Peter Adolph Winkopp. Frankfurt [wie Anm. 96], S. 86-89). am Main 1808, S. 115 (documentArchiv.de [Hrsg.], URL: http:// 100 Josef Zösmair, Zur Geschichte von Tosters und seiner gleichnamigen www.documentArchiv.de/nzjh/1806/rheinbundsakte.html, Stand: Burg, in: 43. Jahresbericht Vorarlberger Museums-Verein 1905, S. 47-78, 13.03.2009). hier S. 70-74. Zur Genealogie: Heimatbuch Rodeneck. Geschichte und 91 Verordnung vom 31.12.1806 die der königlichen Souveränität Gegenwart, hg. von Alois Rastner/Ernst Delmonego. Rodeneck 1986, S. unterworfene Ritterschaft und ihre Hintersassen betreffend, RBl. 1807, 54. S. 193, zum Folgenden lit. B Zl. 2. 101 Landesbeschreibung 1792 (wie Anm. 30), S. 26, 27 u. 37. 92 Verordnung 17.03.1807 die Bestimmung der künftigen Verhältnisse der 102 Zum Folgenden VLA: BA Sch. 84: Organisationsentwurf (1806). der königlichen Souveränität unterworfenen Fürsten, Grafen und Herren 103 VLA: BA Sch 6, Nr. 539: Patrimonialgericht [fortan: PG] Neuburg an zu den verschiedenen Zweigen der Staatsgewalt betr., RBl. 1807, Sp. Generallandeskommissariat, 03.01.1808. Die Bestätigung Herburgers 466. Vgl. Puchta, Adel und Konstitution (wie Anm. 16), S. 281-282. als Patrimonialrichter lässt sich aus VLA: LG Feldkirch Rep. 8/9 mit 93 Verordnung 06.06.1807 die Patrimonialgerichtspflege in Altbayern, der Hinweis auf Einlaufzahlen 1601, 1835, schließen; das Einlaufprotokoll ist oberen Pfalz und Neuburg betr., RBl. 1807, Sp. 1001. nicht erhalten. – Das PG Neuburg dürfte von der Geschichtsschreibung 94 Verordnung 23.07.1807 die Patrimonialgerichtspflege in den königlich bisher völlig ausgeblendet worden sein. So ging Andreas Ulmer, Die bayerischen Landen in Franken, Schwaben und Tirol betr., RBl. 1807, Sp. Burgen und Edelsitze Vorarlbergs und Liechtensteins. Dornbirn 1925, S. 1253. 314, davon aus, dass das Gericht 1806 ein Ende fand. Die archivalische 95 Landesbeschreibung 1792 (wie Anm. 30), S. 28. Überlieferung ist unbefriedigend. Das Vorarlberger Landesarchiv verfügt 96 Zum Folgenden: Andreas Schmid, Die Freiherren v. Pappus zu über einen wenig ergiebigen Bestand PG Neuburg (3 Schachteln). Rauhenzell. Eine Adelsgeschichte (Bilder aus dem Allgäu 6). Immenstadt Die Überlieferung des LG Feldkirch aus der Bayernzeit ist lückenhaft 1904, S. 38-43 u. 89-91. und zum Großteil im Bestand Bayerische Akten (BA) „versteckt“. 97 Nipp diente bis zur Auflösung des Patrimonialgerichts Altlaubenberg Ich bediente mich für eine erste Sondierung der Findbücher und 1831 als Patrimonialrichter (ebenda, S. 91). Einlaufprotokolle des LG Feldkirch. 98 Addreßkalender oder Taschenbuch des Illerkreises [fortan: 104 1808 aus den Steuerdistrikten Neuburg, Klaus, Schnifis, Adresskalender Illerkreis] 1 (1809), S. 122. Der Adresskalender wurde Zwischenwasser, Meiningen, Altenstadt, Rankweil, Götzis, Nofels, von Kreisrat Christian Jakob Wagenseil verfasst und herausgegeben. Fraxern, Feldkirch, Sulz, Mäder, Fußach, Höchst, Lustenau, Egg (VLA: Ab Jahrgang 1811 ist bei Nipp nicht mehr Wangen, sondern Rauhenzell Bayerischer Steuerkataster 3/6). angegeben. 105 VLA: LG Dornbirn EProt 6/6: 204/1812, Mitteilung des 99 Im Adresskalender Illerkreises 1 (1809) bis 5 (1813) ist unter Generalkreiskommissariats vom 08.03.1812. Patrimonialherrschaft „Herr von Hundbiß zu Kempten und Sonthofen“ 106 Im Adresskalender Illerkreis, allerdings erst 4 (1812) und 5 (1813),

Seite 432 als Therese nach der Teilung eigentlich allein Pfandherrin gewesen 124 VLA: Vogta Bludenz Nr. 788: Platzer an LG Sonnenberg als sein müsste. Bis dahin lautete der Eintrag „Graf von Wolkenstein zu Stadtkommissariat, Bludenz 19.05.1808. Innsbruck“. 125 VLA: BA Sch. 84: Organisationsentwurf (1806), in Bezug auf die Churer 107 Adresskalender Illerkreis 5 (1813), S. 109. und St. Galler Verwaltung. 108 VLA: Kartensammlung 01/197: Situations Carte über den Gerichts- und 126 Ulmer, Klöster (wie Anm. 9), S. 35-36. Steuerdistriktsbezirk Neuburg am Rhein, samt dessen Umgebungen 127 VLA: Rentamt Bregenz Nr. 1/3: Schenkungserklärung, n.d. (24.07.1810) und innern Gegenständen. gezeichnet von Josef Ellensohn 1813, – Zur Auflösung und Vermögensverwertung der Mehrerau finden sich in bestätigt vom LG Feldkirch 09.02.1814. Abgebildet in: Koblach. Koblach diesem Bestand zahlreiche Akten. Vgl. Otto Rieder, Karl August Graf von 1995, S. 91. Reisach, der ehemalige Generalkommissär des Lech- und Illerkreises 109 Adresskalender Illerkreis 1 (1809), S. 125. Entsprechend auch VLA: PG etc., in: Oberbayerisches Archiv (1915) 59, S. 189-382 [hier S. 278-297], Neuburg, Sch. 1: Einwohnertabelle, Feldkirch 20.06.1813 (hier statt und (1916) 60, S. 263-445; Ferdinand Hirn, Der Aufenthalt Dr. Schneiders „Neuburg“ „Mäder“ für „Neuburg-Mäder“). in Vorarlberg im Jahre 1811, in: Forschungen und Mitteilungen zur 110 So Ulmer, Burgen (wie Anm. 103), S. 313-314. Die Landesbeschreibung Geschichte Tirols und Vorarlbergs 2 (1905), S. 29-43. 1792 (wie Anm. 30), S. 26, gibt nur die Gebietsbegrenzung an. 128 Vgl. z.B. Bayerische Staatsbibliothek [fortan: BSB]: Deutsche 111 VLA: BA Sch. 84: Seewald an Kreiskommissariat, Hohenems 02.03.1807. Handschriften [fortan: Dt Hss] Cgm 6844/20 und 6844/21: Lit. A 112 VLA: RH/PG Lustenau, Sch. 1, Nr. 1: Seewald an Gerichtsammann, Topographie-Spezial-Tabellen des Illerkreises 1809/10 und 1811/12, Hohenems 16.02.1807. LG Bregenz: Steuerdistrikt Carolinenau, u.a. mit Carolinenau, Fluh, 113 VLA: BA Nr. 3220. Kennelbach, Rieden. 1809 hieß dieser große Steuerdistrikt noch 114 Adresskalender Illerkreis 1 (1809), S. 127. „Vorkloster“ (VLA: Bayerischer Steuerkataster 5/93). 115 VLA: BA Sch. 84: Platzer an Kreisamt, Bludenz 02.06.1806. Vgl. Welti, 129 Ulmer, Klöster (wie Anm. 9), S. 36-41 u. 111-112; Alois Niederstätter, Bludenz (wie Anm. 67), S. 205-206. Feldkirch, St. Johann, in: Die Benediktinischen Mönchs- und 116 Platzer (wie Anm. 115) und Administrator zu Bludenz Dialer erstatteten Nonnenklöster in Österreich und Südtirol, bearb. von Ulrich Faust/ Bericht (VLA: BA Sch. 84). Waltraud Krassnig (Germania Benedictiona 3/1). St. Ottilien 2000, S. 117 VLA: Vogta Bludenz Nr. 788: Mehrere undatierte Konzepte des Freiherrn 411-433. von Sternbach. – Zum Folgenden vgl. Welti, Bludenz (wie Anm. 67), S. 130 Zur Verwertung des Vermögens vgl. VLA: Rentamt Feldkirch Nr. 19/1 bis 206-210; Tschaikner, Gayenhofen (wie Anm. 53). Ich danke Manfred 19/6, 20/2, 41/1, 46/1, 46/2 und wahrscheinlich weitere Akten. Tschaikner herzlich für wertvolle Auskünfte und Diskussionen zum 131 Zu den Erwerbungen St. Gallens in Vorarlberg vgl. Ulmer, Klöster (wie Thema. Anm. 9), S. 99-101, ohne Hinweis auf ihr Schicksal. 118 VLA: Vogta Bludenz Nr. 788: Spezialkommission an Vogta Bludenz, 132 Caliezi, Räzüns (wie Anm. 8), S. 91-105. Nüziders 29.12.1806. 133 Johann Georg Mayer, Geschichte des Bistums Chur, Bd. 2. Stans 1914, 119 VLA: BA Sch. 84: [Organisationskommission] an Vogta Bludenz, LG S. 552-556; Ulmer, Klöster (wie Anm. 9), S. 96-97. – Zur Verwertung des Sonnenberg und LG Montafon, Bregenz 02.01.1807. Vermögens vgl. VLA: Rentamt Feldkirch Nr. 9/2, 13/1 bis 13/4, 16/1 und 120 Verordnung 21.11.1806 die Organisation der Landgerichte und wahrscheinlich weitere Akten. Rentämter in Tirol betr., RBl. 1806, S. 451. Pkte. 6-7. 134 VLA: Bayerischer Steuerkataster 3/1 (1812). 121 VLA: Vogta Bludenz Nr. 788: Besoldungsverzeichnis Platzer LG 135 RBl. 1808, beigebunden nach S. 448. Sonnenberg an Landesdirektion in Schwaben, Nüziders 09.01.1808. 136 Weis, Begründung (wie Anm. 26), S. 46. 122 VLA: Vogta Bludenz Nr. 909: Tabellarisches Verzeichnis, Bludenz 137 Ebenda S. 64-65 u. 80. 01.01.1809. 138 VLA: BA Sch. 84: Organisationsentwurf (1806). 123 VLA: BA Sch. 11, Nr. 667: Platzer an Generallandeskommissariat, 139 VLA: Landstände, Sch. 83, D 38; zudem Nachbaur, Kanzleisiegel (wie Bludenz 24.12.1807. Anm. 53), S. 155.

Seite 433 140 Hirn, Erhebung (wie Anm. 68), S. 31-32. (jeweils Abschriften). 141 VLA: BA Sch. 84: Organisationsentwurf (1806); Hirn, Erhebung (wie 161 VLA: BA Sch. 87: Verpflichtungsprotokoll Moz, Bregenz 10.02.1808; Anm. 68), S. 33. zudem Landrichter Georg Ignaz Kuttner, Nüziders 30.05.1808; 142 VLA: Landstände, Sch. 83, D 38: Protokoll, Bregenz/Feldkirch Stadtrichter Georg Feurstein, Feldkirch 09.06.1808. 22./23.06.1807. 162 Schümann, Konstitution (wie Anm. 62), S. 168. 143 Verordnung 08.06.1807 die Gleichheit der Abgaben, Steuerrektifikation 163 RBl. 1808, Sp. 985. – Eine gute Textedition bietet Bayerns Anfänge und Aufhebung der besonderen landschaftlichen Steuerkassen betr., als Verfassungsstaat. Die Konstitution von 1808. Eine Ausstellung im RBl. 1807, Sp. 969, Pkt. III. Bayerischen Hauptstaatsarchiv (Ausstellungskataloge der Staatlichen 144 Vgl. Bilgeri, Vorarlberg 4 (wie Anm. 20), S. 95-96 u. 107-108. Archive Bayerns 49). München 2008, S. 324-334. 145 VLA: Landstände, Sch. 83, D 38: Landesdirektion an Zentralbureau 164 Weis, Begründung (wie Anm. 26), S. 65-66. Vgl. dazu die Beiträge in: Feldkirch, Ulm 13.01.1808. Bayerns Anfänge als Verfassungsstaat (wie Anm. 163). 146 Weis, Begründung (wie Anm. 26), S. 74-75. 165 Eine Auflistung bietet: Bayerns Anfänge (wie Anm. 163), S. 332-333. 147 VLA: BA Sch. 84: Organisationsentwurf (1806). 166 RBl. 1808, Sp. 985, 1. Titel § 2.. 148 Ebenda. 167 Verordnung vom 01.05.1808 die Auflösung der dermaligen 149 Ebenda. landschaftlichen Korporationen betreffend, RBl. 1808, Sp. 961. 150 Ebenda. 168 VLA: VOKA, Sch. 159, Nr. 24/22. 151 RBl. 1808, Sp. 188-189. 169 VLA: Landstände Sch. 83 D 38: Übergabeprotokoll, Feldkirch 152 VLA: BA Sch. 84: Organisationsentwurf (1806). 16.05.1808. 153 Hirn, Erhebung (wie Anm. 68), S. 32-34. – In VLA: BA Sch. 84, liegen 170 VLA: Landstände Sch. 112: Einlaufprotokoll 1807-1809. Zur Liquidation einige Bewerbungen von Kandidaten ein, die nicht zum Zug gekommen vgl. VLA: Landstände, Sch. 83, D 38; VLA: VOKA, Sch. 159 Nr. 24/22: VLA: sein dürften. BA Sch. 87. 154 Rieder, Reisach 1915 (wie Anm. 127), S. 246-249. 171 Josef Grabherr, Die reichsunmittelbare Herrschaft Blumenegg. 155 Am 15.10.1809, zitiert nach: Hirn, Erhebung (wie Anm. 68), S. 34. Geschichtliche Studie. Bregenz 1907 (Veröffentlichungen des Vereines 156 Rieder, Reisach 1915 (wie Anm. 127), S. 248-250 u. 306-322. Vgl. auch für christliche Kunst und Wissenschaft in Vorarlberg 3), S. 222-223, Ferdinand Hirn, Die Aushebung der Geisel in Vorarlberg 1813, in: geht auf diese Frage nicht ein, weist aber (S. 219, 220) bis 1805 einen Jahresbericht der k. k. Oberrealschule Dornbirn 1912/13, S. 3-31, hier S. Blumenegger Landammann und bis 1806 einen Walser Gerichtsammann 8-9. aus. 157 VLA: Adm Hohenems Nr. 42: Kreiskommissariat an Adm Hohenems, 172 Zum Folgenden: Till Strobel, Territorium und Kreiseinteilung Bayerns Bregenz 09.10.1806 (Bekanntmachung liegt ein); VLA: Patente seit dem ausgehenden 18. Jahrhundert, in: Bayerns Anfänge als 1806/12/02. Verfassungsstaat. Die Konstitution von 1808. Eine Ausstellung im 158 VLA: Vogta Bludenz Nr. 788: Mehrere undatierte Konzepte des Freiherrn Bayerischen Hauptstaatsarchiv (Ausstellungskataloge der Staatlichen von Sternbach und „Amtsextraktions- und Organisationskommission in Archive Bayerns 49). München 2008, S. 81-103. Vorarlberg“ an Vogteiamt Bludenz, Nüziders 29.12.1806. 173 Entwurf Aretin 16.02.1807, Faksimile in: Strobel, Territorium (wie Anm. 159 Am 24. 02.1807 konnte das Kreiskommissariat der Landesdirektion 172), S. 96. hinsichtlich der Landgerichte Vollzug melden (VLA: BA Nr. 3775). Das 174 Verordnung 21.06.1808 die Territorial-Einteilung des Königreichs Bayern aufgelöste Rentamt der Herrschaft Bregenz übergab seine Akten erst betr., RBl. 1808, Sp. 1481. am 07.03.1807 an das neue Rentamt Bregenz. (VLA: Rentamt Bregenz Nr. 175 (Christian Jakob Wagenseil,) Nachricht von der feyerlichen Installation 5/1). Das Einreichungsprotokoll der Administration Hohenems endet mit des Königlich Baierischen General-Kommissariats des Illerkreises 9. Jänner 1807 (VLA: Adm Hohenems Nr. 42). zu Kempten, am 26. September 1808, in: Adresskalender Illerkreis 1 160 VLA: BA Sch. 85 und Sch. 87: Installationsprotokoll, Bregenz 10.02.1807 (1809), S. 128-133.

Seite 434 176 VLA: Kreiskommissariat EProt 1/50. ebenda auch zur Haltung der Beamten 1813/14. 177 Entwurf Aretin 26.06.1810, Faksimile in: Strobel, Territorium (wie Anm. 194 RBl. 1808, Sp. 2245. 172), S. 97. 195 Geregelt im Organischen Edikt 28.07.1808 über die gutsherrliche 178 Verordnung vom 23.09.1810 die Territorial-Einteilung des Königreichs Gewalt, RBl. 1808, Sp. 1833 betreffend, RBl. 1810, Sp. 809. 196 Ebenda findet sich diesbezüglich nicht ausdrücklich eine Frist. De 179 Organisches Edikt 08.08.1808 die Anordnung der Einschränkung der Kriminalgerichtsbarkeit war allerdings bereits im Kreisfinanzdirektionen betr., RBl. 1808, Sp. 1869. Organischen Edikt über die Gerichtsverfassung, RBl. 1808, Sp. 1785, § 180 RBl. 1808, Sp. 985, 5. Titel § 1. 16, verfügt worden. 181 RBl. 1808, Sp. 1785. Vgl. Monika von Walter, Konstitution und Justiz, in: 197 Bergmann, Reichsgrafen (wie Anm. 2), S. 92. Bayerns Anfänge als Verfassungsstaat. Die Konstitution von 1808. Eine 198 VLA: LG Feldkirch EProt 8/15: 91/1809 Eingang 11.01.1809; 267/1808 Ausstellung im Bayerischen Hauptstaatsarchiv (Ausstellungskataloge Eingang 31.01.2009; zudem 327/1809 Eingang 05.02.1809 (Erledigung der Staatlichen Archive Bayerns 49). München 2008, S. 249-270. mit Übergabeprotokoll 22.03.1809). 182 Verordnung 03.12.1808 die Anordnung der neuen Stadtgerichte betr., 199 Zu Neuburg vgl. VLA: LG Feldkirch EProt 8/14: EProt 2243/1808; zu RBl. 1808, Sp. 2803, Pkt. 26. Dornbirn VLA: BA Nr. 3221 (Zeugnisse Seewald). 183 RBl. 1808, Sp. 3015. 200 Puchta, Adel und Konstitution (wie Anm. 16), S. 271-296; Ernst, Adel 184 VLA: LG Feldkirch EProt 8/15: 91/1809, Eingang 11.01.1809. Vgl. (wie Anm. 89), S. 45-257. Volaucnik, Feldkirch (wie Anm. 84). 201 RBl. 1812, Sp. 1505. 185 Tschaikner, Gayenhofen (wie Anm. 53). 202 VLA: LG Feldkirch EProt 8/19: 2181/1813 Eingang 26.07.1813. 186 Verordnung 30.12.1808 das veränderte Instanzenverhältnis in 203 Ebenda: 2499/1813 Eingang 23.08.1813. Kriminalsachen betr., RBl. 1809, Sp. 53. 204 Vgl. VLA: LG Feldkirch EProt 8/19: 4129/1813, 4381/1813; EProt 8/20: 187 Verordnung 04.03.1809 die Ernennung der Landgerichtsassessoren 500/1814, 730/1814, 1445/1814. und Aktuare für das gesamte Königreich betr., RBl. 1809, Sp. 441, die 205 Schmid, Pappus (wie Anm. 96), S. 90-91. Ernennungen im Illerkreis, Sp. 465-467. 206 1845 wurde es als „ruhend“ bezeichnet: Volkert, Handbuch (wie Anm. 188 Hirn, Erhebung (wie Anm. 68), u.a. S. 85, 88, 91-94, 170-171, 184, 62), S. 617. 201, 339, 365-366; Gebhard Blank, Die Vorarlberger Studenten an 207 VLA: BA Nr. 3221. Zur privilegierten Uniform: RBl. 1807, Sp. 486-487. – der Universität Innsbruck von 1756 bis 1817, ihr Studiengang, ihr Für Lustenau fehlen wesentliche Attribute, die zumindest der Form nach Berufsleben. Masch. Hausarbeit Universität Innsbruck 1956, S. 13, 165- den Begriff „Unterlandesherrschaft“ rechtfertigen würden (vgl. Heinz 166. – Bei Peter Bußjäger, Gemeindebuch Nüziders. Nüziders 1994, S. Gollwitzer, Die Standesherren. Die politische und gesellschaftliche 57, dürfte zum Teil eine Verwechslung mit Abraham Kutter vorliegen. Stellung der Mediatisierten 1815-1918. Ein Beitrag zur deutschen 189 Organisationsreskript 1806 (im Anhang). Sozialgeschichte. Wien 1957, S. 16-20 u. 72-77). 190 RBl. 1810, Sp. 235 (Bregenz), 334 (Montafon, Feldkirch), 422 (Montafon). 208 Verordnung 13.11.1810 die der königlichen Souveränität unterworfenen, Vgl. Hirn, Erhebung (wie Anm. 68), S. 32. bisher aber im Auslande domilizierenden Fürsten, Grafen und ehemals 191 VLA: LG Feldkirch EProt 8/16: 239/1811, 283/1811 Anzeige unmittelbaren adeligen Gutsbesitzer betr., RBl. 1810, Sp. 1241. des Dienstantritts an Finanzdirektion (30.08.1811) und 209 Für den Vertrag werden drei Daten angegeben: 01.04.1807 (Welti, Generalkreiskommissariat (04.09.1811). Reichsgrafschaft [wie An. 2], S. 265), 07.04.1811 (VLA: HoA 52,21; 192 Kuttner: RBl. 1808, Sp. 821 (RBl. 1807, Sp. 189), RBl. 1809, Sp. 1918 Abschrift nicht beigebunden), 30.09.1811 (Bergmann, Reichsgrafen [wie (Versetzung nach Simbach am Inn); Hauber: RBl. 1809, Sp. 1957. Anm. 2], S. 93). 193 Hirn, Heimfall (wie Anm. 88), S. 18-19. – Generalkommissär Stichaner 210 Bergmann, Reichsgrafen (wie Anm. 2), S. 92-93. hatte Landrichter Beer von Weiler im Dezember 1813 aufgefordert, sich 211 VLA: HoA 52,21; Bergmann, Reichsgrafen (wie Anm. 2), S. 93. für einige Zeit von seinem Amt zurückzuziehen (ebenda, S. 8). Vgl. 212 Davon ging Welti, Reichsgrafschaft (wie Anm. 2), S. 267-268, aus.

Seite 435 213 VLA: HoA 52,21: Konstitution der Ortsgerichtsbarkeit zu Lustenau 1813; Das Gericht Jagdberg. Von der Einrichtung 1319 bis zur Aufhebung 1808, RBl. 1814, Sp. 10; Königlich-Baierisches Intelligenzblatt des Illerkreises hg. von Alois Niederstätter/Manfred Tschaikner (Elementa Walgau 1814, Sp. 55. – Der abgebildete Einreichplan des Patrimonialgerichts Schriftenreihe 4). Nenzing 2007, S. 49-114, hier S. 74. Lustenau liegt in Staatsarchiv Augsburg: Regierung 3084a, ab. Für 230 Zur Pfarrbildung: Andreas Ulmer, Erläuterungen zum Historischen diesen Hinweis und die Überlassung einen Scans danke ich Dr. Atlas der österreichischen Alpenländer, 2. Abt.: Die Kirchen- und Wolfgang Scheffknecht, Historisches Archiv der Marktgemeinde Grafschaftskarte, 2. Teil: Vorarlberg. Wien 1951. Vgl. den Beitrag von Lustenau. Manfred Tschaikner, Herrschaft, Gericht, Steuergenossenschaft, 214 Welti, Bludenz (wie Anm. 67), S. 209, begründet die Auflösung des Kirchspiel und Gemeinde. Zur Verwaltungsgeschichte des Großraums Patrimonialgerichts mit der Errichtung eines Kriminalgerichts für ganz Bludenz in der Frühen Neuzeit, in diesem Band. Vorarlberg in Feldkirch (leider wie üblich ohne Quellenhinweis). Die 231 Verordnung 01.01.1806 das Regierungsblatt betr., RBl. 1806, S. 1. Errichtung eines sprengelübergreifenden Kriminalgerichtsbezirks 232 Vgl. den Beitrag von Alois Niederstätter, Die kirchliche Matrikenführung, konnte ich bisher nicht verifizieren. in diesem Band. 215 RBl. 1809, Sp. 209. 233 Ulrich Nachbaur, Das Feldkircher Walsergericht Damüls an der 216 Vgl. Anm. 219 und 329. „Staatsgrenze“ zu Blumenegg, in: 200 Jahre Blumenegg bei Österreich. 217 Hirn, Erhebung (wie Anm. 68), S. 85 u. 88. Beiträge zur Regionalgeschichte, hg. von Manfred Tschaikner (Bludenzer 218 Welti, Bludenz (wie Anm. 67), S. 210. Geschichtsblätter 72-74). Bludenz 2004, S. 25-109. 219 Ebenda, S. 209-210. Zu Fritz zudem Ferdinand Hirn, Das Spezialgericht 234 Zuletzt wurde dies in § 70 der Gemeindeordnung 1935 (LGBl. Nr. in Lindau. Ein Nachspiel zu Vorarlbergs Erhebung im Jahre 1809, in: 25/1935) geregelt, der 1945 an sich wieder in Kraft trat und bis Jahresbericht der k. k. Oberrealschule Dornbirn 1910/11, S. 3-30, hier S. 1965 in Geltung blieb. Allerdings waren die Ortschaften 1938 mit 19, 21-22 u. 26. der Einführung der Deutschen Gemeindeordnung (RGBl. 1938, I, 220 RBl. 1808, Sp. 985, 3. Teil § 5. S. 237, Art. II § 1; GBlfLÖ Nr. 408/1938, Art. II § 1) aufgelöst und die 221 RBl. 1808, Sp. 2789. Gemeinden zu ihren Rechtsnachfolgern bestimmt worden. Eine 222 Verordnung 13.05.1808 das allgemeine Steuer-Provisorium für die Vermögensauseinandersetzung wurde nach 1945 zumindest diskutiert. Provinz Baiern 235 Verordnung 30.12.1807 die Generaladministration des Stiftungs- und betr., RBl. 1808, Sp. 1089, Anhang Nr. 1; Verordnung 13.05.1808 das Kommunalvermögens im Königreiche Bayern betr., RBl. 1808, Sp. 209, allgemeine Steuer-Provisorium für die Provinz Schwaben betr., RBl. mit 11 Beilagen. Vgl. bereits: Verordnung 29.12.1806 die Verwaltung der 1808, Sp. 1089. Stiftungen betr., RBl. 1907, Sp. 49. 223 RBl. 1808, Sp. 2405. 236 VLA: BA Sch. 11, Nr. 667: Kuttner an Generallandeskommissariat, 224 Ebenda, Anhang: Instruktion der Gemeindevorsteher, § 5. Nüziders 26.12.1807. 225 VLA: Gericht, Landgericht und Bezirksamt [fortan: G/LG/BA] Dornbirn 237 VLA: BA Sch. 11, Nr. 667: Inventarium, Nüziders 21.-24.12.1807. Polit. 1539/1808: LG Dornbirn an Generalkreiskommissariat, Dornbirn 238 VLA: BA Sch. 6, Nr. 539: Inventarisation Kommunalvermögen 18.12.1808. Landgericht Feldkirch 1808. Vgl. Niederstätter, Dorfvögte (wie Anm. 229); 226 Vgl. Volkert, Handbuch (wie Anm. 62), S. 88. Tschaikner, Jagdberg (wie Anm. 229), S. 80-85. 227 VLA: BA Sch. 84: Organisationsentwurf (1806). 239 Edikt 30.09.1811 über die Reklamationen wider das allgemeine 228 Alois Niederstätter, Von Dorfvögten und Bannwarten. Die Entwicklung Steuer-Provisorium, RBl. 1811, Sp. 1521; Verordnung 22.11.1811 das „kommunaler“ Strukturen in Vorarlberg seit dem Mittelalter, in allgemeine Steuer-Mandat für das Etatsjahr 1811/12 betr., RBl. 1811, diesem Band; Karl Heinz Burmeister, Die ländliche Gemeinde in Sp. 1745. – Leider verfügt das Vorarlberger Landesarchiv nicht für alle Vorarlberg bis 1800, in: Die ländliche Gemeinde (Schriftenreihe der Steuerdistrikte über die Häuser- und Rustikalsteuerkataster, noch Arbeitsgemeinschaft Alpenländer). Bozen 1988, S. 139-157. seltener über Gewerbe- und Dominikalsteuerkataster (VLA: Findbehelf 229 Manfred Tschaikner, Das Gericht Jagdberg in der frühen Neuzeit, in: Rep. 14/16). Allgemein vgl. Josef Heider, Das bayerische Kataster.

Seite 436 Geschichte, Inhalt und Auswertung der rentamtlichen Kataster, handelt die Gemeinde Fluh selbständig (VLA: LG Bregenz Commun. VI- Lager- und Grundbücher sowie der zugehörigen Flurkarten (Bayerische 37/1820). Am 14.12.1822 fanden in der Gemeinde Fluh Wahlen statt, weil Heimatforschung 8). München 1954. der Vorsteher, die Ausschüsse und der Kassier um Entlassung ersucht 240 Karl Lego, Geschichte des Österreichischen Grundkatasters. Wien hatten (VLA: LG Bregenz Commun. VIII 2112/1822) 2413/1816). 1968, besonders S. 25, 31, 42, 45-46 u. 51-52; Ulrich Nachbaur, Die 251 VLA: LG Bregenz, Commun. III-39/1818-19. Hypothekenbank des Landes Vorarlberg 1897 bis 1925, in: Montfort 60 252 Am 23.05.1817 suchten Vertreter der Pfarre Buch um die Trennung an, (2008) 1/2, S. 52-81, hier S. 56. am 26.09.1817 beschied ihnen das Landesgubernium, sich in Geduld 241 BSB: Dt Hss Cgm 6861/19: Lit. S Vermögen der Gemeinden 1809/10, LG zu üben (VLA: KA I EProt 2840, 3786, 4366, 501/1817). Am 07.01.1820 Innerbregenzerwald, Bezau 31.10.1811. ersuchte die Pfarrgemeinde Buch erneut, eine eigene Gemeinde bilden 242 BSB: Dt Hss Cgm 6861/20: Lit. S Vermögen der Gemeinden 1811/12, LG zu dürfen; das Landgericht Bregenz riet davon ab (VLA: KA I EProt Bregenz, Bregenz 31.12.1812. 1/82-1 100, 183/1820). Ewald Hopfner, HeimatBuch. Geschichte und 243 Ebenda, LG Sonnenberg, Bludenz 10.01.1813. Porträt der Kleingemeinde Buch im Bezirk Bregenz. In alten Zeiten dem 244 Ebenda, LG Weiler, Weiler 31.05.1813. Gericht Hofsteig zugehörig. Buch 2000, S. 163, geht davon aus, dass die 245 Staatsarchiv Augsburg: Bezirksamt Lindau 1050, Übersicht über die Gemeindetrennung wahrscheinlich 1818 erfolgte. Unterabteilungen im k. b. LG Weiler, Weiler 31.12.1808. – Freundliche 253 1817 und 1818 zeichnete Martin Schelling als Gemeinderat der Mitteilung des Staatsarchivs Augsburg vom 24.03.2005 an Dr. Hermann Gemeinde Steißberg (wie Anm. 251). Am 24.03.1824 ersuchte er als Stoller (Lindenberg), dem ich für eine Fotokopie der Übersicht danke. Vorsteher der Gemeinde Buch das Landgericht Bregenz um seine 246 Staatsarchiv Augsburg: Bezirksamt Lindau 1052 (wie Anm. 245): Entlassung, nachdem er das Amt bereits während der bayerischen Fotokopie einer Gemeindeliste, Datierung der Fotokopie nicht Regierung 5 1/2 Jahre und in österreichischer Zeit erneut 4 Jahre und 3 entnehmen, Laufzeit des Aktes: 1808-1813. Monate ausgeübt habe; gleichzeitig ersuchte auch Gemeindekassier 247 VLA: BA Sch. 11, Nr. 667: Konspekt, Bludenz 18.01.1814. Baltus Böhler nach über vier Jahren um Entlassung (VLA: LG 248 VLA: LG Sonnenberg, Sch. 8, Nr. 123; VLA: BA Sch. 11, Nr. 667: Bregenz, Commun. X-569/1824). Das könnte auf eine Wahl im Jahr Summarische Zusammenstellung Rentamt Feldkirch, Feldkirch 1820 hindeuten. In einem Konspekt über die Schuldentilgung der 24.03.1814. Vorarlberger Gemeinden von 1821 scheinen Steißberg und Buch 249 VLA: BA Sch. 10, Nr. 667: Verzeichnis der Schulden, St. Gerold getrennt auf (VLA: KA I, Sch. 436). In der Gemeinde Steißberg fanden 07.09.1812. 1810 hatte nur ein Vorsteher gezeichnet (ebenda). 1821 und 1822 Wahlen statt, bei denen Schelling und Böhler nicht unter 250 Karl Heinz Burmeister, Politische und Rechts-Geschichte, in: 50 Jahre den Wählern aufgelistet sind (VLA: LG Bregenz, Commun. VIII-14/1821- Rieden-Vorkloster bei Bregenz 1919-1969 Festschrift und Katalog der 22). Ausstellung. Bregenz 1969, S. 43-46, hier S. 43, erweckt den Eindruck, 254 Als einer von sehr wenigen geht Elmar Haller, Geschichte Sulzbergs. Fluh sei gleich 1814, nach der Rückkehr zu Österreich, selbständig Dornbirn 1961, S. 163-166 u. 175-177, auf die Gemeindebildung ein; geworden. Das trifft nicht zu. In einem Generalkonspekt über die zudem Gebhard Blank u.a., Sulzberg. Stationen der Geschichte. Bevölkerung der 18 Gemeindedistrikte des LG Bregenz 31.12.1814 Sulzberg 1999, S. 52-59. scheint nur „Vorkloster“ (VLA: Kreisamt I [fortan: KA I], Sch. 339) auf. Am 255 VLA: G/LG/BA Dornbirn Polit. 1539/1808. Der hier einliegende Konspekt 04.05.1816 erstattet Gemeinderat Konrad Herlemann aus Fluh für die datiert vom 12.02.1809. Gemeinde Vorkloster Bericht und bemerkt, dass unter der bayerischen 256 VLA: Kartensammlung 15/54-1 (30.08.1812), 15/54-2 (30.08.1812); Regierung die vier Gemeinden von Fluh, Kennelbach, Rieden und abgedruckt in Blank u.a., Sulzberg (wie Anm. 254), S. 53. Vorkloster zu einer Gemeinde oder einem Distrikt zusammengezogen 257 VLA: G/LG/BA Dornbirn Polit. 1539/1808: LG Dornbirn an worden seien (VLA: LG Bregenz Commun. II-1307 u. 2413/1816). Bis April Generalkreiskommissariat, Dornbirn 18.12.1808. 1817 stellte Fluh mit Herlemann den Vorsteher des „Distrikts“ Vorkloster 258 VLA: G/LG/BA Dornbirn Polit. 1539/1808: Erläuterungen zum Konspekt, und Rieden ((VLA: LG Bregenz Commun. III-4/1817). Im September 1820 n.d.

Seite 437 259 BSB: Dt Hss Cgm 6861/20: Lit. S Vermögen der Gemeinden 1811/12, 274 Königlich-Baierisches Intelligenzblatt des Illerkreises 1814, Sp. 611-616 Tabelle LG Dornbirn, Dornbirn 06.01.1813. (Zitat Sp. 612). 260 VLA: BA Sch. 85: Protokoll, Hohenems 03.11.1806. 275 Bilgeri, Vorarlberg 4 (wie Anm. 20), S. 267-270. 261 Aron Tänzer, Die Geschichte der Juden in Hohenems (Geschichte der 276 Vgl. Egon Koler, Die Wiedererrichtung der österreichischen Verwaltung Juden in Tirol und Vorarlberg 1+2). Meran 1905, S. 196; zum Folgenden in Tirol und Vorarlberg in den Jahren 1814-1821. Masch. Diss. Universität ebenda S. 164-207. Vgl. auch Harald Walser, Emanzipation und Innsbruck 1937. Ausgrenzung. Die Hohenemser Judengemeinde im 19. Jahrhundert, 277 VLA: KA I Publ. Commun. 156/1818; Welti, Bludenz (wie Anm. 67), S. 202- in: Antisemitismus in Vorarlberg. Regionalstudie zur Geschichte einer 204; VLA: Vogta Bludenz Nr. 1015; VLA: LG Sonnenberg Nr. 323 (Sch. 15). Weltanschauung, hg. von Werner Dreier (Studien zur Geschichte und 278 VLA: KA I Publ. 96/1830; Welti, Reichsgrafschaft (wie Anm. 2), S. 296- Gesellschaft Vorarlbergs 4). Bregenz 1988, S. 84-131. 299. Vgl. auch VLA: KA I Bau 1012/1843 (Landgerichtsgebäude Dornbirn). 262 RBl. 1813, Sp. 921, § 22. 279 VLA: KA I Präsid. XXI-160/1835. 263 Vgl. Ulrich Nachbaur, Vorarlberger Gemeinden 1849 bis 2008, in diesem 280 VLA: KA I Präsid. XXII-140/1837-1838. Band. 281 Welti, Bludenz (wie Anm. 67), S. 210-211; VLA: Vogta Bludenz Nr. 264 VLA: KA I Sch. 341, Mappe Einteilung der Ortschaften: Ausweis über 1015. die gemischten Gerichte in Tyrol und Vorarlberg, wie solche vom 1. 282 VLA: KA I Publ. 96/1830; Welti, Reichsgrafschaft (wie Anm. 2), S. 287- Mai 1817 an, in Gemäßheit des allerhöchsten Patents vom 14. März 302. 1817 zu bestehen haben, und über die ihren Bezirken zugewiesenen 283 VLA: KA I Publ. Commun. 1820: Organisation des Gemeindewesens. Gemeinden. 284 Ebenda; Entschließung 14.08.1819 die Regulirung der Gemeinden 265 Hirn, Aushebung (wie Anm. 156), S. 5 u. 13. und ihrer Vorstände in Tyrol und Vorarlberg betreffend, Provinzial- 266 Benedikt Bilgeri, Ein Gang durch die ältere Geschichte Rankweils, in: Gesetzsammlung von Tyrol und Vorarlberg für das Jahr 1819, S. 755. Heimat Rankweil, hg. von Josef Bösch. Rankweil 1967, S. 66-120, hier S. 285 Provisorischen Gemeindegesetz 17.03.1849, RGBl. Nr. 70/1849. 117. Vgl. Ulrich Nachbaur, „Marktgemeinde Rankweil“. Zum Werden und 286 KA I Publ. 779/1838 (1838 mit Stuben und Hohenems Judengemeinde; Wesen von Marktgemeinden in Vorarlberg, in diesem Band. ohne Nofels); Nachbaur, Gemeinden (wie Anm. 263); Ulrich Nachbaur, 267 Am 6. April 1813 (RBl. 1813, Sp. 581). Gesetzgebung und Verwaltung, in: Vorarlberg. Zwischen Fußach und 268 VLA: LG Sonnenberg, Sch. 8, Nr. 123. Flint, Alemannentum und Weltoffenheit, hg. von Franz Mathis/Wolfgang 269 Ebenda: Konspekt Jänner 1808/09, Nüziders 11.02.1809. Vgl. Nachbaur, Weber (Geschichte der österreichischen Bundesländer seit 1945, Damüls (wie Anm. 234), S. 30. Schriftenreihe des Forschungsinstitutes für politisch-historische Studien 270 VLA: Gemeindearchiv Röthis Nr. 2: Inventarium der Verteilung der Dr. Wilfried-Haslauer-Bibliothek, Salzburg 6/4). Wien/Köln/Weimar 17.05.1816. 2000, S. 464-522, hier S. 496. 271 VLA: KA I Publ. 612/1830. 287 Josef Gebhard Roder, Bregenz vor 50 Jahren (Separatabdruck 272 VLA: Landesausschuss: Gemeindefinanzen Stand Sonnenberg. aus Vorarlberger Volksblatt). Bregenz 1902, S. 41. – Roder hatte Zum früheren Standesvermögen vgl. VLA: BA Sch. 11, Nr. 667: Generallandeskommissär Schneider als Schreiber gedient (Hirn, Generalkonspekt Stand Sonnenberg 1813. Vgl. z.B. Tschaikner, Jagdberg Aufenthalt [wie Anm. 127], S. 32). (wie Anm. 229), S. 75. 288 Hören auf, fallen weg. 273 Vgl. im Überblick Ulrich Nachbaur, Vorarlberger Territorialfragen 1945 289 Einnehmereien. bis 1948. Ein Beitrag zur Geschichte der Vorarlberger Landesgrenzen seit 290 Das ins Mittelalter zurückreichende kaiserliche Landgericht zu Rankweil 1805 (Forschungen zur Geschichte Vorarlbergs 8). Konstanz 2007, S. 19- (Müsinen) hatte bereits stark an Bedeutung eingebüßt (Karl Heinz 21; zu Hohenems und Lustenau vgl. Welti, Reichsgrafschaft (wie Anm. 2), Burmeister, Rankweil als Gerichtstätte, in: Heimat Rankweil, hg. von S. 268-286. Zu den Landgerichten Weiler, Sonthofen und Immenstadt: Josef Bösch. Rankweil 1967, S. 131-145). VLA: KA I Präsid. III-3/1815. 291 Dieser Punkt ist in der Bekanntmachung der Organisationskommission

Seite 438 vom 02.12.1806 (wie Anm. 158) mit „Modification der Patrimonial und 307 Mit Franz von Vintler (1768-1807) wurde der bisherige Kreishauptmann Dorfgerichte“ übertitelt. zum Kreiskommissär bestellt. Er starb am 22.04.1807 (Nachruf, RBl. 292 Gebäude in Staatseigentum. 1807, Sp. 884-886). 293 Das Amtshaus der Herrschaft Hohenegg in Weitnau wurde samt 308 Johann Peter Vögel aus Sulzberg dürfte zu den Proteges des Amtsgut am 27.07.1807 um 4.300 Gulden an Private verkauft, die Organisationskommissärs und späteren Generalkreiskommissärs von „Amtstaferne“ in „Adler“ umbenannt (Karl Heinz Burmeister, Das Merz gezählt haben. Vögel war 1801 bis 1803 Administrationsgehilfe Amtshaus Hohenegg, seine Entwicklung und seine Bedeutung, in: der k. k. Administration Hohenems, 1803 bis 1804 Vogteiamtsverwalter Allgäuer Geschichtsfreund (2007) 107, S. 14-48). in Bludenz und von Freiherr von Sternbach entlassen worden; laut 294 Die Stadt Bregenz erwarb am 01.12.1806 für das Landgericht ein Haus Organisationskommission deshalb, weil Vögel ihm keinen Einfluss am Graben (heute Rathausstraße 27). 1808, nach der Auflösung des auf dessen Richteramt gewährt habe. Vögel fand als Protokollist Kreiskommissariats, übersiedelte es ins ehemalige Kreisamtsgebäude Anstellung beim Kreis- und Oberamt in Bregenz. Merz hielt ihn für am Leutbühel. Als Gefängnis diente der weiterhin ein Teil des eine Landrichterstelle fähig und ersuchte darum, Vögel im Hinblick ehemaligen gräflichen Amtshauses in der Oberstadt (Nachbaur, auf dessen zahlreiche Familie und des unter der vorigen Regierung Amtshäuser [wie Anm. 79], S. 11-17). erlittenen Unrechts das Gehalt nicht zu kürzen. Vom Kreisamt muss 295 Der Stand Bregenzerwald hatte 1789 den Bau eines Gerichtsgebäudes Vögel schon bald in die Landesdirektion nach Ulm gewechselt haben. in Bezau in Auftrag gegeben, das nun vergrößert, um ein Gefängnis Im Juni 1807 begleitete er Merz als Landesdirektionssekretär zur (Fronfeste) erweitert wurde (Wilhelm Meusburger, Bezau. Geschichte, Übernahme der landschaftlichen Kassen nach Vorarlberg. Von 1808 bis Gesellschaft, Kultur. Bezau 1995, S. 48). Da sich damit die hinter der 1813 ist er als Sekretär der Finanzdirektion des Illerkreises ausgewiesen. Bezegg gelegenen Gemeinden durchsetzten, wurden ihnen offenbar die Von 1819 bis 1832 ist er als 2. Kreiskommissär im Kreisamt Bruneck Kosten allein auferlegt (vgl. Darstellung 4.1.). ausgewiesen (OE 1806 [wie Anm. 300]; Blank, Studenten [wie Anm. 296 Gebäude in Staatseigentum. 188], S. 79; Welti, Bludenz (wie Anm. 67), S. 201; Hermann Sander, 297 In Nüziders stand das Gerichtshaus des Standes Sonnenberg. Es fiel Die österreichischen Vögte von Bludenz, in: Programm der k. k. Ober- 1865 einem Dorfbrand zum Opfer (vgl. Anm. 81; Bußjäger, Nüziders [wie Realschule Innsbruck für das Studienjahr 1898/99. Innsbruck 1899, S. Anm. 189], S. 57). 3-92, hier S. 85; VLA: Landstände, Sch. 83, D 38: Protokoll, Bregenz/ 298 Am 06. 03.1807 wurde für das Gericht Sulzberg eine ähnliche Regelung Feldkirch 22./23.06.1807; OE 1806 [wie Anm. 300]). getroffen (Haller, Sulzberg [wie Anm. 254], S. 162-163). 309 Joseph Gebhard Beer war 1784 bis 1789 Oberamtsprokurator und 299 Ab 1810 diente das ehemalige „Marentische Gasthaus“ als 170 Akzessist beim Oberamt Bregenz, dann Amtmann der kleinen Gerichtsgebäude (Montafoner Heimatbuch. Schruns 21980, S. 480). Herrschaft Hohenegg, 24 Dienstjahre, Jahresgehalt 1.500 Gulden. 300 Nach den im Organisationsentwurf 1806 (VLA: BA Sch. 84) [fortan: OE Die Organisationskommission pries ihn als einen der „vorzüglichen 1806] ausgewiesenen Familienzahlen bedeutete das für die Landrichter Vorarlbergischen Staatsdiener“, der bei seinen Untertanen sehr beliebt von Weiler 978, Feldkirch 804, Innerbregenzerwald 686, Bregenz 685, sei. Beer soll seiner Ernennung durch Bestechung nachgeholfen haben Sonnenberg 674, Dornbirn 638, Montafon ca. 533 Gulden Zulage. (OE 1806 [wie Anm. 300]; Blank, Studenten [wie Anm. 188], S. 13; Hirn, 301 Brennholz. Erhebung (wie Anm. 68), S. 32 und passim). Siehe Darstellung 4.13. 302 Als Abfindungssumme. 310 Johann Michael Madlener (1764-1813) aus Sulz, hochfürstlicher Leibarzt 303 Vorteile, Nutzen, Vergütungen. in Buchau, Gerichtsphysikus des Gerichts Rankweil-Sulz, zuletzt des 304 Abfindungssumme. Gerichts Kellhöfe (VLA: BA Sch. 84: Ausweis der in der Provinz Vorarlberg 305 Gefälle war bis in die Frühe Neuzeit ein Sammelbegriff für verschiedene befindlichen Ärzte und ihre Gehalte, n.d. [1806]); Blank, Studenten obrigkeitliche, kirchliche oder gerichtliche Erträge, Einkünfte oder [wie Anm. 188], S. 140; J. K. Hueber-Florsperg, Vorarlberg in seinen Angaben. wappenfähigen Familien dargestellt, Bd. 3. Bregenz 1881, S. 137). 306 Taggelder. 311 Immler war Gerichtsdiener der Herrschaft Hohenegg.

Seite 439 312 Moz (Motz) war 1803 Oberbeamter und Landschreiber des 1817 bis 1826 Präsident des Kollegialgerichts Feldkirch, anschließen Vogteiamts Feldkirch, später Kreis- und Oberamtsrat in Bregenz, Appellationsgerichtsrat in Innsbruck (OE 1806 [wie Anm. 300]; Hirn, seit 18 Jahren im Staatsdienst, Jahresgehalt 1.573 Gulden. Für die Erhebung (wie Anm. 68), S. 16, 32 und passim; Blank, Studenten [wie Organisationskommission hatte Moz für diese Stelle „sowohl durch Anm. 188], S. 16-18). Siehe Darstellung 4.13. die Bestimmungen seiner bisherigen Dienstskategorie als seine 317 Balthasar Winder aus Buch, Orts- und Gerichtsphysikus des Gerichts moralischen und intellektuellen Eigenschaften den ersten Anspruch.“ Innerbregenzerwald, Promotion 1804 (OE 1806 [wie Anm. 300]; VLA: BA Der „gutmeinende, aber schwache Landrichter“ wurde nach dem Sch. 84: Ausweis der in der Provinz Vorarlberg befindlichen Ärzte und Aufstand 1809 nach Ravensburg versetzt (Hirn, Erhebung (wie Anm. 68), ihre Gehalte, n.d. [1806]; Blank, Studenten [wie Anm. 188], S. 231). S. 392; OE 1806 [wie Anm. 300]; Instanzen-Schematismus für Tyrol und 318 Andreas Metzler (OE 1806 [wie Anm. 300]). Vorarlberg 1803, S. 105). Siehe Darstellung 4.13. 319 Dr. Joseph von Ganahl (1759-1833) aus Tschagguns, 1803 nobilitiert, 313 Gebhard Aberer war 1796 bis 1804 Kreis- und Oberamtspraktikant, 1789 bis 1804 Landadvokat, Gerichtschreiber, Oberamtsadvokat 1805 Oberamtsprotokollist in Bregenz, 11 Dienstjahre, 675 Gulden. Er und Prokurator in Dornbirn, seit 1805 Syndikus der Stadt Bregenz wäre laut Organisationskommission gemäß seiner Dienstkategorie und der unteren Stände, gemäß Organisationskommission „ein zu einer höheren Anstellung berufen gewesen, die ihm aber derzeit Mann von überwiegendem Ansehen in diesem Lande, einer nicht zugewiesen werden könne. Während des Aufstandes 1809 diente der ersten Rechtsgelehrten, von unbescholtenem Ruf, strengen Aberer Generallandeskommissär Schneider als Sekretär. Anschließend Sitten, und unermüdeter Thätigkeit“. 1815 wechselte Ganahl als wurde er nach Ravensburg versetzt, später offenbar pensioniert. Er Appellationsgerichtsrat nach Innsbruck, 1818 als Präsident des hielt zu Anton Schneider Kontakt. 1813 war er bei den Landrechten in Kollegialgerichts nach Bozen (OE 1806 [wie Anm. 300]; Alois Brünn angestellt. 1819 scheint er als Landrichter im Bregenzerwald auf Niederstätter, Dr. Joseph Ganahl von Zanzenberg (1759-1833), in: (Hirn, Erhebung [wie Anm. 68], S. 392; OE 1806 [wie Anm. 300], Hirn, Dornbirner Schriften (1988) 5, S. 31-35; Blank, Studenten [wie Anm. Aufenthalt [wie Anm. 127], S. 32 u. 40-41; Rieder, Reisach 1915 [wie Anm. 188], S. 87-93). 130], S. 299; Blank, Studenten [wie Anm. 188], S. 2; Schematismus der 320 Matt, 3 1/2 Dienstjahre, Jahresgehalt 256 Gulden „ein junger Mann von Provinz Tyrol und Vorarlberg 1819; VLA: Vorarlberger Akten Nr. 555). vorzüglichen Anlagen“ (OE 1806 [wie Anm. 300]). 314 Zur Staatsdienerpragmatik von 1805 siehe Darstellung 4.13. 321 Dr. Johann Karl Hollenstein (1760-1810) aus Lustenau war 315 Dr. Wunibald Rosenstiel (1758-1816) war seit 1784 Kreis-, Stadt- und von der Christen- und der Judengemeinde Hohenems als Landschaftsphysikus in Bregenz. Die Organisationskommission lobt Gemeindearzt angestellt. Große Verdienste erwarb er sich um die ihn als „ein Mann von ausgezeichnetem verdienten Ruf im In- und Pockenschutzimpfung (OE 1806 [wie Anm. 300]; VLA: BA Sch. 84: Auslande, würdig in jedem Betracht, daß ihm noch ferner eine Art Ausweis der in der Provinz Vorarlberg befindlichen Ärzte und ihre von Oberaufsicht über die Sanitätsanstalten des Landes […] belassen Gehalte, n.d. [1806]; Tänzer, Juden [wie Anm. 261], S. 325 Anm. 2). werde.“ (OE 1806 [wie Anm. 300]; Instanzen-Schematismus für Tyrol und 322 Wohl Peter Vögl (Vögel), der 1803 als Administrationsgehilfe der k. k. Vorarlberg 1803, S. 149 u. 192; Walter Zirker, „Allein der Patient starb, Administration Hohenems ausgewiesen ist (Instanzen-Schematismus vor er geheilt war“. Ärzte und Wundärzte in Vorarlberg von 1814 bis 1914 für Tyrol und Vorarlberg 1803, S. 104). [Alemannia Studens Sonderbd. 3]. Regensburg 1998, S. 163). 323 Die Brüder Leopold, Christoph und Maximilian Gugger von Staudach 316 Johann Georg Bereitter (1775-1833) aus Buch war 1803 Kreis- und sollen ihre Ernennung mit bedeutenden Schmiergeldzahlungen Oberamtspraktikant in Bregenz, dann Administrator der Herrschaft an Organisationskommissär Merz nachgeholfen haben. Laut Hohenems, 31 Jahre alt, 4 Dienstjahre, Jahresgehalt 759 Gulden. Organisationskommission entsprach sie mit der Bestellung des Christoph Ein großer Teil der Gemeinden des Innerbregenzerwaldes habe sich von Gugger dem Wunsch der Gerichte Rankweil-Sulz, Jagdberg und laut Organisationskommission Bereitter anstelle des bisherigen Neuburg und war sich sicher, dass „die gründliche wissenschaftliche Landschreibers Jakob Moosbrugger gewünscht. Er galt bald Bildung, die unbestechliche Gerechtigkeitsliebe, und die rastlose unbestritten als einer der fähigsten Beamten. 1815 wurde er Richter, Thätigkeit dieses geprüften und klugen Geschäftsmannes die allerhöchste

Seite 440 Entschließung ohnehin zu seinen Gunsten bestimmen würde.“ Nach die Geschworenen des Gerichts Montafon um Maximilian von dem Aufstand von 1809 wurde er nach Geislingen versetzt, konnte aber Gugger als Landrichter, da der Montafoner Landschreiber Theodor 1811 wieder nach Feldkirch zurückkehren (OE 1806 [wie Anm. 300]; Hirn, Fritz (hier irrtümlich „Frick“), „ein Mann von Thätigkeit und guter Erhebung (wie Anm. 68), S. 32, 392). Siehe Darstellung 4.13. wissenschaftlicher Bildung“, das Vertrauen nicht besitze und von 324 Franz Ferdinand Funkner von Funken (1778-1838), Sohn des „zu reizbarer Gemüthsart“ für dieses Volk zu sein scheine. Gugger, Oberamtmanns von Hohenems, 1790-1791 Kreisamtspraktikant in ehemals Landschreiber des Innerbregenzerwaldes, einen „wegen seiner Bregenz, stand 1794 bis 1797 als Akzessist und Praktikant im Dienst des juridischen Kenntnisse, seiner erprobten Klugheit und reinen Moralität Oberamtes der Markgrafschaft Burgau zu Günzburg, das in Großkötz ein sehr zu empfehlenden Beamten“, habe sich Landesgouverneur Pflegamt unterhielt, zuletzt als Beamter im Breisgau, bis dieser an das Ferdinand Graf Bissingen-Nippenburg 1802 bei seiner Versetzung Haus Habsburg-Este fiel (OE 1806 [wie Anm. 300]; Quarthal/Wieland/ als Generalgouverneur nach Venedig als Präsidialsekretär erbeten. Dürr, Vorderösterreich [wie Anm. 1], S. 347 u. 359-360; Blank, Studenten Nicht lange vor dem Ausbruch des letzten Krieges sei Gugger zum [wie Anm. 188], S. 87). Polizeikommissär von Udine ernannt worden, wo ihm das Klima 325 Dr. Franz Josef Griß (1761-1847) aus Rankweil, praktizierte seit 1791 in zugesetzt habe. Seit Ausbruch des letzten Krieges sei er ohne Feldkirch, wurde 1797 in den Stadtrat gewählt und zeichnete sich 1799 Anstellung in Vorarlberg und nun bereit, „diesen etwas gefährlichen als Hauptmann der Feldkircher Scharfschützenkompanie aus. Er war Posten anzunehmen.“ Gugger soll Merz bestochen haben. Nach dem 1806 bis 1817 Landgerichtsarzt in Feldkirch, anschließend bis 1823 Aufstand von 1809 wurde er nach Tettnang versetzt (OE 1806 [wie Anm. Kreisphysikus in Bregenz (OE 1806 [wie Anm. 300]; Andreas Ulmer/ 300]; Hirn, Erhebung (wie Anm. 68), S. 32, 392). Christoph Vallaster, Bedeutende Feldkircher. Von Hugo von Montfort bis 330 OE 1806 [wie Anm. 300]: „Da sich kein berühmter Arzt in diesem zur Gegenwart. Bregenz 1975, S. 220-221; Blank, Studenten [wie Anm. abgelegenen Gebirgstheil niederzulassen entschließen dürfte, so 188], S. 104-105). glaubt der königliche Kommissär, den bisher in Satteins wohnhaft und 326 Erne, bisheriges Jahresgehalt 500 Gulden inklusive Beteiligung an den geprüften Doctor Medicinae Bertsch, der sich vorzüglich bis nun mit Taxen (OE 1806 [wie Anm. 300]). der Geburtshilfe abgegeben, in gehorsamsten Vorschlag bringen zu 327 Andreas Vonbun, Landschreiber des Gerichts Sonnenberg, 1803 dürfen.“ – Wohl Dr. Johann Bertsch (1775-1863) aus Schnifis, Promotion kurzzeitig provisorischer Vogteiverwalter in Bludenz, soll seiner 1801, bis 1822 Landgerichtsarzt in Schruns, 1822 bis 1825 Distriktsarzt Bestellung mit Schmiergeld nachgeholfen haben. Die künftigen in Lermoos, 1826 bis 1827 Bezirksarzt in Weißenbach, 1828 bis 1830 Gemeinden des Landgerichts, so die Organisationskommission, Bezirksarzt in Prutz, 1830 bis zumindest 1849 Bezirksarzt in Bludenz, ersuchten schriftlich um seine Ernennung: „Er hat den Ruf eines scheint ab 1858 in Rankweil auf (Blank, Studenten [wie Anm. 188], S. gerechten und fleißigen Justizbeamten, verwaltet bereits seit 13 Jahren 19; Zirker, Ärzte [wie Anm. 315], S. 37, 47, 69, 138). alle Justiz- und Polizeygeschäfte dieses sehr ausgebreiteten Gerichts zu 331 Jakob Moosbrugger, bisher Landschreiber des Innerbregenzerwaldes, allgemein erklärten Zufriedenheit, sowohl desjenigen Gerichts, dessen „besitzt gründliche juridische Kenntnisse, und den unbezweifelten Angelegenheiten er besorgte, als auch der benachbarten Gemeinden Ruf eines sehr rechtschaffenden Mannes,“ sei aber bei einem großen […].“ Vonbun starb am 11.02.1808 mit 48 Jahren (OE 1806 [wie Anm. Teil der Bregenzerwälder Gemeinden nicht beliebt, argumentierte 300]; Hermann Sander, Die österreichischen Vögte von Bludenz, in: die Organisationskommission. Er sei 1799 als Hauptmann der Programm der k. k. Ober-Realschule Innsbruck für das Studienjahr Landesschützen verwundet worden und seither im Gebrauch des 1898/99. Innsbruck 1899, S. 3-92; Hirn, Erhebung (wie Anm. 68), S. 32; rechten Arms beeinträchtigt, was ihn zu einer angestrengten Arbeit VLA: Sterbebuch Nüziders [Mikrofilm]). Siehe Darstellung 4.13. untauglich mache. Deshalb wurde vorgeschlagen, ihn zum Stadtrichter 328 Johann Josef von Ganahl, Stadt- und Landphysikus in Bludenz, 17 und Stadtkommissär in Bregenz zu ernennen (OE 1806 [wie Anm. 300]). Dienstjahre (VLA: BA Sch. 84: Ausweis der in der Provinz Vorarlberg Er führte als Major auch das Bürgermilitär im Landgericht Bregenz befindlichen Ärzte und ihre Gehalte, n.d. [1806]). (Adresskalender Illerkreis 2 (1810), S. 20.) Bei der Auflösung des 329 Laut Organisationskommission ersuchten der Landammann und Stadtgerichts Ende 1808 wurde Moosbrugger zum Stadtgerichtsassessor

Seite 441 in Neuburg an der Donau ernannt (RBl. 1808, Sp. 3008). 338 Zulassung. 332 Gebhard Schneider, bisher Kanzlist und Quartiermeister der Stadt 339 Georg Feurstein aus Andelsbuch, diente seit 14 Jahren, war bis 1806 Bregenz (OE 1806 [wie Anm. 300]). Landschreiber beim Vogteiamt Feldkirch, wurde im Oktober 1808 zum 333 Da der Feldkircher und oberständische Syndikus Ignaz Rederer als provisorischen Stadtgerichtsverwalter in Feldkirch bestellt (OE 1806 Leiter des landschaftlichen Zentralbureaus in Aussicht genommen [wie Anm. 300], RBl. 1808, Sp. 759; Blank, Studenten [wie Anm. 188], S. sei, schlug die Organisationskommission Alois Eberlin, den 70-71). bisherigen Rentmeister des Vogteiamts Feldkirch als Stadtrichter und 340 Flatz war Registrator und Taxator beim Kreis- und Oberamt in Bregenz. Stadtkommissär vor, „weil derselbe ungeachtet seiner nicht bezweifelten Die Organisationskommission schätzte ihn als rechtschaffenen und Treue und Redlichkeit in dem Kameralfache nimmermehr den strengen fleißigen Beamten ein, allerdings von zu beschränkten Fähigkeiten für Erfordernissen des Dienstes Genüge leisten dürfte, im Justizfache das neue Rentamt (OE 1806 [wie Anm. 300]). hingegen als sehr brauchbarer Beamter bekannt ist, und sich bereits 341 Einser hatte bereits dem 1806 aufgehoben Benediktinerstift Mehrerau die Achtung und das Vertrauen der Bürgerschaft dieser Stadt in hohem als Oberamtmann gedient und administrierte die Gefälle bis 20.01.1807. Grade eigen gemacht hat.“ (OE 1806 [wie Anm. 300]). Im September Er war von der Organisationskommission als Nachfolger Höchts in der 1807 wurde Eberlin zum Rentbeamten in Oberdorf ernannt (RBl. 1807, Leitung des Rentamtes Bregenz vorgesehen, wurde aber im September Sp. 1601). Ihm folgte im Oktober 1808 bis Jahresende provisorisch noch 1807 zum Kastenbeamten in Kempten ernannt. Später diente er als Georg Feurstein (RBl. 1808, Sp. 759). Feurstein musste sich nach dem Regierungssekretär in Linz (Rieder, Reisach 1915 [wie Anm. 130], S. 278 Aufstand von 1809 vor dem Spezialgericht in Lindau verantworten (Hirn, Anm. 1; OE 1806 [wie Anm. 300], RBl. 1807, Sp. 1602). Spezialgericht [wie Anm. 219], S. 19 u. 22; vgl. auch Hirn, Aushebung 342 Joachim Bergmann aus Bregenz war 1798-1799 Administrationsgehilfe [wie Anm. 156], S. 7 u. 29); zu Rederer: Blank, Studenten [wie Anm. 188], in Hohenems, dann Kreis- und Oberamtspraktikant in Bregenz, 1805/06 S. 165-166. provisorischer Verwalter der österreichischen Herrschaft Rhäzüns. Er 334 Zu Höcht siehe Darstellung 4.13. Im September 1807 wurde Höcht könne seinen Posten wegen Schulden solange nicht verlassen, bis als Rentbeamter nach Günzburg versetzt. Ihm folgte der bisherige Österreich ihm nicht den Rückstand seines verdienten Gehalts nicht Rechnungskommissär David Asmus (RBl. 1807, Sp. 1602). vergüte (OE 1806 [wie Anm. 300]; Blank, Studenten [wie Anm. 188], S. 335 Organisationskommissär Merz traute sich nicht, seinen Konfidenten, 20). Siehe Darstellung 4.13. den landschaftlichen Buchhalter Leopold von Gugger vorzuschlagen. 343 Adrian von Häusler/Häußler (1742-1820) war, wie bereits sein Vater, Gugger wurde Rentmeister in Immenstadt (Hirn, Erhebung [wie Anm. seit 1768 Amtmann des Reichsstiftes Chur gewesen, Jahresgehalt 850 68], S. 32). Zweite Wahl war Franz Anton Fritschner , der bereits Gulden. Seit 1771 war er zudem Postmeister in Feldkirch und blieb dies Weingarten als Oberamtmann der Herrschaft Blumenegg diente, dann auch in bayerischen Diensten. Nach dem Aufstand von 1809 musste ab 1803 Oranien-Nassau, ab 1804 Österreich als Oberamtmann der sich Häusler vor dem Spezialgericht in Lindau verantworten (OE 1806 Herrschaften Blumenegg und St. Gerold, Jahresgehalt 1.176 Gulden, der [wie Anm. 300]; Ulmer/Vallaster, Feldkircher [wie Anm. 317], S. 219-220; „sein Amt bis nun mit aller Treue, Ordnung und Pünktlichkeit geführt zu Blank, Studenten [wie Anm. 188], S. 121-123; Hirn, Spezialgericht [wie haben scheint, und die Gefälle, die er bisher administriert, den größten Anm. 219], S. 19). Theil der Kameralgefälle des künftigen Rentamts Feldkirch ausmachen.“ 344 Meißburger (Meusburger), Jahresgehalt 358 Gulden (OE 1806 [wie Anm. (OE 1806 [wie Anm. 300]). Siehe Darstellung 4.13. 300]). 336 Josef Zipper war elf Jahre Kanzleidiener beim Vogteiamt Feldkirch, Jahresgehalt 256 Gulden (OE 1806 [wie Anm. 300]). 337 Isfordink war bereits 64 Jahre alt, hatte 34 Jahre gedient, und schien der Organisationskommission deshalb zum Antritt der neuen Laufbahn eines sehr anstrengenden Staatsdienstes nicht mehr tauglich zu sein (OE 1806 [wie Anm. 300]).

Historischer Atlas von Bayerisch-Schwaben. Augsburg 1955 (Wolfgang Zorn)

Seite 442 Seite 443 Seite 444 Seite 445 Fotonachweis

Amt der Vorarlberger Landesregierung, Landespresse- Vorarlberger Landesarchiv, Bregenz: S. 115, 116, 158, 161, stelle, Bregenz: S. 18, 20, 21, 22, 23, 24, 26, 27, 28, 30, 164, 188, 190, 194, 199, 200, 201, 202, 203, 218, 222, 223, 31 (Arno Meusburger), 76, 79, 81, 83, 85, 89, 92, 93, 96 224, 229, 233, 237, 242, 243, 247, 260, 261, 262, 263, 264, (Alexandra Serra). 267, 270, 280, 283, 285, 287, 289, 290, 293, 302, 303, 304, Amt der Vorarlberger Landesregierung, Schulmediencen- 305, 306, 307, 308, 309, 335, 343, 351, 362, 369, 370, 381, ter, Bregenz: 395, 426. 385, 386, 387, 388, 393, 401, 404, 417, 421. Archiv der Landeshauptstadt Bregenz: S. 198, 323, 325, Vorarlberger Landesmuseum, Bregenz: 327, 329, 330, 331. S. 142, 152, 338, 373. Bayerische Staatsbibliothek (Kartensammlung), München: Vorarlberger Landtag, Landtagsdirektion, Bregenz: S. 402 (Mapp. XI,48), 406 (Mapp. XI,50 0-12) S. 36, 38 (Harald Pfarrmaier). Benedikt Bilgeri, Geschichte Vorarlbergs, Bd. 4. Graz 1982: Winkler, Gruß aus Alt-Feldkirch. Bregenz 1990: S. 117, 118, 119, 418. S. 221, 225, 234. Burmeister. Die Gemeindewappen von Vorarlberg. Sigma- Wirtschaftsarchiv Vorarlberg, Feldkirch: ringen 1975: S. 206, 207, 208, 209, 210, 211, 212, 213, 214, S. 133, 145. 215, 216, 217. Z’Hard am See. Hard 1990: S. 265. Festschrift zur Jahrhundertfeier 1809-1909 in Bregenz. Bregenz 1909: S. 363. Gemeindearchiv Lech: S. 360. Güfel, Gisingen. Feldkirch 2005: S. 253. Hauptschützengilde Feldkirch: S.124, 125, 141. Hirn, Vorarlbergs Erhebung 1809. Bregenz 1909: S. 365. Historischer Atlas von Bayerisch-Schwaben. Augsburg 1955: S. 374, 443, 444, 445. Karlinger/Holböck, Die Vorarlberger Bistumsfrage. Graz u.a. 1963: S. 187 Marktgemeindearchiv Nenzing: S. 110, 112, 368. Montafoner Museen, Schruns: 272, 273, 274, 275, 276, 278, 302, 314, 315, 316, 317, 318, 319. Schloss Hofen, Zentrum für Wissenschaft und Weiterbil- dung, Lochau: 167, 170, 174, 175. Staatsarchiv Augsburg: S. 408 (Regierung 3084a). Stadtarchiv Feldkirch: S. 126, 144, 220, 227, 231, 232, 235, 236, 239, 240, 245, 246, 249, 251, 254. Stadtbibliothek Feldkirch: S. 122, 128, 129, 151. Tosters. Eine Dorfgeschichte. Feldkirch 2002: S. 246.

Seite 446 Orts- und Personenregister

Bei den Orten sind Bayern, Österreich und Vorarlberg auf- Athen 193 grund der Häufigkeit nicht und bei den Personen nur natür- Au 188, 206, 333 f., 336, 337, 339, 347, 352, 355, 367, 415 liche Personen berücksichtigt. Augsburg 125, 186, 399, 404 Diözese 136, 188 Aberer, Gebhard 426, 440 Augustinus, hl. 185 Achberg, Herrschaft 375 Augustus, Kaiser 193 Adam, Johann 427 Außerfern 404 Adegold, Maria Elisabeth 145 Austerlitz/Slavkov u Brna (Tschechien) 114, 123, 361, Aitrang 411 372, 377 Alberschwende 206, 340, 367 Azmoos 145 Gericht 326, 380, 415, 420 Albertani, Cornelia 334 Baal, Johann Josef 136 Albrecht von Werdenberg-Heiligenberg, Graf 293 Babenhausen 375, 410 Alfenz (Bach) 281, 283, 290-295, 299 Bachmann, Ferdinand 128 f., 160 Allgäu 123, 262 Bachmann, Markus 304, 305, 317, 319 Allgäu-Bodensee, Ritterbezirk 372 f. Bachstein, Kuno 9 Allgäuer, Andreas 222 Baden, Großherzogtum 114, 143 Allgäuer, Karl 250 Baden-Württemberg 165 Allgäuer, Stefan 231, 233, 247, 250 Bäder, Bernhard 138 Alt St. Johann 254 Bahl, Erwin 103 Altach 160, 206, 367, 421 Baier, Franz Josef 139 Altenburg, Gericht 380, 416, 423 Baier, Xaver 139 Altenstadt siehe Feldkirch Balzers 378, 430 Altlaubenberg siehe Laubenberg Bamberg 148 Altshausen, Landkomturei 375 Bartholomäberg 97, 102 f., 108 f., 206, 271, 290, 304-306, Alvier (Bach) 283 317 f., 367, 414 f. Amann, Andreas 314 Steuerdistrikt 293, 414 f. Amann, Bartholomä 142 Bartholomäus, hl. 206, 305 Amann, Franz Anton 274 Basel 186 Amann, Gerold 13, 73, 91, 93 Batlogg, Helmut 72 Amann, Johann 147 Batlogg, Ignaz (Lorüns) 297 Amann, Joseph 139 Batlogg, Ignaz (St. Anton) 102 f., 308 Andelsbuch 87, 206, 338, 340-342, 347 f., 350, 352, 355, Batlogg, Johann Joseph 275 f. 367, 415, 442 Bayern, Provinz 383, 390 f. 397, 400 Bezegg 206, 339 f., 347-351, 355 f., 385, 424 Beck, Gebhard 226, 243 Annaberg 186 Beer, Joseph Gebhard 399, 406, 416, 426, 439 Apfeltrang 392 Beer, Natalie 316 Arco, Karl Graf von 383 Beiser, Albin 334 Arlberg (Pass) 116, 198, 260, 269, 301, 359, 371, 381 f., Belrupt-Tissac, Carl Graf 225 396, 422 Bedernau 411

Seite 447 Bendern 372, 383, 395 f., 423 Bludenz 11 f., 39, 57, 97, 99, 114, 116, 139, 147, 152, 157, 188, Benedikt XIV., Papst 189 193, 197-200, 207, 219, 224, 237, 239, 259, 267, 275 f., Benzer, Arnulf 308 282-288, 291-298, 300-302, 304, 306 f., 313, 321, 356 Berchtel, Johann Josef 287 f., 361 f., 367 f., 380-382, 384, 388-390, 394 f., 405, Berchtold, Wilfried 7, 10, 13, 15, 17, 26, 33, 35, 37 f. 409, 415, 418, 420, 423-425, 427, 441 Bereitter, Johann Georg 399, 406, 415, 426, 440 Außerbraz 282 f. Berghofer-Weichner, Mathilde 25 Bings 239, 286, 300 Bergmann, Joachim 378, 428, 430, 442 Brunnenfeld 286, 290, 300 Bergmann, Joseph 294 Gasünd 300 Bergmeister, Johann 225 f., 228, 242 f. Grubs 300 Berlin 10, 78, 84, 314, 329, 339, 359, 366 Radin 300 Berlinger, Kaspar 337 St. Leonhard 300 Bern 83, 378 Gerichtsbezirk 281, 296 Bertle, Hans 272, 302, 313 f., 319 Herrschaft 20, 114, 199, 260, 282 f., 287, 293 f., 305, Bertsch, Jakob 72 309, 361, 371-373, 379, 380 f., 383 f., 389, 394, 395, Bertsch, Johann 427, 441 398, 423, 426, 439, 441 Bertsch, Rosina 147 Kirchspiel 282-287, 290 Bertschler, August 231 Region 281, 289, 294, Bertschler, Johann 220-223 Verwaltungsbezirk 199, 302, 441 Besançon 186 Bludesch 157, 188, 207, 290, 367, 414 f. Besserer, Lietfriedus 316 Blum, Oswald 230 Beuren 411 Blumenegg, Herrschaft, Landschaft 19 f., 114, 296, 361, Bezau 116, 138, 188, 206, 266, 341, 347, 352, 356, 371-373, 375 f., 379, 382 f., 388, 396, 401, 413 f., 367 f., 385, 399, 415, 421, 424-426, 439 419-421, 423 f., 427, 434, 442 Bezegg siehe Andelsbuch Gemeinde (Thüringerberg) 368 Bickel, Sebastian 333-335 Blumenried 411 Biedermann, Josef 222 Bodensee 19, 123, 144, 151, 165, 209, 259, 321, 324, 329, Bildstein (früher: Steißberg) 159, 206, 367 f., 415 f., 437 340 Bilgeri, Benedikt 119, 121, 364, 202, 268, 292, 307, 309, Böhler, Baltus 437 339 Böhler, Georg 233 Bissingen-Nippenburg, Ferdinand Graf 124, 441 Böhmen 113, 134, 371 Bitschnau, Eduard 103 Bosch, Otto 228 Bitschnau, Franz Josef 102 Bösch, Robert 42 Bitschnau, Hans 232 f. Bourbon-Parma, Sixtus von 77 Bitschnau, Josef 109 Bozen 126, 235, 440 Bitschnau, Maria Josefa 275 Gries 235 Bizau 207, 345, 347 f., 352, 367, 415 Brand 207, 281, 296, 367, 414 f. Blaickner, Elfriede 48 Brandis, Freiherr Ulrich von 162 Blons 207, 367, 414, 416 Brandnertal 284 Bredschneider, Joseph 147, 148

Seite 448 Braz siehe Innerbraz Buchhorn 403 Bregenz 11-13, 19 f., 31, 33, 35, 37, 39, 46, 49, 57, 73, 75-79, Buchloe 410 81-83, 87, 91 f., 95 f., 113 f., 123-126, 133, 137-139, 141- Buchs 248, 256 143, 150-152, 157, 182 f., 185, 187, 197-199, 207, 219, Büchel, Basil 247 224, 228, 237, 243, 254, 259, 267, 301, 321-332, 340, Büchel, Paul 236, 244 361-363, 367 f., 377 f., 380-383, 385, 390 f., 395, 397- Bürkle, Ludwig 227, 229-231, 234, 246 399, 405, 415 f., 419 f., 423-428, 439 f., 442 Bürs 64, 162, 188, 207, 281, 283-285, 291, 367, 414 f. Fluh (Eingemeindung 1938/1946) 182, 367, 416, 433, Galvina-Alpe 291 437 Bürserberg 207, 281, 294, 296, 367, 414 Rieden (früher: Vorkloster, Karolinenau, Eingemein- Bunschi, Eleonore 10, 112 dung 1919) 117, 243, 329, 367 f., 395, 415 f., 433, 437 Buol, Georg Andreas 275 Kloster Mehrerau 117 f., 135, 137, 314, 323 f., 326, 328, Buol-Schauenburg, Karl Rudolf von 136 340 f., 345, 362 f., 385, 395, 416, 423, 426 f., 433, 442 Burgau, Markgrafschaft 114, 361, 371, 441 Herrschaft 20, 114, 116-119, 198 f., 322, 326, 341, 361, Burmeister, Karl Heinz 121, 364, 203, 205, 309 371-374, 379-381, 383, 414, 423, 434, 440 Bußjäger, Peter 9, 12, 33, 35, 37-39, 51, 97 Landgericht 23, 142, 385, 399, 400, 403, 404, 405, Buxheim 375, 410 406, 410, 414, 416, 422, 425, 426, 439 Buzíens siehe Gaschurn Landkreis 201 Byr, Robert 362 Verwaltungsbezirk 199 Bregenzerach (Fluss) 321, 323 Caldonazzi, Martin 203 Bregenzerwald 13, 77, 165, 254, 266, 323, 336, 339-353, 355 Camichel, Johann 116 Gericht (Hinterbregenzerwald) 13, 21, 23, 197 f., 201, Campo Formio (Italien) 114 206, 301, 303, 338, 339-353, 380, 382, 397, 420, 424, Cemboing/Vesoul 337 427, 439-441 Chur 237, 324, 372 Verwaltungsbezirk 199 Kloster St. Luzi 372, 396 siehe auch Innerbregenzerwald Hochstift, Diözese 137, 187 f., 372, 395 f., 423, 428, 442 Breisgau, Herrschaft 371, 441 Clessin, Karl Fidel 147 Brentano, Joseph Anton Bonifaz 133 Breuss, Ulrich 149 Dajeng, Heinrich 100, 102 Briem, Wunibald 135 Dalaas 64, 188, 207, 283, 291, 294, 300, 367, 414 f. Brixen, Diözese 234 Dalmatien 114 Hochstift 114, 361, 371 Damüls 188, 201, 208, 303, 336 f., 384, 414 f., 420 Brünn 117, 147, 440 Gericht 380, 414, 420, 424 Brüssel 28 Danielsi, Daniel 145 Brugger, Anton 306 Daubrawa, Franz Anton von 274 Brugger, Hermann 304 Davos 313 Bruneck 439 Deutschland 66, 82 f., 87, 95 f., 105, 116, 140, 194, 200, Buch (bis ca. 1820 bei Steißberg, siehe Bildstein) 159, 207, 219, 303, 315, 334, 421 367, 416, 437 Dialer, Joseph Hilar 390 Buchau, Reichsstift 439 Diedo, sel. 340

Seite 449 Dieterle, Franz 229 Eichstädt 371 Dörler, Simon 12 f., 73, 93 Einser, Franz Anton 427, 442 Domenica, Sr. 334 Einsiedeln, Kloster 159, 372 Donau (Fluss) 19, 371 Eisenberg 411 Doren 208, 367, 416 Eisenburg 411 Dornbirn 10, 20, 23, 25, 75, 79, 92, 95, 141 f., 147, 169, Eisenegger, Anton 229 198 f., 202, 208, 249, 259, 261-265, 267, 301, 333, 363, Elbs, Benno 18 367, 380, 388, 392, 407, 415 f., 418-420, 424, 440 Ellensohn, Josef 314 Ebnit (Eingemeindung 1932) 367, 415, 417 f., 421 Ellhofen 415 Hof 159 Herrschaft 372 f., 375, 383, 423 Landgericht 23, 376, 399, 403, 405-407, 409 f., 415 f., Ender, Johann 143 421, 423-426, 439 Ender, Otto 75, 79, 82-84, 250 Verwaltungsbezirk 199 Ermacora, Felix 51 Dresden 84 Erne, Gerichtsdiener 426, 441 Drexel, Mathias 101 Esterbauer, Fried 51 Drexel, Matthias 276 Europäische Union 28, 50 f., 68, 88, 92, 166, 172 Düns 157, 162, 206, 367, 414 Dünser, Niklas 146 Faé, Hans 258 Dünserberg 162, 208, 284, 318, 367, 414 Fahrenschon, Georg 10, 18, 25, Futsch 162 Fässler, Pius 337 Dür, Wilfried 318 Feierle, Peter 143 Durig, Johann 136 Felder (Beamter) 150 Durig, Theodor 109 Felder, Franz Michael 339 Durocher, Rechnungskommissär 400 Feldkirch 9, 11-13, 18, 20 f., 37, 114, 122-130, 132-152, 188, 197-256, 258-261, 267, 269, 275, 288, 301, 321, 324, Ebenhoch, Adolf 117 328, 334, 361, 367, 380-382, 385, 388, 390-392, 396- Ebenhoch, Fidel 145 398, 401, 405, 415, 419-421, 423-428, 432, 436, 440- Ebenhoch, Joseph Fidel 225 442 Eberlin, Alois 126, 127, 391, 427 St. Johann 395, 396, 423 Ebersberg 431 Altenstadt (Vereinigung 1925) 135 f., 138-140, 143, 148, Ebner, Johann von 271 157, 160 f., 218-237, 241, 244-248, 250-252, 254, 256, Ebnit siehe Dornbirn 258, 367, 415, 432 Ebratzhofen 415 Gisingen (bis 1925 Gemeinde Altenstadt) 139, 143, 219, Edelstetten 375, 410 228 f., 231, 234-237, 245, 247, 249 f., 252 f. Egg 13, 92, 188, 208, 336, 339, 341 f., 347, 350, 352, 367, Gisingen Kapf 224 415, 421, 432 Levis (bis 1925 Gemeinde Altenstadt) 137, 219-234, 237, Egger, Franz Jonas 136 243 f., 246, 250, 254 Ehbach (Bach) 254 Nofels (bis 1925 Gemeinde Altenstadt) 139, 142 f., 219, Eichenberg 208, 318, 367, 368, 416 225, 228 f., 234, 245, 247, 249 f., 254 f., 367 f., 415, Eichenhofer, Johann 148 432, 437

Seite 450 Bangs 139, 228, 236, 249, 252, 254 f. Frankreich 19, 113 f., 116, 123, 133, 137, 140, 143, 145, 185 f., Fresch 131, 228, 255 189, 193, 272, 275, 337, 362, 364, 371, 373 f., 377 f., Matschels 139 401 Tisis (Vereinigung 1925) 139 f., 142, 160, 188, Franz I., König 189 218 f., 241-245, 250-252, 254, 367 f. Franz II./I., Kaiser 114, 116, 124, 134, 151, 329, 371 Galmist 294 Franz Joseph I., Kaiser 24, 77, 199, 362, 422 Heiligkreuz, Reichenfeld (Eingemeindung 1896) Frastanz 10, 12, 111, 157, 162, 188, 208, 225, 266, 367, 414 f. 241, 242, 243, 244, 245, 260 Felsenau 225 Tosters (Vereinigung 1925) 139, 142, 160, 218 f., Saminatal 229 236-241, 244-247, 249-252, 254, 367 f., 392 Fraxern 209, 367, 432 Breiter Wasen 237, 240 Frei, Anton 296 Hub 139, 142, 238, 249 Freiburg im Breisgau 269, 382 Tostnerau 238, 240 Friaul 145 Diözese 18 Frick, Josef 222 Herrschaft 20, 114, 162, 198, 262, 269, 296, 342, 344, Fridl, Nikolaus 149 348, 361, 371-373, 379-381, 383, 392, 413- 415, 419, Friedrichshafen 372 421, 423, 439, 442 Frisch, Max 88 Landgericht 23, 132 f., 135, 140, 142, 149, 151 f., 264, Fritsch, Anton 244, 250, 254 385, 392, 399, 403, 405-407, 410, 414 f., 423-427, 432, Fritschner, Franz Anton 406, 427, 442 439 Fritz, Ernst 106 Verwaltungsbezirk 199, 264 Fritz, Theodor 391, 409, 441 Fellheim 411 Fritz, Thomas 294 Ferdinand I., Erzherzog 198, 301 Fritz, Wilhelm 73 Ferthofen 411 Froschauer, Sebastian von 220 Feuerle, Peter 138 Fröwis, Wilhelm von 346 Feuerstein, Georg 126, 427, 442 Füssen 140, 403, 410 Feuerstein, Josef 337 Funkner von Funken, Franz Ferdinand 426, 441 Feuerstein, Max 12, 13, 73, 93 Furtenbach, Anton von 228 Figl, Wolfgang 13 Fußach 88, 182, 209, 324, 367 f., 415, 418 f., 432 Fink, Jodok 71, 77-81, 84, 87 Flatz, Karl Fidel 427, 442 Gabriel, Ferdinand 13 Fleisch, Eduard 293 Gaißau 182, 209, 367 f., 415, 418 f. Flexen (Pass) 359 f. Gallus, hl. 214, 318 Florenz 186 Galtür 292 Flür, Isidor 294 Gamon, Thomas 9 f., 111 f. Fluh siehe Bregenz Ganahl, Arnold 225, 243 f. Fontanella 208, 336, 367, 413 f., 420 Ganahl, Carl 221-223, 242 Frank, Karl 236, 244 Ganahl, Franz (Feldkirch) 222 Franken (Bayern) 19 Ganahl, Franz (Schruns) 274 Franken, Provinz 390 f. Ganahl, Johann Josef 124, 133, 137, 143, 151 f.

Seite 451 Ganahl, Johann Josef von 427, 441 Graff, Kaspar 133 f. Ganahl, Josef von 124, 399, 406, 409, 412, 418 f., 426, 440 Gram, Hermann 406 Ganahl, Karl 234 Grass, Josef 111 Ganahl, Philipp 228 Graubünden 275, 316 Ganahl, Rudolf 221 Kanton 377, 378 Ganner, Kristina 13, 93 Grauer Bund 377 Gardasee 19 Gemeine Drei Bünde 377 Gaschurn 11, 97, 102 f., 107, 109, 209, 271 f., 304, 306, 316- Gravenreuth, Karl Ernst Freiherr von 123, 125, 136 318, 367, 415 Greber, Josef 337 Buzíens 281, 288, 292-295 Greber, Maria Christine 274 Maria Schnee 316, 318 Griss, Alois 239, 240 Partenen 315-318 Griß, Andreas 147 Partenen Loch 316 Griß, Franz Josef 426, 441 Silvrettaspeicher 316 Grönenbach 403, 410 Zeinisjoch 294 Großbritannien 116, 145 Gasser, Siegfried 46 Großes Walsertal 165, 187, 293, 413 Gatard, Agathe 337 Großkötz 426, 441 Geiger, Rupert 237-239, 247, 250, 254 Gruber, Wilhelm 247 Geislingen 406, 441 Grünenbach 374, 392, 416 Gelasius I., Papst 185 Gericht 380, 415, 423 Gellert, Christian Fürchtegott 144 Gsteu, Emil 244 Geßner, Salomon 144 Günzburg 371, 383, 403, 410, 441, 442 Gestratz 415 Gugger von Staudach, Christoph 124, 126, 127, 130, 132, Getzner, Albert 225 142, 146f., 391, 399, 405 f., 414, 426, 440 Giacometti, Zaccaria 51 Gugger von Staudach, Leopold 153, 397, 440, 442 Gilm, Johann Nepomuk von 126, 141 Gugger von Staudach, Maximilian 153, 273, 399 f., 405, Gimmi, Joseph von 406 406, 427, 440 f. Ginthör, Gebhard 228 Gugger von Staudach, Cölestin 142 Gisingen siehe Feldkirch Gunz, Gebhard Wendelin 201, 254, 303 Glarus, Kanton 254 Gunz, Johann 117, 362 Gnaiger, Klaus 121, 364 Gut, Andre 243 Göfis 147, 157, 160, 209, 367, 415 Gutenberg (Bayern) 411 Tufers 160 Gutenberg (Liechtenstein) 371, 377 f. Gögele, Rainer 48 Gohm, Anton 231 f., 234-237, 240 f., 246 f., 250, 254 Häfele, Arnulf 72 Gopp, Josef 240 Hagen, Moses 187 Götzens 366 Hager, J. Michael 337 Götzis 10, 15, 17, 19, 25, 29, 75, 95, 135, 160 f., 164, 209, Halder, Gebhard 18, 35 259, 261-265, 267, 304, 321, 367, 392, 415, 421, 432 Hall (Tirol) 49 Grabherr, Elmar 202, 307 f. Haller, Carl 229

Seite 452 Hanau 140 Höchst (St. Johann-Höchst, Höchst-Fußach), Gericht, Harbatshofen 415 Hof 23, 158 f., 380, 423 Hard 87, 159, 165, 199 f., 209, 264, 301, 367, 415 f. Höcht, Oberamtsrat 383, 398, 427, 442 Hartmann von Werdenberg-Sargans, Graf 291 Hörbranz 210, 266 f., 415 f. Hartmann, Georg 187 f. Hofen, Priorat 159, 372 Hartmann, Hans 294 Hofer, Andreas 116 f., 123, 134, 361-363 Hauber, Joseph Anton 406, 416 Hofer, Otto 12 Hauser, Johann Nepomuk 77 f. Hofrieden, Gericht 323 f., 326-329, 380, 382, 385, 416, 423 Häusle, Josef 229 Hofsteig, Gericht 159 f., 326, 329, 380, 382, 416, 423 Häusle, Josef Anton 146 Hohenegg, Herrschaft, Gericht 114, 310, 327, 361, 371-374, Häusler, Adrian von 125, 428, 442 380 f., 385, 423, 426, 439, Häusler, Elmar 12, 33, 35, 38, 57 Hohenems 10, 12, 23, 91, 96, 188, 210, 259, 262-267, 368, Häusler, Laura 13, 93 374, 388, 407, 409, 415, 418 f., 421, 426, 440 Hefel, Martin 147 Judengemeinde 23, 367 f., 388, 418 f., 438, 440 Hegau-Allgäu-Bodensee, Ritterkanton 373 Herrschaft 19 f., 114, 199, 259, 261, 306, 361, 371-373, Heidegger, Christina 115 376, 379-382, 397, 418, 420 f., 423 f., 426, 430, 439- Heidegger, Katharina 337 442 Heimenkirch 415 Hohenraunau 411 Heine, Heinrich 117, 361 Hohenweiler 210, 368, 415 Helbok, Adolf 119, 363 f., 366 Hoinkes, Theodor 247, 250 Henggi, Hans 294 Hollenstein, Johann Karl 426, 440 Hensler, Anna 118, 363 Holzgau 335 Herburger, Hubert 73, 89, 96 Honold, Konrad 12, 202, 304-309, 313-319 Herburger, Johann Georg 392 Hopferau 411 Herburger, Josef 250 Huber, Erwin 18, 25 Herder, Johann Gottfried von 144 Huber, Josef 108 Herlemann, Konrad 437 Huber, Primus 9, 111 Hilbe, Ferdinand 229 Huber, Wolf 314 Hinterberg siehe Sulzberg Hueber, Blasius 286, 412 Hinterbregenzerwald siehe Bregenzerwald Gericht Hueber, Jakob 102 Hinterobel siehe Langen bei Bregenz Hugo II. von Montfort, Graf 322 f. Hipoltstein 334 Hundbiß auf Waltrams, Dominik 432 Hippolyt (Gegenbischof von Rom) 185 Hundbiß auf Waltrams, Franz Anton 432 Hirn, Ferdinand 119, 125, 362 Hittisau 116, 182, 210, 366-368, 415, 420 f. Ilga, sel. 341 Bolgenach (früher: Reute, Eingemeindung 1938) 182, Ill (Fluss) 236, 237 f., 246, 249, 252 f., 281, 283 f., 290 f., 367 f., 415 f. 293-295, 309, 388 Hochkrumbach siehe Warth Illereichen 411 Höchst 10, 182, 210, 368, 415, 418 f., 432 Illerfeld 411 Illerkreis 20, 115, 129, 133, 151, 392, 403-406, 410, 439

Seite 453 Illertissen 410 Jochum, Matthias 335, 336 Immenstadt 153, 403, 410, 442 Jochum, Theresia 335 Immler, Johann Georg 426, 439 Johann I. von Liechtenstein, Fürst 377 Imst 201 Johann, Erzherzog 116 Indermauer, Ignaz Anton von 275 Johannes der Täufer, hl. 211 Inn (Fluss) 371 Johannes XXIII., Gegenpapst 310 Innerbraz 210, 281-284, 291, 296, 368, 414 f. Joseph II., Kaiser 21, 113, 119, 124, 189 f., 193, 262, 351, 363 Innerbregenzerwald, Landgericht 23, 138, 385, 399, 403, Jungblut, Stefan 13, 93 405 f., 410, 415, 421, 423-426, 439 f. Jussel, Anton 222 Innonzenz III., Papst 185 Justinian, Kaiser 193 Innsbruck 12, 35, 39, 49, 97, 117-119, 124, 126, 136, 148, 151 f., 200 f., 224, 269, 271 f., 274, 276, 286, 294, 314, Kahler, Christoph von 406 339, 363 f., 366, 374, 377, 382 f., 392, 398, 401, 421, Karl I., Kaiser 77, 81 433, 440 Kärnten 82, 91, 114 Interlaken 313 Karolina, Königin 395 Isenring, Johann Baptist 330 Karolinenau siehe Begenz-Rieden Isfordink, Joseph 427, 442 Karthago 185 Istrien 114 Kaspar von Ems, Graf 259-261 Italien 77, 83, 91, 114, 140, 144 f., 185, 324, 359, Kasper, Michael 11, 271 Kaufbeuren 410 Jagdberg, Gericht 22, 260 f., 268, 287, 380, 413, 424, 440 Kauffmann, Angelika 150, 351, 385 Jakob Hannibal von Ems, Graf 260 Kauffmann, Josef Anton 150 Januschke, Oskar 11 Kaufmann, Johann Caspar 230 Jochum, Anna Maria 333 Keck, Franz Josef 237, 238 Jochum, Christian 335 Keckeis, Günter 47, 72 Jochum, Cleopha 336 Kellhöfe, Gericht 380, 416, 423, 439 Jochum, Elisabeth 333 Kellmünz 411 Jochum, Georg 336 Kelsen, Hans 51 Jochum, J. Christian 333 Kemnat 392 Jochum, Jakob (Schruns) 101 Kempten 123 f., 130, 132-134, 138, 142, 148, 151 f., 264, 374, Jochum, Jakob (Schruns) 274 392, 399, 403-405, 409 f., 432, 442 Jochum, Jakob (Schröcken) 335 Kennelbach 64, 210, 367 f., 416, 433, 437 Jochum, Jodok Alois 335 Keßler, Herbert 18 Jochum, Josef 336 Kessler, Josef 102 f. Jochum, Josef Anton 359 Keßler, Josef Melchior von 124, 126, 152 Jochum, Josef Georg 101, 103 Kinz, Ferdinand 79 Jochum, Karl-Gernot 333 Kiraly, Peter 13, 93 Jochum, Katharina 333 Kirchheim 375, 410 Jochum, Katharina 335 Klagian, Thomas 12, 321 Jochum, Maria Anna 333 Klaus 160, 211, 368, 415, 432

Seite 454 Kleiner, Viktor 118, 199 f., 302 f. Langen bei Bregenz (früher: Hintertobel) 211, 368, 415, 416 Klein-Kitzighofen 411 Langenegg (Vereinigung Ober- und Unterlangenegg 1924) Kleinwalsertal 186 211, 352, 368 Klösterle 145, 188, 211, 283, 368, 414 f. Oberlangenegg 327, 368, 415 f. Alpe Maroi 277 Unterlangenegg 342, 352, 368, 415 Burtschajoch 294 Längle, Joseph 147 Burtschakopf 294 Längle, Ulrike 138, 431 Langen 359 Laterns 188, 211, 303, 368, 415 Stuben 145, 359 f., 414, 437 Laubenberg, Altlaubenberg, Schönau, Reichsrittergut, Klostertal 165, 255, 281 f., 290-292, 390 Patrimonialgericht 372-378, 383, 392, 407, 413, 423, 432 Knapp, Georg 237 f. Laurentius von Schnifis 215 Knechtenhofer, Heinrich 346 Lauterach 159, 188, 200, 211, 266, 368, 415 f. Kneringer, Aloys 150 Lech (Fluss) 399 Koblach (früher: Neuburg) 210, 368, 392 f., 415, 420 f., 432 Lech 13, 186, 212, 255, 333, 336, 357, 359 f., 368, 414, 416 Koch, Jakob 139 Omesberg 359 Kommingen 160 Zürs 359, 360 Königsegg-Rothenfels, Herrschaft 19, 114, 361, 371 Lechkreis 404 f. Konstanz Stadt 116, 141-143, 169, 276, 324, 382 Lehár, Franz 15, 17 Diözese 185-189, 342 Leiblach 329 Kloster Petershausen 340 Leiblachtal 266, 416 Kopf, Rudolf 45 Leipzig 366 Köppl, Josef 10 Leo, Peter 149 f. Kraft, Philipp 241 Leone, Josef Peter 243 Krapf, Philipp 257 Leopold II., Kaiser 113 Kräutler-Berger, Jutta 48 Lermoos 140, 441 Kriessern 160 Leu, Franz Anton 136 Kroha, Robert 13 Leutkirch 403 Kronburg 411 Levico 264 Krumbach 115, 138, 203, 210, 342, 347, 352, 362, 368, 415 Levis siehe Feldkirch Kühne, Johann 247, 249 f., 254 Liechtenstein 95, 127, 135, 169, 243, 295, 371 f., 377 f., 384, Kunewald/Kunín (Tschechien) 374 421, 423 Kutter, Abraham 132, 383, 385, 399 f. Lindau 18 f., 25, 114, 116, 118, 123, 136, 139, 222, 224, 235, Kuttner, Johann Georg 405 f., 414 245-247, 256, 324, 361, 371, 375, 395, 403, 410, 442 Aeschach 235, 245, 247 Ladner, Otto 309 Hoyren 235, 245, 247 Lampert, Günter 48 Reutin 235, 245, 247 Landquart (Fluss) 294 Landgericht 403, 410 Landsberg am Lech 409 Landkreis 116, 173, 362, 374 f., 392 Landshut 144 Lindenberg 262, 415, 437

Seite 455 Lingenau 116, 187, 212, 262, 337, 368, 415 f. Main (Fluss) 19, 141 Gericht 21, 259, 327, 380, 420, 424 Maklott, Franz Josef 109 Lins, Ferdinand 247 Maklott, Peter 109 Lins, Michael 231 Manahl, August 304 Linz (Oberösterreich) 335, 442 Manahl, Christian 274 Lissabon 28 Maria Rebecca von Harrach-Hohenems, Gräfin 374 Litz (Fluss) 316 Maria Theresia, Kaiserin 119, 124, 126, 262, 363 Loacker, Franz 244 Maria Walburga, Gräfin von Waldburg-Zeil-Trauchburg, Lochau 10, 11, 64, 165, 169, 183, 212, 329, 332, 367, 368, geb. Harrach-Hohenems 374, 376, 409, 430 415 f. Martin, Gebhard 101 Loher, Hans 328 Marx, Elisabeth 73, 75 f., 95 Lombardei 114 Mäser, Michael 9, 111 Lorinser, Friedrich Wilhelm 309 Mathies, Franz Josef 359 Lorüns 97 f., 109, 212, 271, 281, 285-288, 290, 292, 294, Mathis, Gerald 10, 169, 174 297, 304, 308 f., 317, 368, 414 Mathis, Martin 145, 148, 151 f. Egge 281, 288, 291 f. Matrei (Osttirol) 186 Galvinatobel 291 Matschek, Hans 12, 333 Leuetobel 291 Matt, Joseph Ignaz 426 Ragenner-Joch 291 Maximilian I., Kaiser 314 St. Nikolaus 281, 288-291, 295 Maximilian I., König 9, 19, 21 f., 26, 114, 118, 124 f., 151, Ludesch 136, 147, 188, 212, 368, 414 f. 147, 263, 271, 329, 361 f., 373, 383 f., 397, 400 f., 403, Ludescher, Harald 12 412 f., 419, 422, 428 Lueger, Johann Mathias 148 Maximilian III., Erzherzog 260 Lueger, Matheus 143 Mayer, Fritz 46 Lunéville 114 Mayer, Johann Conrad 122 Lustenau 11 f., 95, 115, 199, 212, 259, 264 f., 301, 333, 368, Mayer, Josef 222 f. 409, 415, 418, 421, 428, 429, 432 Mayer, Lorenz 142 Reichshof 11, 20, 371-377, 379, 382-384, 394, 397, 418, Mayer, Philipp 143 420, 422-424, 430, 435 Mayr, Josef Anton 136 Patrimonialgericht 11, 377, 387, 394, 407-409, 411, Mehrerau siehe Bregenz 418 f., 421, Meiningen 160, 212, 227, 255, 368, 415, 432 Luzern, Kanton 188 Meißburger (Meusburger), Joseph Anton 428, 442 Mellau 212, 336, 347, 352, 368, 415 Maastricht 306 Memmingen 375, 391, 405, 410, 427 Mäder 12, 160, 161, 212, 368, 415, 421, 432 Meran 137, 231, 256 Madlener, Johann Michael 426, 439 Merbod, sel. 340 Mähr, Alfons 250 Merian, Mathäus 327 Mähr, Josef 244 Merk Sittich von Ems, Graf 291 Mähren 374, 409 Merz, Maximilian von 373, 378, 383, 385, 398 f., 439, 440, Mailand 315 442

Seite 456 Metternich, Clemens Wenzel Lothar Graf (ab 1813 Fürst) 117 Müller, Stefan 294 Metzler, Andreas 426, 440 München 19, 21, 84, 124, 130, 133, 137 f., 148, 151, 256, Metzler, Josef Anton 351 302, 309, 371, 373, 394, 399, 428 Meusburger, Bertram 10, 174, 183 Mürzzuschlag 271 Meusburger, Johann Caspar 230 Meyer, Raimund 305-308 Nachbauer, Josef Sigmund 116, 388 Mickhausen 411 Nachbaur, Ulrich 9-12, 15, 17-19, 29, 37, 73, 76 f., 87, 89, 91, Mindelheim 410 197, 301, 313, 367, 371 Mittelberg 83, 186, 198, 213, 301, 368, 415 Nafla (Bach) 254 Riezlern 188 Nägele, Andreas 143 Gericht 19, 198, 259, 301, 380, 384, 420, 424 Napoleon I., Kaiser 19, 114, 116 f., 123, 138, 140, 145, 361, Mittelberger, Johann Josef 72, 75, 80, 95 371, 374, 377, 420 Mödlhammer, Helmut 18 Nasahl, Theres 222, 255 Möggers 188, 213, 367, 368, 415 f. Natter, Franz 80 Mohr, Erwin 11, 174 Nenzing 9 f., 10, 100-113, 151, 157, 161 f., 202, 213, 238, Montafon 9, 10, 11, 12, 99, 108, 142, 165, 201, 271-277, 281, 266, 368, 414 f. 283-295, 298 f., 301-310, 313-319 Beschling 157, 238 Außerfratte 103 Netzer, Otwin 304 Innerfratte 103 Neuburg (Vorarlberg), Herrschaft 114, 259, 361, 371-373, Dekanat 286 379, 381, 392 f. Herrschaft 287, 371-373, 381, 383, 390, 409 Patrimonialgericht 392 f., 407, 411, 421, 432 Landgericht 23, 142, 276, 281, 285 f., 297, 385, 388, Gericht, Stand 379 f., 392, 398, 424, 440 394 f., 399 f., 403, 405 f., 410, 415, 423-427, 439, 441 Gemeinde siehe auch Koblach Stand, Gericht 23, 44, 97-107, 109, 198, 295, 301, 303, Neuburg an der Donau 442 313, 356, 380, 382, 384, 390 f., 394, 420, 424, 441 Neuburg an der Kamel 393, 411 Verwaltungsbezirk 199 Neuburg, Provinz 383, 390 f., 397, 400 Montgelas, Maximilian Joseph Freiherr (ab 1809 Graf) von Neyer, Georg 296 19, 21, 114, 124, 135, 365, 374, 378, 383, 396, 398, 428 Neyer, Johann Baptist 138 Montlingen 157, 160 Neyer, Johann Christian 136 Moosbrugger, Elisabeth 355 Niederer, Stefan 13, 93 Moosbrugger, Erwin 337 Niederlande 114 Moosbrugger, Jakob 427, 440 f. Niederösterreich 77, 96, 267, 329 Moosbrugger, Josef 337 Niederraunau 411 Moosbrugger, Mathias 13, 339 Niederstätter, Alois 9-11, 111-113, 157, 185, 361 Moosbrugger, Pius 47 Niederstaufen 415 Moritsch, Julia 13, 93 Nikolaus, hl. 290 Motzgadried 392 Nipp, Johann Nepomuk 392, 432 Moz (Motz), Johann Nepomuk 400, 406, 426, 440 Nofels siehe Feldkirch Mülegg, Heinrich 328 Nördlingen 150 Müller, Christian 116, 118 Nürnberg 145, 375

Seite 457 Nüziders 64, 157, 213, 281-283, 288, 368, 388, 394 f., 400, Peter, Walter 47, 48 405, 409, 414 f., 424, 426, 439 Pfeffel, Gottlieb 144 Guggais 282 Pfeifer, Ernst 103 Nussbaumer, Ambros 336 Pferscher, Markus 15 Nußbaumer, Gabriele 33, 35, 38, 73, 75 Pflumern, Freiherr von 142 Pius VII., Papst 136 Oberallgäu, Landkreis 18, 374, 423 Piz Buin 313 Oberdonaukreis 404 Platzer, Johann 394 f., 409 Oberdorf 403, 410 Pöchlarn 333 Obergünzburg 403, 410 Polat, Serpil 12, 13, 73, 93 Oberhausen 411 Polen 96 Oberlangenegg siehe Langenegg Porrentruy/Pruntut 186 Oberösterreich Prättigau 273, 276, 284, 290, 294, 300, 316 Hausruckviertel 117 Preiß, Fritz 71, 79, 80 Innviertel 117 Pressburg/Bratislava (Slowakei) 114, 123 f., 272, 329, 361, Oberpfalz, Provinz 383, 390 f. 371, 374, 376-378, 383 Oberreute 415 Preußen 113, 142 Oberriet 138 Prutz 441 Oberstaufen 342 Pümpel, Hans 229, 239 Oberstdorf 359 Pümpel, Johann 143 Odalrich, Graf 340 Pümpel, Seraphin 240 Opfenbach 415 Purtscher, Martin 18, 48 Ortenau, Herrschaft 371 Ortner, Birgit 13, 359 Raggal 188, 213, 290, 368, 414 f. Ossi, Batolome 139 Marul 414 Osterberg 411 Rankweil 10 f., 116, 135, 147, 151, 157, 160-163, 203, 213, Ottobeuren, Landgericht 406, 410 247, 250, 255, 259, 261-, 267-269, 295, 368, 388, 415, Reichsstift 396 419, 432, 441 Brederis 160, 265 Pappus von Tratzberg, Anton Remigius I. Freiherr 392 Valduna 261, 333 Pappus von Tratzberg, Anton Remigius II. Freiherr 392 Rankweil-Müsinen, Landgericht 423, 438 Pappus, David von 293 Rankweil-Sulz, Gericht 124, 139, 160, 260-262, 267 f., 380, Paris 151, 420 382, 388, 393, 420, 424, 426, 439 f. Partenen siehe Gaschurn Ratz, Gerold 72, 204 Passau 19, 371 Rauhenzell 392, 411, 432 Patique, Jean 337 Rauscher, Franz 232 f., 237, 247 Paznauntal (Tirol) 294 Ravensburg 314, 316, 403, 440 Peer, Josef 227-229 Rederer, Ignaz 406 Perathoner, Julius 235 Redler, Ferdinand 72 Pernthaler, Peter 51 Reichart, Johann Georg 143

Seite 458 Reichenau, Kloster 432 Rudigier, Fritz 103 Reinhard, Anton von 142, 407 Rudigier, Johann Ulrich 274 f. Reisach, August Graf 399 Rudolf II., Kaiser 328, 329 Renner, Karl 81 f. Rudolf V. von Montfort-Feldkirch, Graf 160 f., 344 Rettenbach am Auersberg 11 Rümmele, Barbara 333 Reute siehe Hittisau-Bolgenach Rüthi 237 Reuthe 213, 347, 352, 367 f., 415 Russland 23, 117, 140 Baien 347 Hof 347 Salzburg 121, 364 Reutte (Tirol) 202, 410 Fürstbistum, Herzogtum 117, 371 Landgericht 404 Land 87 Reuz, Bartholomä 294 Salzgeber, Alfred 333 Rhäzüns, Herrschaft 377 f., 428, 442 Sander, Hermann 290, 292 f. Rhein 141, 160, 259, 324, 377 Sander, Ignaz 274 Rheinau, Gemeinde 202, 367, 368, 418 Sandrell, Heinrich 103 Rheinberger, Josef 227, 230 St. Anton am Arlberg (Tirol) 359 Rheinbund 374 f., 376 f., 384, 391, 400, 409, 430 St. Christoph 359 Rheintal (Vorarlberg, Schweiz) 25 f., 145, 158, 165-167, St. Anton im Montafon 97, 102 f., 109, 214, 271, 275, 285 f., 236 f., 254, 259, 275, 294, 321, 362, 388 290, 308, 318, 368, 414 Rhomberg, Adolf 79, 84, 226 St. Antönien (Schweiz) 283 Rieden siehe Bregenz St. Gallen 116 Rieden, Hof 322 Kanton 202, 254, 396 Riedl, Alois 221 Kloster 159, 342, 345, 354, 372, 395 f., 423, 428 Riedmiller, Bernhard 116-118, 362 St. Gallenkirch 97, 101-103, 109, 214, 308, 318, 368, 415 Riefensberg 213, 368, 415, 416 Gargellen 292 Ritsch, Michael 254 Gortipohl 290, 318 Roder, Gebhard 422, 438 St. Gerold 214, 368, 414-416, 420 Roggenburg 406, 410 Hof, Herrschaft 19 f., 159, 293, 371-373, 375 f., 379, Rom 185 382 f., 394, 396, 414, 419, 421, 423 f., 442 Romanshorn 222 St. Mang (Füssen) 375, 411 Röns 213, 368, 414 St. Margrethen (Schweiz) 159, 237, 256 Rorschach 254 St. Pölten 235 Rorschacherberg 254 Satteins 157, 162, 188, 214, 368, 415, 441 Roschmann, Anton von 151 f., 420 Sausgruber, Herbert 7, 10 f., 13, 15, 18, 29 Rosenstiel, Wunibald 426, 440 Sauther, Anton 144 Röthenbach 415 Schaan 136 Röthis 157, 160, 214, 368 Schatzmann, Albert 225 Rovereto 126 Schedler, Seraphin 378 Rudigier, Andreas 12, 313 Scheffau 415 Rudigier, Franz-Josef 316 Scheffknecht, Wolfgang 11

Seite 459 Scheidbach, Julius 231, 246 Schwarzenberg 188, 215, 341 f., 345, 347, 350, 352, 354, Scheidegg 415 368, 385, 415, 426, 431 Scheier, Quido 104 Schwarzmann, Theresia 336 Schellenberg, Herrschaft 259, 377, 384, 421 Schwarzmann, Tobias 333 Schelling, Martin 437 Schwaz 201 Schiller, Friedrich von 144 Schweden 20 Schimper, Wilhelm 233 Schweiz 20, 81-83, 87 f., 116, 137, 139, 144-146, 219, 224, Schlins 157, 161, 188, 200, 214, 301, 368, 414 f. 231, 233, 243, 256, 271, 313, 328, 339, 359, 372, 377 f., Schmidt, Karl von 272 396 Schmidt, Wilhelm 427 Seebacher, Alois 239, 240 Schmiedle, Josef 252 Seeberger, N. 293 Schmutzer, Anton 15, 73 Seewald, Franz Xaver 394, 409 Schneider, Anton 116-118, 362 f., 399, 438, 440 Seidl, Josef 11, 193 Schneider, Christina 335 Selb, Josef 244 Schneider, Gebhard 427, 442 Sibratsgfäll 215, 368, 420 Schneller, Josef Alois 333 Siebert, Ludwig 246 f., 250, 257 Schnepfau 188, 214, 337, 347, 352, 368, 415 Sigmund von Tirol, Herzog 161 Schnifis 157, 162, 188, 215, 296, 368, 414 f., 432 Silbertal 97, 108 f., 215, 271, 290-292, 303 f., 307, 314, Gampelin 162, 296 316-318, 368, 415 Schnifnerberg 284 Kristberg 291, 292, 300 Schöch, Franz 139 Silian 406 Schöch, Franz 247 Simmerberg 262, 415 Schoch, Magdalena 116 Gericht 380, 416, 423 Schönau 372, 374 f., 383, 392, 415 f., 423 Simon, Franz 232, 233, 254 siehe auch Laubenberg Sippelius, Johann 148 Schongau 403, 410 Sitten/Sion 201 Schoppernau 214, 337, 347, 352, 355, 368, 415 Sohm, Viktor 359 Schreiber, Martin 233, 236 f. Sonnenberg, Herrschaft 114, 198 f., 281-287, 291-296, 298, Schröcken 12, 30, 186, 215, 333-337, 368, 414, 416 300, 303, 309, 359, 361, 371-373, 379-381, 383 f., 391, Schruns 10, 97, 99-103, 109, 111, 113, 153, 200 f., 215, 262, 394 f., 409, 414 266, 271-274, 276, 288, 302 f., 309, 313 f., 316, 319, Gericht 295 f., 379 f., 382, 388, 397, 419, 424, 439, 441 333, 368, 388, 399 f., 415, 424, 425, 441 Landgericht 23, 288, 385, 394 f., 399 f., 403, 405 f., Schuler, Ursula 335 409 f., 414-416, 419, 423-426, 439 Schwaben 145, 271, 321, 371, 375 Dekanat 286 Schwaben (Bayern) 19, 20 Sonntag 187 f., 215, 318, 333, 368, 413-415 Schwaben, Provinz 20, 115, 125, 146, 149, 361, 383, 390 f., Buchboden 414 396, 398, 401, 405, 422, 427 Sonthofen 403, 410, 432 Schwabmünchen 410 Spanien 116 Schwarz, Karl von 221 Speckle, Christian 140 Schwarzach 13, 159, 215, 368, 415 f. Spiegel, J. Georg 333

Seite 460 Stallehr 11, 97 f., 101 f., 109, 216, 271, 281, 285-288, Thannhausen 375, 410 290-299, 304 f., 317, 367 f., 414 Theoderich, Abt 340 Davenna 290, 292, 295, 317 Thevenet, Fritz 73 Diebsschlössle 304 f., 317, 320 Thoma, Margot 10, 112 Lärchenbühel 290, 292 Thüringen (Vorarlberg) 157, 216, 368, 383, 388, 414, 421 Schlosskopf 304 Thüringerberg 216, 368, 414 f. Steck, Hermann 236, 244, 247 Thurnher, Thomas 73, 75, 76, 95 Stegmann, Elmar 18 Tiefenthaler, Alois 227 Steiermark 82, 91, 114 Tiefenthaler, Andreas 143 Steinbach 411 Tiefenthaler, Meinrad 305 Steißberg siehe Bildstein Tirol 19, 21, 24, 75, 79 f., 84, 87, 92, 114, 116-119, 123-126, Stemer, Franz Josef 101 136-138, 140 f., 143, 149, 152, 165, 199 f., 202, 219, Stemer, Jakob 101, 103 244, 262, 264, 273, 291, 316, 318, 329, 359, 361-364, Stemer, Siegmund 103 371, 379, 383 f., 392, 396, 405, 421 Sternbach, Ludwig Anton Freiherr von 421 Provinz 391, 397, 400, 427 Sternbach, Ludwig Franz Freiherr von 394 f., 409, 427 Tisis siehe Feldkirch Stey, Johann Josef 135 f. Tizian, Karl 46 Stichaner, Joseph von 420 Tosters siehe Feldkirch Stieger, A. 247 Trient 186, 187, 193, 225, Strigel, Bernhard 314 Hochstift 114, 361, 371 Sturn, Franz Xaver 142 Trier 392 Stuttgart 314 Trojer, Arnold 13, 93 Stutz, Francisca 242 Trunkelsberg 411 Subersach (Fluss) 342 Tschagguns 12, 97, 101, 109, 216, 271, 301, 303 f., 306, 307, Sudentenland 82 313-315, 317 f., 368, 415, 440 Südtirol 82, 114 Latschau 314 f. Sulz 157, 160, 161, 216, 368, 415, 432, 439 Tschaikner, Manfred 11, 268, 281, 312, 318 Sulzberg 188, 216, 368, 416 f., 439 Tschavoll, Carl von 228, 231 Hinterberg 415-417 Tschavoll, Josef Andreas von 221, 224 Gericht 259, 327, 380, 416 f., 439 Tschechien 96 Sulzer, Mathias 145 Tschofen, Lukas 306, 317 f. Sutterlüty, Anton 72 Tschohl, Alois 132, Tschohl, Franz 274 Talleyrand, Charles-Maurice de 123 Tschohl, Johann Alois 148 Tannberg Gericht 23, 186, 380, 384, 394, 414-416, 420, 424 Tschohl, Oswald 274 f., 277 Tansania 95 Tschohl, Peter 274 Tänzer, Aron 419 Tsohataridis, Leandros 13, 93 Tarter, Augustin 236 f., 244, 247 Türkheim 406, 410 Tettnang 403, 406, 442 Udine 441 Tettnang-Argen, Herrschaft 19, 114, 342, 361, 371 Übersaxen 216, 368, 415

Seite 461 Uecker, David 13, 93 Von der Thannen, Willi 336, 337 Ulm 123, 315 f., 374, 383, 394, 428, 439 Vonbun, Andreas 399 f., 406, 426, 441 Ulmer, Andreas 282, 285 f., 290, 294 Vonier, Franz Joseph 276 Ulrich, hl. 213 Vonier, Johann Ignaz 273 f., 276 f. Ungarn 77, 82, 96, 134 Vonier, Josef 276 Unterberger, Franz 230 f., 234 f., 237-240 Vorderland 255, 321 Unterlangenegg siehe Langenegg Vorderösterreich 20, 114, 269, 371, 377, 382, 383 Uri 202 Vorkloster siehe Bregenz-Rieden Ursberg 410 USA 77, 359 Waal 411 Wachter (Lehrer) 242 Vaduz 378 Wachter, Burkhard 103 Herrschaft 259, 377, 384, 421, 423 Wachter, Franz 101-103, 109 Val d’Ajol 337 Wachter, Ludwig 241, 243 Vallaster, Adolf 12 Wachter, Peter 102 Vallaster, Eduard 225, 242 Wachter, Raimund 103 Vallaster, Erwin 103 Wagenseil, Christian Jakob 432 Vallaster, Johann 108, Wagner, Hans 121, 364 Vandans 97, 101, 102, 107, 109, 216, 271, 275, 290, 304 f., Wagner, Martin 242 317, 368, 414 f. Wagram (Niederösterreich) 116 Valkastiel 317 Waitz, Sigismund 81 Venedig 441 Walch, Gregor Anton 337 Venezien 114 Walch, Sebastian 359 Verwall (Gebirge) 294 Waldburg, Otto Tuchseß von 186 Vicari, Johann Jakob von 398 Waldburg-Zeil-Trauchburg, Graf Clemens Truchseß von 374, Vidal, Babette 145 409 Vidal, Felix 145 Walderdorf, Johann Graf 79 Viktorsberg 157, 216, 368 Walensee (See) 321 Villach 333 Walgau 165, 266, 294-296, 321 Vils 403 Walk, Joseph 142 Vinschgau 186 Wallis 201, 303, Vintler, Franz von 124, 127, 134, 373 f., 385, 399 f., 426, 439 Walser, Alfons 240 f. Vinzenz, Franz Josef 147 Walser, David 231 Vögel, Adolf 47 Walser, Harald 10 Vögel, Johann Peter 426, 439 Walser, Jakob 426 Vogelweide, Walther von der 316 Walser, Petra 13, 357 Vogesen 337 Waltrams 392, 416 Vögl (Vögel), Peter 426, 440 Reichsrittergut, Patrimonialgericht 372-378, 392, 407, Volaucnik, Christoph 9, 11, 123, 219 411, 423 Vom Bach, Heinrich 328 Wangen 374, 392, 403, 432

Seite 462 Warschau 138 Willams 415 Warth 30, 186, 216, 336, 369, 414, 416 Willi, Herbert 95 Hochkrumbach (Vereinigung 1885) 368 f., 414, 416 Wimmer, Dr. Christian 227, 242, 243 Warth-Hochkrumbach 368 f. Winder, Balthasar 426, 440 Watzenegger, Andreas 388 Winder, Xaver 145 Weber, Franz Xaver 140 Winter, Gabriel 161 Weber, Karl 12, 33, 35, 38, 49 Winterrieden 375, 411 Weber, Karl Friedrich 406, 416 Wohllaib, Johann Albrecht 406 Weber, Wolfgang 12 Wolf, August von 378 Wegeler, Andreas 143 Wolf, Benedikt 152 Wegeler, Franz Xaver 141, 148 Wolf, Veronika 359 Weiler (Vorarlberg) 160, 216, 368 Wolfurt 159, 217, 266, 368, 415, 416 Weiler im Allgäu (heute: Weiler-Simmerberg) 116, 262, 362, Wolkenstein-Rodenegg, Graf Josef von 393 375, 385, 415 f., 423, 426 Wolkenstein-Rodenegg, Graf Wenzel von 393 Landgericht 20, 117, 151, 385, 399, 403, 405-407, 410, Wolkenstein-Rodenegg, Gräfin Therese von 393, 421 415, 417-419, 423, 425 f., 431, 435, 439 Wollmetshofen 411 Weimar 82 Würbel, Florinus 274 Weingarten 314 Württemberg, Königreich 114, 116 f., 123, 133, 134, 362, Reichsstift 159, 371, 372, 414, 442 375 f., 404 Weinzierl, Anton 228, 242, 256 Würzburg 147, 375 Weinzierl, Ernest 221-223 Wüstner, Anna Maria 337 Weinzierl, Josef Anton 147 Weis, Eberhard 123 Zangerl, Christian 225, 227 Weiß, Alois 147 Zeil, Schloss 374 Weiss, Jürgen 10, 12, 73, 87, 165 Ziehrer, Carl Michael 15 Weißenau 375 Ziemetshausen 411 Weißenbach am Lech 441 Zimmermann, Andreas 139 Weißenbach, Johann Matthäus 336 Zimmermann, Johann Georg 146 Weißenhorn 375, 410 Zipper, Josef 427, 442 Weitnau 262, 374, 381, 385, 392, 415, 423, 439 Zita von Bourbon-Parma, Kaiserin von Österreich 77 Welti, Ludwig 287, 292, 304-308 Znaim/Znojmo (Tschechien) 116 Weltin, Hans 296 Zösmair, Josef 118, 291, 363 Werber, Christine 48 Zünd, Josef Anton 337 Westallgäu (Bayern) 17, 23, 173, 177, 180, 264, 421 Zünd, Josef Matthäus 336 f. Wiederin, Eduard 227 Zürich 314 Wien 21, 51, 77, 81, 87 f., 95, 117, 237, 272, 304, 308, 378 Zumtobel, Dominik 136 Schönbrunn 117 Zwischenwasser 160, 217, 368, 415, 432 Wildhaus 254 Wilfling, Rosemarie 13 Wilhalm, Jos 355

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