KUNSTLIEFERANTIN DES „DRITTEN REICHS“

UMKREIS UND WIRKUNGSRADIUS VON MARIA DIETRICH

vorgelegt von Mag. Nadine Bauer

an der Fakultät I - Geistes- und Bildungswissenschaften der Technischen Universität zur Erlangung des akademischen Grades

Doktorin der Philosophie - Dr. phil. -

genehmigte Dissertation

Promotionsausschuss: Vorsitzender: Prof. Dr. Tilman Santarius Gutachterin: Prof. Dr. Bénédicte Savoy Gutachterin: Prof. Dr. Gesa Jeuthe (verh. Vietzen)

Tag der wissenschaftlichen Aussprache: 11. Juni 2020

Berlin 2021

Einleitung ...... 1 Forschungsstand und Quellenlage ...... 5

1. Einführung: Die Akteurinnen und ihr Radius ...... 8 1.1 Grunddaten zur Galerie Almas: Namen und Adressen ...... 8 Exkurs: Erwerb eines Wohnhauses in München 1939 ...... 9 1.2 Biografische Dimensionen bis 1945 ...... 10 1.2.1 Die Verbindung zwischen Maria Dietrich und Ali Almas ...... 11 1.2.2 Maria und Mimi Dietrich 1933 bis 1945 ...... 14 1.3 Maria Dietrich als Frau im Kunsthandel ...... 20 1.3.1 Die weibliche Nachbarschaft: Frauen im Münchner Kunsthandel ...... 24 1.4 Verortung der Galerie Almas ...... 36 1.4.1 Definition ...... 36 1.4.2 Angestellte ...... 36 1.4.3 Aktivität bis 1935 ...... 39 1.4.4 Werbung bis 1945 ...... 42 1.4.5 Wirtschaftliche Einordnung ...... 47

2. Die Galerie Almas während des Nationalsozialismus ...... 50 2.1 Die geschäftliche und persönliche Beziehung zu Heinrich Hoffmann ...... 50 2.1.1 Kunstsammlung Heinrich Hoffmann ...... 54 2.2 Tätigkeit für vor dem Einsatz des „Sonderauftrag Linz“ ...... 61 Exkurs: Erwerb der „Toteninsel“ von Arnold Böcklin ...... 61 2.3 Maria Dietrich als Einkäuferin für den „Sonderauftrag Linz“ ...... 77 2.3.1 Quellenlage zum „Sonderauftrag Linz“ im Zusammenhang mit der Galerie Almas 79 2.3.2 Nominelle Einordnung ...... 84 2.3.3 Arten der Einlieferung ...... 87 2.3.4 Betrachtung der Qualität ...... 101 Exkurs: Verkäufe ohne Gewinnerzielung? ...... 104 2.4 Weitere Kunden in den 1930er und 1940er Jahren ...... 105 2.4.1 „Sammlung“ ...... 106 2.4.2 Erwerbungen für das Schloss Posen ...... 107 2.4.3 Angebote und Verkäufe an öffentliche Sammlungen bis 1945 ...... 109 2.5 Erwerbungen innerhalb Deutschlands ...... 125 2.5.1 München ...... 125 Exkurs: Friedrich August von Kaulbachs Familienporträt aus der Sammlung von Otto und Nelly Scharff, München ...... 141 2.5.2 Berlin ...... 151 2.5.3 am Main ...... 162 Exkurs: Auktionskataloge aus dem Besitz der Galerie Almas im Museum Georg Schäfer ...... 164

3. Erwerbungen im okkupierten Ausland ...... 168 3.1 Österreich ...... 168 3.1.1 Einkaufsreisen und Hinweise auf verfolgungsbedingte Verkäufe ...... 172 Exkurs: „Die Malkunst“ von Jan Vermeer aus der Familie Czernin ...... 184 3.1.2 Mauerbach-Auktion ...... 185 3.2 Niederlande ...... 187 3.2.1 Goudstikker, Alois Miedl und die Kunsthandlung Katz ...... 188 3.2.2 Verbindung zu Hermann Göring ...... 195 3.3 Frankreich ...... 197 3.3.1 Transaktionen ...... 200 3.3.2 Netzwerk ...... 204 Exkurs: Erste Transfers in – Erwerbungen aus der Sammlung des Prager Industriellen Josef Škvor ...... 219 3.3.3 Kaufabläufe und Formalitäten ...... 225 3.3.4 Geschäfte mit Raubkunst: Begegnungen mit dem Einsatzstab Reichsleiter Rosenberg und der Sammlung Schloss ...... 234 3.4 Weitere Auslandsbeziehungen ...... 242 Exkurs: Zerstörung der Kunsthandlung ...... 243

4. Ende des Aufstiegs und Neustrukturierung ...... 249 4.1 Auslagerungen und Rückgabe von Objekten an die Familie Dietrich-tho Rahde ... 253 4.2 Verlust der Geschäftsunterlagen ...... 257 4.3 Befragungen zu Kunstwerken durch die Alliierten ...... 260 4.4 Regressansprüche der Familie Dietrich-tho Rahde bezüglich restituierter Werke .. 263 4.5 Ansprüche an Maria Dietrich ...... 267 4.6 Neu-Etablierung im Münchner Kunsthandel ab den 1950er Jahren ...... 276 Zusammenfassung ...... 279 Literaturverzeichnis ...... 283 Quellenverzeichnis ...... 297 Abbildungsverzeichnis und Abbildungen ...... 312

Anlagen

ANLAGE 1 Kunst- und Antiquitätenhändlerinnen ANLAGE 2 Objekte in der Werbung bis 1945 ANLAGE 3 Wirtschaftliche Einordnung ANLAGE 4 Objekte Sammlung Heinrich Hoffmann ANLAGE 5 Objekte „Sammlung Bormann“ ANLAGE 6 Objekte Schloss Posen ANLAGE 7 Objekte Musikinstrumentensammlung Georg Neuner ANLAGE 8 Kontaktpersonen in Paris ANLAGE 9 Auslagerungsorte und ausgelagerte Objekte ANLAGE 10 Aussagen zu Maria Dietrich ANLAGE 11 Erläuterung zur Übersicht „Linz-Objekte“

Einleitung

Auf Einladung des Kunsthändlers Konrad O. Bernheimer fand 1989 in München eine mit „Kunst & Tradition – Meisterwerke bedeutender Provenienzen“ betitelte Ausstellung statt, zu der auch Maria Dietrichs (1892–1971) Tochter Mimi tho Rahde (1910–2010) für die Galerie Almas gebeten worden war, einen Beitrag zu leisten. Anlass der Ausstellung war das 125- jährige Bestehen der Firma Bernheimer in München. Die ab mindestens 1931 gute Kundin des Hauses und jährliche Teilnehmerin an der von Otto Bernheimer (1877–1960) 1956 in München begründeten Kunst- und Antiquitätenmesse präsentierte bei der Schau von 1989 ein 15-teiliges Frühstücksservice aus Meißen. Zu dessen Provenienz heißt es im Katalog: „Dieses Frühstücksservice stammt aus der Sammlung des Kommerzienrates Jacques Mühsam in Berlin. 1925 wurde die Sammlung in Wien im Kunstauktionshaus Glückselig versteigert. Das abgebildete Frühstücksservice gelangte in die Sammlung des Staatssekretärs Richard von Kühlmann, aus der es erworben wurde.“ Da Richard von Kühlmann bereits 1948 verstorben war, befand sich das Service 1989 mindestens seit vier Jahrzehnten im Besitz der Kunsthändlerinnen Maria Dietrich und ihrer Tochter Mimi tho Rahde. Sogar die Losnummer der Mühsam-Auktion (Nr. 261) wurde für den Katalogbeitrag herausgesucht.1 Das Motto „Kunst & Tradition“ kann auch als Leitmotiv dieser Arbeit zur Galerie Almas verstanden werden: Ein Ausschnitt des in über 70 Jahren Firmengeschichte gebildeten Netzes und den darin eingewebten Handlungsweisen werden nun durch Grundlagenforschung an die Oberfläche gebracht.

Zu Beginn des Forschungsvorhabens bestand das Ziel, die Rolle der Kunsthändlerin Maria Dietrich zwischen 1933 und 1945 aufzuzeigen. Der zeitliche Rahmen wurde schwerpunktartig beibehalten, was sich etwa bei Anfragen an Museen bezüglich möglicher Objekteingänge und der Prüfung von Verbindungen mit Kunst- und Auktionshäusern in München ablesen lässt. Doch der Begriff Rolle schien mit der Zeit immer ungeeigneter, da für diesen Ansatz zum einen ein intensiver Vergleich mit gleich- oder andersartigen Kolleg:innen aus dem Kunsthandel nötig gewesen wäre. Solche Vergleiche zu anderen Kunsthändlerinnen und Kunsthändlern konnten in diesem Rahmen jedoch nur in Bezug auf einige spezifische Fragen vorgenommen werden. Zum anderen wurde die Figur der Maria Dietrich anhand eines begrenzten Quellenmaterials – ohne den privaten oder gewerblichen Nachlass – rekonstruiert. Daher versuchte die Verfasserin stattdessen, den Anteil der Münchner Kunsthändlerin im System des staatlich organisierten Kunstraubs zwischen 1933 und 1945 zu bestimmen, ohne

1 Konrad O. Bernheimer: Kunst und Tradition. Meisterwerke bedeutender Provenienzen, München 1989, S. 140. 1 jedoch die Leerstellen mit Mythen zu füllen. Da solch eine „Mythenbildung“, zum Teil durch die Familie Dietrich selbst, direkt in der Nachkriegszeit begann, musste jede Quelle auch dahingehend kritisch betrachtet werden. Als wohl größte Herausforderung stellte sich dabei heraus, trotz großer Überlieferungslücken eine (historische) Einordnung vorzunehmen, da sich die getroffenen Annahmen mit neuen Quellen jederzeit verändern können. Für diese Arbeit wurde ein dokumentarischer Ansatz gewählt, um derzeit zugängliche Quellen und Werkinformationen für die Forschung zugänglich zu machen.

Dass Maria Dietrich als eine wichtige Person im staatlich organisierten Kunstraub in der NS- Zeit einzuordnen ist, belegt schon die Tatsache, dass Dietrich allein für 16 % des Gesamtvolumens des „Sonderauftrags Linz“ – das sind 1.077 Nummern – verantwortlich war (ANLAGE 11). Hierunter befanden sich auch Werke, die vor dem Einsatz des „Sonderauftrags“ (1939) an Adolf Hitler verkauft wurden. Eine Einlieferung in den Bestand ab 1939 bedeutete ferner nicht zwangsläufig, dass Werke endgültig für das Linzer Museum bestimmt waren. So sollte nach dem Krieg zunächst eine Sortierung und Verteilung der Werke (mitunter für dekorative Zwecke) vorgenommen werden.2 Eine systematische Differenzierung aller Objekte ist nicht mehr möglich. In der vorliegenden Arbeit geht die Verfasserin dennoch von einem „Bestand“ des „Sonderauftrags Linz“ aus, auch wenn dieser verallgemeinernde Begriff teilweise unscharf ist (vgl. Kap. 2.3.1 Nummerierung der Eingänge durch Hans Reger). Aufgrund der genannten Relation und der relativ guten Quellenlage zum „Sonderauftrag Linz“ entwickelte sich Dietrichs Verhältnis zum „Sonderauftrag“ und damit einhergehend zu dessen Sonderbeauftragten Hans Posse und Hermann Voss zu einem Schwerpunkt dieser Arbeit. Mehr als 80 dieser Werke sind bei den Recherchen als belastet aufgefallen und in der für die Dissertation erstellten Objektübersicht zum „Sonderauftrag Linz“ entsprechend rot markiert worden. Bei einer systematischen Provenienzprüfung eines jeden Werkes, die derzeit durch das Bundesverwaltungsamt3 verstärkt durchgeführt wird, dürfte sich diese Zahl noch erhöhen. Ein unbekannt großer Teil der von Maria Dietrich zwischen 1933 und 1945 gehandelten Werke weist sicherlich keinen kritischen, also verfolgungsbedingten Hintergrund auf.

2 Birgit Schwarz: Wolfgang Gurlitt und der Sonderauftrag Linz, S. 431–441. In: Ausst.-Kat. Wolfgang Gurlitt Zauberprinz. Kunsthändler – Sammler, Lentos Museum Linz, hg. von Elisabeth Nowak-Thaller und Hemma Schmutz, München 2019, hier S. 436. S. zur Thematik auch Birgit Schwarz: Hitlers Sonderauftrag Ostmark. Kunstraub und Museumspolitik im Nationalsozialismus, Wien 2018 (Schriftenreihe der Kommission für Provenienzforschung, Bd. 7). Vgl. Birgit Schwarz: Hitlers Museum. Die Fotoalben „Gemäldegalerie Linz“: Dokumente zum „Führermuseum“, Wien 2004: Rund 90 der durch Dietrich eingelieferten Werke sind in die Fotoalben aufgenommen worden. 3 Anm. d. Verf. im Dezember 2020: Seit Februar 2020 ist die Kunstverwaltung des Bundes (KVdB) für die Verwaltung der entsprechenden Kunstgegenstände zuständig. In dieser Arbeit findet durchgängig die Bezeichnung Bundesverwaltungsamt Verwendung, da dieses zum Zeitpunkt der Einreichung der Dissertation die zuständige Behörde war. 2

Dennoch ist es für unseren Zusammenhang wichtig, gerade die kritischen Werke hervorzuheben, um damit einen Beitrag zur NS-Provenienzforschung zu leisten. Neben der Rekonstruktion von Werkgeschichten war es der Verfasserin ein besonderes Anliegen, wenn auch zumeist an der biografischen Oberfläche bleibend, von einzelnen Schicksalen der Beraubten zu berichten und nicht allein „Tätergeschichte“ darzulegen.

Maria Dietrich nahm billigend in Kauf, dass Werke aus verfolgungsbedingten Kontexten stammen konnten (Bsp. Kap. 2.5.1 Exkurs: Familienporträt aus der Sammlung von Otto und Nelly Scharff) oder setzte sogar Druckmittel ein, um an Werke von Verfolgten oder deren Angehörigen zu gelangen (s. Kap. 3.1.1). Aus Bundesbesitz wurden seit dem Jahr 2000 über 60 Kunstwerke restituiert bzw. es wurde eine andere Einigung mit den Erben gefunden. Etwa die Hälfte dieser Werke gelangte über die Galerie Almas in Reichs- und später Bundesbesitz. Die Werke gehörten zuvor u. a. folgenden Personen, die uns größtenteils im Verlauf der Arbeit wiederbegegnen werden. Sie mussten ihre Kunstwerke verfolgungsbedingt direkt oder indirekt an Maria Dietrich abgeben: . Else und Leo Bendel, Berlin (Linz-Nr. 62) . Martha und , Berlin (Linz-Nr. 2507, 2532) . Berthold Nothmann, Berlin (Linz-Nr. 357) . Rosa und Jakob Oppenheimer, Berlin (Linz-Nr. 2828) . Alfred Sommerguth, Berlin (Linz-Nr. 699) . Martin Tietz, Berlin (Linz-Nr. 2801) . Florence und Martin Flersheim, Frankfurt am Main (Linz-Nr. 2024, 2955, 3006, 3397) . Alexander Lewin, Guben (Linz-Nr. 1123) . Franziska und Georg Eduard Behrens, (Linz-Nr. 560, 589, 1688) . Elisabeth und Ernst Gotthilf, Wien (Linz-Nr. 6978, 940) . Irma und Oskar Löwenstein, Wien (Linz-Nr. 100, 172, 221) . Felix Stransky, Wien (Linz-Nr. 772, 745, 1697)

4 Hans Thomas „Blick auf Mamolsheim“ wurde versteigert bei Christie’s London, 8.12.2010 (Sale 7888), Los 319 (https://www.christies.com/lotfinder/lot_details.aspx?intObjectID=5391505&lid=1 – zuletzt besucht am 8.3.2019). 5 Wilhelm Heinrich Trübners „Frauenchiemsee“ wurde versteigert bei Christie’s London, 8.12.2010 (Sale 7888), Los 314 (https://www.christies.com/lotfinder/paintings/wilhelm-heinrich-trubner-frauenchiemsee-5391500-details.aspx – zuletzt besucht am 7.3.2019). 6 Franz von Stucks „Die Sinnlichkeit“ bzw. „Die Sünde“ wurde versteigert bei Karl & Faber, München, 13.11.2015 (Auktion 265), Los 71 (https://www.karlundfaber.de/produkt/die-sinnlichkeit/ – zuletzt besucht am 8.3.2019). Frankfurter Allgemeine Zeitung, 9.11.2015: „Die Sinnlichkeit“ hat eine bewegte Vergangenheit (http://www.faz.net/-gqz-89vy6 – zuletzt besucht am 8.3.2019). 7 Carl Spitzwegs „Beim Wäscheaufhängen“ wurde versteigert bei Christie’s London, 8.12.2010 (Sale 7888), Los 315 (https://www.christies.com/lotfinder/paintings/carl-spitzweg-beim-wascheaufhangen-5391501-details.aspx – zuletzt besucht am 7.3.2019). 8 Ferdinand Georg Waldmüllers „Großmutter mit drei Enkelkindern“ wurde versteigert im Dorotheum Wien, 8.4.2014 (Gemälde des 19. Jahrhunderts), Los 119 (https://www.dorotheum.com/de/l/3900271/ – zuletzt besucht am 7.3.2019). 3

. Walter Westfeld, Wuppertal (Linz-Nr. 2501, 2503, 2509) Neben den Restitutionen aus deutschem Bundesbesitz gab es in Zusammenhang mit Dietrich in den vergangenen zwei Jahrzehnten Restitutionen in den Niederlanden (Goudstikker: 18 Werke), Österreich (Edgar Schiffmann, Linz-Nr. 543 / Hortense und Hermann Eissler, Linz- Nr. 38–41) und Frankreich (Hertha und Henry Bromberg, Linz-Nr. 1557 / Anna Jaffé, Linz- Nr. 3406, 34079). Bereits in der Nachkriegszeit wurden Werke zurückgegeben, beispielsweise an Ida Freifrau von Feury (Linz-Nr. 2400), Fritz Loewenthal (Linz-Nr. 1173) sowie die Familien Berolzheimer (Linz-Nr. 830) und Scharff (Linz-Nr. 2710). Entsprechende Informationen sind über die Datenbanken zum Central Collecting Point (CCP) München und „Sonderauftrag Linz“ zu finden. Leider sind die Angaben in den beiden vom Deutschen Historischen Museum betriebenen Datenbanken momentan noch nicht konsistent. Einige Werke aus kritischen Kontexten stehen aus externer Sicht nicht nachvollziehbaren Gründen bislang nicht zur Restitution an, wie die Linz-Nr. 346 (ehem. Anna Caspari), Linz- Nr. 3397 (ehem. Martin Tietz), Linz-Nr. 683, 2389 (ehem. Berta und Heinrich Morgenstern) und Linz-Nr. 299 (ehem. Florence Flersheim).10

Da Maria Dietrich mit Beginn des „Anschlusses“ von Österreich (1938) und der Okkupation der Niederlande und Frankreich (1940) anfing, systematisch Kunstwerke in bzw. aus diesen Ländern zu erwerben, wird in den entsprechenden Kapiteln versucht, Charakteristika und Mechanismen ihrer Vorgehensweise zu erkennen und zu beschreiben.

Im Folgenden wird nachgezeichnet, wie sich Dietrichs Handlungsspielraum und Wirkungsradius seit Beginn ihrer Karriere entwickelten, wo die Kunsthandlung verortet werden kann und wie diese rezipiert wird und wurde. Die Studie wird zudem von den Fragen geleitet, wie es der Protagonistin gelang, ihre Karriere trotz ihres biografischen Hintergrundes (auch als Frau) zu gestalten, und welche Personen Anteil daran hatten. Insbesondere eine Kernfrage soll am Ende der Ausführungen beantwortet werden können: Wäre Maria Dietrich eine erfolgreiche Karriere in der zweiten Hälfte der 1930er und der ersten Hälfte der 1940er Jahre auch ohne die Strukturen des Nationalsozialismus gelungen?

9 David Teniers’ d. J. Entwürfe für Wandteppiche wurden versteigert bei Christie’s London, 8.7.2005 (Sale 7067), Los 49 (https://www.christies.com/lotfinder/AAA/AAA-4544416-details.aspx – zuletzt besucht am 8.3.2019). 10 Bundesverwaltungsamt, Provenienzdatenbank Bund (kurz: BVA Provenienzdatenbank), zuletzt besucht am 8.3.2019. 4

Forschungsstand und Quellenlage

Forschung zum NS-Kunsthandel wird seit etwa einem Jahrzehnt extensiv betrieben. Waren selbst zu einem Kunsthändler wie Hildebrand Gurlitt bis vor wenigen Jahren kaum publizierte Fakten greifbar, intensiviert sich die Kontextforschung insbesondere seit dem publik werden des „Schwabinger Kunstfunds“ 2013. Die Aufarbeitung des Kunsthandels während des Nationalsozialismus in München wird maßgeblich durch das Zentralinstitut für Kunstgeschichte (ZI) und Abschlussarbeiten an der Ludwig-Maximilians-Universität vorangebracht. Zur Erschließung des direkten beruflichen Umfeldes von Maria Dietrich konnten daher die Forschungsergebnisse zu Adolf Weinmüller (Hopp 2012), Anna Caspari (Peters 2016) und Heinrich Hoffmann (Peters 201811) genutzt werden.

Als Meike Hopp und Christian Fuhrmeister 2017 die Desiderate des Münchner Kunsthandels beschrieben, fragten sie zu Recht: „Was ist tatsächlich bekannt über die bevorzugte Kunsthändlerin Adolf Hitlers, Maria Almas Dietrich (1892–1971)?“12 Bisher wurde zu Maria Dietrich wenig gezielte Quellenkunde betrieben und publiziert. Somit blieb der Name Almas-Dietrich in der Provenienzforschung bislang ein häufig genannter, aber unkonkreter Begriff. In der Datenbank des Bundesverwaltungsamtes gelangt man mit dem Stichwort „Almas“ zu einer Reihe von Einträgen, die darauf verweisen, dass die Recherchen zur Münchener Galerie Maria Almas-Dietrich ergebnislos verliefen wären, da keine Akten in Münchener Archiven überliefert sein sollen (Stand März 2019). Auch wenn Einzelprüfungen von Kunstwerken über das zugängliche Material nur in wenigen Fällen unterstützt werden, liegen doch wichtige Archivalien zu Person und Firma im Münchener Stadtarchiv und Staatsarchiv sowie im Bayerischen Hauptstaatsarchiv und Bayerischen Wirtschaftsarchiv (s. Quellenverzeichnis). Im Bundesarchiv Koblenz gibt es im Bestand B323 geschäftliche Korrespondenz Dietrichs, vorwiegend zum „Sonderauftrag Linz“. Die Quellenlage zu diesem Themenbereich hinsichtlich der Galerie Almas wird ausführlich unter 2.3.1 besprochen.

11 Dissertationsvorhaben von Sebastian Peters, Ludwig-Maximilians-Universität München (LMU): Heinrich Hoffmann. Hitlers Fotograf und seine Netzwerke zwischen Politik, Propaganda und Profit (seit 2017). 12 Christian Fuhrmeister/Meike Hopp: Der Handel mit Kunst des 19. Jahrhunderts in München 1937–1945. Überlegungen zu einem Forschungsfeld, S. 163–182. In: Felix Billeter (Hg.): Kunsthändler, Sammler, Stifter. Günther Franke als Vermittler moderner Kunst in München 1923–1976, Berlin/Boston 2017 (Schriften der Forschungsstelle „Entartete Kunst“, Bd. 11), hier S. 64. 5

Über fold3 (National Archives Washington) können zum einen französische Kaufbelege und Devisenunterlagen und zum anderen die Materialien zu den Befragungen Maria Dietrichs durch amerikanische und französische Alliierte abgerufen werden. Ein Ordner mit dem Titel „Dietrich, Maria Almas: Interrogation“ enthält ein Konglomerat an Unterlagen, die während der Befragungen Dietrichs entstanden sind. Insbesondere ein von ihr aus der Ich-Perspektive verfasster Bericht vom 30.10.1945 enthält sehr viele Informationen zu Dietrichs Person, ihrer Ehe, ihrem politischen Leumund, der Entwicklung des Geschäftes, ihren Vermögensverhältnissen und dem persönlichen Eigentum sowie zu Auslagerungsorten und Objekten. Ein 14-seitiger Interrogation Report fasst die Ergebnisse der Befragungen zusammen.13 Akten in Pariser Archiven geben zudem Aufschluss über den Erwerb von Kunstwerken in Frankreich und die Zusammenarbeit mit den dort ansässigen Händler:innen und Vermittler:innen. Durch Quellen im Bundesdenkmalamt Wien lassen sich Erwerbungen bei drangsalierten Personen nachvollziehen. Wichtiges Merkmal der meisten Quellen ist, dass sie aus der Nachkriegszeit stammen und einen reflektierenden und zielgerichteten Charakter besitzen.

2014 legte Sophia Barth eine Bachelorarbeit zur Biografie von Maria Dietrich vor, in der sie den Forschungsstand ausführlich beschreibt.14 Barth stellte fest, dass Maria Dietrich in der Sekundärliteratur bislang nur als Statistin behandelt wurde. Über die Epochen ihrer Lebenszeit zeichnete Barth den Weg der Kunsthändlerin nach. Birgit Schwarz (v. a. 2004 und 2009) und Hanns Christian Löhr (2005, Neuaufl. 2016) lieferten darüber hinaus bislang die detailliertesten Aussagen zu Maria Dietrich und ihrer Kunsthandlung. Auch Günther Haase (2. erw. Auflage 2008) beschäftigte sich verhältnismäßig intensiv, aber überwiegend unpräzise mit Dietrich. Nicht nur bei Haase wurden in der Sekundärliteratur fehlerhafte, ungeprüfte Informationen in Bezug auf Dietrichs Biografie weitergetragen.

Die dringendsten Desiderate bei der Erforschung der Galerie Almas sind Geschäftsbücher (Einkauf, Verkauf, Lager, Kommissionsbestände) und hiermit einhergehend auch Hinweise

13 National Archive and Records Administration, Washington D. C. (NARA) M1946, Record Group (RG), Records Concerning the Central Collecting Points (Ardelia Hall Collection), Central Collecting Point, 1945–1951, Roll 0120: Dietrich Maria Almas: Interrogation (kurz: NARA, Dietrich, Maria Almas: Interrogation), u. a. bestehend aus: Maria Dietrich an Captain Rai, Militärregierung Section Fine Art, München, 30.10.1945, S. 23–25 (1–3) und Protokoll der Befragung bestehend aus 14 Seiten, S. 47–60 (1–14): I. Introduction, II. Biographical Data and Personality Evaluation, III. Dietrich and the Jewish Persecution, IV. Relation to Hitler and the Nazi Party, V. The Dietrich Repositories, VI. Recommendations. 14 Sophia Barth: Maria Almas-Dietrich, Ludwig-Maximilians-Universität, Fakultät für Geschichts- und Kunstwissenschaften (Bachelorarbeit), München 2014. Die Arbeit ist über die LMU abrufbar (https://epub.ub.uni-muenchen.de/41206/ – zuletzt besucht am 7.3.2019). 6 auf private Abnehmer von Werken, Korrespondenz mit Privatpersonen, Kunsthändler:innen, Museen, Anbietern und Käufern, was die Analyse des Netzwerks ungemein hemmt. Besonders das Fehlen von Korrespondenz mit Kund:innen beeinträchtigt das Bestimmen ihrer Strategien. Es fällt schwer, die Kundenstruktur zu ergründen, da auch keine Kundenkartei, Gäste- und Adressbücher vorhanden sind. Es gibt weder Kassenbücher noch Kontenübersichten oder Künstlerkarteien. Spezialisierte Ausstellungen fanden anscheinend nicht statt, zumindest haben sich keine Ausstellungskataloge erhalten. Auch Ansichten der Galerieräume vor 1945 wurden vergeblich gesucht. Ein Familiennachlass war der Verfasserin nicht zugänglich, so dass fast ausschließlich mit Quellen in öffentlicher Hand gearbeitet wurde. Über die Beschaffenheit des mutmaßlichen Nachlasses liegen außerdem keinerlei Informationen vor. Dies gilt im Übrigen auch in Bezug auf die Überlegung, inwieweit Maria Dietrich und Mimi tho Rahde eine eigenständige Privatsammlung aufgebaut haben. Immerhin lagerten sie private Kunstgegenstände zum Schutz vor Kriegseinwirkungen aus (vgl. ANLAGE 9). Grundsätzlich sind aufgrund der inkonsistenten Überlieferung statistische Aussagen schwierig und nicht seriös. Manche Zusammenhänge, wie die Art der Zusammenarbeit mit anderen Händler:innen, sind nur über Provenienzrecherchen zu einzelnen Kunstwerken ersichtlich.

Studien zu Frauen im Kunsthandel jener Zeit existieren bislang sporadisch, etwa in Form der Masterarbeit zu Anna Caspari von Sebastian Peters und der Forschung von Ev-Isabel Raue zur Kölner Kunsthändlerin Aenne Abels. Die dieser Arbeit beigefügte ANLAGE 1 verdeutlicht das Potenzial einer wissenschaftlichen Auseinandersetzung mit diesem Thema.

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1. Einführung: Die Akteurinnen und ihr Radius

1.1 Grunddaten zur Galerie Almas: Namen und Adressen

. 1927/28: Maria Diamant Kunst- und Antiquitätenhandlung . mind. seit 1929: Maria Almas . seit 23.1.1937: Maria Diamant (Almas)15 . seit 7.3.1939: „Almas“ Galerie Maria Dietrich16 . von 1941 bis 1945: teilweise Galerie Maria Dietrich . nach 1945: Galerie Almas (Maria Dietrich – Mimi tho Rahde) . nach dem Tod von Maria Dietrich 1971: Galerie Almas (Mimi tho Rahde)

von bis Adresse in München17 Ergänzung 191718 oder 1921 Gabelsbergerstr. 5920 oder Betätigung von Maria Dietrich als 191819 Schellingstr. 96 (s. Kap. 1.2) Kunsthändlerin ist über Gewerbe- und Meldekarte nicht nachweisbar. 1921 1926 vermutlich Gabelsbergerstr. 59 Erste Registrierung eines eigenen Unternehmens 192121 6.12.192622 1939 Ottostr. 1b spätestens ab 24.4.194424 Ottostr. 9 (Cramer-Klett-Palais) 21.8.193923 Mai 1944 mind. 1951 Gustav-Freytag-Str. 5 Dies war auch ihre Privatadresse ab 15.11.1935.25 mind. April mind. 1958 Brienner Str. 55 Von 1928 bis 1931 war hier die 195126 Buchhandlung und Galerie Hans Goltz ansässig. mind. 1959 bis 1985 Wittelsbacherplatz 6, Eingang Brienner Str. 1985 bis 1992 Brienner Str. 1

15 Staatsarchiv München (kurz: StAM), Amtsgericht München, Registergericht 25825, Sonderband der Registerakten HRA 15425, Bl. 1: Protokoll der Geschäftsstelle des Amtsgerichts München, Registergericht, 23.11.1937. 16 Ebenda, Bl. 2: Maria Diamant-Almas an das Registergericht Abt. Firmennamensänderung: „Ich melde zur Eintragung in das Handelsregister an: Ich habe meinen Mädchennamen angenommen und will meine Firma nunmehr abändern in ‚Almas‘ Galerie, Maria Dietrich und stelle hiermit entsprechenden Antrag auf Änderung“, o. D. Die Beglaubigung erfolgte am 7.3.1939. 17 Wenn nicht anders angegeben: Adressbuch München 1900–1938, 1946, 1948, 1949, 1951, 1955–1959. Stadtarchiv München (kurz: StadtA München), GEW-GK-II-18: Gewerbekarte Maria Dietrich, EWK 65 D834: Meldekarte, o. Sign.: Meldeunterlagen Ali Almas. 18 Weltkunst, Jg. 37, H. 13, 1.7.1967, S. 644: Die Münchner Kunsthändlerin Frau Maria Dietrich feiert ihren 75. Geburtstag. Weltkunst, Jg. 60, H. 17, 1.9.1990, S. 2536f.: Im Gespräch mit Mimi tho Rahde. 19 StAM, Amtsgericht München, Registergericht 25825, Sonderband der Registerakten HRA 15425, Bl. 1: Protokoll der Geschäftsstelle des Amtsgerichts München, Registergericht, 23.11.1937. 20 StadtA München, o. Sign.: Meldeunterlagen Ali Almas: A. Almas war von 1917 bis 1927 in der Gabelsbergerstr. 59 gemeldet, d. h. dort wohnhaft. 21 StadtA München, GEW-GK-II-18: Gewerbekarte Maria Dietrich. 22 StadtA München, GEW-GK-II-18: Gewerbekarte Maria Dietrich. S. auch Weltkunst, Jg. 37, H. 13, 1.7.1967, S. 644. 23 StAM, Amtsgericht München, Registergericht, 25825 Sonderband der Registerakten, HRA 15425. 24 StadtA München, Kriegssachschädenamt, Nr. 242: Antrag auf Ersatzleistungen für Sachschäden nach dem Luftangriff am 24.4.1944. 25 StadtA München, EWK 65 D 834: Meldekarte Maria Dietrich. NARA, Dietrich, Maria Almas: Interrogation, S. 24 (2): „[…] mir [...] 1934 ein Grundstück für den Bau einer eigenen Villa gekauft hatte.” 26 StAM, Wiedergutmachungsbehörde (kurz: WB) I a 2517: Kuhn, Heinrich Fritz und Ellen gegen Dietrich, Maria, Zeitungsausschnitt (k. A.), Bl. 75: Galerie Almas, Brienner Str. 55, Mitteilung über Veränderung. Am 18.4.1951 wurde Maria Dietrich als Inhaberin gelöscht, nunmehrige Inhaberin war Mimi tho Rahde. 8

Exkurs: Erwerb eines Wohnhauses in München 1939

Am 3. März 1939 kaufte Maria Dietrich für 162.000.- RM ein Wohnhaus in der Possartstr. 6 in München-Bogenhausen, das ihr am 16.2.1940 endgültig übertragen wurde. Dem Kaufvertrag wurde beigefügt: „Am 25. Januar 1940 erteilte der Regierungspräsident unter dem Betreff ‚Einsatz des jüdischen Vermögens‘ die Genehmigung zum Vertragsabschluss unter der Auflage, dass sämtliche Zahlungen aus dem Kaufvertrag auf ein für den Verkäufer zu errichtendes Sonderkonto zu leisten seien, über das nur mit Zustimmung des Oberfinanzpräsidenten München, Devisenüberwachungsstelle, sowie des Finanzamts für Körperschaften München, verfügt werden dürfe.“27 Hintergrund dieser Bestimmung ist, dass es sich bei dem Verkäufer um die Münchner Hauserwerbsgesellschaft GmbH handelte. Die Gesellschafter – neben anderen Margarete Siebenschein und Alfred Sonnenfeld – waren bereits vor der eingeleiteten Liquidation emigriert. Maria Dietrich kannte die Umstände bei der Hauserwerbung.

Eine Anmeldung von Rückerstattungsansprüchen für das Wohnhaus in der Possartstr. 6 erfolgte am 21.12.1948 in Bad Nauheim. Von dort wurde der Vorgang an die Wiedergutmachungsbehörde Oberbayern übergeben, die ein Verfahren gegen Maria Dietrich und weitere Käufer von Häusern der Hauserwerbsgesellschaft einleitete. Zwischen den früheren Eigentümern und der Familie Dietrich wurde am 19.8.1949 ein Vergleich geschlossen. Für das gesamte Wohnhaus mit mehreren Parteien erhielten die ehemaligen Eigentümer eine finanzielle Abfindung zur Abgeltung ihrer Ansprüche in Höhe von 100.000.- DM. Etwa bis 1966 wurden weitere Anstrengungen der Antragsteller unternommen, um mehrere ihrer Grundstücke und Immobilien zurückzuerhalten, die jedoch mit fragwürdig anmutenden Begründungen abgewiesen wurden. Die komplizierte Struktur der Münchner Hauserwerbsgesellschaft GmbH trug wahrscheinlich dazu bei, dass sich die Verfahren über Jahrzehnte hinzogen. Über die umfangreichen Prozessakten können diese Vorgänge nachvollzogen werden.28

27 StAM, WB I a 3104, Bd. 1, Bl. 1–244: Oberstes Rückerstattungsgericht, Hauserwerbsgesellschaft in Liquidation, München: Margarete Siebenschein und Alfred Sonnenfeld gegen Maria Dietrich u. a., hier Bl. 38. 28 StAM, Bezirksfinanzdirektion (kurz: BFD) III, 7040/I Aussenstelle München-Stadt Abt. Liegenschaften, Betreff: „Duress- Property“ München, 12.1.1947, S. 3, Ser.-Nr. YG-1801-1895, Besitzer: Maria Dietrich. Freundlicher Hinweis auf den Bestand BFD III von Meike Hopp, München. Unter „Duress-Property“ sind Vermögensobjekte zu verstehen, die durch Druck, Zwang oder Raub von rassisch, religiös oder politisch Verfolgten erworben wurden. StAM, WB I a 4699, Bl. 14: Grundbuch des Amtsgerichts München für Bogenhausen (Bd. 76, S. 361/Bl. 2170), Wohnhaus Nr. 6 Possartstr. mit Vorgarten u. Hofraum; Auszug 16.6.1950: Dietrich Maria, geb. Dietrich, Kunsthändlerin in München aufgelassen 3.3.1939, eingetragen 16.2.1940. Rückerstattungsanspruch Alfred Sonnenfeld und Frau Margarete Siebenschein eingetragen 23.5.1949. StAM, WB Ia 3104, 3105. S. auch StadtA München, DE-1992-KOM-JV-0043, Kommunalreferat – Jüdisches Vermögen, Possartstr. 6, Flurstücke Nr. 241 1/55 und 241 1/60. 9

1.2 Biografische Dimensionen bis 1945

Am 28.6.1892 wurde Maria Dietrich in eine Münchner Metzgerfamilie geboren. Einige Autoren schreiben, dass sie die (uneheliche) Tochter eines jüdischen Vaters gewesen wäre.29 Den Archivalien kann diese Information allerdings nicht entnommen werden. Die Geburtsurkunde zeigt, dass der Vater Heinrich Anton Georg protestantisch und die Mutter Maria (geb. Krach) katholisch waren. Maria Dietrich selbst wurde katholisch getauft.30 Sie hatte einen Bruder namens Sebastian, der wie der Vater den Beruf des Metzgers ausübte. Sebastian Dietrich wurde 1943 gemeinsam mit seiner Ehefrau bei einer Bombardierung Münchens getötet.31

1910 wurde Maria Dietrichs uneheliche Tochter Wilhelmine (gen. Mimi) geboren. Als deren Vater gilt der 20 Jahre ältere Deutschamerikaner Arthur Reinheimer (?–1938), über den lediglich bekannt ist, dass er jüdisch und Tabakhändler sowie Hauptaktionär eines Hotels gewesen sein soll. Auf Marias Wunsch hin wurde nicht geheiratet, aber für gesetzliche und finanzielle Sicherheit gesorgt.32 Vor dem zeitlichen Hintergrund, wir befinden uns noch im Deutschen Kaiserreich, erscheint dies als eine höchst unkonventionelle Entscheidung.

Aus einer der vielen Befragungen durch die amerikanischen Alliierten nach dem Zweiten Weltkrieg geht hervor, dass Maria Dietrich während des Ersten Weltkrieges, wohl auch in Vertretung ihres Bruders, die väterliche Metzgerei führte und dort für den Ein- und Verkauf zuständig war.33 Ungewöhnlich, aber auch folgerichtig bereitete diese Verantwortung sie auf ihre spätere eigenständige Berufstätigkeit als Händlerin vor. Noch 1918 wohnten die Metzgermeisterswitwe Maria Dietrich (sen.) und Sebastian Dietrich in der Donnersbergerstr. 10. Ab 1919 ist neben dieser Adresse die Metzgerei von Sebastian Dietrich in der Gabelsbergerstr. 70 eingetragen. Ab 1920 war Sebastians Wohnadresse die Schellingstr. 96. Diese Adresse gab auch Maria Dietrich 1921 auf ihrer Heiratsurkunde als ihren eigenen Wohnort an. Dementsprechend kann davon ausgegangen werden, dass Bruder und Schwester vor der Heirat von Maria zusammen in der Schellingstraße lebten. Die Mutter war 1920 weiterhin in der Donnersbergerstraße gemeldet.

29 Etwa Günther Haase: Kunstraub und Kunstschutz, Norderstedt 2008, S. 133. 30 StadtA München, Standesamt München, I 1892/5447: Geburtsurkunde Maria Dietrich. Bundesarchiv Berlin (kurz: BArch Berlin), R9361-II-10205: Almas-Diamant, Maria: Ausführliches Gesamturteil der NSDAP Gauleitung München-Oberbayern, 14.6.1939. 31 NARA, Theo Morell Papers, RG 242, Microfilm Nr. T254, Roll 45: Maria Dietrich an Theo Morell, 12.10.1943. Freundlicher Hinweis auf die Morell Papers von Sebastian Peters, München. 32 BArch Berlin, R9361-II-10205 (wie oben). Adressbuch München 1930, 1931: Reinheimer, Arthur – Vertretungen der Tabakbranche, Herzog Heinrichstr. 14. NARA, Dietrich, Maria Almas: Interrogation, S. 23 (1). 33 Barth 2014, S. 6: Sophia Barth ermittelte, dass für den Betrieb, laut Auskunft der zuständigen Handwerkskammer für München und Oberbayern, keine Unterlagen mehr existieren. 10

1.2.1 Die Verbindung zwischen Maria Dietrich und Ali Almas

„Ich betreibe seit 1918 […] einen Kunst- und Antiquitätenhandel.“34 Mit diesen Worten Maria Dietrichs aus einem Protokoll des Jahres 1937 kann der Beginn ihrer Handelstätigkeit belegt werden. Dietrichs Gewerbekarte ist zu entnehmen, dass sie erstmals 1921 ein eigenes Gewerbe, vermutlich in der Gabelsbergerstraße in München anmeldete. Als Art des Gewerbes ist dort der „Handel mit Teppichen und Antiquitäten“ eingetragen. Ebenfalls im Jahr 1921 heirateten Maria Dietrich und Ali Almas.35 Mit der Eheschließung wurde Dietrich infolge Almasʼ Staatsbürgerschaft türkische Staatsbürgerin und sie trat aufgrund seines Glaubens zum Judentum über. Bereits seit 1924 lebte das Ehepaar laut eines Eintrages auf Dietrichs Gewerbekarte getrennt.36 Es hat sich in der Sekundärliteratur eingebürgert von Maria Almas-Dietrich zu sprechen. Allerdings hieß sie während ihrer Ehe nie Almas, sondern Maria Diamant, wobei es sich um die „eingedeutschte“ Form des Namens Almas handelt. Teilweise unterschrieb sie allerdings trotzdem mit ‚Almas‘, was eine homogene Rezeption mitunter erschwert. In dieser Arbeit wird sie grundsätzlich als Maria Dietrich bezeichnet, da dies die längste Zeit ihres Lebens ihr bürgerlicher Name war.

Ali Almas alias Elie / Eli / Elias Josef / Elias Diamant (30.4. oder 1.5.1883–vermutlich 1945) wurde in Jalta auf der Krim oder in Yaltas bei Smyrna geboren. Das Geburtsdatum von Ali Almas variiert auf den Meldeunterlagen.37 Als namentliche Bezeichnung wird in dieser Arbeit weitestgehend die ursprüngliche Version Ali Almas verwendet. Ab 1904 war Ali Almas selbständig in München gemeldet und hatte in den folgenden Jahrzehnten diverse Meldeadressen.38 Um 1915 reiste er als Schriftsteller bzw. Journalist

34 Bayerisches Wirtschaftsarchiv, München (kurz: BWA München), K1 XVA 10c, 264. Akt, Fall 33: Protokoll der Geschäftsstelle des Amtsgerichts München Registergericht, 23.11.1937. S. auch Eintrag in Behörden- und Geschäftsadressbuch München 1947, S. 36: „Almas“ Galerie Maria Dietrich Kunsthandlung, gegr. 1918. 35 StadtA München, Standesamt München IV 1921/2003, Dietrich, Maria: Heiratsurkunde. 36 StadtA München, GEW-GK-II-18: Gewerbekarte. Nach der Abnahme eines Tekturblattes von der Gewerbekarte hat sich gezeigt, dass diese zeitweilig auch auf den Namen ihres Ehemannes lief, der später durchgestrichen wurde. 37 Staatsarchiv Hamburg (kurz: StAHH), 331-3 Abl. 38, Bestand 12, SA 14 Türken, Meldeamt Polizeibehörde Hamburg, 5.3.1915: Geburtsort Yaltas (heute Izmir) bei Smyrna, geb. am 1.5.1883. Auf der Heiratsurkunde wird als Geburtsort Jalta/Krim angegeben, geb. am 30.4.1883. Die Meldeunterlagen von Ali Almas im Münchner Stadtarchiv enthalten weitere abweichende Geburtsdaten (13.5. und 18.5.1883). 38 StadtA München, o. Sign.: Meldeunterlagen Ali Almas: Ysenburgstr. 3/1 (Anmeldung 14.5.1904, Abmeldung nicht angegeben); Hohenzollernstr. 59/2 (Anmeldung 3.8.1905, Abmeldung nicht angegeben); Theresienstr. 108/0 (Anmeldung 3.5.1906, Abmeldung 28.3.1906); Luisenstr. 40/2 (Anmeldung 21.3.1907, Abmeldung 1.4.1908); Schäfflerstr. 21/2 (lt. Anfrage vom 15.6.1914, Abmeldung 20.3.1915 nach Frankfurt/Main); Zweigstr. 6/2 (Anmeldung 3.5.1915, Abmeldung 15.5.1915 nach Bromberg); Keferstr. 3/0 (Anmeldung 11.9.1915, Abmeldung 18.10.1915 nach Wiesbaden); Augustenstr. 31/9 (Anmeldung 20.8.1916, Zuzug von Rottach bei Tegernsee, Abmeldung 15.10.1916 nach Frankfurt/Main); Augustenstr. 21/2 (lt. Erhebung vom 18.6.1917); Gabelsbergstr. 59/2 (Anmeldung 19.6.1917, Abmeldung 19.8.1927); Rottmannstr. 22/2 (Anmeldung 19.7.1927, Abmeldung 18.10.1927/21.3.1928); Sonnenstr. 27/4 (Anmeldung 1.3.1928, Abmeldung 1.3.1930); Gabelsbergerstr. 3/3 (Anmeldung 1.3.1930, Abmeldung 6.4./17.5.1933). StadtA München, GEW-GK-II-18: Gewerbekarte: Abmeldung unbekannt wohin am 17.5.1933. 11 durch Deutschland und hielt mehrere Vorträge zur deutsch-türkischen Freundschaft.39 Wie sein mutmaßlicher Freund Arthur Reinheimer (Vater von Mimi) handelte auch er mit Tabak.40

Über das Münchner Fernsprechbuch kann mindestens ab 190041 das Zigarren- und Zigarettengeschäft und später eine Zigarettenfabrik des Moise Diamant zunächst in der Augustenstr. 72, später in der Augustenstr. 28 nachgewiesen werden. Es handelt sich hierbei um Alis Vater, dessen Name so auch auf der Heiratsurkunde von Maria und Ali belegt ist. Das heißt auch, dass die Familie Diamant schon längere Zeit in München ansässig war. 1906 ist zudem eine Zigarettenfabrik in der Hohenzollernstr. 59 unter „Elias Diamant“ registriert. 1918 ist als Wohnadresse des Moise Diamant zum ersten Mal die Gabelsbergerstr. 59 angegeben. Die türkische Tabak- und Zigarettenfabrik befand sich zu diesem Zeitpunkt in der Augustenstr. 28. Erst ab 1921 wird „Elie Diamant“, vermutlich nach dem Tod des Vaters, als Inhaber der Tabak- und Zigarettenfabrik geführt (Sitz: Augustenstr. 28 / Wohnung: Gabelsbergerstr. 59). 1922/23 wohnten in der Gabelsbergerstr. 59 neben Ali auch die Kaufmannswitwe Emma Diamant, bei der es sich vielleicht um die Mutter von Ali gehandelt haben könnte, und der Kunstmaler Lazarus Diamant. Maria Dietrich ist zu diesem Zeitpunkt noch nicht in das Telefonbuch eingetragen worden, obwohl sie bereits verheiratet waren. Die Trennung von Maria und Ali macht sich 1927/28 bemerkbar, da für den Fabrikanten „Elias Diamant“ nun die Wohnadresse Rottmannstr. 22 eingetragen ist und eine Anmeldung an dieser Adresse vorliegt. Neben Emma Diamant findet sich nun folgender Eintrag für die Gabelsbergerstr. 59: „Maria Diamant Kunst- und Antiquitätenhandlung“. Hier wohnte Maria laut Telefonbuch noch im Jahr 1929, spätestens ab 1934 in der Mauerkircherstr. 70. Laut Gewerbekarte hatte sie die Kunst- und Antiquitätenhandlung allerdings bereits im Dezember 1926 in eigene Räume in der Ottostr. 1b verlegt. An eben jener Adresse waren 1926 im Fernsprechbuch noch die Kunsthandlung Joseph Schröfl und die Antiquitätenhandlung der Gebrüder Sandor eingetragen.

In den Fernsprechbüchern wird an keiner Stelle erwähnt, dass in dem Tabakgeschäft der Familie Diamant auch Kunst und Antiquitäten verkauft worden sind. Erst 1929, nach der Eröffnung von Marias Geschäft in der Ottostr. 1b, ist auch Ali Almas („Elias Diamant“) mit einer Kunsthandlung in der Sonnenstr. 27 und von 1931 bis 1933 in der Gabelsbergerstr. 33 verzeichnet. Auf Dietrichs Gewerbekarte ist außerdem angegeben: 1931 „An- und Verkauf von Schmuck“, unterzeichnet von E. Diamant sowie 1933 „prov. Vertretung in technischen

39 Ali Almas hatte 1915 eine Schrift mit dem Titel „Halbmond und Adler, von Ali Almàs aus Smyrna“ verfasst. 40 NARA, Dietrich, Maria Almas: Interrogation, S. 48 (2). 41 Die Ausgaben des Adressbuches vor 1900 wurden nicht konsultiert. 12

Neuheiten“, ebenfalls unterzeichnet von E. Diamant. Die geschäftlichen Verbindungen des Ehepaares lassen sich darüber hinaus nicht mehr nachvollziehen. Ali Almas meldete seine letzte nachweisbare Adresse in München im Mai 1933 ab. Möglicherweise zog er anschließend nach Paris. Dass er nach der Machtergreifung der Nationalsozialisten tatsächlich dorthin übersiedelte, unterstützt eine Angabe von Maria Dietrich in einem Antrag auf Feststellung von Kriegssachschäden im Jahr 1953. Dort gab sie an, dass ihr geschiedener Ehemann 1945 in Paris gestorben wäre. Als sein Geburtsdatum gab sie hier zunächst den 1.5.1885 an, verbesserte sich aber später und korrigierte das Geburtsjahr (1883).42 Im Juni 1933 startete die Polizeidirektion München eine Prüfung des Aufenthaltes von Ali Almas und befragte hierfür die Industrie- und Handelskammer sowie den Verband des Deutschen Kunst- und Antiquitätenhandels e.V. Es wurde versucht herauszufinden, was über sein Geschäft und sein Geschäftsgebaren bekannt sei und „ob Betriebe von der Art des von Diamant geführten unerwünscht“ wären.43 Vermutlich interessierte die letzte Frage an erster Stelle vor dem Hintergrund seines jüdischen Glaubens. Als türkischer Staatsbürger war er theoretisch gegen nationalsozialistische Verfolgung immun, solange er im Besitz eines gültigen Passes war. Die Industrie- und Handelskammer konnte kein Material liefern, womit man Schlüsse auf die Unzuverlässigkeit der angefragten Person und seines Geschäftes hätte ziehen können. Der Verband des deutschen Kunst- und Antiquitätenhandels antwortete, dass Ali Almas kein Mitglied des Verbandes sei. Der Verband konnte aber dennoch folgende Auskunft geben: „Sein Geschäftsbetrieb […] dürfte nicht bedeutend sein und wir erfahren, dass er einen großen Teil seiner geschäftlichen Betätigung auch in Paris ausübt. Seine Vermögensverhältnisse dürften nicht groß sein […].“44 Dass Maria in dieser Korrespondenz mit keinem Wort erwähnt wird, lässt darauf schließen, dass sein Geschäft vollständig getrennt von ihrem behandelt worden ist.

Prüfung der Identität von Ali Almas und Josef Almas Aufgrund teilweise übereinstimmender Angaben von biografischen Daten in einigen Dokumenten wurde nach einem Hinweis von Albert Ottenbacher, München, geprüft, ob es

42 StadtA München, Kriegssachschädenamt, Nr. 242 (3. Vorgang in Akte): Antrag auf Feststellung von Kriegssachschäden auf Grund des Feststellungsgesetzes vom 21. April 1952, 30.4.1953/8.6.1953, Bl. 1–4, 9: Angaben zum geschiedenen Ehemann. 43 BWA München, K 1 XX 64b, 1. Akt, Fall 29: Polizeidirektion München an die Industrie- und Handelskammer, 1.6.1933: Hier auch Nennung des Geburtsdatums 1.5.1883. 44 Ebenda: Verband des deutschen Kunst- und Antiquitätenhandels e. V. (S. Drey) an die Industrie- und Handelskammer, 16.6.1933. 13 sich bei Ali und dem Schauspieler Josef Almas möglicherweise um ein und dieselbe Person handeln könnte. Die extreme Ähnlichkeit des Namens, der Namen der Eltern, der Herkunft und des Geburtsorts waren hierfür ausschlaggebend. Ali wurde 1883 geboren, Josef 1896, obwohl im Filmportal IMDb auch für Josef das Geburtsjahr 1883 verzeichnet ist. Josef Diamant-Almas alias Josef Almas wurde am 28.4.1896 in Smyrna geboren, besuchte die Realschule in München und arbeitete zwischenzeitlich im Importhandel. Seit 1918 war er als Schauspieler in Hamburg, Frankfurt am Main und Berlin (u. a. an der Volksbühne) tätig und mit einer Frau namens Beate Finkh verheiratet.45 Im Mai 1934 emigrierte er aus Deutschland, zunächst in die Tschechoslowakei und im Juni 1939 von dort nach England. Als Gründe für die Emigration gab er an, dass er Jude, Demokrat, Feind des Nazi-Regimes und Gewerkschaftsfunktionär sei. Von England aus wurde er 1940 in Australien interniert. Von dort schrieb Josef Almas am 19.3.1941 aus Sydney an Salka Viertel (geb. Sternemann), die zu diesem Zeitpunkt in Kalifornien lebte, um sie um ein Affidavit für seine Emigration in die USA zu bitten.46 Noch am 18.3.1948 schrieb er an deren Ehemann Berthold Viertel aus Berlin-Zehlendorf, dass er sich für ein Engagement am Burgtheater interessiere.47 Kurz darauf verstarb Josef Almas am 26.4.1948 in Berlin. Aufgrund der vorliegenden Belege der beruflichen Tätigkeit von Ali Almas in München, kann ein parallel verlaufendes „Doppelleben“ als Schauspieler in Berlin nahezu ausgeschlossen werden. Es besteht allerdings die Möglichkeit, dass Ali Almas und Josef Almas Brüder oder anderweitig miteinander verwandt waren.

1.2.2 Maria und Mimi Dietrich 1933 bis 1945

Auf dem Papier war Maria Dietrich zu Beginn des Jahres 1933 noch immer eine mit dem Türken Ali Almas verheiratete Frau jüdischen Glaubens. Sie hatte eine nach nationalsozialistischer Rassen-Ideologie „halbjüdische“ Tochter und war faktisch alleinstehend. Wie also sah ihr Verhältnis zu den neuen Machthabern aus?

Es gibt zwar keinen Hinweis auf eine Mitgliedschaft in der NSDAP, aber ab 1936 wurde Dietrich förderndes Mitglied der SS mit einem monatlichen Mitgliedsbeitrag von 1,50.- RM. Später wird sie angeben aus ihrem „Existenzkampf“ heraus gefördert zu haben. Auch die

45 Deutsche Nationalbibliothek, Frankfurt am Main, Deutsches Exilarchiv 1933–1945, EB 75/177-D.II.2, Nachlass Wilhelm Sternfeld, Diamant-Almas. Literaturarchiv Marbach, Zugangsnummer HS.NZ80.0001.00052: Josef Almas an Salka Viertel, 19.3.1941. Informationen zu Josef Almas auch in: Kay Weniger: „Es wird im Leben dir mehr genommen als gegeben …“. Lexikon der aus Deutschland und Österreich emigrierten Filmschaffenden 1933 bis 1945. Eine Gesamtübersicht, Hamburg 2011, S. 69f. 46 Literaturarchiv Marbach, Zugangsnummer HS.NZ80.0001.00052: Josef Almas an Salka Viertel, 19.3.1941. 47 Literaturarchiv Marbach, Zugangsnummer 69.2124: Josef Almas an Berthold Viertel, 18.3.1948. 14

Nationalsozialistische Volkswohlfahrt (NSV) unterstützte sie von 1938 bis 1945 finanziell (vgl. ANLAGE 10).48 Seit dem 12.12.1933 war sie als Kunsthändlerin Mitglied in der Reichskammer der bildenden Künste (Abteilung Kunst- und Antiquitätenhandel). Ob es bei der Aufnahme Schwierigkeiten aufgrund ihrer familiären Situation gab, ist nicht belegt.49

Am 28.2.1933 trat Dietrich schließlich aus der jüdischen Religionsgemeinschaft aus und war ab diesem Zeitpunkt konfessionslos bzw. „freireligiös“.50 Jedoch war sie zu diesem Zeitpunkt weiterhin türkische Staatsbürgerin. Ihre Anträge auf Wiedereinbürgerung aus den Jahren 1936/37 wurden abgelehnt. Erst am 18.1.1937 folgte die Scheidung von ihrem jüdischen Ehemann in Deutschland, nach einer zwölf Jahre währenden Trennung.51 Die Scheidung wurde schließlich 1938 auch von den türkischen Behörden anerkannt. Ab diesem Zeitpunkt galt Maria zwei Jahre lang als staatenlos. Im Zuge dieser persönlichen Umbrüche kam es laut ihrer Aussage auch zu Befragungen durch die Gestapo.52 Grundsätzlich kann allerdings keine Eingrenzung ihres beruflichen Handlungsspielraumes festgestellt werden. Der Münchner Sammler von Musikinstrumenten Georg Neuner (vgl. Kap. 2.4.3 Städtische Musikinstrumentensammlung / Stadtmuseum München) wurde 1947 zu einer Aussage bezüglich Maria Dietrich aufgefordert. Seine Glaubwürdigkeit darf zwar angezweifelt werden, da er u. a. nichts zur Tätigkeit Dietrichs für Hitler sagte, aber immerhin handelt es sich bei ihm um eine dritte Person, die von Repressalien gegenüber der Kunsthändlerin berichtet: „Nach der persönlichen Seite ist mir bekannt, daß sie nach ihrer Verehelichung mit dem türkischen Staatsbürger Almas-Diamant, der nach meiner Kenntnis Jude war, nach der Machtergreifung in Schwierigkeiten geriet. Daran änderte sich auch später nichts, als Frau Dietrich-Diamant wieder geschieden worden war. Im Rahmen häufiger Unterhaltungen berührten wir in der Zeit nach der Machtergreifung auch häufig politische Probleme. Da ich persönlich dem Nazismus kritisch und ablehnend gegenüberstand, brachte ich diese Einstellung auch Frau Dietrich gegenüber zum Ausdruck. Frau Dietrich warnte mich wiederholt im Hinblick auf eigene nachteilige Erfahrungen oft zur Vorsicht in meinen Äußerungen. Sie erzählte, daß sie selbst schon und im Hinblick auf ihre Tochter (jüdischer

48 StAM, Spruchkammerakte, Karton (kurz: SpkA K) 285: Arbeitsblatt Maria Dietrich und Meldebogen auf Grund des Gesetzes zur Befreiung von Nationalsozialismus und Militarismus vom 5. März 1946. 49 Es existieren keine Unterlagen der Landesleitung der Reichskammer der bildenden Künste für die Stadt München. 50 BArch Berlin, R9361-II-10205: Almas-Diamant, Maria: Ausführliches Gesamturteil der NSDAP Gauleitung München- Oberbayern, 14.6.1939. StadtA München, GEW-GK-II-18: Gewerbekarte: Darauf ist diesem Datum widersprechend eingetragen, dass sie nur bis 1931 Mitglied der israelischen Glaubensgemeinschaft und ab 1931 freireligiös war. 51 StAM, SpkA K 285, o. Bl.: Maria Almas-Diamant, gez. Dietrich an die Polizeidirektion München, Betreff: Führung eines Doppelnamens zur Eintragung in das Handelsregister, 15.11.1937. 52 Andreas Heusler: Fahrt in den Tod. Der Mord an den Münchner Juden in Kaunas (Litauen) am 25. November 1941, S. 13– 24. In: StadtA München (Hg.): „...verzogen, unbekannt wohin“. Die erste Deportation von Münchner Juden im November 1941, Zürich 2000, hier S. 13: „Die Aktenüberlieferung der Münchner Gestapozentrale [...] ist in ihrem Hauptteil verloren und nur fragmentarisch erhalten.“ 15

Mischling) Schwierigkeiten von Parteiseiten hatte und auch schon einige Male bei der Gestapo vorgeladen gewesen sei. Aus den vielfachen Unterhaltungen mußte ich entnehmen, daß Frau Dietrich der NSDAP innerlich völlig ablehnend gegenüberstand, und daß sie darüber hinaus in ständiger Sorge vor Eingriffen der Partei wirtschaftlich und persönlich, insbesondere wegen ihrer Tochter, lebte. [...] Ob Frau Dietrich-Almas der Partei oder einer ihrer Gliederungen angehört hat, weiß ich nicht sicher. Im Hinblick auf die mir gegenüber geoffenbarte Einstellung und ihre Ehe mit einem Juden und die sog. Mischlingseigenschaft ihrer Tochter scheint mir dies indessen unwahrscheinlich.“53

Dem Wiedereinbürgerungsantrag wurde am 15.1.1940 stattgegeben.54 Bereits 1939 hat Maria Dietrich ihren Mädchennamen wieder angenommen, den sie nach einer Mitteilung des Polizeipräsidiums München vom 17.3.1939 zufolge ausschließlich zu führen hatte. Sie war also nicht berechtigt, die türkische Übersetzung ihres früheren Namens „Diamant“ (Almas) als Zusatz zu tragen.55 Die (teilweise behördlich verursachte) Verwirrung um Namen und Zugehörigkeiten spiegelt sich auch in den Namen der Kunsthandlung wider, die mehrmals innerhalb weniger Jahre umbenannt wurde: Bis 1939 führte diese den Namen „Maria Almas (Inh. Maria Dietrich)“ bzw. „Maria Diamant (Almas)“, ab August 1939 „‚Almas‘ Galerie Maria Dietrich“, zwischen Juli 1941 und 1945 immer wieder „Galerie Maria Dietrich“. Unterlagen des Bayerischen Wirtschaftsarchivs zeigen, dass sie 1939 dafür kämpfen musste, den Namen Almas geschäftlich weiter zu führen, da das Registergericht München dies zunächst abgelehnt hatte. Als sie hier den Antrag stellte, ihre Firma auf den Namen „Galerie ‚Almas‘ Maria Dietrich“ eintragen zu lassen, betonte sie, dass das Wort „Almas“ für sie „lebenswichtig“ wäre, da man sie in Fachkreisen nur unter dieser Bezeichnung kennen würde.56 Gegenüber der Reichskammer der bildenden Künste, Landesleitung Bayern, wog die Industrie- und Handelskammer das Für und Wider der Weiterführung des Namens am 19.6.1939 ab. Besonders wichtig scheint nach damaligem perfidem Verständnis der Aspekt des vermeintlich „jüdischen Charakters“ des Namens gewesen zu sein: „Dagegen sind von judenrechtlicher Seite aus gesehen bestimmte Erinnerungen gegen den Namen vorzubringen. Nach dem Willen der Staatsführung sollen die jüdischen Geschäfte nicht nur dem Unternehmen, sondern auch dem Namen nach aus der Erinnerung des deutschen Volkes

53 StAM, SpkA K 285, o. Bl.: Dietrich, Maria: Georg Neuner, Städtischer Museumsvorstand, München an die Öffentliche Klägerin der Spruchkammer I, Frau Hartmann, München, 23.12.1947. 54 StadtA München, EWK 65 D834: Meldekarte. Bereits 1938 fügte Maria dem Namen Diamant im Fernsprechbuch „(geb. Dietrich)“ fett markiert hinzu. 55 BWA München, K1 XVA 10c, 264. Akt, Fall 33. 56 Ebenda: Industrie- und Handelskammer München an Adolf Weinmüller, 12.5.1939. 16 verschwinden. Aus diesem Grunde kann nur beim Vorliegen besonderer Gründe die Weiterführung des Judennamens Almas gestattet werden. Frau Dietrich führt dem gegenüber ins Feld, dass sie selbst ja rein arischer Abstimmung sei, dass sie schon seit 12 Jahren von ihrem Mann getrennt lebe und fast niemand in Geschäfts- und Kundenkreisen von ihrer Ehe mit einem Juden wisse und gewusst habe, dass somit der Name Almas keineswegs als Judenname bekannt geworden sei und deshalb auch hier die judenrechtlichen Bestimmungen nicht zur Anwendung gebracht werden dürften.“57 Neben der Reichskammer der bildenden Künste wurde auch Adolf Weinmüller um eine Stellungnahme zum Thema gebeten (vgl. Kap. 2.5.1 Kunstversteigerungshaus Adolf Weinmüller). Im August 1939 gestattete das Registergericht schließlich die Änderung des Firmennamens in „‚Almas‘ Galerie Maria Dietrich“ mit der Begründung, dass der türkische Firmenname nicht als „Judenname“ aufgefasst werden würde. Die Nutzung des Namens in Anführungsstrichen diente wahrscheinlich der weiteren Abstrahierung des Familiennamens. Nach 1945 sollte der Name Almas – ohne Anführungsstriche – wieder in allen Bereichen zum Erkennungszeichen der Kunsthändlerinnen Maria Dietrich und Mimi tho Rahde werden.

Aufgrund einer Aufforderung der Reichskulturkammer vom 2.5.1939 beantragte die NSDAP am 8.5.1939 ein Gutachten, das Auskunft über die politische Zuverlässigkeit Maria Dietrichs geben sollte. Auf den 14.6.1939 datiert ein „Ausführliches Gesamturteil“, das unter Mitwirkung des Münchner Antiquitätenhändlers und Parteimitglieds Eugen Brüschwiler58 und des „Zellenleiters“ Rudolf Waas entstanden war. Themen dieses Gesamturteils sind die Ehe von Dietrich, ihre außereheliche Tochter sowie der Antrag auf Einbürgerung. Waas hob die große „Gebefreudigkeit“ hervor: Maria Dietrich hätte 20.000.- RM an die NSV gespendet.

57 Ebenda. 58 Maria Dietrich und Eugen Brüschwiler verkehrten in ähnlichen Kreisen. Eine Zusammenarbeit ist bisher bei der Einlieferung der Linz-Nr. 1628 und 3096 aufgefallen. S. zu Brüschwiler u. a. Lost Art-Datenbank, Beteiligte Privatpersonen und Körperschaften am NS-Kulturgutraub (zuletzt besucht am 8.3.2019): Eugen und August Brüschwiler gründeten in München 1918 eine Kunsthandlung (Lenbachplatz 1, Türkenstr. 13). Eugen Brüschwiler war frühes Mitglied der NSDAP und angeblich ein Freund von Adolf Hitler und Heinrich Hoffmann. 1943 wurde er durch die persönliche Einflussnahme Martin Bormanns Einkäufer für den „Sonderauftrag Linz“. Archives diplomatiques du ministère des Affaires étrangères, Paris, Bestand Récupération Artistique (kurz: Archives diplomatiques, Paris), 209 SUP 591 R36, o. Bl.: Vorgang zu Eugen Brüschwiler: Brüschwiler war Einkäufer in Frankreich und Italien. In einer eidesstattlichen Erklärung erklärte Brüschwiler am 15.9.1948, dass er im Auftrag der Partei für Martin Bormann, den Obersalzberg, das Schloss Posen und für die Dienststelle Prof. Giessler (Generalbaurat) tätig war. Sein Geschäft in der Fürstenstr. 22 wurde kriegsbedingt zerstört. S. hier auch: Anonymes Belastungsschreiben, 14.9.1946 und Aussage von Adolf Wüster, 13.10.1948: „[…] ein ganz kleiner Kunsthändler.“ Bayerisches Hauptstaatsarchiv, München (BayHStA), NSDAP-Bauakten 11673, 11638, 11639: zahlreiche Rechnungen für Ankäufe Obersalzberg. Deutsches Zentrum Kulturgutverluste, Magdeburg, Abschlussbericht der Kunstsammlungen und Museen Augsburg 2009–2011, Erschließung und provenienztechnische Überprüfung der Objekte der Kunstsammlungen und Museen Augsburg, die zwischen 1933 und 1955/60 angekauft wurden, verfasst von Horst Keßler 2014, S. 93: Eugen Brüschwiler war der Bruder des Direktors des Coburger Museums. Sonderarchiv Moskau, 1524-2-43 Sonderkonto Frankreich, Bl. 5: Brüschwiler unterhielt ein eigenes Konto bei der Reichskreditkasse in Paris. 17

Außerdem wäre sie mit der Frau von Hermann Göring und den Familien von Gauleiter Adolf Wagner und Heinrich Hoffmann befreundet.59 1943 kam es angeblich wieder zu Befragungen durch die Gestapo. Anlass für diese Befragungen mag die Tochter Mimi gewesen sein. Laut den Rassetheorien der Nationalsozialisten galt sie als „Mischling ersten Grades“ (vgl. Nürnberger Rassegesetze 1935). Gegenüber „Volljuden“ erhielt man eine bevorzugte Behandlung, aber es gab 1942/43 Bestrebungen dies zu ändern. Seit August 1944 wurden bspw. rund 2.000 „Mischlinge ersten Grades“ in die Arbeitslager der „Organisation Todt“ (paramilitärisches Bauunternehmen) deportiert.60 Indessen gibt es zahlreiche Belege für den Umgang Adolf Hitlers mit Schutzbefohlenen, meist aus dem künstlerischen Bereich, nach dem Leitspruch: „Wer Jude ist, bestimme ich“.61 Auch der Vergleich unterschiedlicher Schicksale zeigt, dass der Umgang der Nationalsozialisten mit Menschen in Mimis Situation nicht stringent war: Hanne Lenz, geb. Trautwein (1915–2010), war ab 1941 Mitarbeiterin im Kunstversteigerungshaus Weinmüller.62 Gerd Rosen (1903–1961) hatte bis 1933 das Buchantiquariat im Kaufhaus Wertheim geleitet, verlor bei der „Arisierung“ seine Anstellung, verdiente danach bis Kriegsende durch privaten Buchhandel seinen Lebensunterhalt und belieferte in dieser Zeit auch den Buch- und Kunsthändler Karl Buchholz. Die Schauspielerin Inge Meysel (1910–2004) hatte in der Zeit von 1933 bis 1945 Auftrittsverbot. Sie ging nach Danzig, wo sie als Telefonistin und technische Zeichnerin arbeitete. Anders erging es Marianne Schmidl (1890–1942). In einer Pressemitteilung der Stiftung Preußischer Kulturbesitz zu zwei Werken, die aus dem Berliner Kupferstichkabinett restituiert worden sind, heißt es am 8.10.2014: „Die nun restituierten Werke stammen aus der Sammlung der Urenkelin Friedrich von Oliviers […]. Dr. Marianne Schmidl [...] arbeitete [...] an der Österreichischen Nationalbibliothek, bis sie am 1. Oktober 1938 in den vorzeitigen Ruhestand versetzt wurde. Aufgrund der jüdischen Abstammung ihres Vaters wurde sie verfolgt. Nachdem ihr die finanzielle Lebensgrundlage durch die Verfolgung und die von den Nationalsozialisten eingeführten Sonderabgaben für Juden weitgehend entzogen worden war, sah sie sich gezwungen, die aus altem Familienbesitz stammenden Werke zu verkaufen. Im

59 BArch Berlin, R 9361-II-10205: Almas-Diamant, Maria: Ausführliches Gesamturteil der NSDAP Gauleitung München- Oberbayern, 14.6.1939. 60 Shlomit Steinberg: Was es bedeutet, ein „Mischling“ zu sein – Hildebrand Gurlitts deutsch-jüdische Identität, S. 28–31. In: Ausst.-Kat. Bestandsaufnahme Gurlitt, „Entartete Kunst“ – Beschlagnahmt und verkauft (Kunstmuseum Bern), Der NS- Kunstraub und die Folgen (Kunsthalle Bonn), hg. von Kunstmuseum Bern und Kunst- und Ausstellungshalle der Bundesrepublik Deutschland, Bonn, München 2017, hier S. 31. Steinberg bezieht sich auf Wolf Gruner: Jewish Forced Labor under the Nazis, Cambridge 2006, S. 83–102. 61 Volker Koop: Wer Jude ist, bestimme ich. „Ehrenarier“ im Nationalsozialismus, Köln/Weimar/Wien 2014, S. 9f. Der Urheber des Satzes ist nicht mehr nachvollziehbar. 62 Meike Hopp: Kunsthandel im Nationalsozialismus: Adolf Weinmüller in München und Wien, Köln/Weimar/Wien 2012, S. 140f. 18

April 1942 wurde sie in das polnische Ghetto Izbica, Krasnystaw, Lublin, deportiert. Die Umstände und das genaue Datum ihres Todes sind nicht bekannt.“

Wie sah also Mimi Dietrichs Lebensrealität zwischen 1933 und 1945 aus? 1940 beantragte Wilhelmine („Mimi“) Diamant beim Reichsministerium des Innern die Namensänderung von Diamant, also den Namen ihres Stiefvaters, zu Dietrich. Der Namensänderung wurde zunächst nicht stattgegeben. Als Begründung hieß es, dass „[…] der Stellvertreter des Führers die Änderung der Familiennamen von Mischlingen 1. Grades ausnahmslos ablehnt“.63 Durch die Einschaltung Heinrich Hoffmanns, kam es zur Prüfung des Gesuchs und die Namensänderung konnte vollzogen werden. Hoffmann hatte sich beim Reichsministerium des Inneren für das Gesuch u. a. mit folgender Begründung eingesetzt: Der „Führer“ wäre ein großer Abnehmer der Bilder Mimis Mutter und das von dieser geführte Geschäft solle nicht länger mit dem jüdischen Namen Diamant in Verbindung gebracht werden.64 Laut Maria Dietrich wurde ihrer Tochter „als Mischling gemäss Nürnberger Gesetz wegen Arbeitseinsatzes nachgespürt“65 und offenbar auch deren Auto beschlagnahmt.66 Mimi Dietrich durfte ihren langjährigen Verlobten Detmar tho Rahde (1906–?) während der NS- Zeit nicht heiraten. Die Hochzeit fand wahrscheinlich 1946 statt. Der Name tho Rahde fiel bei den Recherchen zunächst als Käufer bei Hugo Helbing in Frankfurt Anfang der 1930er Jahre auf. Die Mutter Luise tho Rahde (geb. 1876 in Darmstadt, Konfession evangelisch) war seit 1944 in der Münchener Gustav-Freytag-Str. 5, also in dem Wohnhaus der Familie Dietrich, gemeldet.67

Man könnte nun annehmen, dass Mimi Dietrich aufgrund ihrer Situation zwar in der Kunsthandlung der Mutter tätig war, aber nur im Hintergrund agierte, wie der Interrogation Report suggeriert: „For obvious reasons her daughter Mimi was persona non grata. As an employee of the firm she worked behind the scenes. Whenever an important customer entered the store, Mimi had to disappear out of sight.“68 Dieser Annahme widerspricht eindeutig, dass sie in einem Formular der Kriegsschädenakte von 1944 als Geschäftsführerin der Firma

63 BArch Berlin, R 1501-127632, Bl. 110–112: Vermerk zur Vorlage beim Minister [Wilhelm Frick], 3.9.1940. 64 BArch Berlin, R 1501-127632, Bl. 108: Der Adjutant des Reichsministers des Innern an den Minister, 15.7.1940. 65 NARA, Dietrich, Maria Almas: Interrogation, S. 24 (2). 66 Ebenda, S. 23f. und Aussage von Anna Stoiber, 15.4.1946 (vgl. ANLAGE 10). 67 Auktion Hugo Helbing, Frankfurt am Main, 14.4.1932, Los 14/15: Deutscher Maler der 18. Jh. „Zwei Porträts: Vornehmer Mann und vornehme Dame“, Leinwand 70 x 48 cm, 75.-. Annotation: „Tho Rahden [sic] hier [d. i. Frankfurt am Main] Reuterweg 34“. BVA Provenienzdatenbank: Biografische Angaben, Linz-Nr. 2931: Das StadtA München [Meldeunterlagen] teilte dem BADV [jetzt Zuständigkeit BVA] mit, dass sich Detmar tho Rhade [sic] (geb. in Lübeck, Konfession: evangelisch) im Jahre 1938 in München aufgehalten hat (zuletzt besucht am 10.3.2019). 68 NARA, Dietrich, Maria Almas: Interrogation, S. 54 (8). 19

„‚Almas‘ Galerie Maria Dietrich“ genannt wurde.69 Spätestens im Adressbuch von 1941 sind beide Frauen als Kunsthändlerinnen eingetragen. Auch Korrespondenz mit dem „Sonderauftrag Linz“ lief häufig über Mimi Dietrich (s. Kap. 2.3.3 Arten der Einlieferung).70 Ihre Funktion und Bedeutung, auch während der NS-Zeit, sollten demnach nicht unterschätzt werden.

Die privaten Herausforderungen von Mimi und Maria beeinträchtigten nicht den Erfolg der Kunsthandlung. Von drei Räumen in der Ottostr. 1b (ca. 60 qm) konnten sich die Dietrichs Ende 1939 vergrößern und zogen mit ihrem Geschäft in etwa acht Räume des Cramer-Klett- Palais in der Ottostr. 9 (heute Ottostr. 19) (Abb. 1).71 Das Palais wurde zwischen 1843 bis 1846 als Palais Schönborn-Wiesentheid errichtet. 1877 erwarb Theodor von Cramer-Klett das Gebäude.72 Parallel zu Maria Dietrich waren hier um 1941 folgende Personen und Institutionen gemeldet: Georg Neuner mit seiner Musikinstrumentensammlung (noch nicht im Adressbuch 1941), das Fremdenverkehrsamt von München, das Schweizer Konsulat, das amerikanische Generalkonsulat und Freifrau Anna von Cramer-Klett, Gutsbesitzers- und Fabrikbesitzerswitwe mit Diener, sowie Polizeihauptwachtmeister „Jos. Geisenfelder“ und Kanzleidiener „Fr. Nardi“.73 Die Räume der Kunsthandlung im Cramer-Klett-Palais wurden am 24.4.1944 durch eine Bombardierung schwer beschädigt. Das Gebäude brannte zwar aus, blieb aber weitgehend erhalten (Abb. 2 + 3). 1952 wurde das Palais abgerissen.74

1.3 Maria Dietrich als Frau im Kunsthandel

In diesem Kapitel werden zunächst einige Faktoren erörtert, die eine Rolle spielten, wenn eine Frau sich um 1920 selbständig machte. Um sich den sozialen Hintergrund von Maria Dietrich zu verdeutlichen, sei zunächst auf verschiedene gesellschaftspolitische Aspekte hingewiesen, die diesen Zeitraum prägten: Frauen waren zum Studium in Bayern seit dem Wintersemester 1903/04 zugelassen. An der Kunstakademie studieren durften sie allerdings erst ab 1920.

69 StadtA München, Kriegssachschädenamt, Nr. 242 (2. Vorgang in Akte – Ausgleichsamt), Bl. 1: Antrag auf Entschädigung nach der Kriegssachschädenverordnung vom 30.11.1940, 28.6.1944. 70 Bsp. BArch Koblenz, B323/132, Ankäufe für den „Sonderauftrag Linz“ aus dem deutschen und österreichischen Kunsthandel und Privatbesitz 1939–1945, Bd. 4. 71 Vgl. Exkurs: Zerstörung der Kunsthandlung. Die Angabe von insgesamt zwölf Räumen ist wohl nicht korrekt, vgl. Weltkunst, Jg. 37, H. 13, 1.7.1967, S. 644 und StadtA München, Export-Club, Nr. 3, 1962: Frau Maria Dietrich-Almas 70 Jahre alt. Die genaue Verortung der Räume im Palais war bislang nicht möglich. 72 Michael G. Berolzheimer: Michael Berolzheimer (1866–1942). His Life and Legacy, Stockton 2014, S. 160: „Head of the Museumsverein was Theodor Freiherr von Cramer-Klett and his deputy was Alfred Pringsheim, Thomas Mann’s father-in- law. In 1933, the association was dissolved because of its predominantly Jewish chairmen, and the loans made by the association to museums in Munich were declared to be gifts.“ 73 Adressbuch München 1941: S. 480, 1938: S. 449, 1943: S. 486. 74 Konstantin Köppelmann/Dietlind Pedarnig: Münchner Palais, München 2016, S. 729. 20

1908 wurde das preußische Vereinsgesetz aufgehoben, welches Frauen jegliche öffentliche politische Betätigung untersagt hatte. Daraufhin entstanden zahlreiche Frauenvereine. Am 19.1.1919 durften Frauen in Deutschland erstmals wählen.

Laut Gewerbekarte unterhielt Maria Dietrich ab 1921 ihr eigenes Gewerbe, auch wenn sie später angab, schon seit 1918 ein Geschäft geführt zu haben. Vor diesem Hintergrund interessiert die Frage, ab wann man als Frau (in Bayern) selbständig bzw. ohne Einverständnis des Ehemannes ein Gewerbe eröffnen durfte. Bis zur Mitte oder sogar zum Ende des 18. Jahrhunderts war es verhältnismäßig üblich, dass Frauen Unternehmen leiteten, die sie etwa nach dem Tod ihrer Ehemänner übernahmen. Dies änderte sich erst im 19. Jahrhundert, auch durch den Code Napoleon/Code civil, in denjenigen deutschen Gebieten, die von Napoleon erobert worden waren und wo dieses Gesetzbuch eingeführt wurde.75

Im Allgemeinen Deutschen Handelsgesetzbuch (1861–1900) war unter Artikel 7 festgehalten, dass eine Ehefrau ohne Einwilligung ihres Ehemannes nicht als Handelsfrau tätig sein durfte. Es wurde also zwischen Frau und Ehefrau unterschieden, was heißt, dass eine unverheiratete Frau in Sachen Handelstätigkeit vor 1900 theoretisch mehr Rechte hatte als eine verheiratete: „Artikel 6: Eine Frau, welche gewerbemäßig Handelsgeschäfte betreibt (Handelsfrau), hat in dem Handelsbetriebe alle Rechten und Pflichten eines Kaufmanns. [...] Es macht hierbei keinen Unterschied, ob sie das Handelsgewerbe allein oder in Gemeinschaft mit Anderen, ob sie dasselbe in eigener Person oder durch einen Prokuristen betreibt.“76 Im Handelsgesetzbuch (HGB), das 1897 erlassen wurde und 1900 in Kraft trat, sind die aufgelisteten Sonderbestimmungen zu Handelsfrauen entfallen. Diese Änderung bedeutete prinzipiell eine inhaltliche Gleichstellung von weiblichen und männlichen Kaufleuten. Auch das Bürgerliche Gesetzbuch (BGB, 1896 erste Fassung, 1900 in Kraft getreten) erkannte die volle Geschäfts- und Handlungsfähigkeit der Frau an; deshalb war der Artikel 7 des Handelsgesetzes, nach dem eine Ehefrau ohne Einwilligung ihres Mannes nicht Handelsfrau sein durfte, im Entwurf des neuen Handelsgesetzbuches gestrichen worden.77 Problematisch blieb aber die Frage, ob und in welchem Umfang damit auch Ehefrauen frei als

75 Eva Labouvie: In weiblicher Hand. Frauen als Firmengründerinnen und Unternehmerinnen (1600–1870), S. 88–131. In: dies. (Hg.): Frauenleben – Frauen leben. Zur Geschichte und Gegenwart weiblicher Lebenswelten im Saarraum (17.–20. Jahrhundert), St. Ingbert 1993. Dies.: Frühneuzeitliche Unternehmerinnen. Frauen im Bergbau und in der Eisenhüttenindustrie, S. 135–162. In: dies. (Hg.): Ökonomien des Lebens. Zum Wirtschaften der Geschlechter in Geschichte und Gegenwart, Münster 2004. Der Artikel 213 des Code civil sah die Gehorsamspflicht der Ehefrauen vor. Frauen erhielten keinerlei Partizipationsrechte. 76 Stephan Meder/Arne Duncker/Andrea Czelk (Hg.): Die Rechtsstellung der Frau um 1900. Eine kommentierte Quellensammlung, Köln/Weimar/Wien 2010, S. 1029. Die Autor:innen zitieren aus dem Allgemeinen Deutschen Handelsgesetzbuch. 77 Meder/Duncker/Czelk 2010, S. 746. Die Autor:innen ziehen als Quelle Marie Raschkes Text „Zur Petition betreffend den Entwurf eines Handelsgesetzbuches“ aus dem Jahr 1897 heran. 21

Handelsfrauen tätig werden konnten: „Zwar legt ihnen das HGB selber keine Beschränkung auf, doch aus dem BGB folgen allgemeine Einschränkungen für Ehefrauen (wie § 1354, Entscheidungsrecht des Mannes, oder Normen des gesetzlichen Güterrechts78). Umstritten ist, wie weit diese auch im Handelsrecht Wirkung entfalten [...].“ Eine Frauenbewegung versuchte, 1897 durch eine Petition auf den Entwurf des Handelsgesetzbuches einzuwirken. Geklärt werden sollte auch das Verhältnis zwischen HGB und BGB hinsichtlich der Beschränkungen verheirateter Handelsfrauen. Die Petition wurde von der Rechtskommission des Bundes Deutscher Frauenvereine unter Vorsitz von Marie Raschke ausgearbeitet, blieb allerdings weitgehend erfolglos.79 Bis 1921 (Gewerbeanmeldung Dietrich) gab es diesbezüglich auch keine Änderung. Das BGB verankerte mit seinen Regelungen zu Ehe und Familie die Rechtsstellung der Frau im Sinne der patriarchalischen Tradition, das heißt, dem Ehemann kam weiterhin das Entscheidungsrecht in allen Fragen des Ehe- und Familienlebens zu. 1949 trat das Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland in Kraft. In der neuen Verfassung steht seitdem: „Männer und Frauen sind gleichberechtigt.“ Aber der Paragraph 1354, in dem es lautete „(1) Dem Manne steht die Entscheidung in allen das gemeinschaftliche eheliche Leben betreffenden Angelegenheiten zu“, wurde erst 1957 ersatzlos gestrichen. Am 1. Juli 1958 trat die Änderung in Kraft. Damit wurde auch das Recht des Ehemannes, das Dienstverhältnis seiner Frau fristlos zu kündigen, aufgehoben. Bis 1977 durfte die Ehefrau dennoch offiziell nur dann berufstätig sein, wenn dies mit ihren Pflichten als Ehefrau und Mutter zu vereinbaren war.

Theoretisch hätte somit laut Bürgerlichem Gesetzbuch Ali Almas die Entscheidungsgewalt über die Geschäftsgründung seiner Ehefrau innegehabt. Eine unverheiratete Frau hatte hingegen mehr Handlungsspielraum. Bezeichnenderweise fand die offizielle Gewerbegründung von Maria Dietrich am 13.12.1921 (erstes Datum auf Gewerbekarte), also wenige Tage vor der Eheschließung am 21.12.1921, statt. Auf der Heiratsurkunde heißt es dann auch, dass der Kaufmann Elie Diamant die Kunsthändlerin Maria Dietrich ehelicht. Bis zu ihrer Hochzeit lebte sie, zumindest offiziell, mit ihrem unehelichen Kind in ihrem Elternhaus bzw. bei ihrem Bruder (Schellingstr. 96).

In dem von Elke Hlawatschek in den frühen 1980er Jahren untersuchten Zeitraum (1800– 1945) stellen erwartungsgemäß „innerhalb der weiblichen Erwerbstätigkeit [...] die

78 Dieser Aspekt bezieht sich auch auf das Einverständnis des Ehemannes bezüglich der Berufstätigkeit der Ehefrau. 79 Meder/Duncker/Czelk 2010, S. 1028f. 22

Unternehmerinnen eine der zahlenmäßig kleinsten Gruppen dar.“80 Neben den Unternehmenserbinnen ist die Anzahl der Unternehmensgründerinnen nochmal geringer. Maria Dietrich kann in diesem Sinne als Gründerin ohne familiäres Startkapital betrachtet werden. Eine Unternehmensgründung war in ihrer Zeit ein Ausnahmefall und der Anlass in anderen Bereichen häufig eine Erfindung, wobei die Unternehmensgründung zunächst nicht im Vordergrund stand, wie bei Käthe Kruse, Margarethe Steiff oder Melitta Bentz. Gründungen waren zwar um die bzw. vor der Jahrhundertwende faktisch möglich, aber eine kaufmännische oder technische Ausbildung konnte eine Frau nur selten aufweisen. Frauen waren von Positionen in Handelskammern zumeist ausgeschlossen und diese Einschränkungen wurden erst während der Weimarer Republik aufgehoben.81 In Deutschland entstand 1910 ein absolutes Novum, vor allem vor dem Hintergrund, dass Frauen bis 1921 der Besuch der Börse untersagt war. In diesem Jahr wurde in Berlin- Wilmersdorf die „Genossenschaftsbank selbständiger Frauen“, später „Frauenbank“ von Frauen gegründet, geleitet, verwaltet und stand ausschließlich Kundinnen zur Verfügung.82 Ziel war die „Heranbildung geschäftstüchtiger, selbständiger Frauen, die erfolgreich ihren Besitz oder den Erlös ihrer Arbeit zu verwalten imstande sind.“83 Die Bank bestand nur bis 1916.

Maria Dietrichs unkonventionelle und selbstbestimmte Lebensweise (uneheliches Kind, Beruf) widersprach, auch später, in jeder Hinsicht der nationalsozialistischen „Frauenschablone“ und war nicht selbstverständlich. Das schließt allerdings nicht aus, dass sie möglicherweise mit einigen der vermittelten Werte und politischen Sichtweisen konformging. Es gab nur eine geringe (offizielle) Mitwirkungsmöglichkeit für Frauen im NS-Regime. Die einzige hochrangige Frau mit politischem Amt war die Reichsfrauenführerin Gertrud Scholtz- Klink (1902–1999). Alle Frauenverbände wurden innerhalb weniger Jahre unter dem Dachverband „Deutsches Frauenwerk“ zusammengefasst und alle berufstätigen Frauen in der Deutschen Arbeitsfront „zwangsorganisiert“.84 Das ideologische Postulat der „Frau am

80 Elke Hlawatschek: Die Unternehmerin (1800–1945), S. 127–146. In: Hans Pohl/Wilhelm Treue (Hg.): Die Frau in der deutschen Wirtschaft, Stuttgart 1985 (Zeitschrift für Unternehmensgeschichte Beiheft 35), hier S. 127. 81 Ebenda, S. 145. 82 Gitta Dölle: „Die Frucht des modernen Emanzipations-Gedankens“. Die Berliner Frauenbank (1910–1916), S. 47–68. In: Marlene Kück (Hg.): Macht und Ohnmacht von Geschäftsfrauen, Berlin 1998. 83 Dölle 1998, S. 48, zit. n. Frauenkapital 1914, Nr. 1, S. 8. Vgl. Erich Falk/Marie Raschke/Emma Stropp (Hg.): Frauenkapital – eine werdende Macht. Wochenschrift für Volkswirtschaft, Frauenbewegung und Kultur, Berlin, Jg. 1914– 1915 (insg. 25 Ausgaben). 84 Ute Benz (Hg.): Frauen im Nationalsozialismus, Dokumente und Zeugnisse, München 1993, S. 15. Die Deutsche Arbeitsfront (DAF) gab die kostenlose Zeitschrift „Frau am Werk“ heraus, die Propaganda, Informationen und moralisierende Ratschläge publizierte. 23 häuslichen Herd“ kann jedoch teilweise als Fiktion angesehen werden, denn 1935 waren immerhin sieben Millionen berufstätige Frauen vom DAF-Frauenamt erfasst.85

Für ein Experiment des Portals „Open Art Data“ wurden in einer Grafik Frauen und deren Beziehungen dargestellt, die in den Berichten der Art Looting Investigation Unit (ALIU) erwähnt sind.86 Gesucht wurde in den Berichten nach Wörtern wie „Frau“, „Madame“, „wife“ oder „secretary“. Fragen, die dem Experiment zugrunde lagen, sollten auch die Forschung weiterhin interessieren: Wie aktiv nahmen welche und wie viele Frauen am NS-Kunstraub teil? Eine Person fehlt in der Darstellung, da für sie eine eigene Grafik erstellt wurde: „At the centre of Nazi action: Frau Maria Dietrich“.

1.3.1 Die weibliche Nachbarschaft: Frauen im Münchner Kunsthandel

Anlässlich ihres 75. Geburtstages im Jahr 1967 berichtete die „Weltkunst“, dass Maria Dietrich in ihren frühen Jahren eine von nur wenigen Kunsthändlerinnen gewesen sei, da der Kunsthandel eine Angelegenheit des „männlichen Individualismus“ gewesen wäre.87 Diese Angabe in einer in den 1960er Jahren erschienenen Zeitschrift zu lesen, erstaunt weniger als das kurze Unterkapitel „Frauen in der Männerwelt“ (S. 251–255) in dem 1994 veröffentlichten Buch „Der Kunsthändler. Wandlungen eines Berufes“ von Hans Peter Thurn. Erst kurz zuvor hatte Mimi tho Rahde ihre Kunsthandlung geschlossen, nachdem sie und ihre Mutter diese für fast 75 Jahre geführt hatten.

Wie verhielt es sich mit weiteren Kunsthändlerinnen, primär in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts? Einige Frauen, die zeitlich parallel zu Maria Dietrich im Münchner Kunsthandel agierten, werden hier behandelt, insofern eine Verbindung zu Maria Dietrich erkannt wurde. Aufgrund Dietrichs ausufernder Geschäfte und ihrer besonderen Bedeutung für Adolf Hitler in der NS-Zeit ist sie für den uns interessierenden Zeitraum mit keiner anderen Kunsthändlerin gleichzustellen. Kunst- aber vor allem Antiquitätenhändlerinnen waren keine Seltenheit. Im Rahmen der Arbeit war keine grundlegende oder statistische Erhebung möglich, um zu untersuchen, aus welchen Verhältnissen heraus Frauen Kunsthandlungen gründeten und führten. Es gab selbständige Gründerinnen wie Maria Dietrich oder Maria Gillhausen, daneben Anna Caspari

85 Ebenda, S. 33. 86 Open Art Data, Linking Databases To Facilitate Provenance Research For Nazi-Era Art: Women Art Dealers Involved in Nazi-Era and Post-War Art Market Networks, veröffentlicht am 22.3.2019 (https://www.openartdata.org/search/label/Women%20Art%20Dealers – zuletzt besucht am 14.7.2019). 87 Weltkunst, Jg. 37, H. 13, 1.7.1967, S. 644. 24 oder Emmy Gabai, die als Partnerin oder Erbin des Ehemannes ein Geschäft allein weiterführten oder eine Frau wie Franziska Heinemann, die als Mitglied eines Familienunternehmens die Firma zeitweilig leitete. Nicht selten waren Frauen im Kunsthandel wohl wie Maria Dietrich Autodidaktinnen, ohne zuvor eine merkantile oder kunsthistorische Ausbildung erhalten zu haben. Um diese Annahme zu konkretisieren, bedarf es einer intensiven Prüfung der einzelnen Biografien (s. auch ANLAGE 1). Die Werdegänge, Strategien, Netzwerke, aber auch Konkurrenzverhältnisse der meisten Kunst- und Antiquitätenhändlerinnen in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts sind noch nicht erforscht.

Maria Gillhausen, München Maria Gillhausen (1898–1948) wurde in Mühlheim an der Mosel geboren.88 Seit den 1920er Jahren lebte Gillhausen in München und war ab 1927 verwitwet. Bis 1931 hatte sie eine Anstellung als Sekretärin bei der Firma Caspari, bevor sie sich als Kunst- und Antiquitätenhändlerin selbständig machte.89 Die Verbindung zu ihrer früheren Arbeitgeberin, Anna Caspari, blieb bestehen, so dass Gillhausen später sogar einen Teil des Casparischen Besitzes für Caspari aufbewahrte.90 Angesichts der Beziehung Gillhausen/Caspari liegt die Vermutung nahe, dass manche der durch Gillhausen gehandelten Werke als Vorprovenienz den Namen Caspari aufweisen könnten. Der Münchner Museumsleiter Ernst Buchner sagte anlässlich seines Interrogation Reports aus, dass Gillhausen sich 1935 selbständig gemacht und über vielfältige Kontakte in die „wealthy Munich society“ verfügt hätte.91 Im Mai 1941 eröffnete sie die Kunst- und Antiquitätenhandlung „Maria Gillhausen“ in der Leopoldstr. 38 in München. Aufgrund einer Anfrage der Reichskammer der bildenden Künste wurde am 18.3.1942 ein Gesamturteil über Maria Gillhausen erstellt: „Die Angefragte, liebenswürdiger Charakter und sehr geschäftstüchtig, ist sehr günstig für die Partei gesinnt und ist stets opferfreudig bei Sammlungen, Ihr Gatte, ehedem Flugkamerad des Reichsmarschalls, hat am 9.11.23 am Marsch zur Feldherrhalle [sic] teilgenommen. [...] Nachteiliges ist über die Angefragte nichts

88 Vanessa-Maria Voigt: Kunsthändler und Sammler der Moderne im Nationalsozialismus. Die Sammlung Sprengel 1934 bis 1945, Berlin 2007, S. 183f. Hanns Christian Löhr: Das Braune Haus der Kunst. Hitler und der „Sonderauftrag Linz“. Kunstbeschaffung im Nationalsozialismus, Berlin 2016, S. 106: Löhr erwähnt Gillhausen als Lieferantin von Maria Dietrich. Hopp 2012, S. 215: Meike Hopp erwähnt sie als regelmäßige Käuferin bei Weinmüller. S. für Informationen zu Maria Gillhausen auch den Eintrag BVA Provenienzdatenbank, Linz-Nr. 633. 89 Sebastian Peters: Die Galerie Caspari in München 1913–1939. Netzwerke und Handlungsspielräume einer jüdischen Kunsthändlerin im Nationalsozialismus (Masterarbeit), München 2016, S. 14. 90 NARA, M1946, RG 260, Roll 0048, Restitution Claim Records: Inventar des Casparischen Besitzes in meiner [Maria Gillhausen] Verwahrung (17 Positionen), 6.2.1946. 91 NARA, M1782, RG 239, Reports by the Art Looting Investigation Unit of the OSS relating to jewels, paintings, and other art objects appropriated during WWII, Roll 1782_10F1: Detailed Interrogation Reports (DIR): 2-Ernst Buchner (kurz: NARA, DIR Ernst Buchner), S. 9. 25 bekannt geworden.“ Weiterhin bemerkte man, dass sie nicht Mitglied der NSDAP, aber der NSV war und ihre Kinder bereits verstorben waren.92 Laut Unterlagen im Bayerischen Wirtschaftsarchiv betrug Gillhausens Umsatz im Jahr 1940 über eine Million Reichsmark.93 Die amerikanische Art Looting Investigation stufte Maria Gillhausen als Händlerin und Vermittlerin ein, die sich im Auftrag der deutschen Regierung aktiv an der Inbesitznahme von Kunstgegenständen aus Frankreich beteiligte. Durch ein Memorandum der „Monuments, Fine Arts, and Archives Section“ (MFA & A) vom 7.5.1946, das anlässlich ihrer Befragung in Schloss Thalhausen (bei Graf Holnstein) entstand, wird deutlich, dass Gillhausen nach Kriegsende noch mehr Kunstwerke aus Frankreich besaß, als sie zuvor angegeben hatte. So bewahrte sie in Thalhausen auch sechs Werke für Adolf Wüster auf, darunter Bilder von Courbet, Rubens und Renoir.94 Neben der Bekanntschaft mit Wüster pflegte sie geschäftliche Kontakte zu Hermann Görings Einkäufer Walter Bornheim (s. Mü-Nr. 5306), dem Berliner Auktionator Hans W. Lange und dessen Mitarbeiter Walter Bernt: „In Munich, Maria Gillhausen was a dealer in Expressionist paintings and has much information. Dr. Bernt [...] and she are good friends of the auctioneer Hans Lange.“95

Maria Gillhausen verkaufte Kunstwerke unterschiedlichster Epochen, die sie zuvor in Deutschland, Frankreich und der Schweiz erworben hatte, an diverse Museen. Obwohl sie nicht auf einen kunsthistorischen Zeitraum festgelegt war, kann ein Schwerpunkt hinsichtlich der französischen Moderne erkannt werden. Dies begründet sich möglicherweise durch die historischen Bedingungen (Besatzung), aber vor allem auch durch ihre frühere Tätigkeit in der Galerie Caspari. Zwischen 1937 und 1944 unterbreitete sie Ernst Buchner für die Bayerischen Staatsgemäldesammlungen mehrere Angebote, wodurch sie mindestens vier Gemälde aus

92 BArch Berlin, R9361-V-100201, KA 1444 Reichskammer der bildenden Künste: NSDAP Gauleitung München- Oberbayern an die Ortsgruppe Siegestor der NSDAP, München, 13.2.1942: Anfrage Politische Beurteilung Maria Gillhausen. 93 Peters 2016, S. 86. 94 NARA, M1946, RG 260, Roll 0040, Restitution Claim Records (France Claims): Office of Military Government for , Memorandum to Capt. Rae, 7.5.1946. Zum Zusammenhang Wüster/Gillhausen s. auch BArch Koblenz B323/331, Identifizierung von Kunsteigentum – Nachforschungen zur Herkunft, zum Erwerb bzw. Verkauf 1947–1961, Bd. 1: Aussagen und Erklärungen von Händlern und Verkäufern (A-J), Bl. 81 und Datenbank zum „Central Collecting Point München“, Deutsches Historisches Museum (kurz: Datenbank CCP) zur Linz-Nr. 690 ( „Frauenbildnis mit Hut“): Auskunft des Konsuls Wüster vom 24.5. oder 24.7.1951: Er bestätigte den Ankauf durch Gillhausen aus deutschem Besitz, was ein Beleg für deren Zusammenarbeit ist. 95 NARA, M1941, RG 260, Roll 0031, Activity Reports: Semi-Monthly Report on Monuments, Fine Arts and Archives, for Period Ending 15 May, 1945. 26 dem 19. Jahrhundert an diese veräußerte.96 Das Berliner Kupferstichkabinett kaufte bei Gillhausen 1941 zwei Zeichnungen von Antoine Watteau, „Homme debout“ und „Soldat debout“, die sie möglicherweise in Frankreich erstanden hatte.97 Die Stadt Frankfurt am Main erwarb von Gillhausen einen „Tête de Pomone“ von Aristide Maillol, den sie ebenfalls zuvor in Paris erstanden hatte.98 An die oberrheinischen Museen in Straßburg gingen ein „Stilleben mit Schnecken“ (16.7.1943), eine Jahrmarktszene (31.3.1942), eine „Landschaft“ von Johann Adolf Stäbli (28.9.1942) und Januarius Zicks „Anbetung der Hirten“ (6.7.1943).99 Darüber hinaus konnten einige weitere in Paris im Jahr 1941 getätigte Einkäufe ermittelt werden: In der Galerie de l’Elysée erstand sie Eugène Boudins „Le Port de Dordrecht“, Alfred Sisleys „Le Printemps“ (MNR100 193) und Maurice Utrillos „L’église blanche“. Bei Raphaël Gérard kaufte sie Alfred Sisleys „Péniches près de Rouen“ (MNR 206), Édouard Vuillards „Vase de fleurs“101 und Claude Monets „Jardin en fleurs, à Sainte-Adresse“ (MNR 216). Über Pierre Landry gelangte sie an Auguste Renoirs „Cariatides“ (MNR 198).102 Aus den Niederlanden erwarb Gillhausen 1944 von Alois Miedl über „Zimmermann, München“ ein Bild von Chardin „Stillife of peaches and pears“ (Mü-Nr. 48074, Goudstikker-Nr. 6381). Auch Werke, die in dem besprochenen Zeitraum als „entartet“ eingestuft waren, gehörten zu Gillhausens Profil. Ludwig Gutbier bot Maria Gillhausen am 5.9.1938 etwa drei Aquarelle

96 Bayerische Staatsgemäldesammlungen (kurz: BStGS), Archiv, Nr. 646: Gemälde-Erwerb durch Kauf 1.4.1939–31.3.1941: Ernst Buchner an das Bayerische Staatsministerium für Unterricht und Kultus, 3.5.1940: Bestätigung über Erwerb von Ernst Kaisers „Seelandschaft“ (bzw. „Oberbayerische Landschaft“) und Christian Morgensterns „Genrebild“ (bzw. „Schenke in Partenkirchen) am 6.9.1939. BStGS, Archiv, Nr. 643: Gemälde-Erwerb durch Kauf 1.4.1938–31.3.1939: Liste Neuerwerbungen seit dem 1.1.1938, Korrespondenz Februar 1941: Zwei Bilder von Carl Spitzweg aus der Schweiz, darunter „Bayerische Gebirgslandschaft“ wurden für 125.000.- RM erworben. NARA, M1946, RG 260, Roll 0137, Restitution Research Records (Investigations Mach-Mylius): Graf Holnstein an Herbert S. Leonard, 10.8.1948: „Wir fanden in dem Nachlass der verstorbenen Frau Gillhausen ausser der Rechnung für die ‚Gebirgslandschaft‘ von Spitzweg an die Staatsgalerie nur die Angaben, das [sic] dieses Bild durch Tausch mit 2 Gemälde [sic] von Barthel Bruyn in den Besitz von Frau Gillhausen kam. Der Vorbesitzer ist hierbei leider nicht genannt [...].“ NARA, Interrogation Report Ernst Buchner, S. 12: Neben Buchners Aussage zu Maria Gillhausen sind hier auch die Erwerbungen von Spitzwegs „A Singer“ (aus einer Hannoveraner Sammlung) und Spitzwegs „Large Mountain Landscape“ angegeben. 97 Archives diplomatiques, Paris, 209 SUP 404 P46, o. Bl.: Enquête Valland 28 Renseigenement après plusieurs acquisitions de Tableaux, Questions au sujet des acquisitions de la Kupferstich Kabinett du Staatliche Museum [sic] de Berlin, 10.5.1946. 98 Ebenda, o. Bl.: Enquêtes Valland 40 Achats de Francfort. 99 Ebenda, o. Bl.: Acquisitions by Generaldirektion der oberrheinischen Museen, Straßburg. S. auch Tessa Friederike Rosebrock: Kurt Martin und das Musée des Beaux-Arts de Strasbourg. Museums- und Ausstellungspolitik im „Dritten Reich“ und in der unmittelbaren Nachkriegszeit, Berlin 2012, S. 167. NARA, M1946, RG 260, Roll 0136, Restitution Research Records: Aus einer Bestätigung von Maria Gillhausen vom 18.11.1946 gehen Hinweise auf die Herkunft folgender Werke hervor: Adolf Stäbli, „Landschaft“, gekauft bei Eidenschink, München 1940; Norbert Grund, „Marktplatz“, gekauft bei Etienne Donath, Paris 1941; Jan Zick, „Anbetung der Hirten“, gekauft bei Julius Böhler, München; Deutsch, 17. Jahrhundert, „Stilleben mit Speck und Eiern“, gekauft bei Frl. Dr. Fischel, München. 100 Die Abkürzung „MNR“ wird für Objekte verwendet, die zum Bestand „Musées Nationaux Récupération“ gehören. 101 Archives diplomatiques, Paris, 209 SUP 373 P4, o. Bl.: Liste des peintures exportées de France par les Allemands pendant l’occupation, o. D. 102 Archives diplomatiques, 209 SUP 401 P40: „Dossier Schenker“ – Deuxième Partie, Purchases of Works of Art in France during the Occupation by and on behalf of German dealers and officials. Hier sind auch die beiden Werke von Sisley und Vuillard vermerkt. NARA, M1946, RG 260, Roll 0134, Restitution Research Records, Investigations of Individuals: Agoston-Gurlitt: Inventar der von mir [Maria Gillhausen] im Ausland erworbenen Kunstgegenstände. 27 von an103, und im Jahr 1941 verkaufte sie ein Aquarell von Franz Marc an das Ehepaar Sprengel in Hannover.104

Die Geschäftsbeziehung von Dietrich und Gillhausen bestand mindestens von 1938 bis 1944. Insgesamt verkaufte Maria Gillhausen über die Galerie Almas 24 Gemälde – darunter mehrere Damenbildnisse, u. a. von Hans Makart (Linz-Nr. 2233) – sowie über Gerdy Troost ein Gemälde an den „Sonderauftrag Linz“.105 Auf direktem Weg hat sie keine Bilder an Linz verkauft. Jedoch kam es mindestens einmal vor, dass Gillhausen Hans Posse, als dem Beauftragten des „Sonderauftrags Linz“, ein Gemälde anbot: das Bild „Blumenmaler Jan von Huysum“ von Herman van der Mijn, das Posse aufgrund des seines Erachtens ungerechtfertigt hohen Preises (18.000.- RM) aber ablehnte. Maria Gillhausen schlug es ihm vor, nachdem sich Walter Bernt begeistert von dem Bild gezeigt und ihr mitgeteilt hatte, dass es für Linz in Frage kommen würde.106 Carl Spitzwegs „Im Atelier“ gelangte über Gillhausen an Maria Dietrich und von hier in die Sammlung Heinrich Hoffmanns (s. Kap. 2.1.1 Kunstsammlung Heinrich Hoffmann). Nach Kriegsende wurde Maria Gillhausen spätestens 1947 vom Staatsministerium für Unterricht und Kultus mit einer Lizenz ausgestattet, die ihr den Handel mit Kunstwerken gestattete.107 Nachdem sie 1948 verstorben war, verwaltete Graf Holnstein ihren Nachlass.108 Bei diesem hatte Maria Dietrich zum Schutz vor Kriegsschäden Teppiche und kunstgeschichtliche Bücher im Schloss Thalhausen bei Freising eingelagert.

Anna Caspari, München Anna Caspari (geb. Aniela Napthali, 1900–1941) war Kunsthistorikerin. Ihr Ehemann Georg Caspari (1878–1930) gründete 1913 die im In- und Ausland tätige „Galerie für Moderne und Alte Gemälde, Antiquitäten und Grafik“ (Briennerstr. 52, Eichthal-Palais) mit dem

103 Ruth Negendanck: Die Galerie Ernst Arnold (1893–1951). Kunsthandel und Zeitgeschichte, Weimar 1998, S. 188: Gutbier gab die Aquarelle an Alex Vömel, Düsseldorf, weiter. Ebenda, S. 262f.: Korrespondenz zwischen Ludwig Gutbier und Maria Gillhausen (sowie Adolf Wüster) zwischen 1938 und 1950; erfasst im Galerienregister Nr. 52, 53. 104 Voigt 2007, S. 182ff. 105 Möglicherweise gelangte ein weiteres Gemälde (Mü-Nr. 8939, Linz-Nr. 223: Sebastiano del Piombo „Damenporträt mit Kopftuch [Giulia Gonzaga]“) über Gillhausen/Dietrich in den Bestand des „Sonderauftrags Linz“. Die nicht eindeutigen Angaben in den Datenbanken zu Linz und dem CCP sind widersprüchlich. 106 BArch Koblenz, B323/133, Ankäufe für den „Sonderauftrag Linz“ aus dem deutschen und österreichischen Kunsthandel und Privatbesitz 1939–1945, Bd. 5 (1940–1945), Bl. 81 fo. 396: Maria Gillhausen an Hans Posse, 1.8.1941. Ebenda, Bl. 81 fo. 395: Antwort von Posse an Gillhausen, 5.8.1941. 107 NARA, M1946, RG 260, Roll 0001, Art Dealers Licenses Index, S. 1–9: Liste der im 3. Vierteljahr 1947 [...] gem. Bek. d. Staatsministeriums für Unterricht und Kultus vom 13.3.1947 [...] lizenzierten Kunsthändler. 108 NARA, M1946, RG 260, Roll 0137, Restitution Research Records (Investigations Mach-Mylius): Graf Holnstein (auf Briefpapier von Maria Gillhausen) an Herbert S. Leonard, 10.8.1948: „[…] in dem Nachlass der verstorbenen Frau Gillhausen.“ Voigt 2007, S. 183: Laut Voigt sind keine geschäftlichen Zeugnisse erhalten, die Auskunft über das Galerie- und Ausstellungsprogramm geben könnten. Bis heute ist der Aufbewahrungsort des 1948 erwähnten Nachlasses nicht bekannt. Die Geschäftsunterlagen müssten den Krieg jedoch unbeschadet überstanden haben. Der Nachlass wäre auch hinsichtlich der Geschäftsbeziehung zwischen Gillhausen und Dietrich von Interesse. 28

Schwerpunkt auf deutscher und französischer Malerei des 19. und 20. Jahrhunderts. Die Ausstellungstätigkeit der Galerie endete bezeichnenderweise im Januar 1933. Nach dem Tod ihres Ehemannes 1930 hatte Anna Caspari die Kunsthandlung weitergeführt. Anfang der 1920er Jahre war sie als Volontärin in die Galerie gekommen. Inwieweit sie vor 1930 involviert war, lässt sich nicht mehr eindeutig beurteilen, aber sie besaß entsprechende Expertise und Kontakte zu Geschäftspartnern. Auch das Vertrauen, das ihr entgegen gebracht wurde, spricht dafür, dass sie nach ihrem Volontariat in die Geschäfte einbezogen war.109 Durch die Wirtschaftskrise geriet die Galerie in finanzielle Schwierigkeiten, weshalb bereits Georg Caspari Gemälde an eine Bank überschreiben hatte müssen. Anna Caspari war gezwungen, dieses Konzept weiterzuführen, um laufende Kredite zu tilgen.110 Als Mitarbeiter:innen der Galerie Caspari sind Kurt Nicolaus als Geschäftsführer von 1919 bis 1931 und Maria Gillhausen als Sekretärin, ebenfalls bis 1931, nachweisbar.111 Eine geschäftliche Verbindung zwischen Gillhausen und Caspari nach 1931 ist denkbar, aber nicht belegt.

Am 16.9.1935 erhielt Anna Caspari einen Rundbrief des Präsidenten der Reichskammer der bildenden Künste (s. Kap. 1.4.3 Aktivität bis 1935). Mit dem Schreiben erteilte ihr die Reichskammer gleichsam Berufsverbot. Nach ihrem Einspruch erhielt sie Sondergenehmigungen, die in Zusammenhang mit dem Vorgehen der Industrie- und Handelskammer stehen, um einige „jüdische“ Firmen zu erhalten. Die Geschäftsräume in der Brienner Straße waren allerdings schon im April 1935 aufgegeben worden.112 Ab diesem Zeitpunkt war sie in der Ottostr. 6 (Hotel Continental) wohnhaft und dort auch offiziell geschäftlich tätig. Am 23.9.1936 wurde sie endgültig nicht als Mitglied in die Reichskammer der bildenden Künste aufgenommen. Kurzzeitig zog sie wohl in Betracht,

109 Peters 2016, S. 14f. S. zu Caspari auch Wolfram Selig: „Arisierungen“ in München. Die Vernichtung jüdischer Existenz 1937–1939, Berlin 2004, S. 621f. sowie Horst Keßler/Vanessa Voigt: Die Beschlagnahmung jüdischer Kunstsammlungen 1938/39 in München. Das Schicksal Anna Caspari, S. 119–132. In: Regine Dehnel (Hg.): NS-Raubgut in Museen, Bibliotheken und Archiven, Frankfurt am Main 2012. Deutsches Zentrum Kulturgutverluste, Magdeburg, Abschlussbericht Staatliche Museen zu Berlin, Kupferstichkabinett: Die Erwerbungen der „Sammlung der Zeichnungen“ (ehem. Nationalgalerie) 1933 bis 1945, Anlage 3: Dokumentation der handelnden Personen und Vorbesitzer, verf. von Hanna Strzoda, 2017 (kurz: Strzoda 2017), S. 36: ausführliche Quellenangaben zu Anna Caspari. Die Treffer in der Datenbank Galerie Heinemann online, Germanisches Nationalmuseum Nürnberg (kurz: Galerie Heinemann online) sind nützlich bei der Einordnung des Firmenprofils. 110 Peters 2016, S. 22ff. 111 Ebenda, S. 14, Anm. 53: Peters bezieht sich auf StAM, WB I A 3414: Protokoll der öffentlichen Sitzung vom 24.4.1952, Aussage von Kurt Nikolaus [sic]. Nicolaus war von 1931 bis Kriegsende selbst als Kunsthändler in der Lotzbeckstr. 3, München tätig; seine genauen Lebensdaten sind nicht bekannt. S. auch Peters 2016, S. 20. S. zu Kurt Nicolaus auch Staatliche Museen zu Berlin, Zentralarchiv (kurz: SMB-ZA), I/NG 0511, 0512 (MF 0219), Bl. 1089ff.: Betreffend einem Strafverfahren wegen Fälschung von Gemälden Carl Spitzwegs, in das Nicolaus als Händler einiger dieser Werke involviert war. 112 Peters 2016, S. 27: Bis 1939 unterhielt Caspari in der Brienner Straße Kellerräume, um darin ihren Bilderstock zu lagern. 29 das Geschäft an einen „arischen“ Interessenten zu übergeben.113 Casparis Umsatz betrug 1937 nur noch etwa 7.500.- RM und 10.800.- RM im Jahr 1938.114 In Relation hierzu kann der Umsatz der Galerie Almas gesetzt werden, der im Geschäftsjahr 1937 309.561.- RM betrug (vgl. Kap. 1.4.5 Wirtschaftliche Einordnung).

Sebastian Peters rekonstruierte 2016 im Rahmen seiner Masterarbeit, wie es Anna Caspari gelang, trotz aller Repressalien noch einige Jahre nach 1933 als Kunsthändlerin tätig zu bleiben: Bis Juli 1937 führte sie weitere Geschäfte ohne eine entsprechende Genehmigung durch. Am 26.7.1937 erhielt sie nochmals eine Sondergenehmigung, die ausschließlich zur Abwicklung eines Auslandsgeschäfts Gültigkeit besaß. Bis 1938 wirkte sie noch als Vermittlerin und Gutachterin und erhielt weitere Sondergenehmigungen für Auslandsgeschäfte. Möglicherweise setzte sich der Berliner Kunsthändler Karl Haberstock (1878–1956) in dieser Zeit für die Interessen seiner Münchner Kollegin bei den entsprechenden Behörden ein.115 Die Zusammenarbeit mit Karl Haberstock umfasste kleine Aufträge von Haberstock an Caspari im Jahr 1937 und zwei größere Handels- und Vermittlungskomplexe mit dem Verkauf von drei Bildern Canalettos an die Reichskanzlei im Juni 1938. Die Vermittlung „Entarteter Kunst“ ins Ausland bis Ende 1938 schlug fehl.116 Peters wies zudem Casparis Vermittlungstätigkeit für die Kunsthandlung Julius Böhler zwischen 1935 und 1938 nach.117 Geschäftlich und privat verbunden war Anna Caspari mit dem Kunstversteigerer Adolf Weinmüller, der sie unterstützte.118 An- und Verkäufe Casparis bei den Auktionen Weinmüllers sind durch annotierte Katalogexemplare überliefert. In seinem Auftrag nahm sie wohl auch Schätzungen vor. Laut Weinmüller begutachtete sie etwa die Sammlung des 1939 emigrierten Ehepaares Carl und Alice Bach. Drei Werke aus dieser Sammlung gab er ihr sogar in Kommission. Der Kontakt Weinmüller/Caspari bestand mindestens bis Mitte 1939, trotz des endgültigen Berufsverbotes im November 1938: „Die Kooperation mit Weinmüller ermöglichte ihr den Verkauf zu einem Zeitpunkt, als der deutsche Kunstmarkt den verfolgten Händlerinnen und Händlern eigentlich bereits vollkommen verschlossen war.“119

Die Beantragung eines Passes zur Auswanderung am 16.12.1938 erfolgte, nachdem Anna Caspari am 11.12.1938 verhaftet und für zwei Tage festgehalten worden war, da man sie

113 Ebenda, S. 41f. 114 Ebenda, S. 67f. 115 Ebenda, S. 43. 116 Ebenda, S. 45ff. 117 Ebenda, S. 33ff. 118 Ebenda, S. 63ff. 119 Ebenda, S. 79. 30 eines Devisenvergehens verdächtigt hatte. Hintergrund der Verhaftung war vermutlich, dass sich die Behörden ein Bild von Casparis Vermögenssituation machen wollten, um zu verhindern, dass sie bei ihrer anstehenden Emigration Vermögen ins Ausland transferierte. Ein paralleles Vorgehen ist gegen Franziska Heinemann dokumentiert, die ebenfalls im Dezember 1938 unter dem gleichen Vorwand verhaftet wurde.120 Im Januar 1939 erfolgte die endgültige Auflösung der Firma Caspari. Es sind keine Geschäftsbücher überliefert.121 Sebastian Peters bemerkt, dass die Galerie Caspari bei ihrer Schließung wohl eine der letzten noch bestehenden „nichtarischen“ Kunsthandlungen im Deutschen Reich gewesen sein dürfte, die weder aufgelöst noch „arisiert“ worden war.122

Am 20.7.1939 schrieb Anna Caspari an den Polizeipräsidenten von München: „Ich hatte von der Kunstkammer eine Sondergenehmigung zunächst für Export zur Ausübung meines Berufes erhalten, später bekam ich eine allgemeine Handelsgenehmigung vom Herrn Reichsminister für Propaganda, und stand noch im Herbst vorigen Jahres mit dem Propagandaministerium zwecks Export von verschiedenen Bildern aus staatlichem Besitz in Unterhandlung. Da ich meinem Beruf nachgehen konnte, hatte ich keinerlei Auswanderungsabsicht bis jetzt, wo es dem Wunsche der Regierung entspricht, dass ich als Nichtarierin das Land verlasse.“123 Im März 1939 erfolgte Casparis letzter Umzug in die Muffatstr. 11, München, von wo man sie zur Zwangsarbeit einzog. Im November 1941 wurde Anna Caspari deportiert und in Kaunas/Litauen ermordet (vgl. auch Kap. 2.5.1 Schicksal Otto und Nelly Scharff).

Im Zuge einer sogenannten Judenaktion wurden am 19.1.1939 aus Casparis Privat- und Firmenbesitz 22 Gemälde, 140 Bücher sowie eine unbekannte Anzahl von Grafiken

120 Ebenda, S. 71. 121 Ebenda, S. 72. 122 Ebenda, S. 92. 123 StAM, Pol. Dir. Personenakten 11822, Naphtaly Aniela Caspari, zit. n. Hopp 2012, S. 191. Vgl. ebenda, S. 181: „[Heinrich] Heilbronner wurde als jüdischer Kunsthändler zudem nicht mit dem sonst üblichen Druck verfolgt. Er erhielt noch bis 1938 – wie auch Anna Caspari – regelmäßig Sondergenehmigungen für Reisen und Ausfuhren.“ 31 geraubt.124 Vor ihrer geplanten Ausreise lagerte Anna Caspari die ihr verbliebenen Kunstwerke und Bücher bei Weinmüller und Böhler ein, so bspw. 25 Gemälde bei Weinmüller sowie ein weiteres bei Böhler. Nach Kriegsende, im Jahr 1946, übergaben diese die Bilder an die zuständigen Stellen. Peters spricht dabei von 16 Gemälden, drei Kisten mit Bildern und Grafik und der Handbibliothek, die bei Weinmüller eingelagert worden waren.125 Weinmüller meldete die bei ihm verbliebenen Objekte von sich aus im Dezember 1945 an die Besatzungsbehörden. Ferner lagerte Caspari ihre privaten Einrichtungsgegenstände, Antiquitäten und Möbel bei ihrer ehemaligen Angestellten Maria Gillhausen ein. Die Objekte wurden von Maria Gillhausen für Anna Caspari bis nach Kriegsende aufbewahrt und im „Inventar des Casparischen Besitzes in meiner Verwahrung“ am 6.2.1946 aufgelistet.126 1950 wurden insgesamt 36 Gemälde den beiden Söhnen von Anna Caspari – die rechtzeitig in England in Sicherheit gebracht werden konnten – zugesprochen und restituiert. Es handelte sich um die bei Weinmüller und Böhler eingelagerten sowie von der Gestapo beschlagnahmten Bilder.127 Die bei Maria Gillhausen gelagerten Objekte wurden zu diesem Zeitpunkt von Graf Holnstein verwaltet. Die Söhne Caspari konnten ab 1950 auch über diesen Teil ihres Erbes verfügen.128

Bisher deutet lediglich die Provenienz eines Bildes auf eine geschäftliche Verbindung von Anna Caspari und der Galerie Almas hin: Das Gemälde von Heinrich Bürkel, „Rast vor dem Tor“ (Linz-Nr. 346), befand sich 1936 im Privatbesitz von Anna Caspari. Im Mai 1936 bot sie es der Galerie Heinemann zum Preis von 1.200.- RM zum Kauf an (Kunstwerk-ID: 43346, hier „Halt vor der Osteria“). Am 4.6.1936 ging es von hier an Caspari zurück. Schließlich lieferte Maria Dietrich das Bild bis 1938 an das Deutsche Reich. Dietrich sagte am 12.3.1949

124 Bayerische Staatsbibliothek, München (https://www.bsb-muenchen.de/ns-raubgutforschung/restitutionen/anna-caspari/ – zuletzt besucht am 1.3.2018): „Der komplette Buchbestand ging als ‚Schenkung‘ an die Bayerische Staatsbibliothek, die schon bei der Beschlagnahme einen ihrer Bibliothekare als Schätzer für die Beschlagnahmung zur Verfügung gestellt hatte. [...] Bei der seit 2003 laufenden Suche nach NS-Raubgut [...] wurden schließlich vier Bücher gefunden, die sich durch ein Exlibris dem ehemaligen Besitz von Georg und Anna Caspari zuordnen ließen. Ebenso wies die interne ‚Schenkernummer‘ darauf hin, dass die Bücher durch die Gestapo München ins Haus gekommen waren. Nach Abschluss der Recherchen konnten die Bücher am 28. November 2014 in London an Paul Caspari [Sohn] zurückgegeben werden.“ Peters 2016, S. 1: Ausgangspunkt für die Forschung zu Caspari bei der Stiftung Preußischer Kulturbesitz (SPK) war die Feststellung, dass Oskar Kokoschkas „Pariser Platz in Berlin“ möglicherweise Anna Caspari entzogen wurde (vgl. SPK, Pressemitteilung vom 29.4.2014). Technische Universität Berlin, Pressemitteilung vom 9.11.2017 anlässlich der Buchpräsentation Lynn Rother: Kunst durch Kredit. Die Berliner Museen und ihre Erwerbungen von der Dresdner Bank 1935, Berlin/Boston 2017: Das Gemälde „Pariser Platz in Berlin“ von Oskar Kokoschka aus der Sammlung der Berliner Nationalgalerie stammte ursprünglich aus dem Besitz der Münchner Kunsthändlerin Annie Caspari, die durch das antisemitische NS-Regime verfolgt und ermordet wurde. In Folge von Kreditgeschäften war es in den Besitz der Dresdner Bank gelangt und schließlich an das Land Preußen veräußert worden. S. zur Galerie Caspari auch Rother 2017, S. 47ff. 125 Peters 2016, S. 66, 81. 126 NARA, M1946, RG 260, Roll 0060-0063, Restitution Claim Records 1945–1951, Jewish Claims, Claim Paul Caspari. 127 Peters 2016, S. 89. 128 Peters 2016, S. 89: Peters bezieht sich auf den Beschluss in StAM, WB Ia 3414, Niederschrift der Verhandlung vom 15.9.1950. 32 lediglich aus, dass es aus deutschem Besitz stammen würde.129 Ob Dietrich das Bild direkt bei Caspari erwarb, bleibt zu klären. Bürkels „Rast vor dem Tor“ ist als Leihgabe an die Kunsthalle weiterhin Teil des Kunstbesitzes der Bundesrepublik Deutschland. Anna Caspari ist in dem Zeitraum, in welchem sie das Werk veräußerte, als verfolgt einzustufen.

Anna Michels, München Anna Michels (geb. Gagl, Lebensdaten unbekannt) war die Ehefrau des jüdischen Kunsthändlers Max Michels (1880–1944), der Inhaber der „Hofkunsthandlung Georg Stuffler“ war. In dieser wurden Orientteppiche, Gemälde, Grafik und Antiquitäten verkauft. Das Geschäft befand sich am Maximiliansplatz 20 in München. Es gab zudem eine Zweigstelle am Karolinenplatz 6. Eine Zusammenlegung der beiden Geschäfte erfolgte im Jahr 1931. Im November 1936 übergab Max Michels die Kunsthandlung seiner nichtjüdischen Ehefrau. Ab Dezember 1938 führte Anna Michels – nun geschieden – das Geschäft weiter.130 Max Michels wurde am 18.10.1944 in Auschwitz ermordet. Insgesamt sieben Werke, die Maria Dietrich an den „Sonderauftrag Linz“ vermittelte, stammten aus der Quelle „Michels, München“ (Linz-Nr. 561, 630, 737, 803, 867, 868, 1388).131 Die Nummern wurden zu unbestimmten Zeitpunkten von Maria Dietrich bei „Michels“ erworben (vgl. auch Kap. 1.4.2 Galerie mit dem Namen ‚Odeon Jordan & Michels‘).

Emmy Gabai, München Zwischen Emmy Gabai (Lebensdaten unbekannt) und Maria Dietrich konnte kein Geschäftsverhältnis festgestellt werden. Aufgrund einer bemerkenswerten biografischen Parallele wird Gabai jedoch hier aufgeführt. Sie war mit dem Juden und türkischen Staatsangehörigen Albert Gabai (1881–1939) verheiratet, der seit 1926 eine Perserteppich- und Kunsthandlung in der Maximilianstr. 1 besaß. Emmy Gabai war wie Maria Dietrich durch die Heirat türkische Staatsangehörige geworden. Zehn Jahre lang führte das Ehepaar gemeinsam das Geschäft, bevor es „arisiert“ werden sollte. Durch den natürlichen Tod von Albert Gabai im Januar 1939 konnte seine „arische“ Ehefrau das Geschäft übernehmen bzw.

129 BVA Provenienzdatenbank, Stand 2007: Titel hier „Römische Volksszene mit antikem Triumphbogen“ (zuletzt besucht am 15.3.2019). 130 Angelika Enderlein: Der Kunstbestand der Bundesrepublik Deutschland. Kunstschätze aus sieben Jahrhunderten, S. 245– 257. In: Henning Rader/Vanessa Voigt (Hg.): Ehem. jüdischer Besitz. Erwerbungen des Münchner Stadtmuseums im Nationalsozialismus, München 2018, hier S. 253ff. S. auch BVA Provenienzdatenbank zu Linz-Nr. 803, Stand 2010 (zuletzt besucht am 15.3.2019). 131 BArch Koblenz, B323/331, Bl. 65–69, 82: Aussagen Maria Dietrichs betreffend diese Werke und BVA Provenienzdatenbank. 33 wiedereröffnen, da es wohl seit November 1938 geschlossen war. Die zuvor als „Orient Gabai“ firmierende Handlung hieß nun „Teppich-Gabai, Emmy Gabai“.132

Gerdy Troost, München Gerdy Troost (1904–2003) war seit 1932 Mitglied der NSDAP und während der NS-Zeit vorwiegend als Innenarchitektin und Beraterin von Adolf Hitler tätig. 1934, nach dem Tod ihres Mannes, den Architekten Paul Ludwig Troost, übernahm sie dessen Münchner Architekturbüro, gemeinsam mit dem Mitarbeiter Leonhard Gall. Gerdy Troost und Gall stellten bis 1937 die von Paul Ludwig Troost geplanten Gebäude (Parteibauten am Königsplatz und Haus der Deutschen Kunst) fertig und richteten diese ein. Bei weiteren NS- Neubauten übernahm Gerdy Troost die Dekoration der Räume mit Kunstwerken. Timo Nüßlein schreibt hierzu: „Dass Hitler der 30 Jahre jungen Frau seines Architekten, die zudem nie eine ordentliche künstlerische oder kaufmännische Ausbildung absolviert hatte, die Verantwortung für seine wichtigsten Bauprojekte übertrug, ist ein erstaunlicher Vorgang, der näherer Erklärung bedarf.“ Nüßlein erklärt dies u. a. mit Hitlers eigenem beruflichen Hintergrund und der Abneigung gegen Akademien und Universitäten. Der fehlenden fachlichen Ausbildung brachte er daher wohl eher Sympathie denn Abneigung entgegen, da sich Gerdy Troost ihre Fachkenntnisse ebenso autodidaktisch angeeignet hatte wie er selbst.133 Diese Deutung lässt sich auch auf das Verhältnis von Adolf Hitler und Maria Dietrich übertragen. Hitler besuchte Troost regelmäßig zu Gesprächen über Kulturpolitik in ihrem Atelier, allerdings auch um Kunstwerke zu erwerben: Laut der Linz-Datenbank lieferte Gerdy Troost 97 Werke in den Linz-Bestand ein. Sie fungierte als Vermittlerin zu Hitler und zum „Sonderauftrag Linz“. Unter der Signatur B401 befinden sich im Bundesarchiv Koblenz Schriftwechsel, Angebote und Rechnungen an Gerdy Troost für den Zeitraum von 1938 bis 1943.134 Diverse Kunsthändler:innen belieferten sie, darunter Xaver Scheidwimmer, Günther Franke (v. a. bezüglich Friedrich Loos), Erna Gerlach, Paula von Kosel und die Galerie Wimmer. Intensiv war Ludwig Gutbier von der „Galerie Ernst Arnold“ für Troost tätig und reiste in ihrem Auftrag laut einer Bescheinigung vom 10.2.1941 sogar nach Paris, „um im Auftrage des Führers Kunstgegenstände zu besichtigen bzw. zu erwerben.“ Zudem gingen auffällig viele Angebote der Münchner Antiquitätenhändlerin Karoline Anny Lang zwischen

132 Selig 2004, S. 625f. 133 Timo Nüßlein: Gerdy Troost. In: Internetportal Rheinische Geschichte (http://rheinische- geschichte.lvr.de/Persoenlichkeiten/gerdy-troost/DE-2086/lido/5b3b3f2b0772c5.88610785 – zuletzt besucht am 5.11.2019). 134 BArch Koblenz, B401, Nr. 75, Folder 225: Correspondence and bills of acquisitions for Linz made through Frau Troost between 1938 and 1942 [sic]. 34

1938 und 1942 bei Troost ein. Hierunter findet sich bspw. für Linzer Bilder eine auf den 19.3.1941 datierte „Rechnung für den Führer und Reichskanzler Adolf Hitler“ (Linz-Nr. 1648 und 1649) und weitere derartig adressierte Rechnungen von 1940 bis 1942. Die Werke von Lang wurden wohl ausschließlich über Troost kanalisiert an „Linz“ geliefert. Die Belege und biografischen Merkmale wirken so, als ob Troost eine große Konkurrentin von Maria Dietrich hinsichtlich der Gunst und Aufträge Adolf Hitlers gewesen sein könnte. Eine Zusammenarbeit der beiden Frauen ist nicht erkennbar. Das vorliegende Material suggeriert außerdem, dass Gerdy Troost ein bewusstes Frauennetzwerk pflegte. Auch Maria Dietrich arbeitete gleichermaßen mit Frauen und Männern zusammen. Eine Bevorzugung von Kolleginnen ist hingegen bei Dietrich nicht erkennbar. Timo Nüßlein bewertet Gerdy Troost neben Winifred Wagner (1897–1980) und Leni Riefenstahl (1902–2003) als eine der führenden Frauen im nationalsozialistischen Kulturbetrieb.135

135 Timo Nüßlein: Gerdy Troost. In: Internetportal Rheinische Geschichte (http://rheinische- geschichte.lvr.de/Persoenlichkeiten/gerdy-troost/DE-2086/lido/5b3b3f2b0772c5.88610785 – zuletzt besucht am 5.11.2019). 35

1.4 Verortung der Galerie Almas

1.4.1 Definition

Es konnten bisher keine Unterlagen eruiert werden, die auf „kuratierte“ thematische Künstlerausstellungen in den eigenen Räumen der Galerie Almas hinweisen würden. Zum Verkauf gedachte Werke sowie Dekoration wurden aber durchaus zur Schau gestellt. In der „Weltkunst“ sind hin und wieder Werke mit dem Hinweis abgebildet, dass sie bei Almas ausgestellt waren.136 Im Zuge der Klärung der Bezeichnung ihrer Firma wurde von der Industrie- und Handelskammer 1939 diskutiert, ob Dietrich ihr Geschäft als Galerie bezeichnen durfte. Da mit dem Geschäftsbetrieb auch eine ständige Gemäldeausstellung verbunden wäre, hatte man gegen die Bezeichnung „Galerie“ keine Bedenken.137 Einen hiervon abweichenden Eindruck gewannen die Verfasser des Interrogation Reports von Maria Dietrich: „Dietrich herself run her firm more in the manner of a clearing house, buying apparently little more than what she was certain she could quickly pass on to her clients, mainly Hitler.“138 Dass ein professioneller Umgang mit den gehandelten Werken und eine geordnete Inventarisierung stattfanden, belegen wiederum die verwendeten Galerieaufkleber.139 Im heutigen Verständnis war sie eher Händlerin mit einem Handelsgeschäft als eine Galeristin mit etwa zeitgenössischer Künstlervertretung.

1.4.2 Angestellte

Mimi Dietrich war bereits 1928 oder 1930 in die Kunsthandlung eingetreten.140 Neben ihr gab es zudem eine kaufmännische Angestellte bzw. einen kaufmännischen Angestellten in der

136 Beispielsweise Eduard Grützner „Hinter den Kulissen“ (Linz-Nr. 298), in: Weltkunst, Jg. 11, H. 28/29, 18.7.1937, S. 4 [während Laufzeit der Großen Deutschen Kunstausstellung] und F. A. von Kaulbach, „Mandolinenspielerin“, in: Weltkunst, Jg. 11, H. 44, 7.11.1937, S. 6. 137 BWA München, K1 XVA 10c, 264. Akt, Fall 33: Industrie- und Handelskammer an das Amtsgericht (Registergericht) München, 10.8.1939. 138 NARA, Dietrich, Maria Almas: Interrogation, S. 47 (1). 139 Auf den Rückseiten von mindestens sechs Werken, die in den Bayerischen Staatsgemäldesammlungen aufbewahrt werden, finden sich Galerieaufkleber (Inv.-Nr. 12574, 12907, 12910, 12914, 12915, 12919). Die Werke gehören zu den „Überweisungen aus Staatsbesitz, Konvolut Partei-Kanzlei“. Auf den Aufklebern steht: „Galerie Maria Dietrich ‚Almas‘ München 2 Ottostr. 9 Fernruf: 57898“. Weitere Aufkleber sind abgebildet in: Ausst.-Kat. Gute Geschäfte. Kunsthandel in Berlin 1933–1945, Aktives Museum Faschismus und Widerstand in Berlin e. V. im Centrum Judaicum Berlin und im Landesarchiv Berlin, hg. von Christine Fischer-Defoy, Berlin 2011, S. 174. Site Rose-Valland, Musées Nationaux Récupération (kurz: Site Rose Valland, MNR): MNR 17, MNR 85, REC [MNR] 86, MNR 697, MNR 974, MNR 698, MNR 830. BVA Provenienzdatenbank zur Linz-Nr. 558, 2089 [drei Aufkleber auf Keilrahmen], 2076, Mü-Nr. 13267, Mü-Nr. 12131. Olga Kronsteiner, Haus der Geschichte zeigt Versäumnisse der Mauerbach-Auktion. In: Der Standard, 4.11.2018 bzgl. Kat. Auktion Mauerbach 1996, Los 61 (https://derstandard.at/2000090537387/Haus-der-Geschichte-zeigt- Versaeumnisse-der-Mauerbach-Auktion – zuletzt besucht am 16.3.2019). 140 Weltkunst, Jg. 50, H. 21, 1.11.1980, S. 3106: Zum 70. Geburtstag von Mimi tho Rahde; hier Nennung des Jahres 1928. Weltkunst, Jg. 60, H. 17, 1.9.1990, S. 2536f.: Im Gespräch mit Mimi tho Rahde; hier Nennung des Jahres 1930. 36

Firma.141 Nach eigener Aussage gegenüber den Mitarbeitern der amerikanischen Art Looting Investigation Unit im Februar 1948 arbeitete der Kaufmann Gustav Duensing (Lebensdaten unbekannt) von 1928 bis 1936 in der Galerie Almas.142 Auf Maria Dietrichs Gewerbekarte ist er sogar in der Rubrik „Art des Gewerbes und Teilhaber“, demnach wohl als Teilhaber, vom 1.6.1930 bis 1.10.1931 eingetragen.143 Ein „Herr Duenzin“ (gemeint ist vermutlich Gustav Duensing) fiel auch 1937 auf: Neben Weinmüller und Sauermann soll er zu diesem Zeitpunkt der einzige Versteigerer für Kunstgegenstände in München gewesen sein.144 Spätestens 1939 hätte Duensing seine Versteigerererlaubnis „mangels Aufträgen“ zurückgegeben.145 Diesen Angaben steht der Aktenbefund im Bayerischen Hauptstaatsarchiv widersprüchlich entgegen: Gustav Duensings (Flemingstr. 19) Antrag auf Erteilung der Kunstversteigerer-Erlaubnis wurde 1935 genehmigt. Es wurde festgestellt, dass er das Versteigerergewerbe bereits seit März 1933 ausüben würde.146 Doch der Präsident der Reichskammer der bildenden Künste, Eugen Hönig (1873–1945), hatte mit einem Schreiben vom 20.7.1935 beantragt, die Erlaubnis mit folgender Begründung wieder zurückzunehmen: „Gegen die von dem Versteigerer Gustav Duensing, München, Ottostr. 1b [hier: Adresse der Galerie Almas], nachgesuchte Versteigerer-Erlaubnis [...] hatte ich in meiner Verfügung vom 26. Juni [...] keinen Widerspruch erhoben, weil mir damals nicht bekannt war, dass der Genannte in engster Zusammenarbeit mit der Jüdin Maria Almas steht. Auf Grund dieser Tatsache besitzt der Versteigerer Duensing nicht mehr die unerlässliche Zuverlässigkeit; ich erhebe daher nunmehr Widerspruch gegen die Erteilung der Versteigerer-Erlaubnis nach § 4 [...], für den Fall, dass die Erlaubnis dem Duensing noch nicht bekannt gegeben ist. Sollte hingegen die Erlaubnis bereits erteilt sein, so bitte ich, von dort aus die Erteilung rückgängig zu machen [...].“147 Weder hinsichtlich der Versteigerererlaubnis noch zu der Frage, ob Versteigerungen in der Galerie Almas stattgefunden haben bzw. hätten, finden sich an dieser Stelle weitere Informationen. Für die Einordnung der Galerie Almas ist dieses Schreiben äußerst

141 BWA München, K1 XVA 10c, 264. Akt, Fall 33: Industrie- und Handelskammer München an Adolf Weinmüller, München, 12.5.1939. 142 BVA Provenienzdatenbank zur Linz-Nr. 629 (Josef Karl Stieler „Bildnis der Wiener Malerin Wohlgemuth“). 143 StadtA München, GEW-GK-II-18: Gewerbekarte. 144 Hopp 2012, S. 68: Hopp bezieht sich auf BWA München, K1 XVA 73b, Akt 1, Erteilung der Versteigerer-Erlaubnis 1935–1938, Fall 15, Gerzer, Herinrich: Bericht Heinrich Gerzer an die Regierung von Oberbayern p. A. Polizeipräsidium München, 25.3.1937. 145 Hopp 2012, S. 71. 146 BayHStA, MHIG 7055, Kunst- und Altertümerhandel 1917–1936, Bd. 1: Staatsministerium des Äußern für Wirtschaft und Arbeit an den Reichs- und Preußischen Wirtschaftsminister, Berlin, 26.9.1935: „Betreff: Kunstversteigerungen. A. In München haben 15 Personen Antrag auf Erteilung der Kunstversteigerer-Erlaubnis gestellt: [...] 7. Duensing Gustav, München, Flemingstr. 19“. Freundlicher Hinweis auf den Bestand MHIG 7055 von Meike Hopp, München. 147 BayHStA, MHIG 7055, Kunst- und Altertümerhandel 1917–1936, Bd. 1: Der Präsident der Reichskammer der bildenden Künste an die Polizeidirektion München, Abt. Gewerbepolizei, 20.7.1935 zum dortigen Schreiben vom 18.5.1935. Die Paragraphen beziehen sich auf die erste Anordnung des Präsidenten der Reichskammer der bildenden Künste betr. den Schutz des Berufes und die Berufsausübung der Kunst- und Antiquitätenhändler vom 4. August 1934. 37 bedeutungsvoll, denn der Vorgang fand nur wenige Monate vor dem Beginn Maria Dietrichs Tätigkeit für Adolf Hitler statt. Anscheinend kursierte zu diesem Zeitpunkt in hohen Parteikreisen die falsche Annahme, dass Dietrich (noch) Jüdin wäre, so dass die Zusammenarbeit mit ihr als Nachteil angesehen wurde. Gleichzeitig sind bislang keine Hinweise in Unterlagen der Reichskammer der bildenden Künste bekannt, die für einen geplanten Ausschluss der Galerie Almas sprechen würden (vgl. Verfügung der Reichskammer der bildenden Künste, August 1935). Dennoch dürfte Maria Dietrich mit einer solchen Einschätzung ihrer Person an dieser Stelle und auch in weiteren Zusammenhängen konfrontiert gewesen sein, sodass es möglich scheint, dass gerade diese Erfahrungen eine Triebfeder für ihren fast parallelen Eintritt in das geschäftliche Verhältnis mit Hitler gewesen sein könnten. Auch die Beendigung von Duensings Tätigkeit in der Galerie Almas im Jahr 1936 mag in einem zeitlichen und kausalen Zusammenhang mit seiner abgelehnten Kunstversteigerer- Erlaubnis stehen. Einen Kontaktabbruch gab es zwischen Dietrich und Duensing wohl nicht: Bei insgesamt drei Werken (Linz-Nr. 628, 629, 741), die Maria Dietrich später an den „Sonderauftrag Linz“ lieferte, wird Duensing in der Linz-Datenbank als Vorbesitzer genannt. Nachdem Duensing aus der Galerie Almas ausgeschieden war, kann er mit der „Galerie Odeon“ in Verbindung gebracht werden. Diese bestand offenbar seit Mitte der 1920er Jahre und firmierte zunächst als „Galerie Odeon Jordan & Michels“. Anfang 1938 trat Arthur Jordan als Gesellschafter aus und Gustav Duensing ein. Emil Michels blieb nach wie vor Gesellschafter. Seither nannte man sich „Galerie Odeon Duensing & Michels“ (Odeonsplatz 13) und vertrieb „Gemälde erster Meister, vorwiegend Münchener Malerei des 19. Jahrhunderts“.148 Nach 1945 war Duensing weiterhin kunsthändlerisch in München tätig. Im Deutschen Kunstadressbuch von 1949 ist er als „G. Duensing, Kreuzstr. 1“ in der Rubrik „Kunsthandlungen“ verzeichnet.

Maria Konrad (Lebensdaten unbekannt) war in der Galerie Almas als kaufmännische Angestellte tätig. In einer Befragung durch die Alliierten im August 1945 gab sie an, dass sie 14 Jahre lang für die Galerie Almas gearbeitet hätte.149 Sie war stellvertretend tätig und

148 BVA Provenienzdatenbank, Linz-Nr. 1711: Nach Aussage des BWA München sind dort keine Unterlagen der Kunsthandlung vorhanden. 149 NARA, M1946, RG 260, Administrative records, correspondence, denazification orders, custody receipts, property cards, Jewish restitution claim records, property declarations, and other records from the Munich CCP, Restitution Research Records (1945–1950), Roll 0120: Dietrich, Maria Almas: purchases and bank receipts (kurz: NARA, Dietrich, Maria Almas: purchases and bank receipts), S. 81. 38 unterzeichnete häufig geschäftliche Briefe.150 Konrad unternahm auch Reisen nach Frankreich, um Einkäufe der Galerie Almas abzuwickeln oder Maria Dietrich zu unterstützen, bspw. im Januar 1944.151 Nach Kriegsende bewahrte sie die Geschäftsunterlagen der Kunsthandlung auf. Dass sie mindestens bis April 1944 in der Galerie Almas arbeitete, wird auch dadurch belegt, dass sie als Zeugin für die zerstörten Räumlichkeiten angeführt wurde.152 Zu ihrem persönlichen Hintergrund kann lediglich festgestellt werden, dass sie 1949 unverheiratet war.153

1.4.3 Aktivität bis 1935

Das Jahr 1935 wurde als „Schnitt“ gewählt, da Maria Dietrich in diesem Jahr ihre geschäftliche Beziehung zu Adolf Hitler aufnahm (vgl. Kap. 2.2 Tätigkeit für Adolf Hitler vor dem Einsatz des „Sonderauftrags Linz“) und parallel mit der einhergehenden Stärkung ihres Geschäftes, die Existenz jüdischer Kunsthandlungen sukzessive vernichtet wurde (vgl. Verfügung der Reichskammer der bildenden Künste, August 1935).

Die Quellenlage bezüglich der Geschäfte der Galerie Almas bis 1935 stellt sich als sehr beschränkt dar. Rückblickend konnte Georg Neuner 1947 über Maria Dietrich berichten, dass sie schon relativ früh wirtschaftlichen Erfolg hatte: „Da ich Frau Dietrich-Almas seit über 20 Jahren kenne, vermag ich sie persönlich und als Geschäftsfrau einwandfrei zu beurteilen. Frau Dietrich-Almas war eine überaus fleißige, unermüdliche und mit guten Fachkenntnissen ausgestattete Geschäftsfrau. Ihre Geschäftsführung hielt ich all die Jahre für absolut korrekt und einwandfrei [...]. Für die geschäftliche Tüchtigkeit der Frau Dietrich mag sprechen, daß sie nach meiner Erinnerung bereits vor etwa 20 Jahren [also um 1927] einen sehr repräsentativen Personenwagen sich leisten konnte. Nach meinen Beobachtungen hat das Geschäft einen stetigen Aufschwung genommen, was ich [...] auf die Rührigkeit und Sachkunde der Frau Almas zurückführe.“154 Nach Öffnung der Galerie dürfte sich Maria Dietrich auch mit den Auswirkungen der 1929 beginnenden Weltwirtschaftskrise konfrontiert gesehen haben. Sebastian Peters

150 Bspw. BArch Koblenz, B323/357, Rück- und Freigabe von Kunstwerken: Rückerstattungs- und Wiedergutmachungsverfahren 1945–1970, Bd. 1: Buchstabe Aachen-Arnhold (1946–1964, 1970), Bl. 167. 151 BArch Berlin, R8 XIV 5, Reichsstelle für Papier, o. Bl.: Vermerk vom 14.1.1944 betr. Einfuhr von Gemälden aus Frankreich über RM 200.000.- durch die Gallerie Dittrich [sic], München: „Frau Konrad bittet um umgehende Erledigung, da Frau K. am Montag, den 17.1.44 nach Paris in dieser Angelegenheit reist und die Dev.Besch. mitzunehmen wünscht.“ 152 StadtA München, Kriegssachschädenamt, Nr. 242. 153 BArch Koblenz, B323/357, Bl. 167: Eidesstattliche Erklärung von Fräulein Maria Konrad betreffend die Auslagerung eines Barocksessels durch Hans W. Lange, 30.11.1949. 154 StAM, SpkA K 285, o. Bl.: Dietrich, Maria: Georg Neuner, Städt. Museumsvorstand, München an die Öffentliche Klägerin der Spruchkammer I, Frau Hartmann, München, 23.12.1947. 39 schlussfolgerte, dass die Krise selbst bei den vormals umsatzstärksten Händlern zu teils jahrelang anhaltenden Verlusten in der Bilanz [führte], während kleinere Kunsthandlungen in vielen Fällen komplett schließen mussten.“155 Inwiefern die als Reaktion auf die Weltwirtschaftskreise einsetzende Rezession des Kunstmarktes auch die Galerie Almas betraf, ließ sich nicht mehr feststellen.

Als erste bislang feststellbare Transaktion ist die Ersteigerung von Werken durch „Almas“ bei einer Auktion von Hugo Helbing, München, im Jahr 1926 zu konstatieren. 1927 kaufte Maria Dietrich möglicherweise ein Gemälde von Michele Marieschi bei der Kunsthandlung Nicolaus (Linz-Nr. 185), das sie später an den „Sonderauftrag Linz“ lieferte156, und „vor 1930“ ein Werk von Bartolomeo Bettera (Linz-Nr. 486) bei Adolf Weinmüller.157 Bis 1935 kann die Galerie Almas als Käuferin auch in den Münchner Kunsthandlungen Bernheimer (ab 1931) und Heinemann (ab 1932) nachgewiesen werden. Aufgrund der kontinuierlichen Erwerbungen auch nach 1935 werden die Erwerbungen und Geschäftsbeziehungen zu den einzelnen Häusern im Kap. 2.5 Erwerbungen innerhalb Deutschlands behandelt.

Wie sich in den folgenden Kapiteln zeigen wird, ging die Karriere der Maria Dietrich ab 1935 bis mindestens 1945 steil bergauf. Zeitlich parallel zu ihrer anwachsenden Präsenz im Kunsthandel ging die Verdrängung jüdischer Kunsthändler:innen spätestens ab dem Jahr 1935 einher. Um 1933 gab es noch mindestens 46 „jüdische“ Geschäfte in München, vorrangig auf der Brienner Straße.158 Ganz in der Nähe befand sich Maria Dietrichs Galerie in der Ottostraße, wo ebenfalls einige jüdische – oder von den Nationalsozialisten als jüdisch definierte – Händler:innen um 1935 ihren Sitz hatten. Hierzu gehörten u. a. Anna Caspari, die ihre Geschäfte von 1935 bis 1939 aus dem Hotel Continental in der Ottostr. 6159 weiterbetrieb, sowie die „Münchner Galerie“ mit ihrem Inhaber Isidor Hirsch (Ottostr. 8) und Fritz Nathans

155 Peters 2016, S. 17. 156 BArch Koblenz, B323/331, Bl. 91: Aussage von Maria Dietrich zu den von ihr erworbenen Kunstwerken, 9.3.1949. Klaus Beetz: Die Erwerbungen Adolf Hitlers bis zum Führererlass vom 26. Juni 1939 für den Aufbau des Neuen Museums Linz, erschienen im Eigenverlag, Berlin 2004, S. 13: Beetz schreibt, dass Dietrich das Bild 1927 an Hitler verkauft hätte. Vermutlich wurde hier die CCP-Karte (Mü-Nr. 1697/2) fehlinterpretiert. Laut Peters 2016, S. 14, war Kurt Nicolaus zum vermeintlichen Zeitpunkt des Erwerbs Geschäftsführer der Galerie Caspari. 157 BArch Koblenz, B323/331, Bl. 85: Aussage Maria Dietrich, 12.3.1949. 158 Dissertationsvorhaben Melida Steinke, Ludwig-Maximilians-Universität München (LMU): Jüdische Kunsthandlungen, Antiquariate und Antiquitätenhandlungen in München. Nationalsozialistische Arisierungsvorgänge im Kunsthandel (seit 2016). 159 Peters 2016, S. 87: Der Vermieter war Max Billig. Unbekannter Autor: „Da weiß man doch, wofür man zahlt.“, S. 218– 228. In: Der Spiegel, 14/1977, 28.3.1977, hier S. 228: Max Billig war anscheinend auch Antiquitätensammler. 40

„Ludwigs-Galerie“ (Ottostr. 5). Auch Siegfried Lämmles Kunsthandlung war zuletzt in der Ottostr. 5 gemeldet, ebenso das Antiquariat von Hanns Wolff. Neben den „jüdischen“ Kunsthandlungen betrieb zudem Hermann Roth ein Antiquariat in der Ottostr. 3b und um 1926 Ernst Wengenmayr eine Kunsthandlung in der Ottostr. 7. Ernst Schulte-Strathaus arbeitete in dem Antiquariat von Isaak Halle (1865–1927), das sich in der Ottostr. 31 befand.160

Besonders eindrücklich zeigt die Verfügung des Präsidenten der Reichskammer der bildenden Künste Berlin, Eugen Hönig, wie systematisch der „jüdische“ Kunsthandel ausgeschaltet wurde. Versandt wurde am 27./28.8.1935 sein Rundbrief an ca. 40 Münchener Kunsthandlungen und Antiquariate: „Nachdem der Bund Deutscher Kunst- und Antiquitätenhändler e. V. München aufgelöst worden ist, haben Sie die durch diesen bisher begründete mittelbare Zugehörigkeit zur Reichskammer der bildenden Künste verloren. Nach dem Ergebnis meiner Überprüfung der in Ihren persönlichen Eigenschaften und Verhältnissen begründeten Tatsachen besitzen Sie nicht die erforderliche Eignung und Zuverlässigkeit, an der Förderung deutscher Kultur in Verantwortung gegenüber Volk und Reich mitzuwirken. Sie erfüllen somit nicht die Voraussetzungen für eine unmittelbare Mitgliedschaft zur Reichskammer der bildenden Künste. Auf Grund des § 10 der ersten Verordnung zur Durchführung des Reichskulturkammergesetzes vom 1. November 1933 (RGBl. I, Seite 797) lehne ich Ihre Aufnahme in die Reichskammer der bildenden Künste ab und untersage Ihnen die weitere Ausübung des Berufes als Kunst- und Antiquitätenhändler. Für die Umgruppierung oder Auflösung Ihres Geschäftes bewillige ich Ihnen eine Frist von 4 Wochen. Ich ersuche um umgehende Rücksendung des sich in ihrem Besitz befindlichen Mitgliedsbuches.“161 Zahlreiche Beschwerden der betroffenen Händler:innen, u. a. von Anna Caspari, folgten. Die Industrie- und Handelskammer leitete Schritte ein, um wenigstens einige Firmen vor der Schließung zu bewahren. Dahinter standen aber keine humanistischen, sondern wirtschaftliche Interessen, da man sich vor einer Überschwemmung des Marktes und um den einhergehenden Preisverfall sorgte, falls mehrere Kunsthandlungen parallel schließen würden.162 Anfang September 1935 wurde daher folgende Idee entwickelt: 17 (große) Firmen

160 Hopp 2012, S. 122. Zu Ernst Schulte-Strathaus s. ebenda, S. 273: „Im Münchener Antiquariatshandel der 1920er Jahre war Schulte-Strathaus [...] überaus angesehen. Er war bereits 1901 nach München gekommen und arbeitete von 1904–1934, zunächst als fester Angestellter, später ‚zwanglos‘ als Bearbeiter von Manuskripten und Inkunabeln im jüdischen Antiquariat von Isaak Halle [...], dem Neffen von Ludwig uns Jacques Rosenthal.“ 161 Zit. n. Hopp 2012, S. 53f.: BWA München, K1 X 78a, IHK München. Ebenda, S. 53ff.: ausführliche Informationen zum Prozess der Liquidierung jüdischer Kunsthandlungen in München. 162 Peters 2016, S. 31. 41 sollten zunächst bestehen bleiben, 44 liquidiert werden. Ziel dieses Konzeptes war die mögliche „Arisierung“ wichtiger Geschäfte. Hierzu gehörten die Firmen Caspari, Helbing, Heinemann und Bernheimer.163 Laut Meike Hopp waren jüdische Händler durch Gesetzgebung und Restriktionen massiv eingeschränkt, so dass ein Geschäftsbetrieb kaum noch möglich war. Daher leiteten Unternehmen wie Heinemann und Hugo Helbing selbst erste Bemühungen zur sogenannten freiwilligen Arisierung durch Mitarbeiter ein, „worin sie die einzige Möglichkeit zur Fortführung des Geschäftsbetriebes unter Wahrung der eigenen Interessen erkannten“.164

1.4.4 Werbung bis 1945

Im 1926 erschienenen Handbuch des Kunstmarktes von Max Osborn ist das Geschäft von Maria Dietrich nicht aufgelistet. In Erscheinung trat die Galerie Almas erstmals in der „Weltkunst“. In der folgenden Übersicht wurden beispielhaft Werke aufgenommen, die Hinweise auf ihre Provenienz oder andere bemerkenswerte Informationen enthalten. Weitere Verweise auf Werke sind in ANLAGE 2 festgehalten, um die Daten für mögliche weiterführende Recherchen verfügbar zu machen.

Weltkunst 1927 wurde die wöchentlich erscheinende und international agierende Zeitschrift „Die Kunstauktion“ von Walther Bondy gegründet, die 1930 in „Weltkunst“ umbenannt wurde. Die vorerst letzte Ausgabe erschien bis Kriegsende im Mai oder September 1944.165 Eine Oktoberausgabe von 1933 enthält eine durch den Reichsverband des deutschen Kunst- und Antiquitätenhandels e.V. München initiierte Übersicht diverser Münchner Kunsthandlungen, in der die Galerie Almas nicht aufgeführt ist.166 Dies gilt auch für eine weitere Übersicht mit Werbeanzeigen des Münchner Kunsthandels im Juli 1934.167 Die erste Anzeige der Galerie Almas erschien in der Weltkunst im Dezember 1934 mit dem Wortlaut: „Antiquitäten. Barock-Möbel aller Art / alte und neue Kleinkunst in Porzellan, Silber und anderen Metallen / Gemälde / Spiegelrahmen / Beleuchtungskörper / Holzplastik / Perserteppiche / Brücken – Ankauf Verkauf – Maria Almas (Ottostr. 1b)“ (Abb. 4).168 Diese Anzeige ist insbesondere vor dem Hintergrund bemerkenswert, dass auch dieses Jahr (neben

163 Hopp 2012, S. 191, Anm. 712. 164 Hopp 2012, S. 63f. 165 Dissertationsvorhaben Patrick Golenia, „Die Weltkunst“ – Spiegelbild oder Instrument? Eine Kunstmarkt-Zeitschrift zwischen 1927 und 1945, Technische Universität Berlin (seit 2018). Es existiert kein Archiv der Weltkunst. 166 Weltkunst, Jg. 7, H. 42, 15.10.1933, S. 5. 167 Weltkunst, Jg. 8, H. 27, 8.7.1934, S. 4. 168 Weltkunst, Jg. 8, H. 49, 9.12.1934, S. 9. 42 dem Jahr 1935) als Umbruch in Maria Dietrichs Biografie gelten kann, da sie vermutlich 1934 Heinrich Hoffmann kennenlernte und ihre Karriere in eine neue Phase überging. In den beiden darauffolgenden Jahren, 1935 und 1936, erschien pro Jahrgang wieder nur jeweils eine Anzeige, ohne die Anpreisung von Gemälden.169 Erst im Jahrgang von 1937 schaltete Dietrich regelmäßig Anzeigen, ab März 1937 sogar teilweise wöchentlich – zumeist auf Seite 2, sodass sie für dieses Jahr insgesamt 18 Mal ihre Galerie annoncierte. Diese Entwicklung kann auch für das Jahr 1938 konstatiert werden. Von Mitte bis Ende 1939 veröffentlichte sie keine Anzeigen. Erst mit der Weltkunst-Ausgabe vom 10.12.1939 gab sie ihre neue Galerieadresse in der Ottostr. 9 bekannt und verwies auf eine Konzentrierung des Angebotes auf Gemälde: „‚Almas‘ Galerie Maria Dietrich – Gemälde erster Meister“.170 1940 war die Galerie bis November nicht mit Anzeigen in der Weltkunst vertreten. Die Abwesenheit lässt sich möglicherweise dadurch erklären, dass Dietrich derart stark in die Aufträge für Hitlers Linz-Museum involviert war und demzufolge eine aktive Geschäftstätigkeit in den Hintergrund gerückt sein könnte. Ihre erste Anzeige 1940 erschien am 24.11.: „‚Almas‘ Galerie Maria Dietrich im Cramer-Klett-Palais Gemälde erster Meister – Antiquitäten Ankauf Verkauf“.171 In diesem Jahr folgten noch zwei weitere Anzeigen.172 1941 wurde der Anzeigentext wiederum aktualisiert hin zu: „‚Almas‘ Galerie Maria Dietrich – sucht ständig zu kaufen“173, der regelmäßig, jeweils auf Seite 2, erschien.174 1942 publizierte sie schließlich ausnahmslos in jeder Ausgabe der Weltkunst eine Anzeige auf Seite 2 („Galerie Maria Dietrich“; ohne Almas im Titel und dem Zusatz „sucht zu kaufen Gemälde des 15. einschließlich 19. Jahrhunderts“).175 1943 gibt es zwei andere Versionen von Anzeigen, die weiterhin mit dem Schwerpunkt ‚Gemälde des 15. bis 19. Jahrhunderts‘ werben. Nach der Zerstörung der Kunsthandlung wurde ab Mai 1944 der Standortwechsel bekannt gegeben.

Über die in der Weltkunst durch die Galerie Almas veröffentlichten Abbildungen können einige Rückschlüsse auf ihre Tätigkeit gezogen werden. Veröffentlicht wurden hier überwiegend zum Verkauf angebotene Werke aus dem 19. Jahrhundert, die unabhängig von der Anzeige abgedruckt wurden. Maria Dietrich veröffentlichte auch Werke, wenn sie diese

169 Weltkunst, Jg. 9, H. 29/30, 28.7.1935, S. 7 und Jg. 10, H. 31/32, 9.8.1936, S. 2. 170 Weltkunst, Jg. 13, H. 48/49, 10.12.1939, S. 2. 171 Weltkunst, Jg. 14, H. 48/49, 24.11.1940, S. 2. 172 Weltkunst, Jg. 14, H. 50/51, 8.12.1940, S. 2 und H. 52, 22.12.1940, S. 2. 173 Weltkunst, Jg. 15, H. 15/16, 13.4.1941, S. 2. 174 Weltkunst, u. a. Jg. 15, H. 45/46, 9.11.1941, H. 49/50, 7.12.1941 sowie H. 51/52, 21.12.1941 ohne „Almas“ im Titel. 175 Weltkunst, Jg. 16, H. 17/18, 26.4.1942, S. 2. 43 kurz darauf an den „Sonderauftrag Linz“ verkaufte. Zudem wurden einige Werke dadurch beschrieben, dass sie sich „im Besitz“ der Galerie Almas befanden, wie am 20.7.1941 Carl Jacob Leybolds „Kinderporträt“ (Linz-Nr. 1946).176 Das Bild stammte von Gustav Rochlitz oder Trolly Hackbusch-Rochlitz, Paris, und wurde am 20.5.1941 für 5.000.- RM an Maria Dietrich veräußert, die es bereits am 29.7.1941 für 5.500.- RM an den „Sonderauftrag“ weitergab. Es ist daher davon auszugehen, dass die Transaktion zum Zeitpunkt der Annonce in der Weltkunst schon besiegelt und somit nicht der Verkauf des Bildes, sondern die Sichtbarmachung ihres qualitativ hochwertigen Angebotes, Ziel der Veröffentlichung war. Aus mehreren Bildunterschriften in den Annoncen geht hervor, dass die Werke in den Räumlichkeiten der Galerie ausgestellt waren, wie etwa 1937 Kaulbachs „Mandolinenspielerin“.177 Voneinander divergierend wurden die Bilder mal von der „Kunsthandlung“ oder der „Galerie“ Almas publiziert (s. ANLAGE 2).

Kunst dem Volk In Wien erschien von Januar/Februar 1939 bis Dezember 1944 im Verlag von Heinrich Hoffmann die Zeitschrift „Kunst dem Volk“.178 Hier wurden u. a. kunsthistorische Themen von den Autoren Gert Adriani und Bruno Grimschitz behandelt. In fast jeder Ausgabe finden sich teilweise sogar ganzseitige Inserate der Galerie Almas. Im Gegensatz zu diesen Anzeigen sind nur wenige Inserate anderer Anbieter:innen mit Gemäldeabbildungen vorhanden. Maria Dietrich veröffentlichte hier Abbildungen hochwertiger Bilder des 15. bis 19. Jahrhunderts. Wie ein roter Faden zieht sich durch die Hefte, dass es sich bei den abgebildeten Werken um von ihr kurz zuvor in Paris erworbene und bereits an Linz verkaufte oder noch an Linz zu verkaufende Objekte handelte. Als Beispiel wird hier ein Jan von Scorel bzw. Joos von Cleve zugeschriebenes und im April 1941 von der Galerie Almas in Kunst dem Volk veröffentlichtes „Herrenporträt“ (Abb. 17) (Linz-Nr. 1557, Lost Art-ID 526702, ex-MNR 387) herangezogen.179 Das Bild stammte aus der Sammlung Martin Bromberg bzw. dessen Erben Henry und Hertha Bromberg. Das

176 Weltkunst, Jg. 15, H. 29/30, 20.7.1941, S. 3. Christie’s, Mauerbach Benefit Sale, Versteigerung der von den Nationalsozialisten konfiszierten Kunstwerke zugunsten der Opfer des Holocaust, Österreichisches Museum für Angewandte Kunst, Wien, 29./30.10.1996 (kurz: Mauerbach 1996), Los 235. Deutsches Kunstarchiv, Nürnberg (kurz: DKA), NL Posse, Hans, I, B-5 (0133), Ende Juli 1941: Hans Posse notierte in sein Dienstreisetagebuch unter Kategorie II. („kleine Museen“) „Leybold Doppelbildnis Kinder 6000.-“. 177 Weltkunst, Jg. 11, H. 44, 7.11.1937, S. 6. 178 Christina Schedlmayer: Die Zeitschrift „Kunst dem Volk“. Populärwissenschaftliche Kunstliteratur im Nationalsozialismus und ihre Parallelen in der akademischen Kunstgeschichtsschreibung, Universität Wien (Dissertation), Wien 2010, S. 4. 179 Kunst dem Volk, Jg. 12, H. 4, April 1941, S. 72. NARA, Dietrich, Maria Almas: purchases and bank receipts, S. 17, 33. Ebenda, Dietrich, Maria Almas: receipts a-m, S. 102. BArch Koblenz, B323/567, Verzeichnis der der Treuhandverwaltung bekannt gewordenen Restitutionen von 1945 bis 1962, Bd. 1, Restitutionen nach Frankreich (1962), Bl. 141. BArch Koblenz, B323/99, Erwerbungen der Beauftragten für den „Sonderauftrag Linz“ Posse und Voss sowie des Referenten Reimer 1945; sog. „Kleine Kartei“ weist Herkunft, Verkäufer/Händler und Kaufpreis nach, hier: Nr. 059. 44

Ehepaar Bromberg verkaufte ihr Werk auf der Flucht in die USA in Paris vor dem 20.12.1938. Über die Pariser Kunsthandlung Kleinberger mit deren Leiter Allan (Ali) Loebl180 (1938) gelangte es über Victor Mandl (1939) und Georges Wildenstein (1939) an Yves Perdoux, der es am 22.2.1941 an Maria Dietrich für 18.750.- RM verkaufte. In diesem Zusammenhang hat sich ein bemerkenswerter, auf den 29.1.1941 datierter Brief von Yves Perdoux an Maria Dietrich erhalten, aus dem u. a. auch die Beteiligung einer weiteren Person hervorgeht: „Das Bild von Scorel reserviere ich bestimmt, obgleich dasselbe von verschiedenen Seiten erwünscht wurde. Der Herr Larcade fährt heute nach Nizza ab. [...] Der Herr Larcade will überhaupt nicht mehr verkaufen, sonst Ihnen [...]. Bitte schreiben Sie mir, wann Sie bestimmt ankommen – ich muss Sie unbedingt sprechen und zwar, vor Sie mit irgendjemand in jeder Weise.“181 Paul Jurschewitz erhielt am 21.2.1941 eine Provision für die Vermittlung dieser Transaktion. Im März 1941, demnach vor der Veröffentlichung in Kunst dem Volk, lieferte Dietrich das Werk für 35.000.- RM an den „Sonderauftrag Linz“. 2016 gelang die Restitution aus Frankreich an die Erben nach Henry und Hertha Bromberg.182 Bezugnehmend auf die Veröffentlichung der Galerie Almas heißt dies, dass hier mit einem Werk geworben wurde, dass wenige Jahre zuvor unter dem Druck der NS-Verfolgung veräußert werden musste.

Im Mai 1941 annoncierte die Galerie Almas ganzseitig mit einer Abbildung der „Grablegung Christi“ von Anthonis van Dyck und dem Zusatz „verkauft an eine öffentliche Sammlung“. Gemeint ist damit die Linzer Sammlung (es handelt sich um die Linz-Nr. 1556).183 Dietrich hatte das Triptychon im Februar 1941 in Paris aus der Sammlung Tuffier erworben und im März 1941 an den „Sonderauftrag Linz“ veräußert. Im Sonderheft zum 20.4.1943 warb die Galerie Almas mit einer Reihe von Abbildungen. Dabei erfolgte nun jeweils die Bemerkung

180 Gitta Ho: Vortrag „Secret Networks. Jewish Art Dealers Active in France during the Occupation“ bei der Tagung „ and France: Art Market and Art Collecting, 1900–1945“ des Forums Kunst und Markt, Collection and Provenance, Technische Universität Berlin, 9./10.11.2018: Allan Loebl war jüdisch. Durch Bruno Lohse erhielt er eine „Sondergenehmigung“. Ho bezieht sich auf Archives nationales, Paris, AN 38/2830. Thierry Bajou: Vortrag „Transnational: Ein neues Modell in/aus Frankreich” beim Arbeitskreistreffen Provenienzforschung, Berlin, 12.–14.11.2018: Loebl wurde von Lohse erpresst, Bilder zu verkaufen. 181 NARA, M1782, RG 239, Reports by the Art Looting Investigation Unit of the OSS relating to jewels, paintings, and other art objects appropriated during WWII, Roll M1782_10F1: Consolidated Interrogation Reports (CIR) Report Number 4, Linz: Hitlerʼs Museum and Library (kurz: NARA, CIR 4), S. 214. Auf diese Stelle beziehen sich auch David Roxan/Ken Wanstall: The Jackdaw of Linz. The Story of Hitlerʼs Art Thefts, London 1964, S. 94f.: „Typical of the hundreds of letters she received was one written by Perdoux from Paris.“ Worauf sich die Aussage zu den hunderten Briefen bezieht, ist nicht belegt. 182 Aurelien Breeden: France Returns 16th-Century Portrait to Descendants of Jewish Couple. In: New York Times, 28.11.2016 (https://www.nytimes.com/2016/11/28/arts/design/france-returns-16th-century-portrait-to-descendants-of-jewish- couple.html – zuletzt besucht am 17.3.2019). Das Bild wurde versteigert bei Sotheby’s London, Old Masters Evening Sale, 5.7.2017, Los 4. 183 Kunst dem Volk, Jg. 12, H. 5, Mai 1941, S. 42. Hinweise zum Werk in folgenden Beständen: NARA, M1946, RG 260, Administrative records, correspondence, denazification orders, custody receipts, property cards, Jewish restitution claim records, property declarations, and other records from the Munich CCP, Restitution Research Records (1945–1950), Roll 0120: Dietrich, Maria Almas: receipts n-z (kurz: NARA, Dietrich, Maria Almas: receipts n-z), S. 80. BArch Koblenz, B323/571, B323/99: Nr. 060. Archives diplomatiques, Paris: 143 A 92. Archives de Paris: 112W 96, Akte Tuffier. 45

„Neuerwerbung für die Galerie in Linz“, anstatt auf ihre Verkäufe an eine „öffentliche Sammlung“ hinzuweisen. Auch der Namenswechsel der Kunsthandlung lässt sich durch die Anzeigen veranschaulichen. In der Juni-Ausgabe 1941 noch als „‚Almas‘ Galerie Maria Dietrich“ bezeichnet, firmierte sie in diesem Medium ab Juli 1941 als „Galerie Maria Dietrich“.

Münchener Mosaik Die Zeitschrift „Münchener Mosaik. Kulturelle Monatsschrift der Hauptstadt der Bewegung“ wurde auf Initiative des Münchener Kulturamtsleiters Max Reinhard ins Leben gerufen. Sie erschien von Januar 1938 bis März 1943 und beinhaltete auch Anzeigen von Kunsthändler:innen. In den ersten beiden Jahrgängen inserierte die Galerie Almas nicht in diesem Blatt. Die erste Anzeige (mit Abbildung) erschien in der August-Ausgabe von 1940: „Almas Galerie Maria Dietrich im Cramer-Klett-Palais [...] Gemälde erster Meister des 15. bis einschließlich 19. Jahrhunderts. Antiquitäten, Einrichtungen des 18. Jahrhunderts. Angebote erbeten“. Das Layout weicht in dieser Anzeige stark von dem in der Weltkunst oder Kunst dem Volk ab. Fast ausnahmslos veröffentlichte Maria Dietrich zu jeder Anzeige eine Werkabbildung. Auch in Bezug auf dieses Medium kann festgestellt werden, dass mehrere der inserierten Werke zeitnah zur Veröffentlichung an die Linzer Sammlung veräußert wurden, wie etwa im Juni 1942 Emma von Müllers „Bauernmädchen mit Haube“ (Linz-Nr. 2369, Abb. 14), das Maria Dietrich im Juli 1942 an den „Sonderauftrag Linz“ lieferte. Das Bild stammte aus der Sammlung Hackelsberger.184 Die im Münchener Mosaik abgebildeten Werke sind qualitativ und preislich weniger hochwertig, als die in der Weltkunst oder der Kunst dem Volk veröffentlichten Bilder.

Große Deutsche Kunstausstellung In den begleitenden Ausstellungskatalogen zur jährlichen Großen Deutschen Kunstausstellung (1937–1944/45) inserierte die Galerie Almas in den Jahren 1937 als „Maria Almas“ (ohne Abbildung), auch 1938 als „Maria Almas“ (mit Abbildung eines Bildes von L. von Zumbusch) und 1941 als ‚„Almas‘ Galerie Marie Dietrich“ (mit Abbildung Heinrich von Zügels „An der Pfütze“, Abb. 16).

184 Münchener Mosaik, Jg. 5, 1942, o. S. Hinweise zum Werk in folgenden Beständen: BArch Koblenz, B323/664, sog. Restitutionskartei nach Münchner Nummer, B323/99: Nr. 0363, B323/50, Inventar des Sonderauftrags Linz („Dresdner Katalog“) 1938–1962, Bd. 4: Verzeichnis der Gemälde aus dem Münchner Führerbau (1939–1962), Bl. 574. Zur Sammlung Hackelsberger: Ilse von zur Mühlen: Schloss Tutzing – Ein Ort, zwei Sammlungen und viele Fragen, S. 94–121. In: Jochen Meiners (Hg.): NS-Kunstraub. Lokal und europäisch. Eine Zwischenbilanz der Provenienzforschung in Celle, Celle 2018 (Celler Beiträge zur Landes- und Kulturgeschichte. Schriftenreihe des Stadtarchivs und des Bomann-Museums, Bd. 48). 46

Zusammenfassend lässt sich feststellen, dass die erst ab 1934 ermittelte Werbung bzw. Sichtbarkeit der Galerie Almas auf einige wenige Publikationsmittel und – bis auf die Weltkunst – auf München und Wien beschränkt und vermutlich dem persönlichen Kontakt zu Heinrich Hoffmann geschuldet war. Ein ständig wechselndes Layout (Abb. 5–16), Angebot des Sortiments und der stetig changierende Name zeugen von einem sich in diesen Jahren fortwährend verändernden Selbstverständnis.

1.4.5 Wirtschaftliche Einordnung

Dieses bei der Aufarbeitung eines kunsthändlerischen Unternehmens relevante Thema lässt sich nicht so ausführlich behandeln, wie es nötig wäre, da die wenigen verfügbaren Quellen aus unterschiedlichsten Zusammenhängen stammen und nur schwer verglichen bzw. weiterführend ausgewertet werden können. Wer die erhaltenen Übersichten wann erstellt hat, lässt sich zumeist über ihren Fundort eingrenzen, aber nicht näher bestimmen. Problematisch ist auch, dass keine konsistenten Daten mit einem einheitlichen Vokabular vorliegen, um einen Abgleich zu erstellen. Bedeutet beispielsweise die Angabe „Gewinn“ vor oder nach Abzug der Steuern? Einkommen ist nicht gleich Gewinn, Gewinn muss nicht gleich Verdienst sein etc. Doch was können wir aus den vorliegenden Zahlen der Galerie Almas aus den Jahren 1938 bis 1944 und einzelnen Angaben aus den Jahren 1932 und 1937 ableiten? Die folgenden Ausführungen beziehen sich auf die Transkriptionen in den Tabellen Nr. 1–11 in ANLAGE 3. 1932 hatte Maria Dietrich ein Einkommen von 15.000.- RM (vgl. 4.; unklar, ob vor oder nach Steuern). Für den Zeitraum von 1938 bis 1944 lassen sich die Tabellen 2. und 3. in Beziehung zueinander setzen. Wenn man davon ausgeht, dass die Angaben unter 2. vor Steuerabzug und dass die Zahlen zuverlässig sind185 – lassen sich u. a. folgende Gewinne und die steuerliche Entwicklung zwischen 1938 und 1944 ablesen: Gewinn vor Steuern (in RM) Gewinn nach Steuern (in RM) 1938 483.000 1938 253.791 1939 229.000 1939 37.504 1940 306.000 1940 81.941 1941 514.000 (vgl. 8. 570.000) 1941 148.510 1942 393.000 1942 48.458 1943 505.000 1943 58.767 1944 216.000 1944 38.873 Insg. 2.646.000 Insg. 667.844

185 Für die Berechnungen wurden die Zahlen aus den vorliegenden Quellen genutzt. Kleinere historische Rechenfehler in den Quellen sind in ANLAGE 3 vermerkt. 47

Bei dem Gewinn nach Abführung der diversen Abgaben und Steuern scheint es, als wären die Einnahmen nach 1938 eingebrochen. Die großen Schwankungen hängen jedoch mit den aufgrund der Kriegswirtschaft angezogenen Steuersätzen zusammen. Um nur eine Steuerart zu erwähnen: Am 4.9.1939 wurde über den Kriegszuschlag zur Einkommenssteuer eine Kriegsbesteuerung in Höhe von 50 % eingeführt, wenn das Einkommen mehr als 2.400.- RM pro Monat betrug.186 Inhaber:innen einer Einzelfirma in der ersten Steuerklasse mussten im Verlauf des Krieges bis zu 89,2 % Steuern zahlen, was für das Geschäftsjahr 1943 für Maria Dietrich annähernd bestätigt werden kann.187 In dem betrachteten Zeitraum erzielte Maria Dietrich (nach Steuern) 1938 den höchsten Gewinn. Für dieses Jahr hat sich auch eine Angabe zum Jahresumsatz erhalten, die eine Summe von 2.500.000.- RM belegt. Im Jahr zuvor, 1937, betrug der Umsatz im Verhältnis dazu „nur“ 309.561.- RM (vgl. 5. und 6.).

Ihr Vermögen entwickelte sich folgendermaßen: 1932 100.000.- RM 1938/39 120.000.- RM (Geschäftsvermögen) 1943 750.000.- RM

Die Profite durch Verkäufe an Linz sollen zwischen 1940 und 1944 616.470.- RM betragen haben. Würde man annehmen, dass es sich bei dieser Angabe um den Profit vor Steuern handelte, hätten die Verkäufe nach Linz weniger als ein Drittel des Gesamtprofits (vgl. 3.) bedeutet. Die Zahl bezieht sich allerdings auf die unvollständige Übersicht in Tabelle 1. Maria Dietrich verdiente 1943 dennoch 25 Mal mehr als der Durchschnittsbürger (vgl. 11.). Das durchschnittliche Einkommen betrug 1943 pro Jahr 2.324.- RM (heute sind das ca. 33.000 €). Laut einer anderen Quelle bewegte sich das Durchschnittseinkommen in Deutschland in den Kriegsjahren nur zwischen 2.000.- und 2.300.- RM.188

Die Auswertung von Hildebrand Gurlitts Geschäftsbüchern (vgl. 9.) zwischen 1937 und 1944 hat ergeben, dass die Ausgaben und Einnahmen seines Kunstkabinetts – bis auf einen kleinen Rückgang im Jahr 1939 – sukzessiv angestiegen sind. 1937 verkaufte Gurlitt Kunstwerke im Wert von etwa 100.000.- RM; bis 1943 konnte er den Umsatz verzehnfachen (Dietrichs

186 Ralf Banken: Hitlers Steuerstaat: Die Steuerpolitik im Dritten Reich, Berlin/Boston 2018, S. 304ff., 404ff. 187 Ebenda, S. 413ff., 454ff. 188 Barth 2014, S. 28: Lexikon der Wehrmacht (http://www.lexikon-der-wehrmacht.de/Soldat/Besoldung.htm – zuletzt besucht am 17.3.2019). Die Bezüge eines Generals der Wehrmacht betrugen im Jahr 1935 ca. 20.000.- RM/Jahr. Der Brutto- Wochenlohn eines Industriearbeiters lag im Durchschnitt 1936 bei 24,94.- RM, 1939 bei 28,08.- RM. Das Brutto- Monatsgehalt eines Angestellten lag im Durchschnitt 1936 bei 199.- RM und 1939 bei 231.- RM. 48

Umsatz lag 1938 bei 2.500.000.- RM). Gegenüber den Alliierten gab er nach Kriegsende für 1937 ein Netto-Jahreseinkommen von 20.000.- RM an (im Vergleich Dietrich: 47.000.- RM). Die Spitze erreichte er 1943 mit 178.000.- RM (Dietrich 1943 nach Steuern: 58.767.- RM). 1944 verdiente er 167.000.- RM (Dietrich 1944 nach Steuern: 38.873.- RM). Die ausgewerteten Zahlen zu Gurlitt scheinen laut Gramlich/Hopp ungefähr stimmig zu sein, da eine überlieferte Zwischenbilanz für die ersten acht Monate des Jahres 1944 einen Reingewinn von 574.000.- RM ausweist. Steuern und Abgaben betrugen hierfür rund 470.000.- RM, das heißt, das Nettoeinkommen betrug für acht Monate 104.000.- RM.

Die für die Arbeit ermittelten Angaben zu dem Kunsthändler W. A. Luz (vgl. 10.) ergaben, dass die Gewinn- und Verlustrechnung von Luz für 1942 (1.1.–31.12.1942) einen Warenbruttogewinn von 313.725,83.- RM (Dietrich 393.000.- RM) und einen Gewinn von 262.825,71.- RM verzeichnet. Aus der Gewinn- und Verlustrechnung des Folgejahres (1.1.– 31.12.1943) geht eine deutliche Profitsteigerung hervor, so dass sich die Erlöse aus Warenverkäufen auf 937.929,82.- RM und der Warenbruttogewinn auf 589.854,14.- (Dietrich 505.000.- RM) beliefen. Der Gewinn für 1943 wurde mit 534.730,43.- RM beziffert. Da die Abzüge im Vergleich zu den fälligen Steuern bei Dietrich, Gurlitt und Luz derart gering sind, wird es sich wohl um die Gewinne vor Steuern oder vor einem Teil der Steuern handeln.189

Die vorliegende Arbeit erlaubt – wenigstens ansatzweise – die Größenordnungen in Bezug auf Dietrich, Gurlitt und Luz nebeneinanderzulegen und zu vergleichen.

189 Keßler 2008: Die Geschäftsbücher von Karl Haberstock (Ein- und Verkäufe) zwischen 1933 und 1944 wurden transkribiert, aber nicht ausgewertet. 49

2. Die Galerie Almas während des Nationalsozialismus

2.1 Die geschäftliche und persönliche Beziehung zu Heinrich Hoffmann

Hoffmann unterhielt enge Geschäftsbeziehungen zu seiner Freundin Frau Maria Dietrich, die ihn oft zu deutschen Gemälden des 19. Jahrhunderts konsultierte, worauf er sich spezialisiert hatte. Weitgehend durch seinen Einfluß war es ihr möglich, in den ersten Jahren des Krieges in Händlerkreisen aus dem Dunklen hervorzutreten und bekannt zu werden. Hoffmann und Dietrich hatten eine beträchtliche Unwissenheit hinsichtlich der Malkunst. Nichtsdestotrotz hatten sie jedoch eine sehr genaue Kenntnis des persönlichen Geschmacks des Führers. Hoffmann ermöglichte es ihr häufig, Hitler direkt Gemälde anzubieten, der viele davon kaufte, ohne Posse oder Voss zu konsultieren. [...] Otto Kastner, der Chauffeur von Hoffmann und auch Dietrich, war eine wertvolle Quelle der Information zu diesen beiden.190

Heinrich Hoffmann (1885–1957) war seit 1909 als Fotograf in München ansässig und seit 1920 Mitglied der NSDAP. Hoffmann und Adolf Hitler kannten sich seit 1921 persönlich. Die ersten Porträtaufnahmen von Hitler fertigte der Fotograf 1923 an. Ein äußerst persönlicher Umgang zeichnete die Beziehung von Hitler und Hoffmann bis Kriegsende aus. Vermögend wurde Hoffmann mit seiner Firma „Heinrich Hoffmann. Verlag nationalsozialistischer Bilder“. Vor allem sein „faktisches Monopol auf Fotografien aus dem inneren Zirkel der NS-Führung“191 sicherte ihm ein dauerhaft hohes Einkommen. Neben seiner Tätigkeit als „Leibfotograf“ Hitlers betätigte er sich auch als Herausgeber der seit 1939 monatlich in Wien erscheinenden Zeitschrift „Kunst dem Volk“, in der er als Erster über die Pläne für Linz berichten und Neuerwerbungen der Linzer Sammlung veröffentlichen durfte. Zusätzlich zu seinen diversen Beschäftigungen, etwa als Stadtrat für die NSDAP seit 1929, fungierte Heinrich Hoffmann auch als Kunstberater Hitlers. Von 1937 bis 1944 wählte er in dessen Auftrag die Exponate für die jährlich stattfindende Große Deutsche Kunstausstellung im Haus der Deutschen Kunst in München aus, wofür er bei der Ausstellungseröffnung im Jahr 1938 von Hitler einen Professorentitel verliehen bekam. Seit 1938 war er zudem Mitglied

190 Der Bundesbeauftragte für die Unterlagen des Staatssicherheitsdienstes der ehemaligen Deutschen Demokratischen Republik (BStU), Berlin: Deutsche Übersetzung von Linz Museum: Consolidated Interrogation Report (CIR) No. 4 (kurz: BStU, CIR 4), S. 74. Nachdem die Alliierten die Verbindung zwischen Heinrich Hoffmann und Maria Dietrich analysiert hatten, hielten sie im Linz-Report ihre Eindrücke hinsichtlich ihrer Beziehung fest. 191 Sebastian Peters: Der „Millionär von Hitlers Gnaden“ und die Kunst: Zur Entstehung und Verbleib der Sammlung Heinrich Hoffmann, S. 122–143. In: Meiners 2018, hier S. 124. 50 der Kommission zur „Verwertung der beschlagnahmten Werke entarteter Kunst“ und ab 1939 Mitglied der Kommission zur Rückführung deutscher Kunstwerke in ausländischem Besitz.192 Mit Zunahme der deutschen Besetzung eröffnete Hoffmann neben seiner wichtigen Filiale in Wien auch Dependancen in Straßburg, Paris, Den Haag und Riga, die allerdings allein dem Vertrieb seiner Produkte dienten.193

Das Jahr 1934 kann in der Biografie von Maria Dietrich in beruflicher und, wie zuvor angedeutet, auch in privater Hinsicht als Wendepunkt bezeichnet werden, da sie wohl in diesem Jahr194 Heinrich Hoffmann begegnete: „Durch einen Besuch in meinem Laden, lernte ich Heinrich Hoffmann kennen. Er wurde bei mir Kunde und gab mir auch für Hitler zu Museumszwecken Aufträge. Durch meinen unermüdlichen Fleiss und meiner Freude an meinem Beruf bin ich zu diesen laufenden Geschäften gekommen. Da ich wiederholt auf der Gestapo war und mich gegen die Anfeindungen meiner Kollegen zu wehren hatte, habe ich Hoffmann um Schutz gebeten. Die Verbindung mit Hoffmann und Hitler war rein geschäftlicher Natur.“195 Es entstand zwischen Maria Dietrich und Heinrich Hoffmann schnell ein enger geschäftlicher, aber wohl auch freundschaftlicher Kontakt. Die Bekanntschaft mit Hoffmann führte zu einer bedeutungsvollen Begegnung mit Adolf Hitler, der das Geschäft wohl gemeinsam mit Hoffmann kurz nach dem ersten Kennenlernen von Dietrich und Hoffmann besuchte, und einem damit einhergehenden außerordentlichen Karrieresprung Dietrichs: Durch die Einführung von Hoffmann gelang ihr die Entwicklung zu Hitlers erster Kunsthändlerin.196

Ein weiterer Faktor, der die Beziehung zwischen Hoffmann und der Familie Dietrich verstärkt haben mag, war wohl die Freundschaft zwischen Mimi Dietrich und der etwa gleichaltrigen

192 Peters 2018, S. 125. 193 Ebenda, S. 131. Rudolf Herz: Hoffmann & Hitler. Fotografie als Medium des Führermythos, München 1994, S. 53. 194 Eine früher zu datierende Bekanntschaft kann nicht ausgeschlossen werden. So lag etwa Dietrichs frühere Privatadresse wie Hoffmanns Atelier in der Schellingstraße. 195 StAM, SpkA K 285, o. Bl.: Dietrich, Maria, Investigation Section, Special Branch: Fragebogen No. C – 38069/19968, Betreff: Dietrich Maria, 15.4.1946. NARA, Dietrich, Maria Almas: Interrogation, S. 51 (5): „She also stated that she was twice investigated by the Rasseamt, and that she had to appear twice before the Gestapo in Munich (once in 1938 when she was still protected by her Turkish citizenship, the other time in February 1943 when after sharp grilling of more than four hours her friend Hoffmann came to her rescue).“ NARA, Dietrich, Maria Almas: Interrogation, S. 52 (6): „Dietrich states that her acquaintance with Hoffmann began in 1934 when Hoffmann while making the rounds among the art shops in Munich, happened to visit her store.“ Vgl. Henriette von Schirach: Frauen um Hitler, München 1985, S. 51: „Hitler kaufte in diesen Jahren [um 1928] selbst Bücher, er ging gern in Läden, und es zog ihn wie meinen Vater zu den kleinen Antiquitätenhändlern, um nach verborgenen Bilderschätzen zu suchen [...].“ 196 Birgit Schwarz: Auf Befehl des Führers. Hitler und der NS-Kunstraub, Darmstadt 2014, S. 28. NARA, M1782, RG 239, Reports by the Art Looting Investigation Unit of the OSS relating to jewels, paintings, and other art objects appropriated during WWII, Roll M1782_10F1: Detailed Interrogation Reports (DIR): 1-Heinrich Hoffmann (kurz: NARA, DIR Heinrich Hoffmann), S. 5. 51

Eva Braun (1912–1945), die in Hoffmanns Geschäft angestellt war.197 Ab einem unbestimmten Zeitpunkt wurden Eva und ihrer Schwester Grete Braun zwar der Umgang mit Mimi untersagt, aber dennoch half ihr Eva wohl bei mehreren Gelegenheiten. So versuchte sie angeblich und vergeblich, eine Heiratsgenehmigung für ihre Freundin zu erwirken, oder setzte sich für eine bevorzugte Behandlung der Dietrichs ein, als deren Räumlichkeiten kriegsbedingt zerstört wurden. Maria Dietrich soll sich dafür erkenntlich gezeigt haben, indem sie gelegentlich Lingerie aus Paris mitbrachte.198 Sicherlich verband Hoffmann und Dietrich auch ihre Herkunft, denn beide kamen aus einem Fleischerei-Haushalt.199 Nur bei Lynn Nicholas findet sich die nicht belegte Mutmaßung, dass Dietrich und Hoffmann außerdem eine „longtime liaison“ miteinander verband.200

Heinrich Hoffmann und Maria Dietrich wickelten wenige Jahre nach ihrem Kennenlernen zahlreiche Geschäfte für den „Sonderauftrag Linz“ gemeinsam ab. Ernst Buchner etwa kontaktierte Hoffmann mitunter direkt, wenn er ein Bild sah, das dem „Führer“ gefallen könnte.201 Maria Dietrich diente mindestens einmal als Vermittlerin zwischen Hermann Voss und Hoffmann: Voss bat sie am 11.1.1944, ihn darauf aufmerksam zu machen, wann Hoffmann wieder in München sei, da er ihn gern treffen würde.202 Diese Bitte zeugt von einer anscheinend allseits bekannten „Standleitung“ zwischen Dietrich und Hoffmann. Hoffmann arrangierte insbesondere zwischen 1940 und 1942 viele Ankäufe, die er bei den Befragungen anlässlich seines Interrogation Reports versuchte zu negieren: „He never occupied an official position connected with Linz, and never, during his travels, did he hold a commissioning letter to show that he was buying for the Museum. He describes his role as that of a disinterested middleman. He says that he was often present at the Fuehrerbau exhibitions when Hitler chose pictures. He also received many letters offering paintings and other objects for sale to the museum [Linz]; and when he approved of these he would pass them on to the Fuehrer with his recommendation. He also introduced certain dealers to Hitler and helped them when they wanted to sell pictures. [...] However, he positively denies ever

197 Heinrich Hoffmann: Hitler wie ich ihn sah. Aufzeichnungen seines Leibfotografen, München 1974, S. 136: Laut Heinrich Hoffmann war Eva Braun mit Unterbrechungen von 1930 bis 1945 in seiner Firma beschäftigt. 198 NARA, Dietrich, Maria Almas: Interrogation, Kapitel IV. Relation to Hitler and the Nazi Party, S. 54 (8). S. auch Heike B. Görtemaker: Eva Braun. Leben mit Hitler, München 2010, S. 175f. 199 Freundlicher Hinweis von Sebastian Peters, München. 200 Lynn H. Nicholas: The Rape of Europa: the fate of Europe’s treasures in the Third Reich and the Second World War, New York 1994, S. 31. 201 BStGS, Archiv, Nr. 461: Kaufangebote durch Private 1942–45: Ernst Buchner an Heinrich Hoffman, 15.7.1942: Weiterleitung eines Angebotes des Bildhauers Fridolin Gedon; Gemälde von Fritz von Uhde. Buchner wollte das Bild nicht erwerben: „Ich möchte aber glauben, dass das Bild den Führer interessieren wird.“ 202 BArch Koblenz, B323/132, Bl. 22 fo. 103: Hermann Voss an Maria Dietrich, 11.1.1944 und fo. 102: Antwort Dietrich an Voss, 13.1.1944: „Herr Professor Hoffmann befindet sich zur Zeit nicht in München, ich werde Ihnen aber gerne Mitteilung machen, wenn ich von seinem Kommen weiss. Ich werde mich freuen, sie [sic] anlässlich eines Münchener Besuches auch bei mir im Geschäft begrüssen zu können.“ 52 having bought a picture expressly for Hitler or ever having presented a picture for sale himself. He never derived the slightest personal profit from any of this. In spite of these denials, the evidence shows that Hoffmann not only bought works of art, representing himself as an official representative of the Fuehrer, but also sometimes did a little picture dealing on the side for his own profit.“203 Im Linz-Bericht werden die Angaben präziser: „Bei gründlicher Durchsicht des Verzeichnisses der im Führerbau erhaltenen Kunstwerke von Reger wird ersichtlich, daß Hoffmanns Leugnung, etwas für Linz gekauft oder verkauft zu haben, leicht an der Wahrheit vorbeigeht. [...] Nicht weniger als 155 Gemälde gelangten auf sein Betreiben hin in den Führerbau. [...] 22 [...] wurden ‚über Prof. Hoffmann erhalten und vom Führer erworben‘. Die meisten anderen kamen ‚aus der Galerie Almas (Dietrich) und Prof. Hoffmann‘ oder der ‚Galerie Almas oder Prof. Hoffmann‘. In dem gemeinsamen Verzeichnis Hoffmann-Dietrich sind einige Nummern mit einem ‚H‘ versehen. Frau Dietrich erklärt dazu, daß sie die betreffenden Gemälde von Hoffmann erhielt. Eine Durchsicht der Hauptbücher von Frau Dietrich weist darauf hin, daß es sich bei den Linzer Nummern 1445 bis 1447 um drei Gemälde handelt, die von Hoffmann am 31. Januar 1941 für 29.500.- RM erworben und dann für 35.000.- Mark an Linz verkauft wurden. Auch als Hoffmann mit diesen Eintragungen im Verzeichnis konfrontiert wurde, leugnete er weiterhin jede andere Beziehung zu Linz als die eines uneigennützigen Mittelsmannes. Reger, Dietrich und Voss sind jedoch alle gegenteiliger Ansicht.“204 Die Überprüfung der entsprechenden Einträge ergab, dass zwischen 1940 und 1942 in mehreren Chargen insgesamt 79 Werke gemeinsam von Hoffmann und Dietrich für Linz eingeliefert wurden. Ein Großteil hiervon stammte aus den Niederlanden (vgl. Kap. 3.2 Niederlande).205 Unklar bleibt, in welchem Maße er finanziell von den gemeinschaftlichen und eigenständigen Geschäften profitierte, weshalb hier keine begriffliche Festlegung auf „Vermittler“ oder „Co-Händler“ getroffen wird.206

203 NARA, DIR Heinrich Hoffmann, S. 2f. 204 BStU, CIR 4, Bl. 74f. S. auch Roxan/Wanstall 1964, S. 90. Die Aussagen von Roxan/Wanstall beruhen weitestgehend auf NARA, CIR 4. Hanns Christian Löhr: Das Braune Haus der Kunst. Hitler und der „Sonderauftrag Linz“. Visionen, Verbrechen, Verluste, Berlin 2005, S. 127. 205 BStU, CIR 4, Auszüge aus dem Register von Hans Reger (Führerbau) in bezug [sic] auf Heinrich Hoffmann, Bl. 365f.: „Von der Almas-Galerie oder Prof. Hoffmann“: Linz-Nr. 1035–1053; Bericht ging am 23.9.1940 ein: 19 Werke / „Von der Almas-Galerie und Prof. Hoffmann“: Linz-Nr. 1099–1126; erworben am 16.10.1940: 28 Werke / „Prof. Heinrich Hoffmann und Dietrich“: Linz-Nr. 1129–1132, 1134–1145; am 6.11.1940 erworben: 16 Werke / „Von der Almas-Galerie und Prof. Hoffmann erworben“: Linz-Nr. 1438–1451; am 7.2.1941 und 20.2.1941 erworben: 14 Werke / „Durch Prof. Hoffmann über die Dietrich-Galerie erworben“: Linz-Nr. 2321, 2322: 9.5.1942 und 2.6.1942 und „durch den Führer“ am 10.6.1942 als erworben bestätigt: 2 Werke. 206 Sebastian Peters konnte im Bundesarchiv Koblenz immerhin vier Quittungen (inkl. Aufschlag) bezüglich einiger Ankäufe für Hitlers Gemäldesammlung aus dem Jahr 1934 ermitteln. 53

2.1.1 Kunstsammlung Heinrich Hoffmann

Wie Heinrich Hoffmann hatte Maria Dietrich eine professionelle Vorliebe für Münchner Historien- und Genredarstellungen des 19. Jahrhunderts. Im Laufe der Zeit baute Hoffmann eine dahingehend ausgerichtete Sammlung auf. Nach eigener Aussage gehörte ihm etwa die beste Spitzweg-Sammlung der Welt. Mit dem konsequenten Aufbau der Kollektion begann er wohl erst um 1930. Laut Sebastian Peters ist eine angebliche, bereits vor dem Ersten Weltkrieg angelegte Sammlung nicht zu belegen.207 Die Hoffmannʼsche Sammlung umfasste bei Kriegsende Gemälde und Aquarelle mit Landschafts-, Tier- und Genredarstellungen der Münchner Schule des 19. Jahrhunderts, von Niederländern des 16./17. Jahrhunderts sowie zeitgenössische (NS-konforme) Werke. Sebastian Peters zählt insgesamt 282 dokumentierte Gemälde und Aquarelle sowie zahlreiche weitere Objekte. Mit diesem Umfang gilt die Kollektion als eine der umfangreichsten Privatsammlungen in NS-Profiteurskreisen. Die Gemälde ließ Hoffmann 1941/42 in einem Fotoalbum dokumentieren.208 Hierin vermerkten die alliierten Kunstschutzoffiziere später auch Notizen zur Provenienz, die Heinrich Hoffmann und andere Personen in ihren Verhören angaben.

Hitler war über mehrere Jahre hinweg fast täglich Gast bei der Familie Hoffman und bewunderte dort, laut Hoffmann, dessen Sammlung: „Meine kleine Gemäldesammlung hatte es ihm angetan. Stundenlang konnte er vor den Bildern stehen, wobei seine besondere Vorliebe dem Maler Grützner gehörte.“209 bezeichnete Hoffmanns Haus bereits 1935 als Museum.210 Im August 1935 konnte der damalige Direktor der Kunsthalle Bremen, Emil Waldmann, Folgendes berichten: „Als ich in der Villa des Herrn Hoffmann ankam, begrüßten mich beide Herren und Herr Hoffmann äußerte, mit einem Blick auf die Wände seines Zimmers, das vollstand mit 5 Gemälden von Lenbach, weiteren von Grützner und anderen, ‚Es sieht hier aus wie bei einem Kunsthändler, aber das bin ich nicht, der Führer hat mich nur beauftragt ihm wertvolle deutsche Gemälde zu besorgen.‘“211

207 Peters 2018, S. 126. 208 Peters 2018, S. 123. Vgl. Birgit Schwarz: Geniewahn. Hitler und die Kunst, Wien 2009, S. 99: Schwarz geht noch von mindestens 283 Gemälden und Aquarellen deutscher und österreichischer Meister aus. BArch Koblenz, B323/203: Gemälde aus dem Besitz des Fotografen Heinrich Hoffmann, Bd. 1: Gemälde und Kunstbesitz Professor Heinrich Hoffmann München, o. D., handschriftliche Erläuterungen durch die Treuhandverwaltung von Kulturgut München (teilweise mit Mü-Nr. versehen) und rückseitige Beschriftung der Fotos (nur teilweise lesbar, da diese eingeklebt sind). Zu den Nr. 279–283 gibt es keine Abbildung, die Nr. 282 ist leer. Daher berichtet Peters von 282 und nicht 283 im Album enthaltenen Nummern. 209 Hoffmann 1974, S. 29. S. auch Schwarz 2009, S. 99 und Schwarz 2014, S. 28f. 210 Schwarz 2009, S. 99. Schwarz bezieht sich auf das Tagebuch von Joseph Goebbels, Eintrag vom 21.8.1935, zit. n. Reuth 1992, S. 877: „Bei Hoffmanns Essen. Er hat als Haus ein kleines Museum. Viel erzählt und gelacht.“ 211 Archiv der Kunsthalle Bremen, Gutachten, 1934–1935: Emil Waldmann an Kommerzienrat Allmers (Reichsverband der Automobilindustrie), Berlin, 17.8.1935. 54

Zweimal ließ Hoffmann Teile seiner Privatsammlung publizieren: Im Dezember 1942 erschien in seiner Zeitschrift „Kunst dem Volk“ ein reich bebilderter Text von Gert Adriani, der mit „Eine Münchner Privatsammlung“ betitelt war.212 Mindestens zwei der Abbildungen zeigen Werke, die Hoffmann von Maria Dietrich erworben hatte („An der Tränke“ von Friedrich Voltz, „Flötenspieler“ von E. Zimmermann). Eine weitere Lobpreisung der Sammlung war bereits 1938 in „Der Angriff“ erschienen.213

Für den Aufbau seiner Sammlung nutzte Hoffmann unterschiedliche Erwerbsquellen. Während der NS-Zeit frequentierte er in Deutschland diverse Kunsthändler:innen, vor allem in München und Berlin. Hierzu gehörten Walter Andreas Hofer, Karl Haberstock, die Galerie Heinemann (bzw. Zinckgraf), die Hofkunsthandlung Stuffler und Paula von Kosel.214 Die wichtigste Händlerin, die der Erweiterung seiner Sammlung diente, war jedoch Maria Dietrich. Laut des bereits angeführten Fotoalbums können mindestens 52 Gemälde (von 282) in Heinrich Hoffmanns Sammlung mit Maria Dietrich assoziiert werden. Diese Anzahl bezieht sich auf den Entstehungszeitpunkt des 1941/42 angefertigten Fotoalbums und die darin vermerkten Herkunftsangaben. Dietrich ist darin die am häufigsten genannte Händlerin; entweder heißt es „bought by Dietrich“ oder „probably from Dietrich“.215 Darüber hinaus ließ sich durch den Abgleich mit einer (nicht betitelten und undatierten) Liste in der Archivalie B323/374 im Bundesarchiv Koblenz feststellen, dass darin vier weitere Werke aufgeführt sind, die im Album nicht mit der Galerie Almas assoziiert wurden sowie 17 weitere Gemälde.216 Demnach gelangten insgesamt mindestens 73 Gemälde über Dietrich in die Sammlung von Heinrich Hoffmann. Da diese Angabe auch auf Hoffmanns Aussagen beruht, mit denen er Dietrich als Einlieferin der betreffenden Werke in Verbindung brachte, kann es sich durchaus um mehr Werke als die eben genannten 73 Stück handeln, die von Dietrich an Hoffmann transferiert worden sind. Denn häufig steht im Album nur „bought in Munich“ und wenigstens für einen Fall ergab der Abgleich der Quellen, dass auch hinter dieser

212 Kunst dem Volk, Jg. 13, H. 12, Dezember 1942, S. 10–28, hier S. 13: „Auch die Münchener Sammlung, von der hier die Rede ist, und die neueren Datums ist, trägt deutlich erkennbar das Gepräge persönlichster Liebhaberei. Die frühen Maler des 19. Jahrhunderts spielen darin keine Rolle. Vielmehr steht im Mittelpunkt der Sammlung die Malerei des bürgerlichen Naturalismus in der Jahrhundertmitte. Münchener Kunst überwiegt durchaus und für die Kenntnis der Maler dieser Stadt von 1850 bis an das Ende des Jahrhunderts bietet sie reichstes Material.“ Es werden in dem Artikel mehrere Vergleiche zu Privatsammlern hergestellt, die ihre Sammlungen der Öffentlichkeit vermacht haben. 213 Wilhelm Utermann: „Könner der Kamera – Kenner der Kunst. Die Gemäldesammlung des Reichsbilderstatters Heinrich Hoffmann“. In: Der Angriff, 9./10.7.1938, o. S. [Artikel abgebildet in Peters 2018, S. 128f.]. 214 Peters 2018, S. 130. 215 BArch Koblenz, B323/203: Gemälde aus dem Besitz des Fotografen Heinrich Hoffmann. 216 BArch Koblenz, B323/374: Rück- und Freigabe von Kunstwerken, Rückerstattungs- und Wiedergutmachungsverfahren 1945–1970, Bd. 18: Einzelfälle Hinkes-Hoffmann (1947–1958), Bl. 256–279, 388–398: Heinrich Hoffmann collection, 21.4.1947, gez. Edwin C. Rae: „Inclosed is a list of art objects in Heinrich Hoffmann’s Collection. The list was compiled during an interrogation of Hoffmann 29 March 1947. Although its complete accuracy is not claimed, it is believed that the list may be used as a working hypothesis: Hoffmann paintings.” Ein Aquarell von Rudolf Alt (Nr. 151) wurde bei dieser Zählung berücksichtigt. 55

Bezeichnung möglicherweise ein von Dietrich erworbenes Werk steht (Sammlung Hoffmann, Nr. 75). Dementsprechend kann keine präzisere Zahl der von Dietrich an Hoffmann vermittelten Stücke eruiert werden, zumal in den betrachteten Quellen lediglich Gemälde und mitunter Aquarelle behandelt wurden. Außerdem soll festgehalten werden, dass Heinrich Hoffmann während seiner Befragungen bei drei Werken angab, dass er sie (wohl) 1931 bei Dietrich erworben hätte, obwohl es bislang keine eindeutigen Hinweise darauf gibt, dass sich Hoffmann und Dietrich zu diesem Zeitpunkt bereits gekannt haben.217 Grundsätzlich besteht der Verdacht, dass es sich bei manchen Zugängen in die Hoffmann’sche Sammlung um „Reste“ handelte, die Dietrich nicht für den „Sonderauftrag Linz“ verwerten konnte. Vier Bilder von Hubert Robert (Sammlung Hoffmann, Nr. 1–4) muten u. a. aufgrund ihrer Sujets an, ursprünglich für Linz gedacht gewesen zu sein. Ein niedrigpreisiges Bild des Künstlers Peter Kalman, „Zigeunerin“ (Sammlung Hoffmann, Nr. 148), kursiert heute im Kunsthandel.218

Erwerbungen für Heinrich Hoffmann tätigte Maria Dietrich nicht nur in Deutschland, sondern auch in Österreich, Frankreich und den Niederlanden. In Wien kaufte sie die entsprechenden Werke in der St. Lucas-Galerie219, in der Kunsthandlung Wolfrum und im Dorotheum. Auch mehrere Gemälde aus Wiener Privatbesitz wurden über Maria Dietrich an Hoffmann vermittelt.220 Darüber hinaus findet sich im Fotoalbum mehrmals die Bezeichnung „aus Wien“, hinter der jeweils auch eine Erwerbung Dietrichs in Wien stehen könnte. In Frankreich trat Dietrich manchmal als Hoffmanns „buying agent“221 auf. Jedoch stammten nur relativ wenige von Hoffmanns Ankäufen aus dem besetzten Frankreich. Lediglich 13 Bilder wurden nach Kriegsende nach Frankreich restituiert.222 Mindestens vier dieser Werke brachte Dietrich aus Paris nach München. Darunter findet sich ein prägnantes Gemälde aus der École de Fontainebleau, „Diane de Poitiers en Diane“ (MNR 17). Am 10.4.1941 hatte Dietrich es für 140.000.- F bei Larcade in Paris für Heinrich Hoffmann erworben (Sammlung Hoffmann, Nr. 97).223

217 Sammlung Hoffmann, Nr. 75: Friedrich Voltz „Landschaft mit Kühen an der Tränke“ (s. BArch Koblenz, B323/374, Bl. 270), Nr. 110: Pieter Brueghel d. J. „Der Drehorgelspieler im Dorf“ (BStGS), Nr. 127: F. A. Kaulbach „Dreaming Girl“ (B323/374, Bl. 393). 218 S. Mehlis Auktionen, Plauen (http://www.mehlis.eu/de/catalogs/8216/item/4602/ – zuletzt besucht am 19.3.2019). Freundlicher Hinweis von Christopher Galler, Celle. 219 BArch Koblenz, B323/203: Bsp. Sammlung Hoffmann, Nr. 140 (Mü-Nr. 1787/8): „[…] bought probably from Frau Dietrich probably St. Lucas, Vienna“. 220 Peters 2018, S. 131. 221 NARA, DIR Heinrich Hoffmann, S. 7. 222 Peters 2018, Fußn. 40. 223 BArch Koblenz, B323/203: außerdem Sammlung Hoffmann, Nr. 85 Andrews „Badende“ für 600.- RM aus Paris, Nr. 82 Dietricy „Karneval“; Mü-Nr. 7462 „bought from Dietrich, ret. to France unkn. owner“, Nr. 97 ohne Künstler; Mü-Nr. 27876, „bought from Dietrich, rest. to France (unknown owner)“. 56

Aus den Niederlanden bezog Hoffmann durch die Vermittlung Maria Dietrichs oder vice versa Gemälde und Teppiche über Alois Miedl (weitere Informationen dazu in Kap. 3.2). Der Eintrag im Fotoalbum zu Nr. 144 (Mü-Nr. 7463) lautet „probably from Holland through Dietrich“.

Der Fotograf erhielt Geschenke in Form von Kunstwerken; etwa von Persönlichkeiten wie Karl Haberstock, Alois Miedl und Friedrich Zinckgraf. Auch Maria Dietrich schenkte ihrem Freund und Geschäftspartner mindestens ein Gemälde: „Im Atelier“ von Anton von Werner (Sammlung Hoffmann, Nr. 51). Das bereits erwähnte Gemälde „Flötenspieler“ von E. Zimmermann (Sammlung Hoffmann, Nr. 185) war „Mrs. Dietrich’s birthday present to Mr. Bauer“, dem Geschäftsführer Heinrich Hoffmanns.224 Trotzdem wurde das Bild offenbar als Bestandteil der Sammlung Hoffmann geführt.225

Gelegentlich veräußerte Heinrich Hoffmann Teile seiner Sammlung, etwa im Berliner Auktionshaus Hans W. Lange zwischen dem 27. und 29.1.1943. Unter der Einlieferer-Nr. 70 wurden hier 24 Objekte zur Versteigerung gebracht, die er teilweise zuvor günstig von der Dienststelle Mühlmann aus den Niederlanden erworben hatte. Zudem verschenkte er einige Stücke an Hitler und an andere Personen. Nr. 255 des Fotoalbums, Carl Spitzwegs „Die erste Eisenbahn“, hatte er von der Galerie Almas erstanden und später an den Minister Julius Dorpmüller weitergegeben, von dem es wiederum an Hitler gelangte.226

Gegen Kriegsende lagerte Heinrich Hoffmann seine Kunstsammlung unter anderem auf seinem Gutshof „Heinrichshof“ in Gufflham bei Altötting aus.227 Beschlagnahmt durch die Alliierten gelangte die Sammlung in den Münchner Central Collecting Point. Bis 1949 erfolgte durch den CCP die äußere Restitution von drei Dutzend Werken der Sammlung Hoffmann, 22 davon in die Niederlande. Innerhalb Deutschlands wurden drei Objekte restituiert.228 Parallel wurden Kunstgegenstände von Mitgliedern der Familie Hoffmann mit dem Argument zurückverlangt, dass es sich um ihr Eigentum und nicht um das des verurteilten Heinrich Hoffmanns handeln würde. Eidesstattliche Erklärungen zur Klärung der

224 Michael Bauer leitete den gesamten Verlag und führte die meiste Geschäftskorrespondenz. Freundlicher Hinweis von Sebastian Peters. S. auch BArch Koblenz, B323/374, Bl. 270f. 225 S. auch Abbildung in der Sammlungspräsentation in: Kunst dem Volk, Dezember 1942, S. 25. 226 BArch Koblenz, B323/374, Bl. 268. 227 BArch Koblenz, B323/91, Einlieferung von Kunstobjekten im Central Collecting Point München 1945–1949, Bd. 1 (1945–1946), Bl. 396f., 436–439, 566f.: Listen mit ausgelagerten Werken in Gufflham, v. a. Hausrat, Kunstwerke, teilweise mit Angabe von Künstlernamen und Mü-Nr. 228 Peters 2018, S. 133ff.: weitere biografische Daten und Details zur Sammlung nach Mai 1945. 57

Eigentumsverhältnisse lieferten Hoffmann und seine Familie selbst sowie u. a. auch Maria Dietrich und ihre Tochter Mimi tho Rahde.229 Erste Werkrückgaben an die Familie Hoffmann erfolgten bis 1950. Durch die Übertragung der im CCP verbliebenen Werke in deutsche Hände gingen bis 1953 insgesamt 269 Hoffmann’sche Objekte in den Besitz des Freistaates Bayern über. 13 Objekte verblieben bei der Treuhandverwaltung für Kulturgut beim Auswärtigen Amt, da weiterhin die Möglichkeit einer Restitution ins Ausland bestand.230 Ein erheblicher Teil der Sammlung wurde dann tatsächlich bis Ende der 1950er Jahre an Hoffmann selbst und seine Familie zurückgegeben. Hierzu gehörte auch Carl Spitzwegs „Der Porträtmaler/„Das Atelier“ (Sammlung Hoffmann, Nr. 71, Mü-Nr. 27878), das sich heute im Museum Schäfer, Schweinfurt, befindet.231 Vermutlich aus der Hannover’schen Sammlung Sprengel gelangte das Bild über Maria Gillhausen um 1940 an Maria Dietrich und von hier aus an Heinrich Hoffmann bzw. dessen Sohn Heinrich Hoffmann jr.232 In Hoffmanns Fotoalbum von 1941/42 ist es noch Teil seiner Sammlung. 1944 bat der Vater seinen Sohn jedoch um den Tausch seines Hochzeitgeschenks, Spitzwegs „Der Hochzeiter“, gegen sein Bild „Der Porträtmaler“. Aus dem CCP wurde das eingetauschte Bild Hoffmann jr. schließlich nach einem längeren Prozedere 1953 zurückgegeben.233 Da im behandelten Zeitraum zwei Versionen von Spitzwegs „Porträtmaler“ im Kunsthandel kursierten, wurde vor der Rückgabe geprüft, ob es sich bei der Hoffmann’schen Variante möglicherweise um diejenige handelte, die in München in den 1930er Jahren angeboten worden war. Denn Mimi tho Rahde brachte die Provenienz Zinckgraf in einer 1949 verfassten eidesstattlichen Erklärung ins Gespräch: „Das Gemälde von Carl Spitzweg ‚Im Atelier‘, das H. Hoffmann in unserer Firma ca. 1940 erworben hat, stammt aus dem Privatbesitz von Frau Maria Gillhausen, München, Leopoldstrasse. Früher soll es im Besitz der Firma Zinckgraf gewesen sein.“234 Aus einer Notiz von Eberhard Hanfstaengl geht jedoch hervor, dass die Galerie Heinemann (später Zinckgraf) die etwas größere Version, die die Maßangaben 27 x 48 cm aufweist, bereits am 8.11.1935 an „Frau Kom. Rat L. Oetker, Johannesberg 2, Bielefeld“ verkauft hatte.235 Jenes Bild stammte aus dem Besitz des Baurats Karl Janisch, Berlin.

229 Peters 2018, Fußn. 67. 230 Peters 2018, S. 136. 231 Freundliche Hinweise von Sibylle Ehringhaus, Berlin. 232 BArch Koblenz, B323/374, Bl. 332: Eiddesstattliche Erklärung von Maria Dietrich, 23.6.1950: „Ich erkläre an Eidesstatt, dass Herr Heinrich Hoffmann von mir, das im Spitzweg-Werk von Eugen Kalkschmidt auf Tafel IX abgebildete Bild v. C. Spitzweg ‚Im Atelier‘ (Der Porträtmaler) gekauft hat. Der Vorbesitz des Bildes war auch nicht jüdisch.“ Ob das Bild von Heinrich Hoffmann jr. direkt an Georg Schäfer verkauft wurde, bleibt zu klären. 233 BArch Koblenz, B323/374, Bl. 289, 292–303, 345, 348, 354: Hinweise zur Rückgabe des Bildes an die Familie Hoffmann. 234 BArch Koblenz, B323/374, Bl. 354: Mimi tho Rahde für Galerie Maria Dietrich, Eidesstattliche Erklärung, 23.8.1949. 235 Galerie Heinemann online, Kunstwerk-ID 10726. 58

Über die kleinere Version von Hoffmann mit den Maßen 22 x 40,5 cm hatte Zinckgraf jedoch am 11.10.1940 für Maria Dietrich ein Gutachten abgegeben und darin die Echtheit bestätigt. Hanfstaengl notierte sodann: „Von Seiten Heinemann liegt kein Anspruch auf das Bild vor. Frau Almas hat das Gemälde von Maria Gillhausen gekauft – die Anfrage dort verlief ergebnislos, da Graf Hollnstein [sic] über diesen Verkauf nichts weiß und auch keine Aussicht mehr besteht Näheres darüber zu erfahren seit dem Tod der Frau Gillhausen.“236

Weitere Gegenstände, die über die Galerie Almas in den Hoffmann’schen Familienbesitz gelangten, können mit Heinrich Hoffmann jr. assoziiert werden und waren vermutlich in seinem Besitz. Die Frage danach, ob es sich wirklich um seinen oder verdeckten Besitz seines Vaters handelte, kann hier nicht weiterverfolgt, lediglich festgestellt werden, dass einige Werke auch im Fotoalbum der Sammlung Hoffmann auftauchen. In ANLAGE 4 werden diese Gegenstände aufgeführt. An dieser Stelle sei nur eine Waffensammlung (Mü-Nr. 46420– 46427) erwähnt, die 1937 wohl durch Heinrich Hoffmann jr. bei der Galerie Almas erworben worden war.237

In den Bayerischen Staatsgemäldesammlungen wurden aus der ehemaligen Sammlung Hoffmann temporär neun Werke aufbewahrt, die Hoffmann von Maria Dietrich erworben hatte (s. ANLAGE 4). Im November 1956 wurden die Staatsgemäldesammlungen angewiesen, Hoffmann seine Sammlung auszuhändigen. Bei den BStGS () ist allerdings Ferdinand Georg Waldmüllers „Junge Bäuerin mit drei Kindern am Fenster“ verblieben und wird bis heute ausgestellt (Inv.-Nr. 12895, Öl auf Leinwand, 84,6 x 67,5 cm, 1840).238 Nach Kriegsende war dieses Bild Teil der 13 Werke, die beim Auswärtigen Amt lagerten, um ggf. ins Ausland restituiert zu werden. Diese Werke hatte man von der Auseinandersetzung um Hoffmanns Vermögen bis 1956 ausgenommen. Das Bayerische Finanzministerium übertrug das Waldmüller-Gemälde an das Kultusministerium, das es 1959 an die Bayerischen Staatsgemäldesammlungen überwies.239 Henriette Hoffmann versuchte noch 1962 erfolglos das Gemälde zurückzukaufen.

236 BArch Koblenz, B323/374, Bl. 345: Notiz Eberhard Hanfstaengl, 5.12.1949 (?): Betrifft: Spitzweg ‚Der Porträtmaler oder im Atelier‘ 1944 von Heinrich Hoffmann seinem Sohn zur Heirat geschenkt. Bl. 348: Die Jahresangabe 1944 bezieht sich auf eine Angabe von Heinrich Hoffmann jr.: Betrifft: Freigabe von Kunstgegenständen, September 1949: Gemälde von Spitzweg – ‚Im Atelier‘ (oder ‚Der Hochzeiter‘): „Zu meiner Hochzeit schenkte mir und meiner Frau mein Vater das Bild ‚Der Hochzeiter‘. 1944 bat er mich jedoch um einen Tausch. Ich bekam das Bild ‚Im Atelier‘“. 237 BArch Koblenz, B323/374, Bl. 348: Freigabe von Kunstgegenständen, September 1949: „Eine Waffensammlung. bestehend aus 8 Speeren, 5 Schwertern, 1 Gewehr und einer Pistole. Erworben von der Galerie Almas-München (‚aus arischem Besitz‘).“ 238 BArch Koblenz, B323/374, Bl. 317: Evakuierte Bilder von Hoffmann, o. D. Von Heinrich Hoffmann wurde das Waldmüller-Gemälde bei Georg Spitz, Beuerberg/Simsee, ausgelagert. 239 Peters 2018, S. 138. Seit 2013 forschen die BStGS zu den „Überweisungen aus Staatsbesitz“. 59

Zur Provenienz sind bislang folgende Stationen bekannt: Das Bild wurde 1841 in der Wiener Akademie (Nr. 316) und 1865 im Österreichischen Kunstverein (als Besitz Dr. Johann R. von Seeburger) ausgestellt. Am 24.1.1906 wurde es in einer Auktion bei Wawra, Wien (Los 91, Einlieferer Alois Spitzer) angeboten und befand sich laut dem Werkverzeichnis von Roessler/Pisko mindestens seit 1907 im Besitz von Louis Brettauer, Wien. Laut ihrer Fundmeldung in der Lost Art-Datenbank vermuten die Bayerischen Staatsgemäldesammlungen einen Übergang von dessen Witwe Therese Brettauer an Maria Dietrich am 11.6.1938.240 Doch möglicherweise gehörte das Gemälde – oder eine sehr gute Kopie des Motivs – mindestens 1937 zur Sammlung des Magdeburger Fabrikanten Max Arthur Ebering (1877–1946), der es in diesem Jahr in seinem Sammlungskatalog abbildete.241 Auf dem Titel der Aprilausgabe 1941 von „Kunst dem Volk“ erschien das Bild mit dem Zusatz „Privatbesitz“.242 Zu diesem Zeitpunkt handelte es sich wohl bereits um Heinrich Hoffmanns Privatbesitz (Sammlung Heinrich Hoffmann, Nr. 77). Laut Hoffmann kam das Bild (Mü-Nr. 7460) „from Vienna fr. Dietrich after 1938“, was wiederum für Therese Brettauer als Vorbesitzerin sprechen würde.243 Wohl aufgrund Hoffmanns Aussage war das Werk zunächst für die äußere Restitution vorgesehen. Geht man davon aus, dass das Gemälde sich 1937 tatsächlich bei Ebering in Magdeburg befand, dann erscheint eine Einfuhr um 1938 aus Österreich aber als recht unwahrscheinlich. In diesem Fall wäre es denkbarer, dass Maria Dietrich das Gemälde direkt von Ebering gekauft hatte, wie ferner ein Gemälde von Carl Gustav Carus, „Gartenbank mit aufgeschlagenem Buch vor einer Holunderhecke“ (Linz-Nr. 2955), welches sie im Juli 1943 von Ebering erwarb, nachdem es in einer Auktion von Hans W. Lange, Berlin, nicht verkauft worden war.

240 Arthur Roessler/Gustav Pisko (Hg.): Ferdinand Georg Waldmüller. Sein Leben, sein Werk und seine Schriften, Wien 1907, S. 146. S. auch Rupert Feuchtmüller: Ferdinand Georg Waldmüller 1793–1865. Leben, Schriften, Werke, Wien 1996, Nr. 634: Louis Brettauer, Wien (1907) ist hier als letzter Vorbesitzer angegeben. Feuchtmüller erwähnt als Besitzer vor Brettauer noch Dr. Johann R. von Seeburger; vgl. Lost Art-ID 477460 und Provenienz laut BStGS, Stand 12.4.2021. 241 Die im Sammlungskatalog (o. S.) abweichenden Maßangaben (31,5 x 28,5 cm) sind unrealistisch, da das Bild demnach fast quadratisch sein müsste. In Eberings Besitz befanden sich auch mehrere Gemälde u. a. von , Max Liebermann, , Hans Thoma. Arthur Ebering trat als Käufer und Anbieter bei der Galerie Heinemann auf, zudem bot ihm diese mehrmals Bilder an. Im Sammlungskatalog von 1937 ist auch das Gemälde „Kloster Scholastica“ von Carl Blechen aufgeführt, das 2015 an die Erben nach Rudolf Mosse restituiert wurde. S. hierzu Tessa Friederike Rosebrock: Carl Blechen „Blick auf das Kloster Sta. Scolastica bei Subiaco“, 1832. Provenienzforschung und Ausstellung zur Kunstsammlung Rudolf Mosse an der Staatlichen Kunsthalle , S. 6–12. In: Provenienz & Forschung, 1/2017, hier S. 9. Darin ist angegeben, dass das Werk erst 1938 von Ebering angekauft wurde. Stadtarchiv Magdeburg, Rep. 45 / HRB 1756, Bd. 1, Bl. 152: Max Arthur Ebering war evangelisch und Direktor der Magdeburger Mühlenwerke, Nudel- und Couleur-Fabrik AG. 242 Kunst dem Volk, Jg. 12, H. 4, April 1941, S. 54–65: Beitrag zu Waldmüller von Hans Herbst. 243 BArch Koblenz, B323/374, Bl. 388–398, hier Bl. 391: Heinrich Hoffmann collection. 60

2.2 Tätigkeit für Adolf Hitler vor dem Einsatz des „Sonderauftrag Linz“

Yet, while all signs were pointing toward Dachau rather than the Fuehrerbau, Frau Almas grew to become Hitler’s foremost art dealer. There were several reasons for this unparalleled rise: Hitler felt at home with her in matters of taste, education and knowledge of art; she was possessed of an enormous business drive, and because of her past could ill afford the slightest dishonesty.244

Es ließ sich bereits feststellen, dass die familiären Umstände Maria Dietrichs in jeder Hinsicht einer erfolgreichen Karriere zwischen 1933 und 1945, stets tätig „im Auftrag des Führers“, entgegenstanden. Die Wertschätzung Hitlers und der Einsatz Heinrich Hoffmanns müssen daher als ein Grund für ihren Erfolg gesehen werden. Bereits einige Jahre vor der Einführung des „Sonderauftrags Linz“ im Jahr 1939 wurde Dietrich für Adolf Hitler tätig.245 Sie gab nach Kriegsende zu Protokoll, dass der erste Verkauf an Hitler 1936 zustande kam und dass dieser von Heinrich Hoffmann vermittelt worden war: „Dietrich tells how one night in 1936 she received a call from Hoffmann who saked [sic] her to come at once with pictures to his apartment where Hitler wanted to see them. The sale resulting from this showing started Dietrich’s business connection with Hitler which became closer after the Linz project was launched in 1938 [sic].“246 Wie wir später sehen werden, ist diese Aussage Teil einer direkt nach Kriegsende einsetzenden absichtlichen oder unbewussten Unschärfe, die verlangt, dass sämtliche Aussagen Dietrichs (und anderer Kunsthändler:innen) überprüft werden sollten. Die Geschäftsbeziehung Dietrich/Hitler entstand nämlich bereits früher, worauf im Anschluss an den folgenden Exkurs eingegangen wird. Im besagten Jahr 1936 verkaufte Maria Dietrich aber Arnold Böcklins „Toteninsel“ von 1883 (die dritte von insgesamt fünf Fassungen) an Adolf Hitler.

Exkurs: Erwerb der „Toteninsel“ von Arnold Böcklin

In den bedeutenden Ankauf der „Toteninsel“ von Arnold Böcklin für die Reichskanzlei war Maria Dietrich neben diversen anderen Personen eingebunden. Der mehrdimensionale Fall wird hier erstmals so vollständig wie möglich dargestellt, um die Komplexität der Erwerbung aufzuzeigen.

244 Edgar Breitenbach: Historical Survey of the Activities of the Intelligence Department, MFA & A Section, OMGB, 1946– 1949. In: College Art Journal, 2/1949/50, Winter, S. 193. 245 S. u. a. BArch Koblenz, B323/158, Kunstankäufe der Reichskanzlei („Führerankäufe“) beim Haus der Deutschen Kunst in München und bei der Kunsthandlung Maria Dietrich (Galerie Almas), München 1937–1938, Bl. 3–46, 56f., 65, 68f., 77f., 83f., 98f., 107–111. 246 NARA, Dietrich, Maria Almas: Interrogation, S. 52 (6). 61

Von 1931 bis 1936 war Arnold Böcklins „Toteninsel“ Bestandteil der Schweizer Sammlung Sturzenegger, St. Gallen. Eduard Sturzenegger (1854–1932) hatte das Bild am 9.12.1931, kurz vor seinem Tod, bei der Galerie Heinemann, München, für 52.000.- RM erworben.247 Die Sturzenegger’sche Gemäldesammlung war bereits 1926 der Stadt St. Gallen geschenkt worden. Die definitive Übergabe der Schenkung erfolgte nach mehrfacher Veränderung durch den Donator 1932 und wird seither im Kunstmuseum St. Gallen aufbewahrt. Mitte der 1930er Jahre fand eine im Auftrag der Stadt St. Gallen vorgenommene Reorganisation der Sammlung Sturzenegger durch den Kunsthistoriker Walter Hugelshofer statt. Für die aus diesem Prozess resultierenden Veräußerungen war über mehrere Jahre hinweg Fritz Nathan (1895–1972) von der Ludwigsgalerie, München, zuständig, der als Spezialist für die deutsche Malerei des 19. Jahrhunderts etwa 60 Werke der Gemäldesammlung verkaufte oder eintauschte und aus den Erlösen neue Bilder für die Schweizer Sammlung erwarb.248 Für in Deutschland verkaufte Werke wurden andere Bilder in Deutschland erworben.249 Nach der Machtübernahme durch die Nationalsozialisten war Fritz Nathan 1935 gezwungen, von der Brienner Straße in die Ottostr. 5, nur ein paar Hausnummern von der Galerie Almas entfernt, zu ziehen. Ebenfalls 1935 ereilte ihn das bereits thematisierte Berufsverbot für jüdische Kunsthändler:innen, das zu seiner Emigration nach St. Gallen im Februar 1936 führte. Bereits 1935 hatte er seiner Mitarbeiterin Käthe Thäter (verh. Brunner) die Münchener Kunsthandlung überschrieben. Vor und nach seiner Emigration agierte er als eine „Scharnierstelle des Kunsthandels zwischen Deutschland und der Schweiz“.250 Auch wenn sich das Bild 1936 zwischenzeitlich in der Ludwigsgalerie in München befunden haben soll, spielte Nathan laut eines in St. Gallen aufbewahrten Dossiers bei dem Transfer der „Toteninsel“ eine eher untergeordnete Rolle.251 Die „Toteninsel“ war von den Sturzenegger-Erben 1935/36 nach einigem Zögern der Stadt St. Gallen zum Verkauf überlassen worden. Tisa/Heuß/Kreis schreiben, dass beabsichtigt war, die „Toteninsel“ aus der Sammlung Sturzenegger von der Berliner Nationalgalerie erwerben

247 Galerie Heinemann online, Kunstwerk-ID 950. Isabella Studer-Geisser/Daniel Studer: Die Sturzeneggersche Gemäldesammlung, St. Gallen 1998, S. 12: Galerie Fleischmann, München; gemeint ist wohl Rudolf Heinemann. 248 Studer-Geisser/Studer 1998, S. 10ff. Johannes Nathan: Fritz Nathan, München/St. Gallen, S. 169–177. In: Andrea Bambi/Axel Drecoll (Hg.): Alfred Flechtheim. Raubkunst und Restitution, in Zusammenarbeit mit Andrea Baresel-Brand, Berlin 2015, hier S. 174. 249 Esther Tisa Francini/Anja Heuß/Georg Kreis: Fluchtgut – Raubgut. Der Transfer von Kulturgütern in und über die Schweiz 1933–1945 und die Frage der Restitution, Zürich 2001, S. 111ff.: „Transferverhältnisse“; Genehmigungen für Tauschgeschäfte mussten bei der deutschen Devisenstelle und der Schweizer Verrechnungsstelle eingeholt werden. 250 Nathan 2015, S. 170, 175. Fritz Nathan: Erinnerungen aus meinem Leben, Zürich 1965, S. 68. 251 Freundliche Mitteilung von Johannes Nathan, Zürich/Potsdam: Johannes Nathan bestätigte, dass Fritz Nathan dieses Geschäft betreffend wohl lediglich eine Vermittlerrolle zukam. Das Bild ist nicht unter den durch die Firma verkauften Werken dokumentiert. Hiervon unabhängig, findet sich kein Eintrag zu Maria Dietrich in den Terminkalendern von Fritz Nathan. S. zur Provenienz smb-digital.de (http://www.smb- digital.de/eMuseumPlus?service=ExternalInterface&module=collection&objectId=967648&viewType=detailView – zuletzt besucht am 25.3.2019) und Schwarz 2009, S. 152f. 62 zu lassen: „Je länger die Verhandlungen dauerten, desto weniger war die Nationalgalerie, die in dieser Zeit von Angeboten nur so überhäuft wurde, bereit, in Devisen zu zahlen, wie die ursprüngliche Abmachung lautete. Schliesslich wurden Markbeträge der Galerie Heinemann freigestellt, um innerhalb des ‚Reiches‘ Kunst anzukaufen.“252 Es ist nicht eindeutig ersichtlich, warum die Autor:innen von einem Interesse der Nationalgalerie ausgehen. Auf einen Zusammenhang der Sturzenegger’schen Sammlung und der Berliner Nationalgalerie wird später noch weiter eingegangen. Die zentrale Rolle bei der Abwicklung der Transaktion spielte auf deutscher Seite Franziska Heinemann (1882–1940), die seit 1929, dem Todesjahr ihres Ehemannes Theobald Heinemann, Geschäftsführerin der Münchner Galerie Heinemann war.253 Wie bereits erwähnt, hatte Eduard Sturzenegger das Bild 1931 bei der Galerie Heinemann erworben. Über das Dossier im Stadtarchiv St. Gallen lässt sich der nur wenige Jahre später abgewickelte Verkauf aus dem Sturzenegger’schen Besitz streckenweise chronologisch rekonstruieren. Aus dem im Dossier enthaltenen Schriftwechsel zwischen der Galerie Heinemann, Konrad Nägeli und Walter Hugelshofer werden die mühsamen Verkaufsverhandlungen von mindestens Oktober 1935 bis Juni 1936 deutlich, die zum einen mit dem langwierigen Ringen um die Art der Finanzierung und zum anderen durch das anscheinend abnehmende Interesse des Kunden, aber auch der Verkäufer zu begründen sind. Der Interessent wird nicht eindeutig benannt, aber dass es sich von Anfang an um Adolf Hitler bzw. einen direkten Vermittler handelte, ist wahrscheinlich und wurde im Verlauf der Verhandlungen mehrmals angedeutet.254

Am 24.10.1935 schrieb Franziska Heinemann aus München zuversichtlich an Walter Hugelshofer nach Zürich, dass die „Toteninsel“ zur Ansicht nach München gesandt werden solle: „Ich bin überzeugt, dass die Bezahlung, sofern das Bild meinem Kunden gefällt, keine Schwierigkeiten machen wird [...].“255 Allerdings teilte sie ihrem Verhandlungspartner auf Schweizer Seite, Stadtammann (schweizerisch für Gemeindepräsident oder Bürgermeister) Konrad Nägeli, erst einige Monate später, am 11.2.1936, mit, dass das Bild nun bei der Allianz mit einem Wert von 60.000.- RM versichert wäre und der Transport zeitnah

252 Tisa/Heuß/Kreis 2001, S. 114. 253 Birgit Jooss: Galerie Heinemann. Die wechselvolle Geschichte einer jüdischen Kunsthandlung zwischen 1872 und 1938, S. 69–84. In: Anzeiger des Germanischen Nationalmuseums, Nürnberg 2012, hier S. 11ff. Ausst.-Kat. Die Schwarzen Jahre. Geschichten einer Sammlung 1933–1945, Hamburger Bahnhof Berlin, hg. von Dieter Scholz und Maria Obenaus, Berlin 2015, S. 173: Auch Scholz weist auf die zentrale Rolle von Franziska Heinemann hin. 254 Stadtarchiv St. Gallen, 450_XVII: Dossier Sturzeneggerʼsche Gemäldesammlung, 3. Transaktion; Verkauf des Bildes „Toteninsel“ von Arnold Böcklin, Korrespondenz mit der Galerie D. Heinemann in München (kurz: Dossier). 255 Dossier, Bl. 1. 63 geschehen solle, da ihr Interessent das Bild in München besichtigen wolle.256 Daraufhin antwortete Nägeli am 12.2.1936, dass das Bild noch am selben Tag an Heinemann versandt werden würde. Allerdings hatte er eine Versicherung in der Schweiz abgeschlossen und bat daher um die Annullierung der deutschen Versicherung. Zu diesem Zeitpunkt der Verhandlungen erwartete er, durch den Verkaufsabschluss für St. Gallen 30.000.- Franken und 60.000.- RM für Einkäufe in Deutschland zur Erweiterung der Sammlung Sturzenegger zu erhalten.257 Am 15.2.1936 konnte Franziska Heinemann Nägeli den Eingang des Bildes in München und die Verkaufsbedingungen bestätigen.258 Am 17.2.1936 folgte ein Update bezüglich des Interessenten: „Der Ordnung halber erlauben wir uns Ihnen mitzuteilen, dass unser Interessent für das Bild wohl am Samstag hier war, das Bild auch besichtigen wollte, jedoch durch die Olympiade derartig in Anspruch genommen war, dass er keine Zeit fand. Er kehrt erst am nächsten Freitag oder Samstag hierher zurück und müssen wir mit seinem Entschluss uns bis dahin gedulden.“259 Als Testamentsvollstrecker berichtete Nägeli den Sachstand am 20.2.1936 den Erben Sturzeneggers und ging hierbei auch auf den Wunsch ein, mit dem Erlös aus dem Verkauf des Böcklin-Bildes französische Werke zur Sammlungserweiterung zu erwerben: „Was die von uns gewünschte Überlassung des im Nachlass sich befindlichen Bildes ‚Die Toteninsel‘ von Böcklin anbetrifft, haben Sie sich bereit erklärt, dieses Gemälde uns für einen Verkauf zur Verfügung zu stellen, in der Meinung, dass den Erben vom Erlös ein Betrag von Fr. 25.000.- zufallen und der Übererlös speziell für die Ersetzung der auszuscheidenden französischen Bilder von uns verwendet werden soll [...]; deshalb begrüssen wir es ausserordentlich, dass Sie unserem Wunsche gemäss uns das [...] Böcklinbild überlassen haben. Ein Entscheid aus München, wohin wir das Bild gesandt haben, ist noch ausstehend, da der Interessent es erst Ende dieser Woche besichtigen wird. Sollte der Verkauf zustande kommen, was wir sehr hoffen, so wird der Übererlös uns in die Lage versetzen, den französischen Teil der Sammlung in sehr wertvoller Weise zu ergänzen.“260 Franziska Heinemann schilderte Walter Hugelshofer am 27.2.1936 die Schwierigkeiten mit dem Interessenten, da dieser das Bild nur kaufen wolle, wenn er die ganze Summe in Mark bezahlen könne. Daher fragte sie Hugelshofer in dem Schreiben, ob die Möglichkeit bestünde,

256 Dossier, Bl. 3a und 3b. 257 Dossier, Bl. 4a und 4b. 258 Dossier, Bl. 6a und 6b. 259 Dossier, Bl. 7. 260 Dossier, Bl. 8a–f, Beigefügte Liste: Abtransporte von Bildern aus der Sturzenegger-Sammlung nach Deutschland und Zürich bis 20. Februar 1936. Es ist unklar, was Nägeli mit ‚auszuscheidenden‘ Bildern meint; möglicherweise das Ausscheiden von Bildern aus der Nationalgalerie oder generell das Abstoßen moderner Werke aus deutschen Museen. 64 dass die Schweizer für den gesamten Betrag in Deutschland Bilder übernehmen würden.261 Am 2.3.1936 beteuerte sie gegenüber Hugelshofer, dass sie zuvor die absolute Zusage erhalten hätte, dass der gewünschte Betrag in Franken bezahlt werden würde: „Was Sie schreiben, dass in Deutschland eifrigst ein Böcklin gesucht wird, bezieht sich auf die gleiche Stelle und ist unser [sic] Angebot der Ausgangspunkt zu allen anderen Nachfragen. Ich habe inzwischen mit Herrn Dr. Nathan gesprochen und hat er [sic] uns gegenüber die Möglichkeit angeschnitten, dass, wenn die Leute einen grösseren Betrag dafür zahlen würden, sodass Sie dafür Sperrmark drüben kaufen können, dass damit ein Kauf zustande kommen könnte.“262 Nägeli bestätigte am 1.4.1936 der Galerie Heinemann den Eingang der Bewilligung der schweizerischen Verrechnungsstelle in Zürich für den Austausch des Böcklin-Bildes und kündigte die Weiterleitung der Bewilligung an, damit ohne Verzug die Genehmigung durch die deutsche Amtsstelle erwirkt werden könnte. Eine endgültige Zustimmung über die neuen Kaufbedingungen konnte noch nicht erfolgen, da die Verständigung mit den Eigentümern des Bildes noch ausstand. Bis zum Eintreffen der deutschen Verrechnungsbewilligung hoffte er, den endgültigen Bescheid zugehen lassen zu können.263 In einem Schreiben von Heinemann an Nägeli am 16.4.1936 wird dann erstmalig der Mittelsmann und Münchner Kunsthändler Xaver Scheidwimmer genannt. Die Bedingungen der Schweizer Seite wurden ihm übergeben. Franziska Heinemann bat darum, dass so schnell wie möglich die Schweizer Devisengenehmigung über 66.000.- RM auf den Namen Xaver Scheidwimmer ausgestellt werden solle, da die Devisenstelle München diese zur Erledigung der deutschen Ausfuhrgenehmigung benötige.264 Eine Teilzahlung in Franken an die Erben war zu diesem Zeitpunkt nicht mehr vorgesehen.265 Die genannte Devisengenehmigung bezieht sich auf die geplante Ausfuhr von zu erwerbenden Kunstwerken von Deutschland in die Schweiz. Im nächsten Schritt schrieb Franziska Heinemann an Nägeli am 16.4.1936: „Auf der Durchreise hier in Zürich erhalte ich soeben den Durchschlag eines Briefes, den unsere Firma nach Verhandlungen mit Herrn Dr. Nathan an Sie gerichtet hat. Ich hatte im Anschluss daran [...] eine Unterredung mit Herrn Dr. Hugelshofer. Es ist selbstverständlich, dass unsere Firma [...] die Garantie für den Kaufpreis des Bildes in Höhe von 60.000.- Mk. übernimmt, ebenso, dass die Verrechnung, d. h. der Wiedereinkauf von Bildern Ihrerseits auf die Zeit von 3–6

261 Dossier, Bl. 9a und 9b. 262 Dossier, Bl. 10a–10b. 263 Dossier, Bl. 12. 264 Dossier, Bl. 13a und 13b. 265 Studer-Geisser/Studer 1998, Fußn. 41: Zum Erlös aus dem Verkauf erhielt das Museum noch einen Betrag von 20.000 Franken der Billwiller-Stiftung, St. Gallen. Damit sollten v. a. Werke französischer Künstler angekauft werden. Diese Information geht aus dem Dossier nicht hervor. 65

Monaten ausgedehnt wird. Um diese Erlaubnis zu erwirken, benötigen wir Ihrerseits den Genehmigungsbescheid der Schweizerischen Verrechnungsstelle in Zürich, dass Sie berechtigt sind im Werte von 66.000.- Mark Bilder in Deutschland zu erwerben und in die Schweiz einzuführen. Ich würde Sie sehr bitten, diesen Bescheid sobald als möglich an die Galerie Heinemann in München zu senden, da unser Interessent auf Abschluss des Geschäftes drängt.“266 Daraufhin schien das Geschäft nahezu besiegelt, wie ein Schreiben ohne Absender an Xaver Scheidwimmer (von Konrad Nägeli oder Fritz Nathan?) am 16.4.1936 vermuten lässt: „Ich bestätige, dass ich heute den Verkauf des Gemäldes von Arn. Böcklin ‚Toteninsel‘ seitens der Stadt St. Gallen an Sie vermittele. Das Bild gilt als verkauft an dem Tage, an dem die Stadt St. Gallen die Genehmigung der deutschen Devisenstelle in Händen hat, dass sie im Werte von M 66.000.- Bilder aus Deutschland ausführen darf und an dem Tage, an dem das Geld bei der Deutschen Bank und Disconto-Gesellschaft München zu Gunsten der Stadt St. Gallen einbezahlt ist.“267 Doch einige Tage später folgte ein erneuter Rückschlag in den Verhandlungen. Franziska Heinemann berichtete Nägeli am 21.4.1936, dass sich die Bedenken hinsichtlich eines endgültigen Abschlusses des Kaufes durch den Interessenten noch vertieft hätten: „Es war eben das Unglück bei der ganzen Angelegenheit, dass sie sich so lange hinausgezögert hat und wie es schon immer in solchen Fällen ist erlahmt dann das Interesse, besonders, wenn die Fülle des Angebotenen, die ihm von allen Seiten entgegengebracht wird, noch mitspricht.268 Es ist unsere Hoffnung sehr gering geworden, jedoch bleibt natürlich nichts unversucht um doch vielleicht noch zu einem entsprechenden Resultat zu kommen.“269 Am 23.4.1936 schrieb sie auch an Hugelshofer, dass der Mittelsmann (also Scheidwimmer) noch nicht zu einem definitiven Abschluss kommen konnte. Die Schuld für das Zögern des Interessenten wird u. a. dem Hinauszögern eines definitiven Bescheides seitens der Erben gegeben. Die Enttäuschung wäre bei einem Misserfolg sehr groß, da schon beträchtliche Spesen investiert worden waren.270 Auch Nägeli drückte seinen Unmut und Erstaunen gegenüber der Galerie Heinemann am 24.4.1936 aus: „Nachdem der Interessent schon seit einer Reihe von Wochen im Besitze des Bildes ist und wir grundsätzlich den offerierten Kaufbedingungen zugestimmt hatten, könnten wir es nicht verstehen, wenn nun nach all den vielen Bemühungen und erlaufenen Kosten der Verkauf des Bildes doch nicht zustande

266 Dossier, Bl. 14a und 14b. 267 Dossier, Bl. 15. 268 Studer-Geisser/Studer 1998, S. 12: Aufgrund dieser und weiterer Formulierungen sprechen Studer-Geisser/Studer davon, dass Franziska Heinemann den Kontakt zu einem „nationalsozialistischen Funktionär“ herstellte. 269 Dossier, Bl. 18. 270 Dossier, Bl. 19a und 19b. 66 kommen sollte.“271 Zwischen Ende April und Anfang Mai folgte ein weiterer Schriftwechsel: St. Gallen drängte und setzte eine Frist bis zum 2. Juni, während die Galerie Heinemann die Schweizer hinhielt.272 Erst am 27.5.1936 konnte der Kaufabschluss von Heinemann an Nägeli bestätigt werden: „Wir überreichen Ihnen einliegend die Kaufbestätigung des hiesigen Antiquitätenhändlers Xaver Scheidwimmer über die ‚Toteninsel‘ von Böcklin [...]. Wie Sie aus dem Schreiben ersehen, soll die Bezahlung in der kürzest möglichen Zeit, längstens aber innerhalb 4 Wochen erfolgen. Die devisenrechtlichen Massnahmen sind bereits eingeleitet.“273 Am 1.7.1936 berichtete Franziska Heinemann an Nägeli, dass der Betrag nun bei der Deutschen Bank und Disconto-Gesellschaft in München bereitliegen würde und jederzeit darüber verfügt werden könne. Zudem wies sie daraufhin, dass der „Kopf“ von Leibl und das Bild von Thoma für ihn reserviert wären, auch ein Werk von Vautier käme möglicherweise in Betracht.274 Einen Tag später, am 2.7.1936, konkretisierte sie: „Die Summe von M 63.000.- ist heute auf das Konto von Herrn Xaver Scheidwimmer bei der Deutschen Bank und Disconto-Gesellschaft, München einbezahlt worden. Das Landesfinanzamt macht zur Bedingung, dass die Stadt St. Gallen lediglich bei den Firmen bei denen Bilder gekauft werden sollen sich die Bilder reservieren lässt und der Kaufabschluss durch Herrn Xaver Scheidwimmer zustande kommt. Die Genehmigung läuft bis zum 15. Oktober 1936.“275 Ebenfalls am 2.7.1936 bestätigte Nägeli die Summe von letztendlich 63.000.- RM und informierte darüber, dass er zur Zeit nicht in der Lage wäre, in Verkaufsverhandlungen bezüglich der von Heinemann genannten Kunstwerke zu treten.276 Am selben Tag teilte Franziska Heinemann Nägeli mit, dass Xaver Scheidwimmer über das Konto lediglich mit der Gegenzeichnung „von unserem Herrn Friedr. Heinrich Zinckgraf verfügen“ könne.277 Dieser geschickte Zug seitens der Galerie Heinemann sollte sichern, dass auch weitere Geschäfte (Einkäufe von St. Gallen in Deutschland), die aus dieser Transaktion resultieren könnten, über die Galerie Heinemann laufen würden. Wenige Tage nachdem der Kauf durch Xaver Scheidwimmer über die Bühne gegangen war, erschien Maria Dietrichs Name erstmals offiziell in der Angelegenheit. Dietrich trat als Vermittlerin auf. Laut Rechnungsdatum gelangte über sie das Bild am 9.6.1936 für 85.000.- RM an die Reichskanzlei, wo es bis 1945 verblieb. Der Weiterverkauf an die Reichskanzlei

271 Dossier, Bl. 20a und 20b. 272 Dossier, Bl. 21–24. 273 Dossier, Bl. 25. 274 Dossier, Bl. 27. 275 Dossier, Bl. 28. 276 Dossier, Bl. 29a und 29b. 277 Dossier, Bl. 30. 67 fand demnach bereits einige Wochen vor der Bezahlung an St. Gallen statt (s. Nachricht Heinemann an Nägeli am 1.7.1936; Betrag liegt nun bereit.)

In einem Vermerk von Hans Heinrich Lammers (1879–1962), Chef der Reichskanzlei, heißt es am 24.6.1936: „Herr Brigadeführer Schaub teilte mir heute mit, daß der Führer das Böcklin-Gemälde ‚Die Toteninsel‘ zum Preise von 85.000.- RM von der Firma Maria Almas angekauft habe. Das Gemälde werde gegenwärtig nach Berlin geschafft und soll in der Amtswohnung des Führers aufgehängt werden. Herr Schaub bat, die Rechnung zu begleichen.“278 Bezahlt wurde das Kunstwerk aus Mitteln „zu allgemeinen Zwecken“. Ein handschriftlicher Vermerk vom 7.8.1936 bestätigt den Eingang des Gemäldes. Das Bild kam schließlich nicht in Hitlers Amtswohnung, sondern zunächst über dem Kamin im Musiksalon des Reichskanzlerpalais zur Aufhängung. Später wurde das Gemälde in der Neuen Reichskanzlei platziert, wie eine Fotografie vom 12./14.11.1940 belegt: Hitler und der sowjetische Volkskommissar für Auswärtige Angelegenheiten, Wjatscheslaw M. Molotow, unterhalten sich – mit der „Toteninsel“ im Hintergrund (Abb. 18). Da der Verkauf an die Reichskanzlei unmittelbar nach der Übernahme durch Scheidwimmer geschah, muss es sich bei dem Interessenten die ganze Zeit um Hitler bzw. die Reichskanzlei gehandelt haben. Umso bemerkenswerter ist, dass Franziska Heinemann als Jüdin die zentrale Rolle bei dem Ankauf durch die Reichskanzlei spielte. Mit Ausnahmeregelungen war Franziska Heinemann bis 1938 in der Lage, Geschäfte zu tätigen. Danach wurde ihre Kunsthandlung durch ihren Angestellten Friedrich Heinrich Zinckgraf „arisiert“ (vgl. Kap. 2.5.1 Galerie Heinemann). Xaver Scheidwimmer war möglicherweise als „Arier“ zwischengeschaltet worden. Maria Dietrich muss im Hintergrund den Verlauf verfolgt haben, um dann schnell den Verkauf an die Reichskanzlei besiegeln zu können. Aus dem Bericht einer bei Maria Dietrich im Mai 1939 durchgeführten Devisennachschau geht Folgendes hervor: „Die Mitwirkung der geprüften Firma an einem von der Kunsthandlung Scheidwimmer durchgeführten privaten Verrechnungsgeschäft, das als

278 BArch Berlin, R43 II 1063, Bl. 27: Ankaufsunterlagen. Des Weiteren Bl. 26: Rechnung an die Reichskanzlei von Maria Almas, 9.6.1936: „Im Auftrage des Herrn Reichskanzlers, erlaube ich mir in Rechnung zu stellen: 1 Gemälde von Arnold Böcklin ‚Die Toteninsel‘ M 85.000.-.“ Bl. 25: der Rechnung an die Reichskanzlei beigefügtes Schreiben von Maria Almas: „Da die Kauf-Handlungen sich schon seit Monaten hinausziehen, ist der Besitzer des Bildes, etwas ungeduldig geworden. Umgekehrt erhielt ich jetzt erst den Auftrag, das Gemälde in Rechnung zu stellen. Daher wäre ich sehr zu Dank verpflichtet, wenn die Bezahlung des Bildes sich nicht mehr sehr lange hinauszögern würde.“ Bl. 28: SS-Brigadeführer an die Reichskanzlei, Berlin, 18.6.1936: „Im Auftrage des Führers bitte ich Sie, auf das Konto der Frau Maria Almers [sic] [...] den Betrag von RM 85.000.- [...] zu überweisen, zwecks Ankauf des Ölgemäldes von Böcklin ‚Die Toteninsel‘.“ Bl. 29: Maria Almas an den Staatssekretär und Chef der Reichskanzlei, Berlin, 30.6.1936: „Dankend bestätigen wir den Eingang von M 85.000.- [...] für das vom Führer und Reichskanzler für das Reich angekaufte Gemälde von Arnold Böcklin [...]. S. auch Teilreproduktion des Vorganges in: Scholz/Obenaus 2015, S. 174f. Vgl. Schwarz 2009, S. 152f., hier S. 153: „Die genauen Umstände, wie und warum das Bild dann an Maria Dietrich kam, blieben bisher ungeklärt, da die entsprechenden Akten der Sammlung [der Reichskanzlei] fehlen.“ 68

Gegenstand die Einfuhr eines Bildes von Böcklin gegen Ausfuhr deutscher Bilder hatte und bei dem die geprüfte Firma als Vermittlerin tätig war, ist [in] dem Prüfungsbericht der Firma Scheidwimmer, Pr. L. Nr. 99/39 geschildert.“279 Es scheint vor dem dargelegten Hintergrund realistisch, dass Xaver Scheidwimmer den Kontakt zu Maria Dietrich herstellte, da sie bereits beruflich mit Hitler verbunden war.

Die zuvor angedeuteten Geschäfte der Berliner Nationalgalerie mit St. Gallen stehen – nachdem nun die Transaktion durch das Dossier nachvollzogen werden kann – nicht in einem dermaßen engen Verhältnis, wie bisher vermutet wurde. Birgit Schwarz schreibt, dass die Berliner Nationalgalerie 1936 (Vorgang Juli–November) über Fritz Nathan je ein Gemälde von Pissarro, Sisley und Graff gegen ein Werk von Caspar David Friedrich eingetauscht hätte.280 Tatsächlich handelte es sich aber um fünf Werke.281 Angelika Wesenberg gibt hierzu an: „[…] dafür kam zum Beispiel von Caspar David Friedrich ‚Mann und Frau in Betrachtung des Mondes‘ ins Haus; die ‚Toteninsel‘ von Böcklin gelangte bei diesem Deal in die Reichskanzlei [...].“282 Dass Friedrichs „Mann und Frau in Betrachtung des Mondes“ im Zuges des Tauschs in die Nationalgalerie gelangte, ist zwar korrekt, aber der Erwerb der „Toteninsel“ verlief vielmehr parallel. Studer-Geisser/Studer eröffnen noch eine weitere Perspektive: „Mit dem Verkaufsüberschuss [„Toteninsel“] konnte durch Vermittlung von Fritz Nathan u. a. das ‚Landhaus in der Hermitage, Pontoise‘ von Camille Pissarro aus dem Besitz der Nationalgalerie Berlin für 7.000 Franken erworben werden.“283 Dementsprechend war es kein reines Tauschgeschäft. Zusätzliche Beträge wurden von den Schweizern für die fünf Gemälde gezahlt. Unklar bleibt, wodurch der erwähnte „Verkaufsüberschuss“ entstanden ist. Das Gemälde von Pissarro ging 1936 mit den anderen vier Werken im Tausch gegen Caspar David Friedrichs „Mann und Frau in Betrachtung des Mondes“ (heute , Berlin) – plus einer zusätzlichen Zahlung von 20.000.- F – an Fritz Nathan

279 StAM, OFD 2292, Devisenprüfung bei Maria Almas-Diamant, Kunst- und Antiquitätenhandlung, 30.5.1939: Bericht vom 3.6.1939, Fall 750. Der erwähnte Prüfungsbericht der Firma Scheidwimmer konnte im StAM nicht nachgewiesen werden. 280 Schwarz 2009, S. 153. 281 SMB-ZA, I/NG 946 (MF0060), Vorgang Juli bis November 1936. S. auch Tisa/Heuß/Kreis 2001, S. 113: Camille Pissarro „Landhaus in der Hermitage, Pontoise“ (St. Gallen, Inv.Nr. 1936.34) 4.000 Mark (5.000 Franken), Alfred Sisley „Le jardin“/„Frühschnee in einem französischen Dorf“ 6.000 Mark (7.500 Franken), A. Graff „Bildnis Bloch“ 4.000 Mark (5.000 Franken), Koller „Kuh am Waldrand“ 2.000 Mark (2.500 Franken), Bidermann „Gebirgstal“ 2.000 Mark (2.500 Franken). 282 Angelika Wesenberg: Die Alte Nationalgalerie in Berlin. Zur Sammlungsgeschichte, S. 13–21. In: dies. (Hg.): Nationalgalerie Berlin. Das XIX. Jahrhundert, Katalog der ausgestellten Werke, Berlin 2001, hier S. 20. Dies. in: Ausst.-Kat. Manet bis van Gogh. Hugo von Tschudi und der Kampf um die Moderne, Nationalgalerie Berlin, Neue Pinakothek München, hg. von Johann Georg Prinz von Hohenzollern und Peter-Klaus Schuster, München 1996, S. 104: Hier werden noch weitere Werke eingeführt: „Ein weiterer Pissarro und ein Bild von Sisley gelangten ebenfalls durch Tausch 1836 [sic] in die Sammlung in St. Gallen.“ Weitere falsche Aussage in den Katalogangaben 31 und 32, S. 104: „Eine Fassung der ‚Toteninsel‘ von Arnold Böcklin dagegen kam 1936 aus der Sturzeneggerschen Gemäldesammlung in die Nationalgalerie (Kriegsverlust).“ 283 Studer-Geisser/Studer 1998, S. 12f. 69 und wurde im selben Jahr durch die Sturzenegger’sche Gemäldesammlung angekauft.284 Der Verkaufsüberschuss sollte an die Nationalgalerie fließen, Nathan hingegen verdiente durch die Verkaufsprovision an den Bildern. Das Bild von Caspar David Friedrich war zuvor allerdings nicht Bestandteil der Sammlung Sturzenegger, sondern kam am 8.9.1936 direkt aus der Galerie Fritz Nathan, St. Gallen.285 In den Erinnerungen Fritz Nathans heißt es: „Da ich mit der Umordnung der städtischen Sturzenegger-Sammlung zu tun hatte, bekam ich sogar durch das deutsche Konsulat die Erlaubnis auch weiter zur Abwicklung von Geschäften nach Deutschland zu fahren, und hatte davon auch in den Jahren 1936 und 1937 Gebrauch gemacht. Das wichtigste Geschäft in dieser Hinsicht war ein Tausch, den ich mit der Berliner Nationalgalerie machen konnte. Einen in der Schweiz aufgetauchten, wichtigen Caspar David Friedrich gab ich in Tausch an die Berliner Nationalgalerie gegen einen Sisley, einen Pissarro und einen Graff. Leider habe ich den Sisley viel zu rasch, via Dr. Feilchenfeldt, nach Paris an Paul Rosenberg verkauft. Er ist dann nach Amerika gegangen, nachdem ihn Zürich, wo ich ihn dem Kunsthaus angeboten hatte, als zu teuer nicht erworben hatte, trotzdem er schon damals spottbillig war. Den Pissarro überließ ich zum ungefähren Selbstkostenpreis der Sturzenegger-Sammlung; der Graff kam ins Museum Schaffhausen, wo er leider am 1. April 1944 mit anderen Bildern dem Bombardement zum Opfer fiel.“286 Der einzige Zusammenhang zwischen den beiden Vorgängen besteht wohl darin, dass möglicherweise doch ein gewisser Betrag aus dem „Toteninsel“-Verkauf bei dem „Tauschgeschäft“ verrechnet worden ist. Dies lässt sich jedoch nicht über die Korrespondenz zum Tauschgeschäft feststellen. Angeblich wurde der bereits durch den Tausch mit dem Caspar David Friedrich erstandene Pissarro mit Devisen aus dem Böcklin-Verkauf abgerechnet. Die Quellen zur Restbezahlung des Pissarros geben unterschiedliche Auskünfte, 5.000.- oder 7.000.- Franken, an.287

Die Stiftung Preußischer Kulturbesitz ging 1979 davon aus, dass die „Toteninsel“ erst 1939 gegen Werke aus der Aktion „Entartete Kunst“ eingetauscht worden war: „Das Gemälde ist 1939 von den zuständigen Reichsbehörden in der Schweiz erworben worden, und zwar im Tausch gegen 2 Gemälde, die im Zuge der Aktion gegen die ‚Entartete Kunst‘ aus der Berliner Nationalgalerie beschlagnahmt worden waren. Dabei handelte es sich um je ein Gemälde von Pissarro und Sisley. Das Tauschgeschäft wurde über die Schweizer

284 SMB-ZA, I/NG 946 (MF0060). 285 Studer-Geisser/Studer 1998, Fußn. 42. 286 Nathan 1965, S. 89f. Das Bild befindet sich heute im Museum of Fine Arts, Boston. 287 Tisa/Heuß/Kreis 2001, S. 114. 70

Kunsthandelshäuser Fischer und Nathan abgewickelt.“288 Zumal diese Aussage jeglicher Grundlage entbehrt, waren Gemälde von Sisley und Pissarro nicht Bestandteil der Beschlagnahmeaktion „Entartete Kunst“. Seit 1945 galt die hier behandelte dritte Fassung von Böcklins „Toteninsel“ als verschollen, bis sie der Nationalgalerie Ende 1979 durch Wolfgang Boettger, Kaufmann und Generalkonsul a. h., Berlin, zum Kauf angeboten und am 15.1.1980 für 800.000.- DM angenommen wurde.289 Über Boettger erfuhr man, dass das Bild 1945 als Kriegsbeute in die Sowjetunion gelangt und in einem Kloster in der Nähe von Moskau eingelagert worden war.290 Dieses Kloster diente laut Boettger als Depot für weitere Kunstwerke, die zum Verkauf ins Ausland bestimmt waren. Dieses Gemälde wäre nun freigegeben und von ihm erworben worden. Von dem Weiterverkauf an die Stiftung Preußischer Kulturbesitz hatte die UdSSR wohl keine Kenntnis. Bei dem genannten Kloster handelt es sich höchstwahrscheinlich um das Kloster Sagorsk (heute wieder Sergijew Possad), dessen Brauerei- bzw. Bierturm als Lager von „Beutekunst“ aus dem Puschkin-Museum diente und etwa 70 km entfernt von Moskau liegt.291 Die Nationalgalerie machte während des Ankaufsprozesses tatsächlich einen moralischen Anspruch geltend, da sie schließlich zwei als „entartet“ befundene Gemälde französischer Künstler einzutauschen hatte. Die Provenienz des Böcklin-Gemäldes wurde in diesem Zusammenhang nicht weiter thematisiert, sondern nur festgestellt, dass keine Ansprüche vorliegen würden.292 Erst Peter-Klaus Schuster konnte in der Beantwortung eines Briefes im Jahr 1989 darauf verweisen, dass das Werk aus der Schweizer Sammlung Sturzenegger nach Deutschland kam.

Durch einen Kaufbeleg lässt sich nachweisen, dass die erste Transaktion zwischen Dietrich und Hitler nicht – wie Dietrich bei ihrer Befragung einst behauptete – erst im Jahr 1936 stattfand, sondern bereits eher. Denn wie Birgit Schwarz aufdeckte, kaufte Hitler bereits am 18.10.1935 zwei von Franz von Lenbach gemalte Porträts – „Kaiser Wilhelm“ und „Kaiser

288 SMB-ZA, II/VA 15843, Stiftung Preußischer Kulturbesitz: Der Präsident an den Bundesminister des Innern, Herrn Ministerialrat Rudolf König, Bonn, 11.10.1979. Betr.: Gemälde „Die Totenisnel“ von Arnold Böcklin (3. Fassung). 289 S. zu Wolfgang Boettger: Günter Blutke: Obskure Geschäfte mit Kunst und Antiquitäten. Ein Kriminalreport, Berlin 1994, u. a. S. 50, 60. Webseite der Boettger Gruppe (http://www.boettgergruppe.com/das-unternehmen/historie.html – zuletzt besucht am 27.3.2019). 290 Scholz/Obenaus 2015, S. 177: „Offenbar als Kriegsbeute gelangte die ‚Toteninsel‘ in ein Kloster bei Moskau, das als Depot für Kunstwerke diente, die zum Verkauf ins Ausland bestimmt waren.“ 291 Freundlicher Hinweis von Regine Dehnel, Berlin. Es fand kein systematischer oder gar öffentlicher Verkauf aus diesem Depot statt. 292 SMB-ZA, II/VA 15843: Niederschrift betreffend Ankauf des Gemäldes „Die Toteninsel“ von Arnold Böcklin (3. Fassung), 17.12.1979. 71

Friedrich“ – für den Gesamtpreis von 16.500.- RM von ihr und hängte beide Bilder in sein Arbeitszimmer in der Reichskanzlei.293 Sogar noch früher, im Juli und August 1935, war die Galerie Almas in eine geplante Geschenkerwerbung für Hitler involviert. Aus einem im Archiv der Kunsthalle Bremen befindlichen Schriftwechsel geht hervor, dass Kommerzienrat Dr. Robert Allmers vom Reichsverband der Automobilindustrie am 30.7.1935 Kontakt zu Emil Waldmann, dem Direktor der Bremer Kunsthalle, aufnahm, um dessen Einschätzung einer Cranach zugeschriebenen „Venus mit Amor als Honigdieb“294 zu erbeten. Das Bild war anscheinend als ein Geschenk von Allmers für Hitler gedacht. „Fräulein Almas“ [Mimi Dietrich] und „Herr Duensing“ sollten ermöglichen, dass Emil Waldmann sich das Bild in der Wohnung Hitlers (?) anschauen könne. Nachdem Waldmann zur Besichtigung in München eintraf, teilte ihm Mimi Dietrich mit, dass „der Kauf des Cranach inzwischen perfekt geworden sei und zwar […] durch Herrn Direktor Werlin von Merzedes [sic]“. Emil Waldmann konnte das Bild dennoch in der Wohnung von Heinrich Hoffmann besichtigen.295 Ob das Gemälde tatsächlich als Geschenk des Direktors Werlin in den Besitz Hitlers gelangte, konnte nicht ermittelt werden. Die Galerie Almas trat hier anscheinend als Anbieterin und schließlich auch Verkäuferin des Bildes auf. Wenn Mimi Dietrich und Gustav Duensing tatsächlich den Zugang zu Hitlers Wohnung ermöglichen sollten, würde dies von einem bereits im Sommer 1935 bestehenden außerordentlichen Vertrauensverhältnis zwischen Hitler und der Galerie Almas zeugen. Aus Geschenklisten, in denen der persönliche Chefadjutant Hitlers Julius Schaub (1898– 1967) dokumentierte, welche Geschenke Hitler wem und in welchem Jahr machte, geht hervor, dass dieser einer „Frau Dietrich“ 1935 Tassen und 1936 zu Weihnachten eine Vase schenkte.296 Die persönliche Beziehung von Maria Dietrich und Adolf Hitler kann durch die Erinnerungen Gertraud („Traudl“) Junges (1920–2002), einer der Sekretärinnen Hitlers (1942–45), unterstrichen werden, da sie die Besuche von „Frau Dietrich“ auf dem in erwähnt: „Dies war in den ersten Tagen und Wochen der normale Tages- bzw.

293 BArch Berlin, R 43 I/1609, Bl. 163ff.: Schreiben des Staatssekretärs und Chef der Reichskanzlei (v.A.w.Rk. 8680/35), Berlin, 18.10.1935 und Schreiben der Versicherung. S. Schwarz 2009, S. 151. Möglicherweise erwarb Maria Dietrich die Bilder aus dem Nachlass des Künstlers. 294 Vgl. Landesarchiv Berlin (kurz: LAB), F Rep. 290-05-01, Sammlung Martha Huth: u. a. fotografische Aufnahmen der Berliner Wohnung von Richard von Kühlmann. Eine Fotografie zeigt ein vermeintliches Cranach-Gemälde mit dem Motiv „Venus mit Amor“. 295 Archiv der Kunsthalle Bremen, Gutachten, 1934–35: Emil Waldmann an Kommerzienrat Allmers (Reichsverband der Automobilindustrie), Berlin, 17.8.1935. 296 Anton Joachimsthaler: Hitlers Liste. Ein Dokument persönlicher Beziehungen, München 2003, S. 11ff. Joachimsthaler bezieht sich auf die im BArch Koblenz (R43 II 9676, Bl. 27–31) erhaltenen Listen. Als weiterer ‚beschenkter‘ Vertreter des Kunsthandels ist hier Karl Haberstock aufgeführt. 72

Nachtablauf. Nach und nach kamen weitere Gäste. Staatsminister Esser und seine Frau waren für einige Tage eingeladen. Frau Morell, Frau Dietrich, Baldur von Schirach mit Frau, Heinrich Hoffmann und Frau Marion Schönmann, eine Freundin von Eva Braun, waren häufig zu Gast.“297 (Abb. 19) Marion bzw. Marianne Schönmann (geb. Petzl) und Heinrich Hoffmanns zweite Ehefrau Erna Hoffmann (geb. Gröbke) stammten aus Künstlerfamilien und stellen somit mögliche Bindeglieder in Künstlerkreise dar. Marion Schönmann spielte wohl, wenn auch nicht offiziell, auch bei Kunsterwerbungen für Linz und in Zusammenhang mit Heinrich Hoffmann eine Rolle.298 In Berchtesgaden trafen Maria und Mimi Dietrich neben „Frau Morell“ auch Theo Morell (1886–1948), den Arzt Hitlers, der mindestens in den Jahren 1943 und 1944 auch Maria Dietrich medizinisch behandelte. Beruflich hatten die Dietrichs mit Morell ebenfalls zu tun, wie ein Brief von Mimi Dietrich an den Arzt belegt: „In unserem letzten Brief haben wir Ihnen mitgeteilt, dass wir ein sehr hübsches Bild für Sie bereit halten und Sie dasselbe gelegentlich in Berchtesgaden übernehmen können.“299

Während Maria Dietrich also spätestens im Sommer 1935 in einen geschäftlichen Kontakt mit Hitler und seinen Gefolgsleuten trat, wurden parallel am 15.9.1935 auf dem „Reichsparteitag der Freiheit“ die Nürnberger Gesetze erlassen. Nach den ersten Verkäufen 1935 folgten zeitnah weitere an Adolf Hitler. Die Bilder waren in diesen Jahren für die Ausstattung des Führerbaus (oder die Lagerung im Depot des Führerbaus), des Führerhauses (Geschenkzwecke) und die Reichskanzlei bestimmt. Auch verantwortete als Generalbauinspektor für die Reichshauptstadt diverse Ankäufe für die Ausstattung der Reichskanzlei, die 1942 in einem Verzeichnis erfasst worden sind. Von der Galerie Almas erwarb Speer 1938 demnach acht eher niedrigpreisige Bilder.300 Dietrich agierte auch später als Vermittlerin von Kunstwerken für die Ausstattung des

297 : Bis zur letzten Stunde. Hitlers Sekretärin erzählt ihr Leben, unter Mitarb. von Melissa Müller, München 2002, S. 94. Die Wahrscheinlichkeit, dass es sich um Maria Dietrich handelt ist groß, da eine andere Frau dieses Namens im direkten Umfeld Hitlers nicht dokumentiert ist. Sepp Dietrichs Ehefrauen hießen nicht Dietrich mit Nachnamen. In den autobiografischen Schriften von (Kammerdiener von Hitler) und (Sekretärin von Hitler) findet Maria Dietrich hingegen keine Erwähnung. 298 Görtemaker 2010, S. 169ff. 299 NARA, Morell Papers, RG 242, Microfilm Nr. T254, Roll 41, 45. Hier: Roll 41, 1493577-78: Mimi Dietrich an Theo Morell, 25.10.1944. Freundlicher Hinweis auf die Morell Papers von Sebastian Peters, München. 300 BArch Berlin, R 43 II 1062b, Bl. 91f.: Der Generalbauinspektor für die Reichshauptstadt an die Reichskanzlei, 14.1.1942, Betreff: Verzeichnis von Gemälden: Zur Aufstellung eines Inventars wird um baldige Übersendung eines Verzeichnisses der von hier aus für die Reichskanzlei angekauften Gemälde gebeten. Daraufhin folgt: Verzeichnis auf Veranlassung des Generalbauinspektors für die Reichshauptstadt für die Reichskanzlei erworbenen Bilder. Bl. 96: Der Reichsminister und Chef der Reichskanzlei an den Generalbauinspektor für die Reichshauptstadt, 23.2.1942, Betreff: Verzeichnis von Gemälden: „Hiermit übersende ich ergebenst ein Verzeichnis der auf Ihre Veranlassung für die Reichskanzlei erworbenen Gemälde“ (gez. Killy): am 17.3.1938 Kunsthandlung Maria Almas: J. W. Schirmer „Landschaft“ (3.000.-), am 5.5.1938 Kunsthandlung Maria Almas: Steffen „Landschaft“ (3.000.-), J. W. Schirmer „Morgen im deutschen Wald“ (4.000.-), am 8.11.1938 Maria Almas: Schiffer „Landschaft“ (150.-), A. Lange „Gebirgslandschaft“ (550.-), August Seidel „Waldlandschaft“ (800.-), A. Zimmermann „Landschaft“ (850.-), unsigniert „Landschaft“ (1.200.-). 73

Obersalzberges301 und generell für Bauten, die zum Verwaltungsbereich des „Braunen Hauses“ in München gehörten und damit Martin Bormann unterstanden.302 Für mehrere von Dietrich vermittelte Werke können als Bestimmungsorte die Wohnungen des „Führers“ nachgewiesen werden. 1936 wurde etwa Anton Graffs „Brustbild eines jungen Mannes“ (5.000.- RM) für Hitlers Wohnung angeschafft.303 Carl Theodor Pilotys „Unter der Arena“ aus dem Besitz von Elisabeth Knorr (geb. Piloty), wurde von Hitler „für das Reich“ angekauft. Aufgehängt werden sollte es ebenfalls in seiner Wohnung.304 Ein von Dietrich beschafftes Gemälde, Wilhelm Leibls’ „Porträt eines jungen Mannes“, wurde in Hitlers Arbeitsraum im Münchener Führerbau platziert, als eines von 16 Gemälden zur Ausstattung der drei durch ihn genutzten Räume. Auf Hitlers Veranlassung wurde es jedoch an die Galerie Almas zurückgegeben.305 Besonders in der frühen Sammlungsphase fungierte Maria Dietrich auch als Hitlers persönliche Einkäuferin bei Auktionen. Vor Versteigerungen studierte er selbst die entsprechenden Kataloge und traf daraufhin Vorabsprachen mit ihr.306 Käufe dieser Jahre können über Auktionen bei Paul Graupe und später bei Hans W. Lange in Berlin nachvollzogen werden. So taucht ihr Name u. a. 1936 auf den Käuferlisten der Graupe- Versteigerungen und bei der Auktion der Sammlung Budge bei Lange 1937 auf (vgl. Kap. 2.5.2 Graupe/Lange). Hier kaufte sie etwa drei Gobelins: „Im Auftrage des Führers und Reichskanzlers hat Frau Maria Almas [...] auf der bei Paul Graupe [...] am 27. bis 29. September 1937 erfolgten Versteigerung der Sammlung Frau Emma Budge Hamburg, 3 Gobelins erworben, für die nach der anliegenden Rechnung 74.750.- RM zu bezahlen sind. [...]. Die Tapisserien liegen zurzeit in der Bibliothek der Amtswohnung des Führers. Über die in Aussicht genommene Verwendung habe ich nichts in Erfahrung bringen können. Die

301 /Matthias Uhl (Hg.): Das Buch Hitler. Geheimdossier des NKWD für Josef W. Stalin, zusammengestellt aufgrund der Verhörprotokolle des Persönlichen Adjutanten Hitlers, Otto Günsche, und des Kammerdieners Heinz Linge, Moskau 1948/49, Bergisch Gladbach 2005, S. 43f.: „Es [Berghof] bestand aus 60 Räumen, die mit teuren Möbeln, wertvollen Gobelins sowie Gemälden [...] ausgestattet waren. Die Bilder kaufte Hitler bei der Münchner Antiquitätenhändlerin Frau Almers [sic] [...].“ 302 Meike Hopp: „Weiß gar nicht, wo sie alle hingerathen sind“. Der Münchner Bestand der Werke Rudolf von Alts und die „Sammlung Bormann“ – Eine Herausforderung für die Provenienzforschung, S. 146–190. In: Ausst.-Kat. Rudolf von Alt ...genial, lebhaft, natürlich und wahr. Der Münchner Bestand und seine Provenienz, Staatliche Graphische Sammlung München und Pinakothek der Moderne, hg. von Andreas Strobl, Berlin 2015, hier S. 170. 303 BArch Berlin, R 43 II 1063, Bl. 17: Schreiben des Staatssekretärs und Chef der Reichskanzlei, Berlin, 29.2.1936 (v.A.w.Rk.2177/36). Die Rechnung gelangte über Brigadeführer Schaub [d.i. Julius Schaub] an die Reichskanzlei, beglichen wurde sie aus den sog. Mitteln zu allgemeinen Zwecken. 304 Schwarz 2009, S. 151. 305 Beetz 2004, S. 45, 85: Die Rückgabe an die Galerie Almas ist in der Reger-Kartei vermerkt (R 209). Des Weiteren wurde Arnold Böcklins „Ruine am Meer“ (R 475) zurückgegeben. Beetz vermutet, dass die Rückgaben nach einem Veto von Hans Posse erfolgten. 306 Schwarz 2009, S. 151. 74

Ankaufskosten sind am 18. Oktober 1937 dem Konto Frau Maria Almas [...] überwiesen worden.“307

Laut Klaus Beetz ist bis 1936 eine führende Stellung der Galerie Helbing, München, bei den frühen Erwerbungen Hitlers feststellbar. Dies änderte sich in der zweiten Hälfte des Jahres 1937. Ab diesem Zeitpunkt bis Juni 1939 konzentrierte sich Hitler auf die Galerien von Maria Dietrich (75 Gemälde) und Karl Haberstock (28 Gemälde).308 Eine andere Sekundärquelle besagt sogar, dass Dietrich angeblich allein in den Jahren 1937/38 mindestens 96 Kunstwerke an Hitler verkauft haben soll.309 Für zahlreiche dieser frühen Käufe ab 1935 kann nachgewiesen werden, dass sie später in den Linzer Bestand eingeflossen sind. Lediglich beispielhaft seien hier die Werke genannt, die Maria Dietrich 1937 von der Berliner Galerie Dr. W. A. Luz für Hitlers Sammlung erworben hatte: Linz-Nummern 25, 122 und 164. Adolph von Menzels „Friedrich auf Reisen“ (Linz-Nr. 415) wurde 1936 von Maria Dietrich für 300.000.- RM aus der Sammlung des Kommerzienrats Louis Ravené, Berlin, erworben und im selben Jahr an die Reichskanzlei weiterverkauft.310 Das im Zweiten Weltkrieg partiell zerstörte Werk wird heute als Leihgabe der Bundesrepublik Deutschland in der Alten Nationalgalerie, Berlin, gezeigt. In einem Katalog der Sammlung Hitlers (Neue Meister) aus dem Jahr 1939 finden sich teilweise in den Bildbeschreibungen auch Angaben zu früheren Ausstellungen und Vorbesitzern.311 Mehrere der hier dargestellten Werke stammen aus den Erwerbungen der Galerie Almas. Eine im Katalog gezeigte Variante der „Nanna“ von Anselm Feuerbach (Mü- Nr. 50057) steht allerdings nicht in Zusammenhang mit der Galerie Almas, obwohl dies etwa im Wikipedia-Eintrag zu Maria Dietrich (Stand 3.9.2018) behauptet wird. Feuerbach hatte das

307 BArch Berlin, R43 II 1063a, Bl. 61: Vermerk der Reichskanzlei, 18.10.1937. Bl. 60: Maria Almas an die Reichskanzlei, Dank für Überweisung, 27.10.1937. Die Budge-Versteigerung wurde auf den 4.–6.10.1937 verlegt. Die Übertragung der Firma an Hans W. Lange war im Oktober 1937 bereits erfolgt. 308 Horst Keßler: Karl Haberstock. Aufstieg eines Kunsthändlers, S. 249–255. In: Deutsches Zentrum Kulturgutverluste (Hg.): Provenienzforschung in deutschen Sammlungen. Einblicke in zehn Jahre Provenienzforschung, Berlin/Boston 2019 (Provenire. Schriftenreihe des Deutschen Zentrums Kulturgutverluste, Bd. 1), hier S. 251: Die erste persönliche Begegnung Karl Haberstocks mit Adolf Hitler fand im Mai 1936 in dessen Berliner Galerie statt, bei der Hitler das Bordone-Gemälde „Venus und Amor“ erwarb. Verweis auf Kunstsammlungen und Museen Augsburg, Haberstock Archiv, HA/XXIII/93. 309 Maria Eichhorn: Restitutionspolitik, Köln 2003, S. 272: Eichhorn gibt keine Quelle an. Beetz 2004, S. 17: Beetz bezieht sich auf Ernst Kubin: Die Kunstsammlung Adolf Hitler. Aufbau, Vernichtungsplan, Rettung: ein Thriller der Kulturgeschichte, Wien 1989, S. 18. Kubin gibt jedoch lediglich an, dass Dietrich 350 Werke an Adolf Hitler und Linz verkauft haben soll. Eine detaillierte Aufstellung der 75 Werke existiert bislang nicht. 310 BVA Provenienzdatenbank: Ein NS-verfolgungsbedingter Verlust wird ausgeschlossen (Stand 2002). 311 Ein Exemplar wird in der Bibliothek der BStGS aufbewahrt. Folgender Schriftwechsel bezieht sich auf ein weiteres Album: BArch Koblenz, B323/132, Bl. 62a fo. 229: Robert Oertel an Maria Dietrich, 15.10.1940: „Zur Anfertigung eines Albums, das dem Führer vorgelegt werden soll, benötigen wir noch je eine Kopie von den Aufnahmen, deren Verzeichnis wir Ihnen in der Anlage übersenden. Wir wären Ihnen sehr dankbar, wenn Sie uns diese Kopien recht bald zugehen lassen würden.“ Bl. 61a fo. 229: Verzeichnis. Fo. 223: Dietrich an Oertel, 1.11.1940: „In Erledigung Ihres Schreibens v. 15. und 25.10.40 schicke ich Ihnen anliegend die 27 Fotos, zur Vervollständigung für das Album vom Führer.“ 75

Bild 1876 seinem Heidelberger Hausarzt Franz Wolf (1828–1895) geschenkt. Aus dem Nachlass der Familie Wolf wurde das Bild wohl über Heinrich Hoffmann von Adolf Hitler und den „Erinnerungen“ Albert Speers zufolge für den Berghof angekauft.312 Ein Bezug zwischen der Galerie Almas und dem Motiv der „Nanna“ kann allerdings über den im Jahr 1943 gescheiterten Versuch Maria Dietrichs hergeleitet werden, durch Hermann Voss an die Variante aus dem zu gelangen.313

Hitler sammelte in der Frühphase vornehmlich Genredarstellungen, Porträts und Landschaften. Diese Vorlieben spiegeln sich grundsätzlich auch in dem Profil der durch Dietrich eingelieferten Werke wider. Religiöse Motive oder Historien wurden auch später eher selten an Hitler vermittelt. Beetz fasst nach seiner Analyse des Kunstbestandes, der vor dem Einsatz des „Sonderauftrag Linz“ aufgebaut wurde, zusammen: „Der Gesamtbestand der Erwerbungen Adolf Hitlers bis Juni 1939, ist der Form nach, eine sporadische und unorganisch zusammengesetzte Privatsammlung, überwiegend des deutschen 19. Jahrhunderts und darin der Münchener und der Österreichischen Schule.“314

Maria Dietrich war also schon mehrere Jahre „im Auftrag des Führers“ tätig, bevor 1939 das Linz-Projekt ins Leben gerufen wurde, dessen wohl bekanntester Bestandteil das „Führermuseum“ werden sollte. Im Juni 1939 begann der Direktor der Dresdener Gemäldegalerie, Hans Posse, im Auftrag Hitlers mit dem Aufbau einer Sammlung von Kunstwerken für das Museum. Von Hitler waren bis zur offiziellen Erteilung des Sonderauftrags am 26.6.1939 insgesamt 770 oder 780 Gemälde erworben worden.315 Nur 200 dieser Werke wurden von Posse als museumswürdig eingestuft.316

Für den nun einsetzenden „Sonderauftrag Linz“ wurde Maria Dietrich die quantitativ gesehen stärkste Einkäuferin.

312 Kat. Feuerbach 2002, S. 166. 313 BArch Koblenz, B323/132, Bl. 32 und Bl. 49a fo. 156. 314 Beetz 2004, S. 74. Hoffmann 1974, S. 152: „Er sammelte jedoch ganz ohne System. Was ihm gefiel, erwarb er. In seiner Münchner Wohnung hingen vorzugsweise Bilder von Münchner Malern: Lenbachs ‚Bismarck in Kürassier-Uniform‘, Franz von Stucks ‚Die Sünde‘, Anselm Feuerbachs ‚Parklandschaft‘, viele Grützner, ein Zügel und mehrere Spitzweg.“ 315 Beetz 2004, S. 8ff.: 846 Kunstgegenstände insgesamt. 316 Beetz 2004, S. 36ff.: Beetz gibt zu bedenken, dass Hinweise darauf hindeuten, dass Hitler einige hundert weitere Kunstgegenstände besessen haben könnte, die – als reiner Privatbesitz – nicht verzeichnet worden sind. Der Verbleib ist absolut unklar. Beetz gibt an anderer Stelle (S. 54) an, dass Posse lediglich 139 Gemälde ausgewählt hatte. 76

2.3 Maria Dietrich als Einkäuferin für den „Sonderauftrag Linz“

In diesem Zusammenhang weist sie auch auf die Unterstützung hin, welche ihr vom Führer ständig und dauernd zuteil werde.317

Der „Sonderauftrag Linz“318 wurde Mitte 1939 u. a. zum Aufbau einer enzyklopädischen Museumssammlung eingerichtet und war Hitler persönlich unterstellt. Den Grundstock bildete Hitlers private Gemäldesammlung.319 Kunstwerke für die Erweiterung der Sammlung wurden bis April 1945 erworben. Bis zu diesem Zeitpunkt wurden mehr als 108 Millionen Reichsmark investiert. Der Museumsbau sollte 1950 fertiggestellt werden.320 Neben jeweils einer Abteilung für Alte Meister und die deutsche Malerei und Skulptur des 19. Jahrhunderts waren auch ein Graphisches Kabinett, ein Münzkabinett, eine Waffensammlung, eine Abteilung für Kunstgewerbe und eine Fachbibliothek vorgesehen. Die zusammengetragenen Bestände wurden im Führerbau in München gelagert und von der Staatlichen Gemäldegalerie in aus verwaltet. Später kamen weitere Depots bzw. Auslagerungssorte hinzu, wie das Salzbergwerk Altaussee ab 1944. Sonderbeauftragter für den Aufbau des „Führermuseums“ in Linz war von 1939 bis zu dessen Tod im Dezember 1942 Hans Posse (1879–1942), der Direktor der Dresdner Gemäldegalerie.321 Ab März 1943 bis 1945 folgte ihm Hermann Voss (1884–1969)322, Leiter der Städtischen Kunstsammlung am Nassauischen Landesmuseum in Wiesbaden. Wissenschaftliche Mitarbeiter beim Linzer Projekt waren Robert Oertel (1907–1981), der u. a. die Fotokartei führte, bis er 1944 zur Wehrmacht eingezogen wurde323, und seit Anfang 1941 außerdem Gottfried Reimer (1911–1987). Letzterer begann als wissenschaftlicher Hilfsarbeiter, wurde dann Referent und gleichzeitig kommissarischer Leiter nach Posses Tod. Reimer war ab 1943 maßgeblich an der Suche nach geeigneten Orten für die Auslagerung von

317 BWA München, K1 XVA 10c, 264. Akt, Fall 33: Industrie- und Handelskammer München an Adolf Weinmüller, 12.5.1939. 318 Grundlegende Informationen zum „Sonderauftrag Linz“ v. a. in: Schwarz 2004 und Kathrin Iselt: „Sonderbeauftragter des Führers“. Der Kunsthistoriker und Museumsmann Hermann Voss (1884–1969), Köln 2010. In der vorliegenden Arbeit werden vorrangig Informationen angegeben, die relevant für die Verbindung zur Galerie Almas sind. 319 Birgit Schwarz: Der sogenannte Linz-Bestand im Kupferstich-Kabinett der Staatlichen Kunstsammlungen Dresden, S. 143–149. In: Dresdener Kunstblätter, 2/2012, hier S. 143. 320 Birgit Kirchmayr: Adolf Hitlers „Sonderauftrag Linz“ und seine Bedeutung für den NS-Kunstraub in Österreich, S. 26– 41. In: Gabriele Anderl/Alexandra Caruso (Hg.): NS-Kunstraub in Österreich und die Folgen, Innsbruck 2005, hier S. 30. Birgit Schwarz: Hildebrand Gurlitt und der „Sonderauftrag Linz“, S. 48–55. In: Ausst.-Kat. Bestandsaufnahme Gurlitt 2017, hier S. 50. 321 BStU, AV 14/79, Bd. 25, Bl. 344–449: Ausführliche Ermittlung zu Hans Posse. 322 BStU, AV 14/79, Bd. 28, Bl. 361–488: Ausführliche Ermittlung zu Hermann Voss. 323 BStU, AV 14/79, Bd. 24, Bl. 465–513: Ausführliche Ermittlung zu Robert Oertel (u. a. Lebenslauf, Empfehlungsschreiben). 77

Kunstwerken beteiligt.324 Unter der Ägide von Hermann Voss lief sehr viel Korrespondenz, auch mit der Galerie Almas, über Gottfried Reimer. Fritz Wiedemann (1897–?)325 war von Anfang an bis 1945 mit Büroarbeiten und später mit sämtlichen Kassenangelegenheiten, d. h. der Abwicklung von Rechnungsvorgängen mit der Reichskanzlei betraut. Die Finanzen des Linz-Projektes wurden von der Reichskanzlei aus verwaltet. Auch für formelle Fragen, z. B. für die Ausstellung von Ausweisen und Papieren, war ebenfalls die Reichskanzlei zuständig, in persona Dr. Hans Heinrich Lammers, Chef der Reichskanzlei.326 In der Partei-Kanzlei war, als Kopf des Projektes und mit der direkten Verbindung zu Hitler, Martin Bormann (1900–1945) verankert (vgl. 2.4.1 für nähere Informationen zu Bormann). Als Bormanns persönlicher Referent war zunächst bis Oktober 1942 Ministerialrat Dr. Kurt- Walter Hanssen (1903–1945) eingesetzt. Ein großer Teil der Korrespondenz wurde durch ihn erledigt. Er fungierte als Bindeglied zwischen Bormann und der Reichskanzlei.327 Auf Hanssen folgte ab Oktober 1942 der Jurist Dr. Helmut von Hummel (1910–2012), dem Bormann beachtliche Befugnisse erteilte und als seinen Vertreter einsetzte. Hummel war ab Oktober 1937 im Stab des Stellvertreters des Führers tätig, ab November 1938 als Regierungsrat, ab September 1940 als Oberregierungsrat und Januar 1943 schließlich als Ministerialrat.328 Wenn der „Sonderauftrag Linz“ Aufträge und Aufgaben von der Partei- Kanzlei erhielt, dann erfolgte dies meist durch Helmut von Hummel. Laut dessen Memoiren war er jedoch vorwiegend für die finanziellen Angelegenheiten der Verwaltung Obersalzberg und die Bauvorhaben in der vorgesehenen Kunststadt Linz zuständig sowie an der Einlagerung von Kunstgegenständen in Altaussee beteiligt.329

Wie bereits erwähnt, oblag die finanzielle Abwicklung der Reichskanzlei und dem Bankhaus Delbrück Schickler & Co., Berlin. Ein eigenes Konto mit dem Titel „Sonderfonds L“ wurde hier für den „Sonderauftrag Linz“ eingerichtet. Das Konto wurde aus Mitteln des „Kulturfonds“, der seine Gelder wiederum aus dem Verkauf einer Sonderbriefmarke mit Hitlers Porträt bezog, und Spenden gespeist. Der Kulturfonds war ab Februar 1938 Teil der

324 BStU, AV 14/79, Bd. 26, Bl. 200–273: Ausführliche Ermittlung zu Gottfried Reimer (u. a. mehrtägige Befragung 4.– 7.8.1981). 325 BStU, AV 14/79, Bd.29, Bl. 89–112: Ermittlung zu Fritz Wiedemann. 326 BStU, AV 14/79, Bd. 26, Bl. 248: Aussage von Gottfried Reimer am 5.8.1981. 327 NARA, CIR 4, S. 27. 328 NARA, CIR 4, S. 27. Archives diplomatiques, Paris, 209 SUP 581 R37, Collection Hitler, o. Bl.: Laut eines von Hummel wohl 1950 verfassten Lebenslaufs war er ab 1939 im Führerbau als Bau- und Wirtschaftsreferent tätig. BStU, AV 14/79, Bd. 20, Bl. 319–349: Ermittlung zu Helmut von Hummel, hier Bl. 321: Nach 1945 war Hummel als Rechtsanwalt und Aufsichtsratsvorsitzender [einer Mineralöl-AG] in Bayern tätig. Süddeutsche Zeitung, 4.12.2012: Todesanzeige. 329 Helmut von Hummel: Aus meinem Leben. Erinnerungen und Lehren. Versuch einer Vergangenheitsbewältigung, o. Ort und Jahr, S. 100ff., 148–152: Auf den „Sonderauftrag Linz“ geht Hummel zwar ein, aber beschreibt nicht seine Beteiligung an dessen Bearbeitung. Freundliche Bereitstellung der Memoiren durch Dr. Günter von Hummel, München. 78

„Dankspendenstiftung“ (Stiftung des öffentlichen Rechts), die auf einen Erlass Hitlers hin ins Leben gerufen worden war. Aufgestockt wurde der Sonderfonds durch Hitlers Konto „Mittel zu allgemeinen Zwecken“.330 Die Begleichung einer Rechnung lief beispielhaft folgendermaßen ab: Die Galerie Almas adressierte am 30.6.1944 eine Rechnung an Martin Bormann. Helmut von Hummel schrieb daraufhin an die Reichskanzlei (Reichskabinettsrat Killy) am 10.7.1944, dass der Kaufpreis auf das angegebene Konto zu überweisen wäre. In der Anlage fanden sich eine Fotografie des Bildes und die Originalrechnung. Bemerkt wurde, dass Hermann Voss von dem Ankauf des Bildes unterrichtet worden sei. Anschließend leitete die Reichskanzlei den Vorgang am 19.7.1944 an das Bankhaus Delbrück Schickler & Co. mit dem Betreff „Dankspendenstiftung (Sonderfonds L)“ weiter. Die Reichskanzlei wies demnach an, die Rechnung der Galerie Almas von dem Konto „Dankspendenstiftung“ zu begleichen. Die Anordnung der Überweisung ging in Kopie an Hummel nach München in die Partei-Kanzlei. In der Reichskanzlei erfolgte je ein Eintrag in die Ausgabenübersicht „Linz (Donau)“ und in eine von der Reichskanzlei geführte Kartei.331 In Zusammenhang mit Ankäufen durch Martin Bormann kam es vor, dass die Partei-Kanzlei vorschussweise (Dietrichs) Rechnungen beglich und das Geld von der Reichskanzlei erstattet bekam.332

2.3.1 Quellenlage zum „Sonderauftrag Linz“ im Zusammenhang mit der Galerie Almas

Zum „Sonderauftrag“ entstanden nach Kriegsende Berichte der Art Looting Investigation Unit (ALIU), einer Untersuchungseinheit für Kunstraub des amerikanischen Nachrichtendienstes Office of Strategic Services (OSS), die im Oktober 1944 eingerichtet worden war. Die ALIU arbeitete unter der Leitung von James Plaut. Seine Mitarbeiter waren S. Lane Faison und Theodore Rousseau. Im Juli/August 1945 wurden Protagonisten des NS-

330 Kirchmayr 2005, S. 30. Schwarz 2009, S. 214. 331 BArch Koblenz, B323/173, Rechnungen, Überweisungsanträge sowie -aufträge 1944–1945, Bd. 1 (1944), Bl. 41–47. Weitere vergleichbare Vorgänge in B323/173 und B323/174, Rechnungen, Überweisungsanträge sowie -aufträge 1944–1945, Bd. 2 (1944–1945). Es handelt sich hierbei immer um Bilder, die von Martin Bormann „im Auftrag des Führers“ erworben wurden. 332 Bsp. BArch Koblenz, B323/154, Rechnungen über Ankäufe aus dem Kunsthandel und von privat in Deutschland und Österreich; Zahlungsanweisungen der Reichskanzlei 1943–1945, Bd. 2 (1943–1944), Bl. 20 fo. 580: Mitteilung der Reichskanzlei an Hermann Voss, 15.2.1944. In der durch Helmut Heiber und Peter Longerich zusammengestellten Übersicht zu den Akten der Partei-Kanzlei der NSDAP (1983–1992) ließen sich unter drei Register-Nummern Einträge zu Vorgängen finden, bei denen Bormann Rechnungen an die Reichskanzlei mit der Bitte um Bezahlung weiterleitete: Nr. 14575: 3.10.– 24.11.1940, drei Rechnungen der Galerien Brüschwiler und Maria Dietrich (8.500.- RM und 22.000.- RM) für vier von Bormann für Linz angekaufte Gemälde. Nr. 17774: 4.–19.7.1944, vier Rechnungen der Galerie Maria Dietrich über 12.000.- RM, 75.000.- RM, 33.000.- RM und 18.000.- RM für auf Weisung Hitlers von Bormann für Linz angekaufte Gemälde. Nr. 17795: 14.7.–22.8.1944, vier Rechnungen der Galerie Maria Dietrich über insg. 213.000.- RM für fünf auf Weisung Hitlers von Bormann für Linz angekaufte Gemälde. 79

Kunstraubs in Altaussee im „Interrogation Center“ des OSS durch die ALIU vernommen. Aus den Vernehmungen gingen zusammenfassende Berichte hervor, sogenannte Consolidated Interrogation Reports (CIR) zum ERR (1. „Activity of the Einsatzstab Reichsleiter Rosenberg in France“, Verfasser: Plaut), zu Göring (2. „The Goering Collection“, Verfasser: Rousseau) und zu Linz (4. „Linz: Hitler’s Museum and Library“ + Supplement + Index + Final Report/Mai 1946, Verfasser: Faison). Im Herbst 1945 übergab man die Vernehmungsprotokolle und Berichte an den CCP München. Zudem existierten noch ausführlichere Berichte, die sogenannten „Detailed Interrogation Reports“ (DIR), die zu folgenden Personen erstellt wurden: Heinrich Hoffmann, Ernst Buchner, Robert Scholz, Gustav Rochlitz, Günther Schiedlausky, Bruno Lohse, Gisela Limberger, Walter Andreas Hofer, Karl Kress und Walter Bornheim. Die Kunsthistorikern Iris Lauterbach schreibt, dass ein weiterer Report die Erkenntnisse zur Tätigkeit von Maria Dietrich zusammenfassen sollte; stattdessen wären diese Aufzeichnungen in den vierten Consolidated Interrogation Report zu Linz eingegangen.333 Der darüber hinaus aber durchaus vorliegende Interrogation Report zu Maria Dietrich wurde bereits in der Einleitung erwähnt. Die Reports werden in den National Archives in Washington aufbewahrt und sind über die Datenbank „fold3 – Holocaust Collection“ online abrufbar. Exemplare sind zudem in den National Archives von Großbritannien belegt.334 Die deutsche Übersetzung des Berichts Nr. 4 zu Linz befindet sich in der sogenannten Stasiunterlagenbehörde (BStU) in Berlin. In dieser Arbeit wird auch aus der deutschen Fassung zitiert. Darin findet sich folgender Abschnitt: „IV. Deutsche Vertreter und Käufer B) Haupthändler und Vertreter im Ausland (2) Frau Maria Dietrich“.

Der von Robert Oertel geführte Bestandskatalog ist zurzeit nicht greifbar. Bereits die amerikanischen Alliierten hatten nach dem Krieg keinen Zugriff darauf. Er befindet sich vermutlich im sogenannten Sonderarchiv Moskau, wo auch weitere Unterlagen betreffend des „Sonderauftrag Linz“ aufbewahrt werden (vgl. Kap. 3.3 Frankreich). Die Ankaufsunterlagen des „Sonderauftrags“ wurden vor ihrem Abtransport nach Moskau 1946 jedoch vom amerikanisch-militärischen Kunstschutz fotografiert. Der sogenannte Linz-Film ging zwar 1949/50 verloren, zuvor waren aber Kontaktabzüge hergestellt worden, die im Bundesarchiv Koblenz eingesehen werden können.335 Auf die Bestände des Bundesarchivs Koblenz beziehen sich auch die folgenden Angaben. Die vermutlich 1945 angelegte „Kleine Kartei“

333 Iris Lauterbach: Der Central Collecting Point in München. Kunstschutz, Restitution, Neubeginn, München 2015, S. 89. 334 Bsp. National Archives, United Kingdom, T 209 29 7: Heinrich Hoffmann. Ebenda, T 209 29 3: Gustav Rochlitz. 335 Schwarz 2012, S. 147. 80

(B323/99) weist Angaben der Objekte zu Herkunft, Verkäufer:innen sowie Einkaufs- und Verkaufspreisen nach.336 Neben Informationen zu den Erwerbungen für den „Sonderauftrag Linz“ enthält die Kartei auch Daten zu Erwerbungen für die Reichskanzlei und die Verwaltung des Obersalzberges. Insbesondere die Nennung der Einkaufspreise führt zu der Möglichkeit, statistische Erhebungen durchzuführen und die Angaben der Datenbank zum „Sonderauftrag Linz“ um wichtige Daten zu ergänzen.337 Auch gezahlte Provisionen („Prov.“) an vermittelnde Personen sind auf den Karteikarten vermerkt. Im Fall von Maria Dietrich konnten durch die „Kleine Kartei“ folgende Vermittler:innen eruiert werden: Bretschneider, München / Wolff, Berlin / Schmidt und Abels, Köln / Jurschewitz, Rochlitz, Frau Wüster, Mandl, Vatchnadzé und Bourgeaux, Paris. Regelmäßig wurden Einkaufspreise und Daten bezüglich der Galerie Almas angegeben. Dies lässt darauf schließen, dass bei der Erstellung der Kartei Unterlagen, Rechnungen und Bücher der Galerie vorgelegen haben, denn die in der Kartei notierte „AL-DI“-Nummer bezieht sich auf eine von der Galerie geführte Nummerierung. 318 Karteikarten verweisen auf von der Galerie Almas erworbene Objekte. Nach welchem Kriterium Werke in die Kartei aufgenommen bzw. nicht aufgenommen wurden, lässt sich nicht mehr eindeutig feststellen. Möglicherweise lagen nur zu 318 Werken Information seitens der Galerie Almas vor. Einlieferungen der Galerie zwischen 1938 und 1940 fehlen beispielsweise gänzlich. Bezüglich der durch die Galerie Almas eingelieferten Werke lässt sich darüber hinaus ablesen, dass Maria Dietrich mitunter moderate Preise verlangte, manchmal aber auch das Doppelte und Dreifache ihres Einkaufspreises. Ihre Provisionen schwankten zwischen 15 % und einigen Ausreißern von 400 %. Häufig lässt sich ein Aufschlag zwischen 30 und 100 % erkennen, wobei bei Einkaufspreisen bis etwa 20.000.- RM mehrmals Aufschläge bis zu 200 % auffallen. Eine Regel oder definitive Aufschlagsberechnung lässt sich nicht ablesen. Über den gesamten Zeitraum sind die Preise schwankend und eher hoch.338 Die Zeiträume zwischen Ein- und Verkauf der Kunstwerke liegen häufig nah beieinander. Der Verkauf an den „Sonderauftrag“ erfolgte in der Regel innerhalb von wenigen Tagen oder Wochen, was ein Zeichen dafür ist, dass im Auftrag oder mit dem konkreten Ziel des direkten Weiterverkaufs an den „Sonderauftrag“ eingekauft wurde. Ende 1941/Anfang 1942 wurden die Zeiträume von Einkauf bis Verkauf vereinzelt länger, so dass teilweise mehrere Monate zwischen den Daten liegen.

336 Beetz 2004, S. 40: Die Kartei wurde nach Kriegsende für die Bearbeitung von Restitutionsansprüchen angelegt. 337 Schwarz 2004: Birgit Schwarz nutzte wohl auch die „Kleine Kartei“. Schwarz führt keine Einkaufspreise an. 338 Für das Jahr 1937 sind keine Einkaufspreise auf den Karteikarten angegeben. 81

Eine weitere, vom Aufbau her vergleichbare Kartei im Bundesarchiv Koblenz (B323/98) führt ebenfalls Objekte des „Sonderauftrag Linz“ auf und gehört laut Archiv zur „Kleinen Kartei“. Im Verhältnis zur Quantität der durch Dietrich eingelieferten Objekte sind relativ wenige Karteikarten mit der Bezeichnung „AL-DI“ in dieser Kartei abgelegt. In der Regel wurden hier keine Linz-Nummern angegeben, so dass eine Überprüfung über Künstler und, wenn notiert, Titel erfolgen muss. Die Karten vermerken einige weiterführende Informationen; die Linz-Datenbank enthält zu diesen Objekten fast keine Angaben. Auffallend ist, dass der Verbleib der betreffenden Werke bis heute unbekannt ist. Möglicherweise handelt es sich auch um Werke, zu denen ab 1945 keine Rechnungen der Händler:innen vorlagen. Geschäftsunterlagen und Korrespondenz betreffend der Erwerbungen Dietrichs in Frankreich finden sich in den „Dietrich-Documents 1. Teil“ ebenfalls im Bundesarchiv Koblenz (B323/75). Dieses Konvolut ist auch bei fold3 einsehbar und wurde für diese Arbeit eingehend konsultiert. Wenn in anderen Akten auf „Korrespondenz Almas“ unter der Angabe „D“ zuzüglich einer Nummer verwiesen wird, bezieht sich das auf die Nummerierung der Rechnungen in den „Dietrich-Documents 1. Teil“. Darin beinhaltet ist auch eine Liste mit dem Titel „Auszug aus MFA & A File 14.11 (erster und zweiter Teil) – Ankäufe Almas- Dietrich (Frankreich)“. Es handelt sich dabei um elf Seiten mit rund 20 Nummern pro Seite. Angegeben sind u. a. die AL-DI-Nr. und die Verkäufernamen mit den Daten der Rechnung. Diese Liste wurde anhand der Pariser Rechnungen erstellt. Zollstempel bzw. Zollabfertigungen werden erwähnt sowie Preise und teilweise die Mü-Nummern notiert. Die Liste enthält allerdings nicht alle Erwerbungen, die Dietrich in Frankreich tätigte (vgl. Kap. 3.3 Frankreich). In der im Bundesarchiv Koblenz aufbewahrten Korrespondenz zwischen Maria Dietrich und dem „Sonderauftrag Linz“ (B323/132, B323/102) sind Informationen zum Austausch zu Erwerbungen, Erwerbungswünschen und Auktionsaufträgen zu finden. Rechnungen über Ankäufe und Zahlungsanweisungen der Reichskanzlei sind ebenfalls in Koblenz (B323/153 [1944], B323/154 [1943/44], B323/155, B323/173 [1944], B323/174 [1944]) einsehbar. Hans Posse erwähnte „Almas“ zwischen 1940 und 1942 sieben Mal in seinen fünf überlieferten Reisetagebüchern (Deutsches Kunstarchiv, Nürnberg). Mehrere Begegnungen der beiden, Angebotssendungen von Dietrich sowie Objektbesichtigungen durch Posse (v. a. 1941) fanden jedoch keinen Eingang in sein Reisetagebuch.339

339 Lücken in der Überlieferung: Juni bis August 1940 und Januar bis März 1941. 82

Die „Wiedemann-Liste“ gibt einen Überblick über diejenigen Kunstwerke und deren Preise, die unter Hermann Voss von Dietrich und anderen Händler:innen für den „Sonderauftrag“ angekauft wurden. Diese Liste muss jedoch aufmerksam konsultiert werden, da nicht alle Erwerbungen, die direkt über die Reichskanzlei abgewickelt wurden, zuverlässig nach Dresden weitergemeldet worden sind.340 In der Liste dokumentierte Fritz Wiedemann die Ankäufe vom 8.12.1942 bis zum 6.4.1945. Eine Kopie des Manuskripts befindet sich bei den Staatlichen Kunstsammlungen Dresden. In der Wiedemann-Liste gibt es bezüglich der Galerie Almas 42 Einträge zu 46 Kunstwerken. Bei fast allen Positionen ist vermerkt, dass sie entweder durch Helmut von Hummel oder Martin Bormann „auf Weisung des Führers“ bei Maria Dietrich erworben worden sind. Diese Vermerke finden sich in der Wiedemann-Liste bis auf eine Ausnahme ausschließlich bei den Einträgen zu Maria Dietrich. Nur bei einigen Werken des Kunsthändlers Eugen Brüschwiler, München, ist ebenfalls vermerkt, dass sie durch Hummel erworben worden waren. Das letzte Werk von Maria Dietrich wurde laut Wiedemann-Liste am 15.4.1944 eingeliefert.

Der für den Führerbau zuständige Architekt Hans Reger (Lebensdaten unbekannt) verwaltete auch den dort befindlichen Gemäldebestand und pflegte ein Inventar. Bereits seit Juli 1938 hatte er eine Übersichtsliste geführt. Bei Einsatz des „Sonderauftrags Linz“ waren bereits 780 Nummern, davon 770 Gemälde und Aquarelle, registriert.341 Die Kunstgegenstände wurden im Wesentlichen in der Reihenfolge des Depoteingangs und nicht nach dem Erwerbungszeitpunkt nummeriert. Die Reger-Nummerierung ist identisch mit der Linz- Nummerierung.342 Dem Inventar ist jedoch nicht eindeutig zu entnehmen, welche Werke schlussendlich für den Linzer Museumsbestand vorgesehen waren, denn der Linz-Bestand und der Führerbau-Bestand sind trotz der einheitlichen Nummernvergabe nicht identisch. Das Inventar besteht aus einem dreibändigen Verzeichnis bis 1943 (Inventarnummer 3000) und einer Fotokartei. Die Reger-Fotokartei umfasst insgesamt 3.935 Positionen.343 Diese Liste wurde im Mai 1945 von der US-amerikanischen Armee in Altaussee, Österreich entdeckt. Im Bundesverwaltungsamt befinden sich zudem 17 entwickelte Negativfilme mit Aufnahmen der im Führerbau von Reger verwalteten Kunstgegenstände, die vor dem

340 Iselt 2010, S. 288. 341 Beetz 2004, S. 13: Von den 770 Positionen sind nur für 110 Positionen Erwerbsunterlagen vorhanden. 342 Beetz 2004, S. 16. 343 Beetz 2004, S. 115. 83

„Sonderauftrag Linz“ erworben worden waren. Dokumentiert sind hier 551 Stücke, die zwischen Dezember 1938 und Januar 1939 aufgenommen worden sind.344 Der sogenannte Dresdner Katalog des Central Collecting Points München basiert auf Regers Unterlagen und den Informationen der Dresdner Akten. Dieses „Verzeichnis der Gemälde aus dem Münchner Führerbau“ im Bundesarchiv Koblenz (B323/45–52) enthält sehr viele Herkunftshinweise der Objekte und bezieht sich vor allem auf die „Kleine Kartei“ und die Rechnungen der Galerie Almas. 19 von ehemals 31 Fotoalben zur Linzer Sammlung befinden sich heute beim Bundeverwaltungsamt und wurden von Birgit Schwarz 2004 mit den dazugehörigen und damals zugänglichen Provenienzangaben veröffentlicht.

2.3.2 Nominelle Einordnung

Aus dem nach Kriegsende entstandenen Consolidated Interrogation Report stammt die Aussage, dass die Galerie Almas 270 Werke für Linz geliefert hätte.345 Diese Fehlinformation wurde teilweise in der Sekundärliteratur ungeprüft weitergetragen.346 Insgesamt wurden jedoch mindestens 1.077 Positionen in den Bestand des „Sonderauftrags Linz“ aufgenommen, die von Maria Dietrich vor dem und für den „Sonderauftrag“ erworben worden waren (vgl. ANLAGE 11). Der Angabe von Löhr und Iselt, die von etwa 900 Werken ausgingen, konnten somit noch einige Nummern hinzugefügt werden.347 Als Grundstock der neuen Zählung dienten die Werke aus der Linz-Datenbank, die auf „Almas“ verweisen. Ergänzungen zur Linz-Datenbank lieferten u. a. die „Kleine Kartei“, die Provenienzdokumentation des Bundesverwaltungsamtes, zusätzliche Werke in der Publikation von Schwarz 2004 und Annotationen in Auktionskatalogen von Hans W. Lange (20 Werke).348 Ergänzt wurden auch 54 Werke, die über das Ehepaar Kern an Dietrich und anschließend an den „Sonderauftrag“ gelangten (vgl. Kap. 2.5.2 Guido Josef und Franziska Kern). Außerdem konnten vier Werke (Linz-Nr. 367, 755, 1076, 1077) aufgenommen werden, zu denen Maria Dietrich während ihrer Befragungen durch die Alliierten Auskunft gegeben hatte. Darüber hinaus machte Dietrich mehr oder weniger qualifizierte bzw. weiterführende

344 Beetz 2004, S. 7, 10f.: 2004 waren diese sowie die vollständige Ausstattungskartei der Dientstellen des ehemaligen Parteizentrums der NSDAP in München noch nicht wissenschaftlich ausgewertet. 345 NARA, CIR 4, S. 49: „As the purveyor of some 270 paintings to the Führer, Maria Dietrich was by far the most prolific of the dealers discussed in this report.“ 346 u. a. Voigt 2007, S. 238 und Eichhorn 2003, S. 272. Zuletzt rezipiert in: Emmanuelle Polack: Le marché de l’art sous l’Occupation 1940–1944, Paris 2019, S. 57. 347 Löhr 2005, S. 127 und Iselt 2010, S. 300. Zuletzt in: Billeter 2017, S. 127: 930 Werke. 348 Caroline Flick, Berlin hat freundlicherweise ihre Forschungsdaten für den erforderlichen Abgleich zur Verfügung gestellt. 84

Aussagen zu 32 weiteren Werken, die ihr vorgelegt worden sind. In der Linz-Datenbank sind diese jeweils mit einem anderen Einlieferernamen versehen und bislang nicht mit ihr in Verbindung gebracht worden. Diese 32 Werke werden hier nur summarisch erfasst, aber nicht in die Zählung der 1.077 Positionen aufgenommen (Bl. 69: Linz-Nr. 1176 / Bl. 81: Linz-Nr. 602 / Bl. 82: Linz-Nr. 845, 873, 896, 949, 950, 960, 988 / Bl. 84: Linz-Nr. 363, 375, 383, 393, 394, 405 / Bl. 85: Linz-Nr. 514, 525, 527, 528, 532, 536, 574 / Bl. 87: Linz-Nr. 578, 2932 / Bl. 90: Linz-Nr. 2, 3, 26 / Bl. 91: Linz-Nr. 120, 125, 203, 208, 223349). Es ist nicht auszuschließen, dass Dietrich an der jeweiligen Einlieferung beteiligt war, zumal es sich bei den angegebenen Einlieferern häufig um Bekannte oder Geschäftspartner handelte (z. B. Brüschwiler, Hoffmann). Möglicherweise machte sie aber auch bewusst oder unbewusst Aussagen zu vorgelegten Bildern, obwohl sie mit ihnen nichts zu tun hatte. Die angegebene Zahl muss als „Status quo“ verstanden werden. Künftige Änderungen der Gesamtzahl, etwa durch neu aufgefundene Annotationen in Auktionskatalogen, sind möglich. Es ist zudem denkbar, dass bei der Erstellung der Linz-Datenbank Dokumente nicht korrekt gelesen oder diese bereits in der Nachkriegszeit falsch erfasst wurden. Eine gewisse Ungenauigkeit muss somit auch dahingehend in Betracht gezogen werden. Außerdem könnte sich immer, wenn der Einlieferer in der Linz-Datenbank „unbekannt“ ist, der Name Dietrich dahinter verbergen.

Die Datenbank zum „Sonderauftrag Linz“ enthält 6.700 Werke, darunter auch Konvolute. Dies würde bedeuten, dass Maria Dietrich mit ihren bisher belegten 1.077 Lieferungen 16 % des Gesamtumfangs zusammengetragen hat. Der zahlenmäßige Vergleich mit anderen „Sonderauftrag“-Kunsthändlern verdeutlicht, dass Maria Dietrich die weitaus meisten Objekte an den „Sonderauftrag“ geliefert hat. Das Dorotheum, Wien, beschaffte 315 Objekte.350 Hildebrand Gurlitt, der auch gern als Haupt- oder Chefeinkäufer bezeichnet wird351, trug nach aktuellem Forschungsstand wenigstens 300 Kunstwerke für den „Sonderauftrag Linz“ zusammen.352 Eine geschäftliche Beziehung zwischen H. Gurlitt und Dietrich bestand offenbar nicht. Von dem Berliner Kunsthändler Karl Haberstock, ebenfalls häufig als Haupteinkäufer für Linz betitelt, stammten wohl 204 Exponate. Bereits Horst Keßler empfahl hinsichtlich der

349 BArch Koblenz, B323/331. 350 Meike Hoffmann/Nicola Kuhn: Hitlers Kunsthändler. Hildebrand Gurlitt 1895–1956. Die Biografie, München 2016, S. 219. 351 u. a. Schwarz 2017, S. 52. 352 Johannes Gramlich/Meike Hopp: „Gelegentlich wird Geist zu Geld gemacht“ – Hildebrand Gurlitt als Kunsthändler im Nationalsozialismus, S. 32–47. In: Ausst.-Kat. Bestandsaufnahme Gurlitt 2017, hier S. 43: Darunter waren Gemälde, Aquarelle, Handzeichnungen, Druckgrafiken, Gobelins und Skulpuren, überwiegend aus dem besetzten Frankreich mit einem Gegenwert von etwa 9,8 Millionen RM. 85

Einschätzung Haberstocks, das „Diktum vom Hauptkunsthändler für Hans Posse und das Linzer Führermuseum“ zu revidieren, da Haberstock lediglich 169, aber dafür teils hochkarätige Bilder geliefert hätte.353 Haberstock neigte in der Nachkriegszeit dazu, seine Rolle für den „Sonderauftrag“ zu schmälern und gab eine geringere Zahl an: „So wirft man mir beispielsweise vor, ich war der Hauptlieferant für Linz gewesen. […] Warum sollte ich eigentlich nicht für Linz liefern. Im Verhältnis zur Bedeutung meines Geschäftes habe gerade ich am wenigsten geliefert, nämlich im Ganzen ca. 125, während Frau Almers [sic] Dietrich in München mehr als zehnmal so viel dorthin verkaufte.“354 Diese etwas ketzerisch anmutende Schätzung kommt der Wahrheit faktisch recht nah. Haberstock hat immer wieder darauf hingewiesen, dass er keine geschäftlichen Beziehungen zur Galerie Almas pflegte. Er besorgte sich sogar eine Bestätigung von Mimi tho Rahde, die besagt, dass er sie nicht persönlich gekannt habe. Aus einem Schreiben von Magdalene Haberstock geht zudem hervor, dass die Haberstocks offensichtlich nicht gut auf Maria Dietrich zu sprechen waren. Als Konkurrentin sah Karl Haberstock sie wohl nicht, da sie zwar quantitativ mehr verkaufte, aber die Qualität ihrer Ware nach Haberstocks Ansicht gering ausfiel.355 Haberstock war nur während der „Amtszeit“ Posses erfolgreich für den „Sonderauftrag“ tätig. Seine Bedeutung als einer der Hauptakteure auf dem in- und ausländischen Kunstmarkt sank unmittelbar nach Voss’ Amtsantritt. Dafür wurden Maria Dietrich und einige andere Händler umso gefragter.356 Ein Grund für die verstärkte Inanspruchnahme der Münchner Kunsthändlerin mag dem Umstand geschuldet sein, dass Voss von Hitler die Anweisung erhielt, v. a. den Ausbau des Bestandes der Kunst des 19. Jahrhunderts voranzutreiben, wofür Maria Dietrich äußerst geeignet war.357

Werke von 459 unterschiedlichen Künstlern wurden von Maria Dietrich erworben (darunter auch mehrmals „anonym“; jeweils einzeln gezählt). Anhand der Übersicht über diejenigen Künstler, die Dietrich mengenmäßig am häufigsten an Hitler vermittelte, lässt sich deutlich dessen Hauptinteresse an der Münchner Schule des 19. Jahrhunderts ablesen: Friedrich

353 Horst Keßler: Karl Haberstock. Umstrittener Kunsthändler und Mäzen, München 2008, S. 14. Löhr 2005, S. 117: Laut Löhr lieferte Haberstock 204 Werke an den „Sonderauftrag Linz“. 354 zit. n. Keßler 2008, S. 31: Karl Haberstock an Gottfried Reimer, 26.4.1949. 355 Freundliche Mitteilung von Horst Keßler, Archiv der Haberstock-Stiftung, Augsburg. Die Informationen stammen u. a. aus den zwei im Archiv befindlichen Dokumenten mit Bezug zu Maria Dietrich; die von Haberstock angefragte Bestätigung von Mimi tho Rahde und ein im Februar 1946 verfasstes Schreiben von Magdalene Haberstock, in dem sie Dietrich beiläufig als eine Person, die „ihr Judentum wieder entdeckt“ hätte, erwähnt. S. auch Keßler 2008, S. 35. DKA, NL Posse, Hans, I, B-6 (0086), 12.5.1942–18.5.1942: „Berlin 12. Nm. Frau Haberstock, die Schwindzeichnung bei Lange (gg. Almas) für 33000 ersteigert hat. Bilder kommen morgen dran (war ein Irrtum von Frau H. Deshalb uns entgangen!)“. Diese Szene verdeutlicht, dass Begegnungen zwischen Haberstocks und Dietrichs kaum zu vermeiden gewesen sind. Die Darstellung ist auch relevant für den Aspekt der Konkurrenz bei Auktionen. 356 Iselt 2010, S. 287. 357 Schwarz 2012, S. 144f. 86

August von Kaulbach (39 Werke), Franz von Lenbach (39 Werke), Franz von Stuck (35 Werke), Eduard Grützner (29 Werke), Ferdinand Georg Waldmüller (23 Werke), Heinrich Bürkel (22 Werke). Bis auf diese „Cluster“ fällt mit fast 460 unterschiedlichen Entitäten die Mannigfaltigkeit der Künstlerinnen und Künstler auf: Von über 300 Künstlern wurde je nur ein einziges Werk von Dietrich eingeliefert. Neben einer Tapisserie (Linz-Nr. 1457) vermittelte Dietrich vereinzelt auch Angewandte Kunst bzw. Gebrauchsobjekte wie Porzellan (Linz-Nr. 2492, 2584) und Bierkrüge (Mü-Nr. 2313/1–28).358 Die über 1.000 von Maria Dietrich eingelieferten Objekte setzen sich durch Erwerbungen im deutschen Kunsthandel und aus deutschem Privatbesitz sowie Erwerbungen hauptsächlich in Österreich, Frankreich und aus den Niederlanden zusammen. Wie die bereits ermittelten Zahlen in den jeweiligen Unterkapiteln verdeutlichen werden, stammte das Gros ihrer Einlieferungen aus dem deutschen Kunsthandel bzw. aus deutschem Privatbesitz. Es ist nicht möglich eine zuverlässige, quantitative Aussage zum Verhältnis ihrer Beschaffungen aus Privatbesitz bzw. dem Kunsthandel zu treffen, da die Quellenlage hierfür nicht ausreichend eindeutig ist.

2.3.3 Arten der Einlieferung

Besonders bemerkenswert ist, dass Maria Dietrich wohl als einzige Kunsthändlerin „auf Weisung des Führers“359 Kunstwerke direkt für Hitler bzw. seinen „Sonderauftrag“ ankaufen konnte, ohne dies vorher mit Posse oder Voss abstimmen zu müssen. Auf eine von Leutnant Faison nach Kriegsende erstellte summarische Inventarliste der Einlagerungen von Objekten im Salzbergwerk Altaussee bezieht sich Birgit Schwarz, um dieser Feststellung zu widersprechen: „Faisons aus der Not der Situation geborene Gleichsetzung der Sammlungen Hitlers mit dem Bestand des Führermuseums prägt das Bild bis heute.“ Aufgrund dieser Gleichsetzung der Sammlung Hitlers und der Sammlung für Linz sei die Beobachtung, dass Hitler oft direkt von Kunsthändlern gekauft hätte, ohne Posse oder Voss zu konsultieren, fälschlicherweise auf den Linzer Bestand bezogen worden.360 Dass Dietrichs „Umgehung“ der Sonderbeauftragten durchaus auch auf den Linzer Bestand zutrifft, lässt sich jedoch anhand mehrerer Beispiele zeigen.

358 Carl Blechen (24 Werke) und Adolph von Menzel (36 Werke) werden hier nicht genannt, da der Großteil über eine einzige Transaktion erworben wurde (vgl. Kap. 2.5.2 Guido Josef und Franziska Kern). 359 Bsp. BArch Koblenz, B323/155, Rechnungen über Ankäufe aus dem Kunsthandel und von privat in Deutschland und Österreich; Zahlungsanweisungen der Reichskanzlei 1943–1945, Bd. 3 (1944–1945), Bl. 8 fo. 43: Helmut von Hummel an Hermann Voss, 16.11.1944. 360 Schwarz 2004, S. 20, Fußn. 64. 87

Die Auftragserteilung durch Hitler verlief anfangs wohl noch persönlich, aber Belege haben sich hierzu nicht erhalten. Später lief der Kontakt wahrscheinlich zumeist über Martin Bormann, häufig ohne die Sonderbeauftragten über die Ankäufe zu konsultieren. In dieser Konstellation, also über den direkten Auftrag durch Hitler und Bormann, bedurfte sie keine extra Zustimmung der Sonderbeauftragten Posse und Voss: „Sie agierte selbständig und ihre Ankäufe [...] wurden meistens direkt von der Reichskanzlei bezahlt [...]. Allerdings kaufte Voss auch einige Gemälde direkt von Maria Dietrich […] und rechnete jene Ankäufe dementsprechend auch auf dem gewohnten Wege ab.“361 Voss gab später an, dass er, mit einigen Ausnahmen, die volle Kontrolle über das Linz-Projekt gehabt hätte. Eine dieser Ausnahmen stellt dezidiert Maria Dietrich dar, die viele Gemälde direkt an Hitler für Linz verkauft hätte. Er wäre machtlos gewesen diese Direktverkäufe von Dietrich an Hitler zu verhindern.362 Kaufaufträge für Auktionen erfolgten aber auch durch die Sonderbeauftragten an Maria Dietrich. Zudem bot sie Posse, Voss und Bormann proaktiv Kunstwerke an (s. unten).

Das Verhältnis zu den Sonderbeauftragten Posse und Voss kann anhand der nachweisbaren Besuche der beiden Männer bei Maria Dietrich in der Galerie bzw. Treffen mit ihr im Führerbau in München illustriert werden. Hans Posse, zu dem Dietrich vor dem Einsatz des „Sonderauftrags Linz“ wohl keine geschäftliche Beziehung unterhalten hatte, sollte mehrmals größere Mengen an Lieferungen der Galerie Almas begutachten, woraufhin er meist mit Geringschätzung reagierte. Der früheste Hinweis in Posses Dienstreisetagebuch findet sich hierzu im September 1940: „Liste München Frau Almas“363; wahrscheinlich bezieht sich die Notiz auf eine Liste von in München befindlichen Gemälden, welche Dietrich zur Erwerbung vorgeschlagen hatte und über die Posse ein vernichtendes Urteil fällte.364

361 Iselt 2010, S. 288. Roxan/Wanstall 1964, S. 86: Bereits David Roxan und Ken Wanstall schrieben: „[...] prominent dealers like Frau Maria Dietrich and Karl Haberstock sold direct to Hitler.“ BArch Koblenz, B323/153, Bl. 22 fo. 107f.: Beispiel für eine Rechnung, die direkt an die Reichskanzlei Berlin und nicht an den Sonderbeauftragten gerichtet wurde. Vgl. konträr Schwarz 2004, S. 20: Da keine Unterscheidung zwischen Hitlers privater und öffentlicher Sammlung gemacht werden könne, liege laut Schwarz in dieser Sache ein Missverständnis vor. 362 NARA, M1944, RG 239, Records of the American Commission for the Protection and Salvage of Artistic and Historic Monuments in War Areas, 1943–1946, Roll 0094: Detailed Interrogation Reports (DIR): 12-Hermann Voss (kurz: NARA, DIR Hermann Voss), S. 10: „Voss states that he was officially in full control of Linz, with certain exceptions. [...] many paintings were sold direct to the Führer in Linz, notably by Dietrich and perhaps by Hoffmann.“ Ebenda, S. 11: „Voss learned of acquisitions made directly by Hitler from Frau Dietrich only when he went to the Führerbau for periodic inspections. Voss stated that he was present on at least one occasion when Dietrich received payment for pictures sold in this manner.“ 363 DKA, NL Posse, Hans, I, B-4 (0012), September 1940. 364 Schwarz 2014, S. 29: Besichtigung von 75 Gemälden (Restbestände, sehr mäßige Bilder) am 21.8.1940. Vgl. BArch Koblenz, B323/103, 173f., 163, Nr. 15–19: Posse an Hanssen, 22.8.1940. Möglicherweise handelt es sich um zwei Chargen im August und September. 88

Bereits im Januar 1941 sollte Posse „auf Wunsch des Führers“ ein Bild von Hercules Seghers (vermutlich Linz-Nr. 1387) im Führerbau ansehen.365 Einige Monate später, im August 1941, forderte Martin Bormann Posse erneut zu einer Besichtigung auf: „Frau Dietrich-Almas hat im Führerbau wieder Bilder eingeliefert, die von Ihnen angesehen und begutachtet werden sollen. Ich bitte Sie deshalb, bei nächster Gelegenheit nach München zu fahren.“ Posse hatte die besagten Bilder allerdings schon in München gesehen und am 23.7.1941 über den Ankauf von elf Bildern berichtet: „In München habe ich [...] auftragsgemäß die von Frau Maria Dietrich angebotenen Bilder angesehen [...].“ Zur sogenannten Leonardomadonna (Mü-Nr. 4994) berichtete er Folgendes: „Im Januar 1940 ist es schon einmal dem Führer zum Kauf angeboten worden. Vor etwa einem Monat (?) wurde das Bild, das sich als Pfand in einer Münchner Bank befindet, wiederum durch den Kunsthändler Reinemer in Berlin angeboten. Ich habe einen Ankauf abgelehnt. Neuerdings hat es Frau Dietrich abermals angeboten. Das Bild kann meiner Meinung nach als Erwerbung für den Führer nicht in Betracht kommen. Es ist kein Original Leonardos [...] und stark restauriert. Frau Dietrich habe ich vor dem Original informiert. Daraufhin beabsichtigte sie, das Bild an die Bank zurückzugeben. Die Übrigen von Frau Dietrich angebotenen Gemälde, die ich im Führerbau angesehen habe, sind zum großen Teil recht unbedeutend und kaum auch für kleinere Museen geeignet.“ Posse befand zu diesem Zeitpunkt Bouchers „La Fontaine“ (angeboten für 56.000.- RM) für eine schwächere Wiederholung des beschlagnahmten Bildes aus der Sammlung Rothschild, Wien. Doch wurde ein Gemälde von François Boucher mit dem Titel „La Fontaine“ (Linz-Nr. 2252) im Mai 1942 von der Galerie Almas für 38.000.- RM in den „Sonderauftrag Linz“ eingeliefert. Eine Werkidentität mit der als „schwächere Wiederholung“ bezeichnetem Bild wird von der Verfasserin vermutet. Des Weiteren lehnte Posse im Juli 1941 Bilder von Cariani, Bassano, Guardi und De Gheest ab. „Ebensowenig kann ich den trockenen Hofer, ‚Schafe‘, den schlechten Kauffmann, den Koekkoek, den Munkacay, den öldruckartigen Mohr (Seelandschaft) und den schwachen Trübner (Schloßhof Baden-Baden) für einen Ankauf empfehlen.“ Unter „Vorbehalt der Genehmigung des Führers“ kaufte Posse von Dietrich aber auch fünf Werke für Linz und sechs Stück für kleinere Museen bzw. zur Verwendung für dekorative Zwecke.366 Diese sechs

365 BArch Koblenz, B323/132, Bl. 60a fo. 216: Maria Dietrich an Hans Posse, 23.1.1941. 366 BArch Koblenz, B323/102, Schriftverkehr mit dem Reichsminister und Chef der Reichskanzlei, Dr. Lammers 1940–1945, Bd. 3: Erwerbungen des Sonderbeauftragten für Linz, Hermann Voss, und des Referenten für den Sonderauftrag Linz, Gottfried Reimer, in den Niederlanden (1941–1945), Bl. 143 fo. 879: Martin Bormann an Hans Posse, 18.8.1941. Bl. 144 fo. 880: Reaktion Posse an Bormann, 26.8.1941. B323/102, Bl. 145 fo. 886: Posse an Bormann, 28.7.1941. Fo. 887: Posse an Maria Dietrich, 29.7.1941: Nennung der zu erwerbenden Werke, unter Vorbehalt der Zustimmung Hitlers. DKA, NL Posse, Hans, I, B-5 (0132-0133), Ende Juli 1941: „Almas“; Auflistung von insg. 13 Objekten in drei Kategorien: I Linz – II. kl. Museen – III. Dekorativ. 89

Werke wurden später trotz seiner abschätzigen Beurteilung in den Linzer Bestand aufgenommen (Linz-Nr. 1944, 1946, 1947, 1950, 1952, 1954). Die „Leonardomadonna“ verkaufte der Händler Reinemer tatsächlich noch 1944 für 250.000.- RM an Linz.367 Beachtenswert ist, dass Posse aus dieser Charge fast so viele Werke erworben (11) wie abgelehnt (15) hat. Er hielt es für nötig, die abgelehnten Werke mit abwertenden Adjektiven zu belegen, als ob er seine negative Haltung gegenüber Maria Dietrich damit betonen wollte. Die Erwerbungen hingegen beschrieb er nicht positiv.

Im November 1941 nahm Maria Dietrich selbständig Kontakt zu Posse auf, um ihn zu einem Besuch in ihrer Galerie aufzufordern: „Wir nehmen Bezug auf unser Schreiben vom 19.11.41 und auf unser Telefongespräch von vorgestern[,] in dem wir Sie ersuchten[,] bei uns verschiedene Bilder anzusehen. Vor allen Dingen steht der Rubens, von dem sie in Paris die Photos sahen, bei mir zur Besichtigung. Wie Sie wissen eilt die Sache von Seiten des Verkäufers, weshalb ich Sie gebeten hätte, die Besichtigung bald vorzunehmen. Geben Sie mir bitte Bescheid[,] wann ich mit Ihrem Besuch rechnen kann.“368 Posse reagierte abweisend: „Auf Ihr Schreiben vom 29.11. teile ich Ihnen mit, daß es mir bei meiner sonstigen Inanspruchnahme nicht möglich ist[,] ‚zur Besichtigung verschiedener Bilder in Ihrer Galerie‘ extra nach München zu reisen. Ich muß Sie daher bitten, mir entweder die anzubietenden Bilder oder wenigstens Fotos derselben nach Dresden zu schicken, falls Sie meine Meinung darüber erfahren wollen.“369 Eine ähnliche Situation wiederholte sich im Frühjahr 1942, als sich Maria Dietrich wieder selbstbewusst beim Sonderbeauftragten meldete: „Leider haben Sie bei Ihrem letzten Hiersein die im Führerbau stehenden Gemälde nicht besichtigt. Es ist der Wunsch des Führers, dass diese Gemälde von Ihnen angesehen werden, weshalb ich Sie heute noch einmal bitten möchte, die dort stehenden Bilder bei Ihrem nächsten Hiersein baldmöglichst zu besichtigen, da die Angelegenheit erledigt werden muss.“370 Posse antwortete, dass er bisher nicht auf die zu besichtigenden Bilder aufmerksam gemacht worden wäre.

Der Kontakt zwischen der Galerie Almas und Hermann Voss verlief dagegen freundlicher. Man kannte sich wohl bereits vor der Besetzung Voss’ als Sonderbeauftragter: „Voss had some correspondence with the dealer Maria Dietrich, however, in connection with expertising

367 BVA Provenienzdatenbank, Leonardo da Vinci (Schule) „Madonna di Castello“. 368 BArch Koblenz, B323/132, Bl. 54a fo. 184: Maria Dietrich an Hans Posse, 29.11.1941. 369 BArch Koblenz, B323/132, Bl. 54a fo. 185: Hans Posse an Maria Dietrich, 3.12.1941. 370 BArch Koblenz, B323/132, Bl. 52a fo. 174: Maria Dietrich an Hans Posse, 31.3.1942. Fo. 175: Posse an Dietrich, 4.4.1942. B323/132, Bl. 56a: Weitere Hinweise auf Besichtigungen der von der Galerie Almas angebotenen Werke durch Posse im Führerbau im August 1941. 90 some early Italian pictures for her. On one occasion in Munich, in 1942, she told Voss that Hoffmann had spoken warmly of his publications and was anxious to meet him.“371 Mehrere Besuche von Hermann Voss in den Geschäftsräumen Maria Dietrichs lassen sich aus der Korrespondenz für das Jahr 1943 ablesen. Im November 1943 schrieb Dietrich etwa an Voss: „Ich würde mich ausserordentlich freuen, Sie recht bald in München begrüssen zu können und hoffe, dass Sie sich dann auch die beiden anderen angebotenen Bilder von Kalff und Jan Both ansehen können.“372 In einem weiteren Schreiben bot sie Voss proaktiv drei Bilder an: „Ich erinnere mich, dass Sie sich speziell für einen Steffek einmal bei der Auktion, Lempertz interessierten.“373 Nahezu freundschaftlich mutet folgende Mitteilung von Voss an Dietrich an: „Ich war übrigens kürzlich in Wiesbaden und bedauere, dass es sich nicht gerade so getroffen hat, dass ich Ihr Fräulein Tochter bei dieser Gelegenheit antreffen konnte.“374

Bis in das Frühjahr 1945 hinein war die Galerie Almas für den „Sonderauftrag“ tätig. Auf die Neujahrswünsche der Galerie Almas („Leider höre ich gar nichts mehr von Ihnen. Konnten Sie in der letzten Zeit noch schöne Bilder kaufen und haben Sie spezielle Wünsche?“) reagierte Hermann Voss am 26.1.1945 allerdings reserviert: „Wie Sie gehört haben dürften, ist in letzter Zeit nicht so viel für Linz erworben worden wie im Jahre 1944. Wenn Sie aber interessante Werke anbieten können, so werden die selbstverständlich wie bisher in Betracht gezogen werden. Bei der grossen Anzahl von Bildern, die nunmehr den Bestand der künftigen Galerie ausmachen, macht sich natürlich mehr und mehr der Gesichtspunkt geltend, sich auf das wirklich Notwendige und Wichtige zu beschränken und lieber einige wenige, aber ganz hervorragende Bilder zu erwerben als weniger bedeutende, mehr kunsthistorisch interessante Stücke. Ich wäre Ihnen dankbar, wenn Sie diesen Gesichtspunkt bei etwaigen Angeboten berücksichtigen würden.“375

371 NARA, DIR Hermann Voss, S. 8. S. auch S. 61: „Concerning the appointment of Hermann Voss as director of Linz, Dietrich could offer no useful information. She states that she did not meet Voss before he became director of Linz, although he had done a few expertises for her as early as 1941. This seems to dispose of a remark made by Voss during interrogation that in conversation during the winter of 1942–1943, Dietrich darkly alluded to the fact that I would soon have a much better position than my present one (Wiesbaden).“ Diese Aussage suggeriert, dass Dietrich von Linz-Interna unterrichtet war. 372 BArch Koblenz, B323/132, Bl. 24 fo. 113: Maria Dietrich an Hermann Voss, 10.11.1943. 373 BArch Koblenz, B323/132, Bl. 24 fo. 116: Maria Dietrich an Hermann Voss, 1.11.1943. Fo. 114: Rechnung Galerie Almas an Hermann Voss für ein Gemälde von Karl Steffek, „Sauhatz“, 28.000.- RM, 6.11.1943. B323/132, Bl. 30 fo.143: Dietrich an Voss, 3.7.1943: weitere Einladung in Geschäftsräume. 374 BArch Koblenz, B323/132, Bl. 32 fo. 152: Hermann Voss an Maria Dietrich, 8.6.1943. 375 BArch Koblenz, B323/132, Bl. 21 fo. 98: Maria Dietrich an Hermann Voss, 7.1.1945. Bl. 21 fo. 97: Voss an Dietrich, 26.1.1945. 91

Beauftragungen: im Auftrag des „Sonderauftrag Linz“ und „auf Weisung des Führers“ Schriftwechsel bezüglich der Erteilung von Aufträgen an Dietrich haben sich lediglich für Auktionen der Jahre 1943/44 im Bundesarchiv Koblenz erhalten. Daher ist unklar, ob Aufträge an Maria Dietrich zur Ersteigerung von Kunstwerken auch durch den 1942 verstorbenen Hans Posse erfolgten.

Beispielvorgang: Auktion Münchener Kunstversteigerungshaus Adolf Weinmüller, 12.– 14.5.1943 Ein Auftrag von Hermann Voss zur Teilnahme an der Weinmüller’schen Versteigerung für den „Sonderauftrag Linz“ erreichte Maria Dietrich am 4.5.1943. Sie erhielt eine Liste mit den gewünschten Werken und den entsprechenden Losnummern. Ein Preislimit wurde nicht festgelegt. Einige Bilder hatte sich Voss im Vorfeld angesehen und empfahl daraufhin, zwölf Nummern (u. a. Kaulbachs „Lautenschlägerin“, Linz-Nr. 2864) zu erwerben. Außer diesen Bildern kamen für ihn gegebenenfalls noch acht weitere Nummern in Frage. Die Aussagen von Voss zu diesen Bildern beleuchten aber auch seinen Umgang mit der Kunsthändlerin näher und belegen, dass er die Expertise von Maria Dietrich bezüglich der Einschätzung von Bildern, Preisen und vom Kunstmarkt schätzte, wie folgende Beispiele zeigen: - Nr. 774, Kalf „Stilleben“: „[…] ein Bild, dessen Zuschreibung mir allerdings nicht gesichert scheint, das aber bis zum Preis von etwa RM 3.000.- vielleicht erwerbenswert wäre. Sehen Sie es sich selber daraufhin noch einmal an.“ - Nr. 852, Achenbach: „[…] scheint mir etwas skizzenhaft, sonst aber qualitätvoll. Ich überlasse auch hierbei Ihnen das Urteil, ob geeignet oder nicht.“ - Nr. 948, Hermann Kaulbach „Ein Lied“: „[…] nicht gerade mein persönlicher Geschmack, aber vielleicht als populäres Bild willkommen.“ - Nr. 979, Matifas „Dorfstrasse“: „[…] ganz hübsch in der Stimmung, aber vielleicht schon etwas zu imexpressionistisch.“ - Nr. 1076, Wopfner „Die Wilderer“: „Der Taxpreis von RM 60.000.- kommt mir [...] ausserordentlich hoch vor, aber Sie müssen ja selber aus Ihrer Erfahrung in Münchner Preisen besser wissen, was davon zu halten ist. [...] Die skizzenhaften Bilder von Diez, Piglhein und Oswald Achenbach (Nr. 852) bitte ich selber daraufhin anzusehen, ob sie sich für den Auftrag wohl eignen und mir Ihre Ansicht schriftlich mitzuteilen. [...] Ihnen guten Erfolg bei der Weinmüller-Versteigerung wünschend bin ich mit besten Empfehlungen, auch an Ihr Fräulein Tochter.“376

376 BArch Koblenz, B323/132, Bl. 50a fo. 164: Hermann Voss an Maria Dietrich, 4.5.1943. 92

Dietrich nahm den Auftrag an: „Ich werde gerne die Aufträge ausführen. Ich habe mir die Sachen nochmals genau durchgesehen und haben Sie ja selbst die Sachen in der kurzen Zeit noch betrachtet. Ich darf mich dazu auch noch kurz äussern und bitte um ein Telegramm falls Sie [...] anderer Meinung sind. Die Nummern 762 a u. b, 782, 803, 855, 947, 1046, 1050, 852, werde ich schon erwerben die Bilder sind doch schön! Den Wopfner finde ich viel zu teuer. Von den Nummern 822, 974, 994, 889, 911, 948, 979, 1007 möchte ich Abstand nehmen, ausser es ist etwas sehr preiswert. Die Nr. 851 das ist der Oswald Achenbach ist ein Bild was schon wiederholt angeboten wurde und nicht erworben. Bei 774 Kalf stört mich sehr, dass es zweimal gesprungen ist und die Erhaltung recht leidlich. Sollten Sie noch irgend einen Wunsch haben[,] bin ich gern bereit Ihnen noch Weiteres zu berichten. [...] Mit den besten Empfehlungen und freundlichen Grüßen von meiner Tochter.“377 Dietrich gab sich hier viel preisbewusster als etwa bei einigen Berliner Auktionen von Hans W. Lange (s. unten). Sie entschied selbst, was sie zu erwerben gedachte, und bemühte sich doch, die von Voss hoch priorisierten Werke zu ersteigern. Einige Tage nach der Auktion informierte sie ihn über acht Werke, die sie erworben hatte.378 Dazu zählte auch das Los 871 (Louis Braun „Schlittenrennen im Gebirge“, Linz-Nr. 2871), das gar nicht von Voss angefordert worden war. Anscheinend fiel ihm dies aber nicht (negativ) auf, denn als Reaktion auf die Auktionsergebnisse folgten diese Zeilen Gottfried Reimers an Dietrich: „Mit verbindlichstem Dank empfing ich Ihr an Herrn Professor Voss gerichtetes Schreiben vom 17. d. Mt. und beehre mich, Sie in seinem Auftrag [...] zu den Erwerbungen auf der Auktion XXX. bei Weinmüller zu beglückwünschen. Im allgemeinen haben sich ja die Preise einigermaßen in Grenzen gehalten und sind durchaus zu vertreten.“379 Wohl auf eigene Rechnung erstand Dietrich bei dieser Auktion drei weitere Nummern.380

Beispielvorgang: Auktion Hans W. Lange, Wien, 5.–6.10.1943 Auch für diese Auktion hat sich der Auftrag an Maria Dietrich mit einer Auflistung der für den „Sonderauftrag“ interessanten Stücke erhalten, für die ebenfalls keine Preislimits vorgegeben waren. In einem Schreiben vom 27.9.1943 bat der Referent für den „Sonderauftrag Linz“, Gottfried Reimer, die Kunsthändlerin um Unterstützung: „Da Herr Professor Voss bei der kommenden Kunstauktion der Firma Hans W. Lange, Berlin, die

377 BArch Koblenz, B323/132, Bl. 50a fo. 163: Maria Dietrich an Hermann Voss, 10.5.1943. 378 BArch Koblenz, B323/132, Bl. 50a fo. 162: Maria Dietrich an Hermann Voss, 17.5.1943. 379 BArch Koblenz, B323/132, Bl. 49a fo. 159: Gottfried Reimer an Maria Dietrich, 21.5.1943: Irritation herrschte bezüglich eines weiteren Loses: „Das [...] angeführte Gemälde Nr. 762 von Ochtervelt ist leider im Katalogtext nicht enthalten und auch nicht abgebildet, sodass wir uns keinen Begriff von dieser Erwerbung machen können.“ Die Erwerbung des Bildes von Ochtervelt (verzeichnet als Los 782) war von Voss in Auftrag gegeben worden. 380 Auskunft ZI, Datenbank Weinmüller: Los 356, 518, 856. 93 diesmal in Wien stattfindet, nicht selbst anwesend sein wird und auch ich leider dienstlich hier nicht abkommen kann, wären wir Ihnen sehr zu Dank verbunden, wenn Sie bei dieser Auktion bitte die Interessen des Linzer Führersonderauftrages wahrzunehmen die Liebenswürdigkeit hätten. [...] Ausserdem wurden eine Anzahl von im Katalog verzeichneten Kunstgegenstände, die der Oberfinanzpräsident Berlin-Brandenburg bereits der Kunsthandlung Lange zur Verwertung übergeben hatte, auf Grund des Führervorbehaltes für eingezogene bezw. dem Deutschen Reiche verfallene Kunstwerke von der Auktion herausgezogen und für die Zwecke des Führers zum behördlichen Schätzpreis von uns übernommen. Darunter befindet sich z. B. der schöne Oswald Achenbach ‚Römischer Park‘ (Nr. 90). Hingegen wurden vom Führer-Sonderbeauftragten eine Anzahl von Stücken zur anderweitigen Verwertung freigegeben, die ebenfalls hätten zum Schätzpreis übernommen werden können, da sie künstlerisch bezw. in ihrem Gegenstand unerfreulich oder unbedeutend erschienen [Böcklin ‚Vier Dryaden an einem Abhang‘, Achenbach ‚Blick auf den Vesuv‘, Gebhardt ‚Männerkopf‘] [...] wurden, da unerheblich, für diese Auktion freigegeben. Ich unterrichte Sie, sehr geehrte Frau Dietrich, deshalb ausführlich davon, damit Sie wissen, dass auf diese Stücke von unserer Seite als Erwerbungen für den Führer nicht reflektiert wird. [...] Da wir den grössten Teil dieser Stücke leider nicht im Original selbst sehen konnten [...], darf ich ergebenst bitten, besonders auf die Erhaltungszustände Ihr Augenmerk freundlichst richten zu wollen. Hinsichtlich der Preisliste und Gebote verlassen wir uns vollständig auf Sie und vertrauen dabei auf Ihre grosse Erfahrung, die Sie bei den fortgesetzten Erwerbungen für den Führer hinsichtlich der Bewertung gesammelt haben.“381 Die Interessen des „Sonderauftrags“ wahrte sie wieder nur bedingt: „Nr. 32 die 4 altholländischen Altartafeln habe ich nicht eingesteigert [sic?]. Sämtliche Bilder, leiden alle in gleicher Stärke unter Blasenkrankheit, die schon mehrfach durch Übermalung sehr grosser ausgefallener Stellen und Einleimung vergeblich zu beseitigen versucht worden ist. Nr. 157 habe ich ebenfalls nicht eingesteigert. Es handelt sich um eine wenig sorgfältige skizzenhafte und in Hand und Gesicht unfertige Arbeit, die durch die Grösse des Bildformats leer wirkt. Nr. 104 Franz von Defregger ‚Tirolerin in roter Bluse‘ und Nr. 401 und 403 Grosse Delfter Vasen habe ich ebenfalls nicht ersteigert. Der Defregger ist von sehr geringer Qualität, etwas eintönig in den Farben. Dagegen habe ich den Gustav Schönleber Nr. 185 eingesteigert für M 46.000.-.“382 Auch Franz von Lenbachs „Prinzregent Luitpold von Bayern“ überging sie und rechtfertigte sich später mit der Begründung: „Das Gemälde [...] war nicht erwünscht [von

381 BArch Koblenz, B323/132, Bl. 27 fo. 129: Gottfried Reimer an Maria Dietrich, 27.9.1943. Bl. 27 fo. 128: Zusage von Dietrich an Reimer, 1.10.1943. 382 BArch Koblenz, B323/132, Bl. 26 fo. 122: Maria Dietrich an Gottfried Reimer, 13.10.1943. 94

Hitler?] und deshalb habe ich das Bild nicht eingesteigert, nachdem es ausserdem sehr unfertig und skizzenhaft war.“383 Wieder traf Dietrich eigenmächtige Entscheidungen und nahm – wie von Reimer erbeten – kunsthistorische sowie restaurierungstechnische Einschätzungen der Bilder vor.

Bei dieser Auktion war Maria Dietrich im Auftrag des „Sonderauftrages“ und Hitlers, trotz des bereits im Vorfeld getätigten Eingriffes seitens Hitler, tätig: „Die Galerie Maria Dietrich übersandte mir [Reimer] am 13. Oktober eine Aufstellung sämtlicher, sei es im direkten Auftrage des Führers, sei es in meinem Auftrag, auf dieser Auktion angekauften Kunstgegenstände [...]. Von den durch die Galerie Maria Dietrich [...] ersteigerten Bildern, deren gesamte Rechnung Sie mir in Photokopie übersandten, sind folgende Stücke von mir für die Zwecke des Linzer Kunstmuseums Frau Dietrich in Auftrag gegeben worden: Kat.-Nr. 2, 27, 52, 58, 95, 96, 103, 185, 193. Für die Nummern 52, 95 und 103 hatte Frau Dietrich auch vom Führer Auftrag. Von welcher Seite Frau Dietrich mit der Ersteigerung der übrigen aus der photokopierten Rechnung ersichtlichen Stücke [Nummern 86, 88 und 156] beauftragt wurde, ist mir leider nicht bekannt.“384 Es wurde darum gebeten, sich mit Helmut von Hummel in Verbindung setzen, der vielleicht mehr wissen könnte.

Nach der Lange-Auktion in Wien wurde Dietrich im Oktober 1943, nachdem Lange die Rechnung direkt an die Reichskanzlei geschickt hatte,385 gebeten, ihre Rechnungen ausschließlich nach Dresden zum „Sonderauftrag Linz“ zu senden, da sie wiederholt Rechnungen auch an Martin Bormann und die Reichskanzlei gerichtet hatte: „Ich [Reimer] habe [...] zur Kenntnis genommen, dass die Rechnung mit je einem Photo bereits für alle Bilder, auch für die, welche Sie ausserdem im Auftrage des Führers auf dieser Auktion noch erworben haben, an die Reichskanzlei abgegangen ist, damit die Beträge an die Firma Lange, Berlin überwiesen werden. Da der Persönliche Referent des Herrn Reichsleiters Martin Bormann, Herr Ministerialrat Dr. v. Hummel in München [...] und auch Herr Oberregierungsrat Hensel, der zuständige Sachbearbeiter bei der Reichskanzlei Berlin mich vor einiger Zeit ausdrücklich gebeten haben zu veranlassen, dass die Rechnungen für sämtliche Ankäufe für Linz ausnahmslos über Dresden gehen sollen, um eine einheitliche Handhabung der Rechnungslegung und Katalogisierung zu [sic] Eingänge zu gewährleisten, darf ich die höfliche Bitte zum Ausdruck bringen, in Zukunft alle Erwerbungen, welche Sie in unserem Auftrage ausführen oder die sonst für die musealen Zwecke des Führers bestimmt

383 BArch Koblenz, B323/132, Bl. 25 fo. 118: Maria Dietrich an Gottfried Reimer, 18.10.1943. 384 BArch Koblenz, B323/102, Bl. 4 fo. 13: Gottfried Reimer an Reichskanzlei, 1.11.1943. 385 BArch Koblenz, B323/132, Bl. 27 fo. 126f.: Rechnung Hans W. Lange an Reichskanzlei, 5./7.10.1943. 95 sind, mit dreifacher Rechnung und vierfachen Photos dem Führersonderbeauftragten für Linz vorlegen zu wollen, damit auf diesem Wege die Zahlung bei dem Herrn Reichsminister und Chef der Reichskanzlei aus dem Linzer Fonds ordnungsgemäß veranlasst werden kann.“386 Das Prozedere lief nach dieser Aufforderung (teilweise) wie folgt ab: Die Galerie Almas stellte ihre Rechnung an den „Sonderauftrag“. Voss bzw. Reimer gaben die Rechnung weiter an die Reichskanzlei mit der Erklärung, dass der Sonderbeauftragte Werke erworben hätte und um Überweisung auf das Konto der Galerie Almas bitten würde.387 Aber die Vereinheitlichung der Rechnungslegung verlief nicht reibungslos, denn noch im März 1944 teilte die Galerie Gottfried Reimer „ordnungsgemäß“ mit, dass der „Führer“ einige Gemälde erworben und sie die Rechnungen „wie immer“ an die Reichskanzlei gestellt hätte.388 Es handelte sich hierbei um Werke, die „im Auftrag des Führers“ für den „Sonderauftrag Linz“ erworben worden waren.389

Nachdem Maria Dietrich für eine Auktion im Dorotheum, Wien, nicht beauftragt worden war, schrieb sie entrüstet nach Dresden: „Es tut mir leid, dass Sie mir den Auftrag für das Gemälde von Bürkel nicht erteilten, nachdem ich doch sonst immer alle Aufträge für den Führer und für Linz erledige.“ Eine Erklärung von Gottfried Reimer folgte am 3.12.1943: „[...] möchte Sie davon unterrichten, dass seit jeher bei den Kunstankäufen des Sonderauftrages Linz beim Dorotheum in Wien dieses staatliche Institut direkt mit der Wahrnehmung unserer Interessen

386 BArch Koblenz, B323/132, Bl. 24 fo. 117: Gottfried Reimer an Maria Dietrich, 19.10.1943. Bl. 25 fo. 120: Dietrich an Reimer, 15.10.1943: „Die Rechnung ist bereits für alle Bilder, auch für die, welche ich ausserdem im Auftrag des Führers noch erworben habe, an die Reichskanzlei abgegangen, [...] so wie ich es seit vielen Jahren mache und werden die Beträge dann direkt an die Firma Hans W. Lange, Berlin überwiesen. Wie ich Ihnen schon schrieb, hatte ich für die Nummern 52 Caspar Netscher, Nr. 95 Heinrich Bürkel und Nr. 103 F. v. Defregger auch vom Führer Auftrag. Laut Lieferschein habe ich sämtliche Gemälde am 12.10.43 an Herrn Architekt Reger im Führerbau zur Aufbewahrung in den Luftschutzkeller abgeliefert mit einer Aufstellung.“ Bl. 25 fo. 121: „Aufstellung der Gemälde die aus der Lange-Auktion Dorotheum-Wien ersteigert wurden“, 13.10.1943. 387 Bsp. BArch Koblenz, B323/154, Bl. 35 fo. 665, 667: Rechnung Galerie Almas an Hermann Voss, 5.1.1944. B323/132, Bl. 31 fo. 149: Dieses Prozedere wurde auch schon vor der Ermahnung durchgeführt, hier: Rechnung Galerie Almas an Hermann Voss, 17.6.1943. 388 BArch Koblenz, B323/132, Bl. 21 fo. 99: Maria Dietrich an Gottfried Reimer, 24.3.1944. Bsp. B323/153, Bl. 20 fo. 108: Reichskanzlei an Hermann Voss, 13.5.1944: Voss wurde von der Reichskanzlei in Kenntnis gesetzt, dass Erwerbungen für den „Sonderauftrag Linz“ gemacht wurden. B323/154, Bl. 20 fo. 580: Weiteres Beispiel dafür, dass Voss erst wesentlich später von Erwerbungen in Kenntnis gesetzt wurde: Mitteilung der Reichskanzlei an Voss im Februar 1944 wegen Erwerbungen im April und Mai 1943. Bl. 38 fo. 207: Helmut von Hummel macht Voss auf Erwerbungen aufmerksam, die „auf Weisung des Führers“ für Linz erworben wurden, 14.7.1944. Weitere Beispiele in: B323/153–155. 389 Vgl. Vorgang in: BArch Koblenz, B323/132, Bl. 23 fo. 108: Maria Dietrich an Gottfried Reimer, 3.1.1944: Im Auftrag des „Sonderauftrag Linz“ kaufte Dietrich bei Weinmüller, Wien im Freihandverkauf und traf wieder eine selbstbestimmte Wahl: „Den Wouwemann habe ich nicht erworben, da er mir qualitativ nicht gut genug erschien, ebenso der Jaeckel und der Schelfhout. Die Bilder von Verhoesen kennt der Führer bereits und haben ihm seinerzeit nicht entsprochen.“ Das Bild von Neefs (Linz-Nr. 3774) erwarb sie für 12.000.- RM. Fo. 109: Es wurde (zuzügl. 15 % Aufschlag) für 13.800.- RM direkt von Weinmüller am 29.12.1943 bei Reimer in Rechnung gestellt. Die Rechnung für das zweite Bild (Bourgignon) richtete Dietrich, wie von Reimer vorgegeben [Grund unklar], an Helmut von Hummel. 96 beauftragt worden ist. [...] Bei allen übrigen Auktionen des Kunsthandels werden wir selbstverständlich Ihnen nach wie vor stets gern unsere Aufträge überschreiben.“390 Dieser Ausschnitt stellt eindrücklich Maria Dietrichs Selbstverständnis in Bezug auf ihre Stellung innerhalb des für das NS-Regime tätigen Kunsthandels dar. Bemerkenswert ist an dieser Stelle auch, dass sie die Aufträge des „Sonderauftrags Linz“ und die von Hitler unterscheidet. Einige Monate später, im März 1944, erhielt sie dann doch einen Auftrag für das Dorotheum, als Gottfried Reimer sie zum Erwerb von Ausstattungsgegenständen für die Partei-Kanzlei in eine Dorotheum-Auktion entsandte.391

Proaktive Angebote durch die Galerie Almas Proaktive Angebote von Einzelwerken seitens der Galerie Almas an Martin Bormann und Hans Posse, die im Folgenden geschildert werden, sind überwiegend aus dem Jahr 1941 überliefert. Aufgrund der vermutlich lückenhaften Quellenlage können die einzelnen Angebote zwar beispielhaft betrachtet werden. Absolute Aussagen zur Quantität der Angebote, auch bezogen auf die das Jahr 1941 umgebenden Jahre, sollen aufgrund des Überlieferungsstandes nicht getroffen werden. An Martin Bormann richtete Maria Dietrich am 20.11.1941 folgendes Angebot: „Anliegend überreiche ich Ihnen zwei Photographien von zwei Gemälden von Wilhelm von Kobell ‚Franzosen vor München lagernd‘ [das sind Linz-Nr. 2247 und 2248] [...]. Der Preis der Bilder ist sehr hoch. Es werden von mir RM 80.000 für beide Bilder verlangt. Ich biete Ihnen die Bilder nur deshalb an, da sie geschichtlich sehr wertvoll sind. [...] Die Originalbilder hat Herr Generaldirektor Buchner gesehen und als einwandfrei bezeichnet. Gleichzeitig überreiche ich Ihnen noch eine Photographie eines Gemäldes von Albert Keller [...]. Das Bild kostet RM 10.000.-. Ich wäre Ihnen dankbar, wenn Sie mir bald Bescheid geben könnten[,] ob die Bilder für Sie von Interesse sind.“392 Ernst Buchner wurde von Maria Dietrich häufig als Experte herangezogen, dessen Einschätzung als eine Art Qualitätssiegel dienen sollte.393 Weitere an Martin Bormann adressierte Angebote wurden nach Dresden an Posse zur Begutachtung weitergeleitet: „Frau Dietrich-Almas hat Herrn Reichsleiter Bormann die anliegenden Fotografien von zwei Gemälden Joseph Führichs mit der ebenfalls beigefügten Beschreibung der beiden Bilder übersandt und dazu bemerkt, die Erhaltung der Bilder sei

390 BArch Koblenz, B323/132, Bl. 23 fo. 112: Maria Dietrich an Gottfried Reimer, 30.11.1943 und fo. 111: Erklärung Reimer an Dietrich, 3.12.1943. 391 BArch Koblenz, B323/132, Bl. 22 fo. 101: Gottfried Reimer an Maria Dietrich, 14.3.1944. 392 BArch Koblenz, B323/132, Bl. 54a fo. 186: Maria Dietrich an Martin Bormann, 20.11.1941. 393 BArch Koblenz, B323/173, Bl. 120–127: Rechnungen 11.7.1944: Auf mehreren Rechnungen wurde von der Galerie Almas vermerkt, dass Ernst Buchner das jeweilige Bild als echt begutachtet hatte. 97 nicht erstklassig. Sie möchte aber mit Rücksicht auf die Bedeutung des Malers die Bilder angeboten haben. Der Preis betrage RM 42.000.- ohne Verdienst für Frau Dietrich. Frau Dietrich bat um baldige Entscheidung unter Rückgabe der Unterlagen. Im Auftrage von Herrn Reichsleiter Bormann darf ich Ihnen die Anlagen mit der Bitte um direkte Behandlung zuleiten.“ Posse lehnte dieses Angebot und weitere dieser Art ab.394

Direkt an Hans Posse gerichtete Angebote von Maria Dietrich sind nur aus dem Jahr 1941 erhalten. Am 2.5.1941 kontaktierte sie Posse bezüglich weiterer Tafeln eines Altarwerkes, dessen Korpus bereits durch sie eingeliefert worden war: „Sie können sich sicher an das kürzlich von mir verkaufte Werk von Marc Oggione erinnern. Es besteht nun die Möglichkeit die 3 Tafeln zu dem bereits erworbenen Flügelaltar zu bekommen. Ich wäre Ihnen zu Dank verbunden, wenn Sie die Freundlichkeit hätten mir mitzuteilen, ob ich mich um den Erwerb dieser Tafeln bemühen soll.“395 Am 8.5.1941 schrieb sie erneut an Posse: „Verbindlichsten Dank für Ihre freundlichen Zeilen vom 6.5.41 wegen des dreiteiligen Altares von Marco d’Oggione. Ich habe soeben die Photographien der drei weiteren Tafeln erhalten, die ich Ihnen anliegend zur Einsicht übersende. Ich muss am Sonntag wegen dieser Bilder verreisen und wäre Ihnen sehr dankbar, wenn Sie mir Ihre Ansicht auf Grund der Photographien noch einmal über dieses Werk bekanntgeben könnten, damit ich dann entsprechend disponieren kann.“ Handschriftlich ist auf dem Schreiben von Maria Dietrich notiert, dass „vom Ankauf abgeraten“ wurde.396 Auch in einem Brief vom 22.5.1941 gab sich Posse hinsichtlich der offerierten Tafeln nicht sonderlich begeistert: „Wie ich aus dem Katalog der Sammlung Crespi ersehe, gehören die 3 Heiligen doch zu dem von Ihnen gekauften Altar und zwar als obere Reihe, wodurch der Altar nicht gerade interessanter wird.“397 Ob Posse oder eher Hitler überzeugt wurde, die drei Heiligentafeln zu erwerben, ist nicht bekannt, aber aus dem Schreiben vom 13.6.1941 von Dietrich an Posse geht hervor, dass sie den gezielten Auftrag zum Erwerb der Tafeln erhalten hatte: „Höflich bezugnehmend auf Ihren Besuch in meinen Ausstellungsräumen bei dem Sie mir den Auftrag gaben die drei Seitenteile zum Altar von

394 BArch Koblenz, B323/102, Bl. 121 fo. 762: Dr. Hanssen an Hans Posse, 6.12.1941. Fo. 763: Posse an Maria Dietrich, 12.12.1941: Posse wollte den Erwerb der Bilder nicht verantworten, da der Preis sich innerhalb kurzer Zeit verdoppelt hatte und ihm dieser unangemessen schien. Bl. 124 fo. 782: Weiterleitung eines Angebotes von der Galerie Almas durch Martin Bormann an Posse, 20.11.1941. Fo. 783: Posse an Dietrich, 27.11.1941: „In Anbetracht des unvernünftigen Preises, der für die beiden kleinen Bilder von W. von Kobell verlangt wird, muß ich von einem Ankauf absehen. Auch das große Bild von Albert v. Keller, das ich kenne, dürfte kaum dem Geschmack meines Auftraggebers entsprechen.“ Bl. 133 fo. 825: Dietrich an Bormann, 17.10.1941: Maria Dietrich bietet zwei „einwandfreie“ Aquarelle von Rudolf von Alt an. Bl. 133 fo. 824: Posse an Hanssen, 24.10.1941: „Meiner Meinung nach können die beiden höchst langweiligen Postkartenansichten von R. Alt, von dem der Führer bereits eine Unzahl malerisch schönster Aquarelle besitzt, für einen Ankauf nicht in Frage kommen. Ich schlage vor, sie Frau D. zurückzugeben. Besonders das Kasino ‚Baden bei Wien‘ ist doch eine reine Wirtshaus-Reklame- Angelegenheit.“ 395 BArch Koblenz, B323/132, Bl. 59a fo. 214: Maria Dietrich an Hans Posse, 2.5.1941. 396 BArch Koblenz, B323/132, Bl. 59a fo. 213: Maria Dietrich an Hans Posse, 8.5.1941. 397 BArch Koblenz, B323/132, Bl. 59a fo. 210: Hans Posse an Maria Dietrich, 22.5.1941. 98

Marc d’Oggione zu erwerben, teile ich Ihnen ergebenst mit, dass ich diese Seitenteile nun erworben habe. [...] Darf ich Sie bitten mir mitzuteilen[,] ob diese Tafeln in den Führerbau zur Aufbewahrung kommen sollen, oder ob sie ev. in ein Museum überführt werden müssen.“398 Nur dieses eine Mal lieferte Maria Dietrich einen Altar an den „Sonderauftrag Linz“ (Linz- Nr. 1555, 1964–1966). Die Tafeln von Marco d’Oggiono (1465–1540) hatte sie bei Edouard Larcade in Paris gekauft. Das Altarwerk stammte aus der Mailänder Sammlung Crespi und erhielt daher den Namen Crespi-Polyptychon. Die erste Rechnung von Larcade datiert auf den 12.1.1941 (50.000.- RM). Paul Jurschewitz erhielt eine Provision über 1.000.- RM. Daraufhin wurden die ersten Tafeln im März 1941 für 120.000.- RM eingeliefert. Es handelt sich um das Triptychon (Linz-Nr. 1555) mit den Tafeln „Maria mit Kind und musizierenden Engeln“ als Zentrum (MNR 272), Johannes mit Stifter (MNR 270) und Petrus mit Stifter (MNR 271). Die zweite Rechnung erstellte Larcade am 11.9.1941 über 30.000.- RM. Die Gewinnspanne für Dietrich fiel nun deutlich geringer aus, da sie bei der Einlieferung im September 1941 lediglich 35.000.- RM für die zweite Charge erhielt. Die drei Tafeln (Linz-Nr. 1964–1966) zeigen Klara von Assissi (MNR 263), den heiligen Antonius (MNR 264) und Augustinus von Hippo (MNR 269). Alle Tafeln wurden nach Kriegsende dem Louvre vom Office des Biens et Intérêts Privés übergeben und befinden sich seit 1955 in Blois.399

Im Herbst 1941 versuchte Maria Dietrich mehrmals, Posse für Bilder zu begeistern, wie am 24.9.1941: „Anliegend überreiche ich Ihnen eine Photographie eines Gemäldes von Feuerbach ‚Mädchen mit dem Windhund‘ [nicht Linz-Nr. 830] [...]. Dieses Bild ist im Werk [...] von Uhde-Bernay auf S. 257 [...] abgebildet. Vielleicht darf ich Sie um die Freundlichkeit bitten mir mitzuteilen[,] ob Sie an dem Erwerb des wirklich guten Bildes Interesse haben.“400 Es folgte eine entschiedene Antwort Posses am 29.9.1941: „Besten Dank für Ihr Angebot des Bildchens von Feuerbach. Solche Kleinigkeiten können aber für unsere Zwecke nicht in Betracht kommen.“401 Am 30.9.1941 sandte Dietrich Fotografien von Peter Paul Rubens’ „Landsknechte“ (s. Angebot Rubens S. 89) an Posse: „Das Bild ist [...] wundervoll in den Farben und in der Erhaltung. Der Preis des Bildes ist RM 130.000.-. Ich muss bis zum 4.10.41 wegen des Bildes

398 BArch Koblenz, B323/132, Bl. 57a fo. 201: Maria Dietrich an Hans Posse, 13.8.1941. Fo. 202: Posse an Dietrich, 4.9.1941: Drei Tafeln sollen zu Händen von Herrn Reger an den Führerbau geliefert werden. 399 NARA, Dietrich, Maria Almas: receipts a-m, S. 99, 113. Dietrich, Maria Almas: purchases and bank receipts, S. 19, 57. BArch Koblenz, B323/99: Nr. 018, 0246. B323/50, Bl. 162: Eintrag zur oberen Hälfte des sechsteiligen Altarwerkes aus der Galerie Crespi. Freundlicher Hinweis von Birgit Schwarz auf: Hélène Lebédel-Carbonnel (Hg.): Catalogue des peintures du musée du chateau de Blois XVIe-XVIIIe siècles, Paris 2008, Kat. 9. 400 BArch Koblenz, B323/132, Bl. 55a fo. 192: Maria Dietrich an Hans Posse, 24.9.1941. 401 BArch Koblenz, B323/132, Bl. 56a fo. 193: Hans Posse an Maria Dietrich, 29.9.1941. 99

Bescheid geben[,] weshalb ich Ihnen sehr verbunden wäre, wenn Sie mir umgehend Nachricht zugehen lassen könnten.“ Außerdem bot sie hier neben einem Bild von Frans Hals (80.000.- RM) Luca Carlevarisʼ „Venedig“ (25.000.- RM) an.402 Aus dieser Offerte wurde im Januar 1942 das aus Frankreich stammende Gemälde des Künstlers Carlevaris (Linz-Nr. 2004) für den „Sonderauftrag“ zum angebotenen Preis übernommen. Die Fotos der drei offerierten Gemälde sandte Posse am 3.10.1941 zurück.403 Am 21.10.1941 bot Dietrich Posse mittels einer Fotografie ein Damenporträt von Hendrik Gerritsz. Pot für 6.500.- RM an. Das Gegenstück wäre vom „Führer“ bereits im September 1940 erworben worden, weshalb sie Posses Interesse an dem Bild vermutete.404 Die Reaktion Posses fiel erneut negativ aus: „Ich danke Ihnen bestens für Ihre freundliche Zusendung, die ich bei der Rückkehr von der Reise hier vorfand. Das sehr unsympathische und langweilige Frauenporträt von Pot kann ich aber, auch wenn es ein Gegenstück in dem bereits erworbenen viel besseren Männerbildnis ist, als Erwerbung nicht vorschlagen. Zum mindesten müßte ich das Bildnis erst einmal im Original gesehen haben. Das Frauenbildnis in der Art von Clouet interessiert mich nicht.“405 Das „Damenporträt mit Spitzenkragen und Fächer“ (Linz-Nr. 2006) wurde dennoch als Gegenstück zu Linz-Nr. 1210 im Januar 1942 eingeliefert.406 Am 1.12.1941 schrieb Dietrich an Posse: „In der Anlage erlaube ich mir Ihnen drei Photos von folgenden Bildern einzureichen mit der Bitte mir möglichst umgehend mitzuteilen[,] ob Sie diese Bilder zum Ankauf interessieren. 1 Gemälde von Jean Marc Nattier ‚Portrait du Marquis de Villeneuve‘ [...]. Dieses Bild kennt auch Herr Generaldirektor Buchner und hat es als einwandfrei bezeichnet. 1 Gemälde von Lagrenée [...] 1 Gemälde von Tizian [...]. Der Preis ist 500.000.- Lire ohne Verdienst für mich.“407 Dass sie den Wert hier in Lire angibt, deutet auf eine geschäftliche Verbindung nach Italien hin (vgl. Kap. 3.4 Weitere Auslandsbeziehungen). Posse antwortete darauf: „Die Franzosen Nattier und Lagrenée kommen für uns nicht in Betracht. Den Ankauf des Tizian zugeschriebenen Bildnisses habe ich schon vor 3/4 Jahr in Italien abgelehnt. Außerdem kommt eine Zahlung in ital. Lire jetzt nicht mehr in Betracht.“408 Offensichtlich hat Maria Dietrich im Jahr 1942 (Posse?) überzeugen können, die aus Frankreich stammenden Bilder von Nattier (definitiv Linz-Nr.

402 BArch Koblenz, B323/132, Bl. 55a fo. 190: Maria Dietrich an Hans Posse, 30.9.1941. 403 BArch Koblenz, B323/132, Bl. 55a fo. 191: Hans Posse an Maria Dietrich, 3.10.1941. 404 BArch Koblenz, B323/132, Bl. 55a fo. 187: Maria Dietrich an Hans Posse, 21.10.1941. 405 BArch Koblenz, B323/132, Bl. 55a fo. 188: Hans Posse an Maria Dietrich, 25.10.1941. 406 Vgl. Kap. 3.2.2 Verbindung zu Hermann Göring: Das Bilderpaar war zeitweilig bei Göring, der es aus der Sammlung Goudstikker geraubt hatte. 407 BArch Koblenz, B323/132, Bl. 54a fo. 182: Maria Dietrich an Hans Posse, 1.12.1941. 408 BArch Koblenz, B323/132, Bl. 54a fo. 183: Hans Posse an Maria Dietrich, 5.12.1941. 100

2253) und Lagrenée (vermutlich Linz-Nr. 2254) doch noch für den „Sonderauftrag“ zu erwerben. Ein weiteres, wohl nicht bestätigtes Angebot – nun schon an Hermann Voss im Mai 1943 adressiert – hat sich zudem erhalten: „Sehr geehrter Herr Professor! Anliegend erlaube ich mir Ihnen 2 Fotos zu übersenden von Gemälden, die ich anhand habe. Das eine Gemälde ist ein J. Ruysdael. Das Bild wurde bei Sotheby, London als J. Weynants versteigert. Nachdem es gereinigt war, stellte man die Signatur Ruysdael fest. Das andere Bild, ein Männerporträt ist von Friedländer begutachtet. Ich bitte Sie, sehr geehrter Herr Professor, mir mitzuteilen[,] was Sie von den Gemälden halten und ob Sie für die Bilder Interesse haben. Wenn dies nicht der Fall ist, so werde ich die Bilder vorläufig dem Führer nicht anbieten. Stets gerne zu Ihren Diensten bereit [...].“409

Dass Mimi Dietrich eine zentrale Ansprechpartnerin für den „Sonderauftrag Linz“ und eine aktive Persönlichkeit im Geschäft war, lässt sich an einem Brief ablesen, der auf dieses Schreiben und einen weiteren Auftrag im Frühjahr des Jahres 1943 Bezug nimmt. Mimi Dietrich schrieb nach einer Auktion bei Lempertz, Köln an Voss: „Bezugnehmend auf Ihr Telegramm, teilen wir Ihnen mit, dass wir auf jeden Fall für einige Bilder aus der Auktion Interesse hatten, darunter auch Bürkel, Gaisser etc. und ein Freund unseres Hauses die Aufträge ausführte. Wir haben den Heinrich Bürkel mit M 60.000.- plus Aufgeld erworben und das Bild heute im Führerbau abgeliefert. [...] Die anderen von Ihnen gewünschten Gemälde haben doch zu hohe Preise erzielt und haben wir von einem Erwerb Abstand genommen. Sollten Sie grundsätzlich für Steffek Interesse haben, so können wir Ihnen ein bedeutendes schönes Werk offerieren und kann ich Ihnen dieses Bild gerne bei Ihrem nächsten Münchener Besuch vorführen. Am 24.5. sandte ich Ihnen Fotos von einem Ruysdael und von einem alten Männerporträt, mit der Anfrage, ob Sie für diese beiden Bilder Interesse hätten. Ich bitte, mir Bescheid zu geben. [...] Hoffentlich können wir Sie auch recht bald wieder in München begrüssen.“410

2.3.4 Betrachtung der Qualität

Neben der Quantität wird auch die Qualität der durch Maria Dietrich eingelieferten Werke immer wieder thematisiert: In den Aussagen konkurrierender Kunsthändler, den Interrogation

409 BArch Koblenz, B323/132, Bl. 49a fo. 158: Maria oder Mimi Dietrich an Hermann Voss, 24.5.1943: Die Unterschrift ist zu undeutlich, als dass mit Sicherheit davon ausgegangen werden kann, dass Mimi Dietrich das Schreiben unterzeichnete. 410 BArch Koblenz, B323/132, Bl. 32 fo. 154: Mimi Dietrich an Hermann Voss, 7.6.1943. Bei dem erwähnten Bild von Heinrich Bürkel handelt es sich um Linz-Nr. 2910, erworben bei Lempertz, Köln, Auktion 2.–3.6.1943, Los 463. 101

Reports und auch in der Sekundärliteratur finden sich häufig abfällige Bemerkungen zum Kunstverständnis von Maria Dietrich. Zusammenfassend heißt es dann auch im Linz-Report: „Frau Dietrich’s unreliability as a connoisseur of has been stressed by nearly everyone interrogated on the Linz collection. No question of her honesty is involved here, only that of her knowledge. Her ledgers are full of entries which read, ‚Marked down because false.‘“411 Recht eindeutige Worte zur Frage des Verhältnisses von Qualität und Quantität fand Elise Posse, die Ehefrau bzw. Witwe von Hans Posse, im Jahr 1946: „Der Führer hatte früher immer gesagt, kaufen Sie, kaufen Sie, was nicht für Linz ist, kriegen kleinere Museen. So sollten z. B. die Museen im Osten Posen, Königsberg, Danzig usw. neu aufgerichtet werden. Mein Mann, der immer nur erstklassige Werke kaufte, sagte damals einmal bei einer Vorführung: ‚Mein Führer, das muß aber schon ein sehr kleines Museum sein‘ [...]. Der sog. Prof. Hofmann [sic], der Fotohofmann, arbeitete z. B. mit der Kunsthandlung ‚Almas‘ in München, Inhaberin Maria Dietrich. Die beiden kauften einfach alles und im Lot und suchten das dann dem Führer zu verkaufen. Zwei üble Geschäftemacher am Kunsthimmel.“412 Dass nicht nur die Kunsthändlerin Maria Dietrich dem hohen Qualitätsanspruch Hans Posses oft nicht standhalten konnte, beschreibt auch Birgit Schwarz, bezugnehmend auf Hildebrand Gurlitt: „Tatsächlich hatte Gurlitt schon zuvor [d. i. vor Februar 1943] an Posse verkauft, wenn auch in geringem Ausmaße, denn in vielen Fällen entsprachen die Angebote Posses qualitativen Anforderungen nicht.“413

Es gibt mehrere Berichte von Fälschungen bzw. nicht authentischen Bildern, die Maria Dietrich wohl unabsichtlich anbot. Etwa im Februar 1942 schickte Posse ein Werk von Boucher als Fälschung an sie zurück. In einem Brief vom 1.5.1942 beklagte sich Martin Bormann der Kunsthändlerin gegenüber, dass er und Hitler ein von ihr übersandtes Aquarell für eine Fälschung hielten. Er bat um sorgfältigere Prüfung in der Zukunft.414 Ein Hitler von Dietrich als Tiepolo angebotenes Gemälde wurde von Posse und Buchner Anfang 1942 abgelehnt, woraufhin Buchner eine schriftliche Stellungnahme ausstellte. In einem Brief an Posse schrieb Maria Dietrich nach der Ablehnung: „Ich wäre Ihnen dankbar, wenn Sie mir

411 NARA, CIR 4, S. 62. BStU, CIR 4, S. 88f.: „Preis gesenkt, da falsch“. 412 Zit. n. Thomas Rudert/Gilbert Lupfer (Hg.): Kennerschaft zwischen Macht und Moral: Annäherungen an Hans Posse (1879–1942), Köln 2015, S. 113: Elise Posse an den Bürgermeister zu Hellerau, 6.1.1946. 413 Schwarz 2017, S. 50. 414 BStU, CIR 4, S. 372: Martin Bormann an Maria Dietrich, 1.5.1942 [sic]: „Das sogenannte Alt-Aquarell, das Sie in Ihrem Brief vom 8.5.42 beilegten zeigte ich dem Führer. Sowohl er als auch ich betrachten es als offensichtliche Fälschung. Wenn möglich, sollte diese Angelegenheit schnell behandelt werden, so daß die Täter bestraft werden können. Das zeigt wieder einmal, wie wichtig es in Zukunft ist, alle alten Gemälde sehr sorgfältig zu untersuchen.“ 102

Ihre Stellungnahme auch schriftlich geben würden, damit für mich die Grundlage der Ablehnung dieses Bildes gegeben ist.“415 Besonders extrem erscheint Bruno Grimschitz’ Einschätzung eines vermeintlichen Aquarells von Rudolf von Alt im Juli 1941. Dietrich hatte ihm ein Blatt zur Begutachtung gesandt, das Grimschitz daraufhin als eine Überzeichnung und Übermalung einer Fotokopie bezeichnete (vgl. Kap. 2.4.3 Österreichische Galerie).

Maria Dietrich bezog regelmäßig Fachleute ein und nutzte deren Expertise für die Bewertung von Kunstwerken. In zwei Fällen wurde Emil Waldmann, Direktor der Bremer Kunsthalle, als Sachverständiger für die Erstellung von Gutachten hinzugezogen.416 Auch Ernst Buchner konsultierte Maria Dietrich als Sachverständigen. Er stellte bei diesen Gelegenheiten wohl mehrere Fälschungen fest. Während der Erstellung seines Interrogation Reports sagte er aus, dass er sie angeblich einmal aus seinem Büro geworfen hätte, weil sie ihm zu viele Fälschungen vorgelegt haben soll.417 Vielleicht wählte er diese nachträgliche verbale Degradierung aber auch als Form der Distanzierung von der Kunsthändlerin.

Trotz des Vorwurfs, dass sie mit Fälschungen gehandelt haben soll, und der Tatsache, dass viele der von ihr angebotenen Bilder für Linz als unbedeutend abgelehnt wurden, bleibt festzuhalten, dass weitaus mehr Bilder für Linz erworben als abgelehnt worden sind. Die Durchsicht der von der Galerie Almas eingelieferten Werke in der Datenbank „Sonderauftrag Linz“ und im Katalog der Mauerbach-Auktion (1996) führen zu der Ansicht, dass die angenommenen Werke nicht unter dem Durchschnitt lagen und sich durchaus qualitativ hochwertige Kunstwerke darunter befanden. Vielmehr entsteht der Eindruck, dass einige Aussagen bei Roxan/Wanstall, Lynn Nicholas, Hans Peter Thurn oder auch in den Befrageprotokollen männlicher Kunsthändlerkollegen chauvinistisch, ungeprüft und voreingenommen sind.418 Da abgewiesene Werke der Verfasserin nicht in Abbildungen oder im Original bekannt sind, ist eine kunsthistorische Überprüfung jener Objekte jedoch nicht möglich.

415 BArch Koblenz, B323/132, Bl. 52a fo. 176: Maria Dietrich an Hans Posse, 20.1.1942. Bl. 53a fo. 177: Antwort Posse, 29.1.1942. 416 Archiv der Kunsthalle Bremen, Gutachten, 1934–35: Schriftwechsel Juli–August 1935 bezüglich Cranachs „Venus und Amor als Honigdieb“ zwischen Kommerzienrat Allmers, Emil Waldmann und der Galerie Almas sowie Archiv der Kunsthalle Bremen, Gutachten 1.1.–30.9.1938: Schriftwechsel Juni–Juli 1938 bezüglich Arnold Böcklins „Melpomene“ zwischen Mimi Dietrich (gez. Mimi Almas) und Emil Waldmann. 417 Haase 2008, S. 135. NARA, DIR Ernst Buchner, S. 7. NARA, CIR 4, S. 62: „Dr. Ernst Buchner [...] insists that many fakes from the Almas-Dietrich gallery, under consideration for Linz at Munich, were eliminated on his advice.“ 418 Roxan/Wanstall 1964, S. 92ff. Nicholas 1994, S. 31f., 157. Hans Peter Thurn: Der Kunsthändler. Wandlungen eines Berufes, München 1994, S. 173: Thurn bezeichnet Dietrich als „wenig kunstverständige Händlerin“. Bsp. NARA, Art Treasures Vol. IV: Translation of sworn statement written by Karl Haberstock, Würzburg, 4.6.1945, S. 8: „The agent for Hitler was Mrs. Almas Dietrich, who bought [...] without knowledge of quality great numbers of mostly inferior modern German painters.“ 103

Zu prüfen wäre, ob es im Laufe der 1940er Jahre zu einem Abfall der Qualität der durch die Galerie Almas angebotenen Werke kam und ob dies ggf. in Zusammenhang mit einem erschöpften Kunstmarkt stehen könnte. Bereits Birgit Schwarz hat darauf hingewiesen, dass Hermann Voss als Sonderbeauftragter ab dem Frühjahr 1943, trotz der Erschöpfung des europäischen Kunstmarktes, in großem Umfang kaufte und dadurch die Qualität der Erwerbungen sank.419

Exkurs: Verkäufe ohne Gewinnerzielung?

Wenn die erzielten Auktionserlöse den Auktionshäusern gegenüber direkt beglichen wurden, wie nach den Auktionen von Weinmüller in Wien (12.–14.5.1943, 15.12.1943) oder der Auktion bei Hans W. Lange am 5./6.10.1943 (inklusive 15 % Aufschlag für Lange), lässt sich aus den vorhandenen Dokumenten nicht ablesen, in welcher Höhe die jeweilige Provision Maria Dietrichs für ihre Bemühungen ausfiel. Einige Male vermittelte sie Bilder an den „Sonderauftrag Linz“ und betonte dann explizit, dass sie an der jeweiligen Transaktion nichts verdient hätte, wie bei einem Bild von Hubert Robert (Linz-Nr. 2959).420 Bezüglich der Vermittlung zweier Gemälde des Künstlers Vanvitelli (Linz-Nr. 2835 und 2836) schrieb die Galerie Almas: „Die Gemälde wurden fest angekauft und befinden sich, wie Ihnen ja bekannt ist, bereits im Führerbau. Der Besitzer erwartet täglich sein Geld und wir selbst haben die Sache ja nur ohne Provision und Verdienst vermittelt. [...] Wegen der Blarenberghe [Linz-Nr. 3060 und 3061421] hat Frau Dietrich auf schnellstem Wege Herrn Mandl Anweisung gegeben, die Bilder an Herrn Dr. Göpel auszuhändigen. Frau Dietrich freut sich, dass das Museum die Erwerbung machen konnte, und will es Ihnen überlassen, eine Provision zu überweisen, da sie ja nicht wegen des Verdienstes die Gemälde vermittelte, sondern um dem Führer eine Freude zu machen. Wie Sie ja wissen, ist sie in erster Linie bestrebt schöne und preiswerte Werke ausfindig zu machen und kommt der Verdienst an zweiter Stelle.“422

419 Schwarz 2014, S. 239 und Schwarz 2017, S. 53. 420 BArch Koblenz, B323/132, Bl. 28 fo. 132: Maria Dietrich an Gottfried Reimer, 19.8.1943. 421 Vgl. Kap. 2.4.1 „Sammlung“ Martin Bormann. 422 BArch Koblenz, B323/132, Bl. 30 fo. 146: Maria Konrad an Hermann Voss, 11.6.1943. 104

2.4 Weitere Kunden in den 1930er und 1940er Jahren

Neben ihrer Tätigkeit für den „Sonderauftrag Linz“ beschaffte Maria Dietrich auch Kunstwerke für andere Stellen des NS-Regimes, allen voran für Martin Bormann bzw. dessen Partei-Kanzlei. Bormann (1900–1945) war Reichsleiter der NSDAP. Am 12. Mai 1941 übernahm er nach dem sog. Englandflug von Rudolf Heß dessen Dienststelle „Stab des Stellvertreters des Führers“, die in Partei-Kanzlei umbenannt wurde, mit den Befugnissen eines Reichsministers. Am 12.4.1943 erhielt er offiziell den Titel „Sekretär des Führers“ und wurde somit faktisch zum Stellvertreter Hitlers. Martin Bormann regelte den Zugang der Gauleiter zu Hitler, entlastete ihn von Verwaltungsarbeiten und schirmte ihn zunehmend gegen die politische Führungsspitze ab.423 Zudem verwaltete Bormann die persönlichen Finanzangelegenheiten Hitlers. Außerdem agierte er als dessen rechte Hand „bezüglich der Kunstangelegenheiten“.424 Bormann war etwa ab 1937 für die Ausstattung der Reichskanzlei, des Obersalzberges und des „Braunen Hauses“ in München zuständig. Seine Beauftragten für Ankäufe waren die Architekten Roderich Fick (1866–1955) und Heinrich Michaelis (1895–?). Bei Adolf Weinmüller erwarben Bormann, Fick und Michaelis zwischen 1937 und 1943 ca. 180 Objekte.425 Generell erfolgten die meisten Ankäufe im Münchner Kunsthandel. Maria Dietrich reihte sich neben Günther Franke, Jakob Scheidwimmer, Eugen Brüschwiler und Ludwig Gutbier (Galerie Ernst Arnold) in den Kreis derjenigen Kunsthändler ein, die für die Ausstattung der NS-Einrichtungen herangezogen wurden.426 Wie bereits geschildert, nahm Martin Bormann auch Einfluss auf den „Sonderauftrag Linz“ und entschied teilweise darüber, welche Ankäufe getätigt werden sollten, gleichsam in diesem Fall: „Betreffs der beiden Gemälde von Blarenberghe [Linz-Nr. 3060, 3061] in Paris hat Herr Professor Voss an Herrn Reichsleiter Bormann den gewünschten Bericht erstattet und dem Herrn Reichsleiter die Entscheidung über den Ankauf anheimgestellt. Ich nehme an, dass Sie direkt von Reichsleiter Bormann oder seinem Büro darüber Nachricht erhalten.“427

423 Lebendiges Museum online (https://www.dhm.de/lemo/biografie/martin-bormann – zuletzt besucht am 4.4.2019). 424 Hopp 2015, S. 162. Schwarz 2009, S. 246f. 425 Hopp 2012, S. 220. 426 Billeter 2017, S. 117f., 121ff.: Hinzu kommt noch Karl Haberstock, Berlin. Laut Billeter lässt sich der jeweilige Umfang der gelieferten Objekte nicht mehr rekonstruieren. 427 BArch Koblenz, B323/132, Bl. 49a fo. 160: Gottfried Reimer an Maria Dietrich, 18.5.1943. Fo. 157: Reimer an Dietrich, 27.5.1943: „Soeben erhalte ich durch den Persönlichen Referenten des Herrn Reichleiters Martin Bormann die Mitteilung, dass der Herr Reichsleiter, falls die erforderlichen Devisen verfügbar seien, die Erwerbung der von Ihnen angebotenen beiden Gemälde von Blarenberghe begrüßen würde.“ 105

2.4.1 „Sammlung“ Martin Bormann

Die „Sammlung Bormann“ wurde von Meike Hopp im Zuge ihrer Forschung zu Adolf Weinmüller und Rudolf von Alt aufgearbeitet.428 Hopp stellte hierbei fest, dass der Terminus „Sammlung“ irreführend sei, da es sich nicht um eine konsistente Sammlung, sondern eher eine Ansammlung von Objekten für diverse Gebäudeausstattungen handelte. Die Treuhandverwaltung in München unterschied 1962 drei Bereiche429: 1) Private Ankäufe Bormanns für sein Haus in Pullach, 2) Erwerbungen Bormanns als Fiduziar der NSDAP für die Verwaltung Obersalzberg zur Ausschmückung der Räume der Parteibauten auf dem Obersalzberg, der Partei-Kanzlei in Berlin, Bayreuth etc., 3) Zeichnungen und Aquarelle Rudolf und Jakob von Alts, die von Ernst Schulte-Strathaus in Wien erworben worden waren. Jakob und Rudolf von Alt waren in der „Sammlung Bormann“ mit mindestens 800 Papierarbeiten stark vertreten. Diese Werke lagerten auf dem Obersalzberg. Insbesondere die zuletzt genannten Erwerbungen sind im Zusammenhang mit der „Alt-Aktion“ (1938) in Wien zu sehen, bei der man gezielt Sammlungen von Jüdinnen und Juden geplündert hatte (vgl. Kap. 3.1 Österreich).

Maria Dietrich schickte 1938 einige Aquarelle („Alt-Bilder“) zur Ansicht an Martin Bormann auf den Obersalzberg, die aber wieder an sie zurückgingen, da er die Blätter als zu teuer und nur durchschnittlich bewertete.430 Allerdings konnte die Verfasserin 52 Werke, vor allem Gemälde, nachweisen, die Maria Dietrich 1942 (insbesondere am 17.10.1942) und 1943 direkt an Martin Bormann verkaufte (vgl. ANLAGE 5). Diese Zahl widerlegt die u. a. bei Haase zu findende Angabe, dass Dietrich zwischen 1943 und 1944 nur etwa 20 Kunstgegenstände an Bormann verkauft hätte.431

428 Hopp 2012, S. 216ff. und Hopp 2015, S. 172ff. BArch Koblenz, B323/583, Erwerbungen Martin Bormanns für den „Sonderauftrag Linz“ und das „Schloss Posen“ – Beglaubigung von Rechnungskopien und -abschriften aus den Jahren 1940– 1944 durch die OFD München 1939–1944, 1970. 429 BArch Koblenz, B323/12–15, Erwerbungen im Auftrag Martin Bormanns zwischen 1937 und 1944 – Provenienzforschung des Central Collecting Points München und der Treuhandverwaltung 1937–1944 und 1949, 1962. 430 Hopp 2015, Anm. 156: Hopp bezieht sich auf BArch Berlin, NS 6/789, Stabsgeschäftsführung – Innerer Dienst, fo. 16; das ist Bl. 16: Vermerk für den Stabsleiter, betrifft: Bilder Ankäufe, 14.9.1938: Aus dem Vermerk geht nicht hervor, dass es sich um Aquarelle von der Galerie Almas handelt. S. hierfür Bl. 20: Vorlage an den Stabsleiter, betrifft: Alt-Bilder, 21.10.1938: „Frau Almas sagte mir, dass Sie die Ihnen heute zugestellten Alt-Bilder auf dem Obersalzberg sich ansehen wollten. Zu der von Frau Almas übergebenen Aufstellung mit den Preisen bemerke ich, dass ich derzeit, Ihrer Weisung entsprechend, Frau Almas gesagt habe, dass die von ihr in der früheren Aufstellung eingesetzten Preise Ihnen sehr hoch erschienen seien. Die jetzt angegebenen Preise sind die gleichen wie in der damaligen Aufstellung. Sie entsprechen, wenn man die Zeichnung ausser Ansatz lässt, einem Durchschnitt von RM 2600.-.“ Bl. 30: Aktenvermerk für Dr. Hanssen von Bormann, 27.10.1938: „Die Alt-Bilder, die ich Ihnen zurücksandte, sind – wie Sie richtig erkannt haben – viel zu teuer, zumal es sich um mindere Durchschnittsware handelt.“ 431 Haase 2008, S. 134. 106

Der jeweilige Verwendungszweck der von Dietrich an Bormann verkauften Bilder ist nicht eindeutig feststellbar, aber aufgrund der gemäßigten Preise und des Schwerpunktes auf Landschaften, kann davon ausgegangen werden, dass die Bilder für dekorative Zwecke angeschafft wurden. Bei mehreren dieser 52 Werke konnte bestimmt werden, dass sie von Maria Dietrich in Paris angekauft worden waren. Bezüglich der Provenienz weiterer Werke ergaben sich Widersprüche aufgrund der Aussagen Dietrichs und anderer Belege zur Herkunft (s. ANLAGE 5). Als Überweisungen aus Staatsbesitz werden Teile der „Sammlung Bormann“ heute in den Bayerischen Staatsgemäldesammlungen aufbewahrt. Laut den BStGS handelt es sich um insgesamt 26 Objekte, die auf diesem Weg in den Bestand gelangten.432 Hierzu gehört auch Toni Stadlers „Dachauer Moos“ (Mü-Nr. 12311, Inv.-Nr. 12574), das Maria Dietrich im April 1943 an Bormann geliefert hatte. Dietrich sagte 1949 aus, dass das Bild aus München stamme. Tatsächlich hatte sie es aber für 3.600.- RM auf einer Auktion bei Hans W. Lange (16./17.4.1943, Los 228, Einlieferer 121, Berlin) ersteigert. Bestätigt wird dies durch die Beschriftung ihres Galerieaufklebers auf der Bildrückseite: „für Reichsleiter Bormann aus Auktion Lange“.

2.4.2 Erwerbungen für das Schloss Posen

Auch das Schloss in Posen lag in dem Zuständigkeitsbereich von Martin Bormann. Während der deutschen Besetzung Polens wurde das Posener Schloss (1905–1913 errichtet unter Wilhelm II.) ab 1940, zunächst unter der Leitung des Architekten Frank Böhmer (1907– 1943), zu einer „Führerresidenz“ („Ost-Residenz“) ausgebaut. Für den Innenausbau, die Möblierung und Ausstattung mit Kunstwerken war Heinrich Michaelis zuständig.433 Er kaufte für das Schloss Gemälde im Wert von 1,3 Millionen Reichsmark.434 Nach der deutschen Niederlage bei Stalingrad erfolgte ein Baustopp der Außenarbeiten, am Innenausbau wurde jedoch sogar bis Juli 1944 weitergearbeitet.

432 Laut Datenabgleich im April 2017. Nicht eindeutig der „Slg. Bormann“ zuzuordnen: Friedrich Voltz „Kühe an der Tränke“ (Mü-Nr. 26816, Inv.-Nr. 11841), Herkunft möglicherweise Galerie Almas, 1939 für das Parteiforum der NSDAP in Berchtesgaden erworben (Nr. 82), 1953 aus Staatsbesitz überwiesen. 433 BayHStA, NSDAP-Bauakten, 11614, 11615, 11625, 11626, 11627, 11628, 11629, 11638, 11639: Aufträge und weitere Unterlagen zur Einrichtung des Schlosses. 434 Hopp 2012, S. 218f. 107

Die Galerie Almas lieferte für das Schloss Posen 1942 und überwiegend im Frühjahr 1943 insgesamt neun Werke (vgl. ANLAGE 6). Auch Karl Haberstock, Eugen Brüschwiler und Adolf Weinmüller belieferten das Projekt.435 Die Bestände des Schlosses Posen gelangten über Altaussee an den Münchner Central Collecting Point.

435 Billeter 2017, S. 124. 108

2.4.3 Angebote und Verkäufe an öffentliche Sammlungen bis 1945

Ich betone nochmals, dass ich im Auftrag des Führers Gemälde für staatliche Museen oder andere amtliche Stellen kaufe.436

Für diese Arbeit wurden zahlreiche Museen in Deutschland und Österreich kontaktiert, bei denen aufgrund des Sammlungsprofils eine Zusammenarbeit mit der Galerie Almas möglich schien. Aufgrund der hohen Museumsdichte kann das Ergebnis dieser Methode jedoch nur als stichprobenartig bezeichnet werden. Es wurden Vorgänge zwischen der Galerie Almas und öffentlichen Sammlungen bis in das Jahr 1945 in die Auswertung einbezogen. Auch außerhalb von München und Bayern stand Maria Dietrich mit einigen Museen in Kontakt. Verkäufe und Angebote an Museen sind aber erst ab 1939 feststellbar, so dass davon ausgegangen werden kann, dass die Professionalisierung und Ausweitung ihrer Geschäftstätigkeit mit der Tätigkeit für den „Sonderauftrag Linz“ bzw. Hitler in Verbindung stand. Möglicherweise bot sie Museen auch Werke an, die für Linz nicht in Frage kamen. Nur mit wenigen Sammlungen pflegte sie verhältnismäßig enge Geschäftsbeziehungen, die über einmalige, sporadische oder zufällige Erwerbungen oder Angebote hinausreichten. Hierzu gehörten die Bayerischen Staatsgemäldesammlungen, die Musikinstrumentensammlung in München und die Österreichische Galerie in Wien. Ihre Korrespondenz mit Museumsmitarbeitern wie Ernst Buchner (München) und Bruno Grimschitz (Wien) rührte häufig daher, dass sie deren kunsthistorische Einschätzung von Bildern benötigte, wobei sie gern mehrere Meinungen einholte.

Es stellt sich auch die Frage, inwieweit Verkäufe an Privatpersonen erfolgten. Aufgrund der Quellenlage ist jedoch keine aussagekräftige Einordnung darüber möglich, an welche Kunden Maria Dietrich, neben Heinrich Hoffmann, regelmäßig Kunstwerke veräußerte. Es lässt sich annehmen, dass sie Personen wie dem Diplomaten, Industriellen und Kunstsammler Richard von Kühlmann (1873–1948), von dem sie allein für Linz ca. 18 Bilder erwarb, wiederum auch Kunstgegenstände verkauft hat.437

436 BArch Berlin, R8 XIV 5, Devisenanträge und Devisenbescheinigungen, o. Bl.: Maria Dietrich an die Reichsstelle für Papier, 15.2.1944. 437 Vgl. Kap. 4.5 Ansprüche an Maria Dietrich; Kühlmann wird hier als Kunde thematisiert. S. zu Kühlmann auch: LAB, F Rep. 290-05-01, Sammlung Martha Huth: fotografische Aufnahmen von Kühlmanns Berliner Wohnungseinrichtung, um 1930. Richard von Kühlmann: Erinnerungen, Heidelberg 1948. Karl & Faber, München, 27./29.4.1959 (Auktion 69): Handzeichnungen und Graphik 15.–20. Jahrhunderts dabei Sammlung Richard v. Kühlmann und andere Beiträge. Stadtbibliothek München, Monacensia: Nachlass Richard von Kühlmann (u. a. diverse Briefwechsel). Nathan 1965, S. 66f.: Es bestand auch Kontakt zwischen Fritz Nathan und Kühlmann. 109

Bayerische Staatsgemäldesammlungen (BStGS), München Der Generaldirektor der BStGS, Ernst Buchner, und Maria Dietrich standen wohl überwiegend in den späten 1930er und frühen 1940er Jahren miteinander in Kontakt. Hinsichtlich des „Sonderauftrags Linz“ pflegte Buchner zudem intensiven Austausch mit Hans Posse, Hermann Voss und Gottfried Reimer. Dementsprechend war er stets über das Angebot der Galerie Almas informiert. Sechs Werke gelangten über Maria Dietrich zwischen 1938 und 1944 in den Bestand der Bayerischen Staatsgemäldesammlungen, von denen sich drei heute noch im Sammlungsbestand befinden (vgl. Kap. 2.4.1 zu Überweisungen aus Staatsbesitz).

Im Sommer 1938 vermittelte Maria Dietrich eine kleinformatige Tafel von Martin Schongauer, „Maria mit Kind“ (Mü-Nr. 37709), aus dem Besitz von Rudolf Gutmann, Wien, an Ernst Buchner. Gutmann hatte bereits im März 1938 seine Emigration angetreten; einen Monat später wurde seine Kunstsammlung durch die Gestapo beschlagnahmt. Gutmanns Tochter (oder Stieftochter?) Getrude Ferstl gab sich offenbar als Eigentümerin von Kunstwerken ihres Vaters aus und erhielt Werke zu ihrer Verfügung. Inwiefern sie in den Verkauf der Schongauer-Tafel involviert war, kann an dieser Stelle nicht erfasst werden. Maria Dietrich fungierte gegen eine Provision von 2.000.- RM als Mittlerin zwischen Buchner und einem gewissen Hubert Pugl aus Graz, der sich gegenüber den BStGS als rechtmäßiger Eigentümer des Werks ausgab und es für 115.000.- RM verkaufte. Buchner behauptete später von der Herkunft der Tafel nichts gewusst zu haben, was unglaubwürdig wirkt, da es sich damals schon um ein in der Fachwelt bekanntes Bild handelte, das sich bereits seit Anfang des 20. Jahrhunderts im Besitz von Rudolf Gutmann befunden hatte und als solches auch publiziert worden war.438

Am 28.12.1939 gaben die BStGS Karl Wilhelm Seilers „Concilium“ (ehem. Inv.-Nr. 9170) an Maria Dietrich ab und erhielten dafür im Tausch Fritz von Uhdes „Bildnis der Tochter des

438 BArch Koblenz, B401, Nr. 58: Claims Austria; Rudolf Gutmann. Das Material ist auch über fold3 einsehbar. Das Bild wurde 1947 an Rudolf Gutmann restituiert und befindet sich seit 1997 im Getty Museum, Los Angeles (https://www.getty.edu/art/collection/objects/105121/martin-schongauer-madonna-and-child-in-a-window-german-about- 1485-1490/ – zuletzt besucht am 5.11.2019). BStGS, Archiv, Nr. 644, 23/1 (1938–1940): Der Erwerbsantrag von Ernst Buchner (8.8.1938) verdeutlicht die kunsthistorische Bedeutung der Tafel. 110

Künstlers/Therese Karl“ (Inv.-Nr. 10762). Das Bild von Seiler lieferte Dietrich anschließend an den „Sonderauftrag Linz“ (Linz-Nr. 849).439 John Lewis Browns „Berittener französischer Husar ein Pferd fütternd“ (ehem. Inv.-Nr. 10814) schenkte Maria Dietrich den BStGS am 8.8.1941. Ernst Buchner hielt das Bild für eine „wünschenswerte Bereicherung unserer Abteilung neuerer französischer Malerei“.440 Am 22.7.1941 hatte er das Bayerische Staatsministerium für Unterricht und Kultus bereits auf diese Schenkung aufmerksam gemacht: „Frau Maria Dietrich [...] hat den Bayerischen Staatsgemäldesammlungen, ein frisch und kraftvoll gemaltes Bild (Husar aus der napoleonischen Zeit mit zwei Pferden) des französischen, aus einer schottischen Familie stammenden Malers John Lewis Brown [...] als Geschenk angeboten. Ich bitte, die Stiftung genehmigen zu wollen, da das Bild eine wünschenswerte Bereicherung unserer bedeutenden Abteilung neuerer französischer Malerei bedeutet. Frau Dietrich will das Bild zum Zeichen des Dankes für kunstwissenschaftliche Auskünfte die ihr von der Direktion der Staatsgemäldesammlungen erteilt worden sind, stiften.“441 Am 27.2.1952 wurde das Bild nach Frankreich (MNR 955) zurückgegeben, denn es war von Dietrich am 5.7.1941 für 6.000.- F bei Robert Le Tourneur in Paris erstanden worden.442 Bernardo Daddis „Heiliger Bischof mit einem Stieglitz“ (um 1335–1340, Inv.-Nr. 10828) erwarb man am 16.6.1942 für 10.000.- RM von der Galerie Almas als „Florentiner Meister um 1360 – Halbfigur eines hl. Bischofs auf punziertem Goldgrund“.443 Möglicherweise stammte auch dieses Werk aus Frankreich, wie es Rose Vallands (1898–1980) spätere Ermittlungen vermuten lassen: „Vous [Buchner] croyiez que la peinture était venue de France, en 1943.“444

439 BStGS, Archiv, Nr. 644, 23/1, formlose Bestätigung im Januar 1940: „Die Kunsthandlung Maria Almas, München bestätigt von den Bayer. Staatsgemäldesammlungen das Gemälde von Karl Wilhelm Seiler ‚Concilium‘ im Tausche mit dem Bild von Fritz von Uhde ‚Bildnis der Tochter des Künstlers‘ erhalten zu haben.“ Provenienz laut BStGS, Stand 12.4.2021: um 1895 bis o. D. Fritz von Uhde – o. D. bis o. D. Privatbesitz – Juli bis Dezember 1939 Ludwig Gutbier, Galerie Ernst Arnold (für eine Privatperson) – Dezember 1939 von der Galerie Almas im Tausch erworben. S. auch BVA Provenienzdatenbank, hier. Titel: „Interieur mit fünf Rokokoherren“ (Stand 2008). 440 BStGS, Archiv, 24/1, Nr. 665 (1931–1941): Schenkung von Maria Dietrich (Inhaberin der Kunsthandlung Almas, München), 1940 [sic]: Ernst Buchner an Maria Dietrich, 22.7.1941 bezügl. John Lewis Browns „Husarenbild“. 441 BayHStA, MK 50862, Ernst Buchner an Bayerisches Staatsministerium für Unterricht und Kultus, 22.7.1941 (freundliche Auskunft von Theresa Sepp, München). 442 Archives diplomatiques, Paris, 209 SUP 591 R36, Bl. 15f.: Rose Valland, Le Chef du Service de Remise en Place des Œuvres d’Art Récupération Artitstique an Monsieur Florisoone, Conservateur des Musées Nationaux chargé de la Récupération Artistique, 18.1.1952: Laut dieser Quelle hatte Maria Dietrich das Gemälde von dem Kunsthändler Eugen Brüschwiler erworben. 443 BStGS, Archiv, Nr. 644: Auf dem Deckel des leeren Vorgangs steht: „Tausch eines Gemäldes von der Kunsthandlung Almas […] Inv. Nr. 10828 Florentiner Meister um 1360 ‚Halbfigur eines Bischofs auf punziertem Goldgrund‘ (altitalienische Bildtafel)“. 444 Archives diplomatiques, Paris, 209 SUP 591 R36, Bl. 36ff.: Rose Valland an Ernst Buchner, 3.11.1951 (Auskunftsersuchen). 111

1942 kaufte man Wilhelm Trübners „Selbstbildnis“ (Inv.-Nr. 10840) für 13.500.- RM von Dietrich an.445 Die beiden zuletzt genannten Werke sowie das Bild von Uhde befinden sich auch heute noch im Bestand der Bayerischen Staatsgemäldesammlungen.

Willem Corneliusz Duysters’ „Dame und Kavalier“ (ehem. Inv.-Nr. 10887) erwarb Ernst Buchner am 21.2.1944 bei der Galerie Almas für 18.500.- RM. Das Bild stammte aus der Sammlung Schloss (Mü-Nr. 31413, Schloss 261, vgl. Kap. 3.3.4 Erwerbungen aus der Sammlung Schloss) und wurde nach dem Krieg restituiert.446 Ein Gemälde von Adolf Hengeler, „Waldidyll (Zwei schlafende Mönche)“ (Inv.-Nr. HST 3), wird in den BStGS aufgrund seiner unbekannten Herkunft heute lediglich verwahrt. Es befand sich vor 1954 im Depot in der Arcisstr. 10 und trägt die rückseitige Kreidebeschriftung „Almas“.

Es wurden ferner Vorgänge bezüglich zweier Angebote der Galerie Almas ermittelt, die vermutlich nicht in Erwerbungen mündeten. 1951 schrieb Rose Valland an Ernst Buchner und nahm hierbei Bezug auf eine „Scène militaire“ (aus der „École française“, 19. Jh.), die ihm vermeintlich von Maria Dietrich 1943 angeboten worden war: „D’après votre [Buchner] interrogatoire, il s’agit d’un peintre de sujets militaires dont vous ne pouviez vous rappeler le nom. Le tableau a été offert, en 1943, par Madame Dietrich en cadeau à la Pinacothèque.“ Valland versuchte zu ermitteln, wo sich das Bild befand.447 Aufgrund der rudimentären Angaben konnte hier nicht bestimmt werden, um welches Bild es sich handelt und ob es tatsächlich als Geschenk in die Staatsgemäldesammlungen gelangte. Die Durchsicht der Angebote von Kunsthändler:innen und Privatpersonen im Zeitraum von 1926 bis 1945 im Archiv der Bayerischen Staatsgemäldesammlungen hat ergeben, dass Maria Dietrich ein weiteres Bild offeriert hat. Am 21.6.1941 schrieb Buchner an den Direktor des Germanischen Nationalmuseums, Heinrich Kohlhaußen, nachdem Maria Dietrich ihm zuvor ein männliches Bildnis von Lorenz Strauch gezeigt hatte, welches ein Porträt des Nürnberger Goldschmieds Christoph Jamnitzer darstellte. Buchner schlug Dietrich daraufhin vor, das Bild dem Germanischen Nationalmuseum anzubieten, ohne ihr allerdings den Namen des

445 BayHStA, MK 50862: Ankauf von Kunsthandlung Almas, 29.9.1942: Wilhelm Trübner „Selbstbildnis“, genehmigt vom Bayerischen Staatsministerium für Unterricht und Kultus am 13.10.1942 (freundliche Auskunft von Theresa Sepp, München). BStGS, Archiv, Nr. 648: Gemälde-Erwerb durch Kauf 1.4.1942–31.3.1943: Ankauf eines Gemäldes für die Bayer. Staatsgemäldesammlungen, München von der Kunsthandlung Almas, München 1942: Wilhelm Trübner „Selbstbildnis“, Inv.-Nr. 10840 [Ordner leer]. Provenienz laut BStGS, Stand 2021: 1877 bis o. D. Wilhelm Trübner – 1913 Galerie Caspari, München – spät. 1914 bis mind. 1916 Josef Stransky, New York – nach 1916 bis o. D. Verbleib unbekannt, Paris – o. D. bis 13.10.1942 Galerie Almas. 446 Cultural Plunder by the Einsatzstab Reichsleiter Rosenberg: Database of Art Objects at the Jeu de Paume (https://www.errproject.org/jeudepaume/card_view.php?CardId=52621 – zuletzt besucht am 5.4.2019). 447 Archives diplomatiques, Paris, 209 SUP 591 R36, Bl. 36ff.: Rose Valland an Ernst Buchner, 3.11.1951 (Auskunftsersuchen). 112

Porträtierten mitzuteilen, um den Preis des Bildes nicht zu erhöhen. Kohlhaußen erbat daraufhin am 23.6.1941 das Bild zur Ansicht, da es wegen der dargestellten Persönlichkeit von Interesse für ihn war. Erworben wurde das Porträt schließlich von den Kunstsammlungen der Stadt Nürnberg (heute Museen der Stadt Nürnberg, s. unten).448

Ernst Buchner empfahl die Galerie Almas bei Bedarf weiter. Am 30.4.1940 etwa schrieb er an einen Mann namens W. Kremer aus Schiebroek bei Rotterdam, dass die Erwerbung des von Kremer angebotenen Bildes von Karl Raupp für ihn nicht in Frage käme, aber möglicherweise hätte „die Münchner Kunsthandlung am Lenbachplatz (Herr Zinckgraf) oder die Kunsthandlung Almas […] für das Bild Interesse“.449

Städtische Musikinstrumentensammlung / Stadtmuseum München Georg Neuner (1904–1962) baute privat ab den 1920er Jahren eine Musikinstrumentensammlung auf, die er der Stadt München am 31.7.1940 mit ca. 900 Stücken übergab. Am 14.10.1942 eröffnete die Städtische Musikinstrumentensammlung mit Neuner als Direktor in der Ottostr. 9 im zweiten Stock des Cramer-Klett-Palais.450 Unter derselben Adresse war seit 1939 auch die Galerie Almas ansässig. Glaubt man einer Aussage Georg Neuners aus dem Jahr 1947, kannten sich Neuner und Dietrich zu diesem Zeitpunkt bereits seit 20 Jahren (vgl. Kap. 1.2.2). Beide lagerten Teile ihrer Bestände zum Schutz vor Kriegseinwirkung gemeinsam im Schloss Meierhofen bei Hemau (Oberpfalz, Besitzer Robert Knaus) aus.451

Maria Dietrich verkaufte und schenkte zwischen 1941 und 1943 insgesamt 19 größtenteils afrikanische Musikinstrumente an die öffentlich gemachte Sammlung von Georg Neuner (vgl. ANLAGE 7). Die Schenkung einer Renaissance-Harfe erregte 1943, auf Wunsch Maria Dietrichs, besonderes Aufsehen. In der Zeitschrift „Völkischer Beobachter“ wurde verkündet: „Wertvolle Schenkung für die Städt. Musikinstrumentensammlung. Die Galerie ‚Almas‘, Inh. Maria Dietrich [...] hat in Fortführung ihrer wiederholten Zuwendungen der Städt. Musikinstrumentensammlung neuerdings eine wertvolle Renaissance-Harfe gestiftet. Für diese beispielhafte Schenkung sprach Oberbürgermeister Fiehler in der Sitzung der

448 BStGS, Archiv, Nr. 305: Kaufangebote durch Kunsthandlungen 1937–1952: Heinrich Kohlhaußen, Nürnberg an Ernst Buchner, 23.6.1941. 449 BStGS, Archiv, Nr. 460: Kaufangebote durch Private 1939–41: Ernst Buchner an W. Kremer, Schiebroek b. Rotterdam, 30.4.1940. 450 Stadtmuseum München, Archiv, Ordner „1930–1951“: Fotografien des am 24./25.4.1944 zerstörten Palais. András Varsányi/Katharina Common: Zur Entstehung der Sammlung Musik des Münchner Stadtmuseums unter Georg Neuner (1904–1962), S. 195–201. In: Rader/Voigt 2018. 451 Stadtmuseum München, Archiv, Ordner „Schriftverkehr wegen Freigabe des Museumsgutes“: Objekte der Galerie Almas wurden auf einer Sonderliste von der Militärregierung erfasst und am 1.8.1946 freigegeben. 113 städtischen Beiräte den Dank der Stadtverwaltung aus.“452 An eine andere, aber eher als diskriminierend zu bezeichnende Reaktion seitens der Stadt erinnerte sich Georg Neuner am 23.12.1947: „Diese Stiftung wurde im Stadtrat anläßlich einer Sitzung bekannt gegeben und auch in der Presse veröffentlicht. In meiner Eigenschaft als Museumsleiter wurde ich zu meinem damaligen Chef, Herrn Ratsherrn Max Reinhardt [sic], gerufen, der mir mitteilte, daß in der Stadtratssitzung gegen die Stiftung seitens Frau Almas, als Frau eines Juden, Protest erhoben worden sei.“453 Möglicherweise handelt es sich bei der Schenkung um eine Harfe, die Dietrich 1942 in Paris erworben hatte. Eine Rechnung belegt, dass sie in diesem Jahr für 7.000.- F eine Harfe bei Lebrun in Paris gekauft hatte.454 Rechnungen und Quittungen der Galerien Carrefour (Suzanne Vérité), Sahara und Charles Ratton aus den Jahren 1942 und 1943 zeigen, dass Dietrich auch weitere Instrumente in Paris erstand.455 Aufgrund der rudimentären Beschreibungen auf den Belegen kann jedoch keine definitive Zuordnung zu den Instrumenten in der Neuner-Sammlung erfolgen. Die Stadt München bemühte sich um Vermittler in den besetzten Gebieten, vor allem in Brüssel und Paris, um das neu gegründete Museum mit Instrumenten und Fachliteratur aufzustocken. In Belgien und Nordfrankreich wurde hierfür der Ratsherr Adolf Westermayer eingesetzt. In einem Schreiben an die Militärregierung vom 2.9.1946 wird er sogar als einziger Einkäufer genannt.456 Die Einkäufe von Maria Dietrich für die Städtische Musikinstrumentensammlung waren möglicherweise nicht offiziell und sind eher als Freundschaftsdienst für Neuner zu bewerten.

Seit 1958 ist die Musikinstrumentensammlung Teil des Münchner Stadtmuseums.

452 Stadtmuseum München, Ordner „Schriftwechsel Georg Neuner von 1938–1960“: Vorlage des Oberbürgermeisters, 7.1.1943, Beratungssache für die Sitzung der Ratsherren. Betreff: Schenkung an die städt. Musikinstrumentensammlung: „[…] schon wiederholt Musikinstrumente schenkungsweise überlassen hat, stiftete nun neuerdings eine wertvolle Renaissance-Harfe mit dem Wunsche, dass diese Stiftung in der Presse bekannt gegeben wird.“ Entwurf für Schreiben des Oberbürgermeisters an Maria Dietrich: „[…] Sie hatten die grosse Liebenswürdigkeit, der städt. Musikinstrumentensammlung eine Renaissance-Harfe als Geschenk zu überlassen. Für diese Stiftung, die ich heute in der öffentlichen Sitzung bekannt gegeben habe und die neuerdings Ihr grosses Interesse für die Sammlung bekundet, spreche ich Ihnen meinen wärmsten Dank aus.“ Bekanntmachung in: Münchner Abendblatt, 7.1.1943 und am 8.1.1943 in: Völkischer Beobachter, Münchner Neueste Nachrichten, Münchener Zeitung. Weltkunst, Jg. 17, H. 1/2, 3.1.1943, S. 6. 453 StAM, SpkA K 285, o. Bl.: Georg Neuner, Städt. Museumsvorstand, München an die Öffentliche Klägerin d. Spruchkammer I, Frau Hartmann, München, 23.12.1947. 454 NARA, Dietrich, Maria Almas: receipts a-m, S. 118. 455 NARA, Dietrich, Maria Almas: receipts a-m, S. 47, 51. Dietrich, Maria Almas: receipts n-z, S. 52, 78. Archives nationales, Paris, F12/9632, Akte Ratton: Auflistung von Werken, u. a. ein Instrument aus dem Kongo. Ausst.-Kat. Charles Ratton. L’invention des arts „primitifs“, hg. vom Musée du Quai Branly, Paris 2013, S. 30, 109 (freundlicher Hinweis von Bénédicte Savoy, Berlin). Die Kunsthandlung Ratton existiert heute noch. 456 Stadtmuseum München, Archiv, Ordner „Auslandsankäufe im Krieg“: Georg Neuner an die Militärregierung München, Lt. Breitenbach, 2.9.1946. 114

Die Durchsicht der Inventarbücher (1932–1945) des Stadtmuseums ergab, dass in dieser Zeit durch die Kunsthandlung Almas lediglich zwei Kaffeeservice in den Jahren 1938 und 1942 in die stadthistorische Sammlung gelangten.457 Insgesamt wurden für das Historische Museum der Stadt München zwischen 1933 und 1945 20.177 Objekte erworben. Eine enge Verbindung zur Hausleitung kann somit nicht konstatiert werden. Einen Erklärungsansatz bietet Henning Rader: „Auch wenn die Masse an Zugängen durchaus beeindruckend ist, muss angemerkt werden, dass es sich hierbei nur in Ausnahmefällen um besondere materielle Werte oder künstlerische Qualitäten handelte. Im Gros waren es Gegenstände, die einen Ankaufspreis oder Schätzwert von fünfzig Reichsmark nicht überstiegen. Als Heimatmuseum zählte das Historische Stadtmuseum in erster Linie eben nicht zu den Kunden der hochpreisigen Kunsthandlungen, sondern akquirierte sein künftiges Sammlungsgut vornehmlich bei Tandlern [also Kleinwarenhändlern] und in kleineren Antiquitätenläden, die sich traditionell in der unmittelbaren Nachbarschaft des Museums befanden.“458

Städtische Galerie im , München Hermann Soltaus Gemälde „Floßfahrt auf der Isar“ (ehem. Inv.-Nr. G 6954) gelangte im Januar 1942 durch Maria Dietrich in den Bestand der Städtischen Galerie. Das Bild wurde im November 1951 aus dem sogenannten G-Bestand in den „K-Bestand“ der Stadt München übertragen. Bei letzterem handelt es sich um Kunstwerke, die heute als Amtsraumschmuck in städtischen Dienststellen hängen.459

Germanisches Nationalmuseum, Nürnberg Am 4.9.1941 wurde das Gemälde „Die Furt“ von Johann Christian Brand (Inv.-Nr. Gm 1413, Lost Art-ID 569354)460 von der Galerie Almas angekauft. Kurze Zeit später, am 19.9.1941, erfolgte zudem der Ankauf eines lothringischen Schranks (um 1760, Inv.-Nr. HG 9474).461 Weitere Erwerbungen aus der Galerie Almas erfolgten nach 1945 (vgl. Kap. 4.6 Neu- Etablierung im Münchner Kunsthandel ab den 1950er Jahren).

457 Stadtmuseum München: Inv.-Nr. 38/1281: „Kaffeeservice mit Münchner Ansichten“, Porzellan, ca. 1840, Ankauf von „Maria Almas Antiquitätengeschäft“ am 19.12.1938, 250.-. Inv.-Nr. 42/122 a–g: „Kaffeeservice“, Porzellan (siebenteilig), um 1865, Geschenk von „Maria Dietrich Ottostr. 9“ am 27.5.1942, Schätzung 600.-. 458 Henning Rader: Das Münchner Stadtmuseum im Nationalsozialismus, S. 22–59. In: ders./Voigt 2018, S. 32: Diesem Ansatz widerspricht, dass unter den aufgezählten Kunsthandlungen- und händlern, mit denen das Historische Museum der Stadt München zwischen 1933 und 1945 enge Geschäftsbeziehungen pflegte, u. a. die großen und bekannten Händler Hermann Abels, Ludwig Bernheimer, Julius Böhler, Paul Graupe und Hugo Helbing genannt werden. 459 Freundliche Auskunft von Sarah Bock, Lenbachhaus München. 460 Germanisches Nationalmuseum, Nürnberg (kurz: GNM), Datenbank provenienz.gnm (https://provenienz.gnm.de/objekt/Gm1413 – zuletzt besucht am 5.4.2019) 461 Freundliche Auskunft von Timo Saalmann, GNM. 115

Museen der Stadt Nürnberg Das Gemälde von Lorenz Strauch, „Bildnis des Goldschmiedes Christoph Jamnitzer“ (Inv.- Nr. Gm 208, Lost Art-ID 482188), das Maria Dietrich 1941 zunächst Ernst Buchner angeboten hatte, wurde im selben Jahr durch die Kunstsammlungen der Stadt Nürnberg erworben. Dem Katalog der städtischen Kunstsammlung im Germanischen Nationalmuseum Nürnberg (GNM) ist zu entnehmen, dass der Ankauf am 21.7.1941 für 5.000.- RM erfolgte.462 In den Direktionsakten des GNM findet sich ein Schreiben der Galerie Almas vom Juli 1941, in welchem die Versendung des Gemäldes an Heinrich Kohlhaußen angekündigt wird. Kohlhaußen hatte neben der Direktion des GNM von 1937 bis 1940 auch die kommissarische Leitung der städtischen Kunstsammlungen inne und war bis 1945 als Ankäufer von Gemälden für die Stadt Nürnberg tätig. Am 8.7.1941 empfahl Kohlhaußen dem Nürnberger Oberbürgermeister Willy Liebel den Ankauf des Strauch-Bildes für die Stadt Nürnberg. Liebel stimmte am 10.7.1941 zu. Am selben Tag unterrichtete Kohlhaußen die Galerie Almas darüber und bat „uns auch andere Bilder deutscher Herkunft vom Mittelalter bis in das späte 18. Jahrhundert sowie Plastik und Kunstgewerbe besonderer Qualität anzubieten“.463 Aufgrund fehlender, durch Kriegseinwirkung verlorener Unterlagen kann nicht nachvollzogen werden, ob Maria Dietrich der Stadt Nürnberg daraufhin weitere Werke offerierte. Fest steht allerdings, dass die städtischen Kunstsammlungen keine weiteren Erwerbungen bei der Galerie Almas getätigt haben.464

Kunstsammlungen und Museen Augsburg 1941 tauchten zwei Bilder von Christoph Amberger auf dem Kunstmarkt auf. Laut eines Aktenvermerks vom 5.5.1941 wollte die Stadt Augsburg beide Werke erwerben. Ein Angebot kam von der Galerie Fischer, Luzern. Für den Ankauf hätten Devisen im Wert von 55.000.- SFR beschafft werden müssen. In das Verfahren waren Ernst Buchner und das Reichswirtschaftsministerium involviert. Als Repräsentant der Galerie Fischer fungierte ab 1943 auch der Händler Carl W. Buemming aus Darmstadt als Vermittler. Außerdem wurde Hans Posse aktiv, da parallel geplant war, eben jenes Bild für das geplante „Führermuseum“ in Linz zu kaufen. Obwohl die Stadt Augsburg die Devisen nicht beschaffen konnte, verblieb das Bild einige Jahre „zur Ansicht“ in Augsburg und wurde erst 1949 an den Eigentümer zurückgegeben.465

462 GNM, Katalog der städtischen Kunstsammlung, Bd. II, S. 720. 463 GNM, HA, GNM-Akten, Vorgang K. 133: Heinrich Kohlhaußen an die Galerie Almas, 10.7.1941. 464 Freundliche Auskunft von Dominik Radlmaier, Stadtarchiv Nürnberg. 465 Freundliche Auskunft von Georg Feuerer, Stadtarchiv Augsburg. Quelle: Stadtarchiv Augsburg, Bestand 35, Nr. 103. 116

Ein weiteres Werk von Christoph Amberger, „Männliches Bildnis“, befand sich 1941 in der Galerie Almas und war ebenfalls für Hitlers Sammlung vorgesehen. Ein Teil der Korrespondenz bezüglich der möglichen Erwerbung des Bildes hat sich erhalten. Am 5.4.1941 schrieb Hans Robert Weihrauch, Direktor des Augsburger Stadtmuseums, an Hans Posse, dass er einen größeren Betrag zum Ankauf von Meisterwerken schwäbischer Maler zur Verfügung hätte: „In der Galerie Almas zu München befindet sich ein Frühwerk des Christoph Amberger, das Bildnis eines Mannes in Pelzbarett und Schaube, das für eine Erwerbung [...] in erster Linie in Betracht käme. Wie mir aber durch die Galerie mitgeteilt wurde, soll dieses Bild vorläufig für den Führer reserviert sein [...]. Dürfte ich Sie bitten, mir bald einmal mitzuteilen, ob dieses Bild ernsthaft für Sie in Betracht kommt, oder ob Sie gegebenenfalls zu Gunsten Augsburgs auf eine Erwerbung verzichten könnten.“466 Posse schrieb daraufhin am 22.5.1941 an Dietrich: „Die Foto des frühen Amberger habe ich vorgestern dem Führer gezeigt. Er ist mit dem Verkauf an Augsburg einverstanden, da das Frühbild für dort wichtiger ist.“467 Am 23.5.1941 kontaktierte Weihrauch wiederum Maria Dietrich: „Er [Posse] teilte mir [...] mit, dass er das Bild unterdessen in München gesehen und Ihnen erklärt habe, es stehe zur Erwerbung für Augsburg frei. Ich möchte Sie daher ersuchen[,] mir bekannt zu geben, ob das Gemälde noch weiter für den Führer reserviert bleibt, oder ob ein Ankauf durch die Stadt Augsburg nunmehr erfolgen kann.“468 Daraufhin schrieb Dietrich am 24.5.1941 an Posse, diesem widersprechend: „Das Bild von Amberger wurde inzwischen vom Führer erworben. Ich nehme an, dass das Gemälde dann Augsburg überlassen wird.“469 Posse reagierte sofort: „Hinsichtlich des Ambergerbildnisses muß wohl ein Irrtum vorliegen. Der Führer hat am 20. April auf den Ankauf des Bildnisses zugunsten von Augsburg verzichtet. Davon habe ich auch bereits Herrn Dr. Weyrauch [sic] Kenntnis gegeben.“470 Eine handschriftliche Notiz vom 9.9.1941 auf dem Schreiben vom 23.5.1941 an die Galerie Almas bestätigt, dass die Erwerbung für Augsburg nicht zustande gekommen war. Am 13.9.1941 schrieb die Galerie Almas an den Oberbürgermeister der Stadt Augsburg, zu Händen Herrn Direktor Dr. Weihrauch: „Sehr geehrter Direktor Dr. Weihrauch! Verbindlichsten Dank für Ihre freundlichen Zeilen, die ich gerne dahingehend beantworten möchte, dass ich seinerzeit dem [sic] Führer wissen liess, dass Sie Wert auf das Gemälde von Amberger legen. Das Gemälde ist auch schon ausersehen für Ihr Museum. Nachdem der

466 Zit. n. Keßler 2014, S. 104f.: Keßler bezieht sich auf: Stadtarchiv Augsburg, Bestand 35, Nr. 103, 554/07160. Nr. 102, 554/0716 Maximilianmuseum: Erwerb eines Amberger-Bildes. 467 BArch Koblenz, B323/132, Bl. 59a fo. 210: Hans Posse an Maria Dietrich, 22.5.1941. 468 Zit. n. Keßler 2014, S. 104f.: Keßler bezieht sich auf: Stadtarchiv Augsburg, Bestand 35, Nr. 103, 554/07160. Nr. 102, 554/0716 Maximilianmuseum: Erwerb eines Amberger-Bildes. 469 BArch Koblenz, B323/132, Bl. 58a fo. 207: Maria Dietrich an Hans Posse, 24.5.1941. 470 BArch Koblenz, B323/132, Bl. 58a fo. 208: Hans Posse an Maria Dietrich, 27.5.1941. 117

Führer nun dauernd im Hauptquartier ist[,] nehme ich an, dass deshalb die Angelegenheit noch nicht erledigt ist. Ich würde Ihnen empfehlen sich an Herrn Direktor Dr. Posse zu wenden, der sicher in der Lage ist[,] die Sache zu beschleunigen. Ich selbst werde natürlich gerne bei sich bietender Gelegenheit an die Sache erinnern.“471 Almas’ Amberger-Porträt gelangte schlussendlich für 15.000.- RM in den Bestand des „Sonderauftrags“ als „Porträt eines Mannes mit Pelzmütze und Pelzmantel“ (Linz-Nr. 1709). Gekauft hatte Dietrich das Bild am 7.4.1941 für 6.000.- RM bei Paul Cailleux in Paris.472 Zuvor war es wohl schon in ihren Geschäftsräumen zu besichtigen gewesen (s. Beschreibung Weihrauch). Offenbar lag tatsächlich ein Missverständnis vor, da wohl Posse und Hitler sich damit einverstanden erklärt hatten, das Bild der Augsburger Sammlung zu überlassen. Die Stadt Augsburg ging am Ende leer aus und konnte keines der beiden gewünschten Werke für das Stadtmuseum sichern.

Städelsches Kunstinstitut, Frankfurt am Main Ein Stillleben des Künstlers Flegel (Öl auf Holz) wurde dem Städelschen Museum am 17.10.1941 von der Galerie Almas angeboten. Von einem Erwerb wurde jedoch abgesehen.473 Als Leihgabe der Bundesrepublik Deutschland befindet sich Arnold Böcklins „Die Hochzeitsreise (Rückblick auf Italien)“ (Linz-Nr. 2804) seit 1966 im Städel. Diese Leihgabe ist vor dem Hintergrund bemerkenswert, dass das Städel schon während der NS-Zeit großes Interesse an dem Bild hatte. Dies geht aus einem Brief von Ernst Buchner an den Regierungsdirektor Wallenreiter vom 17.2.1953 bezüglich Erwerbungen zwischen 1933 und 1945 hervor: „Durch die Ankäufe Hitlers und seiner Beauftragten insbesondere für das als Reichmuseum gedachte Kunstmuseum Linz waren die Preise für die führenden deutschen Maler des 19. Jahrhunderts ungeheuer gestiegen. Hitler pflegte bei Bilderangeboten nicht zu handeln und zahlte die oft 10 bis 20fach überhöhten Preise für Bilder von Spitzweg, Böcklin u.s.w. Das machte sich der Handel weidlich zu Nutze. Die knapp dotierten staatlichen Museen konnten da nur in Einzelfällen mitkonkurrieren – und mußten mitansehen, wie ihnen wichtigste, lange Zeit vorgemerkte Objekte wegschwammen. Ein Beispiel: Als ein ungewöhnlich schöner Böcklin (Hochzeitsreise) in Berlin bei Lange zur Versteigerung kam, machte der Direktor des Städelschen Kunstinstitutes (Frankfurt a. M.)[,] der das Werk unbedingt für seine Galerie erwerben wollte, verzweifelte Anstrengungen, das Bild für

471 Kunstsammlungen und Museen Augsburg, Ordner IV/3430 A-E: Galerie Almas an den Oberbürgermeister der Stadt Augsburg, z. H. Herrn Direktor Dr. Weihrauch, 13.9.1941. 472 NARA, Dietrich, Maria Almas: receipts a-m, S. 18. Archives diplomatiques, Paris, 209 SUP 373 P4, 209 SUP 184 A 153, Bl. 1. BArch Koblenz, B323/99: Nr. 099, Prov. Rochlitz 375.-. B323/331, Bl. 88: Aussage Almas 9.3.1949: aus deutschem Privatbesitz. Das Bild wurde nach Frankreich restituiert. 473 Städelsches Kunstinstitut, Städtische Galerie Archiv, Sig. 650: Schriftwechsel 17./18.10.1941. 118

Frankfurt zu gewinnen und bot bei der Versteigerung bis zu 300.000 Mark mit. Vergebens. Das Bild wurde der höher bietenden Beauftragten Hitlers, Frau Almas, zugeschlagen.“474

Deutsches Ledermuseum, Offenbach Im Dezember 1942 schenkte Maria Dietrich dem Ledermuseum in Offenbach zwei mexikanische Sattel plus Zubehör. Es handelt sich um ein aus fünf Objekten bestehendes Ensemble (Inv.-Nr. 8889–8893). Über die Provenienz der Objekte gibt die im Museum vorliegende Korrespondenz keine Auskunft.475 Jedoch lässt sich der Erwerb über eine Quittung nachvollziehen, die angibt, dass Dietrich die Garnitur im September 1942 für 2.000.- F bei den Galeries Schutz in Paris erworben hatte.476 Wie es zu dem Kontakt zwischen Dietrich und dem Ledermuseum in Offenbach kam, ließ sich nicht eindeutig bestimmen. Zur Erlangung von Objekten nahm der ehrenamtliche Leiter Hugo Eberhardt (1874–1959) im November 1941 Kontakt zu Hans Posse auf.477 Möglicherweise stellte Posse den Kontakt zwischen Dietrich und Eberhardt her. Eberhardt versuchte aus den besetzten Gebieten beschlagnahmtes Kulturgut zu erhalten. Jedoch blieb er wohl erfolglos, weil „irgendwelche Ledersachen aus jüdischem Besitz bisher nicht zur Ablieferung kamen“.478

Rheinisches Landesmuseum, Bonn Im August 1942 kaufte das Rheinische Landesmuseum in Bonn von der Galerie Almas für 25.000.- RM eine „Landschaft mit badenden Knaben“ von Jan Wynants (MNR 974).479 Das Werk befindet sich heute nicht mehr im Bestand. Da es von Maria Dietrich am 5.8.1942 für 390.000.- F bei Gustav Rochlitz in Paris erworben worden war, wurde das Bild am 20.10.1950 von der französischen Militärregierung aus dem Museum entfernt. Bevor das Gemälde in die Hände von Rochlitz gelangte, war es Teil der Sammlung von Gaston Menier, Paris. Beim Verkauf dessen Nachlasses in der Galerie Jean Charpentier, Paris, wurde es im November 1936 für 15.000.- F von einem Herrn Bonnemaison erworben (s. MNR 974).

474 BayHStA, MK 44778, Personalakte Ernst Buchner (freundliche Auskunft von Theresa Sepp, München). 475 Deutsches Ledermuseum Offenbach (DLM), Archiv, Korrespondenz G-K: Schriftwechsel Galerie Maria Dietrich [G], Dez. 1942/Jan. 1943. Lost Art-ID 518870–518874. 476 NARA, Dietrich, Maria Almas: receipts n-z, S. 74. 477 DLM, Archiv, Korrespondenz S-Z: Hans Posse [Staatliche Gemäldegalerie Dresden] an DLM, 26.11.1941. 478 Zit. n. Deutsches Zentrum Kulturgutverluste, Magdeburg, Abschlussbericht Deutsches Ledermuseum Offenbach, Erwerbungen des DLM in den Jahren 1933–1945, verfasst von Beatrix Piezonka 2014. DLM, Archiv, Korrespondenz L-R: Lippmann, Rosenthal & Co. an das DLM, 27.1.1943. 479 NARA, Dietrich, Maria Almas: receipts n-z, S. 59. Freundliche Auskunft von Heidi Gansohr, LVR Bonn mit Bezug auf ALVR 20898, Korrespondenzbuch: Am 13.8.1942 teilte die Galerie Almas dem RLMB mit, sie würde das Bild von Wijnants bis zum 19.8.1942 reservieren. Am 17.8. schrieb das Museum an die Galerie, dass 25.000.- RM für das Bild bereits überwiesen worden wären. Einen Tag später bestätigte die Galerie den Verkauf. Am nächsten Tag schickte die Galerie das Gemälde ab und bat um die Bestätigung des Empfangs. Die Galerie bestätigte am 25.8.1942 den Erhalt des Geldes, das Museum bestätigte am 14.9.1942 den Empfang des Bildes. 119

Im Landesmuseum Bonn ließen sich keine weiteren Angebote oder Erwerbungen in Zusammenhang mit der Galerie Almas nachweisen.

Nationalgalerie Berlin480 Über eine vermeintliche Menzel-Zeichnung erbat die Galerie Almas am 17.8.1939 Auskunft bei Paul Ortwin Rave (1893–1962), dem Kustos der Nationalgalerie. Zuvor hatte man das Blatt bereits Dr. Seiler von der Graphischen Sammlung in München gezeigt, der die Zeichnung laut Dietrich für eine Originalarbeit hielt, aber ihr empfahl, sie auch Rave vorzulegen. Nachdem Rave handschriftlich „Die Zuschreibung an Menzel erscheint doch wohl reichlich zweifelhaft?“ vermerkt hatte, sandte er die Zeichnung an die Galerie Almas zurück.481 Außerdem schickte die Galerie Almas am 3.5.1943 das Foto eines Gemäldes von Fischer, „Der Schinkelplatz in Berlin mit der Bauakademie während des Baues“, an Rave, der die Abbildung für sein Schinkel-Werk nutzen wollte.482 Das Bild hatte sie kurz zuvor am 16./17.4.1943 (Los 149) für 3.400.- RM bei Hans W. Lange aus dem beschlagnahmten Besitz von Martin Tietz, Berlin, erworben. Ein Jahr später wurde es am 20.4.1944 durch Martin Bormann für 5.500.- RM für den „Sonderauftrag“ (Linz-Nr. 3397) übernommen.483

Österreichische Galerie Belvedere, Wien Bruno Grimschitz (1892–1964) war von 1939 bis 1945 Direktor der Österreichischen Galerie. Der Journalist Hubertus Czernin beschrieb Grimschitz als einen Hauptakteur bei der „Arisierung“ jüdischer Wiener Privatsammlungen. Er begutachtete beschlagnahmte Sammlungen, wie die von Heinrich Rieger und Vally Honig. Durch einen Erlass vom 22.8.1941 wurde Grimschitz zum Sachverständigen der Ankaufsstelle für Kulturgut in der Reichskammer der bildenden Künste zur Verwertung jüdischen Kunstbesitzes ernannt und 1942 als Direktor der Berliner Nationalgalerie vorgeschlagen. Nach Ende des Zweiten Weltkriegs wurde Grimschitz aller Ämter enthoben.484

480 Streng genommen hat Dietrich der Nationalgalerie weder ein Werk angeboten noch verkauft. Aus Dokumentationszwecken wurden die Begebenheiten dennoch aufgenommen. 481 SMB-ZA, I/NG 0512 (MF 0220), Bl. 592–599. 482 SMB-ZA, I/NG 1080, J.-Nr. 630/43: Galerie Almas an Paul Ortwin Rave, 3.5.1943. In dem ersten, 1948 erschienenen Band zum Lebenswerk Schinkels (Stadtbaupläne, Brücken, Straßen, Tore, Plätze) ist das Gemälde nicht abgebildet. 483 Caroline Flick: Verwertung der Umzugsgüter Georg und Martin Tietz, Berlin 2018a, S. 39ff. (http://carolineflick.de/aufsaetze/umzugsgueter-tietz/ – zuletzt besucht am 6.4.2019). Laut Flick ist das Gemälde seit 2011 zur Restitution vorgesehen. BVA Provenienzdatenbank: keine Erwähnung der Provenienz Tietz (zuletzt besucht am 6.4.2019). BArch Koblenz, B323/99: Nr. 0582, Reichsleiter Bormann. B323/153 fo. 417. B323/331, Bl. 89: Aussage Almas 9.3.1949: aus Privatbesitz Berlin. 484 Monika Mayer: Bruno Grimschitz und die Österreichische Galerie 1938–1945. Eine biographische Annäherung im Kontext der aktuellen Provenienzforschung, S. 59–79. In: Anderl/Caruso 2005, hier S. 60ff. 120

Aus der von 1939 bis 1942 reichenden Korrespondenz zwischen Bruno Grimschitz und Maria Dietrich geht hervor, dass Dietrich die Meinung von Grimschitz sehr schätzte und ihn als Berater und Gutachter nutzte, vor allem, wenn sie mit Werken von Rudolf von Alt und Ferdinand Georg Waldmüller zu tun hatte. Zudem fungierte er wohl auch als Vermittler in Wiener Kreise, da Maria Dietrich ihn fragen konnte: „Wissen Sie für mich nichts Interessantes?“485 Dietrich pflegte während ihrer Wiener Aufenthalte in den Jahren 1941 und 1942 auch persönlichen Kontakt zu Grimschitz. Trotz des regen Austauschs sind Ankäufe der Österreichischen Galerie bei Maria Dietrich nicht nachweisbar. Neben der Bitte um Beurteilungen gingen allerdings auch einige Angebote der Galerie Almas in der Österreichischen Galerie ein: Am 26.7.1939 bot Maria Dietrich Bruno Grimschitz ein Gemälde von Karl Schuch an, woraufhin er am 4.8.1939 um die Zusendung des Bildes zur Ansicht bat.486 Am 5.3.1940 offerierte Dietrich der Österreichischen Galerie zwei Gemälde von F. A. Maulbertsch, wobei sie sich an einem Tauschgeschäft interessiert zeigte. 14 Tage später hakte die Galerie Almas in Wien nach und bat um eine Retournierung der Werkabbildungen, falls kein Interesse bestehen würde. Am 22.3.1940 wurde der Galerie Almas im Auftrag von Grimschitz mitgeteilt, dass eine Erwerbung für die Galerie momentan nicht in Frage käme, da verschiedene Werke des Malers kürzlich erworben worden wären.487

Dietrich bat Grimschitz am 20.1.1941 die Authentizität eines Gemäldes von Josef Danhauser, „Die schöne Wienerin“ (oder „Die Braut des Künstlers“), zu bestätigen. Sie hätte das Bild aus dem Besitz von Ina Frank, geb. Lang erworben. Am 3.2.1941 bestätigte ihr Grimschitz das Werk als „einwandfreie Arbeit des Malers Josef Danhauser“.488

Am 8.5.1941 bot Maria Dietrich Grimschitz ein Gemälde von Paul Cézanne (!), „Le Bassin du Jas de Bouffan“, explizit zum Tausch an. Grimschitz lehnte einen Erwerb für sein Museum am 21.5.1941 mit der Begründung ab, dass das Werk „für den reifen Cézanne zu wenig

485 Archiv der Österreichischen Galerie Belvedere, Wien, 1939/498, Angebot Karl Schuch „Hintersee 1873“: Maria Dietrich an Bruno Grimschitz, 26.7.1939. 486 Archiv der Österreichischen Galerie Belvedere, Wien, 1939/498: Angebot Karl Schuch „Hintersee 1873“, Juli/August 1939. 487 Archiv der Österreichischen Galerie Belvedere, Wien, 1940/80: Angebot von zwei Ölgemälden von A. F. [sic] Maulbertsch, März 1940. Freundlicher Hinweis von Fanny Stoye, Zeppelin Museum Friedrichshafen. Eins der Werke von Maulbertsch, „Anbetung der Könige“ (Lost Art-ID 568441), befindet sich heute vermutlich im Zeppelin Museum. 488 Archiv der Österreichischen Galerie Belvedere, Wien, 1941/39: Auskunft über ein Gemälde von Danhauser, „Die Braut des Künstlers“, Januar/Februar 1941. 121 charakteristisch“ wäre.489 Dietrich hatte das Gemälde wahrscheinlich in Paris erstanden. Der Verbleib ist unbekannt.490

Bei mehreren Werken, die vermeintlich von Rudolf von Alt stammten, wurde die Zuschreibung an Alt von Grimschitz abgelehnt. Am 1.7.1941 sandte Dietrich ein Aquarell „Altarbild“ zur Ansicht und Begutachtung an Grimschitz. Er sollte für sie einschätzen, ob es sich tatsächlich um eine Arbeit des Künstlers handelte. Ernüchternd antwortete Grimschitz am 5.7.1941: „Das Aquarell von Rudolf von Alt, das den St. Wolfgangsaltar in der Kirche von Grades in Kärnten darstellt, habe ich erhalten. Ich lasse es heute noch an Sie zurückgehen. Das Blatt hat nichts mit Alt zu tun, sondern ist die Überzeichnung und Übermalung einer alten, bräunlich verblassten Photokopie [!] von schwächerer Hand, damit ist auch die ganz uncharakteristische Signatur erledigt.“491 Am 11.11.1941 bat Dietrich erneut um die Echtheitsbestätigung eines Aquarells von Rudolf von Alt, „Mannersdorf bei Wien“, anhand eines Fotos: „Ich möchte noch kurz erwähnen, dass Herr Staatsminister Esser492 Ihnen wahrscheinlich dieses Bildchen im Original zeigen wird. Vom Besitzer wurde uns gesagt, dass Sie das Bild schon einmal gesehen haben sollen.“ Da Grimschitz das Aquarell anhand des Fotos nicht beurteilen konnte, schickte Dietrich ihm am 17.11.1941 das Original. Am 26.11.1941 konnte er ihr daraufhin mitteilen, dass es sich nicht um ein Original von Rudolf von Alt handeln würde.493 Am 21.5.1942 bescheinigte Grimschitz, dass eine Zuweisung eines weiteren ihm zur Ansicht vorliegenden Aquarells an Rudolf von Alt „vollkommen undenkbar erscheint“.494 Am 15.10.1942 sandte Dietrich eine Rudolf von Alt zugeschriebene Sepia-Zeichnung, „Die Chorpartie von St. Lorenzo in Rom“, zur Begutachtung nach Wien. Am 9.11.1942 sandte Grimschitz die Zeichnung zurück und vermerkte, dass sie mit Rudolf von Alt „nichts zu tun“ hätte.495

489 Archiv der Österreichischen Galerie Belvedere, Wien, 1941/185: Eventueller Tausch mit einem Gemälde von Cézanne, „Le Bassin du Jas de Bouffan“, Mai 1941. 490 Lionello Venturi: Cézanne: son art – son œuvre, Paris 1936, Kat. 40, S. 75. The Paintings of Paul Cézanne: An online catalogue raisonné under the direction of Walter Feilchenfeldt, Jayne Warman and David Nash, Kat. 32-TA, Provenienz: Egisto Fabbri, Florenz – Paul Rosenberg, Paris – Burgard, Paris – Ottoz, Paris. 491 Archiv der Österreichischen Galerie Belvedere, Wien, 1941/271: Anfrage über ein R. Alt zugeschriebenes Aquarell, Juli 1941. 492 Wikipedia (zuletzt besucht am 5.12.2019): Hermann Esser (1900–1981) war einer der frühesten Gefolgsleute Adolf Hitlers. Er bekleidete während der Weimarer Republik einflussreiche Positionen in der NSDAP, verlor während der Zeit des Nationalsozialismus aber zunehmend an Einfluss. 1934/35 war er bayerischer Wirtschaftsminister, von 1939 bis 1945 Staatssekretär im Reichsministerium für Volksaufklärung und Propaganda. 493 Archiv der Österreichischen Galerie Belvedere, Wien, 1941/507: Anfrage über ein Gemälde [sic] von Rudolf v. Alt, „Mannersdorf bei Wien“, November 1941. 494 Archiv der Österreichischen Galerie Belvedere, Wien, 1942/251: Ansichtssendung R. v. Alt, „Italienische Landschaft“, Mai 1942. 495 Archiv der Österreichischen Galerie Belvedere, Wien, 1942/481: Ansichtssendung eines Aquarells, R. v. Alt zugeschrieben, November 1942. 122

Am 17.3.1942 wurde Grimschitz von Dietrich um die Beurteilung eines Gemäldes von Ferdinand Georg Waldmüller, „Tante des Künstlers“, gebeten: „Wie Sie auf der Rückseite des Photos ersehen, hat Herr Prof. Waldmann [d. i. Emil Waldmann, Kunsthalle Bremen] ein Gutachten über das Bild abgegeben. Wir legen aber nur Wert auf eine Beurteilung von Ihnen.“ In seiner Antwort vom 24.3.1942 bestätigte Grimschitz das Gemälde als „eine einwandfreie und schöne Arbeit Waldmüllers aus seiner frühen Zeit“.496

Für die Ausstattung der Neuen Reichskanzlei in Berlin wurden Leihgaben aus dem Kunsthistorischen Museum, Wien beansprucht.497 Seit April 1939 hing auch eine Leihgabe der Österreichischen Galerie im Arbeitszimmer Hitlers rechts neben der Tür: Heinrich Fügers „Hektors Abschied von Andromache“, laut Birgit Schwarz ein „Exemplum virtutis der kriegerischen Pflichterfüllung“.498 Bei dem Gemälde, das seit 1921 der Österreichischen Galerie im Belvedere gehört hatte, handelt es sich um das einzige Kunstwerk, das Hitler aus den Wiener Museumsleihgaben erwarb. Als Vermittlerin war Maria Dietrich in diese ungewöhnliche Transaktion eingebunden. Am 31.5.1939 konnte Dietrich nach Wien melden, dass sie das Bild an den „Führer“ für die Reichskanzlei für 15.000.- RM verkauft hätte. Die Rechnung sollte direkt an die Reichskanzlei, zu Händen von Julius Schaub, geschickt werden. Eine Provision für Dietrich wurde an dieser Stelle nicht thematisiert. Grimschitz schrieb daraufhin am 10.6.1939 an Dietrich: „Ich bin sehr froh, dass Sie eine so glückliche Lösung dieser Frage ermöglicht haben. Gleichzeitig mit diesen Zeilen geht an die Reichskanzlei in Berlin die Rechnung über den von Ihnen vereinbarten Betrag von RM 15.000 ab.“ Der Antrag, das Werk veräußern zu dürfen, erfolgte am 20.6.1939 und die Ermächtigung hierfür durch das Amt des Reichsstatthalters am 6.7.1939. Die Rechnung beglich die Reichskanzlei erst am 31.1.1940.499 Das Reichskanzlei-Interieur wurde wohl von einer sowjetischen Trophäenkommission beschlagnahmt. Wie bei dem Großteil des Gemäldeinventars der Reichskanzlei ist der aktuelle Standort des Bildes „Hektors Abschied von Andromache“ nicht bekannt. 500

496 Archiv der Österreichischen Galerie Belvedere, Wien, 1942/136: Anfrage über ein Gemälde von Waldmüller, März 1942. 497 BArch Berlin, R 43 II 1064, Bl. 33ff.: Leihgaben des Kunsthistorischen Museums in Wien. 498 Schwarz 2009, S. 196ff. Kat. Die neue Reichskanzlei. Zentralverlag der NSDAP, Franz Eher Nachf., München 1940: Abbildungen, S. 85, 88. 499 Archiv der Österreichischen Galerie Belvedere, Wien, 1939/381: H. Füger „Abschied Hektor von Andromache“ (Inv.-Nr. 3639), Verkauf, Juni 1939–Januar 1940. 500 Schwarz 2009, S. 201. 123

Vermutlich um die entstandene Lücke im Bestand zu schließen, erwarb die Österreichische Galerie 1951 ein anderes Gemälde von Heinrich Füger mit dem Titel „Hektors Abschied von Andromache“ von Therese Moser, Wien.501

501 Belvedere, Digitale Sammlungen (https://digital.belvedere.at/objects/3235/hektors-abschied-von-andromache – zuletzt besucht am 6.4.2019). 124

2.5 Erwerbungen innerhalb Deutschlands

2.5.1 München

Den deutschen Kunstmarkt erschloss Maria Dietrich in den 1930er und 1940er Jahren vorwiegend in München und Berlin. Auch Mimi Dietrich nahm offenbar regelmäßig für die Galerie Almas an Auktionen teil (u. a. Auktionshaus Hans W. Lange, Berlin, und Lempertz, Köln). Maria bzw. Mimi Dietrich waren bei Auktionen nicht immer persönlich anwesend, sondern ließen sich gelegentlich vertreten, etwa durch den Münchner Antiquitätenhändler Ludwig Bretschneider (1909–?). In Österreich traten Bretschneider und Dietrich mitunter gemeinsam auf. Die Verbindung riss auch nach 1945 nicht ab (vgl. Kap. 4.5). Bretschneider war mindestens bis 1974 von der Possartstr. 6 in München aus tätig, also dem Gebäude, das die Familie Dietrich 1939 erworben hatte (vgl. Kap. 1.1).502

In München hatte Dietrich direkten Zugang zu einigen Künstlerfamilien. Bei Frida von Kaulbach erwarb sie zahlreiche Werke von deren 1920 verstorbenen Ehemann Friedrich August von Kaulbach. Allein 1941 belief sich eine Transaktion auf 14 Bilder von ihm, die Dietrich en bloc für den „Sonderauftrag Linz“ erstand.503 Insgesamt sind wohl 25 von 39 Werken, die Dietrich an das Deutsche Reich lieferte, direkt aus dem Nachlass von Kaulbach angekauft worden. Da Annahmen zu Vorbesitzer:innen mitunter auf Aussagen Maria Dietrichs aus der Nachkriegszeit beruhen, sind diese mit Vorsicht zu betrachten (vgl. Exkurs: Friedrich August von Kaulbachs Familienporträt aus der Sammlung von Otto und Nelly Scharff, München). Während des Krieges lagerte Dietrich bei Frida von Kaulbach in Ohlstadt und Eschenlohe auch Gebrauchsgegenstände ein.

502 Hopp 2015, Anm. 155: BArch Koblenz, B323/465 fo. 118: Eidesstattliche Erklärung von Ludwig Bretschneider, 3.5.1949. Piezonka 2014, S. 19f.: Adressen von Ludwig Bretschneider: Amiraplatz 3 (1935), Theresienstr. 68. Das DLM erwarb bei Bretschneider mehr als 50 Objekte. (Möglicherweise war er die Verbindungsperson zwischen der Galerie Almas und Offenbach). Hier auch: StAM, Spruchkammerakte, Karton 198: Bretschneider, Ludwig geb. 19.11.1909, Zeitungsartikel ZA- P 56/10 Bretschneider Ludwig, Kunsthändler. Deutsches Zentrum Kulturgutverluste, Magdeburg, Abschlussbericht Städtisches Museum Braunschweig, Erwerbungen für die Formsammlung der Stadt Braunschweig 1941–1944, verfasst von Hansjörg Pötzsch 2013 (kurz: Pötzsch 2013), S. 66: Leopoldstr. 38 a; Angabe aus dem Briefkopf Bretschneiders, 1955. The Burlington Magazine, Vol. 114, Nr. 835, Oktober 1972, S. 52: Inserat; Possartstr. 6. Geheimes Staatsarchiv, VI. HA Nl Reidemeister, Nr. 127: Schriftwechsel von Bretschneider mit Leopold Reidemeister, Berlin, 1973/74; Possartstr. 6. 503 BVA Provenienzdatenbank, Linz-Nr. 936, Mitteilung von Mayen Beckmann an die Oberfinanzdirektion Berlin, 23.4.2001: „Forschungen zum persönlichen Nachlass von Friedrich August von Kaulbach ergaben darüber hinaus, dass dieser verlorengegangen ist, so dass dieser bedeutenden Quelle keinerlei weitere Informationen zur Provenienz des Gemäldes zu entnehmen sind.“ 125

Der Zugang zu Werken von Franz von Lenbach gelang ebenfalls über die Verbindung zu dessen Witwe, Lolo von Lenbach.504 Mindestens acht von 39 Lenbach-Werken erwarb Dietrich direkt von der Familie für Hitlers Zwecke. An Bilder von Franz von Stuck gelangte sie über dessen Tochter Mary Stuck. Bei drei von 35 Stuck-Werken, die Dietrich an das Deutsche Reich lieferte, ist die Familie Stuck als direkte Vorbesitzerin angegeben.505 Dietrich kaufte ferner aus dem Grützner-Nachlass Bilder des Malers an.506 Eine gewisse Rolle bei der Herstellung von Kontakten spielte sicherlich Heinrich Hoffmann, der über weit verzweigte Kontakte in die Münchner Künstlerkreise verfügte: „Im Simplizissimus lernte er [Hoffmann] Franz Marc, Kandinsky und Weisgerber kennen. Franz Marc hatte in der Schellingstr. 33 ein kleines Atelier. Hoffmann kaufte es ihm ab, als Franz Marc nach Ried bei Kochel zog. Es gibt aus dieser Zeit Fotos, die Hoffmann von Franz Marc und Kandinsky, von Kaulbach und Lenbach, von Stuck, Richard Strauß, Grützner, Halbe, Hermann Bahr und Ringelnatz machte.“507 Durch Hoffmann lernte beispielsweise auch Hitler Mary Stuck kennen.508 Der Publizist Ernst Hanfstaengl (1887–1975) fungierte ebenfalls als eine Verbindungsperson zwischen Hitler und der Münchener Kulturwelt. So brachte er etwa Frida von Kaulbach zu einer Partei-Veranstaltung im Circus Krone mit und stellte sie dort Hitler vor.509

Ab 1926 lässt sich die Aktivität der Galerie Almas im Münchner Kunsthandel nachweisen. Spätestens ab Beginn der 1930er Jahre war sie Kundin in den großen Handels- und Auktionshäusern Münchens. Neben den nachfolgend thematisierten Kunsthandlungen und Auktionshäusern gehörten weitere, etwa die bereits beschriebenen Maria Gillhausen und Kurt Nicolaus oder beispielsweise die Galerie Eysser (mehrere Linz-Nummern mit Eysser als Vorbesitzerin belegt) zu den Münchner Kunstlieferant:innen Maria Dietrichs.510

504 Weltkunst, Jg. 60, H. 17, 1.9.1990, S. 2536f. bezügl. der Verbindung von Maria Dietrich zum Lenbach-Nachlass: Dietrich konnte dort regelmäßig Kunstwerke auswählen. Freundliche Auskunft von Sonja von Baranow, München: Kein Hinweis auf Maria Dietrich im Nachlass Lenbach erinnerlich. Es war wohl nicht schwer in München mit Lolo von Lenbach in Verbindung zu treten, da diese immer wieder Gemälde zum Kauf anbot, teils direkt an Interessenten, teils durch den Handel. BVA Provenienzdatenbank, Linz-Nr. 890: Vor Lolos eigenem Tod am 27.5.1941 verkaufte sie mehrere Kunstwerke aus dem Nachlass ihres Mannes an Maria Dietrich. Eine diesbezügliche Anfrage an die heutigen, den Nachlass verwaltenden Erben [Alfred und Reinhold Neven DuMont; vgl. Eintrag in Provenienzdatenbank zu Linz-Nr. 780] blieb laut BVA unbeantwortet. 505 Freundliche Auskunft von Margot Th. Brandlhuber, Villa Stuck München: Das Museum Villa Stuck verfügt über keinen schriftlichen Nachlass des Künstlers, daher ist keine Auskunft über Verkäufe an Maria Dietrich möglich. Auch die Urenkelin Stucks verfügt diesbezüglich über keine Unterlagen. Als „Frau von Stuck“ kann nur die Tochter des Künstlers Mary von Stuck gemeint sein. Sie war mit dem Bauunternehmer Albert Heilmann verheiratet und hatte mit ihm vier Kinder. 506 Weltkunst, Jg. 60, H. 17, 1.9.1990, S. 2536f. 507 Hoffmann 1974, S. 14. 508 Schirach 1985, S. 37f. 509 Schwarz 2009, S. 94f. Ernst Hanfstaengl: Zwischen Weißem und Braunem Haus. Memoiren eines politischen Außenseiters, München 1970, S. 43f. 510 Löhr 2005, S. 128. 126

Auktionshaus Hugo Helbing Der jüdische Kunsthändler Hugo Helbing (1863–1938)511 veranstaltete seine erste Versteigerung 1887. Ab 1894 fanden bereits bis zu zehn Auktionen und ab 1933 20 pro Jahr statt. 1916 gründete er in Berlin eine Filiale sowie eine Auktionsgemeinschaft mit Paul Cassirer. Von 1919 bis 1937 hielt Helbing auch Auktionen in der Zweigniederlassung in Frankfurt am Main ab. Die Frankfurter Filiale wurde 1939 aus dem Handelsregister gelöscht. Die Münchner Hauptniederlassung war im Prinzip bereits 1934 durch die neue Gesetzgebung „lahmgelegt“ worden.512 Nach Helbings gewaltsamen Tod erfolgten die Abwicklung seiner Firma von 1938 bis 1941 durch Max Heiß und 1941 die „Arisierung“ der Geschäftsräume durch Jakob Scheidwimmer.513 Scheidwimmers 1941 gestellter Antrag auf eine Versteigerungserlaubnis wurde abgelehnt.

In den annotierten Katalogen der Helbing-Auktionen, die im Zentralinstitut für Kunstgeschichte in München aufbewahrt werden, taucht der Name Almas zum ersten Mal in einem Katalog der Auktionen vom 12./13.10.1926 auf. Daraus geht hervor, dass mindestens 23 Positionen gekauft wurden. Interessant ist, dass der erste Eintrag (Los 126) mit „Prof. Almas“ annotiert wurde. Diese Bezeichnung lässt die Vermutung zu, dass es sich hier nicht um Maria Almas, sondern um Ali Almas handelt. Im Katalog zur Auktion vom 30.6.1932 wird „Ali Almas“ spezifisch als Käufer genannt. Daher gilt es zu bedenken, dass hinter der Annotation „Almas“ in diesen Jahren auch Ali Almas stehen kann. Für das Jahr 1926 ist die Beteiligung von „Almas“ nur in dieser einen Auktion nachweisbar und auch 1927 wurde eher sporadisch bei Helbing gekauft. Erst ab 1932 trat Almas als Käufer/in regelmäßig und in größerem Rahmen auf. Die Durchsicht der annotierten Auktionskataloge des Hauses Helbing der Jahre 1923 bis 1934 verstärkt den Eindruck, dass die Galerie Almas bis zu diesem Zeitpunkt eine klassische Antiquitätenhandlung mit sehr durchmischter Ware war. Gemälde wurden eher selten erworben. Der maximale Einsatz – und dieser Betrag ist sogar eher ein Ausreißer nach oben – betrug in diesen Jahren 2.000.- RM. Die Nennung dieser Summe wird besonders interessant, wenn sie mit den erzielten Preisen zu Beginn der 1940er Jahre, etwa im Auktionshaus Hans

511 s. zu Helbing u. a. Hopp 2012, S. 74ff. 512 Meike Hopp/Melida Steinke: „Galerie Helbing“ – Auktionen für die Welt, S. 54–61. In: Provenienz & Forschung, 1/2016, hier S. 57. 513 Hopp 2012, S. 88ff., 95ff. 127

W. Lange, verglichen wird, wobei die Preise bei Lange natürlich auch mit bedeutenderen Werken zusammenhängen. Einen regelrechten Kaufrausch gilt es für den 17./18.10.1933 zu vermerken, bei dem „Almas“ bei rund 50 Losen als Käufer/in vermerkt ist. Unter den Losen finden sich nun auch mehrere Gemälde, z. B. eine Judith-Darstellung aus der Werkstatt Lucas Cranachs d. Ä. (Holz, 18 x 15,5 cm, Los 423), die für 95.- RM erworben wurde. Laut der Annotation eines weiteren, im Getty Research Institute aufbewahrten Helbing-Kataloges wurde das Bild von „Kressler“ eingeliefert.514 Als Einlieferin trat die Galerie Almas bei Helbing nur selten auf. Ausnahmen stellen die Auktionen am 19./20.7.1927, 8./9.11.1932 und 27./28.3.1935 dar.

Ausstattungshaus Bernheimer Die Firma Bernheimer wurde 1864 als Textilgeschäft gegründet und avancierte bald zu einem Spezialhaus für Orientwaren, Tapisserien, Möbel, Stoffe und Antiquitäten. Ab 1889 residierte Bernheimer im eigens gebauten Palais am Lenbachplatz, in dem auch komplette Einrichtungskonzepte erworben werden konnten. 1938 erfolgte die Übernahme der jüdischen L. Bernheimer KG durch die Münchner Kunsthandels-Gesellschaft/Kameradschaft der Künstler. Otto Bernheimer kam bereits 1945 aus der Emigration zurück nach München und übernahm wenig später seine Firma. Ab 1956 organisierte er die Deutsche Kunst- und Antiquitätenmesse in München.515

Aktive Kundin war die Firma Almas von 1931 bis 1942, wobei sie besonders intensiv in den Jahren von 1933 bis 1936 Material bezog. Über die Verkaufsbücher der Firma Bernheimer lassen sich insgesamt 180 Positionen nachvollziehen, die an die Galerie Almas verkauft wurden. Darunter sind alle möglichen Arten von Stoff, wie Samt, Damast, Satin und Leinen. Bei ihren Einkäufen erhielt die Firma Almas regelmäßig 10 % Händlerrabatt. Auch in den Geschäftsbüchern Bernheimers erinnert die plötzliche Abweichung und Nennung von „Frau Almas“ statt „Firma Almas“ oder nur „Almas“ daran, dass hinter dem Eintrag „Almas“ nicht unbedingt die Person Maria Dietrich stehen muss, da zu Beginn der 1930er

514 Getty Research Institute (GRI), Provenance Index, Los Angeles: Einige weitere Einlieferer ergeben sich über das annotierte Exemplar des Auktionskatalogs im GRI. Weltkunst, Jg. 7, H. 52/53, 24.12.1933, S. 5: Auktionsbericht. 515 Melida Steinke: „Sonderfall Bernheimer“? Die Enteignung des Privatbesitzes und die Übernahme der L. Bernheimer KG durch die Münchner Kunsthandels-Gesellschaft/Kameradschaft der Künstler München e.V., Masterarbeit, LMU München, 2016. 128

Jahre auch Ali Almas als Käufer denkbar ist.516 An einer anderen Stelle fällt auf, dass „Frl. Almas“ (also Mimi) 1942 als Käuferin das Geschäft betrat.517 Im Auftrag der Firma Almas wurde häufig von verschiedenen Tapezierern mit den Namen Vielberth, Bscheider und Bader bzw. Baader bei Bernheimer eingekauft. Auch aufgrund der zahlreichen Erwerbungen von Stoffen liegt die Vermutung nahe, dass die Firma Almas Wohnungen ausstattete oder dabei unterstützte.518 Sollte die Ausstattung gehobener Wohnungen ebenfalls in das Portfolio der Firma Almas gehört haben, würde dies einen weiteren Weg zur Erlangung von Kundenkontakten, wie zu Münchner Künstlerfamilien und weiterer Klientel, erklären. Namentlich tauchen vereinzelt ihre Auftraggeber in den Einträgen des Verkaufsbuchs auf, etwa ein „Baron Beck“, „Prof. Thorak“ (!) und eine „Frau Körber- Harlan, Berlin-Grunewald“, bei der es sich eventuell um die Ehefrau des Schauspielers Veit Harlan gehandelt haben könnte.519 Zwischen Februar 1939 und Dezember 1940 können keine Einträge im Verkaufsbuch Bernheimers nachgewiesen werden. Mit dem „Neueinstieg“ im Januar 1941 wandelte sich das Interesse der Firma Almas. Es wurden beispielsweise ein Tisch und Barockstühle erworben. Das neue Kaufverhalten mag zwar auch an einem veränderten Angebot des „arisierten“ Geschäftes liegen, aber wohl vor allem an dem veränderten Profil der Galerie Almas, die in den Büchern nun auch als „Kunsthandlung“ bzw. „Galerie“ geführt wurde. Auch dass die Galerie Almas ab 1937 nicht mehr regelmäßig als Käuferin auftrat, hat wohl weniger mit der „Arisierung“ Bernheimers als mit ihrer eigenen Neuausrichtung und Profilierung zu tun. Ab 1939 lassen sich nur noch einige wenige Einträge feststellen. In der Nachkriegszeit taucht „Toradi-Almas, Gustav-Freitagstr. 5“, also vermutlich Mimi tho Rahde, noch einmal im Oktober 1949 bei Bernheimer als Käuferin eines Steppstoffs auf.

Kunsthandlung Julius Böhler Die Kunsthandlung Julius Böhler wurde 1880 von Julius Böhler (1860–1934) gegründet und 1895 von Kaiser Wilhelm II. als Hofantiquariat betitelt. Die Kunsthandlung war in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts eine der größten des deutschsprachigen Raums mit Zweigniederlassungen in Berlin (1928–1932) und New York. Das Stammhaus mit 20 Ausstellungsräumen befand sich in München in der Brienner Straße. Man handelte mit Gemälden des 15.–19. Jahrhunderts und bediente zahlreiche Museen und Sammler

516 BWA München, Verkaufsbuch Bernheimer, F143/13 A-F 95, S. 370, Juni 1935. F143/15 A-F 97, S. 141, März 1937. 517 BWA München, Verkaufsbuch Bernheimer, F143/18 A-F 100, S. 258, 22.8.1942. 518 Weltkunst, Jg. 50, H. 21, 1.11.1980, S. 3106: Mimi tho Rahde berichtete der Weltkunst viele Jahrzehnte später, dass sie gerne Innenarchitektin geworden wäre. 519 BWA München, Verkaufsbuch Bernheimer, F143/14 A-F 96, F143/15 A-F 97. 129 deutschlandweit und international. 1906 trat der älteste Sohn Julius Wilhelm Böhler (1883– 1966) als Teilhaber in das Geschäft ein, später auch der zweite Sohn Otto Alfons Böhler (1887–1950). Ab 1928 leitete Julius Harry Böhler (1907–1979), der Sohn von Julius Wilhelm Böhler, gemeinsam mit seinem Onkel Otto Alfons das Haus. Die Firma Böhler war von 1936 bis 1938 stille Teilhaberin des Kunstversteigerungshauses Weinmüller. Dies bedeutete etwa für das Frühjahr 1936 eine Beteiligung durch die Einlage der Hälfte des Gesamtkapitals, sodass Böhler mit 50 % am Gewinn beteiligt war. Böhler selbst hielt zwischen 1936 und 1938 nur vier Versteigerungen ab (Sammlung M. Oppenheim, Berliner Museen, Sammlung Stroefer, Sammlung Gg. Schuster).520 Maria Dietrich nahm an den vier Auktionen teil, trat aber für ihre Verhältnisse eher zurückhaltend auf. Im Gegensatz zu vielen anderen Bietern zahlte sie statt 15 % nur 10 % Aufschlag.521

Die Firma Böhler stellte Maria Dietrich im Januar 1937 eine nicht näher bezeichnete Bescheinigung aus: „Frau Maria Almas ist uns als sehr fleissige und rührige Geschäftsfrau bekannt, die in ihrem Geschäft in der Ottostraße stets ein gutes Lager führt. Über ihre finanziellen Verhältnisse sind wir leider nicht unterrichtet, aber wir selbst würden ihr jederzeit unbedenklich einen Kredit von RM 2.500 gewähren. Ohne Obligo!“522 Die Kundenkartei von Böhler im Zentralinstitut für Kunstgeschichte enthält eine Karteikarte für die Dokumentation der Kontakte und Verkäufe an die Galerie Almas. Der erste Berührungspunkt ist hier, trotz der guten Beurteilung im Januar 1937, erst für Dezember 1937 verzeichnet. Insgesamt sind zwischen 1937 und 1942 18 Nummern, darunter Ansichten und Verkäufe, über die Karte im Böhler-Archiv (ZI) belegt. Darunter finden sich Werke namhafter Künstler wie Jan van Goyen, Guardi und Tintoretto, aber auch ein Medaillon, vier Stühle und ein Tischchen. Der erste nachweisbare Verkauf der Kunsthandlung Böhler an die Galerie Almas erfolgte im Dezember 1937. Er lässt sich zum einen durch die Karteikarte nachvollziehen, zum anderen durch eine Rechnung, datiert auf den 3.12.1937, und die dazugehörige Korrespondenz, die alle den Verkauf des Gemäldes „Christus und die Sünderin“ von J. B. Tiepolo für 60.000.-

520 Hopp 2012, S. 112ff. 521 Deutsches Kunstarchiv, Nürnberg: Nachlass Böhler, Rechnungsbuch für Versteigerungen (I-B7) und Kassenbuch (I-B6) 1936–38. S. weiterhin zu Böhler: Erschließungsprojekt des Böhler-Archivs am ZI München seit 2014; u. a. Karteikarten (Einlieferer: 36.400 Stück der Münchner Filiale, ca. 7.000 Stück der Luzerner Filiale), 3.500 Kundenkarteikarten von Privaten und öffentlichen Einrichtungen, Foto-Archiv. Bayerisches Wirtschaftsarchiv, München: Lagerbücher, Verkaufsbücher (mit Lagerbuchnummern), Kontokorrentbücher, Kunden-Korrespondenz (ab 1933 komplett erhalten, außer 1935), Auktionskataloge der vier Auktionen. 522 BWA München, F43/27: Bescheinigung vom 5.1.1937, nicht unterzeichnet, handschriftlich vermerkt: „Deutsche Bank“. 130

RM belegen.523 Die Übergabe des Werkes wurde unter der Voraussetzung beschlossen, dass Maria Dietrich Böhler eine Ausfuhrgenehmigung für ein weiteres Bild beschaffen würde. Für die anschließende Vermittlung des Tiepolo-Bildes an die Reichskanzlei erhielt Dietrich von Böhler 2.000.- RM.524 Am 2.12.1937, einen Tag vor dem Rechnungsdatum Böhlers, verkaufte sie das Bild für 62.000.- RM (d. h. mit weiteren 2.000.- RM Gewinn) an die Reichskanzlei (Geräte-Nr. 2052).525 Während der Verkaufsverhandlungen mit der Reichskanzlei residierte sie im Hotel Kaiserhof in Berlin, das regelmäßig von Adolf Hitler und seiner Entourage aufgesucht wurde.526 Das Hotel Kaiserhof war das erste Luxushotel in Berlin, als es 1875 eröffnet wurde. Es stand am Wilhelmplatz 3–5 gegenüber der Reichskanzlei, bis es im November 1943 durch Bombeneinschläge zerstört wurde. Da das Bild „Christus und die Sünderin“ nicht in den Central Collecting Point, München gelangte und der heutige Verbleib unbekannt ist, war es möglicherweise in der Reichskanzlei geblieben, bis es in die Sowjetunion abtransportiert wurde.527 In der Linz-Datenbank ist ohne eine Linz-Nr. und Abbildung (Kategorie „Anhang“) ein Werk Giovanni Battista Tiepolos, „Christus und die Sünderin“, eingetragen, das vermeintlich von Karl Haberstock am 2.12.1937 an die Reichskanzlei geliefert wurde. Auch aufgrund der übereinstimmenden Maße mit dem hier behandelten Bild kann allerdings davon ausgegangen werden, dass es sich um das Gemälde von Tiepolo handelt, welches Böhler Maria Dietrich und diese anschließend der Reichskanzlei verkauft hatte. Ein weiteres Gemälde von Tiepolo mit dem Titel „Christus und die Ehebrecherin“ (Linz-Nr. 1725) ist später durch Dietrich an Linz geliefert worden. Anscheinend verwechselte sie selbst die Bilder und gab am 9.3.1949 an, dass sie die Linz-Nr. 1725 bei Böhler gekauft hätte, obwohl sie das Bild erst 1941 bei Cailleux in Paris erstanden hatte.

Auch die Vermittlung eines Bildes von Sandro Botticelli, „Madonna mit Kind und Engeln“ (Linz-Nr. 1081), an Maria Dietrich im Jahre 1940 ist gut belegt. Ab 1939 befand sich das Werk bei Böhler im Tresor, zuvor „war es stets im Schlosse seines Besitzers“ (schlesischer Adelsbesitz, s. Rechnung vom 8.10.1940). Am 9. August 1940 wurde das Gemälde Maria Dietrich mit einem Gutachten von Hermann Voss zur Ansicht übermittelt. Als

523 BWA München, F43/27: Rechnung und Korrespondenz, Dezember 1937. 524 BWA München, F43, Korrentkonto, 11.1.1938. 525 Schwarz 2004, S. 33f.: Schwarz bezieht sich auf BArch Koblenz, B323/98. 526 BWA München, F43/27: Rechnung Böhler an „Maria Almas, z. Zt. Kaiserhof“, 3.12.1937. 527 Die Durchsicht der Fotografien im Böhler-Archiv, ZI steht aus. 131

Verkaufssumme waren 350.000.- RM angegeben.528 Am 16.8.1940 machte Böhler darauf aufmerksam, dass das bei Maria Dietrich in Kommission befindliche Bild nicht mehr durch das Haus Böhler versichert wäre. In einer Bestätigung ist festgehalten, dass Maria Dietrich die volle Haftung für die Unversehrtheit des Gemäldes solange übernahm, bis es wieder bei der Firma Böhler abgeliefert oder verkauft und bezahlt wäre. Am 21.8.1940 berichtete Böhler ausführlich von den Besuchen der Direktoren Posse und Buchner, die das Bild begutachtet hätten und dabei zwar Beziehungen zu Botticelli und Verrocchio feststellten, sich aber nicht zu einer eindeutigen Zuschreibung hinreißen lassen konnten. Warum Posse das Werk nicht selbst für den „Sonderauftrag Linz“ erwarb, wird an dieser Stelle nicht thematisiert.529 Erst am 3.10.1940 bestätigte die Galerie Almas, das Gemälde erhalten zu haben. Am selben Tag sicherte Böhler ihr nach einem Telefonat zu, dass er die Verkaufssumme auf 320.000.- RM senken würde, um ihr „das Geschäft mit dem Botticelli zu erleichtern“.530 Am 8.10.1940 erhielt die Galerie Almas dann die Rechnung mit einem zu zahlenden Betrag von 310.000.- RM. Verkauft wurde das Gemälde als „Madonna mit Kind und zwei Engeln“, Florenz um 1470 – nach Voss und Bode ein Frühwerk Sandro Botticellis. Auf der Böhler- Karteikarte ist das Verkaufsdatum 1.9.1940 eingetragen sowie die Summe 350.000.- RM. Bezahlt werden sollte das Werk innerhalb von drei Wochen. Bereits am 30. Oktober, einen Tag nach der Frist, schrieb Böhler einen scharfen Brief an die Galerie Almas: Der Vorbesitzer wäre ungehalten, dass er auf sein Geld warten müsse. Außerdem wäre dieser im Stande „alle Bilder, die er uns nach Verkauf dieses Bildes zu geben in Aussicht stellte, zu verweigern [...]. Das wäre auch für Sie nicht vorteilhaft; denn ich bin überzeugt, dass unter den noch vorhandenen Bildern manches ist, was Sie Ihren Kunden leicht verkaufen können [...].“531 Die Überlieferung zu dem Vorgang bricht mit diesem Schreiben zunächst ab. Erst am 2.3.1943 wurde der Galerie Almas seitens Böhler das Originalgutachten von Bode nachgereicht.532

In der Nachkriegszeit knüpfte die Galerie Almas ab 1949 an die geschäftliche Verbindung mit Böhler an. Sie reichte laut des letzten Eintrages auf der Kundenkarte bis 1989. Die Handelsware bestand nun vornehmlich aus Möbelstücken und Porzellan.

528 BWA München, F43/167: Böhler an Maria Almas, 9.8.1940. 529 BWA München, F43/167: Böhler an Galerie Almas, 21.8.1940. 530 BWA München, F43/167: Böhler an Galerie Almas, 3.10.1940. 531 BWA München, F43/167: Böhler an Galerie Almas, 30.10.1940. 532 BWA München, F43/236: Böhler an Galerie Almas, 2.3.1943. 132

Galerie Heinemann Die Firma wurde 1872 von David Heinemann (1819–1902) gegründet. Der Hauptsitz befand sich ab 1883 in München mit Dependancen in Nizza (1893–1904) und New York (1902– 1914), die u. a. entstanden, um eine internationale Klientel für Münchner Kunst zu interessieren. Den Schwerpunkt legte die Galerie Heinemann dementsprechend auf zeitgenössische Kunst des 19. und 20. Jahrhunderts aus München. Die Söhne Theodor Heinemann (1855–1933), Hermann Heinemann (1857–1920) und Theobald Heinemann (1860–1929) führten die Geschäfte weiter. Die Eröffnung des eigenen Galeriegebäudes am Lenbachplatz 5/6 (früher Maximiliansplatz 3/4) fand im Januar 1904 statt. Es handelte sich nicht nur um eine Kunsthandlung, sondern auch um ein Ausstellungshaus. Nach dem Tod Theobalds 1929 führte seine Witwe Franziska Heinemann (1882–1940) gemeinsam mit ihrem Sohn Fritz Heinemann (1905–1983) die Geschäfte. Bis November 1938 konnten sie diese mit Einschränkungen und einer im März 1937 erteilten Ausnahmegenehmigung weiterführen. Ab diesem Zeitpunkt konfiszierte die Gestapo sämtliche Kunstgegenstände. Fritz Heinemann war bereits im Januar 1938 aus der Firma ausgeschieden und im Mai 1938 in die Schweiz emigriert. Franziska Heinemann reiste 1939 in die USA aus, wo sie 1940 verstarb. Bereits zum 1.1.1938 hatte Friedrich Heinrich Zinckgraf (1878–1954), der seit 1900 (!) Mitarbeiter der Galerie Heinemann war, den Firmenanteil Fritz Heinemanns übernommen, nach dem 9.11.1938 schließlich für 500.000.- RM auch den Anteil Franziska Heinemanns.533 Offiziell wurde Zinckgraf allerdings erst Ende 1939 zum alleinigen Inhaber. Im Mai 1941 benannte er die Galerie Heinemann in „Galerie am Lenbachplatz“ um. Nach Kriegsende führte Zinckgraf die Geschäfte ab September 1946 bis zu seinem Tod im Jahr 1954 weiter, obwohl Fritz Heinemann bereits im Juni 1946 nach München zurückgekehrt war. Fritz Heinemann trat auch wieder als Kunsthändler auf, aber unter dem Namen seiner Frau Christel Langenbach (1923–?). Fritz und sein Bruder Paul strengten 1949 ein Wiedergutmachungsverfahren gegen Zinckgraf an, das in einem Vergleich endete, woraufhin beide Brüder bis zur Auflösung der Galerie finanziell mit je 25 % der Firmenanteile beteiligt wurden.534 Die Geschäftsunterlagen erhielt Fritz Heinemann wohl erst nach Zinckgrafs Tod zurück. 1972 übergab Heinemann sie dem Germanischen Nationalmuseum in Nürnberg.535

533 Anja Heuß: Friedrich Heinrich Zinckgraf und die „Arisierung“ der Galerie Heinemann in München, S. 85–94. In: Großmann 2012, hier S. 85: Da Zinckgraf nicht über ausreichend Eigenkapital verfügte, nahm er einen Kredit beim Reichsbankpräsidenten Hjalmar Schacht auf. Teil dieses Deals war eine Gewinnbeteiligung Schachts. 534 Heuß 2012, S. 90. 535 Jooss 2012, S. 69–84. 133

Durch die überlieferten Unterlagen der Galerie Heinemann (u. a. Käuferkartei, Lagerkatalog) lässt sich nachweisen, dass der Geschäftskontakt zwischen den Galerien Almas und Heinemann/Zinckgraf mindestens ab 1932 bestand. Im Zeitraum vom 11.10.1937 bis zum 4.8.1939 erwarb Maria Dietrich 35 Gemälde, darunter Werke von Carl Rottmann, Franz von Lenbach, Hans Thoma und Carl Spitzweg sowie vier Gobelins für 90.000.- RM (Heinemann Kunstwerk-ID 3795, vermutlich Linz-Nr. 915–918536) im Jahr 1938.537 Auf der Käuferkarte sind einige Werke nicht verzeichnet, die 1939 von der Galerie Almas bei Zinckgraf erworben wurden.538 Bei einem dieser Werke handelt es sich um Anselm Feuerbachs „Professor Dr. Carl Canstatt“ (Heinemann Kunstwerk-ID 3145, Linz-Nr. 794, Mü-Nr. 8823), das bereits 1917 bei Heinemann von „Frau Canstatt“ eingeliefert worden war und am 4.8.1939 für 28.000.- RM an Dietrich verkauft wurde. In der Linz-Datenbank (dort als „Herrenporträt“) wurde eine Verwechslung mit der Kunsthandlung Wilhelmine Heinemann, Wiesbaden dokumentiert. Die beiden Firmen hatten jedoch nichts miteinander zu tun. Am 14.9.1956 wurde das Bild an Fritz Heinemann zurückgegeben. Im Rahmen dieser Arbeit konnte nicht grundsätzlich untersucht werden, unter welchen Voraussetzungen Werke aus altem Firmenbestand an Heinemann restituiert wurden.

Vermutlich gelangten 18 der 35 von Dietrich bei Heinemann bzw. Zinckgraf erworbenen Gemälde an den „Sonderauftrag Linz“.539 Giovanni Domenico Tiepolos „Kopf eines Orientalen“ (Heinemann Kunstwerk-ID 11440, Linz-Nr. 399), wurde von Maria Dietrich bereits am 27.11.1937 für 20.000.- RM für die Reichskanzlei (Verkaufssumme 28.000.- RM) erworben. Verkäufer des Bildes war Joaquin Folch i Torres, Barcelona.540 Der „Kopf eines Orientalen“ wurde genau wie Giovanni Battista Tiepolos „Christus und die Sünderin“ aus der Kunsthandlung Böhler am 2.12.1937 von Maria Dietrich an die Reichskanzlei geliefert (s. oben). Es ist daher davon auszugehen, dass ein gezielter Auftrag Hitlers an Dietrich vorlag, diese Tiepolo-Bilder zu erwerben.

536 Freundliche Mitteilung von Katrin Schmidt, BVA Berlin. 537 Galerie Heinemann online: Mehrere Werke gingen in Kommission an die Galerie Almas und kamen zurück: Kunstwerk- ID 1433, 1874, 6744, 6770, 6771, 8579, 15855, 16710, 16867, 16933, 16980. Weitere Werke, die der Galerie Almas angeboten, aber von ihr nicht angenommen wurden: Kunstwerk-ID 3961 (1935), 11388 (1935), 12570 (1937). 538 Wilhelm Leibl „Kopf eines jungen Mannes nach links“ (Kunstwerk-ID 6396), Franz von Lenbach „Frau Merk“ (Kunstwerk-ID 6619), Franz von Lenbach „Graf Schack“ (Kunstwerk-ID 6629). Diese auf der Käuferkarte fehlenden Nummern wurden in die Gesamtzahl [35] inkludiert. Heuß 2012, S. 86: Die späteren Verkäufe wurden in der Regel nicht mehr auf den im Deutschen Kunstarchiv aufbewahrten Karteikarten eingetragen und zudem keine neuen Karteikarten für Neuankäufe angelegt. Die „Heinemann-Nummern“ wurden jedoch offensichtlich weitergeführt. Geschäftsbücher aus der Zeit nach 1938 haben sich nicht erhalten. 539 Es handelt sich um die Linz-Nr.: 62, 219, 276, 353, 355, 356, 357, 360, 361, 362, 364, 365, 409, 778, 794. Eine gewisse Unsicherheit besteht bei der Zuordnung von drei der 18 Werke; Linz-Nr. 200, 317, 777. 540 BVA Provenienzdatenbank. BArch Koblenz, B323/99: Rk 19549 B, Ger.Nr. 2034. B323/331, Bl. 84: Aussage Almas 12.3.1949: von Böhler; vermutlich von Dietrich mit Vorgang Tiepolo/Böhler verwechselt. S. auch Schwarz 2004, S. 33f. 134

Hans Thomas „Reigen“ (Linz-Nr. 357) stammte aus der Sammlung Nothmann. Der jüdische Sammler Berthold Nothmann musste vor seiner Emigration Kunstwerke verkaufen, da seine Konten gesperrt wurden. Das Gemälde wurde am 13.7.1938 eingeliefert (8.000.- RM) und am 14.9.1938 an Maria Dietrich weiterverkauft (11.300.- RM).541 Es gelangte im Oktober in Hitlers, später in die Linzer Sammlung und nach 1945 als Leihgabe des Bundes in das Hessische Landesmuseum Darmstadt. Das Bild wurde 2006 restituiert und anschließend bei Sotheby’s in London versteigert.542

Carl Spitzwegs „Fiat Justitia“ (Linz-Nr. 62) gehörte Leo Bendel (1868–1940). Dieser war ein aus dem heutigen Polen stammender jüdischer Tabakhändler, der zunächst in Wien und etwa ab 1915 in Berlin lebte. Er besaß einige Gemälde und grafische Arbeiten. Zwei Werke von Carl Spitzweg stellten die herausragenden Stücke seiner Sammlung dar: „Justitia“ und „Der Hexenmeister“. 1935 verlor Bendel seine Anstellung und das Ehepaar Bendel begann Teile seiner Wohnungseinrichtung und Kunstwerke zu veräußern, um die Auswanderung vorzubereiten. Zunächst gaben Leo und Else Bendel Papierarbeiten an das Berliner Auktionshaus Adolf Herold. Im Frühsommer 1937 erreichte das Ehepaar Wien. Im Juni 1938 ließ Bendel sich hier katholisch taufen, legte seine polnische Staatsbürgerschaft ab und wurde somit staatenlos. Zwischen dem 9. und 11.9.1939 führte die Gestapo in Wien Massenverhaftungen männlicher staatenloser Juden durch. Auch Leo Bendel wurde verhaftet und schließlich Ende September 1939 in das Konzentrationslager Buchenwald bei Weimar gebracht, wo er am 30.3.1940 umkam. Seine Frau Else erhielt bis zu ihrem Tod im Jahr 1957 keinerlei Wiedergutmachungsleistungen. Das 1857 entstandene Gemälde „Fiat Justitia“ hatte Bendel am 15.6.1937 für 16.000.- RM an die Galerie Heinemann (Heinemann Kunstwerk-ID 10733) verkauft, von wo aus es von Maria Dietrich am 19.4.1938 für 25.000.- RM erworben und im Anschluss an das Deutsche Reich verkauft wurde.543 1945 gelangte es in den Central Collecting Point, München, und ging schließlich in Bundesbesitz über. Ab 1961 wurde die „Justitia“ für die Ausgestaltung des Amtssitzes des Bundespräsidenten verwendet. Von den Erben nach Leo Bendel (Nachkommen von Elses Schwester Margarete) beauftragte Historiker:innen ermittelten die

541 BArch Koblenz, B323/331, Bl. 84: Aussage Almas 12.3.1949: von Gerstenberger. 542 Galerie Heinemann online, Kunstwerk-ID 11400. Hans Thomas „Kinder und Puttenreigen“ wurde versteigert bei Sotheby’s London, 13.6.2006, Los 67 (http://www.sothebys.com/en/auctions/ecatalogue/2006/19th-century-european- paintings-including-german-austrian-and-central-european-paintings-and-the-scandinavian-sale-l06101/lot.67.html – zuletzt besucht am 7.4.2019). 543 Carl Spitzwegs „Der Hexenmeister“ wurde auch am 15.6.1937 für 18.000.- RM eingeliefert und verkauft am 12.8.1937 für 28.000.- RM an Lina Oetker, Bielefeld (Lost Art-ID 308656, Galerie Heinemann online, Kunstwerk-ID 10732). Die Restitution erfolgte ebenfalls 2019. 135

Provenienz, u. a. anhand der Heinemann-Unterlagen. Danach erfolgte in einem längeren Prozess die Restitution des Bildes im Jahr 2019.544

Über die Anbieter-Kartei ließ sich zudem ermitteln, dass Maria Dietrich der Galerie Heinemann insgesamt acht Werke (ein Werk 1932, sieben Werke 1938) angeboten hatte, die nicht angenommen wurden.545 Lediglich ein Werk von Adolf Heinrich Lier, „Waldweg“ (Heinemann Kunstwerk-ID 6751), konnte die Galerie Almas 1937 erfolgreich bei Heinemann einliefern.

Kunstversteigerungshaus Adolf Weinmüller Bereits seit 1921 betrieb der frühere Forstbeamte Adolf Weinmüller (1886–1958) in München eine Kunsthandlung namens „Haus für Alte und Neue Kunst“, die später parallel zu seinem Kunstversteigerungshaus bestand. Seit 1931 war er Mitglied der NSDAP. Nachdem Hugo Helbing seit 1934 sein Auktionshaus praktisch nicht mehr betreiben konnte, eröffnete Weinmüller Anfang des Jahres 1936 sein Kunstversteigerungshaus zunächst im Leuchtenberg-Palais am Münchener Odeonsplatz und 1938 eine Filiale in Wien, im vormaligen Auktionshaus Kende, das Weinmüller „arisierte“.546 Hier fanden auch Wohnungsversteigerungen statt. Durch die anlässlich der Auktionen veröffentlichten Kataloge lässt sich nachweisen, dass Weinmüller in München bis zur vorübergehenden Schließung 1943 (letzte Auktion Dezember 1942) im Zeitraum zwischen 1936 und 1945 33 und in Wien 18 Auktionen abhielt. Während dieser Auktionen wurden insgesamt etwa 24.500 Objekte von 1.800 Einlieferern angeboten. Bei den Münchener Versteigerungen handelte es sich zumeist um Sammelversteigerungen. Als Reaktion auf die sogenannte Tarnverordnung wurden „nichtarische“ Einlieferer ab Anfang 1939 bei Weinmüller und in anderen Auktionshäusern kenntlich gemacht.547 Laut Meike Hopp sicherte er seinem Kunstversteigerungshaus „nachhaltig eine Monopolstellung in München, indem er sich der jüdischen genauso zielstrebig wie der

544 Melissa Müller/Monika Tatzkow: Verlorene Bilder – Verlorene Leben. Jüdische Sammler und was aus ihren Kunstwerken wurde, München 2009, S. 60–71. Stefan Koldehoff: Die Bilder sind unter uns. Das Geschäft mit der NS-Raubkunst, Frankfurt am Main 2009, S. 215f. 545 Galerie Heinemann online: Franz von Defregger „Kopf eines Meraner Bauern mit schwarzem Haar“ (Kunstwerk-ID 40353), 1932 (unter Bemerkungen: „Von der Städt. Galerie als Fälschung erkannt […] Hans Defregger wollte das Bild beschlagnahmen“). 1938: Cranach-Nachahmer „Venus und Amor“ (Kunstwerk-ID: 40874), Wilhelm Leibl „Auf der rechten Hand aufgestützter männlicher Kopf mit Hut“ (Kunstwerk-ID 41895), Wilhelm Leibl „Profilkopf einer alten Bäuerin (schwarze Haube, braunes Kleid)“ (Kunstwerk-ID 41863), Adolf Heinrich Lier „Vagabund im Kornfeld vor Wegweiser“ (Kunstwerk-ID 42438), Malchus „Marine (an der Küste Fischerboot mit Netzen)“ (Kunstwerk-ID 42714), Adolph von Menzel „Brustbild eines jüngeren Mannes (3/4 Profil)“ (Kunstwerk-ID 43284), J. Sperl „Haus und Apfelbäume“ (Kunstwerk-ID 44453). 546 Hopp 2012, S. 238: Das Geschäft wurde 1948, nachdem es nach Kriegsende zunächst öffentlich verwaltet worden war, an Melanie und Hebert Kende zurückgegeben. 547 Hopp 2012, S. 160ff. 136

‚arischen‘ Konkurrenz entledigte“.548 Im März 1939 waren in München als Kunstversteigerer für Kunstgegenstände neben Weinmüller nur noch Hans Sauermann und Julius Böhler zugelassen (s. oben). In Wien trat er mit dem Dorotheum in direkte Konkurrenz. Bereits in der Aufbauphase wurde Ernst Michael Wengenmayr (1888–?) als Geschäftsführer des Weinmüller-Stammhauses in München eingestellt (1936–1939).549 Geschäftsführer des Wiener Hauses war seit Herbst 1938 Franz August Kieslinger (1891–1955). Im Juli 1938 hatte Kieslinger die Sammlungen jüdischer Wiener:innen für deren erzwungenen Vermögensanmeldungen geschätzt, darunter die Sammlung von Hortense und Hermann Eissler (vgl. Kap. 3.1 Österreich). Kieslinger reiste auch für die „Dienststelle Mühlmann“ mehrmals in die Niederlande, um dort Kunstwerke zu erwerben. Außerdem war er Mitarbeiter von Heinrich Hoffmanns Zeitschrift „Kunst dem Volk“.550 Adolf Weinmüller war von 1933 bis 1935 Vorsitzender des Bundes der deutschen Kunst- und Antiquitätenhändler e.V., dem jede:r Kunsthändler:in beitreten musste. Unter seiner Ägide erfolgte eine „Neuerfassung“ aller Kunsthändler:innen.551 Der Auflösung des Vereins 1935 folgte die Überführung der Mitglieder in die Reichskammer der bildenden Künste.552 Ab 1938 war Weinmüller außerdem als Sachverständiger für die Devisenstelle tätig: „Die Devisenstellen gewährten sachverständigen Händlern wie Weinmüller [...] Einblick in die Vermögensanmeldungen, woraufhin diese eine Empfehlung für den Entzug der Objekte gaben.“553 Qualitativ hochwertige Ware wurde im Anschluss bei Weinmüller eingeliefert.

Im Mai 1939 wurde Weinmüller in seiner Funktion als Sachverständiger der Münchner Industrie- und Handelskammer gebeten, eine Stellungnahme abzugeben. Er sollte sich zu der Frage äußern, ob die Bezeichnungen „Galerie“ und „Almas“ beim Registergericht München eingetragen werden könnten.554 Weinmüllers Stellungnahme hat sich in dem betreffenden Vorgang jedoch nicht erhalten.

Bei den ersten Weinmüller-Auktionen in München am 26. und 27.6.1936 wurde „alter deutscher Kunstbesitz“ angeboten. Auch Maria Dietrich war anwesend und konnte in dieser

548 Ebenda, S. 18. 549 Ebenda, S. 121ff., S. 124: „Tatsächlich lässt sich Wengenmayrs Name mit etlichen jüdischen Kunstsammlungen in Verbindung bringen: Er tätigte offenbar sowohl in privatem Auftrag für die ab April 1938 für Juden obligatorische Vermögensanmeldung als auch für diverse Behörden Schätzungen und ‚Sicherstellungen‘ bis hin zu Beschlagnahmungen von Kunst- und Kulturgut aus ‚nichtarischem‘ Besitz.“ 550 Hopp 2012, S. 246ff. 551 Ebenda, S. 44f.: Vereinzelte Fragebögen sind überliefert. Anzugeben waren u. a. Lebenslauf, polizeiliches Führungszeugnis, Beteiligung an anderen Betrieben, Nachweis über Eignung, Handelsregistereinträge. 552 Ebenda, S. 37ff. zur Umstrukturierung der Kunsthändlerverbände bzw. der „Gleichschaltung“ des Bundes der Deutschen Kunst- und Antiquitätenhändler e.V. 553 Hopp 2012, S. 133ff., hier S. 134. 554 BWA München, K1 XVA 10c, 264. Akt, Fall 33: Industrie- und Handelskammer München an Adolf Weinmüller, 12.5.1939. Hopp 2012, S. 66ff. zu Weinmüllers Rolle als Sachverständiger der Industrie- und Handelskammer München. 137

Auktion sechs Lose ersteigern (Los 96 Tisch, Los 99 Schrank, Los 103 Standuhr, Los 110 Kommode, Los 116 Kredenz mit Glasaufsatz, Los 121 zwei Stühle), die allesamt aus einer Sammlung „S. in R.“ stammten. Hinter diesen Initialen verbirgt sich der durch die Nationalsozialisten Verfolgte Ernst Saulmann aus Reutlingen. In derselben Auktion wurden auch eine Wäschepresse und eine Eichenholz-Skulptur des heiligen Rochus aus der Sammlung Saulmann versteigert. Beide Objekte wurden im Februar 2017 aus den Museen Böttcherstraße in Bremen an die Erben restituiert.555

Insgesamt besuchte Maria Dietrich zwischen 1936 und 1942 19 von Weinmüller veranstaltete Auktionen und erwarb dabei etwa 85 Positionen. Davon betreffen die Wiener Filiale nur die Auktionen zwischen dem 15.–17.3.1939 mit zwei erstandenen Objekten. Gezählt wurden auch diejenigen Lose, bei denen als Käufername „Dietrich“ annotiert wurde und die Bearbeiter:innen des Weinmüller-Projektes (ZI) diese Annotation als Almas-Dietrich interpretiert haben, sowie der Käufername „tho Rahde“. Gebote gab Dietrich einige Male für eine Person namens „Meyer“ ab oder gelegentlich zusammen mit dem befreundeten Kunsthändler Ludwig Bretschneider. Im Vordergrund der von Dietrich bei Weinmüller erworbenen Objekte standen Möbel und Einrichtungsgegenstände, vom Deckelpokal bis zur Standuhr. Bei nur etwa einem Drittel handelt es sich um Werke der bildenden Kunst. Die gezahlten Preise lagen zwischen 3.- RM und 7.000.- RM. Viele Gegenstände wurden von ihr wahrscheinlich für den klassischen Verkauf in der Kunsthandlung oder für private Zwecke erworben. Dennoch sind von 38 Objekten mit Weinmüller-Provenienz immerhin 18 Stück über Maria Dietrich in die Linzer Sammlung gelangt.556 94 Gemälde aus dem 19. Jahrhundert erzielten bei Weinmüller Preise über 5.000.- RM. Hiervon wurden drei von Maria Dietrich für den „Sonderauftrag Linz“ erworben (Linz-Nr. 697, 2400, 2864).557 Das kostspieligste Bild, das jemals bei Weinmüller veräußert wurde, ersteigerte Maria Dietrich in der Auktion 2./3.7.1942 im Auftrag der Reichskanzlei: Franz Defreggers „Heimkehr des verwundeten Jägers“ (Los 440, Linz-Nr. 2400) für 85.000.- RM. Nicht Dietrich oder Almas, sondern die Reichskanzlei ist im Auktionsprotokoll als Käuferin angeführt; demnach könnte die Zahl der tatsächlich durch Dietrich für die Reichskanzlei bei

555 Weser Kurier, „Bremen überlässt Skulptur den Erben eines jüdischen Sammlers“, 22.2.2017 (http://www.weser- kurier.de/bremen/bremen-kultur-freizeit_artikel,-Bremen-ueberlaesst-Skulptur-den-Erben-eines-juedischen-Sammlers- _arid,1555345.html – zuletzt besucht am 7.4.2019). 556 Hopp 2012, S. 216. 557 Fuhrmeister/Hopp 2017, S. 177f. 138

Weinmüller ersteigerten Werke höher liegen. Das Werk wurde 1949 an Ida Freifrau von Feury (1877–1957) restituiert. 1942 tauchte Dietrich auch ein Mal als Einlieferin bei Weinmüller auf, doch wurden die zwei „Jagdbilder“ wieder von ihr zurückgezogen.558

Anselm Feuerbachs „Pariserin mit Hündchen“ (Linz-Nr. 830) aus der Sammlung Berolzheimer wurde von Weinmüller an Maria Dietrich verkauft. In der Linz-Datenbank wird dieser Zusammenhang nicht erwähnt. Michael Berolzheimer (1866–1942) lebte mit seiner Familie in Untergrainau bei Garmisch- Patenkirchen. Über die Schweiz emigrierte die Familie 1938 in die USA. Den Versteigerungsauftrag für die Kunstsammlung hatte stellvertretend sein Stiefsohn Robert Schweissheimer Anfang November 1938 ausgelöst, kurz bevor für dessen eigene Belange ein Treuhänder eingesetzt wurde. Einige Gemälde und Skulpturen aus dem Besitz von Michael Berolzheimer, darunter Feuerbachs „Pariserin mit Hündchen“, kamen dann direkt in der Weinmüller-Auktion am 30.11.1938 (Los 98) zum Aufruf. Die „Hauptauktion“ für die Versteigerung der Sammlung Berolzheimer fand aber erst am 9./10.3.1939 statt. Laut Weinmüller wurde das als „Bildnis einer Pariserin“ betitelte Gemälde auch bei seinem zweiten Aufruf am 6.12.1939 (Los 329) nicht versteigert und konnte erst später über Maria Dietrich an den „Sonderauftrag Linz“ verkauft werden. Hierzu sagte Weinmüller gegenüber dem Landesamt für Vermögensverwaltung und Wiedergutmachung (Außenstelle Garmisch- Partenkirchen, Tegernsee) am 13.3.1947 aus: „Jedoch kann ich Ihnen aus dem Gedächtnis einige Auskünfte über die Käufer von Bildern und Zeichnungen geben. Vorausgeschickt sei, daß ich meiner Erinnerung nach an Bildern nur ein paar Stücke aus dem Besitz Berolzheimer zur Verwertung von Dr. Wengenmayr erhielt und zwar waren dies: 1 Feuerbach – Damenbildnis, der ob seiner geringen Qualität in zwei Auktionen bei einem Ausrufpreis von Mk. 6.000.- nicht an den Mann gebracht werden konnte und erst nach 2 Jahren (1940) – nach viel aufgewandter Mühe – in einer Ausstellung durch die Firma Almas an die Reichskanzlei (Betrag nicht mehr erinnerlich) verkauft wurde.“559 Im Juni 1949 konnte das Bild an die Familie Berolzheimer/Schweissheimer restituiert werden. Der Großteil der bei Weinmüller versteigerten – insgesamt über 800 Objekte fassenden Sammlung – „konnte jedoch nicht restituiert werden, da Weinmüller angab, zur Auktion keine

558 ZI, Datenbank Weinmüller: Münchener Kunstversteigerungshaus Adolf Weinmüller, Auktion 3.–5.12.1942, Katalog Nr. 32, Los 992. 559 StAM, Vermögenskontrolle Garmisch-Partenkirchen 63. Vgl. Hopp 2012, S. 166: hier Angabe der alten Signatur vor Änderung durch das Archiv; StAM, VK Garmisch, K4, Menacher 19. Berolzheimer 2014, S. 190: Berolzheimer gibt nur an, dass das Werk durch Martin Bormann für Linz erworben wurde. 139

Unterlagen mehr zu besitzen, er also keine Angaben über Käufer und Verbleib der einzelnen Objekte machen könne.“560 Diese Angabe wurde durch die wiedergefundenen annotierten Auktionskataloge widerlegt.

Die Anmeldung der Ansprüche durch Schweissheimer beim Zentralanmeldeamt Bad Nauheim erfolgte am 8.12.1948 gegen unbekannt. Neben anderen wurde Maria Dietrich unter Nennung ihres Namens und ihrer Privatadresse als „Beteiligte“ bezeichnet.561 Dietrich wies jegliche Verantwortung von sich: „Sie haben mir unter dem 14.3. [1950] eine Rückerstattungsanpruch-Anmeldung eines Dr. W. Schweisheimer [sic] (Nachlass Dr. Berolzheimer) zugestellt. Zu Ihrem Antrag möchte ich Ihnen mitteilen, dass ich mich in meiner langjährigen Praxis als Kunsthändlerin weder für Graphik interessiert, noch jeweilig solche gekauft habe. Daher habe ich mich an der Ersteigerung der Graphischen Sammlung Dr. Berolzheimer nicht beteiligt, so dass die Ausführung in der Anlage Zurückerstattungsanmeldung des Dr. Schweisheimer unter Ziffer IIe frei erfunden erscheinen muss. Ich besitze keinerlei Gegenstände aus der graphischen Sammlung von Herrn Berolzheimer und erhebe rein vorsorglich Widerspruch.“562 Die „Graphik“ des Michael Berolzheimer umfasste auch unterschiedliche nicht-druckgrafische Arbeiten auf Papier. Maria Dietrich handelte entgegen ihrer Aussage immer wieder mit Zeichnungen und Aquarellen.563 Zur Teilnahme an der Anhörung am 12.5.1950 bevollmächtigte Maria Dietrich ihren Schwiegersohn, den Assessor Detmar tho Rahde. Im Nachgang schrieb sie am 22.5.1950 an die Wiedergutmachungsbehörde, dass sie in der Weinmüller-Auktion „keinerlei Sachen lt. neuer Liste von Berolzheimer“ erworben hätte: „Nach der Auktion Weinmüller, d. h. im Freihandverkauf und ohne Wissen, dass es sich um Sachen von Berolzheimer handelt, habe ich von der neuerlichen Liste keinerlei Gegenstände gekauft, weder von der aufgeführten a) Druckgraphik b) Skulpturen c) Ölbilder [...]. Diese meine Erklärung bin ich bereit notfalls an Eidesstatt abzugeben.“564 Auf der erwähnten Liste (Bl. 5–16) ist das erworbene Feuerbach- Gemälde nicht aufgeführt, doch hatte sie wie oben beschrieben die „Pariserin mit Hund“ im Freihandverkauf erstanden.

560 Hopp 2012, S. 167. 561 StAM, WB I a 2992: Walther Schweissheimer (Nachlass Berolzheimer) gegen Maria Dietrich. 562 StAM, WB I a 2992, Bl. 1–4: Maria Dietrich an die Wiedergutmachungsbehörde (WB) I Oberbayern, München, 11.4.1950. 563 Beispiele für die Einlieferung diverser Papierarbeiten an den „Sonderauftrag Linz“ / Meldung von Kriegsschäden / Geschäft mit Fransziska und Guido Josef Kern; Papierarbeiten Adolph Menzel und Carl Blechen / Korrespondenz zu Menzel-Zeichnung mit Berliner Nationalgalerie / Ansichtssendungen von Papierarbeiten etwa an Bruno Grimschitz und Martin Bormann. 564 StAM, WB I a 2992, Bl. 4. 140

In einer Verfügung der Wiedergutmachungsbehörde Oberbayern wurde am 16.3.1951 festgehalten, dass der Antragsteller die Anmeldung und die darin gestellten Anträge zurückgenommen hat.565 Maria Dietrich und weitere „Beteiligte“ wurden benachrichtigt.

Adolf Weinmüllers Spruchkammerverfahren endete damit, dass er als „Mitläufer“ eingestuft wurde und einen „Sühnebetrag“ von 1.000.- DM zu leisten hatte. Ab 1949 konnte Weinmüller wieder Auktionen durchführen, obwohl sich beispielsweise Edgar Breitenbach (1903–1977) als Leiter des Münchner Central Collecting Points vehement dagegen ausgesprochen hatte. Bis zum Jahr seines Todes (1958) veranstaltete Weinmüller noch 35 Versteigerungen.566 Es kann davon ausgegangen werden, dass in diesem Zeitraum zahlreiche Kunstwerke mit höchst problematischen Provenienzen die Besitzer wechselten.

Exkurs: Friedrich August von Kaulbachs Familienporträt aus der Sammlung von Otto und Nelly Scharff, München

Eine weitere Erwerbsquelle für Maria Dietrich war in München offenbar beschlagnahmter Besitz jüdischer Familien. Über den Versteigerer Hellmut Lüdke (Lebensdaten unbekannt) gelangte Dietrich an das um 1920 entstandene Familienporträt „Nelly Scharff mit Gertrude und Liselotte“ (Linz-Nr. 2710, Abb. 20), das Nelly Scharff (1887–1941) mit ihren beiden Töchtern darstellt. Ihr Mann Otto Scharff (1884–1941) war ein Münchener Kolonialwarenhändler, dessen Geschäft „Fa. H. Scharff & Sohn“ sich in der Orleansstr. 6 befand. Die Erfassung jüdischer Betriebe durch das Städtische Gewerbeamt betraf auch die Firma Scharff, die 1938 noch etwa 100 Personen beschäftigte. Einige Interessenten wollten die Firma im Frühjahr 1938 kaufen, traten aber vom Kaufvertrag zurück. Die Firma wurde erzwungenermaßen mit Wirkung zum 30.9.1938 abgemeldet.567 In der ersten Jahreshälfte 1938 war Otto Scharff aus unbekannten Gründen an verschiedenen Stellen inhaftiert gewesen. Zwischen Dezember 1938 und Dezember 1939 wohnte das Ehepaar Scharff im Hotel Continental, Ottostr. 6 und ab 1940 in der günstigeren Pension Internationale.568

565 StAM, WB I a 2992, Bl. 32: Der Grund für die Rücknahme ist der Verfasserin nicht bekannt. 566 Hopp 2012, S. 297ff. 567 StadtA München: sog. Kennkarten von Otto und Nelly Scharff. Verzeichnis der gewerbepolizeilich gemeldeten jüdischen Gewerbetreibenden in München; Eintrag zur „Arisierung“ des Unternehmens. Selig 2004, S. 564–567: Ausführliche Beschreibung der Geschäftsauflösung, u. a. durch ein vom Gewerbeamt angestrengtes Verfahren gegen Otto Scharff. 568 StAM, Oberfinanzdirektion München 7119, B I 402-403, Entziehungsakte Scharff Otto und Nelly (Akte o. Bl.): Hugo Roquette (Wirtschaftstreuhänder) an Oberfinanzpräsidenten, Devisenstelle, 26.4.1940: Betr. Haushaltungsgeld, Bitte monatlich 1.500.- RM Haushaltungsgeld zu bewilligen: „Das Haushaltungsgeld muss herabgesetzt werden, weil Scharff nicht mehr im Continental-Hotel sondern in der Pension Internationale, also entsprechend billiger, wohnt.“ 141

Die Töchter Gertrude (1911–1998) und Liselotte (1913–2004) waren bereits 1935 und 1933 emigriert. Auch das Ehepaar Scharff hatte sich mindestens seit August 1938 bemüht, ihre eigene Emigration zu realisieren.569 Verzweifelt schrieb Otto Scharff am 26.1.1940 an die Devisenstelle beim Münchner Oberfinanzpräsidenten mit dem Betreff „Gesuch der Eheleute Otto Israel Scharff und Nelly Sara Scharff um 1. Genehmigung eines Transfers durch die Golddiskontbank für Passagen und Fracht für Gepäck und Umzugsgut nach Brasilien 2. eines weiteren Transfers in Höhe von RM 100.000.- zur Schaffung einer Existenz: Wir haben Einreisevisen nach Brasilien und wollen nach Porto Alegre in Brasilien auswandern. Wir besitzen im Ausland keinerlei Vermögenswerte. Ich bin 56 Jahre alt, meine Frau bald 53 Jahre. Unsere beiden Töchter sind vor einigen Jahren ausgewandert. Sie verdienen nur soviel, als sie für ihren eigenen Lebensunterhalt benötigen und sind daher nicht in der Lage, mich und meine Frau zu erhalten. Ich konnte ihnen zur Existenzgründung im Ausland auch keinerlei Vermögen zuwenden, weil meine diesbezüglichen Anträge von der Devisenstelle abgelehnt wurden. [...] Ferner habe ich bei Auflösung meiner Firma per 1. Oktober 1938 an meine Angestellten und Arbeiter einen Abfindungsbetrag von circa RM 130.000.- ausbezahlt, was von der Arbeitsfront besonders anerkannt wurde. Meine wertvollen Gemälde, die sichergestellt wurden und meine abgelieferten Schmuck-, Gold- und Silbergegenstände haben allein einen Devisenwert, der ein Vielfaches des nachgesuchten Transfererlöses ausmacht. Ich bitte die hier angeführten Umstände und Tatsachen zu berücksichtigen und die vorstehenden Gesuche zu genehmigen.“570 Der am 31.3.1941 vom Finanzamt München-Nord ausgestellte „Reichsfluchtsteuerbescheid“ setzte das Gesamtvermögen, auf das die Familie schon längst keinen Zugriff mehr hatte, auf 552.269.- RM fest. Ein Viertel davon (138.067.- RM) sollte als Reichsfluchtsteuer eingezogen werden.571 Die Ausreise wurde jedoch verwehrt. Das Ehepaar Scharff wurde am 20.11.1941 mit dem ersten Münchner Transport deportiert und am 25.11.1941 in Kaunas (Litauen) ermordet. Von den rund 1.000 betroffenen Münchner:innen überlebte niemand. Dieser ersten Massenerschießung von Deportierten aus dem „Altreich“ fielen auch Menschen aus Berlin und Frankfurt am Main zum Opfer.572

569 StAM, FinA 19183, Bl. 5: OFP Devisenstelle an OFP Sachgebiet I/4, München, 12.8.1938: Betr. Auswanderung Otto und Nelly Scharff, Wasserburgerstr. 6: „Genannte beabsichtigen ihren Wohnsitz nach Amerika zu verlegen.“ In dieser Akte darüber hinaus Unterlagen zu geplanter Auswanderung, Vermögen, Reichsfluchtsteuer, Vermögensaufstellung. Weiterhin zum Schicksal der Familie Scharff: Michael Verhoeven: Menschliches Versagen – „Arisierung“ jüdischen Eigentums, Dokumentarfilm 2008 (freundliche Auskunft von Michael Verhoeven und Luise Lindermair, Sentana Filmproduktion, München). 570 StAM, Oberfinanzdirektion München 7119, B I 402-403: Entziehungsakte Scharff Otto und Nelly. 571 StAM, FinA 19183, Bl. 17. 572 Selig 2004, S. 567, Fußn. 465: Institut für Zeitgeschichte, Fa. 208. Deportationsliste der Gestapo, 15.11.1941, Lf. Nr. 402,43. Heusler 2000, S. 13ff.: Bestimmungsort des ersten Transports aus München war ursprünglich Riga. 142

Bereits am 27.11.1941 meldete der Wirtschaftstreuhänder Hugo Roquette, dem die Vermögensabwicklung und Verwaltung von Scharffs Vermögenswerten zwischen 1938 und 1942 oblag, an einen Inspektor Messemer im Landauer Rathaus: „Hierdurch teile ich Ihnen vertraulich und privat Folgendes mit. Otto Israel Scharff und seine Ehefrau sollen in diesen Tagen nach Russland verschickt und das Vermögen als staatsfeindliches Vermögen beschlagnahmt worden sein. [...] Eine offizielle Erklärung werde ich Ihnen noch zugehen lassen, ich bitte Sie aber schon jetzt zu berücksichtigen, dass es sich nicht mehr um Judenvermögen, sondern um Staatsvermögen handelt, was bei den z. Zt. in Schwebe befindlichen Entscheidungen zu berücksichtigen von Wichtigkeit sein dürfte.“573

Bei der vor wenigen Jahren durch mehrere Einrichtungen aufgearbeiteten Beschlagnahmeaktion in München in den Jahren 1938 und 1939, an der die Gestapo und „Kunstsachverständige“ beteiligt waren, wurden ab dem 15.11.1938 in insgesamt 69 jüdischen Haushalten in München und Oberbayern Kunstgegenstände konfisziert.574 Am 25.11.1938, dem Tag der meisten „Sicherstellungen“ in 13 Haushalten, wurde auch die kleine Sammlung der Familie Scharff beschlagnahmt. Es handelt sich gewissermaßen um einen Sonderfall, da sich die Kunstwerke am 25. November 1938 schon nicht mehr in der Wohnung in der Wasserburgerstr. 6,575 sondern aufgrund der geplanten Emigration bereits bei der Spedition Schenker & Co. befanden. Daher erfasste und beschlagnahmte man die Objekte (18 Positionen) bei der Spedition. In einem Fragebogen für Auswanderer zum Antrag vom August 1939 heißt es, dass die 17 Ölbilder und eine Zeichnung von der Reichskulturkammer abgeholt worden waren. Schmuck, Gold und Silber hingegen lieferte die Familie Scharff beim Leihamt ab.576 Schon zuvor, im Sommer 1938, waren Schätzer bei Scharff gewesen, die auch seine Kunstwerke in Vorbereitung der Auswanderung taxiert hatten. Ernst Wengenmayr besichtigte und schätzte die Gemäldesammlung in der Wasserburgerstr. 6 am 26.8.1938.577 Das Familienbildnis von F. A. Kaulbach, Nr. 11 auf der Liste, schätzte er auf 500.- RM. Die

573 StAM, Oberfinanzdirektion München 7119, B I 402-403: Entziehungsakte Scharff Otto und Nelly. 574 Jan Schleusener: Raub von Kulturgut. Der Zugriff des NS-Staates auf jüdischen Kunstbesitz in München und seine Nachgeschichte, Berlin 2016. 575 StAM, BFD III 7040/1, Aussenstelle München-Stadt des Bayerischen Landesamtes für Vermögensverwaltung und Wiedergutmachung, Duress-Property, 24.12.1947, Ergänzung der Aufstellung vom 12.1.1947, S. 1: Als Eigentümer wird Max Amann genannt, Vorbesitzer Scharff O. u. Nelly. 576 StAM, FinA 19183, Bl. 14f. StAM, Oberfinanzdirektion München 7119, B I 402-403, Entziehungsakte Scharff Otto und Nelly: Hugo Roquette an den OFP, Devisenstelle, 11.5.1940: „Die dem städt. Leihamt München zugeführten Schmuck- und Wertsachen (Ankaufs-verz. Nr. 1441) ergaben folgenden Erlös: am 5.3.40 überwies das Leihamt auf das gesperrte Konto RM 890,50. Lt. telefonischer Durchsage des Leihamtes wurden 17 gr Gold eingeschmolzen, sowie 17300 gr Silber. Ein Teil der Gold- und Silbersachen wurde als Kulturgut den Vorschriften entsprechend der Zentralankaufsstelle in Berlin NO 55 Danzigerstr. 64 übergeben. Die Veräusserung dieser hochwertigen Gegenstände erfolgt durch diese Stelle. Die darauf treffenden Auszahlungsbeträge sollen mir noch gesondert überwiesen werden.“ 577 Schleusener 2016, S. 61, 145ff. 143 später auf dieser Liste mit „+“ versehenen Gemälde wurden, wie bereits erwähnt, schließlich Anfang Dezember 1938 im Lagerhaus der Firma Schenker & Co. von der Gestapo und der Reichskulturkammer abgeholt und sichergestellt. Nr. 11 trägt jedoch kein Kreuz. Dies könnte bedeuten, dass das betreffende Gemälde nicht von der Reichskulturkammer einkassiert wurde, sondern zunächst beim Umzugsgut verblieb. Auch auf der Übergabeliste mit den 18 beschlagnahmten Positionen, die am 25.11.1938 ins Bayerische Nationalmuseum geliefert worden waren, ist das Kaulbach-Gemälde nicht verzeichnet.578

Jan Schleusener beschreibt in seiner 2016 erschienenen Publikation zu dem organisierten Raub von Kulturgut in München die Mitwirkung der Museen und Auktionshäuser an der systematischen Beraubung der jüdischen Münchener. Die als hochwertig erachteten Kunstwerke wurden auf diverse Museen aufgeteilt. Das Stadtmuseum München und die Städtische Galerie interessierten sich für zwei Werke aus dem Besitz der Familie Scharff: Wilhelm von Dietz’ Gemälde „Rast/Reiter mit Magd“ (Mü-Nr. 36250) und Hans Bartels’ „Am Kamin/Frau am Herd“ (Mü-Nr. 37422).579 Das Bild von Dietz gelangte an das Oberfinanzpräsidium und wurde später an die Töchter des Ehepaares Scharff restituiert. Das Gemälde von Bartels ging an die Städtische Galerie und wurde ebenfalls an die Töchter zurückgegeben. Entzogene, aber als nicht museumswürdig eingestufte Stücke wurden dem Handel zur Verwertung übertragen. Beteiligt wurden die Kunsthändler Xaver Scheidwimmer, Ernst Wengenmayr, Ludwig Schrettenbrunner, Heinrich Gerzer, Ludwig Haunschild, die Auktionshäuser Weinmüller und Hugo Ruef sowie die „Münchner Kunsthandelsgesellschaft. Kameradschaft der Künstler e.V.“ und Hellmut Lüdke.580

Erst im Jahr 1942 kann das „Familienporträt“ von Kaulbach wieder in den Akten nachgewiesen werden, wobei der genannte Hellmut Lüdke das Bindeglied zwischen dem Familienbildnis und Maria Dietrich darstellt. Hellmut Lüdke war vermutlich der Sohn von Alfred (1874–1955 oder 1967) und Alma Lüdke (geb. Winkler, ?–1971). Alfred Lüdke ist in

578 StadtA München und Bayerisches Nationalmuseum, München (BNM): Protokolle der Beschlagnahmen mit Angabe von Werken. Kopie von „BNM Dok. 199“ in den BStGS; Übergabeprotokoll. StAM, WB I a 4040, Bl. 104: Goldhaber-Scharff Gertrude und Fleischer-Scharff Lieselotte gegen Deutsches Reich, Freistaat Bayern und Bayerisches Landesamt für Vermögensverwaltung, München, Anmeldung von Rückerstattungsansprüchen entsprechend der Ausführungsverordnung Nr. 1 zum Gesetz Nr. 59 der Militärregierung, 9.11.1948. NARA, M1946, RG 260, Roll 0046, Restitution Claim Records, S. 2: Restitution claim of Gertrude Scharff-Goldhaber, 14.8.1947. 579 BNM, Dok. 199: Die Übersicht enthält Dietz „Reiter mit Magd“ und Bartels „Frau am Herd“. StadtA München, StM / I / 4,6c, abgedruckt in Rader/Voigt 2018, S. 131: „Sichergestellte Kunstgegenstände aus jüdischem Besitz. Die nachfolgend verzeichneten Bilder und Gegenstände sind für die Städt. Galerie bezw. für das Historische Stadtmuseum von Interesse“, 1939. Die Werke sind hier als Nr. 6 (Dietz) und Nr. 14 (Bartels) verzeichnet. StadtA München, StM / I / 4,6a, abgedruckt in Rader/Voigt 2018, S. 139: „Verzeichnis jener Bilder und Gegenstände, welche für die städt. Galerie und das Stadtmuseum von Interesse sind“, 1939; hier ebenfalls als Nr. 6 (Dietz) und Nr. 14 (Bartels) verzeichnet. 580 Schleusener 2016, S. 14. 144 den Münchner Meldeunterlagen als „Prof. u. Maler“, „Kunstmaler“ und „Weinhändler“ bezeichnet und war in der Pilotystr. 10 (jetzt: 8) ab 1923 gemeldet, wo er bis zu seinem Tod lebte. Im Jahr 1951 ist ein kurzer Auslandsaufenthalt in Locarno (Schweiz) vermerkt.581 Eine Gewerbekarteikarte zu Alfred Lüdke ist nicht überliefert.582 In den Adressbüchern finden sich ergänzende Informationen in Bezug auf Hellmut Lüdke, der in der Pilotystr. 10 mindestens von 1924 bis 1941583 als Kaufmann, Versteigerer und Kunsthändler eingetragen ist.584 Dafür ist Alfred Lüdke in dem betrachteten Zeitraum tatsächlich nur 1924 und 1928 unter dieser Adresse genannt.585 Noch im Münchner Adressbuch von 1961 ist Hellmut Lüdke als vereidigter und öffentlich bestellter Versteigerer und Sachverständiger in der Pilotystr. 2 angegeben. Die Tätigkeiten des Händlers Lüdke sind noch nicht systematisch aufgearbeitet worden. Allerdings wurden durch Meike Hopp (2012) und die Verfasserin Versteigerungen jüdischen Eigentums, an denen Lüdke maßgeblich beteiligt war, zusammengestellt (s. unten). Weitere Hinweise auf seine Tätigkeit wurden für diese Arbeit ermittelt: Als Einlieferer ist „Lüdke“ für eine Auktion am 7.11.1924 bei Hugo Helbing vermerkt. Julius Böhler kaufte von ihm am 24.4.1941 eine Barockkommode, die aus der Versteigerung des Nachlasses von Kommerzienrat Theodor Hörtkorn in München stammte.586 Das Stadtmuseum München kaufte aus einer Versteigerung bei Hellmut Lüdke, Pilotystr. 10, am 24.5.1943 sechs Positionen (Inv.-Nr. 1943/50–55). Es handelt sich hierbei um Gemälde (Bildnisse von

581 Andreas Burmester: Der Kampf um die Kunst: Max Doerner und sein Reichsinstitut für Maltechnik, Köln/Weimar/Wien 2016, S. 789: Hier abweichende Angabe: A. Lüdke war seit 1913 in Zürich im Kunsthandel (Fa. C. Brunner Kunst- und Antiquitäten) tätig, erst ab 1936 bis mind. 1941 in München ansässig. 582 StadtA München: Hausbogen Pilotystr. 10. Einwohnerkartei 1976 / L 69 (freundliche Auskunft von Anton Löffelmeier, Stadtarchiv München). Weiterhin zu Alfred Lüdke bezügl. der möglichen Fälschung Raffael „Madonna di Gaeta“: NARA, M1946, RG 260, Roll 0118, Restitution Research Records: Alfred Lüdke an Hermann Goering, 20.1.1940 und Lüdke an das Doerner-Institut, München, 16.1.1940 (freundlicher Hinweis von Ilse von zur Mühlen, Bayerische Staatsgemäldesammlungen, München). S. auch Haase 2008, S. 116ff. bezügl. des Zusammenhangs mit Heinrich Hoffmann. 583 Vgl. Stadtmuseum München, Inventarbuch: Adresse hier auch noch im Jahr 1943 vermerkt. 584 BayHStA, MHIG 7055, Kunst- und Altertümerhandel 1917–1936, Bd. 1: Staatsministerium des Äußern für Wirtschaft und Arbeit an den Reichs- und Preußischen Wirtschaftsminister, Berlin, 26.9.1935: Betreff: Kunstversteigerungen „A. In München haben 15 Personen Antrag auf Erteilung der Kunstversteigerer-Erlaubnis gestellt: [...] 8. Lüdke Helmut, München, Pilotystr. 10. Antrag genehmigt. Lüdke versteigert seit Februar 1934“. S. auch Bericht über die Aufnahme der Münchner Versteigerer in den „Bund der deutschen Kunst- und Antiquitätenhändler in München“, 24.8.1935: „[...] Nr. 12 Lüdke Hellmuth, Anmeldung des Versteigerungsgeschäftes 15.2.1934, Anmeldung des Handels mit Kulturgut: 1923 [sic?], Mitglied der Reichskulturkammer: ja“. 585 Adressbuch München 1941, Pilotystr. 10/2: „Alma Lüdke – Helm. Lüdke (Versteigerer und Kunsthändler)“, Adressbuch München 1930, Pilotystr. 10/2: „Alma (Professorsehefrau) und Helmut Lüdke (Kunsthändler)“, Rückgebäude „Helmut Lüdke (Kunsthandlung)“, Adressbuch München 1929, Pilotystr. 10/2: „Alma Lüdke (Kunstmaler- und Professorenehefrau), Helmut Lüdke (Kunsthändler)“, Adressbuch München 1928, Pilotystr. 10/2: „Alfred Lüdke (Kunstmaler) und Helmut Lüdke (Kaufmann)“, Adressbuch München 1924, Pilotystr. 10/2: „Alma (dessen Gattin) und Alfred Lüdke (Kunstmaler)“. 586 BWA München, F43/197, Quittung (freundliche Auskunft von Richard Winkler, Bayerisches Wirtschaftsarchiv, München). 145 unbekannten Meistern, darunter „Georg und Anna Auer“ und „Napoleon“).587 Sebastian Peters erwähnt Lüdke, Berlin, in Zusammenhang mit der Versteigerung von Werken aus Heinrich Hoffmanns Nachlass im Jahr 1961.588 Die Identität mit Lüdke, München, konnte bislang nicht bestätigt werden. Obwohl der Name heute fast unbekannt ist und die Quellenlage bescheiden,589 findet sich Hellmut Lüdke bemerkenswerterweise auf einer als „the most important art dealers in Munich“ betitelten Liste der amerikanischen Alliierten.590

Es ist unklar, zu welchem Zeitpunkt und wie Lüdke an das Gemälde von Kaulbach gelangte.591 Naheliegend wäre der zeitliche Zusammenhang mit der Versteigerung des Hausrates der Familie Scharff im Februar 1942, da Lüdke als Schätzer und Sachverständiger an einer der beiden Auktionen beteiligt war. Die Versteigerungen des Hausrates der Familie Scharff fanden in München am 11.2. und 23.2.1942 statt.592 Bei beiden Terminen wurden jedoch keine Kunstwerke angeboten. Die erste Versteigerung wurde im oberen und unteren Turnsaal der Schwanthalerschule am 11.2.1942 auf Anordnung des Oberfinanzpräsidenten, Landesstelle für Vermögensverwertung München, vom 24.11.1941 durchgeführt.593 Das bedeutet, dass die Anordnung einen Tag vor der Ermordung der Eheleute Scharff erfolgte, also unmittelbar nach deren Deportation. Hierzu passt die oben genannte Mitteilung von Hugo Roquette, der am 27.11.1941 mitteilte, dass das „Judenvermögen“ als staatsfeindliches Vermögen beschlagnahmt worden war. Die zweite Versteigerung fand im unteren Turnsaal der Tumblingerschule am 23.2.1942, ebenfalls auf Anordnung vom 24.11.1941 statt. Die Gegenstände (44 Positionen) waren von

587 Stadtmuseum München: Inventarbuch 1943. Auch das Lenbachhaus kaufte 1943 und 1944 fünf Kunstwerke bei Lüdke und die Stadt München erwarb von ihm zwei Objekte für den sogenannten K-Bestand (Amtsraumschmuck), von dem wiederum eines später in den Bestand des Lenbachhauses übertragen wurde (freundliche Mitteilung von Lisa Kern, Städtische Galerie im Lenbachhaus und Kunstbau, München). 588 Peters 2018, S. 140. 589 StAM: Versteigerungsprotokolle liegen nicht vor. Auch fanden sich in den potentiell einschlägigen Beständen (u. a. Entnazifizierungsakten, Akten zu NS-Gewaltverbrechen, Personen-Dossiers des Polizeipräsidiums München, NSDAP) keine Hinweise auf Hellmut Lüdke (freundliche Auskunft von Robert Bierschneider). Auch im BayHStA liegen weder Unterlagen zu Hellmut Lüdke noch Versteigerungsprotokolle vor. 590 NARA, M1946, RG 260, Roll 0001, Art Dealing 1945–1951, S. 58: Die Galerie Almas findet sich auf dieser alphabetisch sortierten Liste ohne Datum an erster Stelle. 591 StAM, WB I a 4041, Bl. 41ff.: RA Hans Raff an WB, 6.11.1952: Der ehemalige Treuhänder der Famile Scharff, RA Neuland, hatte ihm [Raff] mitgeteilt, dass es keinerlei Veräußerungen oder Versendungen ins Ausland aus dem bei Schenker eingelagerten Gutes durch Scharff gab. 592 StAM, WB I a 4041, Bl. 54. 593 StAM, Oberfinanzdirektion München 7119, B I 402-403: Entziehungsakte Scharff Otto und Nelly: Die Versteigerung fand zur „Verwertung“ der zugunsten des Deutschen Reichs eingezogenen Gegenstände statt. Die Versteigerung wurde durch die NSV bekannt gegeben. Anwesend waren: OZS Meyer, Kornely, Georg Kraus, Gehrer, ZS Schwinn, Demmelbauer, ZAss Hasler, Bering, OStS Söllinger als Kassier, VA Senser zur Quittungserteilung, ZS Eisinger zum Unterschriftsvollzug. Die Gegenstände sind von dem Sachverständigen Johann Bäumler, München geschätzt worden; Schätzwert 368.- RM, Gesamterlös 426.- RM. In der Anlage zur Versteigerungsniederschrift vom 11./12.2.1942 wurden 18 Posten aufgeführt; u. a. Schrankkoffer, Anzüge, Damenkleider. Namen der Meistbietenden: Maier Ludwig, Weizmann, Ternka, Mayr, Weiß Joh., Auer Lina, Maul Lina, Sinnig Maria, Huber Joh., Lederer, Everth [...]. 146 dem zuständigen Versteigerer und Sachverständigen Hellmut Lüdke, Pilotystr. 10, am 18.2.1942 geschätzt worden. Die Anlage zur Versteigerungsniederschrift vom 23.2.1942 zeigt, dass hier u. a. Wäsche, Geschirr, Möbel, Kleiderbügel und Damenfaschingskleider verkauft wurden. Der Schätzwert betrug 1.081.- RM und der Erlös 1.155,20.- RM.594

Das Familienbildnis von Kaulbach gelangte am 16. oder 17.12.1942 von Hellmut Lüdke an Maria Dietrich, die es im Februar 1943 für 10.000.- RM an den „Sonderauftrag Linz“ verkaufte, in dessen Bestand es als „Familienbild, die Gattin des Künstlers mit zwei Töchtern“ eingegangen ist.595 Der Rechtsanwalt Dr. Hans Raff, dem das Gemälde als Bevollmächtigtem der Erbinnen später ausgehändigt werden sollte, erklärte, dass der Streitwert des Bildes mindestens 2.700.- DM betragen müsste, da es die „Fa. Almas Dietrich“ am 17.12.1942 für 2.700.- RM bei einer Versteigerung der „Fa. Luedke“ erworben hatte.596 Diese spezifische Versteigerung bei Lüdke konnte bislang nicht nachgewiesen werden. Belegt werden konnten jedoch die Versteigerung, bei der das Stadtmuseum München am 24.5.1943 teilnahm, und eine, für die sich Lüdkes Versteigerungsabrechnung vom 27.4.1944 für die Dienststelle für „Vermögensverwertung Arbeitsgebiet V in Sachen Drey, Israel 582“ erhalten hat. Hier wurden beschlagnahmte Kunstwerke und Einrichtungsgegenstände des 1936 nach London emigrierten Franz Drey (Kunsthandlung A. S. Drey) verkauft.597 Meike Hopp konnte darüber hinaus weitere Versteigerungen identifizieren, in die Lüdke involviert war598: . Martin Mühldorfer [Mühlberger], „Abwickler“ der Kunsthandlung Isidor Weinschel; Mühlberger hatte einige der weniger wertvollen Gegenstände durch die Versteigerungsfirma Hellmut Lüdke veräußern lassen.599 . Beteiligung an der „Abwicklung“ Hugo Helbing: Max Heiß an das Amtsgericht München, Februar 1942: „Infolge der Transportschwierigkeiten und der durch die Ausbürgerung der Juden bedingten Häufung von Auktionsangeboten konnte der Nachlass Hugo Helbing

594 Ebenda: Der Oberfinanzpräsident München, Dienststelle für Vermögensverwertung, 23.2.1942: Anwesend waren ZJ Kraus, ZS Schiele, VA Hahn, ZAss Hasler, ZBAss Bering, ZS Schwinn, OSts Sölinger als Kassier, VA Senser zur Quittungserteilung, ZS Demmelbauer zum Unterschritvollzug. Käufer: u. a. Belstler, Späth Franz, OFP, Knoch Thea, M. Bauer, Schiele, Rosa Beutler, Kallus, Bockmaier, Dietenberger. 595 BArch Koblenz, B323/99: AL-DI 0532; ein Gemälde von Kaulbach. Schwarz 2004, XXVI/21. 596 StAM, WB I a 4040, Bl. 90: Niederschrift der WB I OB, München 7.2.1951. StAM, Versteigerungsliste in Steuerakten (OFD-Akten) zu Otto und Nelly Scharff, hier auch: Information, dass 17 Gemälde und eine Zeichnung durch die Reichskulturkammer abgeholt wurden und Reichsfluchtsteuerbescheid von 1941. Die Steuerakten sind erst seit 2008 im Archiv zugänglich. 597 NARA, M1946, RG 260, Roll 0048: Restitution Claim Records, Jewish Claims, 0086–0092: Auflistung u. a. von Bronzen, Familienporträts, Ölbilder von Schalken „Mädchen mit Rose“, Stone „Herr mit Zigarre“, Mareelse „Dame mit Halskrause“, Ruysdal-Schule „Winterlandschaft“, unbekannter Künstler „Mann mit rotem Tuch“, Pastell „Brustbild einer Frau“. Hauptauktion bei Paul Graupe, Berlin, 17./18.6.1936. 598 Der Name Lüdke taucht zudem in den Findmitteln zu den Wiedergutmachungsakten im StAM hinsichtlich diverser Rückerstattungsverfahren auf, die hier nicht einzeln geprüft werden konnten. 599 Hopp 2012, S. 94f. 147

noch nicht restlos verwertet werden. Ende dieses Monats findet die letzte Versteigerung in Sachen Helbing beim Versteigerer Hellmut Lüdke statt und erhalten Sie nach Eingang der Abrechnung endgültigen Bescheid.“600 . Versteigerung Arthur Borges durch Hellmut Lüdke im Juni 1944601 . Versteigerung Siegfried Jordan (Kunsthändler): Kunsthandlung durch Siegfried Niemitz übernommen und liquidiert.602 . Versteigerung Henri (Heinrich) Heilbronner: Großteil minderwertige Antiquitäten und Hausrat im Auftrag von Adolf Weinmüller bei Hugo Ruef und Hellmut Lüdke versteigert.603 Hopp beobachtete, dass Lüdke neben geschlossenen Konvoluten auch sogenanntes „minderwertigeres“ Kulturgut übernahm. Lüdke erhielt durch Adolf Weinmüller regelmäßig Aufträge zur Versteigerung von „Restbeständen“ (z. B. Sammlung Henri Heilbronner). Im April 1958 schätzte Hellmut Lüdke den Nachlass von Adolf Weinmüller.604

In unserem Zusammenhang ist besonders relevant, aber bisher ungeklärt: Hat Maria Dietrich bei den Versteigerungen von Lüdke weitere Kunstwerke gekauft? Wenigstens eine weitere Transaktion wickelten Lüdke und die Galerie Almas gemeinsam ab. Ein nicht näher bezeichnetes Gemälde erwarb Dietrich am 4.3.1941 für 1.220.- RM bei „Lüdke Haunschild, München“. Ludwig Haunschild gehörte ebenfalls zu den Beteiligten bei der Verwertung von beschlagnahmtem Besitz (s. oben).605 Im April 1941 verkaufte sie eben jenes Gemälde an den „Sonderauftrag Linz“.606

Es kann davon ausgegangen werden, dass Maria Dietrich wusste, aus welchem Zusammenhang, wenn nicht sogar aus welcher Familie das Familienporträt Kaulbachs stammte. Vor dem dramatischen Hintergrund der gescheiterten Emigration des Ehepaares Scharff wirkt die fast vierfache Preissteigerung bei dem Verkauf an Linz besonders anstößig.

600 Zit. n. Hopp 2012, S. 96f. Hopp bezieht sich auf: StAM, AG München, 1938/3928, 5.2.1942. 601 Hopp 2012, S. 127. Hopp bezieht sich auf: StAM, OFD 7953, Borges, Arthur. 602 Ebenda, S. 132. Hopp bezieht sich auf: StAM, WB I a 708, Jordan, Peter nach Siegfried Jordan. 603 Ebenda, S. 178–181. Hopp bezieht sich auf: StAM, WB I a 6138, Heilbronner, Henri; Antrag auf Rückerstattung, 21.12.1948. 604 Hopp 2012, S. 134, S. 308, Fußn. 1171. 605 Hopp 2012, S. 175, Fußn. 642: „Aus dem Spruchkammerverfahren zu Ludwig Schrettenbrunner geht hervor, dass dieser neben den Auktionatoren Ludwig Haunschild und Hellmut Lüdke regelmäßig für die Versteigerung von Mobiliar und Hausrat aus beschlagnahmtem jüdischem [sic] Besitz herangezogen wurde. Bei Versteigerungen aus ‚Judenbesitz‘ musste die Erlaubnis verschiedener Stellen eingeholt werden, auch des Beauftragten des Gauleiters. Diese Dienststellen haben alle ansässigen Versteigerer im Turnus zur Veräußerung herangezogen.“ 606 BArch Koblenz, B323/98: Nr. 205; AL-DI 063, Linz-Nr. nicht bekannt. 148

In einer ihrer Befragungen sagte Maria Dietrich (bewusst verschleiernd?) aus, dass sie das Gemälde von „Mrs. Kaulbach“ erworben hätte.607

Im Zuge des Rückerstattungsverfahrens der Familie Scharff wurde noch einmal festgehalten, dass das Familienbildnis von Kaulbach zur Ausfuhr genehmigt werden sollte und mit dem übrigen Auswanderungsgut bei der Transportfirma Schenker & Co. in München in einer Möbelkabine eingelagert war: „Das Bild stand im Eigentum der Eheleute Scharff. Es wurde ihnen im Wege der Entziehung genommen und nicht als Auswanderungsgut freigegeben, da es hohen künstlerischen Wert hatte. Wie nunmehr festgestellt wurde, ist das Bild in die dem Deutschen Reich gehörige Bildergalerie Linz gekommen. Von dort wurde es nach dem Zusammenbruck [sic] des 3. Reiches von der US-Besatzungsmacht in den Collecting Point München verbracht, wo es heute noch ist. Der Rückerstattungsantrag richtet sich somit gegen das Deutsche Reich, vertreten durch den Finanzminister des Landes Bayern. Beantragt wird die Abtretung des Herausgabeanspruchs gegen den Collecting Point.“608 Es dauerte einige Zeit, bis das Gemälde gefunden wurde. Dieser Umstand wurde wahrscheinlich u. a. durch die abweichende Betitelung des Bildes verursacht.609 Der Anspruch der Töchter von Otto und Nelly Scharff auf Rückerstattung wurde am 7.2.1951 vom Land Bayern anerkannt.

Michael H. Goldhaber, Berkeley, ein Enkel von Otto und Nelly Scharff, erinnert sich, dass seine Eltern im Herbst des Jahres 1952 nach München gefahren sind, um den Transport der restituierten Werke zu Gertrude in die USA und zu Liselotte nach Brasilien zu organisieren.610 Sein Bruder Alfred Scharff Goldhaber, Stony Brook/New York, berichtete

607 BArch Koblenz, B323/331, Bl. 89: Aussage Almas am 9.3.1949. 608 StAM, WB I a 4040, Bl. 88: RA Dr. Hans Raff an die Wiedergutmachungsbehörde München, 31.10.1950. Bl. 2: Gemälde und Kunstsammlungen, Kaulbach: Bildnis der Frau Nelly Scharff mit ihren zwei Töchtern. 609 StAM, WB I a 4040, Bl. 17: Niederschrift der WB I OB, München, 7.2.1951: Die Rückgabe gestaltete sich nicht reibungslos: Tilli Tovote (Bevollmächtigte der Erbinnen, ehem. Sekretärin der Fa. Scharff) an die WB Oberbayern, 12.5.1950: Bild noch nicht aufgefunden. Bl. 26: In einer Niederschrift der WB, 16.10.1952 findet sich der Hinweis, dass das Familienporträt bereits zurückerstattet wurde. Bl. 89: Eberhard Hanfstaengl an die WB Oberbayern, 10.11.1950: „Das [...] Gemälde von Kaulbach befindet sich derzeitig unter dem, dem Bayerischen Ministerpräsidenten in Treuhänderschaft übertragenem Kunstgut“. Bl. 85: Dieser Annahme widersprach RA Dr. Hans Raff, 10.12.1954 gegenüber dem Landgericht München I: „Das große Kaulbach-Ölbild [...] ist nicht aufgefunden worden. Der vor der Wiedergutmachungsbehörde erste abgeschlossene Vergleich vom 7.2.51, worin gesagt ist, daß dieses Bild in Natura zurückgegeben worden ist, ist nach Ansicht der Antragstellerin falsch. Das fehlende Bild stellt Frau Nelly Scharff mit ihren beiden Töchtern im Alter von 5–7 Jahren dar und dürfte etwa ein Ausmaß von 1,30 m auf 1,80 haben. Frau Scharff sitzt in der Mitte und hat ein Kind auf jeder Seite.“ Bl. 95: Der Antrag wurde von Raff am 25.2.1955 zurückgezogen. 610 Freundliche Auskunft von Michael H. Goldhaber, Berkeley, der ein Foto des Gemäldes in seiner ursprünglichen Rahmung zur Verfügung stellte. 149 der Verfasserin zudem, dass die Familie immer noch nach dem Porträt eines jungen Mädchens von Auguste Renoir suchen würde (Lost Art-Suchmeldung 409915).611 Außerdem soll der Gauleiter von München-Oberbayern, Adolf Wagner, die Skizze eines Familienporträts von Kaulbach aus dem Besitz der Familie Scharff übernommen haben.612 Alfred Scharff Goldhaber bezweifelt, dass die Zeichnung den Weg zurück in die Familie gefunden hat. Das hier thematisierte gemalte Familienporträt von Kaulbach befand sich im November 2017 als Leihgabe der Familie Scharff-Goldhaber zur Dokumentation beim Leo Baeck Institute in New York und wird inzwischen wieder bei Michael H. Goldhaber in Berkeley verwahrt.613

611 Die in der Lost Art-Datenbank veröffentlichten Maße stimmen nicht mit denen des Restitution Claim überein. NARA, M1946, RG 260, Roll 0046, Restitution Claim Records, o. Bl.: Gertrude Scharff Goldhaber, 28.6.1949: Zudem fehlt die Beschreibung von Gertrude Scharff Goldhaber in Lost Art: „As far as the Renoir is concerned I can only say that the painting represented the head of a woman with a red handkerchief – a young woman with the white skin characteristic of Renoir, with soft pink cheeks, an animating smile, light brown hair and a rather full and accordingly unveiled bosom. The painting was approximately 85 x 65 cm large, excluding the gold frame.“ Die Nachfahren wurden auf diese Beschreibung und die abweichenden Maße aufmerksam gemacht. 612 Ebenda, Bl. 10: Tilli Tovote an den CCP, 24.2.1949: Aufstellung der Gemälde und Kunstsammlungen aus dem Besitze Otto und Nelly Scharff. 613 Leo Baeck Institute, The Edythe Griffinger Art Catalog (https://www.lbi.org/artcatalog/record/5629147 – zuletzt besucht am 8.4.2019). Freundliche Auskunft von Michael H. Goldhaber: Da die Leinwand durch einen Rückseitenschutz verdeckt ist, konnte die Rückseite des Bildes in diesem Zusammenhang nicht gesichtet werden. 150

2.5.2 Berlin

Auktionshaus Paul Graupe / Hans W. Lange Ab 1917 bis zu seiner Emigration im Jahr 1937 war Paul Graupe (1881–1953) als Antiquar und Auktionator in Berlin tätig und ab 1933 an der Verwertung von jüdischem Besitz beteiligt.614 1936 nahm Maria Dietrich an mindestens zwei Auktionen von Graupe teil und erwarb am 18.6.1936 Ferdinand Kobells „Italienische Landschaft“ (Los 14, Einlieferer: Richard von Kühlmann) für 600.- RM615 und am 20./21.10.1936 Carl Spitzwegs „Kleine Landschaftsstudie“ (Los 84, Einlieferer: „Br., Berlin“) für 280.- RM.616

Hans W. Lange (1904–1945) brach seine Ausbildung in einem Schweriner Antiquitätengeschäft ab und absolvierte eine Banklehre, die er 1925 abschloss. Bald darauf wurde er als Mitarbeiter bei Paul Graupe angestellt, dessen Nachfolge er 1937 durch eine abgesprochene „Arisierung“ antrat. Lange erhielt seine Versteigerungserlaubnis am 8.7.1937 und am 11.8.1937 ging das Geschäft von Graupe an Lange über.617 Mitarbeiter im Auktionshaus Hans W. Lange waren u. a. Walther Bernt (1900–1980),618 zuständig für die Katalogisierung alter Gemälde, und seit 1937 Hertha Schoene (1900–?), die zuvor Geschäftsführerin bei Arthur Goldschmidt gewesen war. Nach der Übernahme veranstaltete Lange zwischen 1937 und 1943 35 Versteigerungen, wovon zwei auch gemeinsam mit dem Dorotheum in Wien stattfanden, da das Berliner Stammhaus im November 1943 nach einer Bombardierung ausgebrannt war. Lange starb am 17.5.1945 an den Folgen eines Bombenangriffs. Lange profitierte besonders von jüdischen Sammlern, die vor ihrer Emigration Kunstgegenstände verkaufen mussten, und von der Zusammenarbeit mit den Berliner Finanzbehörden, die beschlagnahmte Kunstwerke bei Lange einlieferten.619 Stellvertretend sei hier ein Bild von Ludwig Adam Kunz, „Großes Stillleben mit Pfau, Reiher, Hummer und Früchten“ (Linz-Nr. 1951, Los 37)620, genannt, das laut Besitzerverzeichnis neben weiteren

614 Patrick Golenia/Isabelle le Masne de Chermont/Kristina Kratz-Kessemeier: Paul Graupe (1881–1953). Ein Berliner Kunsthändler zwischen Republik, Nationalsozialismus und Exil, Köln/Weimar/Wien 2016. 615 Lost Art: Datenbank Kunst- und Kulturgutauktionen 1933–1945. 616 Ebenda. 617 Caroline Flick: Geschick im System. Der Kunsthändler Hans W. Lange, Berlin 2011a, S. 2 (http://carolineflick.de/aufsaetze/geschick/ – zuletzt besucht am 12.4.2019). 618 Harvard University, Cambridge, Fine Arts Library, Walther and Ellen Bernt Collection: u. a. annotierte Auktionskataloge. 619 Hoffmann/Kuhn 2016, S. 200. Strzoda 2017, S. 159. Anja Heuß: Die Reichskulturkammer und die Steuerung des Kunsthandels im Dritten Reich, S. 49–61. In: Sediment. Mitteilungen zur Geschichte des Kunsthandels, Heft 3, Bonn 1998b, hier S. 52: „Diese Zusammenarbeit zwischen diesem Auktionshaus und den Finanzbehörden wurde auch in einem Erlaß des Reichsfinanzministeriums am 15.11.40 festgelegt.“ 620 BArch Koblenz, B323/50, Bl. 150: Restitution an die Jewish Restitution Successor Organisation, 7.7.1949. B323/99: Nr. 0207. B323/102, fo. 886f. B323/331, Bl. 80: Aussage Almas 5.5.1949: von Combé, Berlin. 151

Nummern (Lose 30, 32, 44) durch das Finanzamt Moabit in die Auktion vom 19.5.1941 eingeliefert worden war und dort von der Galerie Almas erworben wurde. Laut Caroline Flick stammte ein Viertel von Langes Umsatz aus Zwangsverkäufen.621 Es kam außerdem zu Erwerbungen und Auktionen von Kunstwerken aus besetzten Gebieten, vor allem aus Paris und Amsterdam. Lange pflegte engen Kontakt zu Karl Haberstock, Bruno Lohse (1911–2007), Maria Dietrich und anderen Schlüsselfiguren des nationalsozialistischen Kunstmarktes. Als größter Abnehmer fungierte der „Sonderauftrag Linz“, an den Lange insgesamt 124 Gemälde veräußerte: 26 Bilder verkaufte er freihändig an Hermann Voss, 54 Stücke erwarb der Linz-Stab und mindestens 44 Werke gelangten mittels Maria Dietrich in den Bestand.622 Insgesamt war die Galerie Almas bei 16 Auktionen als Käuferin vertreten und hierbei in den Erwerb von mindestens 121 Positionen involviert.623 Besonders aktiv trat sie in den Jahren 1942 und 1943 auf, als sie überwiegend im Auftrag des „Sonderauftrag Linz“ an den Auktionen teilnahm. Manchmal kaufte sie auch Gegenstände bei Lange und verkaufte diese erst später weiter an den „Sonderauftrag“. Ihre „Mischanwesenheit“ lässt sich beispielsweise für die Auktion am 12.5.1942 belegen, bei der sie teilweise im Auftrag kaufte, teilweise frei, um dann später einiges an den „Sonderauftrag“ abzugeben. Caroline Flick stellte fest, dass Dietrich als freie Kunsthändlerin mit moderatem Einsatz einkaufte und im Auftrag für Linz häufig die Preise hochtrieb. Beispielsweise verdreifachte sie den Wert von Carl Blechens „Landstraße im Winter bei Mondschein“ (Linz-Nr. 2342), das einen Schätzpreis von 20.000.- RM aufwies und einen Erlös von 64.000.- RM brachte.624 An einem einzigen Auktionswochenende bei Lange ersteigerte Maria Dietrich am 16./17.4.1943 51 Positionen. Darunter waren 28 Gemälde, u. a. Arnold Böcklins „Hochzeitsreise“ (Los 118) für 270.000.- RM, das sie im direkten Auftrag für Linz erwarb.625 Bis zu diesem Zeitpunkt handelte es sich um das teuerste je bei Lange versteigerte Werk und

621 Caroline Flick: Hans W. Lange, S. 59–66. In: Ausst.-Kat. Gute Geschäfte 2011 (2011b), hier S. 61. 622 Flick 2011a, S. 20f. Strzoda 2017, S. 159. 623 Diese Zahl resultiert aus der Auswertung von Caroline Flicks Übersicht (Stand Oktober 2017) und weiteren annotierten Katalogen aus der Bernt Collection, Harvard. Vermutlich gab es signifikant mehr Erwerbungen. Beispielsweise sind die Erwerbungen aus der Dosquet-Versteigerung (19.–21.5.1941) hier nicht inbegriffen. 624 Caroline Flick: Hans W. Lange – „übertraf ... alle Erwartungen“, S. 56–93. In: Meiners 2018 (2018b), hier S. 77ff.: weitere Beispiele für Vervielfachung der Taxen. 625 BArch Koblenz, B323/109, Schriftwechsel mit dem Architekten Hans Reger, Führerbau München, betreffs Einlagerung und Transport der erworbenen Kunstwerke 1939–1945, Bl. 37 fo. 510f.: Hans Reger an die Staatliche Gemälde-Galerie Dresden; Bericht mit Liste, 24.4.1943. Landesmuseum Oldenburg: annotierter Katalog der Auktion (freundlicher Hinweis von Caroline Flick). Aus dem Auktionskatalog gehen nur die Städte hervor, aus der die Einlieferer stammten. Flick 2018b, S. 86: „[...] die Reichskanzlei kaufte für über 1,1 Millionen RM nicht nur für den ‚Sonderauftrag‘ ein und bestritt damit allein nahezu ein Drittel des gesamten Auktionserlöses vom April 1943 [...].“ 152 um den „Spitzenpreis seiner kurzen Karriere“.626 Den Erfolg gewissermaßen vorausnehmend, druckte die Weltkunst im Vorfeld der Auktionen je eine Werbeanzeige der Galerie Almas und eine Anzeige von Hans W. Lange mit einer Abbildung der „Hochzeitsreise“ auf einer Seite.627 Eine interessante, aber noch unbeantwortete Frage ist, wer so hoch mitbieten konnte und somit für den zugeschlagenen Preis mitverantwortlich war. Für ein weiteres Werk in dieser Auktion fand Caroline Flick die Antwort: Jacob Philipp Hackerts „Blick auf San Piero di Careggio“ ging für 120.000.- RM an die Galerie Almas, nachdem Otto Holtze, ab 1934 Direktor des städtischen Museums in Stettin, bis 115.000.- RM mitgeboten hatte. Flick konnte zudem weitere städtische hochtreibende Bieter dieser Auktion eruieren.628 Bei einer von Lange verstanstalteten Auktion am 5./6.10.1943 in Wien waren es immerhin 19 Gemälde, die Dietrich im unmittelbaren Auftrag des Beauftragten für den „Sonderauftrag Linz“ erstand.629 Obwohl sie am 5.10.1943 selbst anwesend war, ersteigerte auch Walther Bernt vier Werke für sie (Lose 27, 150, 242, 247).

Mehrmals kam es bei Lange zu eigenartigen Konkurrenzsituationen der NS-Beauftragten, etwa als der Kunsthändler Ludwig Gutbier im Auftrag von Heinrich Michaelis für die Ausstattung des Schlosses Posen ein Werk von Hans Thoma ersteigern sollte, doch Maria Dietrich den Zuschlag für Linz erhielt. Flick konstatiert dieses Verhalten als unkoordiniertes und ungehemmtes Antreten gegeneinander.630 In der bereits erwähnten Auktion vom 16./17.4.1943 steigerte neben Maria Dietrich für Linz auch Hermann Voss für Linz.631 Voss kaufte neun Werke alter Meister, jedoch im Gegensatz zu Dietrich, zu moderaten Preisen. Anscheinend hatte man sich die Moderne (Dietrich) und die alten Meister (Voss) aufgeteilt. Mimi Dietrich schrieb am 9.6.1943 an Voss, mit dem Ziel, unglückliche Situationen und unnötige Preissteigerungen künftig zu vermeiden. Eventuell reflektierte sie hiermit auf die April-Auktion bei Lange, sprach aber zunächst eine Auktion bei Lempertz in Köln an: „Da ich einige Tage krank war, konnte ich gegen meine sonstige Gewohnheit nicht selbst in Köln

626 Flick 2011a, S. 21 und Flick 2018b, S. 84. Angelika Enderlein: Der Berliner Kunsthandel in der Weimarer Republik und im NS-Staat: Zum Schicksal der Sammlung Graetz, Berlin 2006, S. 147: „Die Rekordsumme von 270.000 RM wurde für Böcklins ‚Hochzeitsreise‘ gezahlt – ein Betrag, der seit Jahrzehnten nicht mehr auf dem Berliner Kunstmarkt erreicht worden war.“ 627 Weltkunst, Jg. 17, H. 11/12, 14.3.1943, S. 2. 628 Flick 2018b, S. 85f. 629 BArch Koblenz, B323/132, Bl. XVIa 27. Enderlein 2006, S. 147. 630 Flick 2018b, S. 83. 631 BArch Koblenz, B323/132, Bl. 51a fo. 167: Gottfried Reimer an Maria Dietrich, 21.4.1943: „Da Herr Profesor Voss sich nicht im einzelnen aller Ihrer bei der letzten Lange-Auktion in Berlin für die Zwecke des Führers getätigten Einkäufe erinnern kann, wäre ich Ihnen ausserordentlich zu Dank verbunden, wenn Sie mir bitte eine Liste aller Ihrer Ankäufe bei dieser Auktion freundlichst übersenden würden, da wir diese Unterlagen für die weitere wissenschaftliche Bearbeitung der neu eingegangenen Bestände benötigen.“ Bl. 50a fo. 165 und Bl. 51a fo. 170: Dietrich an Reimer, 27.4.1943: Aufstellung zu den ersteigerten Gemälden aus der Lange-Auktion 16./17.4.1943. 153 sein. Wie ich aber von einer Seite hörte, haben Herr Professor trotzdem die gewünschten Bilder bekommen (van den Tempel etc.) [Lempertz, Linz-Nr. 2960?] und freue ich mich darüber sehr. Mit meinem heutigen Brief, möchte ich Sie, sehr geehrter Herr Professor, bitten, dass wir uns doch, vielleicht einmal am besten mündlich darüber aussprechen, wie wir es in Zukunft auf Auktionen halten wollen, damit nicht irgend welche Missverständnisse und evtll. Preiserhöhungen durch gegenseitiges Steigern entstehen. Ich befinde mich natürlich auf jeder Auktion und freue mich sehr, wenn ich auch Ihre Aufträge und Wünsche erfüllen kann. Es war leider die Ankunft Ihres Telegramms am Auktionstage etwas zu spät und hoffe ich aber, dass ich in Zukunft alles zu Ihrer Zufriedenheit ausführen kann.“632

Caroline Flick erklärt die Erzielung moderater Preise durch Voss innerhalb der gleichen Auktion im April 1943 so, dass man ihn mehr respektierte und daher darauf verzichtete ihn vorzuführen wie Maria Dietrich.633 Kommissionäre (ein Kommissionär kauft im eigenen Namen, aber auf fremde Rechnung) dürften aber gelegentlich durch ihr Verhalten bei Auktionen profitiert haben, wenn man gegenseitig die Preise hochtrieb, weil die entstehende Provision bei einem Zuschlag dann höher ausfiel, wobei 5 % des Zuschlagpreises als Provision üblich waren.634 Hat man Dietrich, wie Caroline Flick vermutet, tatsächlich vor sich hergetrieben oder steckte hinter ihrem Verhalten auch eine Strategie Hitlers, um seine Macht durch ihr Verhalten (Bieten ohne Limit) und das allgemeine Wissen um ihren Auftraggeber zu demonstrieren? Albert Speer bezeichnete es sogar als ein strategisches Prinzip Hitlers, konkurrierende Auftragnehmer gegeneinander antreten zu lassen.635 Jedenfalls trug Dietrich maßgeblich zu den deutlich feststellbaren Preissteigerungen zu Beginn der 1940er Jahre bei.636 Laut Flick begann die „Hochpreisphase“ im Herbst 1940, als Vorzeichen der „Höchstpreisphase“ ab Mai 1942. Flick zitiert zu dieser Phase den Hannoveraner Kunsthändler Emil Backhaus (1873–1955), der anlässlich einer zweitägigen

632 BArch Koblenz, B323/132, Bl. 31 fo. 151: Mimi Dietrich an Hermann Voss, 9.6.1943. 633 Flick 2018b, S. 85. Anm. d. Verf.: Bei der Diskussion darum, ob Maria Dietrich „vorgeführt“ wurde, bleibt zu bedenken, dass ihre Provisionen wohl grundsätzlich analog zu den erzielten Preisen stiegen. 634 TU Berlin, Forum Kunst und Markt, Vortrag Caroline Flick: „Hochpreisphase“ Das Berliner Auktionshaus Hans W. Lange 1940–1943, 12.2.2018. 635 Vgl. Albert Speer: Erinnerungen, Berlin 1969, S. 194, zit. n. Beetz 2004, S. 84: „Hitlers Bilderkäufe hörten auf, nachdem er [...] Posse, zu seinem Bevollmächtigten [...] bestimmt hatte. Bis dahin hatte Hitler selbst aus den Versteigerungskatalogen die Objekte ausgewählt. Dabei war er aber gelegentlich seinem Prinzip, für eine Aufgabe jeweils zwei oder drei konkurrierende Partner zu bestimmen, zum Oper gefallen. Denn er hatte mitunter getrennt sowohl dem Fotografen Hoffmann wie einem seiner Kunsthändler den Auftrag erteilt, ohne ein Limit zu bieten.“ Flick 2018b, S. 80: „Die Reichskanzlei [...] will für den Sammlungsaufbau mit einem geradezu weltweiten Repräsentationsanspruch Qualität abschöpfen, die deutsche Kulturleistung zur Schau stellen und dafür Epochen und Schulen präsentieren. Ihre Agenten kaufen dank offensichtlich ungedeckelter Aufträge unterschieds- wie bedenkenlos.“ 636 Hopp 2012, S. 220: zu Preissteigerungen, an denen nationalsozialistische Machthaber maßgeblich beteiligt waren. Enderlein 2006, S. 133–137: Enderlein konstatiert das Jahr 1941 als Höhepunkt der Preisbildung bei Versteigerungen. 154

Auktion im Mai 1942 berichtete: „Museen und Ministerien, die durch die bekannte Münchner Händlerin Almas kaufen liessen, überboten sich ins Uferlose.“637

Es gibt mehrere Hinweise darauf, dass das herausfordernde Auftreten von Maria Dietrich als Bedrohung oder sogar Schädigung des Kunstmarktes angesehen wurde: „In the certainty that she could sell to the Fuhrer and Party officials, she paid fantastically high prices, and thus helped ruin the market for all but the most affluent.“638 Die Aussage, dass sie den deutschen Kunstmarkt schädigte, tauchte sogar schon Mitte der 1930er Jahre auf: „Ich habe in München vorsichtig in der Kunsthandlung Böhler, deren Mitinhaber Dr. Baumann, Vorsitzender der Kunsthandelskammer, ist, gefragt, in welchem Rufe diese Firma stehe und zur Antwort bekommen, dies ist eine Dame von etwas unbestimmter Herkunft, die den geordneten Handel schädigt [...].“639

Diverse Beispiele können belegen, dass die Galerie Almas auch bei Hans W. Lange (wissentlich oder unwissentlich) Objekte aus NS-verfolgungsbedingten Verlustzusammenhängen erwarb: Etwa eine flämische Statuette aus Buchsbaumholz, „Maria mit Kind auf Weltkugel“, aus der Sammlung von Emma Budge, Hamburg, wurde in der Auktion 4.–6.10.1937 von der Galerie Almas für 1.350.- RM (Schätzpreis 3.000.- RM) ersteigert. Sie verblieb dann wohl bis 1951 in Dietrichs Besitz, bis das Bayerische Nationalmuseum (Inv.-Nr. 51/105) sie für 950.- DM von der Galerie Almas ankaufte. Die Suchmeldung in der Lost Art-Datenbank (Lost Art-ID 427698) beinhaltet eine Abbildung, aber keinen Hinweis auf den Standort der Skulptur.640

Von dem Meister der Verherrlichung Mariä wurde das kleine Gemälde „Madonna mit Kind“ (Mü-Nr. 6133, RM-Nr. 1160, Yeide A1173) bei Paul Graupe am 17./18.6.1936 (Los 33) aus dem Bestand des Kunsthauses A. S. Drey (Lost Art-ID 406276), wie auch ca. 500 weitere Kunstgegenstände aus dem Drey’schen Räumungsverkauf, versteigert. Als das Bild am 5./6.4.1940 (Los 42, Einlieferer: „G., Berlin“641) erneut bei Lange aufgerufen wurde, kaufte es

637 Zit. n. Flick 2018b, S. 76. S. auch Fußn. 61: Briefwechsel Emil Backhaus mit Ferdinand Stuttmann, 17.5. und 11.6.1942. Flick bezieht sich auf: Niedersächsisches Landesarchiv (Standort Hannover), 132 Acc. 2006-013, Nr. 57, Bl. 295, 298f. Aus der Korrespondenz geht nicht hervor, um welche Museen es sich handelte. 638 NARA, M1944, RG 239, Roll 0045, Card File on Art-Looting Suspects: Dietrich, Frau Maria. DIR Heinrich Hoffmann, S. 5: „There are cases on record when pictures reached fantastic prices because she was bidding against some of the other Linz representatives.“ 639 Archiv der Kunsthalle Bremen, Gutachten, 1934–35: Emil Waldmann an Kommerzienrat Allmers (Reichsverband der Automobilindustrie), Berlin, 17.8.1935. 640 LAB, A Rep. 243-04, Nr. 28, Versteigerungsniederschrift, 20.10.1937. Ebenfalls in dieser Auktion aus dem Besitz Budge von der Galerie Almas erworben: Los 485 Pluviale, um 1750 (Lost Art-ID 428615), Los 452 Tappisserie, 1675/1700 (Lost Art-ID 428783). 641 Weitere Angabe: „aus Sammlung Graf v. Senkenberg, Hofmarschall des Kurfürsten von Hessen, dann A. S. Drei [sic], München. Versteigert 1936“. 155 die Galerie Almas. Erst knapp zwei Jahre später, am 5.1.1942, gelangte es aus der Galerie Almas über Bruno Lohse in die Kunstsammlung von Hermann Göring (s. Kap. 3.2.2 Verbindung zu Hermann Göring). Durch den CCP wurde das Bild irrtümlich nach Jugoslawien restituiert, es befindet sich daher heute im Nationalmuseum in Belgrad.

Joos van Cleves „Bildnis eines Arztes mit Mütze und schwarzem Talar“ (Linz-Nr. 1681) stammte aus der Sammlung des Ungarn Marczell von Nemes (1866–1930).642 Die Abwicklung seines Nachlasses fiel in die Jahre des Nationalsozialismus. Es ist bislang nicht geklärt, ob die jüdischen Verwandten von Nemes den ihnen zustehenden Erbteil erhalten haben. Um die offenbar vorliegenden Schulden nach dem Ableben von Nemes zu begleichen, wurden u. a. sein Schloss in Tutzing mit den dort verbliebenen Kunstwerken an den Industriellen Albert Hackelsberger (1893–1940) verkauft. Hackelsberger war Katholik und Zentrumspolitiker. Seine politischen Tätigkeiten führten dazu, dass er im September 1938 von der Gestapo verhaftet wurde und 1940 in der Haft umkam. Seine Ehefrau Helene Hackelsberger (geb. van Eyck) geriet durch seine Internierung und sein Ableben in finanzielle Schwierigkeiten und musste daher das Schloss und die Sammlung verkaufen. Das Bild von Joos van Cleve wurde in der Lange-Auktion am 18./19.10.1940 (Los 6) versteigert. Käuferin war die Kunsthändlerin Karoline Anny Lang, München (4.500.- RM). Über sie oder eine weitere Person (eventuell Lotte Hoffmann643) gelangte das Werk an Maria Dietrich, die das Bild im Mai 1941 für 9.000.- RM an Linz lieferte. Ein weiteres Werk aus der Sammlung Hackelsberger – ein Mädchenporträt von Emma von Müller – wurde in der besagten Auktion im Oktober 1940 direkt an die Galerie Almas verkauft (Los 39, 700.- RM). Im Juni 1942 inserierte die Galerie das Gemälde dann in einer Ausgabe der Zeitschrift „Münchener Mosaik“ (Abb. 14), bevor sie es im Juli 1942 für den etwa siebenfachen Wert (5.000.- RM) in die Linzer Sammlung einlieferte. Zu überprüfen wäre, ob auch dieses Werk sich ursprünglich in der Sammlung Nemes befand oder zur eigenständigen Sammlung Hackelsberger gehörte. Es ist unklar, ob Helene Hackelsberger den Erlös der Auktion ausgezahlt bekam. Möglicherweise wurde der Gewinn auf ein Sperrkonto eingezahlt. Demzufolge wäre die katholische Familie Hackelsberger als Opfer des Nationalsozialismus zu bewerten. Nach dem Prioritätsprinzip müsste dennoch zunächst geklärt werden, ob die Erben von Nemes ausgezahlt worden sind.

642 Von zur Mühlen 2018, S. 95–117, hier S. 115: Abbildung des Werkes im Wohnzusammenhang im Schloss Tutzing. 643 Vgl. Datenbank CCP. 156

Als die Sammlung Dosquet zwischen dem 19. und 21.5.1941 bei Lange versteigert wurde, war die Galerie Almas vertreten. 1955 schrieb Marie-Therese Thiedig, eine Angehörige der Familie Dosquet: „Das Kunsthaus Almas, Inhaberin Frau Diamant, die ständig Einkäufe von Kunstwerten für Hitler und die SS vorgenommen habe, habe bei Lange Gegenstände aus der Dosquetsammlung gekauft, unter anderem als wertvollstes Stück den Klappsekretär Katalognummer 85 (David Roentgen).“ In ihrer Anspruchsmeldung vom 22.11.1948 hatte die Antragstellerin zudem die Vermutung ausgesprochen, dass der Rokoko-Klappsekretär (Lost Art-ID 571661) in das Roentgenmuseum in Neuwied, vielleicht auch in den Collecting Point gelangt sein könnte.644 Interessant ist hierbei, dass Thiedig Maria Dietrich noch Frau Diamant nennt und einen (bislang nicht belegbaren) Bezug zur SS herstellt. Wohin der Sekretär tatsächlich gelangt ist und welche Gegenstände die Galerie Almas noch erworben haben soll, ließ sich bisher nicht feststellen.

Daniel Chodowieckis Gemälde „Die Milchfrau“ (Linz-Nr. 2801) gehörte Martin Tietz (1895– 1965) aus Berlin, der 1939 mit seiner Familie emigrierte. Das Umzugsgut des Warenhausunternehmers wurde 1941 durch den Oberfinanzpräsidenten Berlin-Brandenburg beschlagnahmt. Durch eine Verfügung der Gestapo vom 17.8.1942 wurde das Vermögen der Eheleute Tietz eingezogen. Die Kunstwerke wurden dem Auktionshaus Hans W. Lange am 18.2.1943 übergeben, dort am 16./17.4.1943 versteigert und der Erlös zugunsten des Deutschen Reichs einbehalten. Bei dieser Auktion hat Dietrich das Gemälde „Die Milchfrau“ (Los 11) für den „Sonderauftrag Linz“ für 4.000.- RM (Schätzwert 3.000.- RM) erworben. Die Rückgabe des Gemäldes an die Erben erfolgte 2018.645

Rudolph Lepke’s Kunst-Auctions-Haus Inhaber des von Paul Ludwig Rudolph Lepke (1845–1904) 1869 gegründeten Berliner Auktionshauses waren von 1900 bis 1935 die Brüder Adolf und Gustav Wolffenberg (Lebensdaten unbekannt) und Hans Carl Krüger (1870–1949). Zum 31.12.1935 erhielten die Brüder Wolffenberg aufgrund ihrer jüdischen Abstammung Berufsverbot und verkauften ihre Anteile an Krüger. Im Auktionskatalog 2096 (6./7.12.1935) ist Hans Carl Krüger bereits

644 LAB, B Rep. 025-08, Nr. 1983/55 (83 WGA 1983/55), Marie-Therese Thiedig, geb. Dosquet, Wiedergutmachungsbehörde IV Unterfranken, Würzburg Az. IV 785 in Sachen Thiedig [...] gegen das Deutsche Reich, 24.8.1955, Bl. 191–196, hier 193 (freundlicher Hinweis von Christopher Galler, Bomann-Museum, Celle). Eine 2017 durch das DZK eingerichtete „AG Dosquet“ soll erörtern, ob die Sammlung Dosquet unter Druck veräußert wurde. 645 BVA Provenienzdatenbank, Stand 2020. Harald König: Erste Ergebnisse der Provenienzrecherche zu dem in Bundesbesitz befindlichen Restbestand CCP. Das Ölgemälde „Die Milchfrau“ von Daniel Chodowiecki, S. 16–25. In: Koordinierungsstelle für Kulturgutverluste (Hg.): Beiträge öffentlicher Einrichtungen der Bundesrepublik Deutschland zum Umgang mit Kulturgütern aus ehemaligem jüdischen Besitz, Magdeburg 2001 (Veröffentlichungen der Koordinierungsstelle für Kulturgutverluste, Bd. 1). Brandenburgisches Hauptstaatsarchiv: Akten des OFP Berlin-Brandenburg bezüglich Martin Tietz. BArch Koblenz, B323/132, fo. 165, 170. 157 erstmals als alleiniger Inhaber verzeichnet. Ab 1936 führte er zunehmend Hausratsversteigerungen, häufig auch aus „nichtarischem“ Besitz, durch. Die letzte Auktion fand 1938 statt.646 Im Jahr 1937 hatte Maria Dietrich an mindestens zwei Auktionen teilgenommen. Mehrere Werke aus der Sammlung Morgenstern gelangten über Maria Dietrich zum „Sonderauftrag“ (mind. Linz-Nr. 582 und 1385). Der Kommerzienrat Heinrich Morgenstern (?–1944) war Unternehmer und Kunstsammler aus Fürth. Morgenstern hatte nach der „Arisierung“ seines Unternehmens 224 Stücke aus seiner Sammlung in der letzten Auktion bei Lepke am 22./23.11.1938 verkauft, bevor er 1939 emigrierte.647 Im Lepke-Katalog sind die Werke aus der Sammlung Morgenstern als „nichtarischer“ Besitz gekennzeichnet.

Galerie Dr. W. A. Luz Der Kunsthändler Wilhelm August Luz (1892–1959) verfügte über ein großes Netzwerk, zu dem Museumsdirektoren und Kunsthändler:innen gehörten, von denen einige nachweislich aktiv für das nationalsozialistische Regime tätig waren: Er belieferte u. a. Maria Dietrich mit Werken, die diese für die Kunstsammlungen Adolf Hitlers erwarb.648 Der Kontakt zwischen Luz und Dietrich führte dazu, dass ab 1937 mindestens zehn Gemälde aus der Galerie Dr. W. A. Luz über Maria Dietrich von der Reichskanzlei und später dem „Sonderauftrag Linz“ erworben wurden. Gemeinsam mit Maria Dietrich besuchte Luz am 7./8. Februar 1939 die 454. Kunstversteigerung im Dorotheum, Wien (s. Kap. 3.1 Österreich).

Guido Josef und Franziska Kern Guido Josef Kern (1878–1953) war als Kunsthistoriker Spezialist für das 19. Jahrhundert und insbesondere Blechen-Experte sowie Gegner moderner Tendenzen und Kunstmaler. Von 1913 bis 1923 war er Kustos der Berliner Nationalgalerie.649 Während der NS-Zeit betätigte er sich als Kaufvermittler und freiberuflicher Gutachter für Arbeiten von Anselm Feuerbach, Adolph Menzel und Carl Blechen, wobei er insbesondere in die Blechen-Ankäufe der Stadt

646 S. zu Lepke: Arthistoricum, Auktionshäuser in Berlin (https://www.arthistoricum.net/themen/portale/german- sales/auktionshaeuser-a-z/auktionshaeuser-deutschland-a-z/berlin/ – zuletzt besucht am 13.4.2019). Enderlein 2006, S. 123. Heuß 2008, S. 77. 647 Iselt 2010, S. 300f.: Iselt gibt an, dass die Sammlung Morgenstern, nachdem die Berliner Finanzbehörden sie beschlagnahmt hatten, an das Auktionshaus Lange zur Versteigerung gegeben worden wäre. 648 Deutsches Zentrum Kulturgutverluste: Abschlussbericht Museum Folkwang, Zugänge von Gemälden des 19. Jahrhunderts an das Museum Folkwang, Essen, und das Museum für Kunst und Kulturgeschichte, Dortmund, unter Beteiligung der Galerie Dr. W. A. Luz, Berlin, und anderer Kunsthandlungen, 1935–1945 / Die Kunsthandlung Dr. W. A. Luz, Berlin, verfasst von Ulrike Gärtner, Sibylle Ehringhaus 2012 (kurz: Gärtner/Ehringhaus 2012). SMB, Galerie des 20. Jahrhunderts, Kunsthandel A-Z: Galerie Dr. W. A. Luz, Berlin. 649 LAB, A Rep. 243-04, Nr. 4176, Bl. 158–366: Personenakte Guido Josef Kern. SMB-ZA, I/NG 2065, Bl. 48: Kündigungsschreiben. 158

Cottbus involviert war. Zudem verkaufte er 1937 drei Werke von Blechen an die Kunstsammlungen Chemnitz. Im gleichen Jahr beteiligte er sich an dem Besuch der Beschlagnahmekommission im Rahmen der Aktion „Entartete Kunst“ in Chemnitz am 19.8.1937.650

Im Herbst 1942 vermittelte Maria Dietrich 20 Werke Carl Blechens sowie 34 Arbeiten von Adolph Menzel zu einem Gesamtpreis von 160.000.- RM aus Kerns Besitz an den „Sonderauftrag Linz“ (Linz-Nr. 2493–2546). In der Linz-Datenbank ist die Beteiligung Dietrichs an dieser Transaktion nicht aufgeführt. Die Werke wurden allerdings in die für diese Arbeit ermittelte Gesamtzahl der durch die Galerie Almas an den „Sonderauftrag Linz“ gelieferten Werke eingerechnet. Dietrich hatte sich am 18. August 1942 an Martin Bormann gewandt, um ihm den Blechen- und Menzel-Bestand anzubieten. Sie wies darauf hin, dass die beiden Konvolute nur geschlossen veräußert werden würden. Dietrich drückte ihre Freude darüber aus, dass sie die Kollektionen dem Deutschen Reich anbieten könnte und die Kunstwerke nicht in einer Auktion angeboten werden würden: „Anliegend erlaube ich mir Ihnen zwei Mappen mit Fotos einer geschlossenen Sammlung zur Vorlage an den Führer zu übergeben. Und zwar handelt es sich um eine Karl Blechen-Sammlung, bestehend aus 6 kleinen Ölbildern, 4 Ölskizzen und 10 Zeichnungen, welche zum grössten Teil in dem grossen Blechen-Werk erwähnt und zum Teil abgebildet sind. Dieses Buch gebe ich ebenfalls mit. Das zweite ist eine besonders schöne und interessante Menzel-Sammlung von 34 Stück, es ist ein Ölbild und 33 Zeichnungen. Ein Verzeichnis von diesen beiden Sammlungen mit genauen Beschreibungen, liegt in jeder Fotomappe bei. Der Gesamtpreis für alles beträgt 160.000.- und kann der Betrag nach Ankauf dann direkt an den Besitzer überwiesen werden. Die beiden Sammlungen Blechen und Menzel werden nur geschlossen abgegeben. Ich freue mich sehr [...], dass es mir nach grosser Mühe und Ausdauer gelungen ist, diese beiden Sammlungen für den Führer ausfindig zu machen, nachdem der ganze Posten zur Auktion kommen sollte und dort bestimmt wieder grosse Preise erzielen würde. Nachdem mir diese beiden Fotomappen und die Unterlagen zu treuen Händen überlassen wurden, und die Fotos nur einmal da sind, bitte ich mir baldigst Bescheid zukommen zu lassen und mir die Mappen nichtinteressierendenfalls zu retournieren.“651 Etwas unlogisch erscheint die Argumentation, dass die Konvolute nur

650 Kai Artinger: Bilder „ohne Herkunft“: Der Kunsthistoriker Prof. Dr. Guido Joseph Kern und die Bilder von Carl Blechen in den Kunstsammlungen Chemnitz. Ein Beitrag zur Provenienz- und Blechen-Forschung. In: Kunstgeschichte. Open Peer Reviewed Journal, 2014, S. 1ff. 651 BArch Koblenz, B323/132, Bl. 52a fo. 173: Maria Dietrich an Martin Bormann, 18.8.1942. 159 geschlossen abgegeben werden könnten, nachdem der „ganze Posten“ zuvor in eine Auktion gegeben werden sollte. Am 22.10.1942 konnte Dietrich an Posse berichten: „Herr Dr. Hansen [sic] teilte mir mit, dass Sie die Blechensammlung, bestehend aus 20 Stück und die Menzel-Sammlung bestehend aus 34 Stück für den Führer angekauft haben. Diese beiden Sammlungen werden wohl in den nächsten Tagen hier in München eintreffen und ich werde alles komplett im Führerbau abliefern und Ihnen dann die Bestätigung hierüber einschicken. Der Besitzer der Sammlung stellt die Rechnung dann selbst an die Reichskanzlei und ich würde Sie dann bitten dieselbe an die Reichskanzlei [sic?] weiterzuleiten.“652 Tatsächlich stellte Franziska Kern die Rechnung direkt an die Reichskanzlei.653

Nach Kriegsende gab Guido Josef Kern anlässlich einer Befragung des CCP München im Jahr 1951 an, dass er die Werke aus dieser Transaktion alle vor 1933 erworben hätte. Aus wirtschaftlichen Gründen hätte er sich im Jahre 1942 von den in 30 Jahren gesammelten Werken trennen müssen, die er auf Auktionen, im Kunsthandel und von Privatsammlern erworben hatte. Die Blechen-Arbeiten, die er in seinem Werk über den Künstler im Jahr 1911 nannte und die sich in seinem Besitz befanden, hätte er fast ausnahmslos von der Berliner Kunsthandlung Mathilde Rabl, die bis 1919 bestand, und später in der Kunsthandlung Victor Rheins, Berlin gekauft.654 Anhand der folgenden Beispiele kann gezeigt werden, dass Kern in Bezug auf den Erwerbungszeitraum grundlegend gelogen hat: Hinter einer der Nummern verbirgt sich ein Gemälde von Carl Blechen, „Höhenzug mit blauen Schatten“ (Linz-Nr. 2532, in Linz- Datenbank „Gebirgslandschaft mit Bergrücken mit zwei Felsen“), das aus der Sammlung von Max Liebermann stammte. Guido und Franziska Kern gelangten 1941 an das Werk über die Kunsthandlung Victor Rheins, Berlin, die zu diesem Zeitpunkt von Otto und Emma Feindt geführt wurde. Otto Feindt half Martha Liebermann bei der Auflösung der Sammlung ihres Mannes. Auf der Rückseite des Gemäldes hat sich eine Echtheitsbestätigung von Kern erhalten: „Diese Studie ist ein Original von Karl Blechen. Sie befand sich bis zu Max Liebermanns Tod in dessen Sammlung, Berlin, d. 16.IV.1941.“655 2012 wurde das Werk an die Erben Liebermanns restituiert und am 28.11.2012 in der Villa Grisebach, Berlin versteigert (Auktion 201, Los 132). Auch die Menzel-Studie „Alter Herr (Der Stabsarzt)“

652 BArch Koblenz, B323/132, Bl. 51a fo. 171: Maria Dietrich an Hans Posse, 22.10.1942. 653 BArch Koblenz, B323/331, Bl. 80: Aussage Almas zu betreffenden Werken am 5.5.1949: Prof. Kern, deutscher Privatbesitz. 654 BVA Provenienzdatenbank: Eintrag zu Linz-Nr. 2546. 655 Martin Faass (Hg.): Verlorene Schätze. Die Kunstsammlung von Max Liebermann, Berlin 2013, Kat.-Nr. 7. 160

(Linz-Nr. 2507) stammte aus dem Besitz von Martha Liebermann und wurde ebenfalls verfolgungsbedingt veräußert. Die Zeichnung wurde 2010 an die Erben restituiert. Adolph von Menzels „Sensenschleifender bärtiger Mann“ (Linz-Nr. 2501), „Brustbild einer Dame mit Hut und Umhang“ (Linz-Nr. 2503, Lost Art-ID 478563) sowie „Dame mit erhobener rechter Hand (Haarknoten und Hand wiederholt)“ (Linz-Nr. 2509) stammten aus der Wuppertaler Kunsthandlung von Walter Westfeld (1889–spätestens 1945) und gehörten bis 1937 zu dessen Eigentum.656 Westfeld eröffnete 1920 seine Galerie in Wuppertal- Elberfeld, wo er mit Werken alter Meister, aus dem 19. Jahrhundert und mit zeitgenössischer Kunst handelte. Westfeld musste die Kunsthandlung 1936 schließen, da ihm Berufsverbot erteilt worden war. Nachdem die Liquidation des Warenbestandes Ende 1936 fehlgeschlagen war, transportierte Westfeld seinen Kunstbesitz in Privaträume nach Düsseldorf und übergab Teile an Kollegen zur Aufbewahrung. 1938 bereitete er gemeinsam mit seiner Verlobten, Emilie Scheulen, die Emigration in die USA vor. Am 15.11.1938 wurde Westfeld jedoch verhaftet und seine zu diesem Zeitpunkt noch in Deutschland befindlichen Kunstwerke beschlagnahmt. Daraufhin folgte eine Anordnung zur Versteigerung seiner etwa 700 Kunstwerke. Die entsprechende Auktion fand am 12./13.12.1939 im Kunstversteigerungshaus Mathias Lempertz, Köln statt (mit dem Titel „Zwangsversteigerung von zirka 700 Ölgemälden neuzeitlicher Meister und einigen Gemälden alter Meister, Plastiken, kunsthandwerklichen Arbeiten, 50 Orientteppichen erster Provenienz in vorzüglichen Vorkriegsqualitäten – aus nichtarischem Besitz: die Versteigerung erfolgt im Auftrag des Herrn Generalstaatsanwalts, Düsseldorf“). Westfeld überführte man zur Vorbereitung der Verkaufsaktion nach Köln.657 Unter Los 452 kamen als Konvolut auch weitere 50 Zeichnungen, Pastelle und Aquarelle von Adolph Menzel zum Aufruf. Im Anschluss an die Auktion wurde er wegen „Devisenschieberei“ (Versuch der Rettung seines Eigentums) zu einer Haft- und Geldstrafe verurteilt. Nach der Haftstrafe wurde Westfeld im Oktober 1942 in das Konzentrationslager Theresienstadt, dann im Januar 1943 nach Auschwitz deportiert und ermordet. Kurz vor seiner Deportation hielt er in seinem Testament fest, dass Emilie Scheulen sein gesamtes Vermächtnis zufallen sollte. Die Ehe konnte 1956 rückwirkend zum 1.10.1935 eingetragen werden. Anfang der 1950er Jahre konnten lediglich vier der 700 bei Lempertz versteigerten Werke zurückerstattet werden.658 Auf Antrag der Erben ist die Rückgabe der hier benannten Menzel- Zeichnungen 2016 erfolgt.

656 Eine genauere Einordung der Vorgänge im Jahr 1937 konnte für diese Arbeit nicht vorgenommen werden. 657 Müller/Tatzkow 2009, S. 92. 658 Müller/Tatzkow 2009, S. 86–97. 161

Aufgrund der dargestellten Sachverhalte steht die „Sammlung Kern“ unter Generalverdacht.659

2.5.3 Frankfurt am Main

Wilhelm Schumann (1866–1950) leitete bis 1936 mit seiner Kollegin Else Gans, später in alleiniger Verantwortung, die Kunsthandlung W. Schumann & Co. Ab 1938 war er an der Begutachtung von jüdischen Kunstsammlungen beteiligt und Fachreferent beim Landeskulturverwalter der NSDAP sowie Referent der „Fachgruppe Kunstverleger und Kunsthändler“. Ab Sommer 1942 zählte er zu einem von mehreren Sachverständigen für beschlagnahmtes jüdisches Kulturgut, um mögliche Aufnahmen in Museumsgut zu beurteilen. Im September 1942 erhielt Schumann Kunstwerke vom Frankfurter Finanzamt zur Verwertung, die aus eingezogenem Umzugsgut stammten.660 Aufgrund des beruflichen Hintergrundes von Wilhelm Schumann sind die mindestens sieben von Maria Dietrich bei ihm für Linz erworbenen Werke (Linz-Nr. 44, 53, 1549, 1551, 1553, 1702, 2372) hinsichtlich ihrer Provenienz als belastet einzustufen. Die Erwerbungen für Linz fanden bis auf die frühen Eingänge (Linz-Nr. 44 und 53 / ohne Datum) in den Jahren 1941 und 1942 statt. Bis auf die Linz-Nr. 44 und 53 wurden die Werke nach 1945 nach Österreich gegeben und bis auf Linz-Nr. 1553 in der Mauerbach-Auktion veräußert.661 Möglicherweise war Maria Dietrichs Schwiegersohn in spe, Detmar tho Rahde, dessen Familie in Frankfurt ansässig war, ihr bei den genannten Einkäufen in Frankfurt am Main (s. auch Helbing, Frankfurt) behilflich. Ein am 25.1.1944 bei W. Schumann & Co für 1.200.- RM erworbenes Werk des Künstlers Augustin wurde am 29.1.1944 in der Wohnung von tho Rahde in Frankfurt durch einen Bombentreffer zerstört (vgl. Exkurs: Zerstörung der Kunsthandlung).

Die gebürtige Amerikanerin Florence Flersheim (geb. Livingston/Liwingstone, 1864–1950) emigrierte Anfang 1938 aus Frankfurt in die USA. Zuvor war sie gezwungen, Teile ihrer Sammlung in Frankfurt zu veräußern.662 Mehrere Werke wurden in den vergangenen Jahren

659 Die Linz-Nr. 2533–2546 gehörten früher zur Sammlung Hirschberg, Schloss Eichberg, G. von Decker. BVA Provenienzdatenbank, Eintrag zu Linz-Nr. 2539: Informationen zu Decker; ein verfolgungsbedingter Entzug wird nicht angenommen. Strzoda 2017, S. 140f.: umfangreiche Quellen- und Literaturübersicht zu Guido Josef Kern. Es konnte kein schriftlicher Nachlass ermittelt werden. Eine Fotosammlung mit Werkaufnahmen (Spitzweg und Blechen) wurde 1953 aus seinem Nachlass dem Zentralinstitut für Kunstgeschichte übergeben. 660 Uwe Fleckner/Max Hollein (Hg.): Museum im Widerspruch. Das Städel und der Nationalsozialismus, Berlin 2011 (Schriften der Forschungsstelle „Entartete Kunst“, Bd. 6), S. 356. 661 Mauerbach 1996: Los 415c, 548, 559, 561. 662 Fleckner/Hollein 2011, S. 345. Die WGA im Hessischen Hauptstaatsarchiv Wiesbaden wurden von der Verfasserin nicht eingesehen. Archiv Städel, Frankfurt für Informationen zur Sammlung Flersheim: u. a. Nr. 608, 612, 677, 730, 731, 739. 162 an die Erben restituiert. Bei sechs der durch Maria Dietrich wohl vor Juli 1938 eingelieferten Linz-Werke lässt sich ein Zusammenhang mit Werken der Sammlung von Florence und Martin (1856–1935) Flersheim erkennen. Wie Dietrich an die Werke gelangte, konnte jedoch noch nicht geklärt werden. Möglicherweise fungierte auch hier Detmar tho Rahde als Bindeglied zwischen München und Frankfurt. Es handelt sich um folgende Werke: Hans Thomas „Landschaft, Mannolsheim (Mammolshain)“ (Linz-Nr. 202), Carl Spitzwegs „Gehöft mit Wäscherin (Die Sonne bringt es an den Tag)“ (Linz-Nr. 339)663, Wilhelm Trübners „Frauenchiemsee“ (Linz-Nr. 295), Franz von Stucks „Selbstbildnis“ (Linz-Nr. 182) und „Zwei schaukelnde Frauen“ (Linz-Nr. 299). „Die Sünde“ von Franz von Stuck (Linz-Nr. 300) hatte das Ehepaar Flersheim in der Kunsthandlung J. P. Schneider in Frankfurt erstanden. Das Bild war in der -Ausstellung im Schneider’schen Kunstsalon in Frankfurt 1898 zu sehen gewesen. Es taucht nicht im Katalog der Helbing-Auktion am 11.–13.5.1937 auf, wo Teile der Sammlung Flersheim versteigert wurden (Nr. 3 Fl.: mehr als 50 Positionen, v. a. moderne Gemälde). Neben der soeben genannten, lieferte Dietrich eine weitere Version der „Sünde“ (Linz-Nr. 344) an Linz. Die nah beeinander liegenden Linz-Nummern verweisen darauf, dass die beiden Bilder innerhalb eines kurzen Zeitraumes eingeliefert wurden.664 „Die Sünde“ aus der Sammlung Flersheim gehört nicht zu den Objekten, die im Wiedergutmachungsverfahren aufgeführt wurden. Dies trifft auch auf die weiteren Bilder zu, wohl bis auf das Gemälde von Hans Thoma „Landschaft bei Mamolsheim“ (eigentlich Mammolshain im Taunus). Eine Thoma-Landschaft, bezeichnet als „Taunuslandschaft“, die ebenfalls nicht bei Helbing zum Verkauf kam, stand auf der Suchliste der Erben Flersheim. Vermutlich handelt es sich um das Gemälde „Mamolsheim“, das im Werkverzeichnis (Thode 1909) mit der Provenienz Flersheim abgebildet ist.665 Eine Taunuslandschaft von Hans Thoma taucht im Übrigen auch auf einer Liste auf, die mit „Gemälde die durch die Gestapo verkauft wurden“ überschrieben ist.666 Als Vertreterin der Flersheim-Erben, schreibt die Anwaltskanzlei Trott zu Solz Lammek in der Lost Art-Datenbank, dass die Zurücklassung von Kunstgegenständen der Sammlung Flersheim u. a. aus einem Schreiben des Anwaltes Fritz Mertens hervorgehen würde, der die

663 Institut für Stadtgeschichte, Frankfurt am Main, Rechneiamt IV, Sig. 183, o. Bl.: RA Fritz Mertens, Frankfurt am Main an das Zentralanmeldeamt Bad Nauheim; Abschrift – Anhang zu Gesetz 59 wegen der Gemäldesammlung Frau Florence Flersheim, gez. Dr. Mertens, 16.12.1948: „Bei einem Bild, welches als besonders wertvoll zu bezeichnen ist, handelt es sich um ein Gemälde von Spitzweg (Wäscherin). Dieses Bild ging, wie ich festgestellt habe, offiziell an Adolf Hitler.“ 664 Hoffmann 1974, S. 152: „In seiner Münchner Wohnung hingen vorzugsweise Bilder von Münchner Malern: Lenbachs ‚Bismarck in Kürassier-Uniform‘, Franz von Stucks ‚Die Sünde‘, Anselm Feuerbachs ‚Parklandschaft‘, viele Grützner, ein Zügel und mehrere Spitzweg.“ 665 Freundliche Auskunft von Christoph Andreas, Kunsthandlung J. P. Schneider, Frankfurt am Main. Wann genau das Bild bei Schneider durch Flersheim erworben wurde, lässt sich nicht mehr ermitteln. Die Geschäftsunterlagen der Kunsthandlung sind kriegsbedingt verloren gegangen. 666 Institut für Stadtgeschichte, Frankfurt am Main, Rechneiamt IV, Sig. 183, Bl. 9695. 163

Familie Flersheim nach dem Krieg bezüglich diverser Rückerstattungsansprüche vertrat.667 Dessen Schreiben an das Zentralmeldeamt Bad Nauheim vom 16.12.1948 behandelte den gesamten Kunstbesitz, d. h. auch das in den Niederlanden beschlagnahmte Umzugsgut. Fritz Mertens führte auch ein Schreiben des Polizeipräsidenten in Frankfurt vom 17.5.1938 auf. Aus diesem würde hervorgehen, dass einige Kunstwerke in Deutschland zurückbehalten worden sind, da sie als national wertvoll eingestuft wurden. Tatsächlich wurden mehrere Werke auf einer Liste „Ergänzung zur Liste der national wertvollen Kunstwerke Hessens“ geführt; darunter: Spitzwegs „Wäscherin“ und Thomas „Mammolshain“. Alle Flersheim- Werke auf dieser undatierten Liste sind jedoch durchgestrichen. Alfred Wolters, Städtische Galerie Frankfurt, hatte die Werke Paul Ortwin Rave von der Nationalgalerie Berlin am 12.5.1938 zur Eintragung vorgeschlagen. Rave antwortete Wolters am 13.6.1938: „So kann ich mich bei keinem der von Ihnen als national-wertvoll bezeichneten Bilder im Besitze der Florence Flersheim zu Ihrem Urteil bekennen. Ich wäre Ihnen dankbar, wenn Sie bei ähnlichen Fällen vielleicht auch etwas strenger bei der Bezeichnung national-wertvoller Bilder sein könnten.“ Daraufhin erklärte Wolters am 20.6.1938: „Bei meiner jetzigen Tätigkeit handelt es sich immer um das Umzugsgut von Emigranten. In den letzten Fällen (Nathan und Flersheim) bestand ein ausgesprochenes Interesse des Städels resp. der Städtischen Galerie, einzelnes zu erwerben, was ohne die ‚Liste‘ unmöglich gewesen wäre und mit ihr geglückt ist.“668 Die Stadt Frankfurt hatte für die Städtische Galerie wirklich einige Werke der Familie Flersheim erworben. Eine Regelung der Eigentumsverhältnise erfolgte 1950 durch einen Vergleich. Weitere Objekte sind an verschiedene Käufer in Deutschland gelangt. Fritz Mertens schrieb 1948, man wäre „angewiesen auf sehr intensive Kleinarbeit, um festzustellen, was einmal vorhanden war. Bei verschiedenen Auktionshäusern in Ffm., München und Berlin, wohin wertvolle Bilder verbracht wurden, die dann versteigert [worden] sind, müssen Ermittlungen angestellt werden, wer diese Bilder erworben hat.“669

Exkurs: Auktionskataloge aus dem Besitz der Galerie Almas im Museum Georg Schäfer

Stichproben in der Bibliothek des Schweinfurter Privatmuseums ergaben, dass zu einem unbestimmten Zeitpunkt ein wohl größerer und teils annotierter Bestand aus der Bibliothek

667 Lost Art-Datenbank, Eintrag Flersheim, Martin und Florence; keine Quellen genannt (zuletzt besucht am 4.11.2019). 668 Archiv Städel, Nr. 731. 669 Institut für Stadtgeschichte, Frankfurt am Main, Rechneiamt IV, Sig. 183, o. Bl.: RA Fritz Mertens, Frankfurt am Main an das Zentralanmeldeamt Bad Nauheim; Abschrift – Anhang zu Gesetz 59 wegen der Gemäldesammlung Frau Florence Flersheim, gez. Dr. Mertens, 16.12.1948. S. teilweise identisches Material in Archiv Städel, Nr. 608. Die Prüfung der genannten Werke im Provenance Index (GRI) ergab keine Treffer. 164 der Galerie Almas an Georg Schäfer (1896–1975) bzw. die Museumsbibliothek abgegeben wurde. Die Erwähnung des Bestands ist allein schon deshalb relevant, weil es sich um eine der wenigen Primärquellen der Galerie handelt. Neben Auktionskatalogen der Häuser Hans W. Lange, Lepke, Lempertz, Helbing, Heinemann, Rudolf Bangel (Frankfurt) bis 1945, ließen sich auch Kataloge aus der Nachkriegszeit und Exemplare der Weltkunst nachweisen.670 Teilweise sind die Druckerzeugnisse mit dem Almas-Galeriestempel versehen oder mit den Namen der beiden Geschäftsführerinnen beschriftet.671 Als Gemeinsamkeiten wurden bei den Auktionskatalogen die rote Beschriftung des Buchrückens (Name des Auktionshauses) und das jeweilige Auktionsdatum auf dem Cover erkannt. Bisher wird in Schweinfurt angenommen, dass die Almas-Kataloge über die Bibliothek von Ernst Buchner in den Bestand des Museums Schäfer gelangt sind.672 Wahrscheinlicher ist jedoch, dass sie über einen direkten Kontakt Schäfer/Almas nach Schweinfurt kamen. Bislang konnte der Beginn der Verbindung noch nicht nachgewiesen werden, aber man kannte sich sicher früh, zumal Schäfers Sammlungsschwerpunkt die Kunst des 19. Jahrhunderts war und er regelmäßig im Münchner Kunsthandel einkaufte. Im Januar 1961 erwarb Georg Schäfer von Mimi tho Rahde ein Bild von Carl Blechen, „Südliche Felsenschlucht mit Höhlen“ (Inv.- Nr. 3975). Die Stiftung des Bildes an das Museum erfolgte durch Fritz Schäfer im Jahr 2016. Für weitere Erkenntnisse hinsichtlich des Bestands ist der momentan noch nicht mögliche Zugang zum Firmenarchiv notwendig.

Einige Beispiele eignen sich, den Wert des Bestandes für die Forschung zu illustrieren: Zwei Lepke-Auktionskataloge mit der Beschriftung „Almas“ auf dem Cover befinden sich in der Bibliothek des Museums Georg Schäfer. Es handelt sich um die Auktionen vom 12.2.1937 (Gemälde alter und neuerer Meister, Antiquitäten) und vom 24.2.1937 (Kunstsammlung Geheimrat W./Dresden). Die Kataloge sind nicht annotiert. Sehr wahrscheinlich gehören weitere Exemplare des Auktionshauses Lepke in der Schweinfurter Bibliothek zu dem „Bestand Almas“.

670 Die Kataloge müssten vollständig und systematisch durchgesehen werden. Zum Verhältnis der Galerie Almas zu Schäfer sind im Stadtarchiv Schweinfurt keine Hinweise vorhanden. Sibylle Ehringhaus, Berlin ermöglichte freundlicherweise den Zugang zur Bibliothek. 671 Bsp. Kataloge Lange-Auktionen, 18.10.1940, 3.12.1940. 672 Theresa Sepp, München hat während ihrer Forschung zu Ernst Buchner keine Hinweise auf eine Bibliothek gefunden, die über Buchner nach Schweinfurt gelangt wäre. Sepp liegen keine Informationen darüber vor, wie der Verkauf von Buchners Nachlass an Georg Schäfer zustande kam (Stand April 2018, freundliche Auskunft von Theresa Sepp). Die Verknüpfung der beiden Bibliotheken kann nicht ausgeschlossen werden. 165

Ein Katalog des Auktionshauses Math. Lempertz, Köln zur Auktion am 5.5.1937 (Auktion 388) enthält zwar keine Annotationen, aber eine diese Auktion betreffende auf den 21.4.1937 datierte Karte von Mathias Lempertz an Maria Dietrich: „Sehr geehrte gnädige Frau, nachstehend geben wir Ihnen unsere unverbindlichen Schätzungen für die auf Ihrer Karte vom 17.4. aufgeführten Nummern Nr. 324 (4.000.-), Nr. 295 (4.000.-), Nr. 290 (4.000.-), Nr. 309 (8.000.-), Nr. 289 (1.200.-), Nr. 298 (2.500.-), Nr. 319 (600.-), Nr. 293 (1.000.-).“ Es handelt sich hierbei um folgende Gemälde: Nr. 324 = Johann Sperl „Garten mit weiß blühender Rosenhecke“ (Tafel 62), Nr. 295 = Otto Gebler „Der Herr Professor in Nöten“ (Tafel 64), Nr. 290 = Franz von Defregger „Bauernmädchen“ (Tafel 67), Nr. 309 = Wilhelm Leibl „Weiblicher Halbakt“, Nr. 289 = William Davis „Loch Striven“ (Tafel 68), Nr. 298 = Ludwig Hartmann „Pferdebild“ (Tafel 69), Nr. 319 = Robert Schleich „Heuernte“ (Tafel 69), Nr. 293 = Max Gaisser „Die Zecher“ (Tafel 70). Es lässt sich nicht im Einzelnen feststellen, welche Werke Dietrich am Ende tatsächlich erworben hat. Das als Los 290 angebotene Bild Defreggers, „Bauernmädchen“, ist wohl allerdings mit der Linz-Nr. 104, „Tiroler Bäuerin mit Hut“, identisch. In der Linzer Datenbank gibt es zu dem Vorgang keine weiterführenden Angaben zu Lempertz oder generell zur Provenienz. Das Bild befindet sich nicht mehr im Besitz des Bundes, da es versteigert wurde. Ein mit „Heuernte“ betiteltes Bild von Robert Schleich steht auf einer Almas-Liste „Abhanden gekommene Sachen aus dem Lager Gatterer, Greimharding b. Prien“.673

Im Lempertz-Auktionskatalog vom 30.10.1937 (Auktion 391) sind einzelne Lose ausgeschnitten. Außerdem gibt es Annotationen, u. a. Preise sowie Codeangaben, etwa „iiss“, „trss–tiss“, „grss–esss“. Das von der Galerie entsprechend festgelegte und unveränderliche Codewort, über dessen Buchstabenreihenfolge sich die Zahlen erschließen ließen, ist nicht bekannt, „s“ steht aber wohl für 0. Aus den Angaben der notierten Preise geht nicht eindeutig hervor, ob die Galerie Almas die jeweiligen Werke erworben hat. Es könnte sich auch um die Angabe von im Vorfeld angesetzten Mitgehpreisen, Ausruf- oder Verkaufspreisen an Dritte handeln. Friedrich August Kaulbachs „Bildnis der Tänzerin Guerero“ (Los 49) trägt die Annotation „grss–esss“. Dieses Bild wurde laut Annotation des Preises für 4.500.- RM verkauft. Neben Heinrich von Zügels „Zwei Kühe auf der Weide“ (Los 138) wurde neben die Abbildung auf Tafel 18 notiert: „1.900 nur wenn schön iiss“. Über eine handschriftliche Auflistung am Ende

673 NARA, Dietrich, Maria Almas: Interrogation, S. 13. 166 des Katalogs lässt sich ermitteln, dass die Galerie Almas in dieser Auktion fünf Positionen für insgesamt 4.150.- RM ersteigerte.674 In einem Auktionskatalog des Auktionshauses Hugo Helbing, Frankfurt vom 11.–13.5.1937 finden sich Annotationen, darunter Preise und teilweise rote Haken. Eine Nummer wurde ausgeschnitten: Es handelt sich um die Nummer zu Carl Morgensterns „Eppstein im Taunus“ (Los 51, Tafel 23). Als Preis ist 75.- annotiert. Auf der letzten Seite wurden auch hier die gekauften Werke anhand der Preise und Künstlernamen aufgelistet. An erster Stelle steht hier „75 Morgenstern“. Für 15 Positionen wurden insgesamt lediglich 1.676.- RM ausgegeben.

In der Stichprobe konnten von rund 200 Katalogen etwa 30 mit der Galerie Almas assoziiert werden. Die annotierten Exemplare dienen u. a. als Belege für besuchte Auktionen und dort erworbene Kunstgegenstände.

674 Weitere Lempertz-Kataloge aus der Nachkriegszeit: u. a. 8.12.1948: Stempel Mimi tho Rahde, Preise und Annotationen. 6.–9.5.1953: Stempel Galerie Almas. 2.–7.12.1953: Annotationen und Preise. 28.–30.4.1954: Preise und Annotationen, Codes. 167

3. Erwerbungen im okkupierten Ausland

3.1 Österreich

Durch einen „Führervorbehalt“ vom 18.6.1938 bezüglich „staatsfeindlichen Vermögens in Österreich“ sicherte sich Hitler die Möglichkeit, beschlagnahmtes Kulturgut für seine Zwecke auszuwählen. Einige Zeit nach dem „Anschluss“ Österreichs an das Deutsche Reich im März 1938 reiste Hans Posse im Juli 1939 und mehrmals im Jahr 1940 nach Wien, um für den „Sonderauftrag Linz“ Werke aus beschlagnahmten Sammlungen auszuwählen.675 Im Herbst 1938 war bereits ein Zentraldepot für solche Güter eingerichtet worden. Gemälde und Kunstgegenstände aus den Sammlungen Rothschild, Bondy, Haas, Gutmann und anderen wurden hier durch Posse für Linz ausgesucht: „Der Zugriff auf die enteigneten Wiener Sammlungen erscheint damit zentral für die Konstituierung des Bestands des Linzer ‚Führermuseums‘.“676 Die Galerie Almas oder andere Händler:innen waren hierbei nicht involviert. Maria Dietrichs direkte Einkäufe aus jüdischen Wiener Sammlungen fanden bereits früher, vor allem im Jahr 1938, statt (s. Kap. 3.3.1). Obwohl diese Erwerbungen für Hitler kurz nach dem „Anschluss“ Österreichs getätigt wurden, das heißt vor dem offiziellen Einsatz des „Sonderauftrags“, müssen sie im Zusammenhang mit Linz gesehen werden, da mehrere dieser Wiener Werke in den Bestand der Linzer Sammlung eingegangen sind. Maria Dietrich war neben Ernst Schulte-Strathaus (1881–1968), dem Leiter der „Alt-Aktion“, als einzige Kunsthändlerin berechtigt, im Auftrag höchster Reichsstellen Kunstgegenstände aus Österreich nach Deutschland auszuführen. Zu dieser Tätigkeit wurde sie 1938 von Viktor Lutze, Stabschef der SA, und Martin Bormann persönlich legitimiert.677 Schulte-Strathaus dürfte in Wien als ihr Konkurrent aufgetreten sein. Ihm wurde im Mai 1938 ein „Vorkaufsrecht“ für Erwerbungen aus beschlagnahmten Sammlungen erteilt.678 Er war 1934 von Rudolf Hess (1894–1987) als Sachbearbeiter für Schrifttumsfragen in dessen Stab geholt worden.679

675 Anderl/Caruso 2005, S. 31ff. 676 Anderl/Caruso 2005, S. 33. 677 Sophie Lillie: Was einmal war. Handbuch der enteigneten Kunstsammlungen Wiens, Wien 2003, S. 1198, Fußn. 19: Lillie bezieht sich auf: Bundesdenkmalamt Wien, Ausfuhrmaterialien: Ausfuhrakt GZ 2173/38, betr. Ausfuhr hochwertiger Kunstwerke nach dem Altreich. 678 Hopp 2015, S. 165: Josef Bürckel (Reichskommissar für die Wiedervereinigung Österreichs mit dem Deutschen Reich) erteilte Strathaus am 20.5.1938 das „Vorkaufsrecht“. 679 Hopp 2012, S. 274ff., 280: Strathaus’ Karriere im „Dritten Reich“ endete mit dem sog. Englandflug von Rudolf Hess am 10.5.1941. Nach der Wiedereröffnung des Münchener Hauses von Adolf Weinmüller im Jahr 1949 wurde er von Weinmüller beschäftigt. 168

Die Ausfuhr von Kunstwerken aus Österreich war seit 1918 grundsätzlich verboten und nur mit Genehmigung der Denkmalbehörde zulässig. Daher stattete man die Händler:innen mit Legitimationsschreiben aus, die das österreichische Kunstschutzgesetz unterliefen.680 Auch nach 1938 kehrte Maria Dietrich nach Wien zurück, um gezielt Werke für den „Sonderauftrag“ zu kaufen. Bei einer Auktion im Dorotheum am 7./8.2.1939, der sie und W. A. Luz beiwohnten, durften die beiden deutschen Händler:innen nicht uneingeschränkt bieten, wie aus einem Brief an Adolf Ziegler, dem Präsidenten der Reichskammer der bildenden Künste (1936–1943), hervorgeht: „In der obengenannten Kunstversteigerung[,] an der die Mitglieder Dr. Luz, Berlin und Frau Almers [sic], München teilnahmen, waren div. wertvolle Bilder u. a. ein Waldmüller mit dem Vermerk versehen: ‚Ausfuhr aus der Ostmark verboten, das Bundesdenkmalamt‘. Die Bilder wurden weit unter dem Wert verkauft, weil die Händler aus dem Alt-Reich nicht mit bieten konnten. Den Mitgliedern erscheint nun ein derartiges Verbot heute noch unverständlich und sie bitten deshalb um entsprechende Anweisung an die Polizeibehörde in Wien.“681 Die Umstände waren ab 1939 auch durch eine Sperre auf beschlagnahmte Werke „erschwert“: Im Oktober 1939 wurde im Wiener Ministerium für innere und kulturelle Angelegenheiten ein bezeichnender Vermerk mit dem Titel „Vorsprache der Frau Almers [sic] betreffs Kunstankäufe für Zwecke des Führers“ angefertigt. Dieser Vermerk wird hier vollständig wiedergegeben, da er u. a. sehr genau die „Schwierigkeiten“ bei der Beschaffung von beschlagnahmten Kunstwerken in Österreich durch das „Vorkaufsrecht“ Hitlers beschreibt: „Am 26.10. erschien Frau Almers, welche schon aus wiederholten Vorsprachen in der Zeit nach dem Umbruch in der Zentralstelle für Denkmalschutz bekannt war, mit entsprechender Vollmacht ausgestattet bei dieser Zentralstelle und ersuchte um Besichtigung gewisser Kunstgegenstände zwecks allfälligem Ankauf für den Führer. Da die betreffenden Gegenstände – es handelt sich hauptsächlich um Waldmüllergemälde aus dem früheren Besitz des Juden Weinstein682 – zu den denkmalbehördlich sicher gestellten Beständen gehören, welche in einem neuen Zentraldepot in der modernen Galerie zusammengezogen werden, erachtete sich die Zentralstelle im Hinblick auf die ergangenen Anordnungen nicht ohne weiteres für befugt, der Frau Almers Zutritt zu gewähren und erbat sich fernmündlich beim

680 Schwarz 2009, S. 238. 681 BArch Berlin, R9361-V-27842, Personalakte Wilhelm August Luz, o. Bl.: Der Landesleiter für bildende Künste (Lederer) an den Präsidenten der Reichskammer der bildenden Künste, Berlin, 23.2.1939: 454. Kunstversteigerung in Wien am 7. und 8.2.39 am Dorotheum. 682 Lillie 2003, S. 1294ff.: Leopold Weinstein (1884–1948). Lost Art-Datenbank, Eintrag Leopold Weinstein: 1938 wurden einige Bilder Weinsteins „sichergestellt“, u. a von Waldmüller und von Alt. Diese wurden in die Städtische Sammlung von Wien und in das Landesmuseum Joanneum eingeliefert. Erwerbungen aus dem Besitz von Weinstein durch Maria Dietrich konnten bislang nicht festgestellt werden. 169 gefertigten Referenten Weisung. Ich habe daraufhin in dem Sinne Stellung genommen, dass ein Zutritt zu diesen Beständen behufs [sic?] Ankauf nur mit ausserordentlicher Genehmigung des Herrn Staatskommissars [Plattner] möglich sei und habe Frau Almers nahe gelegt, sich bei Herrn Staatskommissar zur Vorlage ihrer Vollmacht und zur Vorbringung ihres Wunsches anzumelden. Dies geschah und Frau Almers erschien sodann in den Abendstunden beim Herrn Staatskommissar und teilte mit, dass sie schon seit längerer Zeit mit Kunstankäufen für die Zwecke des Führers beauftragt sei und dass ihr im Führerbau in München 2 Räume zugewiesen seien[,] in welchen sie die angekauften Bilder ständig zur Schau stellt, die vom Führer fallweise besichtigt werden und aus denen er die endgültige Auswahl trifft.683 In dieser Mission sei Frau Almers – wie übrigens hier bereits bekannt war – nach dem Umbruch schon wiederholt und mit Erfolg in Wien gewesen. Sie weiss nun von einzelnen schönen Waldmüllergemälden in Wien aus dem früheren Besitz Weinstein[,] die sie auf jeden Fall für den Führer sichern und ankaufen möchte. Sie erwähnte, dass der Führer beabsichtigt, aus den von ihr angekauften Beständen, die sie im Falle des endgültigen Ankaufes durch den Führer jeweils von der Reichskanzlei bezahlt erhält, verschiedene Museen zu beteilen [sic], insbesondere läge ihm hiebei [sic] das in Linz neu zu gründende Kunstmuseum am Herzen. Der Herr Staatskommissar eröffnete der Frau Almers, in meinem Beisein, dass zur Sicherstellung und Durchführung dieser Absichten des Führers in der Zwischenzeit über ausdrückliche Anordnung des Führers eine behördliche Vorsorge getroffen sei, in der Form, dass nicht nur über die beschlagnahmten, sondern nunmehr auch über alle denkmalbehördlich sichergestellten Kunstbestände in der Ostmark eine allgemeine Verfügungssperre verhängt und dass er, der Herr Staatskommissar Plattner, vom Reichskommissar Bürckel verantwortlich beauftragt sei, alle diese Bestände treuhändig zu verwalten, unter Sperre zu halten und für die seinerzeitige Auswahl und Besichtigung des Führers geordnet bereit zu halten. Irgend ein einzelner Einkauf von 3. Seite für den Führer aus diesen Beständen sei unter diesen Umständen einerseits überflüssig, andererseits nicht mehr zulässig. Der Herr Staatskommissar verweist Frau Almers darauf, dass von dieser Verfügung die denkmalbehördlich sichergestellten, die finanzbehördlich gepfändeten und die polizeilich beschlagnahmten Bestände betroffen seien, dass jedoch aus dem freien Kunsthandel nach wie

683 Vgl. Beetz 2004, S. 15: „Im Abstand von sechs bis acht Wochen organisierte Architekt Reger im Führerbau eine Art Ankaufsausstellung. Hitler besichtigte, manchmal begleitet von Prof. Hoffmann oder dem Generaldirektor der Bayerischen Staatsgemäldesammlungen Buchner, die präsentierten Angebote und traf dabei die letzte Entscheidung für den Ankauf.“ Nicholas 1994, S. 32: „[...] once, having shown Hitler a selection of pictures in Berlin, she flew back to Munich while he travelled there on his special train and had a new lot waiting for him at the Führerbau when he arrived.“ Ebenda, S. 357: „Hitler’s offices and the grand room where Frau Dietrich had held her little art shows for the Führer had been ransacked, as had the vaults and studios in which his collection had been processed and stored.“ BWA München, K1 XVA 10c, 264. Akt, Fall 33: Industrie- und Handelskammer München an Adolf Weinmüller, 12.5.1939: „[…] Dort [im ‚Führerbau‘] hat sie ständig Gemälde ausgestellt, welche jeweils von Zeit zu Zeit vom Führer besichtigt werden.“ 170 vor die ihr wichtig scheinenden Stücke für Zwecke des Führers angekauft werden könnten. Frau Almers nahm diese Aufklärung zur Kenntnis, erwähnte, dass es ihr nur daran gelegen sei Stücke, die ihr für den Führer als wichtig und unentbehrlich erschienen, für den Führer zu gewinnen und dass sie keine weiteren Interessen hat, diese dort zu verfolgen, wo ohnedies durch andere behördliche Verfügungen die Erreichung dieses Zweckes sichergestellt ist.“684

Systematische Erwerbungen Maria Dietrichs aus beschlagnahmten Wiener Beständen konnten anhand der verwendeten Quellen tatsächlich nicht nachgewiesen werden. Wohl kam sie aber Beschlagnahmungen zuvor oder nutzte vermeintlich anstehende Beschlagnahmungen zumindest als Argument, um Sammler:innen zum Verkauf ihrer Werke an sie zu bewegen (s. Beispiel Richard Stein). Listen mit den Aussagen von Maria Dietrich (9.3.1949, 12.3.1949, 14.8.1951, 16.8.1951) führen zahlreiche Werke mit der Angabe „aus Wiener Privatbesitz“ bzw. „aus österreichischem Privatbesitz“ auf. Es handelt sich dabei um rund 35 Werke, die nicht den hier im Anschluss besprochenen jüdischen Eigentümer:innen zugeordnet werden können.685

Auch Anfang der 1940er Jahre war Dietrich noch in Wien tätig. Im Handel trat sie in Auktionshäusern, etwa bei Langes Wiener Auktionen und in Weinmüllers Dependance, auf. Laut den Datenbanken zum „Sonderauftrag Linz“ und CCP ersteigerte sie auch noch bei ihren Wien-Besuchen 1941/42 einige Werke im Dorotheum. Am 15.10.1941 erwarb der österreichische Kunsthändler Friedrich Welz bei Rudolf Holzapfel im besetzten Paris das Bild „Homme mangeant“ von Jan Steen. Welz verkaufte es am 15.12.1941 an Hans Walczok, Wien. Von Walczok gelangte das Bild an Maria Dietrich. Wilhelm van de Veldes „Marine“ wurde am 13.5.1941 von Welz bei Holzapfel in Paris erstanden und ebenfalls am 15.12.1941 an Walczok weiterverkauft, der es an Heinrich Hoffmann weitergab. Der Vermittler Hans Walczok wunderte sich später, dass sich Dietrich nicht mehr an ihn erinnern konnte, und erklärte sich dies dadurch, dass sie derart viele Kunstwerke in Österreich erworben hatte.686

684 Bundesdenkmalamt Wien (kurz: BDA Wien), K8 M15 Almas Dietrich, Bl. 39ff.: Ministerium für innere und kulturelle Angelegenheiten, Wien: Amtsvermerk, Gegenstand: Vorsprache der Frau Almers [sic] betreffs Kunstankäufe für Zwecke des Führers, 27.10.1939. 685 BArch Koblenz, B323/331, Bl. 65–96. 686 Archives diplomatiques, Paris, 209 SUP 184 A 153, Bl. 406f.: Haut Commissariat de la République française en Autriche, Wien an Rose Valland, Chef du Service de la Remise en Place des Œuvres dʼArt Récupération artistique: Spoliation Fr. Welz, Affaire Walczok, 18.8.1950. Unbekannter Autor: „Frühe Hitler“, S. 60. In: Der Spiegel 23/1960, 1.6.1960: zur Verbindung Heinrich Hoffmann/Walczok. 171

3.1.1 Einkaufsreisen und Hinweise auf verfolgungsbedingte Verkäufe

Während der Befragungen zur Herkunft von Linz-Werken schrieb Maria Dietrich 1949 in einer eidesstattlichen Erklärung folgende Zeilen nieder: „Die von mir in Wien und Österreich nach dem Anschluss Österreichs getätigten Bilderkäufe sind durchwegs auf Grund von Angeboten, die überwiegend durch Kunsthändler direkt oder als Vermittler auftretende Zwischenhändler getätigt wurden, erfolgt. Entsprechend der prodeutschen Anschluss- Stimmung und dem für damalige österreichische Verhältnisse hohen Preisniveau in Deutschland wurden diese Verkaufs-Angebote, wie es ja auch aus dem Charakter einer Offerte hervorgeht, alle aus freien Stücken gemacht und wurde man damit förmlich überschwemmt. Diese Angebote, die meistenfalls sogar nach München geschickt wurden, wurden in München vorgearbeitet, sodass in Wien direkt mit dem Vermittler oder dem Eigentümer abgeschlossen werden konnte. Meine sämtlichen Abschlüsse in Wien, wie auch die hierbei noch notwendig gewordenen Besichtigungen, tätigte ich nur in Begleitung eines Mitarbeiters oder einer Vertrauensperson. Abgesehen von der erhärtenden Tatsache des freiwilligen Angebotes kann von der Anwendung von Druck oder Zwang aus politisch -oder rassischen Gründen bei den Besichtigungen oder Kaufabschlüssen überhaupt keine Rede sein, was ich hiermit in voller Würdigung der Bekräftigungsformel ‚unter Eidesstatt‘ erkläre. Diese meine Erklärung kann ich zudem generell, wie auch in jedem Einzelfall durch das Zeugnis meiner jeweiligen Begleitung weiterhin unter Beweis stellen.“687

Entgegen ihrer Aussage kann jedoch anhand zahlreicher Beispiele nachgewiesen werden, dass Maria Dietrich Kunstwerke von jüdischen Sammler:innen erwarb, die unter Druck standen. Außerdem legte sie im Juni 1938 beim Bundesdenkmalamt in Wien zwei Legitimationen vor. Diese besagten zum einen, dass sie im Auftrag des „Führers“ reisen würde und die ausgeführten Bilder für diesen bestimmt wären. Zum anderen wurde ihr vom Staatssekretär Kajetan Mühlmann und vom Staatskommissar Walter Rafelsberger bestätigt, dass sie berechtigt wäre, Kunstgegenstände aus jüdischem Besitz zu kaufen und ohne Genehmigung der Zentralstelle auszuführen. Diese Schreiben belegen, dass sie gezielt nach Wien reiste, um mutmaßlich unrechtmäßig erworbene Kunstwerke nach Deutschland auszuführen.688

687 BArch Koblenz, B323/331, Bl. 79: Eidesstattliche Erklärung, 6.5.1949. Abb. des Dokuments in: Ausst.-Kat. Raub und Restitution. Kulturgut aus jüdischem Besitz von 1933 bis heute, hg. von Inka Bertz für das Jüdische Museum Berlin und Jüdische Museum Frankfurt am Main, Göttingen 2008, S. 79. 688 BDA Wien, Dokument der Zentralstelle für Denkmalschutz, Personalmaterialien, Mappe Almas, o. Bl.: „Maria Almas legte am 11.6.1938 zwei Legitimationen vor: 1) Unterschrift des Stabschef Lutze – Bestätigung Auftrag Führer 2) Papier der Reichsstatthalterei, angefertigt von Staatssekretär Mühlmann und Staatskommissar Raffelsberger [sic]“. 172

Die Reisen verliefen vergleichbar, dabei gewährte ihr ein Passierschein freie Fahrt. Am 25.4.1938 kam Maria Dietrich von einer ihrer ersten Reisen aus Österreich zurück nach Deutschland: „Frau Maria Almas reist im Auftrage des Führers ins Altreich zurück. Die mitgeführten Bilder sind für den Führer bestimmt. Alle Behörden, Parteidienststellen und besonders die Zollorgane an der ehemaligen deutschösterreichischen Grenze werden ersucht, Frau Almas in jeder Weise behilflich zu sein.“689 Fünf weitere Reisen nach Wien zur Beschaffung von Kunstwerken können allein in den Jahren 1938/39 über Ausreisedokumente nachgewiesen werden, die folgende Daten tragen: 13.6.1938, 21.6.1938, 12.7.1938, 18.10.1938 und 22.5.1939.690 Dass sie sich in dem betrachteten Zeitraum auch zu weiteren Zeitpunkten in Wien aufhielt, lässt sich etwa über Hotelbelege zeigen. Im erstklassigen Hotel Bristol, direkt neben der Oper gelegen, war sie im fraglichen Zeitraum vom 7.9. bis 12.9.1938 gemeldet.691 Anhand der Ausfuhrmaterialien im Wiener Bundesdenkmalamt (BDA) können ihre Reisen weiter nachvollzogen werden. Wenn Dietrich Österreich mit ihren Erwerbungen verlassen wollte, musste sie Ansuchen um Ausfuhrbewilligung stellen, in denen die jeweiligen Objekte und der Empfänger aufgeführt wurden: Am 21.6.1938 führte Dietrich bspw. ein Werk von Hans Canon mit dem Titel „Sieg der Gerechtigkeit“ aus.692 Am 12.7.1938 sind es drei Ölgemälde („Nymphen und Königin“ und zwei Waldlandschaften)693 und am 18.10.1938 ein „Crystall-Luster“, der „gebührenfrei ins Altreich“ transportiert wurde.694

Dietrichs Beteiligung an zahlreichen Sammlungsverlusten von neun betroffenen Familien kann über die Restitutionsmaterialien des BDA teilweise rekonstruiert werden. Im Gegensatz zu vielen anderen Transaktionen, etwa in Frankreich und den Niederlanden, sind hier ganz konkrete Angaben zu den Vorbesitzer:innen möglich.

Hortense und Hermann Eissler Am 13.6.1938 richtete Maria Dietrich ein handschriftliches Gesuch an die Zentralstelle für Denkmalpflege mit der Bitte, Kunstwerke ausführen zu dürfen. In ihrem darauffolgenden

689 Österreichisches Staatsarchiv/Archiv der Republik (kurz: ÖStA/AdR), RK/Korrespondenzen, Marie Almas (Abkürzung „RK“ steht für den Bestand „Reichskommissar für die Wiedervereinigung Österreichs mit dem Deutschen Reich (1938– 1940)“), o. Bl.: Reisebescheinigung, unterschrieben mit „Lutze“. 690 BDA Wien: Datei „Ausfuhren“; die jeweils ausgeführten Kunstwerke sind hier aufgeführt. 691 Stadt- und Landesarchiv, Wien, Historische Meldeunterlagen, D-Antiquariat: In den historischen Meldeunterlagen sind Dietrichs Aufenthalte durch zwei Hotelmeldungen im Hotel Bristol nachzuweisen: Als Marie Almas, Kunsthändlerin, geb. 28.6.1892, Geburtsort Türkei, war sie hier vom 7.9. bis 12.9.1938 gemeldet. Als Maria Dietrich-Almas, geb. 28.6.1892, Geburtsort München, war sie hier vom 12.2. bis 16.2.1940 gemeldet. 692 BDA Wien: Ausfuhrmaterialien, 1724-1938. 693 BDA Wien: Ausfuhrmaterialien, 2565-1938. 694 BDA Wien: Ausfuhrmaterialien, 7273-1938. Einige der nicht näher bezeichneten Objekte, die in den Ausfuhrmaterialien genannt werden, könnten mit ebenfalls nicht näher beschriebenen Werken identisch sein, die in den Restitutionsmaterialien des Bundesdenkmalamtes auftauchen. 173

Ansuchen um Ausfuhrbewilligung, ebenfalls datiert auf den 13.6.1938, wurden dann vier „Apothekertafeln“ von Ferdinand Georg Waldmüller genannt. Als Empfänger ist das „Führerhaus, München (z. H. Architekt Reger)“ angegeben. Die Ausfuhr wurde am selben Tag gebührenfrei auf Anordnung des Reichsstatthalters Arthur Seyß-Inquart bewilligt und Dietrich konnte die vier Tafeln direkt in zwei Kisten mit der Bahn nach München transportieren.695 Die Apothekertafeln stammten aus der Wiener Sammlung von Hermann und Hortense Eissler (Erbin Berta Morelli)696 und verließen diese Sammlung im selben Monat (Juni 1938), vermutlich durch einen Zwangsverkauf an Maria Dietrich. Die Tafeln gelangten später als sehr frühe Eingänge in den Bestand des „Sonderauftrags Linz“ (Linz-Nr. 38–41). Nach Kriegsende wurden die Stücke nach Österreich (Belvedere) gegeben und im Januar 2012 an die rechtmäßigen Erben restituiert. Der österreichische Kunstrückgabebeirat hatte die Rückgabe am 24.6.2009 empfohlen, da er den Verkauf der Bilder im unmittelbaren Zusammenhang mit der Vorbereitung der Flucht Hermann Eisslers einschätzte. Die Tafeln wurden nach ihrer Restitution im Dorotheum (17.4.2012, Los 179) versteigert und befinden sich nun wieder in Wiener Privatbesitz.697 Ein weiteres Werk aus der Sammlung Eissler, mit dem Dietrich am 22.5.1939 ausreiste, wird als Leihgabe der Bundesrepublik Deutschland bei den Bayerischen Staatsgemäldesammlungen aufbewahrt. Es handelt sich um Ferdinand Georg Waldmüllers „Waldbach Strubb“ (Inv.-Nr. L 1046, Linz-Nr. 733, Suchmeldung Lost Art-ID 417718). Das Bundesamt für zentrale Dienste und offene Vermögensfragen (BADV, jetzt BVA) ermittelte wegen des Bildes zur Familie Eissler und kam 2004 zu folgendem Schluss: „Dr. Eissler, geb. 1860 in Wien, war Großindustrieller und Sammler vor allem österreichischer Maler. Er zählte nach der Annexion Österreichs 1938 zum Personenkreis der aus rassischen Gründen Kollektivverfolgten und unterlag mithin den nationalsozialistischen Verfolgungsmaßnahmen. Er schenkte und übergab seine Bildersammlung und die sonst ihm gehörigen Sachen laut ihrer Aussage im Jahre 1938 an seine Ehefrau Hortense Eissler, geb. Kopp, geb. 1895. Sie galt nach den nationalsozialistischen Rassegesetzen als ‚Arierin‘. Das Ehepaar ließ sich im August 1939 offiziell scheiden. Dr. Eissler war zuvor in das Ausland emigriert. Die Sammlung Eissler war im Oktober 1938 gemäß § 4a des österreichischen Ausfuhrverbotsgesetzes von

695 BDA Wien: Ausfuhrmaterialien, 1509-1938. 696 BDA Wien: Restitutionsmaterialien, Karton 41/2 (Mises – Mussulin), Personenmappe Bertha Morelli, II. 1946–64, Bl. 108ff. Auch relevant: Bl. 32ff., Bl. 68ff. S. auch Lillie 2003, S. 322–329. Lexikon der österreichischen Provenienzforschung: Eintrag Hermann Eissler, verfasst von Anneliese Schallmeiner 2017 (http://www.lexikon-provenienzforschung.org/eissler- hermann – zuletzt besucht am 14.4.2019). 697 Bundeskanzleramt Wien, Kunstrückgabebeirat: Ergebnisse der 47. Beiratssitzung vom 24. Juni 2009. Vgl. Lost Art-ID 417721, 417775, 417776, 417777. 174

1923 sichergestellt worden. Die Behörden wollten mit der Beschlagnahme verhindern, dass Gemälde der Sammlung ohne Ausfuhrgenehmigung durch die Zentralstelle für Denkmalschutz ins Ausland verbracht werden. Die Gemälde blieben aber in der Wohnung der Hortense Eissler. Frau Hortense Eissler versuchte das Gemälde von Waldmüller [„Waldbach Strubb“] zunächst über die Neue Galerie in Wien an die Galerie Arnold in Deutschland zu verkaufen. Danach bot sie das Gemälde direkt der Münchener Kunsthändlerin Maria Almas- Dietrich zum Kauf an, die es Hitler zeigte und dann für das Deutsche Reich, den ‚Sonderauftrag Linz‘, erwarb. Die Beschlagnahmung der Sammlung Eissler wurde erst 1943 wieder aufgehoben, nachdem einige Gemälde mit Genehmigung verkauft worden waren. Frau Eissler ist bei dem Verkauf des Gemäldes als Alleineigentümerin in Erscheinung getreten. Aufgrund der Trennung von ihrem Ehemann bestand keine Schicksals- und Verfolgungsgemeinschaft mehr. Sie selbst unterlag keinen Verfolgungsmaßnahmen. Mithin handelt es sich bei dem Verkauf des Gemäldes um keinen NS-verfolgungsbedingten Vermögensverlust.“698 Auch Waldmüllers „Das belauschte Paar“, mit dem Dietrich ebenfalls am 22.5.1939 ausgereist war, stammte aus der Sammlung Eissler (Suchmeldung Lost Art-ID 417863). Heute befindet sich das Bild im Museum Georg Schäfer, Schweinfurt. Zwischenzeitlich war es aus der Sammlung Schäfer an die Bayerischen Staatsgemäldesammlungen (Inv.-Nr. L 1847) ausgeliehen worden. Das Bild wurde von Georg Schäfer 1958 aus unbekanntem Kunsthandel (möglicherweise direkt von der Galerie Almas?) erworben. Es liegen weder eine Linz- noch eine Mü-Nr. vor.699 Nach der Argumentation des BVA dürfte auch hier keine Restitution zu erwarten sein, weil der Verkauf ebenfalls erst 1939, das heißt, nicht um Hermann Eisslers Flucht zu finanzieren, stattfand. Bei dieser vorerst letzten Ausreise am 22.5.1939 führte Dietrich neben den beiden erwähnten Gemälden Waldmüllers noch dessen „Altausseer See“ (Linz-Nr. 734) aus der Sammlung Eissler im Reisegepäck mit sich. Die Ausfuhr ins „Altreich“ wurde gebührenfrei bewilligt – als „Ansichtssendung für die Kanzlei des Führers und Reichskanzlers“.700

698 Nachträgliche Anm. d. Verf. im Dezember 2020: 2020 wurden dieses Werk und auch Linz-Nr. 734 doch restituiert. Die ursprünglich ablehnende und hier zitierte Begründung lässt sich über die Provenienzdatenbank des Bundes nicht mehr nachvollziehen. 699 Die Rückseite des Gemäldes wurde von der Verf. im Museum Schäfer, Schweinfurt geprüft. Folgende Bezeichnungen finden sich auf der Rückseite bzw. auf dem Rahmen: 284, 9935, 1675, „250 Romantik und Realismus in Österreich Schloss Laxenburg 1968“ [Ausstellung], Inv.-Nr. 2880. Roessler/Pisko 1907, S. 243: Als Besitzer sind Gottfried und Dr. Hermann Eißler, Wien angegeben. 700 BDA Wien: Ausfuhrmaterialien 4107-1938. 175

Gisela und Eduard Schweinburg Eine Liste mit den gesuchten Werken aus dem Besitz Margit Löfflers, geb. Schweinburg (1890–1975), und deren Eltern Gisela (1866–1942) und Eduard (1869–1940) Schweinburg wurde im März 1950 von der Österreichischen Rückstellungskommission an Eberhard Hanfstaengl, den Generaldirektor der Bayerischen Staatsgemäldesammlungen, weitergeleitet. Nachdem die Nachforschungen in den Beständen des ehemaligen Central Collecting Points ergebnislos verlaufen waren, reichte Hanfstaengl die Liste an die Galerie Almas weiter. Diese antwortete, dass sich von den aufgeführten Bildern keines in ihrem Besitz befinden würde, sie sich weder erinnern könne von einer Frau Löffler Bilder übernommen zu haben, noch dass sie an Göring Bilder geliefert hätte. Zudem hätte sie weder beschlagnahmte Bilder in Wien erworben, noch Bilder ohne Bezahlung erhalten.701 Margit Löffler hingegen hatte angegeben, dass sie Rudolf von Alts Ölgemälde „Markuskirche“ und „Inneres der Markuskirche“ (Linz-Nr. 312?702) sowie ein Aquarell von Alt, „Kircheninterieur“, und zwei Landschaften von Leistikow und Landschaften von Gauermann (1), Marko (2) und Hörmann (2) unter Zwang an Maria Dietrich abgegeben hätte, ohne eine Entschädigung erhalten zu haben. Die Werke wären durch Dietrich an Hermann Göring gegangen. Die gesuchten Kunstwerke lassen sich nicht in der Sammlung Göring nachweisen. Den Künstlernamen nach zu urteilen, wäre eine Zuordnung in Hitlers Sammlungen wahrscheinlicher.

Stephan Kerlin Zwei Werke erwarb Maria Dietrich aus der Sammlung von Stephan Kerlin. Der Standort von Ferdinand Georg Waldmüllers „Bettelnder Knabe“ (59,5 x 44,5 cm) ist heute nicht bekannt.703 Nach Budapest wurde 1946 ein weiteres, mit „Begger-boy“ betiteltes Gemälde von Waldmüller (Mü-Nr. 1099/20) gegeben: „Der bettelnde Knabe vom Magdalenengrund in Wien“ (65,5 x 52,5 cm) wird seither im Szépművészeti Múzeum, Budapest (Inv.-Nr. 378.B) aufbewahrt. Das zweite Werk, Rudolf von Alts Aquarell „Hof des Dogenpalastes“, könnte mit der Linz- Nr. 192 identisch sein. Die Bildbeschreibung in der herangezogenen Akte im

701 BDA Wien, Restitutionsmaterialien, Karton 40/2 (Lion – Luzzato-Pollitzer), Personenmappe Margit Loeffler, Bl. 149: Direktion der BStGS an die Österreichische Rückstellungskommission, 17.4.1950. S. auch Lillie 2003, S. 1198, Fußn. 17: Lillie bezieht sich auf BArch Koblenz, B323/467: Eintragung Arch. Schweinburg, Wien, in: Gesamtverzeichnis der gesuchten Kunstgegenstände österreichischer Herkunft zusammengestellt aus Ursprungsverzeichnissen, Münchner Suchliste und Suchkartei. Einige der in der Akte genannten Werke könnten mit den am 12.7.1938 ausgeführten Objekten identisch sein. 702 Vgl. BVA Provenienzdatenbank: Eintrag zu Linz-Nr. 312. Lost Art-ID 219350. BArch Koblenz, B323/331, Bl. 85. 703 Roessler/Pisko 1907, S. 232: Als Besitzer ist hier Josef Bratmann, Wien, der Schwiegervater von Stephan Kerlin, angegeben. Nicht in Feuchtmüller 1996. 176

Bundesdenkmalamt Wien (Bl. 26) gibt auch die Darstellung eines Brunnens an und die Maße stimmen fast überein, allerdings handelt es sich laut der Angabe Kerlins um ein Aquarell. Die entsprechenden Datenbanken geben für die Linz-Nr. 192 jedoch Öl auf Pappe an. Auch die Linz-Nr. 317 (Aquarell) kommt daher in Frage.704 Verkauft hatte Kerlin die Werke im Herbst 1938 an Maria Dietrich, nachdem sie ihn laut Kerlin erpresst und mit der Gestapo gedroht hatte. Da seine Bilder ansonsten angeblich beschlagnahmt worden wären, verkaufte er sie seiner Meinung nach zu niedrigen Preisen: „Im Herbst 1938 wurde die Kunsthändlerin Frau Almas aus München an mich gewiesen und gab an, den Auftrag zu haben, für Hitler Bilder zu kaufen. Auf meine Weigerung hin, die oben erwähnten Bilder herzugeben, behauptete sie, falls ich die Bilder nicht freiwillig verkaufe, mir dieselben enteignet würden. Nach dem dritten Besuch der Frau Almas gab ich ihrem Drängen nach und um einer gewaltsamen Enteignung zu entgehen, verkaufte ich ihr dieselben zum Preise Waldmüller RM 8.000.-, Alt RM 3.000.-.“705 Seit 1948 wurden Nachforschungen zu den beiden Bildern getätigt. Wiederum wurde Eberhard Hanfstaengl in die Recherche der vermissten Bilder einbezogen. Nach seiner Rücksprache mit Wilhelm Neithardt, dem Anwalt von Maria Dietrich, konnte er am 24.2.1950 melden, dass Dietrich die gesuchten Bilder an die Sammlung Linz oder Martin Bormann weiterverkauft hätte. Die Bilder konnten jedoch nicht im Central Collecting Point aufgefunden werden. Maria Dietrich gab den Kauf zwar zu, bestritt aber, bei den Verkaufsverhandlungen Druck ausgeübt zu haben.706

Jenny und Richard Stein Richard Stein meldete 1956 Rückerstattungsansprüche beim Bundesamt für Äußere Restitution, Bad Homburg, für die durch Maria Dietrich bei ihm erworbenen Werke an, für die sie insgesamt 7.000.- RM gezahlt hatte. Es handelte sich um: Emil Jakob Schindlers „Weg mit Pinien“, Ferdinand Georg Waldmüllers „Mutter mit Kindern unter einem Blütenstrauch“, Rudolf von Alts „Dogenpalast in Venedig, Vorderansicht“ (Linz-Nr. 317?) und „Steyrische Werkstätte mit spitzem Dach, ein Rad im Vordergrund und Kurhaus in Teplitz-Schönau“. Im Protokoll wurde Folgendes festgehalten: „Ende April 1938 erschien die Besitzerin der Gemäldegalerie ‚Almas‘ in München [...] bei mir und teilte mir mit, dass die mir gehörigen

704 BArch Koblenz, B323/331, Bl. 92: Linz-Nr. 192. Bl. 85: Linz-Nr. 317. 705 BDA Wien, Restitutionsmaterialien, Karton 39/1 (Kean – Knüpffer), Personenmappe Stephan Kerlin, Bl. 30: Stephan Kerlin, Wien an das Bundesdenkmalamt Wien, 13.4.1948. 706 BDA Wien, Restitutionsmaterialien, Karton 39/1 (Kean – Knüpffer), Personenmappe Stephan Kerlin: insb. Bl. 2, 6. Bl. 9, 15, 24: RA Wilhelm Neithardt an Georg v. Klaudy, Vilshofen Ndb. (vermutlich Vertreter von Kerlin), 23.8.1948: Antwort auf Anschuldigungen. S. hierzu auch BArch Koblenz, B323/357, Bl. 164f., hier Bl. 165: Österreichische Rückstellungsmission, Bad Salzuflen an Wilhelm Neithardt, München, 12.1.1950. 177

Gemälde beschlagnahmt werden sollen. Sie erklärte in der Lage zu sein, mein Eigentum ankaufen und hiedurch die Beschlagnahme abwenden zu können.“707 In der Angelegenheit wurde Maria Dietrich als Zeugin vernommen. Sie sagte dem Protokoll widersprechend aus: „Ich bin zwar [...] 1938 mehrfach in Wien gewesen und habe dort auch mehrfach Bilder, vor allem mir durch Kommissionäre angebotene Bilder, im Rahmen meines Berufes als Kunsthändlerin angekauft. [...] Mit Sicherheit weiss ich jedoch, dass ich in keinem Fall in dem ich irgendein Bild angekauft habe, erklärt habe, ich würde einen oder mehrere Kunstgegenstände ankaufen, um eine Beschlagnahme vor allem von Juden abzuwenden.“708

Irma und Oskar Löwenstein Auch Oskar (1868–vermutlich 1955) und Irma Löwenstein (1892–?, geb. Sametz, in zweiter Ehe Irma Austin) zählten seit dem „Anschluss“ Österreichs zum Personenkreis, der aus rassischen Gründen Verfolgten. Sie mussten daher ihr Vermögen über das „Verzeichnis über das Vermögen von Juden“ nach dem Stand vom 27.4.1938 gegenüber den Finanzbehörden am 29.6.1938 anmelden. Aus den entsprechenden Unterlagen ergibt sich, dass die Eheleute Löwenstein in unmittelbarer Vorbereitung ihrer Emigration nach London, die im August oder September 1938 erfolgte, drei Waldmüller-Gemälde im Sommer 1938 mit Genehmigung der Vermögensverkehrsstelle für insgesamt 33.600.- RM (abzüglich 900.- RM Provision [an wen ist unbekannt]) an Maria Dietrich verkauft hatten. 32.700.- RM wurden bei der Zentralsparkasse der Stadt Wien eingezahlt.709 In den verfügbaren Unterlagen im Archiv der Republik kommt nicht zur Sprache, dass Maria Dietrich Druck ausgeübt hätte. Das Werk „Vorbereitung zum Winzerfest“ wird in der Datenbank des „Sonderauftrag Linz“ als „Kinderszene auf der Tenne mit Tanz“ (Linz-Nr. 172) ohne eine Erwähnung Maria Dietrichs geführt. Es wurde als Leihgabe der Bundesrepublik Deutschland bei den Bayerischen Staatsgemäldesammlungen unter dem Titel „Vorbereitung zum Fest“ (Inv.-Nr. L 857) aufbewahrt. Waldmüllers „Besuch der Großeltern“ (Linz-Nr. 221) war als Leihgabe der Bundesrepublik Deutschland im Museum für Kunst und Kulturgeschichte in Dortmund zu finden. „Der Bettler/Das gutmütige Kind; Almosen spendendes Kind“ (Linz-Nr. 100) befand

707 Zit. n. Hopp 2015, S. 171 und Fußn. 162: Hopp bezieht sich auf: BDA Wien, K 47/1 PM Stein, Richard. Abschrift einer Aussage Steins vom 28.4.1956. 708 Zit. n. Hopp 2015, S. 171. Ebenda, S. 164: Hopp bezieht sich auf: Bundesamt für Äußere Restitutionen, Koblenz, OeR 167 167 (K) Stein, Richard. Rückerstattungsantrag Stein/Bloch vom 18.4.1956, schriftliche Aussage Maria Dietrich, 7.5.1957. 709 Lillie 2003, S. 728f. Fußn. 5. ÖStA/AdR, E-uReang VVSt VA Buchstabe L 28887, Irma Löwenstein: u. a. Aufstellung II, 17.10.1938, Devisenfahndungsamt; nach einer Schätzung von Prof. E. Schaffran, Wien wurden Preise festgesetzt: „Bettler vor der Haustüre“ (7.400.-), „Tanz in der Schenke“ (17.800.-), „Besuch der Großeltern“ (7.500.-). Über die Akte lassen sich die Schätzung weiterer Kunstwerke, Beschlagnahme und Einziehung des Vermögens sowie die Zahlung der „Reichsfluchtsteuer“ nachvollziehen. 178 sich als Kunstbesitz der Bundesrepublik Deutschland bei der Stiftung Kunstforum Ostdeutsche Galerie in Regensburg. Die Prüfung des Sachverhalts durch das BVA ergab, dass es sich bei den drei Verkäufen von Löwenstein an Dietrich um NS-verfolgungsbedingte Vermögensverluste handelt. Daher erfolgte 2019 die Rückgabe der Gemälde an die Erben.

Julia und Edgar Schiffmann Der Musikprofessor Edgar Schiffmann (1895–?) war der Vorbesitzer der Werke „Landschaft mit Kühen und Ziegen am Wasser“ von Friedrich Gauermann (Linz-Nr. 543) und „Ossian und Malvina am Meeresstrand“ von Johann Peter Krafft (Linz-Nr. 553). Beide Werke wurden 1938 unter Zwang verkauft. Das Bild von Gauermann wurde 1959 nach Österreich überwiesen, das von Krafft ist im Mai 1947 von der Roten Armee aus Thürntal abtransportiert worden oder in St. Agatha bei Altaussee verbrannt.710 Ein Rückstellungsantrag bezüglich der Werke wurde 1948 von Julia Schiffmann (?–spätestens 1958), der Witwe von Edgar Schiffmann, gestellt. Eine Rückforderung zweier weiterer Werke aus der Sammlung Schiffmann, nämlich Hermann Baischs „Segelschiff und Pferde“ und Barend Cornelius Koekkoeks „Mühle im Walde“, wird in der eingesehenen und hier zitierten Akte nicht ersichtlich. Möglicherweise war eine Rückgabe dieser Bilder bereits zu einem früheren Zeitpunkt erfolgt. Eine Übereinstimmung mit den von Dietrich an Linz gelieferten Werken konnte jedenfalls nicht festgestellt werden. Vielleicht verblieben sie aber auch bei der Galerie Almas oder wurden durch diese anderweitig verkauft. Eine Ablehnung des Restitutionsantrags bezüglich des Bildes von Peter Krafft erfolgte am 5.11.1959, da das Bild nicht auffindbar war. Die Rückgabe des Gemäldes von Friedrich Gauermann erfolgte, obwohl der Anspruch am 5.11.1959 nach Schwierigkeiten bei der Identifizierung anerkannt worden war, erst 1961, also nach dem Tod von Julia Schiffmann, an deren Schwester Elfriede Jedliczka-Heckel. In beiden Fällen stand im Argumentationsschreiben: „Sie [Julia Schiffmann] trägt zur Begründung vor, im November 1938 sei der Eigentümer des Gemäldes, Prof. Edgar Schiffmann, Wien, aus rassischen Gründen verhaftet worden. Unmittelbar darauf sei die Münchener Kunsthändlerin Maria Dietrich bei der Ehefrau des Verhafteten erschienen und habe erklärt, sie sei von der Führerkanzlei beauftragt, Kunstgegenstände aus jüdischem Besitz zu ‚erstehen‘. Frau Dietrich habe sich in der Wohnung vier wertvolle Gemälde ausgesucht, darunter auch das oben

710 BDA Wien, RH 11/2002, Edgar Schiffmann, Bl. 109: Julia Schiffmann an Bundesministerium für Vermögenssicherung und Wirtschaftsplanung, Wien, 25.6.1948: Stefanie Brechtl (Freundin von Julia Schiffmann) soll das Bild von Krafft im CCP identifiziert haben. S. auch Hinweis auf Restitutionsanträge gegen die BRD, Liste III/24 F., Bl. 101: „Das unter Pos. 24b geführte Gemälde von Peter Krafft ist nach Auskunft des BAFÄR [Bundesamt für Äußere Restitutionen] im CACP München [CCP] gestohlen worden.“ 179 bezeichnete von Peter Kraft [sic]. Die Bilder seien dann im Auftrag von Frau Dietrich weggeschafft worden. Als Entschädigung habe sie – ohne jegliche Vereinbarung – RM 5.000.- gezahlt.“711 Ein nicht datierter Briefentwurf (wahrscheinlich von 1948) von Julia Schiffmann an Maria Dietrich diente u. a. dazu, der Kunsthändlerin die Art und Weise ihres Vorgehens im November 1938 in Erinnerung zu rufen und die aktuellen Standorte der Kunstwerke herauszufinden. Die hierin enthaltene Beschreibung des problematischen Verhaltens von Dietrich, auch in der Nachkriegszeit, wurde in dieser Deutlichkeit selten dokumentiert. Daher wird hier das vollständige Schreiben zitiert: „Meine Freundin Frau Steffi Brechtel hat bei Ihnen wegen des seinerzeitigen Ankaufes von 4 Bildern u. zwar: Peter Kraft, Herm. Baisch, Friedr. Gauermann, Hermann Barden Koekoek, zum Gesamtpreis v. 5.000 MK. interveniert u. hiebei, die ihr von mir über diesen Ankauf gemachte Schilderung an Sie weitergegeben. Um Mißverständnissen über die Berechtigung – von einem Auftrag will ich mit Rücksicht auf die guten Beziehungen zu meiner Freundin gar nicht reden – hinten zu halten, will ich Ihnen in nachstehenden [Worten] die damaligen Vorgänge ins Gedächtnis zurückrufen. – Es war im November 1938, als Sie mit einem Herrn Otto Brettschneider u. einer Wiener Kunsthändlerin um 8h früh in meiner Wohnung erschienen u. sagten, Sie hätten erfahren, daß ich Bilder verkaufen will, weil ich durch den Aufenthalt meines jüdischen Mannes im Konzentrationslager Dachau in finanzieller Not wäre. Es wurden dann von Ihnen die obengenannten 4 Bilder ausgesucht und hierfür der Preis von 5.000 Mark insgesamt angeboten. Dieser Betrag erschien mir u. auch anderen Kunstsachverständigen als viel zu niedrig. Sie äusserten dann, daß ich, da es sich um jüdisches Vermögen handelt, überhaupt nichts verkaufen dürfe, außer an Sie, weil sie auf Grund des mir gezeigten Schreibens der Führerkanzlei allein berechtigt wären, Kunstgegenstände aus jüdischem Besitz sowohl für den Führerbau, als auch für die Herren Ribbentrop und Göring anzukaufen. Ich war immer noch nicht bereit zu diesem Preis zu verkaufen u. habe mich erst dann dazu bereit erklärt, als Sie der Meinung Ausdruck gaben, Sie könnten durch diesen Verkauf eine Entlassung meines Mannes aus dem Konzentrationslager Dachau wahrscheinlich erwirken. Um diese wie es nachträglich sich herausstellte – Täuschung vollzumachen, haben Sie mich sogar veranlasst ein curriculum vitae meines Mannes aufzusetzen – dies geschah im Beisein meiner inzwischen von den Nazis im K.Z. ‚vergasten‘ Schwiegermutter in einem Nebenraum, zu dem die Türen offen waren. Ich übergab Ihnen dieses curriculum vitae damals voll Hoffnung u.

711 BDA Wien, RH 11/2002, Edgar Schiffmann, Bl. 37–39: Bundesamt für Äußere Restitutionen, Bad Homburg, Ablehnung des Restitutionsantrages zu Peter Krafft, 5.11.1959. Bl. 45–48: Bundesamt für Äußere Restitutionen, Anerkennung des Restitutionsanspruches zu Friedrich Gauermann, 5.11.1959. 180 war gleichzeitig damit einverstanden die weitaus hochwertigeren Bilder für diesen Betrag zu opfern. Wie weit in dieser Hinsicht ein Zwang von Ihnen ausgeübt wurde, das zu beurteilen habe ich schon vor Monaten der hierfür in Wien zuständigen Stelle, das ist Kanzlei f. Rückführung für verschleppte Kunstschätze, I. Bundeskanzleramt im Auftrage meines inzwischen ohne Ihre Hilfe aus dem K.Z. entlassenen u. nach Amerika ausgewanderten Mannes Professor Edgar Schiffmann der bereits amerikanischer Staatsbürger ist, durch eine gleichlautende Schilderung wie oben stehend, überlassen. Ich bedaure ausserordentlich, wenn meine Freundin Frau St. B. auf Sie den Eindruck einer Schwindlerin gemacht haben sollte, anders kann ich mir den Brief Ihres Rechtsanwaltes an die genannte Dame nicht erklären, denn ich muß annehmen, daß ein Rechtsanwalt einen solchen Brief nur dann schreiben kann[,] wenn er wissentlich oder unwissentlich von Ihnen falsch instruiert wurde. Im übrigen wird die Rückgabe der Bilder an mich von der zuständigen Stelle in München ausgetragen werden, wichtig für mich u. über mein Ersuchen auch für Frau B. war und ist einzig und allein vorläufig die Feststellung wo die Bilder sich derzeit tatsächlich befinden. Dies wurde Ihnen auch von meiner Freundin einwandfrei erklärt. Der überflüssige Kraftaufwand durch Ihren Rechtsanwalt erscheint mir daher etwas vorsorglich.“712 Der Briefentwurf wirft einige Fragen auf, die momentan nicht beantwortet werden können: Wer machte Maria Dietrich unmittelbar nach der Verhaftung von Edgar Schiffmann auf die Situation von Julia Schiffmann aufmerksam? War die genannte Wiener Kunsthändlerin möglicherweise Karoline Nehammer (1888–?)?713 Begleitete diese Kunsthändlerin Maria Dietrich regelmäßig? Kann man Ludwig Bretschneider (Vorname Otto war wohl Versehen) sogar als Mitarbeiter Maria Dietrichs bezeichnen? (s. Eidesstattliche Erklärung von Maria Dietrich vom 6.5.1949, in der sie schreibt, dass sie Besichtigungen in Begleitung eines Mitarbeiters durchführte, und „Gedächtnisprotokoll“, wahrscheinlich von Julia Schiffmann verfasst, in dem diese ihn als Mitarbeiter bezeichnete,714 sowie weitere Berührungspunkte Ludwig Bretschneider; vgl. u. a. Kap. 4.5). Des Weiteren verwundern die Verweise auf

712 BDA Wien, RH 11/2002, Edgar Schiffmann, Bl. 77: Julia Schiffmann an Anna [sic] Dietrich, München, o. D. Bl. 76: Eidesstattliche Erklärung von Anna Margarete Bartosch, 15.10.1958: „Bei einem Besuch im Herbst 1938 (der Gatte meiner Freundin Herr Prof. Schiffmann wurde eben verhaftet) erfuhr ich von meiner Freundin, daß sie nun zwangsweise die bezeichn. 4 Bilder verkaufen müsse um – wie ihr versprochen wurde, ihren Mann damit befreien zu können.“ 713 Lexikon der österreichischen Provenienzforschung, Eintrag zu Karoline Nehammer, verfasst von Gabriele Anderl 2018 (http://www.lexikon-provenienzforschung.org/nehammer-karoline – zuletzt besucht am 14.4.2019): „Auf Anstoß des Staatsamts für Inneres, Dienststelle für Vermögenssicherung, wurde nach Kriegsende ein gemeinsames Volksgerichtsverfahren gegen Karoline Nehammer, Rudolf Prinz und Oskar Hamel eingeleitet, und zwar wegen missbräuchlicher Bereicherung (§ 6 des Kriegsverbrechergesetzes). Die Dienststelle für Vermögenssicherung im Staatsamt für Inneres warf Nehammer im Vorlagebericht für die Staatsanwaltschaft vor, dass sie während der NS-Zeit Kunstgegenstände verfolgter Jüdinnen und Juden zu Schleuderpreisen an sich gebracht und dann weiterverkauft und auf diese Weise ihr Vermögen erheblich vergrößert habe. Das im Herbst 1945 eingerichtete Bundesministerium für Vermögenssicherung und Wirtschaftsplanung sprach von exorbitanten Spannen zwischen Ein- und Verkaufspreisen.“ Otto Hamel war Nehammers Geschäftspartner. 714 BDA Wien, RH 11/2002, Edgar Schiffmann, Bl. 111: handschriftliche Notiz, o. D. 181

Göring und Ribbentrop, zumal bislang kein konkreter Zusammenhang zwischen dem Reichsminister des Auswärtigen, (1893–1946), und Maria Dietrich entdeckt werden konnte.

Karl Ruhmann Karl Ruhmann hat Rudolf von Alts Aquarell „Bronze-Kandelaber mit Dame im blauen Kleid“ 1938 wohl an Maria Dietrich zwangsverkauft.715 Das Werk kann nicht eindeutig dem Linz- Bestand zugeordnet werden. Ruhmann war außerdem der Vorbesitzer von Rudolf von Alts Ölbild „Selbstbildnis im Atelier“ (34 x 49,5 cm).716 In einem Brief seines Anwalts vom 17.12.1951 bezieht sich dieser bezüglich der beiden Bilder darauf, dass sie seinem Mandanten entzogen, von der Münchner Kunsthändlerin Maria Dietrich erworben und von ihr weiterveräußert worden wären.717 Eine etwas divergierende Angabe findet sich in einem Verzeichnis der von Österreich rückgeforderten Kunstgegenstände. Hier heißt es, dass beide Bilder laut Angabe des Eigentümers im Jahre 1938 unter Zwang verkauft wurden und für Hitler bestimmt waren. Die Atelierszene sei durch einen Agenten Weinmüllers, das Aquarell von Maria Dietrich erworben worden.718

Felix Stransky Felix Stransky (1871–1950) verkaufte 1939, möglicherweise direkt an Maria Dietrich, unter Zwang das Gemälde „Bildnis einer alten Frau mit weißer Haube“ von Ferdinand Georg Waldmüller (Linz-Nr. 1697). Dietrich lieferte das Bild erst 1941 an Linz.719 Das Werk ging nach Kriegsende in den Besitz der Bundesrepublik Deutschland über und konnte 2006 an die rechtmäßigen Erben zurückgegeben werden. Zwei weitere Bilder, Johann Matthias Ranftls „Rastende Jägergruppe mit Jagdbeute“ (Linz-Nr. 772)720 und Hans Canons „Frauenporträt (Junge Frau mit Kreuz auf der Brust)“ bzw. „Porträt der Gräfin Stephanie Wurmbrand- Stuppach“ (Linz-Nr. 745) wurden (direkt?) an Dietrich verkauft und ebenfalls 2006 restituiert.

715 BArch Koblenz, B323/465, Restitutionen nach Österreich 1946–1971, Verzeichnis der in München identifizierten und von Österreich rückgeforderten Kunstgegenstände (1949). S. auch Hopp 2012, S. 279. 716 BDA Wien, Restitutionsmaterialien, Karton 39/1 (Kean – Knüpffer), Personenmappe Stephan Kerlin: Als Eigentümer wird Herr Dr. Karl Ruhmann, Wien IV, Wohllebensgasse Nr. 19 genannt. S. hierzu auch BArch Koblenz, B323/357, Bl. 164f., hier Bl. 165: Österreichische Rückstellungsmission, Bad Salzuflen an RA Dr. Wilhelm Neithardt, München, 12.1.1950. Vgl. Linz-Nr. 315 Rudolf von Alt „Selbstporträt“ (Aquarell, 33 x 23 cm). 717 NARA, M1947, RG 260, Roll 0003 Claims, Inquiries And Claims By Private Individuals After July 1, 1951, S. 166: RA Dr. Anton Leithner, Wien an Collecting Point München, 17.12.1951. 718 NARA, M1926, RG 260, Roll 0146, Records of the Reparations and Restitutions Branch of the U.S. Allied Commission for Austria (USACA) Section, 1945–1950, Austrian Claims List, S. 123. 719 BArch Koblenz, B323/99: Nr. 0139: Laut der Karteikarte kaufte Dietrich das Bild nicht direkt von Stransky, sondern von Neumann, Wien am 24.4.1941 für 5.000.- RM, bevor sie es im Mai 1941 für 7.000.- RM einlieferte. 720 BArch Koblenz, B323/331, Bl. 67, 83. 182

Margarethe und Julius Buchstab Margarethe (1894–1987) und Julius (1880–1943) Buchstab waren 1940 gezwungen, vier Bilder an eine Münchner Kunsthändlerin, wohl Maria Dietrich, zu verkaufen. Die Familie Buchstab flüchtete 1941 nach Shanghai. Das Umzugsgut wurde im selben Jahr beschlagnahmt und im Dorotheum versteigert. 1948 erstellte Margarethe Buchstab eine Suchliste mit Angaben und Beschreibungen, in der die vier Bilder enthalten sind: Rudolf von Alts „Hafen am Meer“ (Aquarell, ca. 20 x 40 cm)721, Agricolas „Amor und Psyche“ (Öl auf Leinwand, ca. 150 x 100 cm), Agricolas „Amor und Psyche“ (Aquarell, ca. 35 x 40 cm), M. Ranftls „Rekrutierung von Bauern“ (Öl, ca. 12 x 18 cm).722

Schlussfolgerung Die dargestellten Fälle lassen kaum einen Zweifel daran, dass Maria Dietrich bei ihren Erwerbungen in Österreich konsequent Druck auf Verfolgte ausübte und die Macht ausnutzte, die ihr Hitlers „Freifahrtschein“ ermöglichte. Es lässt sich zudem eine Konzentration auf Werke der Künstler Ferdinand Georg Waldmüller und Rudolf von Alt feststellen. Vermutlich war sie gezielt auf Sammlungen mit Werken dieser Künstler angesetzt worden. Obwohl in einer Nachricht des Bundesdenkmalamtes Wien an das Bundesministerium für Vermögenssicherung und Wirtschaftsplanung 1949 darauf verwiesen wird, dass Maria Dietrich „mehrfach während der Zeit des nationalsozialistischen Regimes Kunstgegenstände aus beschlagnahmtem Besitz in Österreich angekauft“723 hätte, konnten bis auf wenige Ausnahmen keine Hinweise darauf gefunden werden, dass Dietrich Kunstgegenstände aus beschlagnahmtem jüdischen Besitz erwarb: Rudolf Steiners „Familienbild, alter Invalide mit Kindern vor einem Haus“ des Künstlers Ferdinand Georg Waldmüller (Linz-Nr. 577) wurde von der Gestapo Wien beschlagnahmt, bevor Dietrich es 1939 beim „Sonderauftrag“ einlieferte.724 Eine Tafel von Martin Schongauer (Mü-Nr. 37709) aus dem Besitz von Rudolf Gutmann gelangte über einen Mittelsmann an Maria Dietrich (vgl. Kap. 2.4.3 Bayerische Staatsgemäldesammlungen). Dass sie allerdings durchaus an dem Erwerb beschlagnahmter Werke interessiert war, zeigt der oben zitierte Vermerk vom Oktober 1939, u. a. mit der Andeutung auf Weinstein.

721 Lillie 2003, S. 256: In der Bildunterschrift zur Abbildung steht, dass das Bild bis 1938 (und nicht 1940) im Besitz der Buchstabs war. 722 Lillie 2003, S. 256–258. 723 BDA Wien, Restitutionsmaterialien, Karton 39/1 (Kean – Knüpffer), Personenmappe Stephan Kerlin, Bl. 10: Bundesdenkmalamt Wien an das Bundesministerium für Vermögenssicherung und Wirtschaftsplanung, 24.11.1949. 724 1945 ging das Werk nach Österreich zurück. Es wurde angeboten bei Ketterer Kunst, München, 24.5.2017, Auktion 446, Los 23 (bought in). 183

Die hier beleuchteten Ankäufe bzw. Entziehungen durch Maria Dietrich fanden auf direktem Weg, teilweise mittels „Hausbesuch“ und laut den Aussagen der Geschädigten mit gleichartigen Argumenten seitens Dietrich statt. Auf die in ihrer eidesstattlichen Erklärung von 1949 angedeuteten „proaktiven“ Kontaktaufnahmen der Sammler:innen selbst, konnten – bis auf die Angabe von Hortense Eissler – keine Hinweise nachgewiesen werden. Bislang konnte nicht im Einzelnen geklärt werden, wer die erwähnten Kommissionäre (s. Erwerb bei Richard Stein) waren und wer Maria Dietrich gezielt auf (bedrängte) Kunstsammler:innen aufmerksam machte. Die Kunsthändlerin Karoline Nehammer und Bruno Grimschitz wurden in diesem Zusammenhang bereits genannt. In Frage kommt auch Maria Schatzker. Gabriele Anderl thematisierte 2005 den Kunsthändler Otto Schatzker und seine Ehefrau Maria. Das Paar kaufte in der NS-Zeit Wertgegenstände von jüdischen Verfolgten. Otto Schatzker führte Maria Dietrich zu Privatkunden, von denen er wusste, „sie hätten Kunstgegenstände feil“. Außerdem vermittelte er ihr Objekte aus den Beständen anderer Händler: Von Gilbert von Schiviz kaufte sie etwa Franz von Defreggers „Der kranke Dackel“ (vermutlich Linz-Nr. 167).725

Exkurs: „Die Malkunst“ von Jan Vermeer aus der Familie Czernin

Das Bild „Die Malkunst“ (Linz-Nr. 1096a) gehörte seit 1804 der nicht jüdischen Familie Czernin. Seit den 1920er Jahren gab es mehrere internationale Interessenten, bevor es schließlich am 25.10.1940 für 1,65 Millionen RM an Hitler verkauft wurde. Nach wiederholten Gesuchen seitens der Familie Czernin empfahl der österreichische Rückstellungsbeirat am 18.3.2011, das Bild nicht an die Erben nach Jaromir Czernin zu restituieren. Im Rahmen einer von Susanne Hehenberger und Monika Löscher 2013 herausgegebenen Studie wurde das Schicksal des Bildes ausführlich betrachtet.726 Wenigstens in den Jahren 1939 und 1940 war auch Maria Dietrich vermittelnd in den geplanten Ankauf des Bildes involviert. Aus einem Bericht vom Dezember 1939 geht hervor, dass im Juni 1938 von einer Münchener Vermittlungsstelle (Galerie Almas?) die Nachricht an Jaromir Czernin gelangte, dass Hitler sich für das Bild von Vermeer interessiere und dass man es zur Vorführung in München bereithalten möge. Erst im August 1939 traf jedoch bei

725 Gabriele Anderl: „Am Wiener Platz“: Schlaglichter auf die Rolle des Wiener Kunsthandels während der NS-Zeit, S. 171– 211. In: dies./Caruso 2005, hier S. 182f. Freundliche Mitteilung von Gabriele Anderl: In den gesichteten Archivalien zu Otto Schatzker wurden keine näheren Hinweise auf sein Geschäftsverhältnis zu Maria Dietrich gefunden. Die genannte Information stammt aus einer Aussage, die er bei einer Vernehmung nach dem Krieg getätigt hat. 726 Susanne Hehenberger/Monika Löscher (Hg.): Die verkaufte Malkunst: Jan Vermeers Gemälde im 20. Jahrhundert, Wien 2013 (Schriftenreihe der Kommission für Provenienzforschung, Bd. 4). Beachte: Die Quellenangaben zu dem Material bezügl. Vermeer/Almas im AdR wurden für diese Arbeit korrigierend angepasst. BArch Koblenz, B323/132: umfangreiche Korrespondenz zur Transaktion. 184

Czernin die vermutlich von Heinrich Hoffmann stammende Nachricht ein, dass Hitler das Bild nun tatsächlich in München zu sehen wünschte. Ein weiterer Bericht spricht davon, dass Adolf Weinmüller die Überführung des Gemäldes zur Ansicht nach München verlangte.727 Der Transport des Bildes nach München wurde sofort organisiert, „wo es im Führerbau von den dort autorisierten Vermittlern in Empfang genommen und in die Bilderdepoträume der Frau Almas gebracht und in Abwesenheit der Czerninschen Vertreter vom Führer besichtigt worden ist. Diese erhielten dann über Prof. Heinrich Hoffmann Bescheid dahin gehend, dass das Bild – auch wegen des – wenn auch berechtigten – hohen Preises (1,7 Millionen RM) vom Führer nicht angekauft werde728, dass jedoch mit einer Freigabe ins Ausland unter keinen Umständen zu rechnen sei. [...] Der jetzige Kaufwerber Herr Reemtsma sei auf das Bild durch den Münchener Rechtsanwalt [Gustav] Scanzoni, der mit Frau Almas in München in Verbindung stehe und auch bei der Berufung des Bildes nach München zur Vorlage an den Führer beteiligt gewesen sei, aufmerksam geworden.“729 Ob Dietrich in die weiteren Verhandlungen eingebunden war, ist nicht belegt. Scheinbar unabhängig von einem Auftrag Hitlers waren Karl Haberstock, der seit Längerem in die Kaufverhandlungen involviert war, und Maria Dietrich noch im März 1940 an den Rechtsvertreter Czernins, Dr. Egger, herangetreten, um eigene Kaufabsichten zu bekunden.730

3.1.2 Mauerbach-Auktion

Zahlreiche Werke mit zweifelhafter Provenienz wurden 1952 von der Bundesrepublik Deutschland an Österreich gegeben, in Mauerbach gelagert und schließlich 1996 in Wien versteigert, da sie als „herrenlos“ galten. Darunter befanden sich von insgesamt 586 Losen (Gemälde und Zeichnungen) 56 Werke, die eine „Almas-Provenienz“ aufweisen.

727 ÖStA/AdR, UKW BMU, Kt. 69, Sig. 15, Sammelmappe 429 „Vermeer – Der Künstler in seinem Atelier“, Bundesministerium für Unterricht, Geschäftszahl Z 2412 II, 6: Jaromir Czernin-Morzin, Rückstellungsklage wegen des Gemäldes von Vermeer „Das Atelier“, Bl. 200ff., hier Bl. 200. 728 NARA, CIR 4, S. 46f. und BStU, CIR 4, Bl. 63: „Man hatte viele fruchtlose Versuche unternommen, die Czernin-Familie dazu zu bewegen, sich von ihrem berühmten Besitz zu trennen. In einer dieser Unterhandlungen tauchte Frau Maria Dietrich auf. Der Händler Bornheim gibt an, daß sein Freund Apfelstädt (verstorben) ihm einmal erzählt hat, er habe ein Schreiben gesehen, in welchem sich der Führer beklagte, daß er von Dietrich gebeten worden sei, etwa 2 Millionen Reichsmark für dieses Gemälde zu zahlen, obwohl er nicht in der Lage gewesen war, einen ausgezeichneten Botticelli [...] von Bornheim für 300.000.- RM zu erwerben.“ 729 ÖStA/AdR, UKW BMU, Kt. 69, Sig. 15, Sammelmappe 429 „Vermeer – Der Künstler in seinem Atelier“, Ministerium für innere und kulturelle Angelegenheiten, Geschäftszahl IV-4b-355135/39, Bl. 254ff., hier Bl. 261f.: Bericht betr. Ankauf des Vermeerbildes aus der Galerie des Grafen Jaromir Czernin durch den Industriellen Herrn Reemtsma für seine Privatgalerie in Hamburg, 13.12.1939. 730 Hehenberger/Löscher 2013, S. 136. ÖStA/AdR, UKW BMU, Kt. 69, Sig. 15, Sammelmappe 429 „Vermeer – Der Künstler in seinem Atelier“, Ministerium für innere und kulturelle Angelegenheiten, Geschäftszahl IV-4b-7837/40, Vermeerbild aus der Gräflich Czerninʼschen Gemäldegalerie in Wien, Ankaufsverhandlungen, Bl. 177ff., hier Bl. 182: Bericht verfasst von Dr. Berg, 12.3.1940. Städtische Kunstsammlungen Augsburg, Haberstock-Archiv, HA/XLII/58: Mappe mit Korrespondenz bezügl. Vermeer-Czernin: Brief von Martin Bormann, o. D.?: Bormann nimmt Bezug auf ein Angebot des Bildes von Dietrich an Hitler. Magdalene Haberstock bat um Übersendung des Briefes, vermutlich um ihn zu vernichten (freundliche Auskunft von Horst Keßler, Augsburg). 185

An der sogenannten Mauerbach-Auktion wurde vielfach Kritik geübt, da die versteigerten, angeblich herrenlosen Objekte dies in vielen Fällen gar nicht waren. Aufgrund der von Christie’s organisierten Auktion und im Vorfeld nicht ausreichend durchgeführten Recherchen verhinderte man, dass rechtmäßige Eigentümer:innen ihre Werke zurückerhielten. Die meisten Objekte waren 1945 von der US-Armee an Bergungsorten in Österreich aufgefunden und an den Central Collecting Point in München überführt worden. Ab den späten 1940er Jahren beanspruchte das österreichische Denkmalamt die Repatriierung dieser Kunstgegenstände und erhielt nach der Überführung nach Österreich den Auftrag, für deren Restitution an die rechtmäßigen Eigentümer:innen Sorge zu tragen. Anlässlich der Auflösung des CCP in den frühen 1950er Jahren erhielt Österreich zudem einen dort verbliebenen Restbestand von etwa 1.000 nicht identifizierten Gegenständen. Dieser umfasste vorwiegend Bestände des „Sonderauftrags Linz“, aber auch Ausstattungsgegenstände der NSDAP.731 Tatsächlich ist der Bergungsort zumeist der einzige Bezugspunkt zu Österreich. Die meisten Provenienzangaben der Linz-Datenbank geben, zumindest in Bezug auf die gehandelten Werke der Galerie Almas, keinen Hinweis auf eine österreichische Herkunft. Nur in einem Fall wird das Dorotheum als Erwerbsquelle genannt (Linz-Nr. 1694). In nahezu allen anderen Fällen stammten die bei der Mauerbach-Auktion versteigerten Objekte, wenn es denn Angaben gibt, aus dem deutschen Kunsthandel, wurden somit zumindest nicht direkt in Österreich erworben. Mindestens ein an Österreich gegebenes Gemälde von Karl Jakob Theodor Leybold, „Bildnis zweier Kinder in Landschaft“ (Linz-Nr. 1946), hatte Maria Dietrich im besetzten Frankreich erstanden. Der Abgleich mit dem Mauerbach-Katalog ergab, dass offenbar keines der in diesem Kapitel aufgeführten Werke mit Almas-Provenienz in der Mauerbach-Auktion angeboten wurde.

731 Sophie Lillie: „Herrenlos“? Die ungeklärte Akte Mauerbach, S. 211–224. In: Ausst.-Kat. Recollecting: Raub und Restitution, Museum für Angewandte Kunst Wien, hg. von Alexandra Reininghaus, Wien 2009, hier S. 211. 186

3.2 Niederlande

Die deutsche Invasion der Niederlande begann am 10.5.1940, fünf Tage später erfolgte die Kapitulation. Eine wichtige Figur in Sachen Kunstraub in den Niederlanden war daraufhin der österreichische Kunsthistoriker Kajetan Mühlmann (1898–1958), der nach dem „Anschluss“ Österreichs unter Arthur Seys-Inquart (1892–1946) zunächst zum Staatssekretär für Kunst in die Österreichische Landesregierung berufen wurde. Im Oktober 1939 folgte die Ernennung zum „Sonderbeauftragten des Reichsmarschalls [Hermann Göring] für die Sicherung der Kunst- und Kulturgüter in ehemals polnischen Gebieten“. Als Arthur Seys-Inquart am 19.5.1940 zum „Reichskommissar für die besetzten Niederlande“ ernannt wurde, begleitete Mühlmann ihn nach Den Haag, wo man die „Dienststelle Mühlmann“ einrichtete, zu deren Hauptaufgaben die Erfassung, Begutachtung und Beschlagnahme von Kunstgegenständen und deren Vermittlung ins Deutsche Reich gehörte.732 Über die Dienststelle von Kajetan Mühlmann kaufte etwa Heinrich Hoffmann in Holland mindestens 30 Gemälde, auch aus beschlagnahmtem jüdischen Besitz (z. B. aus den Sammlungen Jaffé und Hamburger).733 Ein direkter Zusammenhang mit der Galerie Almas ist im Geschäftsbuch der „Dienststelle Mühlmann“ hingegen nicht erkennbar.734 Aus dem 1945 entstandenen sogenannten Vlug Report, der auch die Akteur:innen auf dem niederländischen Kunstmarkt während der Okkupation beschreibt, geht u. a. hervor, dass Kunstgegenstände, an denen der Stab des „Sonderauftrag Linz“ oder Hermann Göring nicht interessiert waren, an Hans W. Lange, das Dorotheum oder das Wiener Haus von Weinmüller (vgl. Verbindung Franz August Kieslinger) gingen. Zu Maria Dietrich findet sich im Vlug Report lediglich eine allgemeingültige Aussage: „Hitler was advised by the art dealers H. Hoffmann and Mrs. Almas, till Professor Posse had been appointed (1939). Many unsuccessful purchases were made and the need of an art expert became more urgent. Martin Bormann, Chief in Staff of the Party supervised the accounts of money and organised the purchases. [...] He was not interested in art and he did not know anything about it. But as art was a hobby of the Führer, he served him in this respect with particular ardour.“735 An Jean Vlugs Einschätzung fällt auf, dass er ausschließlich Dietrich und Hoffmann als Hitlers Kunsthändler:innen nannte. Hoffmann war, als Vermittler fungierend, bei den Einkäufen der Galerie Almas von niederländischer Ware mehrmals gemeinsam mit Maria Dietrich tätig.

732 Hopp 2012, S. 283. 733 Peters 2018, S. 132. 734 BArch Koblenz, B323/199: Geschäftsbuch der „Dienststelle Dr. Mühlmann“ beim Reichskommissar für die besetzten niederländischen Gebiete, Den Haag 1940–1941; 1952. 735 Jean Vlug Report, 25.12.1945, part 1: Summary of works of art, which have been obtained by the III Reich during the war: Bericht Dr. K. Mühlmann, 5.8.1945, S. 52 (zugänglich über lootedart.com). 187

3.2.1 Goudstikker, Alois Miedl und die Kunsthandlung Katz

Laut der Datenbank zum „Sonderauftrag Linz“ erwarb man von der Galerie Almas rund 90 Kunstwerke, die aus den Niederlanden stammten. Bis auf sehr wenige Ausnahmen stehen diese Werke in Zusammenhang mit der Kunsthandlung Goudstikker/Miedl, Amsterdam. Daraus lässt sich schließen, dass zahlreiche Werke, die Maria Dietrich während der deutschen Besatzung des Nachbarlandes aus den Niederlanden erwarb, auf die ehemalige Kunsthandlung von Jacques Goudstikker (1897–1940) und auch auf dessen Privatsammlung zurückgeführt werden können.736 Die Amsterdamer Kunsthandlung von Jacques Goudstikker war auf „old pictures of all periods“ spezialisiert.737 Er handelte niederländische Malerei, aber auch italienische Kunst des 15. und 16. Jahrhunderts sowie frühe deutsche und französische Malerei. Jacques Goudstikker hatte die Kunsthandlung 1919 von seinem Vater übernommen und zur führenden Kunsthandlung für alte Meister in Amsterdam ausgebaut. Rund 1.400 Kunstwerke musste er bei seiner Emigration im Mai 1940 in seiner Kunsthandlung zurücklassen. In seinem sogenannten Black Book waren 1.241 dieser Kunstwerke erfasst.738 Goudstikker war am 16.5.1940 auf dem Weg nach England tödlich verunglückt, woraufhin die Firma zunächst Eigentum niederländischer Banken wurde. Am 13. Juli 1940 erzwangen Hermann Göring und der aus München stammende, aber seit 1932 in den Niederlanden lebende Bankfachmann Alois Miedl (1903–1990)739 den Verkauf des Unternehmens von Goudstikkers Mutter und den Mitarbeitern.740 Desirée Goudstikker (1912– 1996), die Witwe Jacques Goudstikkers, hatte aus dem Exil vergeblich versucht, den Verkauf zu verhindern. Miedl übernahm die Immobilien, den Namen der Kunsthandlung, den Geschäftswert und die Geschäftsführung. Nach der Plünderung des Warenbestandes durch Göring blieben einige hundert Werke zurück, die Miedl von Göring zurückkaufen musste. Hierfür nahm er

736 Löhr 2005, S. 133ff.: Laut Löhr gelangten insgesamt 101 Objekte über die Firma Goudstikker/Miedl durch dessen deutsche Hauptabnehmer:innen Maria Dietrich, Heinrich Hoffmann, Adolf Weinmüller, Hans W. Lange und das Dorotheum an den „Sonderauftrag Linz“. Diese geringe Zahl kann wohl kaum stimmen. 737 Müller/Tatzkow 2009, S. 216: Abbildung der Visitenkarte von Jacques Goudstikker. 738 Müller/Tatzkow 2009, S. 228. Peter C. Sutton (Hg.): Reclaimed. Paintings from the Collection of Jacques Goudstikker, Greenwich 2008, S. 46. 739 Schirach 1985, S. 246f.: Miedl war wohl mit Henriette von Schirach befreundet, jedenfalls deutet diese es an. S. auch NARA, DIR Heinrich Hoffmann, S. 11: „Hoffmann had been a friend of Miedl for many years. They were particularly close during the war.” 740 Nina Senger: Ein Gemälde aus der Galerie Goudstikker, S. 230–244. In: Ausst.-Kat. Raub und Restitution 2008, hier S. 241: Senger bezieht sich auf: Stadsarchief Amsterdam, 1341/85: Vertrag vom 13.7.1940 und BArch Koblenz, B323/70: Abschrift des Vertrags. 188 wiederum bei diesem einen Kredit auf. Göring nahm 800 Werke mit nach Deutschland, wobei der erste Transport vor Abschluss des Kaufvertrages erfolgte.741 Nach der Übernahme verkaufte Miedl Bilder auch aus der privaten Sammlung Goudstikkers. Zudem erwarb er Kunstwerke auf dem regulären niederländischen Markt, aber ebenfalls aus Zwangsverkäufen. Er handelte während der Besatzung mit rund 5.000 Kunstwerken. Das bedeutet auch, dass der Hinweis „Firma Goudstikker“ in einer Provenienzkette nicht zwingend heißt, dass es sich um alten Goudstikker-Bestand handelt.

Neben Miedl wurde die Kunsthandlung D. Katz, Dieren der Brüder Nathan (1893–1949) und Benjamin (1891–1962) Katz, insbesondere vor der Emigration der Brüder Katz 1942, zur Anlaufstelle für deutsche Kunsthändler in den Niederlanden. Die Kunsthandlung Katz in Dieren war auf niederländische und flämische Kunst des 16./17. Jahrhunderts spezialisiert und eine der größten Kunsthandlungen der Niederlande. Sie bestand mit einigen Unterbrechungen von 1880 bis 1964. Am 17.2.1941 wurde sie liquidiert, um zu verhindern, dass die jüdische Firma in deutsche Hände fällt, und am 1.6.1943 endgültig geschlossen. Um die Geschäfte weiterzubetreiben, wurde die Firma „Schilderijen en Antiquiteitenhandel v/h D. Katz N.V.“ im Mai 1941 gegründet und nichtjüdische Partner als Direktoren eingesetzt. Nach dem Krieg traten diese zurück und übergaben die Geschäfte wieder an Benjamin Katz, der sie bis zu seinem Tod führte. Eine weitere Filiale bestand in Den Haag vom 1.5.1940 bis nach 1954, mit einer Unterbrechung zwischen 1942 und 1952.742 Werke mit der Provenienz Miedl waren häufig zuvor durch die Hände der Gebrüder Katz gegangen. Hanns Christian Löhr spricht in Bezug auf den Handelsweg Katz-Goudstikker- Dietrich von einem „regelrechten Kartell zur Kunstbeschaffung“.743 Als ein Beispiel kann hier die Provenienz von Bild „Musizierende Gesellschaft“ (Linz-Nr. 1042, Nederlands Kunstbezit [kurz: NK] 1405) herangezogen werden: In einer Besprechung in der Weltkunst vom Dezember 1937 wird erwähnt, dass das Werk aus schottischem Privatbesitz stammt.744 1936 befand sich das Gemälde bei dem Kunsthändler Edward Speelman in London

741 Senger 2008, S. 241f. 742 RKD, Nederlands Instituut voor Kunstgeschiedenis (https://rkd.nl/explore/artists/360298 – zuletzt besucht am 17.4.2019). Hans Posse setzte sich offensichtlich für die Kunsthändler Katz ein. S. BArch Koblenz, B323/102, Bl. 96 fo. 642: Dr. Hanssen an Hans Posse, 23.9.1942 bezüglich der geplanten Emigration der Familie Katz: „Bevor Sie nach Holland reisen, möchte ich Ihnen gern noch folgende Angelegenheiten zur Kenntnis bringen [...] 1.) Ich nehme an, daß in Holland auch die Angelegenheit der Familie Katz an Sie herangetragen wird. Ihrem Vorschlage entsprechend ist Katz und seiner Familie die Ausreise aus den Niederlanden nach der Schweiz genehmigt worden. Im Benehmen mit Ihnen soll noch geprüft werden, ob die 25 anderen Juden, die Katz als zu seiner Familie gehörig mit nach der Schweiz nehmen will, tatsächlich zu seiner Familie gehören. Ich darf Sie darauf hinweisen, daß es natürlich günstig wäre, wenn sich erreichen ließ, daß die Familie Katz sobald wie möglich aus den Niederlanden ausreist. Je eher das geschieht, je besser ist es.“ 743 Löhr 2005, S. 128. 744 Weltkunst, Jg. 11, H. 49/50, 12.12.1937, S. 4. Mindestens in den Jahrgängen 1936 und 1937 der Weltkunst erschienen mehrere Werbeanzeigen der Kunsthandlung Katz. 189 und ab 1937 in der Kunsthandlung D. Katz in Dieren. Von Katz gelangte das Werk 1940 an Alois Miedl und sechs Wochen später an Maria Dietrich für den „Sonderauftrag Linz“. Das Bild wurde im Führerbau ausgestellt und dort am 20.8.1940 von Hans Posse ausgesucht (s. unten). An anderer Stelle heißt es, dass Hitler selbst das Bild von neben anderen Werken in einem hinter der Reichskanzlei befindlichen Lager Miedls in Berlin ausgewählt hatte: „Previously Hitler had obtained eight other Goudstikker paintings, bought from Maria Dietrich. These included a Gerard Ter Borch and a Claes Molenaer. In addition, he visited the storage depot kept by the Berlin art dealer, Meidl [sic], just behind the and inspected a large number of other paintings once owned by Goudstikker. He chose sixteen altogether and must have been pleased with his purchases as they included Rembrandt’s ‚Music Lesson‘, Teniers ‚Soldiers at the Inn‘, Jan Steen’s ‚Quack‘, a seascape by Willem van de Velde, and a tavern scene by Adriaen Brouwer.“745 Möglicherweise war das Bild an beiden Orten (München und Berlin) ausgestellt und von Hitler und Posse begutachtet und ausgesucht worden. Durch den „Stichting Nederlands Kunstbezit“ wurde das Rembrandt-Gemälde nach 1945 an die Kunsthandlung Katz zurückgegeben, denn die Transaktion zwischen Katz und Miedl hatte nach der Besetzung der Niederlande am 29.5.1940 stattgefunden und wurde daher nach Kriegsende als unrechtmäßig erklärt. Das Werk ging demnach ein zweites Mal durch die Hände von Katz. Edward Speelman, der das Bild schlussendlich 1976 an das Amsterdamer Rijksmuseum verkaufte, verdiente ebenfalls ein zweites Mal daran.

Maria Dietrich hielt sich in den hier interessierenden Jahren wohl nicht zum Kunsterwerb in den Niederlanden auf, obwohl sie 1941 dort angeblich Freunde besucht haben soll. Sie gab später an, dass sie weder in den Niederlanden noch in Belgien Kunstwerke gekauft hätte.746 Werke, die sie zusammen mit Heinrich Hoffmann aus dem Goudstikker-Bestand erworben hat, wurden tatsächlich in München bei Miedls Bank Witzig & Co. gelagert und dort gekauft. Miedl hatte ab 1925 bei der Bank gearbeitet und war später weiterhin deren Kommanditist (Gesellschafter). Provenienzangaben in der Datenbank Herkomst Gezocht deuten darauf hin, dass sich Werke manchmal über mehrere Wochen zur Ansicht bei Heinrich Hoffmann befunden hatten, bevor sie tatsächlich angekauft wurden (z. B. Linz-Nr. 1181) oder sie waren

745 Roxan/Wanstall 1964, S. 77. Roxan/Wanstall beziehen sich auf: NARA, CIR 4, S. 73f., BStU, CIR 4, Bl. 108. 746 NARA, CIR 4, S. 49. 190 in der Galerie Almas untergebracht.747 Auch aus der Korrespondenz zwischen Alois Miedl und der Schantung Handels-Aktiengesellschaft, Berlin, geht hervor, dass Werke bei Maria Dietrich eingelagert wurden, während sie noch im Besitz Miedls waren.748 Alois Miedl gab zudem eine Reihe von Kunstwerken in Kommission an die Galerie Almas. So können über sein Kommissionsbuch insgesamt 133 Objekte gezählt werden.749 Aus welcher Erwerbsquelle Miedl die Kunstgegenstände bezog oder wann genau die Objekte bei Maria Dietrich in Kommission gegeben wurden, lässt sich über diese Quelle nicht rekonstruieren. Die Rückläufe bzw. Ankäufe durch die Galerie Almas erfolgten zwischen November 1941 und Juli 1942, wobei sie sehr viel am 12.3.1942 retournierte. Im Einzelnen handelt es sich um 30 Positionen Papierarbeiten, die nahezu komplett zurück an Miedl gingen. 53 Positionen Teppiche hingegen wurden nahezu vollständig übernommen. Von 50 Gemälden kaufte die Galerie Almas elf Stück an. Diese sind jedoch nicht in der Linzer Sammlung nachweisbar, das heißt, sie wurden freihändig verkauft oder aufbewahrt. Nachzuvollziehen sind über das Kommissionsbuch Miedls folgende Werke, die an verschiedenen Orten durch die Galerie Almas ausgelagert worden waren und nach Kriegsende in den CCP München gelangten: eine Altartafel des Meisters der Antwerpener Anbetung (Mü-Nr. 15874, Kommissionsbuch Nr. 5676), „Markusplatz“ aus der Pannini-Schule (Mü-Nr. 19983, Kommissionsbuch Nr. 5993) und eine „Winterlandschaft“ von Hendrick van Streeck (Mü-Nr. 20998, Kommissionsbuch Nr. 5067). Die genannten Werke wurden am 4.7.1942 an die Galerie Almas verkauft und in den Jahren 1946/47 nach Holland zurückgeführt.750 Zwei weitere Werke konnten zwar identifiziert werden, gelten aber heute noch als vermisst: Judith Leesters „Violinenspieler“751 (Kommissionsbuch Nr. 5814), verkauft an die Galerie Almas am 16.4.1942, und Jan Vermeyens „Mansportret“752 (Kommissionsbuch Nr. 5742), das am 23.3.1942 von der Galerie Almas übernommen wurde.

747 Algemeen Rijksarchief, Nederlandse Beheersinstituut, Den Haag, 2.09.16, Nr. 854: Schantung-Handelsaktiengesellschaft an Kunsthandel v.h. J. Goudstikker N.V., 21.10.1941: Betr. Expertisen. Zu den Bildern, die sich bei Frau Almas, München, befinden: Aufzählung Expertisen und Photographie zu einem Werk von de Hoogh (5225) und einem Werk von van Goyen (5234). 748 Algemeen Rijksarchief, Nederlandse Beheersinstituut, Den Haag, 2.09.16, Nr. 854: Schantung-Handelsaktiengesellschaft an Kunsthandel v.h. J. Goudstikker N.V., 17.4.1942: Betr. Versicherung von Gemälden bei Galerie Maria Dietrich. 749 Algemeen Rijksarchief, Nederlandse Beheersinstituut, Den Haag, 2.09.16, Nr. 880, S. 60–66. In Kommission waren Werke von Miedl auch bei anderen Partnern, u. a. in der Kunsthandlung Böhler; insg. nur drei Stücke (S. 89) und bei Schantung (S. 85ff.). Weiterhin wurde Ware gelagert in den Depots der Bank Witzig & Co (S. 52–54), von Adolf Weinmüller (S. 55), Hans W. Lange (S. 89) und Heinrich Hoffmann (S. 99). 750 S. auch BArch Koblenz, B323/357, Bl. 161f.: Übersicht „Aus Almas-Besitz in das Ausland restituierte Objekte“, Stand 1.8.1953. Vermutlich stammte die Kommissionsware hauptsächlich aus altem Goudstikker-Bestand. Ein Abgleich mit dem sog. Black Book von Jacques Goudstikker wurde von der Verfasserin nicht vorgenommen. 751 Herkomst Gezocht, Den Haag (http://www.herkomstgezocht.nl/en/vw-collection/violin-player-0 – zuletzt besucht am 17.4.2019). 752 Herkomst Gezocht, Den Haag (http://www.herkomstgezocht.nl/nl/vw-collectie/mansportret-215 – zuletzt besucht am 17.4.2019). 191

Die Zusammenarbeit von Alois Miedl und Maria Dietrich dauerte mindestens von Sommer 1940 bis Sommer 1942. Es konnten folgende Ankaufsdaten eruiert werden: 3.8.1940, 4.9.1940753, 20.9.1940, 23.9.1940, 16./17.10.1940, 11./16.12.1940, 23.9.1941, 4.10.1941, 16.11.1941, 3.12.1941, 27.2.1942, 23.3.1942, 16.4.1942, 6.6.1942. Die letzte nachweisbare Transaktion fand am 4.7.1942 statt.754 Neben den Ankäufen durch Maria Dietrich schien es weitere Deals zwischen Miedl und Dietrich gegeben zu haben. Caroline Flick hat die These aufgestellt, dass Dietrich möglicherweise „Stützkäufe“ für Alois Miedl tätigte, so etwa bei einer Lange-Auktion am 12./13.3.1941 (Lose 43, 61, 68). Hier kaufte Dietrich drei Gemälde, die dann später zurück an Miedl gingen.755 Ein vergleichbarer Vorgang fand Ende 1941 bei einer Weinmüller-Auktion statt: „Bei dieser Gelegenheit teilen wir Ihnen noch mit, dass das Bild Nr. 1834 Eugenio Lucas ‚Bergsee‘, das in der Auktion Weinmüller von Frau Almas für Herrn Miedl zurückersteigert wurde, von Weinmüller der Galerie Almas übergeben worden ist. Wir haben Frau Almas verständigt, dass auch dieses Bild für Ihre Rechnung zu führen ist.“756 Im Kommissionsbuch ist unter der Nr. 1834 eingetragen, dass das Bild von Dietrich erst am 18.6.1942 über Johannes Witzig retourniert wurde.

Der „Sonderauftrag Linz“ übernahm im August und September 1940 Bilder, die aus der Verbindung Miedl/Dietrich stammten. Dietrich schrieb am 12.9.1940 an Posse: „Leider konnte ich Sie gestern nicht selbst am Telefon sprechen, und möchte ich Sie somit nochmals schriftlich ersuchen, mir von der zweiten Gemälde-Sammlung, die Sie im Führerbau in München mit Herrn Generaldirektor Buchner besichtigten, die Nummern, und die Namen der Meister zu nennen, die als verwendbar ausgesucht wurden. Ich muss über diese Bilder Rechnung stellen, und kann das nicht, so lange ich keine Aufstellung habe, was alles in Frage kommt. Ich weiss zwar noch einige Sachen, die ausgesucht wurden, kann mich aber nicht mehr an alles erinnern, speziell was die Rembrandt-Bilder betrifft. Sie sagten mir in Berlin, dass Sie mir ein Verzeichnis einschicken wollten, was alles ausgesucht wurde und ich bitte

753 DKA, NL Posse, Hans, I, B-1 bis B-4 (0005-0011): „in der Reichskanzlei Durchsicht der von Prof. Hoffmann aus Holland angebotenen Bilder (hauptsächlich Bilder von Goudstikker). Nach dem Mittagessen weitere Durchsicht (i. G. ca. 250) mit Prof. Hoffmann u. Frau Almas; mit dieser dann noch in die Lennéstraße, wo noch einige 100 Bilder derselben Provenienz lagern.“ Laut der Übersicht der Verfasserin wurden über die Galerie Almas an diesem Tag elf Bilder eingeliefert. Diese sind unter den etwa 50 von Posse notierten Werken zu finden. 754 Algemeen Rijksarchief, Nederlandse Beheersinstituut, Den Haag, 2.09.16, Nr. 870, 877, 878: Kommissionsbuch und Verkaufsbücher mit Verkaufsdaten. S. auch Schwarz 2004. 755 TU Berlin, Forum Kunst und Markt, Vortrag Caroline Flick: „Hochpreisphase“: Das Berliner Auktionshaus Hans W. Lange 1940–1943, 12.2.2018. Flick 2018b, S. 66: „[...] scheint sich abzuzeichnen, dass Miedl oder seine Mittelsmänner eine Händlergruppe zu Stützungskäufen verpflichtet hatten. Für einen garantierten Rückkauf wären diese Kunsthändler bei bestimmten Stücken zum Eingreifen zu gewissen Summen gehalten worden sein. Für Händler wäre das zugunsten von Referenzpreisen und mutmaßlichen Provisionen durchaus attraktiv, auch Lange wird nicht widersprochen haben.“ 756 Algemeen Rijksarchief, Nederlandse Beheersinstituut, Den Haag, 2.09.16, Nr. 854: Schantung-Handelsaktiengesellschaft an Kunsthandel v.h. J. Goudstikker N.V, 5.12.1941. 192

Sie nochmals darum.“757 Daraufhin lieferte Posse am 16.9.1940 die angeforderte Liste: „In der Anlage übersende ich Ihnen die Liste der am 20. August in München von mir ausgesuchten Bilder. Was außerdem zum Ankauf bestimmt worden ist, weiß ich nicht.“758 Die Liste mit 20 Werken ist teilweise übereinstimmend mit einer weiteren Übersicht vom 19.11.1940, die 14 Werke enthält, darunter auch Rembrandts „Musizierende Gesellschaft“.759 Die Miedl-Bilder wurden anscheinend jeweils en bloc im Führerbau präsentiert und es gab mindestens zwei Besichtigungen. Insgesamt wurden aus den beiden Chargen 23 Werke ausgesucht. Alle drei Rembrandt zugeschriebenen Bilder, die Maria Dietrich an den „Sonderauftrag Linz“ lieferte, stammen aus der am 20.8.1940 von Posse besichtigten Charge.760 Die oben erwähnten, von Hitler in Miedls Lager ausgesuchten Werke stimmen bis auf Rembrandts „Musizierende Gesellschaft“ wohl nicht mit den von Posse bestätigten Werken überein.

1929/30 hatte Miedl gemeinsam mit Johannes Witzig die Aktienmajorität der Schantung AG erworben.761 Die Schantung AG wickelte im Auftrag Miedls von Berlin aus Verkäufe ab, etwa an die Galerie Almas, Hans W. Lange und Weinmüller. Bereits im August 1940 schlossen Alois Miedl und die Schantung AG einen Deal. Die Schantung Handels- Aktiengesellschaft verfasste am 27.8.1940 folgendes Schreiben an die Firma „N.V. Kunsthandel voorh. J. Goudstikker“: „Durch Herrn Alois Miedl, Amsterdam [...] haben wir mit Ihnen folgende Vereinbarungen getroffen: I. 1.) Wir haben auf Veranlassung von Herrn Miedl Gemälde und Kunstgegenstände laut einer von der Kunsthandel J. Goudstikker N.V. in Liquidation aufgestellten Liste gegen Zahlung von RM 1.600.000.- käuflich erworben, die wir veräussern werden. Sie übernehmen hiermit die selbstschuldnerische Bürgschaft dafür, dass uns aus dem Verkauf dieser Kunstgegenstände ein Netto-Erlös von RM 1.800.000.- zufliesst. Sollte ein solcher Erlös nicht erzielt werden, so übernehmen Sie die Verpflichtung, weitere Kunstwerke nachzuliefern bis ein Netto-Erlös in der angegebenen Höhe eingegangen ist.

757 BArch Koblenz, B323/132, Bl. 63a fo. 235: Maria Dietrich an Hans Posse, 12.9.1940. 758 BArch Koblenz, B323/132, Bl. 63a fo. 233f.: Hans Posse an Maria Dietrich, 16.9.1940. Nr. 2 auf der Liste, Teniersʼ „Wachtstube“ (1652), wurde möglicherweise nicht in diesem Zusammenhang erworben. Eventuell handelt es sich um Linz- Nr. 1509 oder 1825; bei beiden Einträgen in der Datenbank zum „Sonderauftrag Linz“ findet sich kein Hinweis auf die Galerie Almas. 759 BArch Koblenz, B323/132, Bl. 60a fo. 221: Sonderauftrag Linz an Maria Dietrich, 19.11.1940: „Herr Direktor Posse, der Sie bestens grüßen läßt, bittet Sie noch um Photographien der folgenden Bilder, die für die Linzer Galerie ausgewählt wurden.“ Einige Linz-Nr. weichen aus nicht erkennbaren Gründen chronologisch ab. 760 BArch Koblenz, B401, Nr. 78: Hans Posse an Kurt-Walter Hanssen, 23.8.1940: „Zu meinem Bericht vom 22. August erlaube ich zu den Bildern von Rembrandt noch nachzutragen, daß die ‚Musikszene‘ von Rembrandt doch als Erwerbung in Frage kommt, trotz ihrer unangenehmen Buntheit. Es ist immerhin ein eigenhändiges, signiertes und 1626 datiertes Werk des damals 20jährigen Rembrandt, das bei aller Buntheit doch sehr eigenartig und für den jungen Rembrandt charakteristisch ist.“ 761 NARA, M1946, RG 260, Roll 0038: Restitution Claim Records, S. 67ff.: Extrait dʼun rapport écrit par Miedl personnellement, au Lieutenant Rousseau, o. D. 193

2.) Wenn und insoweit obiger Erlös bis zum 31. Dezember 1940 nicht für uns erzielt ist, sind Sie verpflichtet, uns diesen gegen Rückgabe der noch vorhandenen Kunstgegenstände am 31.12.1940 zu zahlen. 3.) Wir verpflichten uns dagegen, sobald ein Netto-Erlös von RM 1.800.000.- für uns erzielt ist, die etwa alsdann noch vorhandenen Kunstgegenstände an Sie zurückzugeben. 4.) Sie haben durch die Kunsthandel J. Goudstikker H.V. in Liquidation den hfl.-Gegenwert von weiteren RM 4.000.000.- überwiesen erhalten. Für diesen Betrag erhalten wir von Ihnen bezw. auf Ihre Veranlassung bis spätestens 31. August d. J. Gemälde und sonstige Kunstgegenstände im Netto-Wert von mindestens RM 4.400.000.-. Sofern wir aus dem Verkauf dieser Gegenstände weniger als diesen Betrag erzielen, sind Sie verpflichtet[,] entsprechende Kunstwerke zur Verwertung nachzuliefern[,] bis ein Netto-Erlös von RM 4.400.000.- für uns eingegangen ist. 5.) Wenn und insoweit obiger Erlös bis zum 31. Dezember d. J. nicht für uns erzielt ist, sind Sie verpflichtet, uns diesen gegen Rückgabe der dann noch vorhandenen Kunstgegenstände am 31.12.1940 zu zahlen. 6.) Wir verpflichten uns dagegen, sobald ein Netto-Erlös von RM 4.400.000.- für uns erzielt ist, die etwa alsdann noch vorhandenen Kunstgegenstände an Sie zurückzugeben. Ferner erklären wir uns damit einverstanden, dass Sie Gemälde, welche nachweislich über Herrn Prof. Hoffmann, München, für bestimmte Verwendung verkauft werden sollen, aus unserem Eigentum zurückzuerwerben sofern und insoweit Sie uns Zug um Zug vollwertigen Ersatz liefern.“762 Einige der eruierten Ankaufsdaten liegen vor dem 31.12.1940 (s. oben) und stehen möglicherweise in Zusammenhang mit diesem Abkommen. Die Relevanz dieses Deals für Werke, die Maria Dietrich erwarb, konnte hier allerdings nicht eindeutig geklärt werden. Möglicherweise lässt sich ein Schreiben der Schantung-Handelsaktiengesellschaft an die Firma „Kunsthandel v.h. J. Goudstikker N.V“ vom 26.11.1940 mit dem Geschäft verknüpfen: „Mit Schreiben vom 2. d. Mts. hat sich Herr Miedl damit einverstanden erklärt, dass die uns von der ‚Almas‘ Galerie Maria Dietrich, München, übergebenen verschiedenen Bilder zur Veräusserung in Berlin hereingenommen werden können. Unter diesen Objekten befindet sich

762 Algemeen Rijksarchief, Nederlandse Beheersinstituut, Den Haag, 2.09.16, Nr. 854. S. auch Heuß 1998a, S. 107: Die Firma Goudstikker nahm 1944 Kredite in Höhe von 1,7 Millionen RM bei der Firma Schantung auf, der Miedl vorstand. Als Sicherheit hinterlegte er bei der Bank Witzig & Co. Teile der Kunstsammlung [keine Quellenangabe genannt]. Flick 2018b, S. 61: Flick sieht im Zusammenhang mit diesem Deal auch eine Auktion bei Hans W. Lange am 3./4.12.1940, in der Miedl 220 Gemälde alter Meister zur Versteigerung gab. Hier wurden 131 Gemälde aus dem Goudstikker-Bestand und 59 aus Miedls Einkäufen bei der Kunsthandlung Katz, Dieren angeboten. 194 ein Isenbrant [sic] ‚Madonna mit Kind‘ Nr. 36.“763 Die in dem Schreiben erwähnten Bilder können nicht über Miedls Kommissionsbuch nachgewiesen werden.

Im Zusammenhang mit einem weiteren Deal ist folgender Vorgang zu sehen: Die Schantung Handels-Aktiengesellschaft schrieb an die Firma „Kunsthandel v.h. J. Goudstikker N.V.“ am 18.2.1941: „Aus unseren eigenen Beständen sind der ‚Almas‘ Galerie Maria Dietrich, München, in Ihrem Auftrag folgende Bilder zur Verfügung gestellt worden“: Süddeutscher Meister, um 1500, „Bildnis eines jungen Mannes“, Alter Meister, um 1500 „Männerporträt“, Meister der Verherrlichung, „Maria“ – für insgesamt 97.500.- RM. Es wurde darum gebeten, die vorgeschlagenen Preise zu bestätigen und zu erklären, dass man bereit wäre, für die drei Gemälde gleichwertigen Ersatz zur Verfügung zu stellen.764

Ohne weitere Quellen können in Bezug auf die Geschäfte zwischen Miedl, Schantung und Dietrich nur Mutmaßungen angestellt werden.

3.2.2 Verbindung zu Hermann Göring

Die Galerie Almas lieferte nicht systematisch Kunstwerke an Hermann Göring. Ledglich zwei Gemälde, ein weibliches Porträt aus dem 16. Jahrhundert (Mü-Nr. 5874) sowie eine „Madonna mit Kind“ (Mü-Nr. 6133), gelangten über Bruno Lohse in Görings Sammlung. Hermann Göring bezog über seine Mittelsmänner Bruno Lohse und Walter Andreas Hofer (1893–1971?) zahlreiche Werke aus den Niederlanden. Die Datenbank zur Sammlung Göring enthält mehrere Werke, die aus der Sammlung Göring über Hofer zunächst an Dietrich und von ihr an den „Sonderauftrag Linz“ geliefert worden sind.765 Gemein ist diesen Werken, dass sie aus der Privatsammlung Goudstikker stammten und offiziell am 13.7.1940, dem Tag der Firmenübernahme, Eingang in die Sammlung Göring fanden. Aus der Sammlung Göring wurde Ambrosius Bensons „Der heilige Lukas malt die Maria“ (Linz-Nr. 1143, NK 2397) noch 1940 an Heinrich Hoffmann und Maria Dietrich verkauft, die

763 Algemeen Rijksarchief, Nederlandse Beheersinstituut, Den Haag, 2.09.16, Nr. 854: Schantung-Handelsaktiengesellschaft an Kunsthandel v.h. J. Goudstikker N.V., 26.11.1940: Verzeichnis der Gemälde, die durch die Schantung Handels-A.G. fakturiert, und der Gegenwert von dieser vereinnahmt wurde, o. D.: „Über die Galerie Almas [...] sind uns ferner folgende Bilder zur Verfügung gestellt worden: No. 14 Teniers ‚Männerkopf‘, No. 13, No. 36 Isenbrandt ‚Madonna mit Kind‘, No. 12 Adriaen Brouwer ‚Rauf-Szene‘, No. 37 Lombardische Schule ‚Mariä Geburt‘.“ Ein Werk von Adriaen Isenbrant „Madonna mit Kind“ (Mü-Nr. 4522) wurde aus der Amsterdamer Sammlung von Bernhard Gutmann beschlagnahmt und später durch Karl Haberstock an den „Sonderauftrag Linz“ geliefert. 764 Algemeen Rijksarchief, Nederlandse Beheersinstituut, Den Haag, 2.09.16, Nr. 854: Schantung-Handelsaktiengesellschaft an Kunsthandel v.h. J. Goudstikker N.V., 18.2.1941. 765 In der Datenbank zum „Sonderauftrag Linz“ gelangt man wiederum zu 18 Werken mit dieser Konstellation: Zwangsverkauf zunächst an Göring, bevor Dietrich die entsprechenden Werke an den „Sonderauftrag Linz“ lieferte. Möglicherweise wurde die entsprechende Ergänzung in der Datenbank auch bei Werken vorgenommen, die „pauschal“ von Göring erworben worden sind, aber in der Kunsthandlung Goudstikker verblieben, um von Miedl „verwertet“ zu werden. 195 es daraufhin im November desselben Jahres gemeinsam beim „Sonderauftrag Linz“ einlieferten.766 Jan Fyts „Stillleben mit Rebhuhn und kleinen Vögeln“ (Linz-Nr. 1206, NK 2557) wurde 1941 an die Galerie Almas verkauft, von wo aus das Werk noch im selben Jahr zum „Sonderauftrag“ gelangte.767 Das gleiche Prozedere lässt sich für folgende Werke feststellen: Gerard Houckgeests „Inneres einer Kirche“ (Linz-Nr. 1266, NK 1492)768, Giovanni Battista Pittonis „Brotverteilung durch die heilige Elisabeth“ (Linz-Nr. 1279, NK 1459)769 und Hendrik Gerritsz Pots „Männliches Porträt in Schwarz, Kniestück“ (Linz-Nr. 1210, NK 2405).770 Pots „Damenporträt mit Spitzenkragen und Fächer“ (Linz-Nr. 2006, NK 2406) kam erst 1942 durch Maria Dietrich in die Linzer Sammlung.771 Alessandro Magnascos „Katzenmusik“ (Linz-Nr. 1282, NK 1440) wurde im Zuge eines Tauschs 1944 zurück an Alois Miedl gegeben und kam laut Göring-Datenbank von dort über die Galerie Almas 1944 an den „Sonderauftrag“. Die Höhe der Linz-Nr. deutet allerdings auf eine frühere Einlieferung (1940) hin.772 Die sieben beschriebenen Werke wurden 2006 an die rechtmäßige Erbin nach Jacques Goudstikker (an dessen Schwiegertochter Marei von Saher) restituiert. Allein 2006 wurden insgesamt 14 Werke niederländischer und italienischer Meister mit einem Bezug zur Galerie Almas zurückgegeben. Insgesamt konnten in diesem Jahr 200 Kunstwerke an die Schwiegertochter von Jacques Goudstikker restituiert werden.773

766 Deutsches Historisches Museum, Die Kunstsammlung Hermann Göring (kurz: DHM, Göring) (http://www.dhm.de/datenbank/goering/dhm_goering.php?seite=5&fld_0=RMG00201 – zuletzt besucht am 18.4.2019). 767 DHM, Göring (http://www.dhm.de/datenbank/goering/dhm_goering.php?seite=5&fld_0=RMG00676 – zuletzt besucht am 18.4.2019). 768 DHM, Göring (http://www.dhm.de/datenbank/goering/dhm_goering.php?seite=5&fld_0=RMG00847 – zuletzt besucht am 18.4.2019). 769 DHM, Göring (http://www.dhm.de/datenbank/goering/dhm_goering.php?seite=5&fld_0=RMG01279 – zuletzt besucht am 18.4.2019). 770 DHM, Göring (http://www.dhm.de/datenbank/goering/dhm_goering.php?seite=5&fld_0=RMG01296 – zuletzt besucht am 18.4.2019). 771 DHM, Göring (http://www.dhm.de/datenbank/goering/dhm_goering.php?seite=5&fld_0=RMG01295. – zuletzt besucht am 18.4.2019). Vgl. Schriftwechsel oben (BArch Koblenz, B323/132, Bl. 55a fo. 188: Hans Posse an Maria Dietrich, 25.10.1941). 772 DHM, Göring (http://www.dhm.de/datenbank/goering/dhm_goering.php?seite=5&fld_0=RMG00980 – zuletzt besucht am 18.4.2019). 773 Sutton 2008, S. 56. 196

3.3 Frankreich

Am 14. Juni 1940 fielen deutsche Truppen in Paris ein, woraufhin am 22. Juni 1940 mit Vereinbarung des Waffenstillstandes die deutsche Besetzung Frankreichs begann. Die Befreiung von Paris erfolgte am 24. August 1944. Die besetzte Zone unterstand der deutschen Militärverwaltung/Wehrmacht, deren höchster Repräsentant der deutsche Militärbefehlshaber in Frankreich (MBF) mit Sitz in Paris war. Für politische Angelegenheiten war die deutsche Botschaft verantwortlich.774 Der Militärbefehlshaber und die Botschaft standen in einem Spannungsverhältnis zueinander, das speziell in der Anfangszeit der Besatzung durch zwei Personen verkörpert wurde: Franz Graf Wolff-Metternich (1893–1978)775 und Otto Abetz (1903–1958). Der eingesetzte Botschafter Abetz war bereits im Frühsommer des Jahres 1940 mit der Zusammenstellung von Listen mit jüdischem Kunstbesitz befasst. Entzogene Kunstgegenstände dienten ihm u. a. als Dekoration der Botschaftsräume. Abetz geriet durch sein Vorgehen mit der Wehrmacht in Konflikt, da sich deren Abteilungen Kunst-, Bibliotheks- und Archivschutz an die Haager Landkriegsordnung halten wollten. In der Praxis hieß dies, dass jede Entfernung oder Veränderung beweglicher Kunstwerke der schriftlichen Einwilligung des Militärbefehlshabers bedurfte. Graf Metternich stellte sich als Leiter des Kunstschutzes den Aktionen von Abetz in den Weg. Doch der Abtransport von Kulturgut aus jüdischem Besitz aus Frankreich war politisch erwünscht. Daher wurden die Kompetenzen der Wehrmacht im Bereich des Kunstschutzes spätestens mit einem Schreiben des Chefs des Oberkommandos der Wehrmacht, Wilhelm Keitel, an den Oberbefehlshaber des Heeres für die Militärverwaltung am 17.9.1940 unterlaufen. In Form eines „Führerbefehls“ wurde mitgeteilt, dass dem Einsatzstab Reichsleiter Rosenberg (ERR) bei seiner Arbeit jegliche Unterstützung zu gewähren sei. Der ERR wurde ermächtigt, die ihm wertvoll erscheinenden Kulturgüter sicherzustellen und abzutransportieren.776 Am 16.10.1940 übergab Hitler die Verantwortung zur Sicherstellung des Kunstbesitzes in Frankreich auch offiziell dem Joseph Goebbels unterstehenden Reichsministerium für Volksaufklärung und Propaganda und somit dem ERR.777 Mit einem Übergabeprotokoll der

774 Site Rose Valland, MNR. Arbeitskreis Provenienzforschung e.V.: Nazi Looted Art & Provenance Research in France, zusammengestellt von Tessa Rosebrock und Jasmin Hartmann, 2016. 775 Deutsches Zentrum Kulturgutverluste, Magdeburg: Projekt der Vereinigten Adelsarchive im Rheinland e.V. Pulheim: Bereitstellung von archivischen Quellen aus deutschen, französischen und englischsprachigen Archiven für die deutsche und internationale Provenienzforschung zu Kunstschutz und Kunstraub im Zweiten Weltkrieg, 2016–2019. Im Mittelpunkt des Projekts stand der Privatnachlass von Franziskus Graf Wolff Metternich. Im Nachlass Metternich finden sich keine Hinweise auf Maria Dietrich (freundliche Auskunft von Hans-Werner Langbrandtner, Pulheim). 776 Wilhelm Treue: Zum nationalsozialistischen Kunstraub in Frankreich. Der „Bargatzky-Bericht“, S. 285–337. In: Vierteljahreshefte für Zeitgeschichte, Jg. 13, H. 3, 1965, hier S. 306f. 777 Rosebrock 2012, S. 118f. Anja Heuß: Kunst- und Kulturgutraub: eine vergleichende Studie zur Besatzungspolitik der Nationalsozialisten in Frankreich und der Sowjetunion, Heidelberg 2000, S. 303: Heuß konretisiert, dass auch Kunstbesitz sichergestellt wurde, der von Napoleon im Deutschen Reich geplündert worden war. 197

Deutschen Botschaft, am 1.2.1941 von Otto Abetz unterzeichnet, wurde der bis dahin sichergestellte jüdische Besitz an Alfred Rosenberg (1893–1946) übergeben. Darunter befanden sich die Sammlungen Rothschild, Dreyfus, Lazard, Rosenberg und Bernstein.778 Der ERR wurde zum einflussreichsten der nationalsozialistischen Rauborganisationen im besetzten Frankreich, auch indem eine Allianz mit Hermann Göring eingegangen wurde, die personelle und logistische Unterstützung schuf. Bruno Lohse und Walter Andreas Hofer arbeiteten in Görings Auftrag, u. a. als Verbindungsmänner zum ERR bzw. parallel für den ERR in Paris (Lohse). Das Devisenschutzkommando war damit beauftragt, den gesamten französischen Geschäfts- und Bankenverkehr im Interesse der Währungssicherheit zu kontrollieren und Verstöße gegen die Devisenschutzordnung zu verhindern. Es war befugt, Wohnungen und Banktresore zu durchsuchen und Wertgegenstände in Sicherheitsgewahr zu nehmen.779 Beschlagnahmte Kunstwerke wurden im Jeu de Paume gelagert. Dort wurden sie unter der Leitung von Kurt von Behr (1890–1945) inventarisiert und nach Deutschland transportiert. Die Oberaufsicht über die Transporte oblag Hermann Bunjes (1911–1945). Die französische Museumskonservatorin Rose Valland (1898–1980) arbeitete während der gesamten Besatzungszeit im Jeu de Paume und erlangte dadurch umfassende Kenntnisse über die Mechanismen bei der Einziehung französischen Kulturgutes durch den ERR. So dokumentierte sie beispielsweise den Inhalt und die Bestimmungsorte von Kunsttransporten. Nach Kriegsende war sie maßgeblich an der Rückführung der aus Frankreich geraubten Objekte beteiligt. Eine Analyse der Beschlagnahmelisten hat ergeben, dass über den ERR zwischen 1941 und 1944 203 Sammlungen mit mehr als 20.000 Objekten in das Deutsche Reich transferiert worden sind. Hitler erhielt aus diesen Beständen lediglich 53 Objekte. Göring suchte sich 634 Werke aus.780 Im April 1943 wurde der ERR quasi dem „Sonderauftrag Linz“ unterstellt, wie aus einem Brief Martin Bormanns an Alfred Rosenberg vom 21.4.1943 hervorgeht, indem letzterer aufgefordert wurde, die beschlagnahmten Kunstwerke den Mitarbeitern des „Sonderauftrags“ zu übergeben.781 Ab diesem Zeitpunkt reduzierte der ERR seine Aktivitäten und beschäftigte sich vornehmlich mit der Katalogisierung und Vorbereitung von Transporten nach

778 NARA, M1946, RG 260, Roll 0117, Restitution Research Records, Art Objects Confiscated in France: Deposited at the German Embassy, S. 211–287, attachments. 779 Treue 1965, S. 299f. 780 Francini/Heuß/Kreis 2001, S. 283. Isabelle le Masne de Chermont/Didier Schulmann: Le Pillage de l’art en France pendant l’occupation et la situation des 2000 œuvres confiées aux musées nationaux, Paris 2000, S. 21–24. 781 Hanns Christian Löhr: Kunst als Waffe. Der Einsatzstab Reichsleiter Rosenberg. Ideologie und Kunstraub im „Dritten Reich“, Berlin 2018, S. 90f. 198

Deutschland. Der ERR erhielt zudem Werke, die durch die sogenannte Dienststelle Westen konfisziert worden waren, und führte auch weiterhin Beschlagnahmungen durch.782 Im Gegensatz etwa zu Hildebrand Gurlitt kann kein regelmäßiger bzw. enger Kontakt von Maria Dietrich zur Botschaft (s. einmalige Vorauszahlung unten) oder der Militärverwaltung nachgewiesen werden.783 Ausnahmen stellen die Bearbeitung von Devisenangelegenheiten und Ausfuhrgenehmigungen durch den Kunstschutz dar. Die Geschäfte Maria Dietrichs mit dem ERR werden unter Kap. 3.3.4 behandelt.

Die wohl intensivsten Erwerbungsaktionen von Maria Dietrich fanden ab 1940 in Frankreich statt. Der Consolidated Interrogation Report Nr. 4 besagt sogar, dass ihre Reisen außerhalb des Deutschen Reichs auf Paris beschränkt gewesen wären. Dietrich wohnte während ihrer Aufenthalte im Hotel des Deux Mondes, 22 Avenue de l’Opéra (1940, 1941)784 und dem heutigen Vier-Sterne-Hotel Claridge (1942)785 sowie eventuell im Hotel de Nice (1944).786 15 Reisen konnten nachgewiesen werden, wobei Dietrich gelegentlich von ihrer Mitarbeiterin Maria Konrad begleitet wurde.787 Vier Mal verbrachte Dietrich während der Besatzungszeit den Jahreswechsel in Paris.788 Eine Quelle besagt, dass sie sogar fast jeden Monat – gemeinsam mit Heinrich Hoffmann – in Paris gewesen wäre.789 Auf Einkäufe durch Heinrich Hoffmann in Paris weisen auch Transportlisten der Firma Schenker hin.790 Die erste Reise Dietrichs im Jahr 1940 ist durch Restaurantbelege von Mitte Dezember und Belege der zwei ersten Transaktionen am 17.12. und 18.12.1940 dokumentiert. Ein weiteres Geschäft wurde direkt in den ersten Januartagen des Jahres 1941 abgewickelt. Die Jahre 1941 und 1942 können als Höhepunkt der Tätigkeit Dietrichs in Paris bezeichnet werden. Mindestens elf Reisen fanden allein in diesen beiden Jahren statt und 1941 fuhr sie

782 Ausst.-Kat. À qui appartenaient ces tableaux? – Looking for owners. French policy for provenance research, restitution and custody of art stolen in France during World War Two, Musée d’Israël, Jerusalem, Musée d’Art et d’Histoire du Judaïsme, Paris 2008, S. 13. 783 Gramlich/Hopp 2017, S. 38ff. Schwarz 2017, S. 52f.: Gurlitts Kunsttransporte wurden von der Abteilung Kunstschutz beim Militärbefehlshaber in Paris verpackt und befördert. 784 NARA, Dietrich, Maria Almas: purchases and bank receipts, S. 190: Reichskreditkasse an Maria Dietrich, 17.12.1940. Dietrich, Maria Almas: receipts a-m, S. 131: Rechnung Michon Fils, 9.4.1941. 785 NARA, Dietrich, Maria Almas: receipts n-z, S. 52: Rechnung Charles Ratton, 12.2.1942. 786 NARA, Dietrich, Maria Almas: receipts n-z, S. 13: Rechnung Cornelius Postma auf dem Briefpapier des Hôtel de Nice, 23.1.1944; möglicherweise Unterkunft von Postma. 787 BArch Berlin, R8 XIV 5, Devisenanträge und Devisenbescheinigungen, o. Bl.: Vermerk vom 14.1.1943. 788 Andrea Baresel-Brand: Provenienzrecherche Gurlitt. Hildebrand Gurlitts Kreise in Paris, S. 28–33. In: Provenienz & Forschung, 2/2017, hier S. 28: Für Hildebrand Gurlitt können 20 „Einkaufsreisen“ nach Paris zwischen September 1941 und Juli 1944 nachgewiesen werden. 789 Archives nationales, Paris, F12/9633: Übersicht „Allemands compromis dans le pillage artistique de la France“, 1.8.1945, Bl. 3. 790 Archives nationales du monde du travail, Roubaix bei Lille (freundliche Auskunft von Gitta Ho, Paris). 199 tatsächlich fast jeden Monat nach Paris.791 Eventuell verbrachte sie den Jahreswechsel 1942/43 wieder in der französischen Hauptstadt, da Einkäufe in den ersten Januartagen stattfanden. Bei einer zweiten Tour im November des Jahres 1943 kaufte Dietrich v. a. Musikinstrumente und Porzellan. 1944 reiste sie im Januar und März nach Paris. Die März- Reise des Jahres 1944 ist die letzte dokumentierte Fahrt in das besetzte Frankreich. Für April/Mai bzw. Mai/Juni 1944 (Verzögerung durch die Zerstörung ihrer Galerieräume) war bereits eine Devisengenehmigung beantragt worden. Ob in diesem Zusammenhang tatsächlich noch eine weitere Reise stattfand, ist nicht belegt.792

3.3.1 Transaktionen

Dietrich interessierte sich in Paris für deutsche, französische, italienische und niederländische Gemälde, Zeichnungen, Aquarelle und Skulpturen vom 15. bis zum 19. Jahrhundert, aber auch für Asiatica, ethnografische Objekte793, Musikinstrumente, Möbel und Porzellan. Bisher ging man davon aus, dass Maria Dietrich in Paris 320 Kunstgegenstände erworben hatte.794 Diese Zahl muss nun nach oben korrigiert und präzisiert werden. Durch die Auswertung der überlieferten Rechnungen, Quittungen und die in der Nachkriegszeit angelegten Übersichten konnte eine Mindestanzahl von 485 in Paris erstandener Objekte identifiziert werden.795 Die Auswertung ergab zudem, dass diese Objekte zwischen 1940 und 1944 in insgesamt rund 220 Transaktionen von 103 benennbaren Händler:innen, Geschäften und Privatpersonen aus Paris oder Umgebung erworben worden waren (vgl. ANLAGE 8). Im CIR 4 sind 109 Kontaktpersonen gelistet, die in Frankreich

791 NARA, Dietrich, Maria Almas: purchases and bank receipts/Devisengenehmigungen: 1. und 2. Reise 150.000.- RM, Dezember 1940/Januar 1941. 3. Reise 100.000.- RM, Februar 1941. 4. Reise 200.000.- RM, April 1941. 5. Reise 100.000.- RM, Mai 1941. 6. Reise 250.000.- RM, August 1941. 7. Reise, September 1941. 8. Reise 60.000.- RM, Oktober 1941. 9. Reise 100.000.- RM, Dezember 1941. 10. Reise 100.000.- RM, Februar 1942. 11. Reise, April 1942. 792 BArch Berlin, R8 XIV 5, Devisenanträge und Devisenbescheinigungen, o. Bl.: Helmut von Hummel an die Reichsstelle für Papier, 28.4.1944, beigefügter handschriftlicher Brief von Maria Dietrich an die Reichsstelle für Papier, 27.4.1944. 793 BArch Koblenz, B323/75, Bl. 113, 116: Trommeln und ethnologische Objekte, Kongo und Neukaledonien, angekauft 14.5.1941 bei Au vieux Persan, Curiosités. 10, Rue Victor Massé, Paris. Erwerb weiterer Ethnographica, meist aus Afrika, 12.2.1942 bei Charles Ratton, 14, Rue de Masignan, Paris. 794 S. u. a. Nicholas 1994, S. 157: Nicholas bezieht sich bewusst oder unbewusst nur auf Gemälde. Vgl. Archives diplomatiques, Paris, 209 SUP 160 A 118, o. Bl.: Eine ähnliche Zahl ergab sich auch bereits durch die frühe, undatierte Aufstellung „Œuvres d’art achetées en France pendant la Guerre par Madame Almas Dietrich“: Tableaux (234), Tapisseries (2), Sculptures (20), Meubles (4), Argenterie (1), Luminaires (1), Ceramiques (7), Bijoux (1), Manuscrits (1), Bronzes (4), Instruments de Musique (6), Divers (15) [non restitués], Tableaux (43), Ceramiques (1) [restitués], Tableaux (25) [douteux] = insg. 365 Objekte. 795 Die nominellen Angaben resultieren aus der Auswertung der (nicht vollständig) überlieferten Rechnungen und Quittungen (NARA) sowie dem Abgleich weiterer Werke (Konvolute Linz, Hoffmann, Bormann, Schloss Posen, Rückgaben an Familie Dietrich). Die Feststellung der Werkidentitäten war nicht immer möglich, da die Angaben teilweise zu unspezifisch sind. Manche Werke wurden daher nicht gezählt, um Doppelungen zu vermeiden. Genutzt wurden u. a.: BArch Koblenz, B323/436, B323/75. Archives diplomatiques, 184 A 153, Bl. 291–337: Œuvres d’Art achetées en France pendant la Guerre par Madame Almas Dietrich. 209 SUP 373 P4, o. Bl.: Liste des peintures exportées de France par les Allemands pendant l’occupation. 209 SUP 389 P 24 et C 824, o. Bl.: Acquisitions faites par les musées et galeries allemandes pendant l’occupation de la France. 200 während des Krieges Kunstwerke an Dietrich verkauft hatten. Die damalige Aufstellung ist anhand weiterer seinerzeit vorhandener Geschäftsunterlagen erstellt worden.796 Die Verteilung der Transaktionen auf die Okkupationszeit stellt sich momentan folgendermaßen dar: 1940: 2 1941: 107 1942: 73 1943: 20 1944: 15 Obwohl ein oder zwei Transaktionen pro Handelspartner:in die Regel waren, können einige „Stammlieferant:innen“ benannt werden. Die häufigsten Transaktionen betrafen Gustav Rochlitz (18 Transaktionen / 63 Objekte), gefolgt von Thérèse Vatchnadzé (10 Transaktionen / 20 Objekte).

Die Angabe, dass Dietrich in Paris 80 Werke für Linz erworben hätte, stammt ebenfalls aus dem Consolidated Interrogation Report. Laut der Datenbank zum „Sonderauftrag Linz“ muss es sich allerdings eher um ca. 100 Werke gehandelt haben, was etwa 10 % des Gesamtumfangs der von Dietrich an Hitler/Linz veräußerten Werke entspricht. In vielen Fällen sind hier Vorbesitzer:innen (meist Zwischenhändler:innen) angegeben. Unter den mehreren hundert Werken befanden sich augenscheinlich welche, die zwar für den „Sonderauftrag“ bestimmt waren, von Posse, Voss oder Hitler selbst aber nicht akzeptiert wurden. Die in der sogenannten Kartei für Art-Looting Suspects angelegte Karte für Maria Dietrich besagt lediglich, dass sie „250 additional paintings“ in Paris erworben hatte, „which she sold to a widely assorted German clientele“.797 Es ist derzeit nicht möglich, eine detaillierte Übersicht über den Verbleib der tatsächlich eher 385 weiteren in Paris erworbenen Objekte zu erstellen, aber es gibt einige Anhaltspunkte: In einer Auflistung deutscher Museen, die aus Frankreich Kunstwerke angekauft hatten, sind auch die entsprechenden Händler:innen genannt.798 Die Galerie Almas ist dabei zwar nicht aufgeführt, aber wie in Kap. 2.4.3 beschrieben, profitierten von Dietrichs Einkäufen in Paris mindestens das Landesmuseum Bonn, das Ledermuseum in Offenbach, die Bayerischen

796 NARA, CIR 4, S. 188ff.: Attachment 51 lists over 100 individuals in France who sold works of art to Frau Dietrich during the war: „This list is compiled from Dietrich’s ledgers and files of recepted bills.“ Nicht zu allen genannten Namen liegen heute noch die entsprechenden Belege vor. S. auch Roxan/Wanstall 1964, S. 96. 797 NARA, M1944, RG 239, Roll 0045, S. 123: Card File on Art-Looting Suspects, Dietrich, Frau Maria. 798 Archives diplomatiques, Paris, 209 SUP 389 P 24 et C 824, o. Bl.: Acquisitions faites par les musées et galeries allemandes pendant l’occupation de la France, 5.4.1945. 201

Staatsgemäldesammlungen und die Musikinstrumentensammlung von Georg Neuner in München. Verkäufe an Privatpersonen außerhalb des NS-Zirkels lassen sich hingegen nicht näher bestimmen. Spätestens ab 1943 durften aus den Einfuhren aus Frankreich keine Verkäufe an Private erfolgen. Diese Regelung geht aus mehreren Schreiben der Reichsstelle für Papier hervor, etwa am 20.5.1944 an Dietrich: „Wie aus der Bestätigung des Herrn v. Hummel vom 30. März 1944 ersichtlich, sind nicht alle eingeführten Gemälde im Gegenwert von RM 220.000.- übernommen worden. Ich bitte daher um Angabe des Wertes der noch unverkauften 6 Gemälde und erlaube mir darauf aufmerksam zu machen, dass eine Veräußerung zur Bereicherung von privaten Kunstsammlungen nicht erfolgen darf. Bis zum 30. Juni 1944 erbitte ich hierüber Ihre Rückäußerung respektive den Nachweis, welches Museum oder welche amtliche Stelle die Gemälde übernommen hat.“799 Einen weiteren Anhaltspunkt für den Verbleib französischer Werke bietet eine von Rose Valland geführte Übersicht mit handschriftlichen Vermerken. Neben unkonkreten Aussagen von Dietrich wie „nicht erinnerlich“, „an privat“, „verkauft nach Berlin“ lässt sich hierüber erkennen, dass Werke an den Danziger Gauleiter Albert Forster und (Reichsleiter der NSDAP und Leiter der Deutschen Arbeitsfront800), an Heinrich Hoffmann sowie Martin Bormann abgegeben wurden (vgl. ANLAGEN 4–6). Das uneinheitliche Vokabular und weitere Ungenauigkeiten erschweren die Zuordnung („NS- Partei“, „verkauft ans Reich“, „vermutlich an Bormann verkauft?“, „verkauft an Bormann oder Hitler?“, „verkauft an Regierung“). Folgerichtig wurde dann auch festgestellt: „Almas können sich bei den vielen Hundert Bildern, die sie während des Krieges gehandelt haben, an nichts genaues mehr erinnern[,] was Käufer betrifft [...]. Sicher ist, daß alle Bilder verkauft wurden, aber fraglich an wen.“801

Dass alle Bilder verkauft worden sind, stimmt allerdings nicht. Einige der nicht verkauften Objekte aus Paris wurden durch die Galerie Almas ausgelagert: etwa Abraham Bloemaerts „Vertumnus und Pomona“ (Mü-Nr. 20997), das von Mimi tho Rahde in der Römerstraße in München gelagert wurde. Gekauft hatte es Dietrich bei Gustav Rochlitz in Paris 1940 (vgl.

799 BArch Berlin, R8 XIV 5, Devisenanträge und Devisenbescheinigungen, o. Bl. 800 S. auch Lost Art, Beteiligte Privatpersonen und Körperschaften am NS-Kulturgutraub: Der Architekt Heribert Nadolle, Berlin erwarb vier Werke von Guardi bei Dietrich für Robert Ley. Dietrich hatte die Gemälde von Fabiani für den „Sonderauftrag Linz“ gekauft, Voss lehnte sie jedoch als Fälschungen ab. BArch Berlin, R8 XIV 5, Devisenanträge und Devisenbescheinigungen, o. Bl.: Galerie Almas an die Reichsstelle für Papier, Niederschlema, 26.6.1944: Nachweis für Gemälde aus Frankreich. 801 BArch Koblenz, B323/436, Restitutionsanträge aus Frankreich, Bd. 2: Ermittlungen zur Restitution von Kulturgütern nach Frankreich. Erwerber und Verwahrorte von Kunstgütern aus französischem Besitz 1945–1960, Bl. 63: handschriftliche „französ. Almas-Liste“, o. D.; bezieht sich auf die mit handschriftlichen Anmerkungen betreffend Käufer und Verbleib versehene Übersicht „Œuvres d’Art achetens en France pendant la Guerre par Madame Almas Dietrich“ (Bl. 14–62). 202

Kap. 3.3.4). Als „Scène mythologique“ konnte es nach Frankeich restituiert werden. Sieben weitere ausgelagerte Werke wurden nach Frankreich zur weiteren Abwicklung gegeben: Mü- Nr. 15867802, 19905 (Monet, s. Kap. 3.3.4), 19974, 19970 und 19969803, 19967804 sowie 19188 (Pissarro, s. Kap. 3.3.4).

Nach Kriegsende erhielten Maria Dietrich und Mimi tho Rahde aber auch zahlreiche Werke ausgehändigt. Laut einer Empfangsbescheinigung erhielt tho Rahde am 11.2.1949 für ihre Mutter 61 Positionen (v. a. Gemälde) zurück. Verantwortlich zeichnete Stefan P. Munsing von der Chief, Monuments, Fine Arts and Archives Section. Mimi tho Rahde unterschrieb folgendes „sworn statement“: „I herewith make the following sworn statement: The objects listed on the Custody Receipt form do not contain any items which are restitutable to foreign countries recording to Military Government Laws, or which originate from Jewish collections confiscated or acquired under duress. Should, however, it be proved in the future that among the property hereby returned to me, are objects which are subject to restitution under Control Council or Military Government Laws, directives, agreements or regulations, I will take the responsibility that such restitution will be duly made upon presentation of respective claims.“805 Mimi tho Rahde unterschrieb diese Erklärung, obwohl gleich mehrere Werke recht offensichtlich aus Frankreich stammten und nach alliierten Maßgaben nach Frankreich zurückgegeben gehört hätten. Teilweise wurde die Herkunft Frankreich sogar schon im CCP festgestellt. Warum dennoch eine Rückgabe an die Familie Dietrich erfolgte, ist unklar. Bei folgenden Werken ist eine Übereinstimmung mit Werken aus Frankreich wahrscheinlich oder gesichert: Dutch 17. Jh. „Stilleben“ – bought in France, statement fr. Dietrich (Mü-Nr. 19968) – rest. an Almas806 / Ambros Brueghel „Stilleben“ – bought in Paris during the war – rest. an Almas (Mü-Nr. 19966)807 / Ambros Brueghel „Stilleben“ – bought in Paris by Alm. Dietr. – rest. an

802 BArch Koblenz, B323/357, Bl. 255: Übersicht „The Central Collecting Point received the following listed Art objects from the Collection Almas-Dietrich“, 22.1.1947: P. de Chirico „big painting on canvas“. Vgl. Cultural Plunder by the Einsatzstab Reichsleiter Rosenberg: Database of Art Objects at the Jeu de Paume: „Title: Springende Pferde, 130 x 98 cm, Signiert oben links: G. di Chirico. Provenance and Comments: Tausch 13. Exchanged by Rochlitz for Goering. On February 9, 1942 the art dealer Gustav Rochlitz exchanged seven ‚degenerate‘ paintings by Matisse, Braque, Chirico and Leger with a painting from a Master from Frankfurt, titled: ‚The Adoration of the Magi‘.“ Die Gemälde gehörten zu den Sammlungen von Georges Bernheim, Paul Rosenberg und Alphonse Kann. Die Familie Dietrich bewahrte das Bild vermutlich für Rochlitz auf. 803 NARA, Dietrich, Maria Almas: receipts n-z, S. 39: 1941 von Neuville & Vivien (Tableaux. Estampes, Objets dʼArt Expertises) erworben. 804 NARA, Dietrich, Maria Almas: receipts a-m, S. 111: 1941 von Paul Lemerre erworben. 805 BArch Koblenz, B323/357, Bl. 178f.: Office of Military Government, Custody Receipt Form (Empfangsbescheinigung), 11.2.1949. 806 BArch Koblenz, B323/357, Bl. 271: handschriftliche Liste, o. D. 807 Ebenda. 203

Almas (Mü-Nr. 19965)808 / Madonna with child on base – Almas: „in Frankreich gekauft“ – rest. an Almas (Mü-Nr. 19600)809 / Manskirch „Landscape with ruins“ (Mü-Nr. 16973) und Manskirch „Landscape with cows“ (Mü-Nr. 17169)810 / Lenbach „Portrait of a Lady“ (Mü- Nr. 22715)811 / van der Venne „Skating people“ (Mü-Nr. 22716)812 / German 18th cent. „View of Cassel“ (Mü-Nr. 28038).813 Zu Pontormos „Portrait of a lady“ (Mü-Nr. 19980/3, Abb. 21)814 wurde anlässlich einer Befragung eine Notiz angefertigt: Dietrich „[…] knows about numerous paintings which were in Germany during the war but later on sold in Paris. One example is the Pontormo, girl with canation, which was published by Haberstock during the war as German property in German art magazine and later bought by Frau D. in France.“ Das Bild ging am 11.2.1949 an Dietrich zurück.815 Bei einer Reihe weiterer Werke kann durch die rudimentären Werkangaben zwar keine eindeutige Aussage getroffen, aber dennoch vermutet werden, dass sie mit Werken aus Frankreich übereinstimmen. Mindestens 32 der an Dietrich zurückgegebenen Werke stammten definitiv aus Frankreich oder es gibt Hinweise darauf, dass die Werke aus Frankreich kamen. Die Behauptung der Familie Dietrich-tho Rahde, es wäre „alles verkauft“ worden, ist somit definitiv falsch. Ein nicht unwesentlicher Teil der Pariser Erwerbungen blieb unverkauft. Theoretisch müssten die betreffenden, damals an Dietrich-tho Rahde retournierten Werke, auch heute noch an Frankreich zurückgegeben werden, da die alliierten Gesetze an keine Frist gebunden sind (vgl. Kap. 4.1 Auslagerungen und Rückgabe von Objekten an die Familie Dietrich-tho Rahde).

3.3.2 Netzwerk

Im Gegensatz zu den geschilderten Beispielen aus Österreich erwarb Maria Dietrich Kunstgegenstände in Paris in der Regel nicht direkt aus privaten Sammlungen, sondern über eine Mittlerperson oder aus dem Kunsthandel. Eindeutig ließen sich nur etwa zehn Privatpersonen (von insgesamt ca. 100 Personen) ermitteln, die aus ihrem eigenen

808 Ebenda. 809 Ebenda. 810 NARA, Dietrich, Maria Almas: receipts a-m, S. 66f.: 1942 von Avogli Trotti erworben. 811 NARA, Dietrich, Maria Almas: receipts n-z, S. 5f. BArch Koblenz, B323/75, Bl. 2: 1940 von Gustav Rochlitz erworben. 812 Archives diplomatiques, Paris, 209 SUP 389 P 24 et C 824: Übersicht „Achats de Mme Maria Dietrich en France de 1940 à 1943“, Bl. 15: 1941 von Pierre Landry erworben. 813 Archives diplomatiques, Paris, 209 SUP 160 A 118, Bl. 23: 1942 von Hugo Engel erworben. 814 NARA, Dietrich, Maria Almas: receipts a-m, S. 91: 1942 von Paul Jurschewitz erworben. 815 BArch Koblenz, B323/357, Bl. 270f.: Interrogation of Frau Dietrich, 15.10.1946. 204

Privatbesitz an Dietrich verkauften. Direkte Käufe durch Dietrich bei Pariser Auktionen sind bisher nicht aufgefallen.816 Geht man davon aus, dass Dietrich in Paris vor der Besatzung kein ausgeprägtes, über Jahrzehnte entstandenes Netzwerk wie etwa Karl Haberstock aufgebaut hatte, ist es bemerkenswert, dass ihre Kontakte schnell und wirksam zu Stande kamen. Die Einkäufe Maria Dietrichs in Paris während der Okkupation sind verhältnismäßig gut durch Rechnungen, Quittungen und andere Belege dokumentiert. Nur zu Karl Haberstock gibt es vergleichbares und sogar umfangreicheres Material bezüglich seiner Aktivitäten in Frankreich, etwa Belege für Erwerbungen in den 1930er und 1940er Jahren sowie allgemeine Geschäftsunterlagen. Im Gegensatz zu Dietrichs Unterlagen hat sich zudem sehr viel Korrespondenz Haberstocks aus diesen beiden Jahrzehnten erhalten.817

Nur wenige Hinweise deuten darauf hin, dass Dietrichs Kontakte nach Paris bereits vor der Okkupation bestanden (s. Abschnitte Birtschansky und Dequoy/Wildenstein). Daher wird im Folgenden versucht, den raschen Aufbau ihres Netzwerkes begreiflich zu machen. In der Weltkunst boten in den 1930er Jahren viele internationale und vor allem französische Kunsthändler und Geschäfte regelmäßig ihre Dienste an, beispielsweise die heute noch existierende Pariser Kunsthandlung Brimo de Laroussilhe (Verkauf von ca. neun Werken an Dietrich), Chenue (Verpackung und Transport), Edouard Grosvallet (Rahmenhandlung) und Zacharie Birtschansky. Französische Händler waren den deutschen Kunsthändlern somit auch über diesen Weg bereits vor der Okkupation ein Begriff. Offensichtlich wurde Maria Dietrich bereits im Herbst 1940 – vor ihrer ersten Reise nach Paris – schriftlich mit Angeboten aus Paris kontaktiert. Auf Bitten des „Sonderauftrags“ übermittelte sie am 17.10.1940 eine Aufstellung der bei ihr eingegangenen Angebote, da Hans Posse augenscheinlich die Kontakte von ihr (!) benötigte. Die Galerie Almas (Maria Konrad) schrieb hierzu am 17.10.1940 an Posse: „Anliegend die Pariser Adressen. Da ich

816 Die Auktionsprotokolle in den Archives de Paris oder annotierte Auktionskataloge wurden nicht systematisch überprüft. Deutsches Zentrum Kulturgutverluste, Tagung „Raub & Handel. Der französische Kunstmarkt unter deutscher Besatzung (1940–1944)“, Bonn, 30.11.2017, Vortrag Isabelle Rouge-Ducos: „L’Hôtel Drouot pendant l’Occupation“: Im Hôtel Drouot fanden auch Zwangsversteigerungen statt. Gustav Rochlitz, Theo Hermsen und Hildebrand Gurlitt sind als Käufer nachweisbar. Polack 2015, S. 39: Bei der Versteigerung der Sammlung von Maurice Delacre, Belgien waren Gustav Rochlitz und Karl Haberstock anwesend. 817 NARA, Holocaust-Era Assets, Ardelia Hall Collection: Munich Administrative, Restitution Research Records, Haberstock, Karl: Correspondence. Archives diplomatique, Paris, 209 SUP 160 A 118, o. Bl.: Rose Valland, Le Chef du Service de Remise en Place des Œuvres d’Art Récupération Artistique an Monsieur Florisoon, Conservateur des Musées Nationaux chargé de la Récupération Artistique, Paris, 22.2.1952: „Ci-joint la réponse américaine au sujet de la réclamation que vous mʼavez fait parvenir pour les factures Almas Dietrich et Haberstock. Je ne puis vous donner aucun avis personnel à ce sujet, car ces documents ne sont jamais passés entre mes mains.“ Auch hier spiegelt sich wider, dass Rechnungen in diesem Umfang wohl nur von den Händler:innen Haberstock und Dietrich vorlagen. Rose Valland bezieht sich auf ein Schreiben von Edgar Breitenbach, Office of the United States High Commissioner for Germany, Frankfurt, 18.2.1952 in dem dieser schrieb, dass Teile der Fotokopien der Rechnungen verloren gegangen wären. Die Originalpapiere seien in die Vereinigten Staaten verbracht worden. 205 diese direkt an Sie weitergebe, bitte ich Sie, mir dieselben und die Unterlagen dazu, wenn die Sache erledigt ist und Sie die Adressen nicht mehr benötigen, wieder zukommen zu lassen.“818 Neben den Adressen wurde aufgelistet, welche Angebote bereits eingegangen waren: „Nr. 1 Tischbein: Besitzerin Gräfin Dorsetti, zu erreichen über Herrn Walther Inhaber eines Kunstverlages Quatre Chemiens, rue de Marignon 19 tel. Balcac 3916 [Nr. 2 fehlt] Nr. 3 Menzel, Thoma. Besitzer Professor Meller, Direktor des Budapester Staatsmuseums, Rue du General Appert. Tel. Passy 7696 Nr. 4 Fabrtius [sic] Cleve etc.: Galerie Alice Manteau, Rue L’Abbays 14 [Nr. 5 fehlt] Nr. 6 Tizian van Dyck: Besitzer Fürst Paul A. Jurschewitz, 7 Avenue Montespan Nr. 7 Jansen, Bahlen etc.: Besitzer Birtschansky, 88 Voburg St. Honoree Nr. 8 2 Engel Holz Schule Riemenschneider, Madonna etc. Kunstantiquar Store 32 B Boulevard Hausman Nr. 9 Plastiken, Madonna mit Kind, Madonna Oberrhn., Gemälde Cranach über Prof. Meller Nr. 10 Giorgione: Besitzer Fürst Paul Jurschewitz Nr. 11 Murillo: Galerie Gerard, 4 Avenue de Messine Nr. 12 Limoges-Reliquienschrein: Besitzer Stora, Kunstantiquar 32 B Boulevard Hausman Nr. 13 Leuchter: Privat-Besitz Peter Blanc, 5 rue de Mombel Tel. Wagram 6690.“819 Posse notierte sich eine Auswahl der genannten Angaben in sein Dienstreisetagebuch und reiste bereits am 18.10.1940 nach Paris. Namen wie Birtschansky und Jurschewitz sind elementar wichtig für die kommenden Jahre und eines der Angebote (Nr. 6) war offenbar der Anlass für Dietrichs erste Reise nach Paris im Dezember 1940, die wohl auch im Zeichen des Aufbaus eines Netzwerkes stand: Mehrere der später als Spesen abgerechneten Restaurantbelege vom Ende des Jahres 1940 bezeugen ein gewöhnliches Geschäftsgebaren: Maria Dietrich pflegte neue Geschäftspartner zu ausgedehnten Mahlzeiten, inklusive Champagner, einzuladen. Exklusive Restaurantbesuche erwähnte bereits Lynn Nicholas.820 Nicholas wollte mit der Darstellung die damalige Dekadenz verdeutlichen, zu denen sich Deutsche im Paris der Besatzung hinreißen ließen.

818 BArch Koblenz, B323/132, Bl. 61a fo. 224: Maria Dietrich (Konrad) an Hans Posse, 17.10.1940. DKA, NL Posse, Hans, I, B-4 (0047-0048), Eintrag 17.–18.10.1940: „Tochter Almas (Adressen Paris)”. Offenbar hatte Posse zuvor mit Mimi Dietrich gesprochen, die ihn auf die vorliegenden Informationen aufmerksam gemacht hatte. 819 BArch Koblenz, B323/132, Bl. 62a fo. 226f. 820 Nicholas 1994, S. 157: süffisante Bemerkungen zu Dietrichs Restaurantbesuchen. 206

Werbeanzeigen der illustren Lokale, die auch Dietrich besuchte, waren in der während der Okkupation erschienenen Zweiwochenschrift „Der deutsche Wegleiter in Paris“ zu finden.821

Personen wie Bruno Lohse822 oder Adolf Wüster (1888–1972)823 wirkten sicherlich auch als Vermittler in die Pariser Szene. Wüster war zunächst zwischen 1924 und 1939 in Paris tätig: „Ensuite il va à Munich, avec l’intention de faire du commerce d’art en Allemagne. Il dit que c’est à cette occasion qu’il fit la connaissance de Maria Dietrich. [...] A cette époque il n’avait pas de poste officiel, mais quand les acheteurs allemands venaient à Paris, ils allaient le voir et prenaient son avis pour leurs achats.“ Maria Dietrich war eine jener Deutschen, denen Wüster bei ihren Käufen in Paris half. Mehrere Transaktionen zeugen von dem Geschäftsverhältnis.824 Da Wüster Konten in Deutschland und Frankreich unterhielt, erübrigten sich bei Geschäften mit ihm umständliche Geldwechsel.825 Möglicherweise bestand auch Kontakt zu Maria Dietrichs Ex-Ehemann Ali Almas, der eventuell 1933 nach Paris gezogen war.826 Manche von Dietrichs Kontaktpersonen tauchen ebenfalls in Zusammenhang mit anderen deutschen Kunsthändlern in Paris wie Hildebrand Gurlitt und Karl Haberstock auf, denn ein breiter Zirkel von Beteiligten belieferte die deutschen Kunsthändler:innen mit Informationen zu verfügbaren Kunstwerken. Stichproben der Verfasserin ergaben, dass es in Paris teilweise Überschneidungen von Haberstock mit der Galerie Almas hinsichtlich der genutzten Vermittler:innen und ansässigen Händler wie Paul Cailleux gab. Gustav Rochlitz war ein Händler, mit dem Haberstock und Dietrich ausgesprochen viel Kontakt hatten.827 In den Unterlagen Haberstocks tauchen wiederum ebenso viele Namen auf, die offenbar für Maria Dietrich keine Rolle spielten und vice versa.

821 NARA, Dietrich, Maria Almas: purchases and bank receipts, S. 177–188. Der deutsche Wegleiter in Paris: Maison Prunier, Rue Duphot „ist für seine Spezialitäten: Kaviar und Hummern jedem Feinschmecker bekannt“ (16.12.1940, S. 34). „Chez Elle“, Rue Volney war ein Kabarett (1.12.1941, S. 103). Das Berkeley, Av. Matignon war ein Luxus-Restaurant: „Erstklassige Küche und sehr guter Weinkeller“ (1.8.1942, S. 68). Die Zeitschrift ist online über die Bibliothèque nationale de France einsehbar. 822 Roxan/Wanstall 1964, S. 95: „He [Lohse] passed on to her titbits of information that he could not use himself and escorted her round the various galleries in Paris.“ Roxan/Wanstall belegen diese Behauptung nicht. 823 Lost Art, Dienststellen und Verantwortliche des systematischen und organisierten NS-Kulturgutraubes, Eintrag zu Adolf Wüster: Kunstagent, spezialisiert auf französische Kunst des 19. Jh., Kulturattaché der deutschen Botschaft und Kunsthändler für Joachim v. Ribbentrop, 1942–44 Konsul, enge Kontakte zum ERR. S. zu Wüster auch Rosebrock 2012, S. 133. 824 Archives diplomatiques, Paris, 209 SUP 401 P40, Bl. 1f.: Interrogataire Wuester 1946–1948, Activities pendant la guerre, o. D. 825 Freundlicher Hinweis von Elisabeth Furtwängler, TU Berlin. 826 NARA, Dietrich, Maria Almas: Interrogation, S. 48 (2): „[Ali] Almas later went to Paris where he is still living, while his wife kept the art shop […].“ In den Meldeunterlagen von Ali Almas im Stadtarchiv München werden in einer Notiz Triest oder Paris als mögliche Aufenthaltsorte vermutet. 827 Zum Vergleich Haberstock/Dietrich: Archives diplomatiques, Paris, 209 SUP 160 A 118, o. Bl.: Œuvres d’art achetées en France pendant la Guerre par a) Madame Almas Dietrich b) par M. K. Haberstock; Dietrich: 365 Objekte, Haberstock: 15 Objekte. Ebenda, 209 SUP 184 A 153, Bl. 291–337: Übersicht Dietrich: 353 Objekte, Haberstock: 12 Objekte. NARA, Haberstock, Karl: Correspondence; Korrespondenz zwischen Haberstock und Rochlitz. 207

Zwischen dem Kunsthändler Hugo Engel828 und der Galerie Almas sind nur wenige Verbindungen nachweisbar. Die zwei einzigen Rechnungen aus dem Jahr 1942 haben sich in die Unterlagen von Karl Haberstock verirrt und tauchen daher nicht in den Akten zur Galerie Almas der fold3-Dokumentation auf.829 Darunter befindet sich ein Gemälde von Otto von Thoren, „Enfants jouant sur la plage“ (MNR 968), das Dietrich am 17.7.1942 für 15.000.- F bei Hugo Engel kaufte und an die Verwaltung Obersalzberg (Sammlung Bormann) für 28.000.- RM weiterveräußerte.830

Eine Auswahl von rund zehn Personen, die insbesondere mit Maria Dietrich in Zusammenhang gebracht werden können, werden im Folgenden nach Relevanz sortiert vorgestellt und wenn möglich einer der nachstehenden Kategorien zugeordnet: . klassischer Händler (Gustav Rochlitz), . Privatbesitzer:in/direkte Erwerbung vom/von der ursprünglichen Eigentümer:in (Alexandre Vatchnadzé, Paul Jurschewitz, Victor Mandl, Alexandra Birtschansky, Roger Dequoy), . für Eigentümer tätiger Agent/Händler (Alexandre Bagenoff/Paul Jurschewitz, Roger Dequoy), . Vermittler:in (Thérèse Vatchnadzé, Paul Jurschewitz, Alexandra Birtschansky). Als Agent:in ist hier eine Person zu verstehen, die längerfristig für eine/n Eigentümer:in tätig ist und Verhandlungen übernimmt. Der Begriff „Vermittler:in“ bezieht sich auf die Vermittlung einzelner Objekte, wobei kein enger Bezug zur/m Eigentümer:in erkennbar ist. Eine eindeutige Kategorisierung ist natürlich in den seltensten Fällen möglich, so dass die hier vorgenommene Einordnung als Tendenz der Tätigkeit der jeweiligen Person für Maria Dietrich verstanden werden soll. Besonders auffällig ist, dass sich in dem zu betrachtenden Netzwerk mehrere aus Russland bzw. der Sowjetunion und Osteuropa stammende Personen finden, wie die Ehepaare Vatchnadzé und Birtschansky sowie Paul Jurschewitz. Zu den Kunsthändlern, auf die Dietrich vermeintlich Druck ausübte, da sie als jüdisch galten, können Victor Mandl, Etienne Donath und Zacharie Birtschansky gezählt werden.831

828 Hoffmann/Kuhn 2016, S. 216f.: Hugo Engel war Österreicher, führte zwei Dependancen in Paris, arbeitete auch mit Hildebrand Gurlitt und Karl Haberstock zusammen. Vgl. Archives nationales, Paris: F12/9630, Akte Engel, o. Bl.: Notiz von Michel Martin, 20.5.1950: Engel war Ungar und jüdisch – „[…] il a donc pu être fréquentér par les acheteurs allemands sans avoir recherché leur clientèle. M. Engel a effectué des ventes, notamment à l’Allemand Lindpaintner [...] ces objets ne paraissent pas provenir de biens spoliés.“ 829 Archives diplomatiques, Paris, 209 SUP 160 A 118. Ebenda, 209 SUP 389 P 24 et C 824: Das Dossier zu Hugo Engel enthält an Maria Dietrich adressierte Rechnungen. 830 S. auch Archives diplomatiques, Paris, 209 SUP 373 P4, o. Bl.: Liste des peintures exportées de France par les Allemands pendant l’occupation, o. D. 831 Archives de Paris, Comité des profits illicites réalisés avec l’ennemi: Victor Mandl (112W 142), Etienne Donath (112W 101), Alexandra Birtschansky (112W 109). 208

Anja Heuß bemerkte im Jahr 2000, dass die Akten der Pariser Händler nicht überliefert wären, daher ließe sich nicht eruieren, aus welchen Sammlungen die verkauften Kunstwerke im Einzelnen stammten. Über Dietrichs Belege lassen sich inzwischen einige Transaktionen und deren Herkunft rekonstruieren. Es liegen zudem Akten aus der Nachkriegszeit (Comité national interprofessional d’épuration) vor, die mitunter das Vorgehen von Maria Dietrich in Paris beschreiben, so dass immerhin Informationen aus den Rechtfertigungen kollaborierender Personen ausgewertet werden können. Einige Kunsthändler und Vermittler:innen behaupteten, im Übrigen analog zu österreichischen Privatsammler:innen, dass Dietrich ihnen gedroht hätte oder dass sie „um schlimmeres zu verhindern“ (Dequoy) an Dietrich verkauft hätten. Dabei bleiben die Angaben meist sehr vage und aufgrund des hohen Maßes an monetärer Bereicherung teilweise sogar unglaubwürdig. Doch wohl nicht grundlos erhielt Maria Dietrich in Frankreich den Spitznamen „die Führerin“.832

Gustav Rochlitz Bei dem als „klassischen Händler“ eingestuften Gustav Rochlitz (1889–1972) hat Maria Dietrich in Paris die meisten Werke erworben. Zwischen 1940 und 1942 führten beide mindestens 18 Transaktionen durch, die insgesamt wenigstens 63 Objekte umfassten. Der in Bromberg/Posen geborene Rochlitz heiratete 1936 seine zweite Ehefrau Wally, geb. Hackbusch. Er war ab 1921 im Kunsthandel beschäftigt und eröffnete 1924 seine erste Galerie in Berlin. Im Jahr 1925 erfolgte der Zusammenschluss mit der Galerie Seder in Luzern und einige Jahre später (1931?) die Eröffnung einer Galerie in Zürich. Ab 1933 war er als Kunsthändler in Paris tätig. Nach Kriegsausbruch wurde Rochlitz kurz interniert, aber rasch entlassen, weil seine Tochter Sylvia 1934 in Paris geboren worden war. Erneut wurde er im April 1940 interniert und zu Beginn der Besetzung freigelassen. Während der Okkupation war er durch Bruno Lohse im Auftrag des ERR und für Hermann Göring tätig. Auch mit dem ebenfalls in Paris tätigen Niederländer Cornelius Postma arbeitete Rochlitz zusammen.833 Rochlitz wurde nach der Okkupation zu einem Gefängnisaufenthalt von drei Jahren verurteilt, aber frühzeitig entlassen.834 Tessa Rosebrock führte 2017 zur Schuldfrage Rochlitz’ an: „Da sich Rochlitz gegenüber Frankreich und den Franzosen so vielfältig strafbar gemacht hatte, empfahlen die Amerikaner[,] ihn den französischen

832 Archives nationales, Paris, F12/9633: Übersicht „Allemands compromis dans le pillage artistique de la France“, 1.8.1945, Bl. 3. 833 Iselt 2010, S. 288. Haase 2008, S. 134. Löhr 2005, S. 141. S. auch NARA, CIR 4, S. 49f. 834 Archives nationales, Paris, F12/9632, Akte Rochlitz, o. Bl.: Schreiben des Cour de Justice, 5.1.1949. Unbekannter Autor: „Fournisseur de Goering – en tableaux de maîtres Gustave Rochlitz fera trois ans de prison et ses biens seront confisqués“. In: Combar, 29.3.1947. Anscheinend wurde Rochlitz bereits nach einem Jahr Haft am 10.7.1948 entlassen. 209

Autoritäten auszusetzen. [...] Man holte ihn nach Paris[,] wo er von der Commission nationale interprofessionelle und dem Cour de la Justice verurteilt wurde. Das Material, das aus den Recherchen hervorgegangen ist, enthält eine Vielzahl von Belegen seiner Tauschgeschäfte mit dem ERR, vollständig anmutende Nachweise seiner Verkäufe an deutsche Händler sowie handgeschriebene Rechnungen und Schätzlisten.“835 Bestandteil des erwähnten Materials sind auch mehr als 150 Fotos, die der Fotograf Y. Vaulé (11 rue de l’Orient, Paris) im Auftrag von Rochlitz während der Okkupation aufgenommen hatte.836 Darauf sind Werke zu sehen, die Rochlitz später verkaufte, teilweise noch im Wohnzusammenhang. Auf den Rückseiten einiger Abzüge sind maschinenschriftlich und vermutlich in der Nachkriegszeit angefertigte Anmerkungen zu Herkunft und Verbleib der Objekte sowie Nummern vermerkt. Über die Fotos lässt sich die Zuordnung zu mehreren MNR-Einträgen treffen.837 Fünf beschriftete Fotos können mit Verkäufen an Maria Dietrich assoziiert werden. Vier hiervon können keinem MNR-Eintrag zugeordnet werden. Auch die heutigen Standorte der auf den Fotos abgebildeten Werke sind der Verfasserin unbekannt: „Heilige Familie” – „Tableau acheté avant la guerre. Vendu pendant l’occupation à Maria Dietrich (Nr. 799)“, „Genreszene“ – „Rochlitz – acheté avant la guerre. Vendu pendant l’occupation à Maria Dietrich (Nr. 798)“, „Nackte Frau“ – „vor dem Krieg im Hôtel Drouot gekauft, während der Okkupation an Maria Dietrich verkauft (Nr. 794)“, „Landschaft mit Staffage“ – „Rochlitz – Tableau acheté avant la guerre. Vendu à Maria Dietrich pendant l’occupation (Nr. 788)“. Lediglich Willem Mieris’ „Susanna und die beiden Alten“ – „vor dem Krieg im Hôtel Drouot erworben, während der Okkupation an Maria Dietrich verkauft (Nr. 786)“ – konnte der MNR- Nr. 552 zugeordnet werden, wobei der Eintrag bis dato keinen Hinweis auf Dietrich enthält.

Der Zusammenhang zwischen Rochlitz, Dietrich und einem möglicherweise NS- verfolgungsbedingt entzogenen Werk („Vertumnus und Pomona“) wird unter Kap. 3.3.4 behandelt. Das gemeinsame Ausweichlager wird unter Kap. 4.4 zur Sprache kommen.

835 Deutsches Zentrum Kulturgutverluste, Tagung „Raub & Handel. Der französische Kunstmarkt unter deutscher Besatzung (1940–1944)“, Bonn, 1.12.2017, Vortrag Tessa Rosebrock: „Des Handels mit dem Feind beschuldigt. Akteure des Pariser Kunstmarkts vor dem Comité national interprofessionnel d’épuration“. 836 Archives nationales, Paris, Z/6/478, dossier 4554: Dossier de procédure instruite par la Cour de justice du département de la Seine contre Gustav Rochlitz. 837 Bsp.: Nr. 936 und Nr. 810 sind MNR 827, Nr. 903 ist MNR 832, Nr. 894 ist MNR 761, Nr. 892 ist MNR 102. Auf den Rückseiten der Fotos sind jeweils drei Zahlen vermerkt, wovon hier eine Zählweise ausgewählt wurde (Dank an Gitta Ho, Paris für die Bereitstellung der Fotografien). 210

Thérèse und Alexandre Vatchnadzé Thérèse (bzw. Térésa) Vatchnadzé (1898–?) wurde in Bakou, Georgien, geboren. Thérèses Sohn aus erster Ehe hieß Adamian Jean (1918–?). 1920 heiratete sie den in Tiflis geborenen Alexandre Jérakli Vatchnadzé (1885–?), der Handelsvertreter war. Thérèse Vatchnadzé wurde mitunter als „russische Prinzessin“ bezeichnet, die zu einem unbekannten Zeitpunkt nach Paris geflohen war.838 Thérèse arbeitete für Maria Dietrich gegen Provision als Vermittlerin. Außerdem wurden über sie zwischen 1941 und 1943 insgesamt zehn Transaktionen mit 20 Objekten abgewickelt. Der als Prinz bezeichnete Alexandre Vatchnadzé verkaufte Dietrich im Jahr 1944 bei (mindestens) einer Transaktion vier Objekte. Er musste 1948 vor dem Comité aussagen, weil er aus seiner Privatsammlung diverse Werke an Maria Dietrich verkauft hatte (Gesamtwert 855.000.- F). Die Verkäufe an Maria Dietrich sind – wie auch bei Victor Mandl – der einzige Grund für seine Befragung gewesen. Eine Summe von 225.000.- F wurde als Strafe für die Kollaboration vorgeschlagen. Die betreffenden Zahlungsbestätigungen aus dem Jahr 1948 liegen vor.839

Paul A. Jurschewitz Paul Jurschewitz (Lebensdaten unbekannt) stammte wahrscheinlich aus Litauen.840 Auf seiner „Card File on Art-Looting Suspects“ wird Jurschewitz als „Russian refugee middleman“ bezeichnet.841 Er verkaufte während der Okkupation in Paris u. a. Werke aus seinem Privatbesitz an Maria Dietrich, so etwa Charles Chaplins Gemälde „Jeune fille aux seins nus“

838 NARA, M1944, RG 239, Roll 0046, Card File on Art-Looting Suspects, S. 1456. Sotheby’s London, Fine Jewels, 13.12.2016, Los 185: „Gem set dress set, Cartier, 1940s, formerly in the collection of princess Thérésa Vatchnadzé, née Beglarian. Born in 1894 [sic] in Bakou, Russia, to a wealthy family, Princess Thérèse Vatchnadzé (Teresa Wacznadze) enjoyed the privileged life of pre-revolutionary Russia. This came to an end with the revolution of 1917. She studied briefly at the University of Moscow and then married David Adamoff, a brilliant jurist. Immediately after the birth of their son Jean (Ivan) in 1918 Thérèse was sent abroad with substantial means. Her father asked her to get her two sisters and her brother out of after she settled. She realized on the ship taking her to Constantinople (Istambul) that her husband was not on board. During the crossing, she was courted by Prince Irakli Vatchnadze and eventually married him after years of searching for her husband. Thérèse managed to get her youngest sister Irina out of the USSR but her sister Tania and her brother never left the USSR. She settled in Paris and became a successful fashion designer. Prince Irakli never managed to find work and lived of his wife’s earnings. Many men of that generation were supported by their wives who managed to have a career in the Western world. Notables among which King Faysal were among her clients. It is rumored that some of her jewels were his gifts.“ Sotheby’s nimmt Bezug auf die Autobiografie von Thérésa Vatchnadzé „De Bakou à Paris“, die bislang nicht eingesehen werden konnte. S. auch Erwähnungen in: Anouche Kunth: Exils Arméniens. Du Caucase à Paris, 1920–1945, Paris 2016. 839 Archives de Paris, Comité des profits illicites réalisés avec l’ennemi, 112W 94, Akte Alexandre Vatchnadzé, o. Bl.: Déclaration détaillée des biens et revenus, 10.6.1948, Citation No. 1025. 840 Christian Fuhrmeister/Susanne Kienlechner: August Liebmann Mayer (1885–1944) – Success, Failure, Emigration, Deportation and Murder, S. 139–160. In: Ines Rotermund-Reynard (Hg.): Echoes of Exile. Moscow Archives and the Arts in Paris 1933–1945, Berlin/Munich/Boston 2015, hier S. 155. 841 NARA, M1944, RG 239, Roll 0046, Card File on Art-Looting Suspects, S. 517. 211

(Mü-Nr. 39658)842, von dem sich Jurschewitzʼ Verkaufsquittung für Maria Dietrich mit der Bezeichnung „1 Gemälde Charles Chaplin, 1857 aus meiner Privatcollection“ erhalten hat.843 Dietrich veräußerte das Bild anscheinend an eine Privatperson: Heinz Wilpert, Steinobach. Möglicherweise handelt es sich hierbei um den Schauspieler und Theaterregisseur Heinz Hilpert. Darüber hinaus gibt es kaum Hinweise auf die Herkunft der Werke, die Jurschewitz an Dietrich verkaufte. Mindestens sieben Transaktionen mit neun Objekten wickelten Jurschewitz und Dietrich zwischen 1941 und 1944 miteinander ab. Er arbeitete auch gegen Provision für Dietrich (s. Kap. 1.4.4 Kunst dem Volk betr. Jan von Scorel/ehem. Sammlung Bromberg). Jurschewitz war gemeinsam mit Alexandre Bagenoff (?–spätestens 1946), vermutlich im Auftrag eines Eigentümers von Kunstwerken, als Vermittler tätig (vgl. Exkurs: Erste Transfers in Paris – Erwerbungen aus der Sammlung des Prager Industriellen Josef Škvor).

Victor Mandl Der in Moskau geborene Victor Mandl (1890–1952) besaß die tschechische Staatsbürgerschaft. Seit 1938 war er in Paris ansässig. Mandls Vater war Kunstsammler, der den Großteil seines Vermögens während der russischen Revolution verloren hatte. Victor Mandl kannte Maria Dietrich aus München, wo er vor seinem Umzug nach Paris gelebt hat. Da er in Deutschland nicht nachweisen konnte, nicht jüdisch zu sein, kann es sich bei der Übersiedlung um eine Emigration/Flucht gehandelt haben. Meike Hoffmann stellte 2016 fest, dass Hildebrand Gurlitt, in dieser Hinsicht vergleichbar mit Maria Dietrich, in Paris mit emigrierten jüdischen Händlern wie Jean (Hans) Lenthal, Hugo Engel und Victor Mandl zusammenarbeitete, die mitunter gezielt von den Nationalsozialisten als Zwischenhändler in Paris installiert worden waren.844 Inwiefern diese Aussage tatsächlich auf Victor Mandl zutrifft und ob er als Verfolgter einzustufen ist, bleibt zu prüfen. Laut Mandl suchte Maria Dietrich ihn in Paris auf, da sie wusste, dass er noch immer über eine umfangreiche Sammlung verfügte, aus der sie Stücke erwerben wollte. Als Rechtfertigung seiner Verkäufe an Maria Dietrich gab er später an, dass sie aufgrund seiner jüdischen Herkunft starken Druck auf ihn ausgeübt hätte. Sie hätte ihn nicht nur zum Verkauf von Objekten aus seiner Sammlung gezwungen, sondern auch zur Suche nach Kunstwerken

842 Archives diplomatiques, Paris, 209 SUP 389 P 24 et C 824: „Dossier Paul A. Jurschewitz“, Bl. 1: „Quittances concernant la vente de tableaux à Maria Dietrich-Almas, Munich par P. A. Jurschewitz. La plupart des ces tableaux proviennent de sa collection privée“, o. D. Das Bild „Jeune fille aux seins nus” wurde versteigert bei Christie’s New York, 28.4.2014, 19th Century European Art, Los 20. 843 NARA, Dietrich, Maria Almas: receipts a-m, S. 122. 844 Hoffmann/Kuhn 2016, S. 217. 212 auf dem Pariser Markt. Die scheinbar gefährliche persönliche Verbindung zwischen Adolf Hitler und Maria Dietrich zog Mandl zu seiner Verteidigung heran; so war es laut ihm unmöglich gewesen, Maria Dietrich die Werke, die ihm von jüdischen Freunden (Wiazemski, de Jonquieres und Muller) zum Verkauf anvertraut worden waren, zurückzuhalten, nachdem Dietrich die Werke in seiner Wohnung gesehen hatte. Die Ermittlungen des „Comité des profits illicites réalisés avec l’ennemi“ ergaben, dass Mandl während der Okkupation zwischen 1942 und 1944 insgesamt 31 Werke an Maria Dietrich verkaufte. Die von Victor Mandl zu zahlende Strafe wegen Kollaboration wurde 1954 auf 200.000.- F festgesetzt. Als Grund wurden die Geschäfte mit „Dame Dietrich“ genannt, bei denen er eigene Werke und die von Freunden an sie veräußert hatte. Außerdem hatte Mandl verfolgungsbedingt entzogene Werke unter Wert angekauft. Seine Argumentation wurde als übertrieben empfunden und höchstens als Entschuldigung dafür angesehen, aus seiner eigenen Sammlung, nicht aber das Eigentum Dritter zu verkaufen. Zudem zahlte er sich bei Verkäufen eine Provision von 20 % der Verkaufswerte aus.845 Obwohl keine Belege der Verkäufe an Maria Dietrich mehr vorliegen, können rund 25 Bilder (von vermeintlich 31 Werken) benannt und teilweise zugeordnet werden. Die elf Einträge in der Linz-Datenbank wurden hierfür abgeglichen und Übereinstimmungen hinzugefügt. Ergänzend zu Mandls „Rapport“ konnte festgestellt werden, dass Verkäufe an Dietrich auch schon im Jahr 1941 stattgefunden hatten: „Bauerninterieur“, verkauft 1941 / Combe 18. Jh. „Paysage“, verkauft 18.9.1942 / F. Franken 19. Jh., verkauft 1941 (Linz-Nr. 2379) / Guttenbrunn 18. oder 19. Jh., „2 vues de Vienne“, verkauft 18.7.1942 (Linz-Nr. 2432?) / Jorghs 18. Jh. (?) „Intérieur“, verkauft 19.9.1942 / B.C. Koekoek 19. Jh. 1 tableau, verkauft 1941 / Hubert Robert, 1 tableau / Hubert Robert, 1 tableau, verkauft 18.9.1942 / Schenk 19. Jh. „Ane dans un paysage“, verkauft 18.7.1942 / de Vos 17. Jh. „Cabarets de paysans“ / Ecole italienne „figures dans un paysage“, verkauft 1941 / 17. Jh. „Portrait“, verkauft 18.9.1942846 / 1 Horremanns847 / Zeemann „Marine“, verkauft 18.9.1942 / Irbner „Portrait“, verkauft 18.9.1942848 / „Alex Allori“ (Bronze), verkauft 18.7.1942 / H. de Groux „Portrait de “, verkauft 18.7.1942 (Linz-Nr. 2463) / Dessin de Lenbach849 / Friedrich Georg Papperitz „Szene in einem Dorfwirtshaus“ (Linz-Nr.

845 Archives de Paris, Comité des profits illicites réalisés avec l’ennemi, 112W 142, o. Bl.: Victor Mandl an Monsieur le Président du 3e comité de Confiscation des Profits Illicites Paris, 31.5.1948. Ebenda, o. Bl.: Rapport concernant M. Mandl, 28.10.1948. Ebenda, o. Bl.: Reponse aux Observations de M. Mandl, 18.3.1949. 846 Archives diplomatiques, Paris, 209 SUP 373 P4, o. Bl.: Liste des peintures exportées de France par les Allemands pendant l’occupation, o. D. Zu beachten ist, dass die Angaben in dieser Liste teilweise „unsauber“ sind. 847 Archives diplomatiques, Paris, 209 SUP 389 P 24 et C 824, Bl. 1–28, o. D.: Liste „Vente d’objets d’art à l’Allemagne“, hier Bl. 5. 848 Ebenda, Bl. 19. 849 Ebenda, Bl. 26f. 213

2435) / Hendrik van Balen „Venus und Amor in einem Gewölbe mit Rüstungen und Kunstwerken (Atelierszene)“ (Linz-Nr. 2746) / Frans Francken d. J. „Gastmahl des Belsazar“ (Linz-Nr. 2732). Zwei weitere Transaktionen können durch die Akte „Sonderkonto Frankreich“ konkretisiert werden. Die Schreiben, in denen es um die direkte Bezahlung von Kunstwerken durch den Sonderbeauftragten für Linz geht, erklären auch die Abwesenheit von Mandls Rechnungen für Maria Dietrich. In einem Telegramm vom 8.6.1943 schrieb Hermann Voss an die Reichskreditkasse in Paris: „Ich bitte, von meinem Konto an Herrn Kunsthändler Victor Mandl [...] für zwei über Frau Dietrich-München erworbene Gemälde von Blarenberghe den Betrag von zwei Millionen Frss gegen quittierte Rechnung in dreifacher Ausfertigung zur Auszahlung bringen zu wollen. Herr Mandl soll meinem Beauftragten, Dr. Göpel, bei seiner Anwesenheit in Paris diese beiden Gemälde und womöglich je 4 zugehörige Fotos ordnungsgemäß übergeben [...].“850 Bei den zwei Gemälden könnte es sich um die Linz- Nummern 3060 und 3061 handeln. Auch am 13.8.1943 schrieb Voss an die Reichskreditkasse: „Heute drahtete ich Ihnen wie folgt: ‚Von meinem Konto bei der Reichskreditkasse bitte ich an Herrn Kunsthändler Victor Mandl, Rue du Boccador 9, Paris, für ein durch Vermittlung der Galerie Maria Dietrich in München angekauftes Gemälde ‚Landschaft mit Ruinenarchitektur‘ von Hubert Robert [vgl. 3.3.3 Kaufabläufe und Formalitäten] den Betrag von fünfhunderttausend Frss gegen eigenhändige Quittung des Herrn Mandl in dreifacher Ausfertigung zur Auszahlung bringen zu wollen. Das Gemälde befindet sich bereits im Führerbau München.“851

Etienne Donath Etienne Donath (1898–?) gab in der Nachkriegszeit an, dass er als Flüchtling aus Ungarn nach Paris gekommen sei. Betreffend der an Dietrich verkauften Werke kann daher ein verfolgungsbedingter Zusammenhang (bzw. Druck beim Verkauf) nicht ausgeschlossen werden. Zu Beginn der Okkupation war Donath als Zwischenhändler für deutsche Kunden tätig. Später erwähnte er, dass er nach der Einführung der „Rassegesetze“ am 15.5.1941 keine kommerziellen Geschäfte mehr abgewickelt hätte und Ende des Jahres 1941 nach Nizza ausgewichen wäre. Die nachweisbaren Transaktionen zwischen Donath und Dietrich fanden allerdings nicht nur im Frühjahr und Sommer 1941, sondern auch noch im Dezember 1941

850 Sonderarchiv Moskau, Sonderkonto Frankreich, Bl. 330: Hermann Voss an die Reichskreditkasse, Paris, 8.6.1943. 851 Sonderarchiv Moskau, Sonderkonto Frankreich, Bl. 309: Hermann Voss an die Reichskreditkasse, Paris, 13.8.1943. 214 und Juli 1942 statt.852 Mindestens 13 Werke gelangten über Donath an Dietrich, wovon sie wenigstens sieben Stück an den „Sonderauftrag Linz“ lieferte. Nach Juli 1942 sind keine weiteren Verkaufshandlungen nachweisbar. Am 20.6.1943 erfolgte die Liquidierung von Donaths Vermögen. Seine Pariser Wohnung (Möbel, Bibliothek, Arbeitsmaterial) wurde in seiner Abwesenheit geplündert. Nach der Befreiung Frankreichs ließ er sich wieder in Paris nieder.853

Alexandra und Zacharie Birtschansky Alexandra Birtschansky (1895–?) wurde in Moskau als Alexandra Porochovnick geboren und besaß später die französische Staatsbürgerschaft. Sie war ausgebildete Zahnärztin, gab aber in einer Befragung an, ohne Beruf zu sein. 1915 heiratete sie Zacharie Birtschansky (1889–?)854, der ebenfalls aus Moskau stammte. Das Ehepaar lebte ab 1926 in Paris. Zacharie Birtschansky schloss seine Kunsthandlung am 10.8.1939, um sich dem Service de la Défense Passive anzuschließen. Seine Ehefrau sagte später aus, dass er aufgrund der Verfolgungsmaßnahmen der Nationalsozialisten ab Frühjahr 1941 untergetaucht gewesen wäre.855 Vermutlich hielt er sich ab 1942 in den USA auf. In der Nachkriegszeit wurden ihm Geschäfte mit Hans Wendland, Gustav Rochlitz und Maria Dietrich vorgeworfen sowie Verkäufe von drei Werken aus den Sammlungen Kann und Rosenberg. Alexandra Birtschansky hat in den Jahren 1941 und 1942 mindestens sechs nicht näher bestimmbare Kunstwerke mit einem Gesamtwert von 608.000.- F an Maria Dietrich veräußert. Die betreffenden Werke wurden ohne die Einhaltung der Formalitäten (Zoll- und Exportlizenzen) nach Deutschland gebracht. A. Birtschansky betonte, dass es sich um Werke aus ihrer Privatsammlung gehandelt hätte, die sie 1926 mit nach Paris gebracht hatte, und keineswegs um Werke aus dem Lagerbestand ihres Mannes. Als Begründung für die Verkäufe gab sie bei ihrer Befragung im Jahr 1949 an, dass sie nach der Flucht ihres Mannes mittellos gewesen wäre. Sie berichtete weiterhin, dass sie 1941 und 1942 Besuch von einer alten Geschäftsbeziehung ihres Mannes (Dietrich) in ihrer Privatwohnung erhalten hätte.

852 Site Rose Valland, MNR 929. BArch Koblenz, B323/564, Verzeichnis der der Treuhandverwaltung bekannt gewordenen Restitutionen von 1945 bis 1962, Bd. 3. Ebenda, B323/99: Nr. 0312. NARA, Dietrich, Maria Almas: receipts a-m, S. 55f., 59. Archives diplomatiques, Paris, 209 SUP 184 A 153, Bl. 5. 853 Archives de Paris, Comité des profits illicites réalisés avec l’ennemi, 112W 101, Akte Donath, o. Bl.: Déclaration détaillée des biens et revenus, 14.2.1947. Ebenda, o. Bl.: Etienne Donath an Monsieur le Président du 3ème Comité de Confiscation des Profits Illicites, Paris (Erklärung und Rechtfertigung), 15.2.1947. 854 Open Art Data (https://www.openartdata.org/2018/03/zacharie-birtschansky.html – zuletzt besucht am 21.4.2019): Zusammenfassung von Quellen zu Birtschansky. 855 Archives nationales, Paris, Comité national interprofessional d’épuration – Antiquaires et marchands de tableaux, F12/9629, Akte Birtschansky, o. Bl.: Michel Martin, Ministère de l’éducation nationale, Commission de Récupération Artistique an Monsieur le Président de la Commission Interprofessionnelle d’Epuration: Beschreibung zu Z. Birtschansky und Bestätigung seines Weggangs, vermutlich wegen jüdischer Herkunft, aus Paris mit Ankunft der Deutschen, 27.4.1947. 215

Demnach könnte Maria Dietrich bereits vor dem Krieg als Kundin von Zacharie Birtschansky in Paris aufgetreten sein. Laut Alexandra Birtschansky hat sie selbst den Wert ihrer Kunstwerke nicht einschätzen können. Aus Angst vor Repressalien gegen ihren Mann und um ihn finanziell zu unterstützen, verkaufte sie Werke direkt während des Besuchs der Kunsthändlerin, da sie Dietrich nicht provozieren wollte. Gleichzeitig beanspruchte sie 25 % Aufschlag für sich. Einige versuchte und teilweise rückgängig gemachte Transaktionen in den Jahren 1941/42 sind über Belege und Korrespondenz nachweisbar. Die mitunter mangelnde Qualität der angebotenen Bilder führte mindestens dreimal zur Rückgabe an Birtschansky. Am 13.3.1942 schrieb (vermutlich) Maria Dietrich an sie: „Heute möchte ich Ihnen mitteilen, dass das mir verkaufte Primitiv-Bild nicht der Qualität entspricht[,] die man mir zusicherte. Das Bild ist eine sehr einfache bäuerliche Arbeit – ich werde das Bild zurückgeben und mir etwas anderes eintauschen. Bitte sagen Sie das den Leuten […].“856 Es ist zwar unklar, wer mit „Leute“ gemeint sein sollte, jedoch geht aus der Angabe hervor, dass Birtschansky wohl auch als Vermittlerin für Dritte agierte. Außerdem suggerieren dieses und das folgende Schreiben, dass Dietrich von Birtschansky Bilder zur Ansicht in Kommission erhielt und sie demnach in ihrer Privatwohnung von Dietrich nicht zum Verkauf von Bildern gezwungen worden war: „Hiermit bestätige ich Frau Maria Dietrich [...], dass ich folgende Gemälde, die ich in Kommission mitgab, zurückerhalten habe. 1 Gemälde von Tintoretto[,] 1 Gemälde von Carlevaris[,] 3 Originalexpertisen und 1 Buch v. Tintoretto, Paris [o. D.] A Birtschansky“.857 Ein sehr freundlicher Umgang zwischen den beiden und keinerlei Anhaltspunkte für das Ausüben von Druck sind auch aus einem auf den 11.11.1941 datierten Brief abzulesen, in dem der versuchte Verkauf eines nicht näher bezeichneten Bildes thematisiert wird: „Meine liebe Frau Birtschansky! Hoffentlich geht es Ihnen gut – leider glaube ich, dass sich mit dem Bild nichts machen lässt und ich fürchte, dass es zurückgeht. Ich bin wieder gut gelandet und habe mich hier gleich wieder doppelt in die Arbeit stürzen müssen. Jedenfalls werde ich mein Möglichstes tun – aber ich kann noch nichts versprechen. Es muss damit gerechnet werden, dass das Bild nicht verkauft werden kann. Inzwischen grüsse ich Sie recht herzlich, auch Ihren Mann und bin Ihre [nicht unterzeichnet].“858

856 NARA, Dietrich, Maria Almas: receipts a-m, S. 32, 45: Die Quittung datiert auf das Jahr 1941. 857 NARA, Dietrich, Maria Almas: receipts a-m, S. 24f.: Hans Posse an Maria Dietrich, 9.10.1941: „Ich danke Ihnen bestens für die Ansichtssendung des Dogenbildes, kann es aber nach der Untersuchung des Originals nicht für eine eigenhändige Arbeit von Tintoretto halten. Ich kann es infolgedessen nicht für unsere Tintorettokollektion erwerben und sende es Ihnen mit bestem Dank zurück.“ Weitere Vorgänge: Ebenda, S. 33, 35, 37 und Dietrich, Maria Almas: purchases and bank receipts, S. 41. 858 NARA, Dietrich, Maria Almas: receipts a-m, S. 26f. 216

Das Ehepaar Birtschansky ist offenbar als Profiteur und Opfer der Okkupation einzuschätzen: 1943 wurden die Wohnung der Birtschanskys von den Deutschen geplündert und Möbel sowie weitere Einrichtungsgegenstände beschlagnahmt. Die Summe der später zu zahlenden Strafe wurde aufgrund der Erläuterungen von Alexandra Birtschansky gesenkt.859

Roger Dequoy Der Franzose Roger Dequoy (1893–?) war seit 1932 Mitarbeiter der Galerien Wildenstein, zunächst in London und bis 1940 in den USA. Während der Okkupation agierte Dequoy als der von Georges Wildenstein (1892–1963) persönlich eingesetzte Leiter der Pariser Filiale, da der jüdische Kunsthändler gezwungen war, über Aix-en-Provence im Dezember 1940 in die USA zu emigrieren. Im Juli 1940 hatten sich Dequoy und Wildenstein noch in Aix getroffen. Wildenstein hatte hier wohl seinem Mitarbeiter Dequoy in Gegenwart Karl Haberstocks, den er schon lange kannte, die Vollmacht erteilt, Kunstwerke aus der Wildentstein-Sammlung bzw. dem Lagerbestand über Haberstock zu verkaufen.860 Als Dequoy danach im September 1940 in Paris eintraf, sollen die Räumlichkeiten der Firma bereits durch die deutschen Besatzer geplündert und Kunstgegenstände beschlagnahmt worden sein. Roger Dequoy soll als Mittelsmann zwischen Georges Wildenstein und den Nationalsozialisten beauftragt gewesen sein, jene auf bedeutende französische Privatsammlungen aufmerksam zu machen, was erklärt, warum auch der Name Wildenstein auf der „Red Flag Names“-Liste der Art Looting Investigation Unit (1945/46) steht.861

859 Archives de Paris, Comité des profits illicites réalisés avec l’ennemi, 112W 109, Akte Birtschansky, o. Bl.: Dossier de Citation No. 1304, 1305: Z. Birtschansky an Monsieur le Contrôleur du Chiffre d’Affaires (bezüglich Schließung des Geschäftes), 31.10.1939. Ebenda, o. Bl.: Direction des Douanes an L’Administrateur, Chef du Service National de Répression des Fraudes Douanières, 6.9.1946. Ebenda, o. Bl.: Bestätigung der Société Générale Immobilière (bezüglich der Plünderung Wohnung und Beschlagnahme Möbel), 22.10.1946. Ebenda, o. Bl.: Déclaration détaillée des biens et revenus, 24.3.1947. Ebenda, o. Bl.: Rapport concernant Mme Birtschansky Alexandre, 14.2.1948. Ebenda, o. Bl.: Memoire de Defense, 30.4.1948. 860 Archives nationales, Paris, Comité national interprofessional d’épuration – Antiquaires et marchands de tableaux, F12/9629, Akte Dequoy, Bl. 1–7: Rapport sur Monsieur Roger Dequoy, o. D. Ebenda, o. Bl.: In einem am 27.5.1941 verfassten (fingierten?) Brief versuchte der Händler Hugo Engel seinen Kollegen Dequoy von Geschäften mit Haberstock zu überzeugen: „I understand very well your situation and I know that the prices are rather low, but you must realise finally, that Mr. Haberstock has the right to see and buy the pictures at any price and you have to accept the prices he offers, in order to be able to keep the rest of the pictures, otherwise all the goods would have been lost completely [...]. For your sake, you have to do business with Haberstock, who won’t hurt you and will help to save the rest of the pictures, which is an important lot.“ Treue 1965, S. 322: „Am 12.5.1941 teilte die Reichskanzlei (Kunsthändler Haberstock) der Gruppe Kunstschutz telefonisch mit, daß die Sammlung Wildenstein aus Sourches demnächst abgeholt werden solle. Auch der Einsatzstab Rosenberg hatte in diesen Tagen erklärt, daß er die Sammlung abzutransportieren wünsche. Ein Beauftragter Habertocks, Hptm. v. Pöllnitz [...] wies am 13.5.1941 an Hand eines an einen gewissen Hugo Engel gerichteten französischen Schreibens vom 24.4.1941 nach, daß die Sammlung inzwischen in arische Hand übergegangen sei und der neue Besitzer die Verbringung nach Deutschland wünsche. Der Transport mußte daraufhin gestattet werden. Fremdes Kommissionsgut wurde vorher ausgesondert.“ 861 Holger Christmann: „Der Fall Wildenstein“. In: Die Welt, 25.6.1999. Hector Feliciano: Das verlorene Museum: vom Kunstraub der Nazis, Berlin 1998. 217

Die Geschäfte Dequoys mit dem deutschen Kunsthandel bezogen sich nicht nur auf Karl Haberstock: Auch Maria Dietrich kannte „notre maison“ laut Dequoy seit vielen Jahren.862 Zwei Transaktionen mit sechs Werken (1941/42) können über Dietrichs Belege nachgewiesen werden: Das Gemälde „La Fontaine“ von François Boucher (Linz-Nr. 2252) wurde von Dequoy im September 1940 bei M. Trotti erworben. Im Folgejahr stellte er es in der Galerie Wildenstein aus. Angeblich verkaufte Dequoy das Bild unter Protest im Juli (laut MNR 85 erst am 18.9.1941) an Dietrich. Dequoys Nettogewinn an dieser Transaktion betrug 50.000.- F, was umgerechnet in Reichsmark einen Betrag von 18.000.- RM ausmacht. Dietrich gab das Bild im Mai 1942 für 38.000.- RM an den „Sonderauftrag Linz“ weiter.863 Auch die Linz- Werke Nr. 2959 und 3334 können mit Dietrich und Dequoy assoziiert werden. Ein zweites Boucher-Gemälde, zu dem keine Belege vorhanden sind, stammte wohl aus Dequoys Privatbesitz und hing in einer Wohnung Wildensteins, die Dequoy bewohnte. Als Maria Dietrich das Werk bei einem Besuch sah und erwerben wollte, verkaufte Dequoy es, „um gefährliche Fragen zu vermeiden“ und „das Schlimmste zu verhindern“. 1942 verkaufte Dequoy ein Gemälde der Schule von Fontainebleau, „Femme au cygne“, für 150.000.- F aus dem Bestand Georges Wildensteins an Maria Dietrich864, dessen Verbleib heute unbekannt ist. Die Datenbank „Cultural Plunder by the Einsatzstab Reichsleiter Rosenberg: Database of Art Objects at the Jeu de Paume“ gibt, wohl irrtümlich, an, dass das Bild an Karl Haberstock gelangt sei.865 Weitere nicht näher bezeichnete Bilder aus dem Bestand Wildensteins (Rottenhammer, Guardi, Lebrun) wurden von Dequoy an Maria Dietrich verkauft.866 Der in den Archives nationales aufbewahrte Dequoy-Rapport fasst die Kollaboration mit den deutschen Kunsthändler:innen milde zusammen: „Il est évident que si M. Dequoy a été en contact avec des allemands, c’est uniquement pour le bien de la maison Wildenstein, et es- qualités, car dans sa vie privée, M. Dequoy n’a jamais été en relations avec eux.“867

862 Archives nationales, Paris, F12/9629, Akte Dequoy, o. Bl.: Roger Dequoy, Wildenstein & Cie an Monsieur le Président du 3ème Comité de Confiscation, 17.12.1946. 863 NARA, Dietrich, Maria Almas: receipts a-m, S. 60f. BArch Koblenz, B323/99: Nr. 0271. 864 Archives de Paris, Comité des profits illicites réalisés avec l’ennemi, 112W 75, o. Bl.: Georges Wildenstein, Paris an Roger Dequoy (Bestätigung von Dequoys Rolle während der Okkupation), 5.10.1945. Ebenda, Bl. 1–7: Rapport sur Monsieur Roger Dequoy, o. D. Ebenda, o. Bl.: Dequoy (Briefkopf Wildenstein) an das Comité de Confiscation, 17.12.1946. Archives diplomatiques, Paris, 209 SUP 389 P 24 et C 824, Bl. 19: Liste „Vente d’objets d’art à l’Allemagne“, o. D. 865 Cultural Plunder by the Einsatzstab Reichsleiter Rosenberg: Database of Art Objects at the Jeu de Paume (https://www.errproject.org/jeudepaume/card_view.php?CardId=61747 – zuletzt besucht am 22.4.2019). Kunst dem Volk, Jg. 14, H. 10, Okt. 1943, Inneseite Cover: Vincent Selaer „Leda mit dem Schwan“. Vgl. Museo del Prado, Madrid (https://www.museodelprado.es/en/the-collection/art-work/leda-and-the-swan/71b18aa3-4ed3-4fb4-ae1d-3e2852fc81cc – zuletzt besucht am 22.4.2019): Die sehr ähnliche Version wird hier als Werk von Georg Pencz bezeichnet. 866 Archives nationales, Paris, Comité national interprofessional d’épuration – Antiquaires et marchands de tableaux, F12/9629, Akte Dequoy, Bl. 1–11: Exposé, o. D., hier: Bl. 8. Archives diplomatiques, Paris, 209 SUP 373 P4, o. Bl.: Liste des peintures exportées de France par les Allemands pendant l’occupation, o. D. Ebenda, 209 SUP 184 A 153, Bl. 5. S. auch RA 962 (Abb.). NARA, Dietrich, Maria Almas: receipts a-m, S. 60f., 64. 867 Archives nationales, Paris, Comité national interprofessional d’épuration – Antiquaires et marchands de tableaux, F12/9629, Akte Dequoy, Bl. 7. 218

In der „New York Times“ wurde Dequoy im November 1944 gar als Retter der Kunstschätze Wildensteins beschrieben, der sich mutig gegen die Nazis gestellt und den Besitz Wildensteins versteckt hatte und so auch die wertvolle 10.000 Bände umfassende Bibliothek retten konnte.868 Georges Wildenstein kehrte bereits 1945 nach Paris zurück und schrieb am 5.10.1945 ein „Entlastungsschreiben“ für Dequoy, in dem er sich für seine loyale Arbeit während der Okkupation bedankte. Abschließend fasste auch er zusammen, dass Dequoy alles unternommen hätte, um „das Schlimmste“ zu vermeiden: „Je suis qualifié pour déclarer que tout ce que vous avez entrepris, vous l’avez accompli avec l’intention d’éviter le pire, et je déclare bien volontiers.“869 Aus dem Rapport „Collection Goering“ geht das genaue Gegenteil hervor, nämlich dass Dequoy einer der schlimmsten Kollaborature gewesen wäre: „Il était peut-être le pire des collaborationnistes parmi les antiquitaires, travaillant d’une façon particulièrement étroite avec Haberstock […].“ Neben Haberstock werden hier weitere einschlägige Geschäftspartner Dequoys wie Wendland, Mühlmann, Fabiani, Engel, Destrem und Hofer genannt.870

Exkurs: Erste Transfers in Paris – Erwerbungen aus der Sammlung des Prager Industriellen Josef Škvor

Gleich Dietrichs erste Transaktionen in Paris, die im Dezember 1940 ausgelöst wurden, bieten sich als Beispiel an, um die Komplexität einiger Handelsaktionen, die diffizilen Netzwerke und spätere Folgen zu verdeutlichen.871 Zwei im Dezember 1940 und im Januar 1941 abgewickelte Geschäfte beinhalteten zwei hochkarätige Werke: Tizians „Doppelporträt des Alfonso d’Este und seines Sekretärs Pistofilo“ (Linz-Nr. 1198, MNR 959, Abb. 22) wird heute als „nach Tizian“ (im Folgenden Tizian) eingestuft und als „Le cardinal Georges d’Armagnac, ambassadeur à Venise et son secrétaire G. Philandrier“

868 Archives nationales, Paris, Comité national interprofessional d’épuration – Antiquaires et marchands de tableaux, F12/9629, o. Bl.: Unbekannter Autor: „Paris Art Gallery foiled Nazi Art Collectors“. In: The New York Times, 9.11.1944. Ebenda, o. Bl.: Erklärung von Dequoy, 8.7.1946: Auch Dequoy selbst stilisierte sich als Retter und wies die ihm gemachten Vorwürfe von sich. 869 Ebenda, o. Bl.: George Wildenstein, Paris an Roger Dequoy, 5.10.1945. Auch die Mitarbeiter der Pariser Galerie unterschrieben am 20.7.1946 ein entsprechendes Schriftstück: „Nous affirmons également que, grâce à ses décisions courageuses, acceptées d’emblée et d’un commun accord, la résistance contre l’occupant en même contre certains éléments français a permis de sauver du pillage allemand les immeubles, la bibliothèque, les objets d’art et les tableaux.“ 870 Archives nationales, Paris, Comité national interprofessional d’épuration – Antiquaires et marchands de tableaux, F12/9629, Akte Dequoy, o. Bl.: Auszug aus dem Rapport „Collection Goering“, o. D. 871 S. auch Transaktion mit Gustav Rochlitz am 18.12.1940 mit13 Werken und einer Provision für Adolf Wüster (vgl. Kap. 3.3.4). 219

(102 x 116 cm) betitelt. Das Bild befindet sich im Louvre, Paris.872 Es wurde 1930 von Luigi Bellini, Florenz an Paul A. Jurschewitz, Paris verkauft. Jurschewitz wiederum veräußerte das Gemälde 1932 an den aus Prag stammenden Industriellen Josef Škvor (1888–?). Dieser war als Direktor der Škoda-Werke in Prag, Pilsen, Moskau und Paris tätig.873 Einer Quelle zufolge hatte Škvor die Werke 1935 in Paris in der Obhut seines Anwaltes Alexandre Bagenoff hinterlassen, indem er ihm den Schlüssel für seinen Banksafe übergab.874 Am 17.12.1940 verkaufte Bagenoff, als Bevollmächtigter des Eigentümers Josef Škvor, das Bild an Maria Dietrich für 1.800.000.- F (90.000.- RM).875 Diese übergab es am 4.1.1941 für 130.000.- RM dem „Sonderauftrag Linz“. Der Kunsthändler Hermann Abels erhielt 9.000.- RM Provision und Maria Dietrich verdiente an dem Verkauf des Bildes 31.000.- RM. Das zweite Gemälde wurde damals als von Anthonis van Dyck mit dem Titel „Maria mit Kind und Engeln“ (Linz-Nr. 1197, Abb. 23) gehandelt. Heute wird es dessen Nachfolger Thomas Willeboirts Bosschaert (im Folgenden dennoch van Dyck) zugeschrieben. Das 128 x 118 cm große Bild wird in der Národní Galerie, Prag (Inv.-Nr. O 12269) aufbewahrt.876 1927 wurde das Bild, ebenfalls von Paul Jurschewitz, bei einem gewissen Marquis de Dampierre erworben. 1930 erfolgte der Verkauf von Jurschewitz an Josef Škvor.877 Im Dezember 1940

872 Vgl. Filippo Pedrocco: Tiziano, Mailand 2000, Kat. 116: fast identische Version mit gleichem Titel, 104 x 114,3 cm, in der Sammlung des Duke Northumberland, Alnwick Castle, England. Kunsthistorische Einordnung des Bildes durch Michael Jaffé: „The Picture of the Secretary of Titian“, S. 112, 114–127. In: The Burlington Magazine, Vol. 108, Nr. 756, März 1966. 873 Freundliche Mitteilung Národní archiv, Prag. S. auch NARA, A3389, RG 260, Roll 0053: Records Concerning the Central Collecting Points (Ardelia Hall Collection), Restitution Files, Claims of Czechoslovakia, S. 189: Quittung zum Verkauf des Tizian-Gemäldes von Luigi Bellini, Florenz an Paul A. Jurschewitz, Paris, 30.6.1930. NARA, M1946, RG 260, Roll 0040, Restitution Claim Records, Czechoslovakia Claims, S. 99: Paul A. Jurschewitz, Paris an Josef Škvor, Paris, 10.1.1932: „Sehr geehrter Herr Škvor, ich bestätige hiermit Ihnen heute mein Bild [...] verkauft zu haben. Die Abrechnung ist ordnungsgemäß erfolgt und ist das Bild ab heute Ihr ausschließliches Eigentum. Das Bild stammt aus der Kollektion des Marquis Franzoni – diesbezüglichen Brief habe ich Ihnen bereits gegeben – ist von demselben an Herrn Luigi Bellini verkauft worden und finden Sie beiliegend die Eigentümerübertragung von Herrn Bellini auf mich.“ 874 Národní galerie, Prag, Informace Věc: Josef Škvor – restituce Tizianova a Van Dyckova obrazu, o. D. 875 NARA, M1949, RG 260, Roll 0011, Cultural Property Claim Applications, S. 13: Abschrift von Quittung, 17.12.1940: „Ich unterzeichneter Alexandre Bagenoff [...] als Bevollmächtigter fuer den Verkauf des nachgenannten Bildes des Eigentuemers Josef Škvor, Prag, bestaetige hiermit, das Originalbild von Tiziano di Vecello (Tizian) Doppelportraet des Alfonso d’Esze [sic] und seines Sekretaers Pistofilo [...] an Frau Maria Dietrich-Almas [...] zum Preis von ffs 1.800.000 = RM 90.000 [...] verkauft und den Kaufpreis voll in bar erhalten zu haben. Ich bestaetige weiter, dass der bisherige Eigentuemer dafuer die volle Garantie übernimmt, dass das verkaufte Bild ein Originalgemaelde von der Hand Tizians ist und dass es identisch ist mit dem Bild das von den Herren Professoren Asalto Venturi, A. L. Mayer u. Voss als eigenhaendiges Werk Tizians begutachtet ist. Die genannten Gutachten [...] werden [...] durch den mitunterzeichneten Herrn Paul A. Jurschewitz, Paris der Kaeuferin unverzueglich verschafft. gez. Paul A. Jurschewitz, pour Ms. Škvor A. Bagenoff.“ 876 Axel Heinrich: Thomas Willeboirts Bosschaert (1613/14–1654): ein flämischer Nachfolger Van Dycks, Turnhout 2003, Kat. A52a, Abb. 81: Bezeichnung als Werkstattreplik und Wiederholung der Hauptfassung in Breda, die 1973 gestohlen wurde. Lubomír Slavíček: Flemish paintings of the 17th and 18th centuries, Prag 2000, Kat. 387, S. 322: Angaben auf der Rückseite: „1197/832“, „1394“, Aufkleber einer Pariser Transportfirma, „4.6.1931“. In manchen Provenienzangaben ist eine Auktion bei Leo Spik im Jahr 1942 genannt (Bsp. Slavíček 2000). Es handelt sich bei diesem Angebot jedoch um eine weitere Version mit dem Motiv der Verherrlichung Mariä (vgl. Heinrich 2003, Kat. A52Ka). Das am 10.6.1942 als Los 100 bei Spik zur Auktion gebrachte Bild war bereits am 22.12.1940 anonym in der Weltkunst, Cornelius Schut zugeschrieben, zum Verkauf angeboten worden. Fast zeitgleich mit dem Erscheinen der Annonce, kaufte Maria Dietrich die nahezu identische Version als van Dyck in Paris. In der Ausgabe der Weltkunst befindet sich auch eine Anzeige der Galerie Almas. Dietrich könnte die Abbildung also durchaus gesehen haben. Insgesamt existieren vier Versionen des Motivs und eine sehr ähnliche Darstellung in Amsterdam. Neben unserer Version kursierte eine weitere parallel auf dem Pariser Kunstmarkt (vgl. Heinrich 2003, Kat. A52Kb). 877 Archives diplomatiques, Paris, 209 SUP 541 P248, SPOA – Affaires diverses Réclamation Škvor. 220 erhielt Maria Dietrich das für 75.000.- RM angebotene Bild zur Prüfung gegen eine Sicherheitsleistung zur Verfügung gestellt. Am 3.1.1941 wurde das Bild durch Alexandre Bagenoff aus dem Besitz von Josef Škvor für 70.000.- RM an Maria Dietrich verkauft, die es am darauffolgenden Tag für 110.000.- RM an den „Sonderauftrag Linz“ lieferte.878 Hermann Abels erhielt wieder eine Provision, diesmal in Höhe von 7.000.- RM. Maria Dietrichs Verdienst durch den Verkauf des Bildes betrug 33.000.- RM.

Die Veräußerung der beiden Bilder war mindestens seit Sommer 1940 geplant. Hermann Voss hatte im Auftrag der deutschen Botschaft bei einer Parisreise im August 1940 u. a. das Tizian-Gemälde begutachtet und als unbedeutend eingeschätzt: „Voss’ only trips to Paris after the beginning of the war were in August and September of 1940, on both occasions to give opinions on paintings. The first trip, in August, was by automobile from Saarbrucken with a courier, and lasted two or three days. Voss inspected a ‘Raphael’ Portrait in the vault of a small bank, and a ‘Titian’ Portrait of two Men in the Credit Lyonnais, Boulevard des Italiens. Neither of these paintings was of any importance, he states. He was sent on authority of the Embassy, and was put up at the Quai d’Orsay, but saw only a minor functionary in the process of presenting his credentials. Voss did not know who owned the pictures, and could only guess that the Embassy was interested in them. [...] Nothing was said of the Devisenschutzkommando, and Voss also states that he had never heard of it.“879 Wie hier beschrieben ist, bestand offenbar ein Interesse der deutschen Botschaft an der Vermittlung des Tizian-Bildes. Spätestens im Oktober 1940 lagen der Galerie Almas Angebote von Paul Jurschewitz, der anscheinend maßgeblich am Verkauf beteiligt war, über beide Bilder vor (s. o.). Diese Angebote können als deutliches Anzeichen für einen freiwilligen Verkauf gewertet werden.

Ein schriftlicher Auftrag für den Ankauf der Werke durch Maria Dietrich ist nicht belegt. Den Devisenunterlagen kann jedoch die Information entnommen werden, dass der Verfügungsrahmen fast deckungsgleich mit den erzielten Preisen war.880 Sie fuhr, vermutlich nach Rücksprache mit dem Kunsthändler Hermann Abels, zur Besichtigung der Bilder nach Paris. Auch Abels hatte die Bilder bereits im August 1940 im Auftrag des Auswärtigen Amtes besichtigt, wie er Ende Dezember an Hans Posse berichtete: „Als ich im August des Jahres

878 NARA, Dietrich, Maria Almas: receipts a-m, S. 5. 879 NARA, DIR Hermann Voss, S. 5f. Iselt 2010, S. 115ff.: Iselt bespricht Parisreisen von Voss zur Begutachtung von Kunstwerken; hier keine weiteren Hinweise bezüglich des Tizian-Gemäldes. Das Devisenschutzkommando Frankreich öffnete in Banken insbesondere die Schließfächer jüdischer Eigentümer. Handelte es sich um Kulturgüter, wurden diese vom ERR abtransportiert. 880 NARA, Dietrich, Maria Almas: purchases and bank receipts, Devisenunterlagen, S. 189–196: Verfügungsgrahmen 150.000.- RM (beide Bilder zusammen 160.000.- RM). 221

[1940] im Auftrage des Auswärtigen Amtes in Paris war, hatte ich Gelegenheit, zwei hervorragende Werke alter Kunst zu sehen, welche aus der Sammlung des ehemaligen Direktors der Škoda-Werke in Prag, Herrn Direktor Škvor stammen. Letzterer hatte sie im Jahre 1933 aus Sicherheits-Gründen nach Paris gebracht und im Coffrefort der Pariser Bank Crédit Lyonnais untergestellt. Diese beiden Gemälde von ‚Tizian‘ und ‚A. van Dyck‘ hat inzwischen Frau Almas nach München kommen lassen, und möchte ich mir die höfliche Anfrage erlauben, ob Sie bereit wären, sie ebenfalls zu begutachten.“881 Zum Zeitpunkt des Schreibens von Abels an Posse waren die Ankäufe für Linz schon annähernd abgeschlossen.

Am 28.10.1945 sagte Paul Jurschewitz beim „Office des biens et intèrêts privés“ aus, dass die beiden Gemälde ihm und Josef Škvor zusammen gehört hätten.882 Bagenoff hätte Jurschewitz einige Tage nach dem Verkauf der Bilder ausbezahlt.883 Vít Vlnas schreibt hierzu, dass Škvor durch Erlöse aus dem Verkauf von Wertpapieren das Geld aus dem Verkauf der Bilder von Bagenoff erhalten hätte.884 In Bezug auf den „Tizian“ hielt Elie Doubinsky (französischer Repräsentant) 1947 in einem Memorandum fest, dass Škvor den Betrag (1.500.000.- F) von den Deutschen empfangen hätte.885 Am 5.11.1945 erwähnte Josef Škvor Jurschewitz’ mutmaßliche Beteiligung am Bilder- Eigentum allerdings nicht: In Škvors Antrag auf Recherche bei der „Commission de Récupération Artistique au Musée du Jeu de Paume“ gab er an, dass er sein Werk (Tizian) durch Entnahme der Deutschen aus dem Safe seiner Bank in Paris verloren hätte. Nach mehreren Besuchen des Safes durch deutsche Autoritäten Ende 1940 erschien Maria Dietrich, zahlte Bagenoff 1.500.000.- F und nahm das Bild mit. Dem Antrag auf Recherche folgte eine offizielle Restitutionsforderung durch die Tschechoslowakei, in der sowohl das Bild van Dycks als auch das von Tizian zurückgefordert wurden. Hier ist zudem die Rede von zwei SS-Männern, die Maria Dietrich begleitet hätten. Als „Type of transaction“ wurde „Forced sale“ eingetragen.886 Auch Jurschewitz sagte im tschechischen Konsulat am 6.11.1945 aus, dass beim Verkauf Druck ausgeübt worden war. Maria Dietrich hätte in Begleitung des

881 Zit. n. Daniela Wilmes: Wettbewerb um die Moderne. Zur Geschichte des Kunsthandels in Köln nach 1945, Berlin 2012, S. 75: Wilmes bezieht sich auf: BArch Koblenz, B323/129, Bl. 48–51: Gemälde-Galerie Abels, Köln an Hans Posse, 28.12.1940. Es ist nicht bekannt, warum Abels die Bilder nicht direkt angeboten hat. 882 Archives diplomatiques, Paris, 209 SUP 541 P248: SPOA – Affaires diverses Réclamation Škvor. Dies widerspricht der absoluten Eigentumsüberschreibung des Tizian-Gemäldes (s. oben). 883 Národní galerie, Prag, Informace Věc: Josef Škvor – restituce Tizianova a Van Dyckova obrazu, o. D. 884 Vít Vlnas: Prameny k uměleckým ztrátám na československém území v letech 1939–1945 (Regesta fondu B 323 Spolkového archivu v Koblenzi). Sborník prací Filozofické fakulty brněnské univerzity, 2004, Fußn. 23. Národní galerie, Prag, Informace Věc: Josef Škvor – restituce Tizianova a Van Dyckova obrazu, o. D. 885 NARA, A3389, RG 260, Roll 0053, S. 173: Office of Military Government for Bavaria, Inter-Office memorandum von Elie Doubinsky an Herbert S. Leonard, 7.10.1947. 886 NARA, A3389, RG 260, Roll 0053, S. 176–178: Czechoslovak Republic: Application for the Restitution of Czechoslovak Property. Claimant: Joseph Škvor, director of Škoda works, Praha, o. D. 222

Devisenschutzkommandos eine Vollmacht vorgezeigt und Bagenoff aufgefordert, die Bilder zu verkaufen. Wenn er sich nicht zum Verkauf bereit erklärt hätte, hätte sie die Werke trotzdem übernommen.887 Am 20.11.1946 wurde auch Maria Dietrich zu den Verkaufsumständen befragt. Sie sagte aus, dass die Bilder bereits vor dem Krieg durch Abels, Köln angeboten worden wären. Laut Maria Dietrich stimmte es nicht, dass sie die Gemälde im Beisein von zwei SS-Männern aus dem Safe Nr. 596 entfernt hätte. Der Handel fand laut Dietrich in einem regulären Rahmen statt und die Übergabe der Bilder erfolgte im Beisein von Alexandre Bagenoff und Paul Jurschewitz.888

Bezüglich des Verbleibs der Bilder entstand eine Diskussion zwischen der Tschechoslowakei und Frankreich. Da Škvor nicht als rechtmäßiger Eigentümer anerkannt worden war, bestand Frankreich auf die Rückgabe des Tizian-Gemäldes nach Frankreich, die 1947 oder 1948 auch durchgeführt wurde.889 Das vermeintliche van Dyck-Gemälde wurde zwar ebenfalls in Frankreich durch Deutsche erworben, aber am 9.8.1946890 von den amerikanischen Alliierten nach Prag restituiert (s. Mü-Nr. 4589), jedoch nicht an den ehemaligen Eigentümer Škvor, sondern ebenfalls an den Staat, der das Bild zunächst in einer Bank (Živnobanka) aufbewahrte. Trotz der amerikanischen Hinweise „confiscated“ und „forward to the owner“ erfolgte keine Rückgabe an Škvor. 1950 übergab man das Bild durch den National Recovery Fund (FNO) als eine Kopie van Dycks an die Národní Galerie, Prag.891

Im Jahr 1968 wurde das Verfahren wieder aufgerollt.892 Jurschewitz und Škvor beanspruchten weiterhin die Herausgabe des Tizian-Gemäldes. Josef Škvor und dessen Familie sagten aus, dass Bagenoff nicht bevollmächtigt gewesen wäre, die Kunstwerke im Namen von Škvor zu verkaufen, und dass Škvor das Geld nie erhalten hätte. Mehrere Briefe von Škvor an Bagenoff, die unmittelbar vor dem Krieg geschrieben worden waren, belegen, dass Bagenoff sein Anwalt gewesen war. Es ist unklar, warum er in dem Augenblick aufgehört haben sollte, für Škvor tätig zu sein, als es für diesen schwierig wurde, seine französischen

887 NARA, M1946, RG 260, Roll 0040, S. 87f. Národní galerie, Prag: Informace věc: Josef Škvor – restituce Tiziánova a Van Dyckova obrazu, o. D. 888 NARA, M1949, RG 260, Roll 0011, S. 10: Office of Military Government for Bavaria, H. K. Röthel an S. R. Rosenbaum, 10.12.1946. Ebenda, S. 12: Office of Military Government for Bavaria an Office of Military Government for Germany, Subject: Investigation Report No. 11: Tizian, Portrait of Alfonso II d’Este and his secretary, 30.11.1946. 889 BArch Koblenz, B323/493, Restitutionsanträge der Tschechoslowakei 1945–1965, Bd. 2: Bearbeitung von Einzelfällen, Bl. 32: „restituted on 21.1.1948 to France for Škvor, Prague“. S. auch Emily Löffler: Kunstschutz im besetzten Deutschland. Restitution und Kulturpolitik in der französischen und amerikanischen Besatzungszone (1944–1953), Köln 2019, S. 108ff. 890 BArch Koblenz, B323/493, Bl. 30: oder 5.8.1946. 891 Vlnas 2004, S. 153. Slavíček 2000, Kat. 387, S. 322. Archives diplomatiques, Paris, 209 SUP 541 P248: SPOA – Affaires diverses Réclamation Škvor. 892 Archives diplomatiques, Paris, 209 SUP 541 P248: SPOA – Affaires diverses Réclamation Škvor: „De plus, une vérification auprès du Crédit Lyonnais risque d’être impossible quelque trente ans après.“ 223

Angelegenheiten zu verwalten. Da Bagenoff seit Ende des Krieges verschollen war, konnte er in der Angelegenheit nicht mehr befragt werden. In einer Erklärung, die Škvor beim französischen Konsulat in Prag abgegeben hatte, präzisierte er, dass „M. Bagenoff l’avait placée en bons du trésor“ – also in Staatsanleihen investiert hätte. Er versicherte, dass er dieses Geld zurückgeben würde, wenn er sein Gemälde zurückerhalten könnte. Es ist möglich, dass Jurschewitz einen Teil der Verkaufssumme erhielt. Doch nur Škvor konnte seine Rechte an den Werken geltend machen, da die Ansprüche von Jurschewitz in keinster Weise belegt werden konnten. Die Herausgabeansprüche von Škvor wurden auch noch 1968 abgelehnt, da er weiterhin nicht in der Lage war nachzuweisen, dass er unter Druck verkauft und den Wert wohl in Form von Wertpapieren erhalten hatte. Der nunmehr zuständige Anwalt Škvors wiederholte in einem Schreiben an die Prager Nationalgalerie dennoch, dass das Werk van Dycks unter Druck veräußert worden wäre. Deswegen sprach er sich entschieden gegen eine weitere Aufbewahrung in der Národní Galerie aus.893 Škvor hätte umgerechnet 700.000.- F an den tschechoslowakischen Staat zahlen müssen, um das Werk zurückzuerhalten.894 Seitens Frankreichs wurde noch 1970 ein offizielles Protestschreiben nach Prag geschickt und die Rückgabe des Werkes nach Frankreich gefordert.895 Etwas abstrus fällt das Fazit auf französischer Seite nach erneuter Prüfung des Falles um das Tizian-Bild aus: Auf den ersten Blick scheine demnach der Anspruch der Familie Škvor berechtigter als viele andere. Aber man wollte keinen Präzedenzfall schaffen, da noch viele weitere Fälle anhängig wären. Außerdem würde eine Rückgabe des Tizian-Gemäldes Frankreichs Position hinsichtlich des van Dycks schwächen (!) und ein schlechtes Licht auf die französischen Nationalmuseen werfen, die vermeintlich unrechtmäßig Werke horten würden. Außerdem wäre der Preis von 1940 überholt.896 Trotz der ungleichen Behandlung von Gleichem war die Sorge vor der öffentlichen Wahrnehmung einer Rückabwicklung durchaus berechtigt, da nicht wenige Werke, etwa aus dem CCP München, irrtümlich nach Frankreich gegeben worden waren (z. B. Linz-Nr. 588, 2477, 3041).897

893 Národní galerie, Prag: Advokátní Poradna 6, Alex. Plecitý, Praha an Národní galerie, 16.1.1968. 894 Národní galerie, Prag: Ministerstvo kultury a informací an Národní galerie, Prag: Věc Josef Škvor, Praha 6 – vydání Van Dyckova obrazu, 25.3.1968. Man ging davon aus, dass Škvor eine Summe von 700.000.- F für das Bild erhalten hatte. 895 Národní galerie, Prag: Französische Botschaft an das Auswärtige Amt, Prag, 5.10.1970. 896 Archives diplomatiques, Paris, 209 SUP 541 P248: SPOA – Affaires diverses Réclamation Škvor, o. D. 897 Archives diplomatiques, Paris, 209 SUP 578 R 31, Bl. 78: Liste mit mutmaßlich falsch nach Frankreich restituierten Werken. BArch Koblenz, B323/493, Bl. 30: „irrtümlich nach Frankreich restituiert“. Ebenda, B323/571, Bl. 316–324: Irrtümliche Restitutionen nach Frankreich, hier Bl. 323: Mü-Nr. 8836 Tizian-Schule „Bildnis des Alfonso...“, Restitutionsgrund: „einem Safe des Crédite Lyonnaise, Paris durch deutsche Behörden entnommen, tatsächliche Herkunft: 17.12.1940 aus dem Besitz Škvor, Prag durch Alexander Bagenoff“. 224

Es ist diskutierbar, ob die Rückgabe des Tizian-Bildes nach Frankreich „gerecht“ war, da es sich beim Verkauf zwar auf französischem Boden befand, aber Eigentum eines tschechoslowakischen Staatsbürgers war, doch die „Doktrin der ‚Commission de Récupération Artistique‘ [CRA] schrieb vor, dass jedes Kunstwerk, das Frankreich während der Kriegszeit verlassen hatte, in die Verantwortung der CRA übergeben und somit an Frankreich restituiert werden müsse. [...] Ankäufe, die durch Deutsche gemacht worden waren, mussten ebenfalls der CRA zurückgegeben werden, die sie verwahrte, bis der rechtmäßige Eigentümer ausfindig gemacht worden war.“898 Die wohl unbeabsichtigte Aufteilung der Bilder nach Frankreich und in die Tschechoslowakei war zufällig auch die angemessenste Lösung. Dass die Bilder nicht an Škvor zurückgegeben wurden, ist korrekt, da sie nicht verfolgungsbedingt verkauft worden waren.899 Falls er seinen Erlös tatsächlich nicht vollständig erhalten haben sollte, dann wohl aus dem Grund, dass sein bevollmächtigter Anwalt Alexandre Bagenoff ihn möglicherweise darum betrogen hat.

3.3.3 Kaufabläufe und Formalitäten

Die Einkäufe in Paris wurden in der Regel mit Devisen beglichen. Die ab Dezember 1942 für die Bewilligung der Devisen zuständige „Reichsstelle für Papier“ (zuvor „Reichsstelle für Papier- und Verpackungswesen“, „Reichsstelle für Waren verschiedener Art“) in Niederschlema (Erzgebirge) war eine nachgeordnete Abteilung des Reichswirtschaftsministeriums. Sie steuerte und kontrollierte die Devisenwirtschaft, stellte die notwendigen Devisenbescheinigungen aus und überprüfte die Einfuhr der erworbenen Stücke.900 Vor ihren Reisen nach Paris stellte Maria Dietrich Devisenanträge. Der finanzielle Verfügungsrahmen war somit festgelegt und hochpreisige Spontankäufe waren – wenn die Bezahlung über dieses Verfahren lief – nicht möglich. Grundsätzlich wurden Devisenanträge für bestimmte, bereits ausgewählte oder zugesicherte Werke beantragt. Maria Dietrich schlug Objekte zur Erwerbung vor und erhielt daraufhin einen pauschalen Betrag, der manchmal einen gewissen Spielraum erlaubte. Die Summe von 200.000.- RM taucht mehrmals bei ihr als solch ein „Standardbetrag“ auf. Dies widerspricht im Fall Dietrich der Aussage von

898 Zit. n. Rosebrock/Hartmann 2016, o. S. S. auch Rosebrock 2012, S. 240–243. 899 Freundliche Auskunft Centrum pro dokumentaci majetkových převodů kulturních statků obětí II. světové války, o.p.s., Prag. 900 Iselt 2010, S. 291. BArch Berlin, R8 XIV 5: Die vorliegenden Devisenanträge und Devisenbescheinigungen der Reichsstelle und somit die daraus resultierenden Aussagen beziehen sich ausschließlich auf Werke, die 1943/1944 aus Frankreich eingeführt wurden. Der letzte belegte Kontakt zwischen der Reichsstelle für Papier und der Galerie Almas erfolgte am 4.8.1944 (Befreiung von Paris am 25.8.1944). S. auch Gramlich/Hopp 2017, S. 42: Grafik zum Devisengenehigungsverfahren. 225

Gramlich/Hopp, dass den Händlern – aufgrund der im Voraus deklarierten Werke und dazu gehörigen Preise – eine exakt ermittelte Summe genehmigt wurde.901 Ein Schreiben Dietrichs an die Reichsstelle für Papier zeugt von einer gewissen Flexibilität, wenn sie berichten konnte, dass sie aus der „jetzigen Devisenabrechnung“ sechs Bilder noch nicht verkauft hätte. Gleichzeitig sicherte sie zu, dass sie bis zum vereinbarten Termin die entsprechenden Bescheinigungen zu den angestrebten Verkäufen einreichen würde.902 Das heißt auch, dass die Einkäufe in Paris nicht zwingend auf vorherige Bestellung erfolgten. Ab 1943 wurde die Galerie Almas mehrmals und auch in diesem Zusammenhang darauf hingewiesen, dass die Einkäufe in Frankreich nur für öffentliche Stellen und keinesfalls für Private erfolgen dürften. Es hat sich ein undatiertes Schriftstück aus der unmittelbaren Nachkriegszeit erhalten, in dem Maria Dietrich den Verlauf ihrer Einkaufsreisen schildert. Dadurch und dank der erhaltenen Devisenunterlagen, können der Aufwand und das Prozedere für ihre Einkäufe in Frankreich relativ genau nachvollzogen werden. Die „Formalitäten hat in der Hauptsache meine Buchhalterin erledigt, daher bin ich nicht genau darüber im Bilde“ schrieb Maria Dietrich und bezog sich damit auf ihre Mitarbeiterin Maria Konrad, die ihre Chefin auf Reisen nach Frankreich begleitete.903

Zunächst musste eine kostenpflichtige Genehmigung bei der Reichsstelle für Waren verschiedener Art bzw. der Reichsstelle für Papier904 per „Antrag auf Erteilung einer Devisenbescheinigung für die Wareneinfuhr sowie zur Bezahlung der entstehenden besonderen Nebenkosten“ eingeholt werden. In dem Antragsformular waren u. a. die entsprechende Gegengebühr (z. B. 200.000.- RM), der Lieferant oder die Lieferanten bezeichnet (z. B. „Victor Mandl“ oder „diverse Lieferanten“) sowie der geplante Zeitpunkt der Einfuhr (z. B. Mai–Juni) auszufüllen. Eingetragen wurde auch, dass die Einkäufe „im Auftrag des Führers“ erfolgten. Mit dem Antrag wurde auch die Genehmigung der Zentralauftragsstelle in Frankreich eingereicht (s. unten). Eine „Nachlieferung“ von Devisen war anscheinend möglich: „Ich habe aus der letzten Zastgenehmigung [Zast = Zentralauftragsstelle] Nr. 50607/02/4 über M 120.000.- ein

901 Gramlich/Hopp 2017, S. 46. 902 BArch Berlin, R8 XIV 5, o. Bl.: Galerie Almas an die Reichsstelle für Papier- und Verpackungswesen, 28.3.1944. 903 NARA, Dietrich, Maria Almas: purchases and bank receipts, S. 63. BStU, CIR 4, S. 70ff.: Auch Karl Haberstock hat das Prozedere skizziert. Haberstock schätzte, dass durch die verschiedenen Gebühren zusätzliche Kosten in Höhe von etwa 7 % des Verkaufspreises entstanden. 904 Vgl. BArch Berlin, R 8 XIV: 9. Bekanntmachung vom 27.9.1938 (RAnz Nr. 228): Briefmarken (…), Kupfer- und Stahlstiche, Holzschnitte (…) Gemälde zur Überwachungsstelle für Waren verschiedener Art / Reichsstelle Glas, Keramik und Holzverarbeitung, Berlin / 27. Bekanntmachung vom 17.12.1942 (RAnz. Nr. 299): Die Reichsstelle für Papier und Verpackungswesen gewann die Zuständigkeit für diverse Positionen, darunter Briefmarken und Gemälde. 226

Gemälde von Boucher mit M 140.000.- für den Führer erworben und benötige die genehmigten M 20.000.- schnellstens zur Endbegleichung des Kaufpreises. Die Gesamtabrechnung der Devisenbescheinigung Nr. XXIII/C7/1725/45 geht Ihnen nächstens zu.“905 Mit der Devisengenehmigung der Reichsstelle für Papier erfolgte über die Bayerische Hypothek- und Wechselkasse die Banküberweisung nach Paris. Ein Beispiel soll den Vorgang illustrieren: Maria Dietrich schrieb an die Bayerische Hypothek- und Wechselbank mit der Devisengenehmigung als Anlage und beauftragte die Bank 100.000.- RM über die Deutsche Verrechnungsstelle, Berlin auf das Reichsmarkkonto „Frankreich A“ des Office de Changes (Service de la Compensation), Paris zu überweisen. Dietrich gab den Zeitpunkt an, an dem sie das Geld in Paris zu ihrer Verfügung benötigte.906 Das Office des Changes rechnete dann den Betrag in Francs um und stellte in Paris einen entsprechenden Cheque aus.907 Gegen Vorlage der Rechnungen über erfolgte Einkäufe wurden die entsprechenden Beträge ausbezahlt. Manchmal gab das Office Vorschüsse, die Rechnungen wurden im Anschluss vorgelegt, gebucht und abgestempelt.

Im Juni 1941 wurde das französische Gesetz „Exportation des œuvres d’art loi du 23 juin 1941“ zur Regelung von Ausfuhren erlassen. Dieses setzte der Militärbefehlshaber in Frankreich (Kunstschutz) mit den Bestimmungen für Exporte nach Deutschland „Exportation d’œuvres d’art destinées à l’Allemagne“ am 1.8.1943 außer Kraft. Grundsätzlich war eine Genehmigung seitens der französischen Seite nötig, bevor ein Werk das Land verlassen durfte.908 Französische Werke wurden dabei naturgemäß strenger behandelt als andere. Aber nicht alle der zur Ausfuhr bestimmten Werke wurden den zuständigen Personen der Musée Nationaux im Louvre vorgelegt und schlussendlich hatten die Besatzer das letzte Wort. In einem Schreiben vom Juli 1944 erklärte Michel Martin (Musées Nationaux), wie er in den vergangenen Monaten beim Erstellen von Ausfuhrangelegenheiten vorgegangen ist und dass er auch einige Ansuchen abgelehnt hätte. Als Beispiele nannte er diverse Ansuchen der Händler Gurlitt, Herbst und Postma.

905 BArch Berlin, R8 XIV 5, Devisenanträge und Devisenbescheinigungen, o. Bl.: Galerie Almas an Reichsstelle für Papier, 13.3.1944. 906 NARA, Dietrich, Maria Almas: purchases and bank receipts, S. 140: Galerie Almas an die Hypothek- und Wechselbank, München, 12.2.1941. 907 NARA, Dietrich, Maria Almas: purchases and bank receipts, u. a. S. 106–113. 908 BArch Koblenz, B323/357, Bl. 270: Interrogation of Frau Dietrich, 15.10.1946: „Furthermore she informed Dr. v. Ruck[?] that all paintings she bought in France had to be controlled by officials of the Louvre before being exported. In one case she could prove this information by the stamp of the Louvre on the backside of a painting, against the export of such a painting were no objections from the side of French authority.“ 227

Auch ein Ausfuhrersuchen von George Destrem (No. II.610) bezüglich des Gemäldes „La Lumière du Monde“ von François Boucher (Linz-Nr. 3334) war abgelehnt worden. Das Werk wurde offensichtlich trotzdem für Maria Dietrich exportiert. Jacques Jaujard (Musées Nationaux) reagierte am 25.3.1944: „Il n’est as possible de procéder à l’examen de cette peinture qui à notre connaissance se trouve déjà exportée en Allemagne.“909 Maria Dietrich hat offenbar mehrfach, nämlich mindestens bei neun weiteren Gelegenheiten, Kunstwerke nach Deutschland transportieren lassen, ohne sich an die beschriebenen Regeln zu halten. Diverse 1946 angefertigte Übersichten geben über die entsprechenden Verkäufer:innen und Werke Auskunft.910

Neben der französischen Seite musste auch der deutsche Kunstschutz die Ausfuhr genehmigen. In der Auftragsgenehmigung (Autoristaion de Commande) der Zentralauftragsstelle für den Bereich des Militärbefehlshabers in Frankreich wurden der Auftraggeber (Galerie Almas), Auftragnehmer (z. B. Victor Mandl, Paris), Auftragsgegenstand und Auftragswert eingetragen.911 Durch folgende Anmerkungen, die teilweise auch auf Rechnungen vermerkt wurden, konnte ein Bild freigegeben werden: . „Die Zentralauftragsstelle genehmigt die oben angeführte Bestellung. Genehmigung Mil.Bef. in Frkr. [Militärbefehlshaber in Frankreich] Verw. 1/2 kult Kunstschutz vom 16.11.43 liegt vor.“912 . „Frau Maria Dietrich-Almas, München, ist seitens des Führers beauftragt, Kunstwerke im Gesamtwert von RM 200.000.- in Paris einzukaufen. Seitens des ‚Kunstschutzes‘ beim Militärbefehlshaber in Frankreich, Chef der Militärverwaltung, bestehen keine Bedenken.

909 Archives nationales, Paris, 20144657/6-7, Ausfuhrgenhemigungen, Bl. 272b. 910 Archives diplomatiques, Paris, 209 SUP 389 P 24 et C 824: Liste Relève des exportations irrègulières d’œuvres d’art effectuées à destination de l’Allemagne pendant la période d’occupation sowie Relève des exportations d’œuvres d’art effectuées sans licence à destination de l’Allemagne pendant la période d’occupation sowie Relève des exportation d’objets d’art effectuées irrégulièrement pendant l’occupation: Verkäufer: M. Santo-Semo, 1 tableau de Panici („Romains et Romaines“), 1 tableau („femme vénitienne“). Verkäufer: M. d’Atri, 1 tableau „Portrait de femme“, 16.5.1941. Verkäufer: Vatchnadze, 1 Nature morte du 19siècle auteur inconnu, „Paysage du Tyrol“ de March, „Chevaux en liberté“ auteur inconnu, Nature morte, 1943; Werke nicht zuzuordnen. Verkäufer: Czinober, Nicolas „Paysage avec figures et animaux“, „Intérieur d’Auberge“ de Teniers, 1941. Verkäufer: Weidle, Vladimir, 2 tableaux, 11.9.1942, Collection d’assiettes russes du 19 siècle, 9.1.1943. Verkäufer: Brimo de Laroussille, Objets de collection, 1942. Verkäufer: Tuffier, Esquisse par Rubens de la „Mise en Croix“ de la Cathédrale d’Anvers, 1941. Verkäufer: Mandl, Tableaux provenant de la collection du Prince Wlazenski de Jonquières (vgl. andere Schreibweise in Abs. Victor Mandl). Verkäufer: Geibel, Jean, un tableau atrribué à Cranach, 10.1.1942. S. zu diesem Aspekt auch: Archives de Paris: Akten zu Joseph Oscar Leegenhoeck/Brueghel (112W 109), Birtschansky (112W 109), Louis Nemours Tuffier/Rubens (112W 96). 911 NARA, Dietrich, Maria Almas: purchases and bank receipts und Dietrich, Maria Almas: receipts n-z: Auftragsgenehmigungen. 912 BArch Berlin, R8 XIV 5, Devisenanträge und Devisenbescheinigungen, o. Bl.: Beispiel: Zentralauftragsstelle Frankreich (Nr. Zastf 53397), Bestellungsempfänger: Victor Mandl, Paris, Deutscher Besteller: Galerie Almas Maria Dietrich, Bestellungsgenehmigung 200.000 Paris, 25.11.1943 zu einem Antrag vom 18.11.1943. 228

Die in den Monaten Januar/Februar 1944 erfolgende Ausfuhr aus dem besetzten Gebiet Frankreichs und die Einfuhr nach Deutschland ist hierseits genehmigt.“913 Diese Genehmigung wurde sehr ernst genommen. Als einmal ein Vorgang per Post verloren gegangen war, versicherte Dietrich der Reichsstelle für Papier: „Der Ordnung halber lege ich eine Abschrift der mit verloren gegangenen Zastgenehmigung bei. Ein Duplikat des Originals werde ich Ihnen sofort nach Rückkunft von meiner Pariser Reise überschicken, weil ich mir nochmals das Duplikat ausstellen lasse.“914

Mehrere Pariser Händler wurden für Maria Dietrich als Exporteure von Kunstgegenständen tätig: Gustav Rochlitz (zuständig für mindestens 13 Ausfuhren in den Jahren 1943 und 1944915), Bruno Lohse/Cornelius Postma (Bocksbergers „La création du monde“ [Linz-Nr. 3338, MNR 366], 1944916), Erhard Göpel (zwei Bilder von Blarenberghe [Linz-Nr. 3060 und 3061], 1943917), Serge Makowsky und George Destrem.918 Von französischer Seite gab es keine Bedenken zur Ausfuhr zweier Werke, für die Cornelius Postma im Auftrag Maria Dietrichs ein Ausfuhrersuchen (Nr. 46897) stellte. Jacques Jaujard wies allerdings auf die exzessiven Preise hin und bezeichnete sie als „fiktive Werte“. In seiner einige Tage zuvor verfassten Einschätzung war Michel Martin zu dem Schluss gekommen, dass die beiden betreffenden Werke – Bocksbergers „La création du Monde“ (Linz-Nr. 3338, MNR 366)919 und eine Gebirgslandschaft eines süddeutschen Künstlers (Anfang 19. Jahrhundert) nicht interessant für die Musées Nationaux wären. Auch Martin empfand die angesetzten Werte als überzogen und bezeichnete Maria Dietrich als Opfer dieser exzessiven Preise: „Toutefois la présente au dossier d’une facture régulière et la personnalité de

913 BArch Berlin, R8 XIV 5, o. Bl.: Bescheinigung des Militärbefehlshabers in Frankreich (Kunstschutz), 24.1.1944. 914 BArch Berlin, R8 XIV 5, o. Bl.: Galerie Almas an die Reichsstelle für Papier, 11.1.1944. 915 Archives diplomatiques, Paris, 209 SUP 389 P 24 et C 824: Licenses d’exportation; u. a. Angaben zu Verkäufern, Exportumständen. 916 Archives diplomatiques, Paris, 209 SUP 184 A 153, Bl. 3: Œuvres d’art achetées en France pendant la guerre par Madame Almas Dietrich. 917 BArch Koblenz, B323/132, Bl. 32 fo. 154: Maria Dietrich an Gottfried Reimer, 31.5.1943: „Bestens dankend bestätige ich ihr geehrtes Schreiben [...] in dem Sie mir mitteilen, dass die beiden Blarenberghe fest gekauft sind. Ich habe sofort alles veranlasst, dass die Bilder Herrn Göpel, wenn er in Frankreich ist, ausgehändigt werden, ebenfalls die spezifizierte Rechnung in dreifacher Ausführung und je 4 Fotos.“ 918 Archives diplomatiques, Paris, RA 962: Bildkartei. 919 BArch Koblenz, B323/132, Bl. 22 fo. 101: Gottfried Reimer an Maria Dietrich, 14.3.1944: „Wie uns unser Vertrauensmann in Holland, Belgien und Frankreich, Herr Dr. Göpel, mitteilte, wurde von Ihnen aus Paris vor einiger Zeit ein Gemälde ‚Die Erschaffung der Tiere im Paradies‘ von Hans Bocksberger erworben. Herr Dr. Göpel hatte sich dieses Gemälde seit längerem reservieren lassen und, wie er mir schrieb, nur deshalb freigegeben, weil er annehmen musste, dass Sie diese Erwerbung ebenfalls für die Linzer Sammlung des Führers abzuschließen wünschten.“ Beachte hier auch: Stichwort Konkurrenz Kunsthändler:innen in Paris. Postma verkaufte das Bild für 1.200 000.- F am 23.1.1944 an Dietrich. Diese gab es am 24.3.1944 weiter an Linz für 72.000.- RM; Restitution an Frankreich über CCP an Louvre, seit 1951 im Musée des Beaux-Arts in Straßburg. 229 l’acheteuse, déjà notée comme victime de prix excessifs ne permet pas de préjuger de l’inexactitude des prix déclarés, malgré leur élévation.“920

Bei der Einfuhr von Kunstgegenständen in Deutschland wurde vom Zollamt (Zollamt St. Georg bei Hemmingen, Westmark) zeitweise eine Gebühr (Einfuhrzoll) erhoben.921 Nach Verkaufsabschluss mussten die Einkäufe der Reichsstelle für Papier gemeldet werden. Die Einfuhrnachweise wurden mit einer Aufstellung der Werke, Originalrechnungen, Bankquittungen und der Bescheinigung des Militärbefehlshabers in Frankreich (Genehmigung der Zentralauftragsstelle) sowie der Abnehmer in Deutschland (z. B. Bescheinigung Verwaltung Obersalzberg) bei der Reichsstelle für Papier eingereicht. Die Unterlagen wurden nach Erledigung der Bearbeitung an die Galerie Almas zurückgeschickt.

Neben dem „Standardverfahren“ hinsichtlich der Bezahlung haben sich einige Belege erhalten, die auf eine direkte Erledigung der Zahlung von Ankäufen Maria Dietrichs durch den „Sonderauftrag Linz“ an entsprechende Händler oder Vermittler in Paris hinweisen. In Bezug auf Hubert Roberts „Landschaft mit Ruinenarchitektur“ (Linz-Nr. 2959) schrieb Gottfried Reimer vom „Sonderauftrag Linz“ an Dietrich: „Ich habe heute sofort telegrafisch die Reichskreditkasse in Paris angewiesen, an Herrn Victor Mandl, Paris [...] für das durch Sie angekaufte Gemälde ‚Landschaft mit Ruinenarchitektur‘ von Hubert Robert den Betrag von 500.000 Frss. [...] zur Auszahlung zu bringen. Herr Mandl soll der Reichskreditkasse darüber Quittung legen.“922 Der Betrag stand zu dem Zeitpunkt auf dem Konto von Hermann Voss bei der Reichskreditkasse in Paris zu Verfügung.923

920 Archives nationales, Paris, 20144657/6-7, Ausfuhrgenehmigungen, o. Bl.: Le Directeur des Musées Nationaux et de l’Ecole du Louvre an Monsieur le Conseiller d’Etat secrétaire général des Beaux Arts – Bureau des travaux d’art, 19.1.1944. Ebenda, o. Bl.: Michel Martin, chargé de mission au département des Peintures an Monsieur le Directeur des Musées Nationaux et de l’Ecole du Louvre, 16.1.1944. S. zu Postma auch Site Rose Valland, MNR 36: François Garnier „Früchtestilleben“: Exporté en Allemagne par Postma pour Maria Dietrich en mars 1944, valeur déclarée 89 600 F. 921 NARA, Dietrich, Maria Almas: purchases and bank receipts, diverses Material bezüglich der Zollabfertigungen: Quittungen Zoll, mit Auflistung der Gegenstände / Quittungen mit Abfertigungsbefund – Bescheinigung über aufgeschobene Zölle und Verbrauchsteuern / Einfuhrmeldungen, ausgestellt von der Reichsstelle für Waren verschiedener Art bzw. Reichsstelle für Papier / Schreiben an die Hypothek- und Wechselbank mit der aufgebrauchten Devisengenehmigung in der Anlage, u. a. abgefertigt vom Zollamt. 922 BArch Koblenz, B323/132, Bl. 28 fo. 133: Gottfried Reimer an Maria Dietrich, 13.8.1943. 923 BArch Koblenz, B323/132, Bl. 28 fo. 134: Gottfried Reimer an Maria Dietrich, 12.8.1943. S. weiteres Beispiel für dieses Vorgehen, diesmal bezüglich Erhard Göpel in: Sonderarchiv Moskau, Sonderkonto Frankreich, Bl. 269: Der Sonderbeauftragte für Linz an den Herrn Reichsminister und Chef der Reichskanzlei, betrifft: Auffüllung des Sonderkontos Dr. Voss bei der Reichskreditkasse in Paris, 26.10.1943: „Da ich in Ihrem Schreiben vom 18. Oktober d. Js. darauf hingewiesen worden bin, bindende Zusagen bei Kaufverhandlungen, die Devisen erfordern, erst dann zu machen, wenn die zur Bezahlung des Kaufpreises benötigten Devisen tatsächlich verfügbar sind, so möchte ich nachdrücklich darauf hinweisen, dass das Pariser Konto wenigstens soweit aufgefüllt werden müsste, dass die Bezahlung des Gemäldes von van Dyck erfolgen könnte. Ich habe unseren Vertreter in Paris, Herrn Dr. Göpel, auf diese Sachlage hinweisen müssen, was natürlich die Verhandlungsmöglichkeiten nicht erleichtert, sodass immer mit der Eventualität zu rechnen ist, dass uns infolge dieses zeitraubenden Verfahrens eine wichtige Erwerbung entgeht.“ Verfahrensschritte (Beispiel): 1) Göpel an Reimer: Bitte um Auszahlung 2) Sonderbeauftragter an Reichskreditkasse: Bitte um Auszahlung vom Sonderkonto an Göpel 3) Bestätigung der Reichskreditkasse an Sonderbeauftragten, Empfangsbescheinigung anbei. 230

Diese Vorgehensweise verlief jedoch nicht konfliktfrei: „Bei seinem Besuch zeigten Sie Herrn Professor Voss u. a. wohl das Foto des Gemäldes von Hendrik van Balen [Linz-Nr. 2746]. Aus Paris erfuhr ich dieser Tage fernmündlich, dass dieses Bild durch uns gegen französische Devisen übernommen und gezahlt werden solle. Herr Professor Voss [...] weist ergebenst darauf hin, dass er sich nicht erinnere, dass Sie ihm über eine Zahlung in französischen Franken durch uns bei seinem Besuch gesprochen hätten. Er möchte jede Ausgabe von seinem ohnehin beschränkten Konto in Paris für solche Gemälde, die nicht unumgänglich zur Ergänzung der Linzer Bestände notwendig erscheinen, vermieden sehen. Deshalb erlaube ich mir in seinem Auftrage die höfliche Anfrage, wie Sie sich die Regelung der Übernahme und Bezahlung des Gemäldes von Hendrik van Balen gedacht hatten.“924 In mindestens einem Fall ist die Partei-Kanzlei „in Vorleistung“ getreten. Auf dem Briefpapier der Deutschen Botschaft in Paris quittierte Cornelius Postma am 8.5.1944, dass er von der Deutschen Botschaft in Paris für einen an Maria Dietrich verkauften Watteau, „Landschaft mit Figuren“ (keine Linz-Nr. oder Mü-Nr. zuzuordnen), den Betrag von 3.000.000.- F erhalten hätte. Der entsprechende Betrag war der Botschaft zur Auszahlung an Postma durch Martin Bormann zur Verfügung gestellt worden.925 Der Referent Bormanns, Helmut von Hummel, schrieb in dieser Sache am 7.9.1944 an die Reichskanzlei, dass das Bild für den „Sonderauftrag Linz“ auf Weisung des Führers in Paris bei Cornelius Postma erworben worden wäre: „Da die Angelegenheit aus besonderen Gründen beschleunigt erledigt werden musste, veranlasste ich die sofortige Auszahlung des Betrages an den Verkäufer.“ Mit der Originalquittung von Postma folgte die Bitte, den Gegenwert der von der Partei-Kanzlei verauslagten 3.000.000.- F (150.000.- RM) durch die Reichskanzlei auf das Zentralkonto der Partei-Kanzlei (Nr. 3950) bei der Commerzbank in München überweisen zu lassen.926 Folgerichtig ist keine Rechnung dieser Transaktion in den Unterlagen Dietrichs vorhanden. Auch ein Gewinn für Maria Dietrich geht aus diesem Vorgang nicht hervor.

In einer Angelegenheit, die im Frühjahr 1944 verortet werden kann, lässt sich Maria Dietrichs „Sonderrolle“ durch ihre direkte Tätigkeit für Hitler schildern: Im Februar 1944 ordnete der Präsident der Reichskammer der bildenden Künste – zu diesem Zeitpunkt Wilhelm Kreis – an, dass Kunsthändler Anträge auf die Erteilung von Devisenbescheinigungen an die zuständigen Reichsstellen (hier Reichskammer der bildenden Künste) zu richten hätten. Ein entsprechendes Schreiben der Reichsstelle für Papier an Maria Dietrich vom 1.4.1944 sollte

924 BArch Koblenz, B323/132, Bl. 49a fo. 160: Gottfried Reimer an Maria Dietrich, 18.5.1943. 925 Schwarz 2009, S. 277: Das Bild wurde auf Hitlers Weisung in Paris gekauft und auf den Berghof geliefert. Schwarz bezieht sich u. a. auf: BArch Koblenz, B323/98, 64:49 und B323/105, Nr. 417. 926 BArch Koblenz, B323/173, Bl. 201–205. 231 jedoch ein Nachspiel haben. Man bezog sich auf einen Antrag der Galerie Almas vom 29.3.1944 und schrieb ihr mit dem Betreff „Einfuhr von Ölgemälden aus Frankreich“: „Auf Ihren vorstehenden Antrag teile ich Ihnen mit, dass [Sie] nach einem Runderlass des Herrn Reichswirtschaftsministers vom 11.2.1944 [...] und nach einer Anordnung des Herrn Präsidenten der Reichskammer der bildenden Künste Anträge auf Erteilung von Devisenbescheinigungen für die Einfuhr von Kunstgegenständen aus dem Ausland über die Reichskammer der bildenden Künste an die zuständigen Reichsstellen zu richten haben. Die Kammer leitet sodann die Eingaben mit Ihrer Stellungnahme sofort an die zuständige Reichsstelle weiter, von der dem Antragsteller ein unmittelbarer Bescheid zugehen wird. [...] Im vorliegenden Fall habe ich den mir zur Genehmigung eingereichten Antrag zur Begutachtung an die Reichskammer der bildenden Künste gesandt. Nach Eingang der Stellungnahme erhalten Sie weiteren Bescheid.“927 In einem Schreiben des Reichsbeauftragten der Reichsstelle für Papier an die Reichskammer der bildenden Künste vom 2.5.1944 wird erläutert, wie Dietrich auf diese „Anmaßung“ reagiert hatte: „Gemäß Runderlass des Herrn Reichswirtschaftsministers vom 11.2.1944 sind die Mitglieder ihrer Reichskammer verpflichtet die Einfuhranträge über Ihre Dienststelle an meine Reichsstelle zwecks gutachtlicher Stellungnahme zu richten. Ich habe entsprechend dieser Weisung den mir von der Galerie Maria Dietrich [...] vorliegenden Antrag vom 29.3.1944 am 1.4.1944 an Sie weitergeleitet und der Galerie M. Dietrich hiervon Kenntnis gegeben. Die Inhaberin dieser Firma hat sich daraufhin unmittelbar an das Büro des Reichsleiters Martin Bormann [...] gewandt. Von diesem Büro wurde mir Mitteilung gemacht, dass Frau Dietrich auf persönliche Weisung des Führers Gemälde im Auslande aufkauft und diese dem Führer selbst vorlegt, so dass eine gutachtliche Stellungnahme für die Einfuhr dieses Kulturgutes von anderen Dienststellen nicht einzuholen ist. Ich werde künftig Anträge der Galerie M. Dietrich [...] Ihrer Reichskammer nicht mehr zur gutachtlichen Stellungnahme übersenden.“928 Der Antrag wurde aufgrund des Telefonats mit dem Büro von Martin Bormann sofort genehmigt. Ob die den Vorfall auslösende Reise nach Paris überhaupt noch stattfand, ist fraglich, da im April 1944 die Kunsthandlung Almas zerstört wurde und keine weiteren Reisen nach März 1944 dokumentiert sind. Bemerkenswert ist die Erwähnung, dass Dietrich anscheinend noch im Jahr 1944 Adolf Hitler persönlich Bilder vorstellte.

927 BArch Berlin, R8 XIV 5, o. Bl.: Reichsstelle für Papier an Galerie Maria Dietrich, 1.4.1944. 928 BArch Berlin, R8 XIV 5, o. Bl.: Vermerk vom 2.5.1944, betr. Antrag der Almas Galerie vom 29.3.1944 (bezügl. Devisenbescheinigung Nr. XXIII/C7/1735/49): „Vom Büro des Reichsleiter Martin Bormann, Obersalzberg, wurde am 5.4.1944 darauf hingewiesen, dass die Inhaberin der Galerie Dietrich auf persönliche Weisung des Führers die Gemälde im Ausland aufkauft und dem Führer selbst die Angebote vorlegt. Mithin ist nach Auskunft dieses Büros eine Stellungnahme anderer Dienststellen wie der Reichskammer der bildenden Künste nicht einzuholen. Der Antrag wurde auf dieses Gespräch hin sofort genehmigt.“ 232

Möglicherweise als Folge dieses „Vorfalls“ lässt sich ein Schreiben der Reichsstelle für Papier an die Galerie Almas vom 20.7.1944 („Betr. Einfuhr von Kulturgut aus dem Ausland, Kunstgegenstände für die Führersammlung oder für die Galerie Linz“) interpretieren: „Der Herr Reichswirtschaftsminister hat entschieden, dass die Vorschriften des Runderlasses 3/44 [...], nach der alle Mitglieder der Reichskammer der bildenden Künste ihre Anträge auf Erteilung von Devisenbescheinigungen für die Einfuhr von Kunstgegenständen aus dem Ausland über die Reichskammer der bildenden Künste an die zuständigen Reichsstellen zu richten haben, nicht anzuwenden sind, wenn Kunstgegenstände aus dem Ausland für die Führersammlung oder für die Galerie Linz bestimmt sind. In derartigen Fällen genügt es, wenn die Einführer durch eine mit dem Einfuhrantrag einzureichende Bescheinigung der Verwaltung Obersalzberg – Reichsleiter Martin Bormann – München (Führerbau), den vorbezeichneten Verwendungszweck der einzuführenden Kunstgegenstände nachweisen.“929

Kurze Gegenüberstellung Dietrichs mit Hildebrand Gurlitt Ab August 1941 konnten 31 Aufenthalte des Kunsthändlers Hildebrand Gurlitts in Paris gezählt werden. Theo Hermsen fungierte häufig als Zwischenhändler und kümmerte sich auch um seine Exportgenehmigungen.930 Gurlitt wurde in den ersten Jahren eingesetzt, um den Markt in Paris für deutsche Museen – etwa das Wallraf-Richartz-Museum, Köln – zu beobachten und um Kunstwerke für diese einzukaufen. Anders als Maria Dietrich wurde er erst ab 1943 in Paris für den „Sonderauftrag Linz“ tätig. Grundsätzlich geben Gurlitts Geschäftsunterlagen kaum Aufschluss über seine Tätigkeit für den „Sonderauftrag Linz“ und über die erhaltenen Rechnungen lässt sich nicht auf die Herkunft der Werke schließen.931 Die Überschneidung ihrer Vermittler in Paris hielt sich in Grenzen; etwa Raphaël Gérard war gleichermaßen für Gurlitt und Dietrich tätig.932

Laut Gramlich/Hopp galt für Hildebrand Gurlitt in dem oben beschriebenen Prozedere bezüglich der Devisenbeschaffung wohl zumeist der „offizielle“ Weg: Der „Sonderauftrag Linz“ informierte die Reichskammer der bildenden Künste in Berlin, wenn Gurlitt Devisen benötigte, die wiederum gegenüber der Reichsstelle für Papier die Devisengenehmigung

929 BArch Berlin, R8 XIV 5, o. Bl.: Reichsstelle für Papier an die Galerie Almas, 20.7.1944. 930 Hoffmann/Kuhn 2016, S. 216: „Hermsen ist nicht nur als Agent für das Dorotheum unterwegs, sondern vermittelt auch Kunst aus Frankreich an deutsche Museen, was ihn für Hildebrand Gurlitt interessant macht. Hermsen bietet neben seinen Vermittlerdiensten an, auch die notwendigen Exportgenehmigungen zu besorgen. […] Schätzungsweise 75 Prozent der von ihm in den besetzten Westgebieten erworbenen Gemälde werden über den holländischen Zwischenhändler abgewickelt.“ Vgl. Baresel-Brand 2017, S. 28: Baresel-Brand spricht von 20 „Einkaufsreisen“ Gurlitts nach Paris. 931 Gramlich/Hopp 2017, S. 43. 932 Deutsches Zentrum Kulturgutverluste, Tagung Raub & Handel. Der französische Kunstmarkt unter deutscher Besatzung (1940–1944), Bonn, 1.12.2017, Vortrag Tessa Rosebrock: „Des Handels mit dem Feind beschuldigt. Akteure des Pariser Kunstmarkts vor dem Comité national interprofessionnel d’épuration“: Nennung von Informationen zu Raphaël Gérard. 233 meist ohne Probleme befürwortete.933 Ähnlich wie Maria Dietrich resultierte bei Gurlitt die Beschaffung von Devisen über Genehmigungsverfahren, das heißt, dass keine Spontanankäufe üblich waren, jedoch wurde ihm die kurzfristige Beschaffung von Devisen ermöglicht. Teilweise erfolgte die finanzielle Abwicklung auch direkt über das Sonderkonto des „Sonderauftrags“, wie es bereits für Maria Dietrich nachgewiesen werden konnte.934 Zuweilen verzichtete Gurlitt darauf, sich die Devisen vom Auftraggeber im Vorhinein beschaffen zu lassen und kaufte Werke in Paris mithilfe eigener Devisen an. Seine Erwerbungen verliefen nach Hoffmann/Kuhn dann in der Regel folgendermaßen: Gurlitt begutachtete das Angebot in Paris und berichtete daraufhin deutschen Museen oder Hermann Voss von interessanten Werken. Wenn er den Auftrag erhielt, erwarb er das entsprechende Werk zunächst auf eigene Kosten. Danach beschaffte er sich die nötige Exportgenehmigung, um das Werk nach Deutschland zu transportieren.935 Wie andere Händler:innen durfte auch Hildebrand Gurlitt ab 1943 keine Einkäufe mehr für Privatkunden tätigen, da deutsche Händler:innen ab diesem Zeitpunkt nur noch Devisen für Geschäfte mit staatlichen Institutionen erhielten.

3.3.4 Geschäfte mit Raubkunst: Begegnungen mit dem Einsatzstab Reichsleiter Rosenberg und der Sammlung Schloss

Von Februar 1941 bis November 1943 führte der Einsatzstab Reichsleiter Rosenberg (ERR) 28 Tauschgeschäfte mit beschlagnahmten Gemälden durch.936 In den meisten Fällen handelte es sich bei den hierfür verwendeten Kunstwerken um französische Gemälde des späten 19. und des frühen 20. Jahrhunderts, die u. a. aus der Sammlung Rosenberg-Bernstein stammten. 18 Tauschvorgänge wurden im Auftrag von Hermann Göring, sechs oder sieben im Auftrag von Adolf Hitler bzw. der Reichskanzlei, ein oder zwei Vorgänge wahrscheinlich im Auftrag

933 Gramlich/Hopp 2017, S. 42, 46. Schwarz 2017, S. 52. 934 Schwarz 2017, S. 52. 935 Hoffmann/Kuhn 2016, S. 218ff. Vgl. BArch, N 1826: Zahlungsdokumente der Bank Credit Lyonnais, Paris, Bl. 44: Bericht über finanzielle Abwicklung von Bilderankäufen für den „Sonderauftrag Linz“, verfasst von RA Dr. Walter Schmidt; Hildebrand Gurlitt kaufte im Juni 1944 im eigenen Namen, aber auf Rechnung des Sonderbeauftragten in Paris (ebenda, Bl. 41: eine Rechnung mit mehreren bei Theo Hermsen erworbenen Werken sowie Bescheinigungen zur Ausfuhr von Hermsen), der Betrag wurde Hermann Voss daraufhin in Rechnung gestellt und auf Gurlitts Konto bei der Dresdner Bank überwiesen. Daraufhin beauftragte Gurlitt die Dresdner Bank auf Grund einer Devisengenehmigung der Reichsstelle für Papier vom 3.7.1944 im Wege des deutsch-französischen Clearings den Betrag zu Lasten seines Kontos an die Credit Lyonnais zu überweisen. Die Auszahlung in Paris erfolgte nur gegen Einreichung von Rechnungen der Lieferanten, Gurlitt erhielt eine Bescheinigung, auf der die Abrechnung verzeichnet war. Ebenda, Bl. 11: Gurlitt, Dresden an Voss, 16.10.1944: „Nachdem die Geschäfte, die ich in Ihrem Auftrag in den besetzten Westgebieten durchzuführen hatte, erledigt sind, hat die Dresdner Bank, die die Kredite hierzu zur Verfügung stellte, mich gebeten, ihr eine Bestätigung beizubringen, dass sämtliche Kunstwerke bei Ihnen abgeliefert sind und Sie aus diesen Geschäften keine Forderungen mehr an mich haben […].“ 936 NARA, M1946, RG 260, Roll 0121, Restitution Research Records, Einsatzstab Reichsleiter Rosenberg: Consolidated Interrogation Report No. 1. BArch Koblenz, B323/72, Tauschaktionen 1941 und 1942 mit dem Einsatzstab Reichsleiter Rosenberg, der Kunsthandel v.h. J. Goudstikker N.V, Amsterdam, und anderen 1937–1945. Auch zugänglich über: Lootedart (http://www.lootedart.com/docs/ERR_complete_report.pdf – zuletzt besucht am 24.4.2019). 234 von Joachim von Ribbentrop und einer im Auftrag von Martin Bormann abgewickelt. 18 der 28 Tauschgeschäfte wurden über Gustav Rochlitz ausgeführt, jeweils zwei über Adolf Wüster, Max Stoecklin, Arthur Pfannstiel und einzelne Geschäfte mit den Händler:innen Maria Dietrich, Boedecker (Frankfurt am Main), Jan Dik Jr. (Amsterdam) und Alexander von Frey (Ungarn).

Der Tauschvertrag Nr. 22 wurde am 28.10.1942 mit Maria Dietrich abgeschlossen.937 Dabei tauschte der ERR ein Ölgemälde von Camille Pissarro, „Hafen von Honfleur im Regen“ (Mü- Nr. 19188, He 2), aus dem Jahr 1903 mit einem Wert von 200.000.- F ein. Der Wert war von Prof. Jacques Beltrand (Boulogne s. Seine, rue Max Blondat) geschätzt worden, der für den ERR auch weitere Schätzungen vor Abschluss von Tauschverträgen vornahm.938 Bereits im Tauschvertrag wurde die Abkürzung „He 2“ für die Sammlung Heilbronn erfasst. Maria Dietrich übergab dafür zwei als französisch bezeichnete Tafeln vom Anfang des 16. Jahrhunderts mit den Titeln „Geißelung Christi“ und „Gefangennahme Christi“ (MNR 756 und 757; dort Anton Woensam, genannt Worms zugeschrieben). Sie versicherte, dass die eingetauschten Tafeln Originalwerke der angegebenen Zeit darstellen würden und sie hinsichtlich der Eigentumsübertragung verfügungsberechtigt wäre. Nach Provenienzermittlungen in der Nachkriegszeit wurde vermerkt, dass es sich bei den Tafeln um zwei Werke von Barthel Bruyn handeln könnte, die Dietrich am 19.9.1941 bei Gustav Rochlitz erstanden hatte.939 Im Tauschvertrag wurde festgehalten, dass die Übergabe direkt nach der Unterzeichnung des Vertrags erfolgen sollte. Für den ERR zeichnete Kurt von Behr und handschriftlich wurde vermerkt, dass der Tausch durch den Parteigenossen Robert Scholz persönlich in München getätigt worden war. Der Tauschvertrag wurde demnach in München verhandelt, bevor in Paris die formale Unterschrift folgte. Bruno Lohse und Scholz hatten Maria Dietrich vor Vertragsabschluss in ihrer Galerie besucht, um Kunstgegenstände für das Moritzburg- Museum in Halle auszuwählen, dessen Direktor Scholz zu diesem Zeitpunkt (1938–1945)

937 BArch Koblenz, B323/72, Bl. 42ff. 938 Ebenda, Bl. 43: Schätzungsliste, aufgestellt am 16.11.1942, d. h. nach Abschluss des Vertrags. 939 Ebenda, Bl. 11, 42: Die zwei Tafeln wurden am 13.11.1945 von Neuschwanstein nach Paris transportiert. Dort waren sie direkt nach dem Tausch am 2.12.1942 eingelagert worden. Ebenda, B323/436, Bl. 20: „Œuvres d’Art achetées en France pendant la Guerre par Madame Almas Dietrich“, handschriftliche Notiz an der Nr. 265 Bartel Bruyn (deux tableaux, portugais?): „vertauscht gegen Pissarrobild“. NARA, Dietrich, Maria Almas: receipts n-z, S. 47 und Archives diplomatiques, Paris, 209 SUP184 A 153, Bl. 3: Die mutmaßlichen Tauschbilder waren am 19.9.1941 bei Rochlitz erworben worden. 235 war.940 Während des Besuchs stellte sich heraus, dass auch Martin Bormann an dem Erwerb der beiden Tafeln aus dem 16. Jahrhundert für die Reichskanzlei interessiert war. Scholz und Lohse schlugen ein Tauschgeschäft vor, das den Pissarro einschloss, der laut Lohse angeblich aus der Sammlung Rosenberg-Bernstein stammte. Maria Dietrich hatte möglicherweise privates Interesse an dem Pissarro-Bild. Ein Indiz hierfür ist, dass sie die Tafeln auch direkt an die Reichskanzlei hätte verkaufen können. Während ihrer Befragungen gab Dietrich an, dass es unklug gewesen wäre, in ihren Geschäftsbüchern das Gemälde eines Juden – und hiermit meinte sie den Künstler Camille Pissarro – zu führen. Aus diesem Grund will sie das Bild ihrer Tochter Mimi im Jahr 1943 übergeben haben.941 Tatsächlich entsprach das Bild wohl auch eher Mimi Dietrichs Geschmack. In späteren Beiträgen in der Weltkunst gab diese mehrmals an, sich im Gegensatz zu ihrer Mutter nicht besonders für die Kunst der Münchner Schule des 19. Jahrhunderts, sondern eher für den Impressionismus interessiert zu haben (vgl. Kap. 4.6). Vor diesem Hintergrund ist bemerkenswert, dass Maria Dietrich überdies am 10.9.1941 ein Gemälde von Renoir, „Brassée de fleurs“, sowie am 31.10.1941 ein Gemälde von Monet, „La Seine à Vétheuil“ (MNR 205)942, bei Raphaël Gérard in Paris erworben hat.943

Maria Dietrich wusste angeblich nicht, dass der ERR mit beschlagnahmten Kunstgegenständen arbeitete. Ihre vermeintliche Unwissenheit wurde ihr bei einer Befragung im September 1945 jedoch nicht geglaubt. Die Übergabe des Bildes an Mimi hat wohl auch eher etwas damit zu tun, dass sie genau wusste aus welchem Zusammenhang das Bild kam.

940 Wikipedia (zuletzt besucht am 5.12.2019): Formal besetzte der Journalist Robert Scholz, Leiter des Hauptamtes Bildende Kunst im Amt Rosenberg, ab Herbst 1941 den Posten des Leiters des Sonderstabes Bildende Kunst, aber er konnte sich nicht gegen Kurt von Behr behaupten, der von Göring protegiert wurde. Von Behr gab Anfang 1943 seine Leitung des Einsatzstabes auf und überließ Scholz die Leitung. Laut Susanna Köller, Kunstmuseum Moritzburg Halle, haben sich in den Museumsakten keine Angebote der Galerie Almas erhalten. 941 NARA, CIR 4, S. 50. S. auch Dietrich, Maria Almas: Interrogation, S. 20. Archives diplomatiques, Paris, 209 SUP 184 A 153, Bl. 419: Mimi tho Rahde an Rose Valland, 28.4.1950: „Gnädige Frau dürfen mich nicht für kleinlich halten, dass ich mich bemühe, zu meinem Recht [...] zu kommen. Aber ich habe in einem anderen Fall, der Ihnen ja bekannt ist (Pissarro- Tausch mit 2 Bilder [sic] Bartel Bruyn) vollkommen unschuldig die Sachen eingebüsst und mich auch darüber hinweggefunden.“ 942 BArch Koblenz, B323/331, Bl. 102: Aussage Dietrich vom 26.10.1946: Cl. Monet „Landscape with a Lake“ (1879) „bought in France“. 943 Archives nationales, Paris, Comité national interprofessional d’épuration – Antiquaires et marchands de tableaux, F12/9629, Akte Dequoy: Exposé, Bl. 5f.: „En accord lieu, Gerard a acquis des œuvre a spoliées par le Commissariat aux Affaires Juives […]“. Laut diesem Bericht wurden die Rechnungen zu beiden Bildern im Archiv der Galerie Almas gefunden. DZK, Tagung „Raub & Handel. Der französische Kunstmarkt unter deutscher Besatzung (1940–1944)“, Bonn, 1.12.2017, Vortrag Tessa Rosebrock: „Des Handels mit dem Feind beschuldigt. Akteure des Pariser Kunstmarkts vor dem Comité national interprofessionnel d’épuration“: Die entsprechenden Lieferscheine zeigte Rosebrock im Rahmen des Vortrags (Quellenangabe nach Anfrage: Archives nationales, Paris, F12 bzw. Z/6). S. Manuskript Rosebrock, S. 9: „Ich zeige Ihnen hier die Aufstellung, die Gérard im Rahmen dieser Befragung erstellt hat, und die tatsächlich keine Fragen offen lässt. Der Cour de la Justice zweifelte dennoch an der Vollständigkeit dieser Liste, da unter Gérards Dokumenten zwei hier nicht erwähnte Lieferscheine an Maria Almas Dietrich gefunden wurden. Seine Erklärung dafür war, dass er die Werke nur für einen seiner Klienten, Monsieur Mottard [vgl. MNR 205], übergeben habe, aber finanziell nicht von dem Verkauf profitierte.“ 236

Das Gemälde befand sich nach Kriegsende noch in Besitz der Familie Dietrich. Es wurde in einem ihrer zahlreichen Depots auf Schloss Velden gefunden und am 6.2.1946 zum Central Collecting Point nach München transportiert. Die französische Restitutionsbehörde identifizierte das Werk zutreffend nicht als Teil der Sammlung Rosenberg-Bernstein, sondern als Bestandteil der Sammlung von Max Heilbronn, Paris (1902–1998).944 Die Restitution des Gemäldes an die Familie Heilbronn konnte daher bereits am 27.3.1946 erfolgen.945

Neben dem Tauschgeschäft wickelte Bruno Lohse im Auftrag von Maria Dietrich den Kauf eines Gemäldes von Franz Xaver Winterhalter in Paris ab. Am 8.7.1943 schrieb Maria Konrad diesbezüglich an Gottfried Reimer nach Dresden: „Bezugnehmend auf unser heutiges Telefongespräch, möchte ich Sie nochmals ersuchen, das Gemälde von Franz Xaver Winterhalter ‚Damenbildnis‘ umgehend in Paris an Dr. B. Lohse, Avenue Jena 54 mit 800.000.- F zu bezahlen. Frau Dietrich war schon sehr lange bemüht, für den Führer dieses Gemälde zu bekommen und hat Ihnen ja bereits die Reichsleitung Mitteilung gegeben, dass das Gemälde nun angekauft ist. Für die sofortige Erledigung wären wir dankbar, da der Besitzer des Bildes auf Abnahme drängt. Da Frau Dietrich infolge Krankheit ihre Pariser Reise verschieben muss, hat Herr Dr. Lohse freundlicherweise die Angelegenheit für uns erledigt.“ Handschriftlich wurde ergänzt, dass Bruno Lohse zum Einsatzstab Rosenberg gehört.946 Hermann Voss schrieb daraufhin ebenfalls am 8.7.1943 an die Reichskreditkasse Paris: „Von meinem Konto bei der Reichskreditkasse bitte ich an Herrn Dr. Lohse vom Einsatzstab Rosenberg in Paris [...] für ein Damenbildnis von Winterhalter den Betrag von achthunderttausend Frs gegen Vorlage einer quittierten Rechnung oder persönlichen Quittung in dreifacher Ausfertigung umgehend zur Auszahlung bringen zu wollen. Dieses Bild ist durch Vermittlung der Kunsthandlung Maria Dietrich in München für die Zwecke des Führers angekauft worden. Das Bild soll auf raschestem Wege nach München, Führerbau transportiert werden.“947 Trotz der zweifelhaften Umstände muss das Bild nicht aus beschlagnahmtem ERR-Bestand stammen. Bei Prince Vatchnadzé („partie de ma collection“) kaufte Maria Dietrich am

944 Cultural Plunder by the Einsatzstab Reichsleiter Rosenberg: Database of Art Objects at the Jeu de Paume: 19 Werke unter Stichwort „Heilbronn“. Max Heilbronn wurde deportiert, überlebte den Holocaust. Sein Vermögen wurde beschlagnahmt. 945 Ebenda (http://www.errproject.org/jeudepaume/card_view.php?CardId=2719 – zuletzt besucht am 24.4.2019). S. auch BArch Koblenz, B323/357, Bl. 161f.: „Aus Almas-Besitz in das Ausland restituierte Objekte“, Stand 1.8.1953. Pressemitteilung BKM, 172/2017, 18.5.2017: „Sammlung Gurlitt, La Seine kehrt nach Frankreich zurück“: Kulturstaatsministerin Monika Grütters überreichte Camille Pissarros „La Seine, vue du Pont-neuf, au fond le Louvre“ aus dem „Schwabinger Kunstfund“ den Erben nach Max Heilbronn. Das Bild war Bestandteil des Tauschs Nr. 23 mit Gustav Rochlitz vom 31.10.1942. Im April 1945 war es aus einem Rochlitz-Depot abhandengekommen. S. auch DZK, Provenienzrecherche Gurlitt, Object Record Excerpt (ORE). 946 BArch Koblenz, B323/132, Bl. 29 fo. 140: Galerie Almas (Konrad) an Gottfried Reimer, 8.7.1943. 947 Sonderarchiv Moskau, Sonderkonto Frankreich, Bl. 317: Hermann Voss an die Reichskreditkasse Paris, 8.7.1943. 237

3.3.1944 ein „Portrait“ von Winterhalter für 40.000.- F.948 Im MNR-Eintrag 235 geht man fälschlicherweise davon aus, dass das Bild am 3.3.1943 von Maria Dietrich erworben worden war, und ordnete es der Linz-Nr. 2957 (Franz Xaver Winterhalter „Weibliches Bildnis in weißem Tüllkleid mit Feldblumenstrauß [Herzogin von Morny]“) zu. Da das „Portrait“ laut Rechnung aber erst 1944 in Paris angekauft worden war, passt das Bild nicht zum Vorgang, denn die Linz-Nr. 2957 wurde von Maria Dietrich bereits am 27.7.1943 eingeliefert949 und ist daher wohl mit dem durch Lohse/Dietrich in Paris erworbenen Porträt identisch. Laut des Consolidated Interrogation Reports begleitete Lohse seine Kollegin Maria Dietrich in Paris zur Galerie von Ali Loebl, wo sie ein Gemälde von Winterhalter, „Die Herzogin von Morny“, das „Michel“ gehörte, und Caspar David Friedrichs „Romantische Landschaft“ erwarb. Im CIR steht allerdings auch, dass das Bild „Herzogin von Morny“ bei einem Luftangriff auf München zerstört worden wäre.950 Aufgrund der Überschneidungen der Daten, der direkten Lieferung an den Führerbau und der physischen Existenz des in Compiègne aufbewahrten Bildes „Herzogin von Morny“ liegt die Vermutung nahe, dass das Bild nicht bei einem Luftangriff zerstört worden ist.

Abraham Bloemaerts „Vertumnus und Pomona“ (Mü-Nr. 20997) hatte Maria Dietrich bei Gustav Rochlitz in Paris am 18.12.1940 für 500.- RM gekauft. Möglicherweise war das Bild zuvor durch den ERR beschlagnahmt worden. Als „Scène mythologique“ ging es nach 1945 zurück nach Frankeich.951 Bei Sotheby’s in London wurde das Bild am 7.7.2005 (Los 13), ohne Hinweis auf die Provenienz, und ein weiteres Mal am 9.5.2006 (Los 75) bei Sotheby’s in Amsterdam versteigert und befindet sich nun in Privatbesitz.

In einem Schreiben an die Reichsstelle für Papier vom 13.7.1944 erwähnt Dietrich zwei weitere Werke – K. v. d. Pluyms „Mann mit Barett“ und „Mann mit Pfeife“ aus der Schule von Frans Hals, zu denen vor der Zerstörung ihres Geschäftes Verkaufsverhandlungen mit dem ERR stattgefunden hatten. Beide Bilder sollten im Auftrag des „Herrn Reichsleiter Rosenberg“ übernommen werden (vgl. zu Pluym/Hals auch Exkurs: Zerstörung der Kunsthandlung): „Zu meinem Schreiben v. 26. Juni 44 möchte ich heute folgendes richtigstellen: Die Gemälde [...] aus dem Devisenantrag Nr. XXIII/C7/1725/30, sind nicht verbrannt, sondern stark beschädigt und da ich bereits in Verkaufshandlungen stand[,] wurden

948 NARA, Dietrich, Maria Almas: receipts n-z, S. 105. 949 Schwarz 2004, XXV/25 (hier 800.000.- F). BArch Koblenz, B323/132, Bl. 29. 950 NARA, CIR 4, S. 61. BStU, CIR 4, Bl. 87. 951 BArch Koblenz, B323/75, Bl. 2–12, hier Bl. 2: Auszug aus MFA & A File 14.11 (Erster und zweiter Teil) – Ankäufe Almas-Dietrich (Frankreich). NARA, Dietrich, Maria Almas: receipts n-z, S. 5f. Archives diplomatiques, Paris, 209 SUP 184 A 153, Bl. 3: Vermerk „confisqué par l’Organisation Rosenberg“. 238 die beiden Bilder trotzdem im Auftrag des Herrn Reichsleiters Rosenberg für die Dienststelle zum Einkaufspreis von M 4.300.- übernommen. Ordnungshalber teile ich Ihnen dies mit und gebe Ihnen beiliegend die Bestätigung von Herrn Bereichsleiter S. Scholz.“952 Dass der ERR bzw. die Dienststelle Rosenberg sogar beschädigte Werke von der Galerie Almas übernahm, zeugt von einer gewissen Verbindlichkeit der Geschäftspartnerin gegenüber. Auch wenn Dietrich nach derzeitigem Forschungsstand nachweislich nur ein zuvor beschlagnahmtes Werk – Pissarros Hafenszene in Honfleur – direkt vom ERR erwarb, bestand darüber hinaus weiterer geschäftlicher Kontakt.

Erwerbungen aus der Sammlung Schloss Im April 1943 wurde die durch Adolphe Schloss (1842–1910) zusammengetragene Sammlung niederländischer Malerei des 17. Jahrhunderts durch die Gestapo, die französische Polizei und das sogenannte Judenkommissariat der Vichy-Regierung geplündert.953 Bruno Lohse war an der „Aufspürung“ der Sammlung Schloss in ihrem Auslagerungsort in Tulle beteiligt. 262 von Erhard Göpel und Bruno Lohse ausgewählte Gemälde gelangten an den „Sonderauftrag Linz“. Rund 150 Schloss-Bilder sind seit Kriegsende restituiert worden.

Ende April 1943 trafen Hermann Voss und Bruno Lohse im Hotel Continental in München aufeinander. Obwohl Maria Dietrich später angab, dass sie nicht dabei war, als über die Schloss-Affäre gesprochen wurde, kann man wohl davon ausgehen, dass sie Kenntnis von der Beschlagnahmung der Sammlung hatte.954 Am 10.9.1945 sagte Lohse aus: „Am Nachmittag [25.4.1943] traf ich im Hotel Continental Frau Dietrich, die mir erzählte, daß sie mit Voss verabredet war und vorschlug, mich ihm vorzustellen. Aufgrund der bestehenden Probleme zwischen Bormann-Rosenberg-Scholz-Voss konnte ich ihr Angebot nicht annehmen. Als sie sich zu Voss setzte, blieb ich mit Fleischer [ERR] an meinem Tisch sitzen. Kurz darauf kam Frau Dietrich an meinen Tisch und sagte, daß Voss mich zu sehen wünsche. So konnte ich mich nicht länger sträuben. Das Gespräch wandte sich fast sofort der Schloss-Sammlung zu, und ich erzählte ihm alles, was ich von der Angelegenheit wußte, vor allem über die Schwierigkeiten, die es in Limoges gegeben hatte [u. a. Differenzen um Kompetenzen]. [...] An jenem Abend lud Frau Dietrich Voss, Fleischer und mich zum Abendessen zu sich nach

952 BArch Berlin, R8 XIV 5, o. Bl.: Maria Dietrich an die Reichsstelle für Papier, 10.7.1944, betr. Nachweis für Gemälde aus Frankreich. 953 Heuß 2000, S. 58ff. Archives diplomatiques, Paris: Collection Schloss (https://www.diplomatie.gouv.fr/sites/archives_diplo/schloss/sommaire_ang.html – zuletzt besucht am 24.4.2019): ausführliche Beschreibung des Ablaufs und der Zuständigkeiten. 954 NARA, CIR 4, S. 61. BStU, CIR 4, Bl. 88. 239

Hause ein. Drei oder vier andere waren ebenfalls zugegen.“955 Lynn Nicholas gibt die Begebenheit etwas anders wieder: „Hermann Voss, though he had immediately heard of the confiscation from Lohse at a little dinner chez Frau Dietrich in Munich, left the arrangements entirely to subordinates, a fact considered odd by the ERR crowd.“956 Maria Dietrich erwarb 1944 zwei Werke, die aus der Sammlung Schloss stammten: Jan Davidsz de Heems „Fleurs et fruits“ (Schloss 85)957 und Willem Corneliusz Duysters „Chevalier et dame lisant une lettre“ (Schloss 261). Von wem sie das Gemälde von de Heem kaufte, konnte bislang nicht geklärt werden. Möglicherweise erhielt sie es direkt durch Bruno Lohse, denn: „During questioning after the war, Lohse admitted that he had kept a number of works, and that he had first offered them to Hofer for Göring before trying to negotiate a deal with Maria Almas Dietrich.“958 Auch der Verbleib des Bildes ist heute nicht bekannt.959 Das Bild von Duyster gelangte über Victor Mandl im Januar 1944 in Dietrichs Hände. Sie verkaufte es anschließend an Ernst Buchner für die Bayerischen Staatsgemäldesammlungen. Edgar Breitenbach entdeckte das Gemälde nach Kriegsende in der Münchner Pinakothek, woraufhin es restituiert wurde.960 Dass Dietrich beide Bilder nicht dem „Sonderauftrag“ anbot, lässt sich wohl über die bereits 1943 getroffene Auswahl für Linz erklären. An den „Sonderauftrag Linz“ lieferte Dietrich allerdings einige Werke anderer Herkunft, die als NS-verfolgungsbedingt entzogen gelten: Etwa Joos van Cleves bzw. Jan van Scorels „Männliches Bildnis in schwarzem Mantel mit Pelzkragen“ (Linz-Nr. 1557, ehem. Sammlung Bromberg, 2016 an die Erben restituiert) und Gobelinentwürfe von David Teniers d. J. (Linz- Nr. 3406, 3407, ehem. Sammlung John Jaffé, 2005 an die Erben restituiert).

Wenn „französische“ Werke nicht direkt aus dem eigenen Besitz der jeweiligen Verkäufer:innen stammten, konnte die Herkunft bisher nur in wenigen Fällen ermittelt werden. Daher kann nicht seriös geschätzt werden, wie hoch der Anteil an NS- verfolgungsbedingt entzogenen, in Frankreich durch Maria Dietrich zwischen 1940 und 1944 erworbenen Kunstwerken tatsächlich ist. Allerdings ist festzustellen, dass sich bislang unter

955 NARA, CIR 4, S. 149. BStU, CIR 4, Bl. 353f. 956 Nicholas 1994, S. 173: hier keine konkrete Quellenangabe. 957 Cultural Plunder by the Einsatzstab Reichsleiter Rosenberg: Database of Art Objects at the Jeu de Paume (https://www.errproject.org/jeudepaume/card_view.php?CardId=51676 – zuletzt besucht am 24.4.2019): Nachforschungen sind nötig, da das Bild bislang nicht restituiert worden ist. 958 Archives diplomatiques, Paris: Collection Schloss http://www.diplomatie.gouv.fr/fr/sites/archives_diplo/schloss/sommaire_ang.html – zuletzt besucht am 24.4.2019). 959 Ein Abgleich der Abbildungen ergab, dass das Bild nicht identisch mit einem der beiden de Heem-Bilder ist, die an Dietrich zurückgingen (vgl. Mü-Nr. 36821-2, 36821-3). 960 Plunder by the Einsatzstab Reichsleiter Rosenberg: Database of Art Objects at the Jeu de Paume (http://www.errproject.org/jeudepaume/card_view.php?CardId=52621– zuletzt besucht am 24.4.2019). 240 den in Deutschland, Österreich und aus den Niederlanden erworbenen Kunstwerken verhältnismäßig mehr Raubkunst identifizieren lässt.

241

3.4 Weitere Auslandsbeziehungen

Neben den bisher beschriebenen Vorgängen, die sich maßgeblich mit Maria Dietrichs Geschäften in Österreich, den Niederlanden und Frankreich beschäftigten, haben sich einige wenige „Splitter“ erhalten, die auf einen breiteren Transaktionsradius hinweisen, der auch die Schweiz, England, die ehemalige Tschechoslowakei und Italien einbezieht. Eine 1939 in der Galerie Almas durchgeführte Devisenprüfung brachte folgendes Ergebnis: „An Warengeschäften mit dem Ausland wurde lediglich ein von der Überwachungsstelle für Waren verschiedener Art am 1. Dez. 38 genehmigtes Einfuhrgeschäft für 2 Bilder aus der Schweiz festgestellt, das ordnungsgemäss abgewickelt wurde. Ausserdem ist durch die Vermittlung eines Bildes von Lukas Kranach, das von einem Graf Enzenberg, Innsbruck, nach England verkauft wurde, eine Provision von 100 Pfund angefallen. Diese Provision wurde am 4. Mai 37 ordnungsgemäss an die Hypotheken- und Wechselbank verkauft.“961

Im Consolidated Interrogation Report ist zudem die Rede von drei Erwerbungen, die Maria Dietrich in der Tschechoslowakei getätigt haben soll. Es handelt sich um die heute nicht mehr nachvollziehbaren Nummern 0393, 0641 und 0645 in ihren Hauptbüchern, die zum Zeitpunkt der Berichtserstellung im CCP München zur Verfügung standen.962

In Italien bzw. über italienische Mittelspersonen hat Maria Dietrich im Juli 1942 wohl einige Werke für den „Sonderauftrag Linz“ angekauft bzw. beabsichtige dies. Der Kunsthistoriker und Schriftsteller Werner von der Schulenburg (1881–1958) wurde 1942 in Rom hierzu befragt, nachdem die italienische Polizei einen Brief von ihm abgefangen hatte, in welchem Schulenburg Maria Dietrich eine Liste mit in Italien angebotenen Kunstwerken schicken wollte und hierbei die Eigentümer einiger Werke benannte. Unter den von Dietrich aus Italien erworbenen Werken befindet sich eine Landschaft von Alexandre Calame (vermutlich Linz- Nr. 2922), die bis 1942 im Besitz von Benno Geiger, Venedig war oder durch ihn vermittelt wurde und dann über Dietrich an den „Sonderauftrag Linz“ gelangte.963

961 StAM, OFD 2292, Devisenprüfung bei Maria Almas-Diamant, Kunst- und Antiquitätenhandlung, 30.5.1939: Bericht vom 3.6.1939, Fall 750. 962 NARA, CIR 4, S. 77. BStU, CIR 4, Bl. 112. 963 Freundliche Mitteilung von Katharina Hüls, Venedig. Hüls vermutet entsprechende Dokumente in Polizeiakten in Rom/Florenz. Diese Spur konnte im Rahmen dieser Arbeit nicht weiterverfolgt werden. Laut BArch Koblenz, B323/99: Nr. 0608 war der Vorbesitzer von Linz-Nr. 2922 Detmar tho Rahde, der das Bild am 23.6.1943 für 11.000.- RM an Maria Dietrich verkaufte, die es im Juli 1943 für 14.000.- RM einlieferte. 242

Exkurs: Zerstörung der Kunsthandlung

Die Zerstörung der Räumlichkeiten der Galerie Almas in München erfolgte am 24.4.1944 durch einen Luftangriff. Anhand der Kriegsschädenakte der Galerie im Stadtarchiv München kann man nicht nur einen Überblick über die erfolgten Schäden am Gebäude und die Zerstörung der dort gelagerten Kunstwerke erhalten, sondern auch Informationen hinsichtlich des Geschäftes (u. a. Erwähnung von Kommissionsware), der Anzahl, Ausstattung und Nutzung der Räume, Finanzen und Geschäftspartner:innen bzw. Kund:innen.964 Die Akte enthält mehrere Schadensmeldungen bzw. Anträge auf Erstattung, hauptsächlich zur Kunsthandlung in der Ottostr. 9, aber auch zu zwei im Juli 1944 zerstörten Papierarbeiten in der Graphischen Sammlung in der Barer Str. 29 (ein Landschaftsaquarell von Friedrich Geißler im Wert von 11.300.- RM und eine kolorierte Radierung, „Militärblatt“, im Wert von 200.- RM)965 und schließlich zu einem zerstörten Gemälde, das sich in der Wohnung von Detmar tho Rahdes Familie in Frankfurt am Main befunden hatte und im Januar 1944 zerstört worden war.966

Verluste wurden in München beim Kriegssachschädenamt gemeldet, das beim Oberbürgermeister angesiedelt war. Maria Dietrich meldete den Verlust ihrer Kunsthandlung bereits zwei Tage nach der Zerstörung, nämlich am 26.4.1944 mit einem „Antrag auf Ersatzleistung für Sachschäden gemäß der Kriegssachschädenverordnung vom 30. November 1940“ (Nr. 6/85644). Berechnet war der Schaden folgendermaßen: Waren 134.370.- RM + Einrichtung 39.800.- RM = 174.170.- RM + Schaden v. 12.7.44 Barerstr. Kunstgegenstände 2.000.- RM967 = 176.170.- RM (in der maschinenschriftlichen Ausfertigung des Antrags: 177.931.- RM). Der später angegebene Warenschaden belief sich auf etwas weniger, nämlich auf 109.181.- RM.968 Laut Schätzungsgutachten wurde der Warenschaden auf 130.370.- RM taxiert.969 Diese hohe Summe führte dazu, dass der Schaden später als „Großschaden“ (ab

964 StadtA München, Kriegssachschädenamt (kurz: Kriegsschädenamt), Nr. 242. Wenn nicht anders angegeben, beziehen sich die Angaben in diesem Abschnitt auf die Akte Nr. 242. Die umfangreichen Aktenbestände des Münchner Kriegsschädenamtes gelangten über das Ausgleichsamt vor einigen Jahren in das Stadtarchiv München. Der Bestand enthält wertvolle Informationen zum Münchner Kunsthandel. 965 Bl. 24: Antrag auf Ersatzleistung für Sachschäden gemäß der Kriegssachschädenverordnung vom 30. November 1940, 25.10.1944. Schaden entstanden am 12.7.1944 durch Brand- und Sprengbomben, Zeuge: Direktor der Graphischen Sammlung, Prof. Seyler. Entschädigung wird beantragt zum Zweck der Wiederbeschaffung. Bl. 25: Nachtrag von Hermann Gegerle am 7.12.1944, Bestätigung der Angemessenheit der Preise durch Max Heiß am 8.12.1944. 966 2. Vorgang in Akte, Bl. 1ff.: Antrag auf Entschädigung nach der Kriegssachschädenverordnung vom 30.11.1940, 28.6.1944. Schadensstelle: Forsthausstr. 60, Frankfurt, am 29.1.1944 bei Detmar tho Rahde. Zerstört wurde ein Gemälde von Augustin, gekauft am 25.1.1944 von W. Schumann & Co., Frankfurt. Zeugen: Frl. Mimi Dietrich, Herr und Frau tho Rahde, Frankfurt. Bl. 5–8: Bestätigung des OB von Frankfurt über Gesamtentschädigungsbetrag von 1.200.-, 24.11.1944. 967 Der Wert der Papierarbeiten war zuvor höher geschätzt worden. 968 Bl. 5f.: Maria Dietrich an das Kriegsschädenamt, Feststellungsbehörde, 5.7.1944. 969 Bl. 26: Kriegsschädenamt, Gruppe Großschäden, Vormerkung zur Vorlage des Aktes beim Vertreter des Reichsinteresses, 11.12.1944. 243

100.000.- RM) eingestuft wurde.970 Zerstört wurden Gemälde, Teppiche, antike Möbel, Kunstbücher, Porzellan, Plastiken, das gesamte Büromaterial, die Schreibmaschine, der Tresor, ein elektrischer Ofen und Büromöbel sowie Kommissionsware. Zur Kommissionsware gehörten: ein Gemälde von Verbrueggen „Blumenstilleben“ – Exzellenz R. v. Kühlmann, Ohlstadt b. Murnau – 10.000.- / ein Gemälde von Rudi Scheffler „Blumenstilleben“ – Rudi Scheffler, Berlin – 2.000.- / ein Gemälde von Rudi Scheffler „Musikstilleben“ – do. – 3.000.- / ein Gemälde von Pollinger „Stilleben mit Pfau“ – Obgefr. Hans Büger, Weissenfels/Saale – 4.000.- / ein Gemälde holländisch „Landschaft mit Kühen“ – Victor Mandl, Paris – 6.000.- / zwei Bilder von Oswald „Papageien“ – Hans O. Marcuse, München – 3.500.-.971 Diese Informationen sind besonders relevant, da bislang – außer hinsichtlich Alois Miedl und Alexandra Birtschansky – Kommissionsgeschäfte der Galerie Almas nicht belegt werden konnten. Richard von Kühlmann taucht dabei als Kunde auch in diesem Zusammenhang auf. Bemerkenswert ist auch, dass sich unter den in Kommission genommenen Werken zwei Werke eines damals noch lebenden Künstlers – Rudi Scheffler (d. i. Rudolf Scheffler, 1884–1973) – finden, so dass an dieser Stelle erstmals von der „Vertretung“ eines zeitgenössischen Künstlers ausgegangen werden kann. Inwiefern die Besitzer der Bilder entschädigt wurden, ist nicht dokumentiert.

Bislang kann nur über die Schadensmeldung und Außenansichten des Cramer-Klett-Palais rekonstruiert werden, in welchen Räumlichkeiten sich die Galerie Almas ab 1939 befand. Genutzt wurden im Palais zwei große Räume für die Ausstellung und Vorführung der Kunstwerke, ein Büroraum, ein Vorraum zum Büro (eine Art Küche), der Zwischenstock (Waschraum und Bibliotheksraum mit acht Schränken), eine Teppichkammer (Teppiche und Stoffe), ein kleiner Vorraum unter der Stiege (mit 50 Rahmen, drei großen neu angefertigten Kisten) und eine Garage. Aus der Beschreibung der Einrichtung des Büros lässt sich erschließen, dass es neben Maria und Mimi Dietrich wohl nur eine weitere ständige Mitarbeiterin gegeben hat (Maria Konrad). Denn neben einem Barock- und einem Stahlschreibtisch befand sich im Büro nur noch ein Schreibmaschinentisch.972 Außerdem ist für unsere Zwecke relevant, dass im Antrag neben anderem Büromaterial auch Karteikästen, Fotomappen und ein Teil der Bibliothek als vernichtet angegeben wurden.973

970 Bl. 2ff. 971 Bl. 14: Anl. VIII: „Verluste von Kommissionsware durch Totalvernichtung meines Geschäftes“; jeweils Angabe von Gegenstand, Besitzer und Preis. 972 Bl. 5f.: Maria Dietrich an Kriegsschädenamt, Feststellungsbehörde, 5.7.1944. 973 Bl. 18–22: Anl. III–VII. 244

Die folgende detaillierte Darstellung der Schauräume verdeutlicht die Ausstattung der Kunsthandlung. Dies ist hilfreich, da bislang keine fotografischen Aufnahmen der Innenräume auffindbar sind. Genannt werden im Antrag jeweils die Lagernummer (die vierstellige Lagernummer von Kunstwerken fängt jeweils mit 0 an), der Gegenstand sowie der Einkaufs- und Verkaufspreis. An der erwarteten Gewinnspanne lässt sich ablesen, dass mit gemäßigten Aufschlägen kalkuliert wurde. Im ersten großen Raum befanden sich aus dem Warenlager (Einkaufsjahre 1936–1942): zwei Barock-Stühle, ein Konsoltisch mit Marmorplatte, ein Holzwappen, eine gotische Figur „Heilige“, ein Barockschrank, ein alter Kupferkübel, eine Barock-Holzfigur „Heiliger“, ein großer alter Barock-Kupfertopf, ein Miniaturbild, ein Gemälde von Schenk („Esel im Walde“), zwei französische Gemälde in der Art von Boucher sowie weitere „Landschaften“. Zur Ausstattung (von 1939) gehörten: ein Bronze-Mörser und ein großer China-Majolikatopf. Die Einrichtung (ebenfalls von 1939) bestand aus einem roten, 30 Meter langen Veloursläufer, drei modernen Beleuchtungskörpern und zwei Flügel-Velours-Vorhängen.974 Im zweiten großen Raum gab es weit mehr Gegenstände und Kunstwerke. Daher kann angenommen werden, dass es sich hierbei um den Haupt- und Kundenempfangsraum handelte. Aus dem Warenlager befanden sich hier: ein Perser-Teppich, ein Barock-Tisch, ein kleiner Barock-Tisch, ein Tabletttisch, ein großes rotes englisches Sofa mit altem Stoff bezogen, eine Sitzgarnitur, eine Seladonplatte, je ein Gemälde von Vollmar („Landschaft mit Mühle“), Gampenrieder („Mädchenakt“), Bock („Blumenstilleben“), Habermann („Frauenakt“), zwei alte Tafelbilder, je ein Gemälde von Lenbach („Porträt“), Heremans („Eislandschaft“), Calame („Waldlandschaft“), Verelst („Interieur“), Marieschi („Venedig“), Veron („Seestück“), Winterhalter („Männerporträt“)975, Tizian („Männerbildnis“), Pluim [sic] („Mann mit Barett“), Frans Hals-Schule („Mann mit Pfeife“)976, sechs farbige Militärstiche, eine Barockzeichnung, je ein Aquarell von Windenko, Voltz („Landschaft“) und von Alt. Zur Ausstattung dieses Hauptraumes gehörten: drei Gemälde (signiert mit E. D.) „Landschaften“, ein gezeichnetes Männerporträt von Leibl, eine Zeichnung von Schwind, ein Heft mit Modestichen, ein Gemälde von Schreuer („Strasse m. Figuren“), ein Gemälde von Buchner („Mädchenköpfchen“) und eine alte große silberne Lupe. Eingerichtet war der Raum mit einer Bilderstaffelei mit Stoff, einer Bilderlampe (Scheinwerfer), einem Bilderregal, einem

974 Bl. 15: Anl. I. 975 BArch Berlin, R8 XIV 5, o. Bl.: Galerie Almas an die Reichsstelle für Papier, 26.6.1944: Nachweis für Gemälde aus Frankreich: „Die Gemälde von F. Winterhalter ‚Männerporträt‘ und Marieschi ‚Venedig‘ sind leider ebenfalls bei dem Angriff auf München am 24./25.4.44 verbrannt. Somit habe ich die Nachweise aus den Devisenanträgen alle erbracht.“ 976 Bl. 5f.: Maria Dietrich an Kriegsschädenamt, Feststellungsbehörde, 5.7.1944: Lb.-Nr. 0661 und 0662: Die Bilder von Pluym und Hals wurden nach gutachtlicher Stellungnahme als reparierbar eingestuft und die Werte daher aus der Schadenssumme herausgerechnet. 245

Bücherregal, drei modernen Beleuchtungskörpern, zwei Velours-Vorhängen am Bilderregal, einem elektrischen Ofen, einer französischen Bibliothek (möglicherweise in Paris erworben?), dem Müller-Singer, dem Nagler-Lexikon, verschiedenen Biografien, einem alten Nachschlagewerk, das in Schweinsleder gebunden war etc. Der Wert der Bibliothek wurde mit 15.000.- RM beziffert.977 Auch wenn die Quadratmeterzahl nicht in der Schadensmeldung benannt wird, erlaubt die Anzahl der aufgezählten Gegenstände die Schlussfolgerung, dass es sich um großzügige Räume gehandelt haben muss. Die umfangreiche Bibliothek war zudem über mehrere Räume verteilt. Zu diesem Zeitpunkt waren auch Möbel, Grafik und Teppiche im Angebot und wohl für den Besucherverkehr ausgestellt. Die hochwertigeren Kunstgegenstände dürften sicherlich bereits ausgelagert gewesen sein. Da Dietrich im Antrag auch jedes Putztuch aufführte, kann davon ausgegangen werden, dass sie auch jedes verlorene Kunstwerk akribisch aufgelistet hat.

Nötig waren für Kunsthändler:innen Gutachten bezüglich der Wertangaben ihrer zerstörten Ware durch Sachverständige der Landesleitung der Reichskammer der bildenden Künste. Die Werte sollten angemessen sein und nicht über jenen von 1939 liegen. Die Reichskammer musste laut einer Richtlinie vom 8.8.1944 auch bescheinigen, dass die Weiterführung des Geschäftes während des Krieges zwingend notwendig war. Bemessen wurde die Bedeutsamkeit eines Geschäftes anhand des „kulturellen Wertes“. Die Notwendigkeit des Geschäftserhaltes wurde für die Galerie Almas von Max Heiß bestätigt. Seine Erklärung lässt Fragen hinsichtlich ihrer Folgerichtigkeit zu: „Es wird hiermit bestätigt, dass die Aufrechterhaltung des Kunsthandelsbetriebes der Frau Maria Dietrich unter Berücksichtigung der Kriegsverhältnisse und des kulturellen Wertes des Betriebs notwendig ist, was daraus hervorgeht, dass dieser Betrieb sich unter den wenigen befindet, die nicht geschlossen werden dürfen. Der Gefahr einer möglichen Wiederzerstörung ist dadurch vorgebeugt, dass die wertvollsten Objekte nach auswärts verlagert wurden und werden.“978 Auch die aufgeführten Preise für Kulturobjekte wurden von Heiß geprüft und als angemessen eingestuft. In den Wochen nach der Zerstörung bemühte Maria Dietrich sich um die Wiederbeschaffung verloren gegangener Werke. Sie erwarb für insgesamt 175.500.- RM vergleichbare Werke, die aber nicht unbedingt vom gleichen Künstler waren. Durch einen Abgleich konnte lediglich

977 Bl. 16f.: Anl. IIa + II b. Später bekam Maria Dietrich Teile ihrer Bibliothek ausgehändigt. Darunter waren gleichlautende Titel wie Müller-Singer, Nagler. Auch französische Literatur wurde ausgelagert (s. Kap. 4.1). Sind die Bücher vielleicht nicht verbrannt, sondern bereits ausgelagert gewesen? Wenn ja, kann gleiches für vermeintlich zerstörte Bilder gelten? 978 Bl. 23: Landesleiter Reichskammer der bildenden Künste an das Kriegsschädenamt, 7.12.1944. S. auch Bl. 11: Hauptamt an die Reichskammer der bildenden Künste, Landesleitung München-Oberbayern, Vollzug der Kriegsschäden-VO, hier: Sachschaden Maria Dietrich, 21.10.1944. 246 festgestellt werden, dass Gemälde von Habermann aus dem Privatbesitz von Hans O. Marcuse und Buchner aus dem Besitz von Ernst und Georg Buchner sowie ein Tizian aus dem Besitz von Detmar tho Rahde979 erneut erworben wurden, d. h. von Händlern und Privatpersonen, bei denen sie bereits zuvor die verbrannten Kunstwerke gekauft hatte. Merkwürdigerweise sind von diesen Geschäften ausschließlich Duplikatrechnungen erhalten, weil die Originalrechnungen anscheinend direkt verloren gegangen sind.980 Die Werke kaufte Dietrich vermutlich nach, da sie „versprochen“ waren. Sieben von neun dieser Gemälde konnten im späteren Bestand des „Sonderauftrag Linz“ identifiziert werden.981 Die Verkäufer:innen waren Heinrich Glosemeyer, Bremen, Hans O. Marcuse, Berlin, Gräfin Czernin, Alt-Aussee, Dr. H. Leyendecker, Berlin, Hans W. Lange, Berlin, Ernst Buchner, München, Detmar tho Rahde, München und Maria Gillhausen, München.

Hermann Gegerle, Wirtschaftstreuhänder und der Steuerberater von Maria Dietrich, lieferte eine weitere Begründung für die Bemühungen um den „Wiedererwerb“ der Gemälde: Gegenüber dem Kriegsschädenamt führte er an, dass nun, nach Übergabe der Rechnungen, die rechnungsmässige Voraussetzung für den beantragten Vorschuss gegeben wäre. Bei einer persönlichen Vorsprache war Gegerle auf einen Beschluss vom 11.8.1943 hingewiesen und ihm eröffnet worden, dass eine Schadensersatzleistung nicht erfolgen könne: „Der angeführte Beschluss des RKA [Reichskriegsschädenamt] führt aber aus, dass gegen eine Ersatzleistung dann nichts einzuwenden sei, wenn die Möglichkeit besteht, einen zerstörten Kunstgegenstand wiederzubeschaffen, den man nicht als anormal überhöht bezeichnen kann. Weiter ist in dem Beschluss ausgeführt, dass Preise für Kunstgegenstände, die das 2–3fache der Friedenspreise nicht übersteigen, noch nicht als anormal überhöhte Preise angesehen werden können. Nach Auffassung von Frau Dietrich liegen die Preise für die oben angeführten Kunstgegenstände nicht über 300 % eines Preises von Mitte 1939. Damit dürften also die Voraussetzungen für die alsbaldige Teilentschädigung gegeben sein.“ Tatsächlich wurde schließlich eine Vorauszahlung in Höhe von 80.000.- RM gewährt.982 Durch die Schadensersatzzahlung und den Verkauf der neu beschafften Werke dürfte die Galerie Almas daher kaum bis keinen monetären Verlust erlebt haben. Weitere Bemühungen von Maria Dietrich um Entschädigungszahlungen – das Verfahren lief bis 1959 – blieben

979 Es ist bemerkenswert, dass Detmar tho Rahde direkt ein zweites Männerbildnis von Tizian im Angebot hatte. Bl. 30: Auffällig ist auch, dass in der Zusammenstellung über wiederbeschaffte Kunstgegenstände nach dem Schadenseintritt vom 24.4.1944, München am 3.7.1944 steht, dass das Bildnis am 10.4.1944 – also vor Eintritt des Schadens – wiederbeschafft worden sein soll. Handelte es sich möglicherweise um Versicherungsbetrug? 980 BArch Koblenz, B323/436, Bl. 63: Da eine Bombardierung im Jahr 1945 auch das Privathaus betraf, wurden hier ebenfalls Bilder (und Unterlagen?) im Keller zerstört. Hierzu wurde keine Schadensmeldung ermittelt. 981 Linz-Nr. 3415, 3416, 3484, 3486, 3487, 3488, 3647. 982 Bl. 27f.: Verfügung des Kriegsschädenamtes, 12.12.1944. 247 erfolglos. Nach der Zerstörung der Geschäftsräume wurde der Kunsthandel von der Privatadresse der Dietrichs aus weitergeführt.

248

4. Ende des Aufstiegs und Neustrukturierung

Eine wirkliche Nutznießerin der Nazis.983 Maria Almas [...] is a key figure in Nazi transactions.984

Erst zu Beginn des Jahres 1945 waren die Geschäfte der Galerie Almas kriegsbedingt zum Erliegen gekommen. Dennoch konnte Münchens Wirtschaftskammer noch im Mai 1945 folgende Auskunft geben: „Es wird hiermit bestätigt, daß die Firma ‚Almas‘ Galerie Marie Dietrich, Inhaberin Maria Dietrich, in [sic] Handelsregister des Amtsregister München Registergericht eingetragen ist und nach wie vor weiterbesteht.“985

Auf einer im Mai 1945 durch die O.S.S. Art Unit (d. i. Office of Strategic Services) zusammengestellten Liste mit Namen deutscher Personen, die am „Looting of European Art Treasures“ beteiligt waren, befanden sich Individuen, die dringend gesucht wurden: „a) Detention as potential war criminals b) Investigation in connection with their participation in such activity“. Unter der Nr. 12 von 21 Personennamen war auch „Frau Maria Almas Dietrich“ erfasst.986 Erste Befragungen durch die amerikanischen Alliierten erfolgten im August 1945 und führten dazu, dass Maria Dietrich für einige Zeit unter Hausarrest (mindestens im Herbst 1945 in Grafing bei München, weitere Angabe: Velden; vgl. Kap. 4.2 und 4.3) gestellt wurde. Maria Dietrich und Mimi Dietrich (bzw. tho Rahde) wurden zwischen dem 28.1. und dem 20.2.1946 nahezu täglich befragt und man untersuchte fast alle Depots. Aus diesem intensiven Prozess resultierte folgende Empfehlung in Maria Dietrichs Interrogation Report: „1. It is recommended that the art dealer’s license of Frau Maria Dietrich be suspended for an indefinite period. A person who profited for years from her close connection with Hitler should not be allowed to operate for some time to come. 2. In case Frau Mimi Dietrich-tho Rahde should apply for a license as an art dealer it is suggested that her license be limited to minor arts, furniture and rugs. While it would be injust to punish the daughter for the acts of her mother, guarantees should be obtained to prevent Maria Dietrich from operating through her daughter. 3. It is recommended that all art objects of the Dietrich’s which were purchased in foreign countries during the war be kept in, or taken to the Collecting Point […] pending a

983 StAM, SpkA K 285, o. Bl.: Arbeitsblatt Maria Dietrich, Januar 1947. 984 NARA, M1941, RG 260, Roll 0031, Activity Reports, S. 17: Semi-Monthly Report on Monuments, Fine Arts and Archives, for Period Ending 15 May, 1945. 985 BWA München, K1 XVA 10c, 367. Akt, Fall 59: Bestätigung der Wirtschaftskammer München-Oberbayern, 20.5.1945. 986 National Archives United Kingdom, FO 837 1157 1, S. 32ff.: Safehaven Report, 14.8.1945. 249 decision of a policy on how such property shall be treated. 4. In the interest of the preservation of the art objects and other private property belonging to the Dietrich’s now scattered among many repositories it is recommended that Maria Dietrich as well as Frau Mimi tho Rahde be permitted to consolidate their repositories into one located at Munich. After this has been done a complete new inventory should be drawn up and deposited with this office.“987 Im Mai 1946 wurde schließlich Anklage gegen Maria Dietrich erhoben: „Wir beantragen hiermit aufgrund des Säuberungsgesetzes Anklage-Erhebung gegen die Inhaberin der Kunsthandlung Almas, Frau Maria Dietrich. Frau Maria Dietrich war die bevorzugte und hauptsächliche Einkäuferin Adolf Hitlers für das Gebiet des Kunsthandels und ist im stärksten Umfange als Nutzniesserin im Sinne des Säuberungsgesetzes zu betrachten. Frau Maria Dietrich war früher mit dem Juden Almas verheiratet, ließ sich aber von diesem [...] nach Ausbruch des dritten Reiches scheiden und legte auch dessen Namen ab. Wir bitten Sie, durch Ihre Ermittlungs-Abteilung nähere Feststellungen treffen zu lassen, insbesondere auch dahingehend, ob Frau Dietrich – wie sie behauptet – von der zuständigen Stelle der Militärregierung ‚entnazifiziert‘ und zur Berufsausübung zugelassen ist. Von dem Ergebnis Ihrer Ermittlungen bitten wir Sie, uns zu verständigen, damit wir gegebenenfalls zu Ihrer Unterstützung das Verfahren vorbereiten können.“988 Tatsächlich existiert ein Meldebogen aufgrund des Gesetzes zur Befreiung von Nationalsozialismus und Militarismus vom 5. März 1946, der am 25.4.1946 ausgefüllt worden ist. Hier steht, dass Dietrichs Beschäftigung durch die Militärregierung Bayern ab Herbst 1945 vorläufig bis zum 15.8.1946 genehmigt worden war.989 Auf einer Liste mit den 1947 in München lizenzierten Kunsthändler:innen taucht sie im Gegensatz zu ihrer Tochter jedoch nicht auf (s. unten). Erst ab 1948 galt sie laut ihrer Spruchkammerakte als „unbelastet“. Etwas lapidar steht auf einem in dieser Akte aufbewahrten und auf den 14.4.1948 datierten Stück Papier „Weiße Karte erhalten“.990

Laut des Handelsregisteraktes der Firma betrieb Mimi tho Rahde das Gewerbe ihrer Mutter ab dem 1.8.1946 ohne Unterbrechungen.991 Unmittelbar nach Kriegsende trat sie also aus dem

987 NARA, Dietrich, Maria Almas: Interrogation: Protokoll der Befragung, S. 47–60 (1–14): I. Introduction, II. Biographical Data and Personality Evaluation, III. Dietrich and the Jewish Persecution, IV. Relation to Hitler and the Nazi Party, V. The Dietrich Repositories, VI. Recommendations. 988 StAM, SpkA K 285, o. Bl.: Dietrich, Maria: Der Beauftragte des Bayer. Staatsministers für Sonderaufgaben (Kommission für Kulturschaffende) beim Staatsministerium für Unterricht und Kultus an das Staatsministerium für Sonderaufgaben, Abt. III, 23.5.1946, betrifft: Anklage-Erhebung gegen Maria Dietrich (genannt Almas). 989 StAM, SpkA K 285, o. Bl.: Meldebogen auf Grund des Gesetzes zur Befreiung von Nationalsozialismus und Militarismus, 25.4.1946. 990 Ein Dokument mit „Spruch“ und „Begründung“ lässt sich hier nicht nachweisen. 991 StAM, Amtsgericht München, Registergericht 25825, Handelregisterakt, Bl. 18: Landeshauptstadt München, Gewerbeamt an das Amtsgericht, 20.8.1957. 250

(teilweise suggerierten) Hintergrund und als Mittlerin auf. So lief etwa die meiste Korrespondenz mit den Behörden über sie.992 Wie oben erwähnt wurde Mimi tho Rahde die Lizenz erteilt, allerdings unter der Bedingung nur mit Kleinkunst und Möbeln handeln zu dürfen (Nummer der Lizenz 77).993 Tatsächlich wurde diese Einschränkung bzw. Spezialisierung in den folgenden Jahrzehnten fortgeführt und in einem viel späteren Bericht im Jahr 2000 in einer Ausgabe der Weltkunst zu Mimis 90. Geburtstag als „geschmackliche“ Abgrenzung von ihrer Mutter dargestellt. Trotz der „weißen Karte“ Maria Dietrichs wurde das Geschäft am 1.4.1951 offiziell von Mimi tho Rahde als Inhaberin übernommen. Das Betriebskapital betrug im Jahr 1951 20.000.- DM mit einem monatlichen Umsatz von 3.000.- DM. In den Dokumenten zur Firmenübertragung ist festgehalten, dass die im Betrieb des Geschäfts begründeten Verbindlichkeiten durch die Übergabe an Mimi tho Rahde ausgeschlossen wurden.994 Es scheint, als ob die neue Inhaberin der Galerie Almas nach dieser Klausel rechtlich nicht mehr für mögliche unrechtmäßige Erwerbungen während der NS-Zeit verantwortlich gemacht werden konnte.

Skizze der Seilschaften vor und nach 1945 Auf einem Foto aus dem Jahr 1950 sitzen in trauter Gemeinsamkeit Bruno Lohse, Heinrich Hoffmann mit Maria Dietrich, Mimi tho Rahde und Hermann Hess vom Copress-Sportverlag, der mit Heinrich Hoffmanns Sohn assoziiert werden kann, beieinander (Abb. 24). Alte Bekanntschaften überdauerten demnach das Kriegsende, wie u. a. Jonathan Petropoulos längst festgestellt hat: „Die Kunstexperten, die den organisierten Kunstraub der Nazis in die Tat umgesetzt hatten, waren alle spätestens 1950 wieder auf freiem Fuß und wandten sich wieder ihren Geschäften zu. Jetzt ging es um die Wiederaufnahme alter Beziehungen und um jene geplünderten Kunstwerke, die nicht sichergestellt worden waren. Manchmal agierten Nazi-Händler wieder in aller Öffentlichkeit. Maria Almas Dietrich und Julius Böhler hatten beide sehr angesehene Galerien in der Brienner Straße in München. Andere Kunsthändler hielten sich bedeckt: Karl Haberstock und Walter Andreas Hofer arbeiteten in ihren Wohnungen, die sich zufällig im gleichen Gebäude in der Königinstraße am Englischen

992 NARA, M1946, RG 260, Roll 0069, Restitution Claim Records, Investigation Correspondence, Bornheim-Dietrich, S. 770: Maria Dietrich an die Gemeinde-Sparkasse Lenggries, 20.8.1943: Bereits 1943 stellte Maria Dietrich eine Vefügungsvollmacht für ihre Tochter bei der Bank bezüglich der hinterlegten Gegenstände aus. 993 NARA, M1946, RG 260, Roll 0001, Art Dealers Licenses Index, S. 1–9: Liste der im 3. Vierteljahr 1947 [...] gem. Bek. d. Staatsministeriums für Unterricht und Kultus vom 13.3.1947 [...] lizenzierten Kunsthändler. Hier sind insgesamt 112 lizenzierte Kunsthändler:innen aufgeführt. 994 StAM, Amtsgericht München, Registergericht, 25825 Sonderband der Registerakten, HRA 15425, Aktenzeichen HRA 72, Bl. 5 und Handelsregisterakt Almas, Maria Dietrich, Bl. 13: Verfügung des Amtsgerichtes München (Registergericht) über Eintrag in das Handelsregister, 17.4.1951. 251

Garten befanden – Eingeweihte nannten es zum Scherz ‚das braune Haus‘. Einige der Nazi- Kunstexperten, etwa Bruno Lohse und Adolf Wüster; die in Frankreich für das Auswärtige Amt und Ribbentrop auf Kunstraub gegangen waren, nannten sich jetzt ‚Kunstberater‘. Bayern war das geographische Zentrum dieses informellen Netzwerks, doch dessen Ausläufer reichten nach Österreich und vor allem in die Schweiz.“995

Auch die Verbindung Dietrichs zu Ernst Buchner riss bis zu dessen Tod im Jahr 1962 nicht ab: In den in Privatbesitz befindlichen Tagebüchern von Buchner fand die Galerie Almas mehrmals Erwähnung, etwa am 7.2.1959: „Galerie Almas schickt Fürstenporträts zur Ansicht (wohl vom Meister der Fürstenbildnisse)“ und am 10.3.1960: „Gutachten über Aposteltafel des Mair von Landshut (Frühwerk) für Galerie Almas geschrieben.“ Im Nachlass Buchners werden zudem aufbewahrt: Glückwünsche zum 60. Geburtstag Buchners (20.3.1952), von Maria Dietrich und ihrer Tochter, Glückwünsche anlässlich seiner Wiedereinsetzung als Generaldirektor der Bayerischen Staatsgemäldesammlungen 1953 sowie ein Glückwunschtelegramm zum 70. Geburtstag Buchners am 20.3.1962.996

Ferner bestand zu weiteren Personen über das Ende des „Dritten Reichs“ hinaus Kontakt: So ließ Maria Dietrich sich wohl 1953 (Datierung auf Reproduktion schwer leserlich) von dem Maler Conrad Hommel (1883–1971) porträtieren (Abb. 25), der mit der Bildhauerin Barbara von Kalckreuth (1905–1997) verheiratet war. Während der NS-Zeit porträtierte Hommel erfolgreich Parteigrößen wie Adolf Hitler, Hermann Göring, Joseph Goebbels und Albert Speer.997 Das Porträt Maria Dietrichs wurde 1962 anlässlich ihres 70. Geburtstages in der Weltkunst abgedruckt. 1990 erörterte die Zeitschrift mit Mimi tho Rahde die Rolle des Malers: „Als die Galerie Almas sich 1953 für den noblen Porträtisten Conrad Hommel einsetzte, von dem sich (zuweilen heimlich) so mancher Prominente des deutschen Wirtschafts- und Kulturlebens malen ließ, gab es Zustimmung bei den Kunden und Zurückhaltung bei der Presse.“998

995 Jonathan Petropoulos: Kunstraub. Warum es wichtig ist, die Biografien der Kunstsachverständigen im Dritten Reich zu verstehen, S. 239–257. In: Dieter Stiefel (Hg.): Die politische Ökonomie des Holocausts. Zur wirtschaftlichen Logik von Verfolgung und „Wiedergutmachung“, Wien/München 2001, hier S. 253f. 996 Freundliche Mitteilung zum privaten Nachlass Ernst Buchners von Theresa Sepp, München. Buchner schrieb Gutachten für zahlreiche Münchner Galerien. 997 Vgl. Große Deutsche Kunstausstellung, 1937–1944 in München (http://www.gdk-research.de). Hier sind weitere Porträtierte aufgeführt. 998 Weltkunst, Jg. 60, H. 17, 1.9.1990, S. 2536f.: „Im Gespräch mit Mimi tho Rahde“. Vermutlich setzte sich die Galerie mittels des Porträtauftrags für den Künstler ein. 252

4.1 Auslagerungen und Rückgabe von Objekten an die Familie Dietrich-tho Rahde

She knows her private property [...] – is going to demand their restitution to her, apparently without making the difference of provenience [sic], seems to declare most of them as property of her daughter.999

Insgesamt konnten 26 Auslagerungsorte der Galerie Almas bzw. der Familien Dietrich und tho Rahde in Bayern und Österreich eruiert werden, in denen Firmenware und Privatbesitz eingelagert worden waren (vgl. ANLAGE 9).1000 Mimi Dietrich bzw. tho Rahde kümmerte sich gemeinsam mit der langjährigen Angestellten Maria Konrad um die „Bewirtschaftung“ der Lager. Heinrich Hoffmanns Fahrer, Otto Kastner, führte die Transporte durch. Mindestens ein Ausweichlager wurde wohl geplündert. Im Nachgang zur eingereichten Meldung der Kriegsschäden gab der Rechtsvertreter der Anspruchstellerinnen, Hermann Gegerle, 1958 (!) einen Plünderungsschaden in Höhe von 82.069.- RM an. Von diesem Schaden entfielen 55.000.- RM auf einen Posten Silber, der nach Tirol evakuiert worden und nicht mehr zurückzubekommen war. Es lag diesbezüglich „gem. Paragraph 8 [...] Feststellungsgesetz ein nicht feststellbarer Schaden vor“. Bei dem restlichen Betrag von 27.069.- RM handelte es sich um Kunstgegenstände verschiedener Art. Jeder einzelne Gegenstand war „auf Grund der seinerzeitigen Lagerungen noch feststellbar und zwar hinsichtlich des Anschaffungspreises“. In einem Antwortschreiben vom 15.4.1958 wurde auf den kaum halt- bzw. belegbaren Tatbestand eingegangen. Man bat mitzuteilen, wann der Verlust eingetreten sei. Außerdem sollten zwei Zeugen die Plünderung glaubhaft bestätigen. Bestätigungen oder Hinweise auf eine Zahlung haben sich nicht erhalten.1001

Nach Kriegsende wurden zahlreiche Gemälde und andere Kunstgegenstände von der Militärregierung in den Ausweichlagern und der Privatwohnung Dietrichs sichergestellt und zur Aufbewahrung in den Central Collecting Point transportiert.1002 Den Bestand unterteilte man hier in: 1) im Ausland erworbene Kunstgegenstände, 2) Kunstgegenstände, die in Deutschland erworben wurden und zum Lagerbestand der Firma gehören, 3) Kunst- und

999 BArch Koblenz, B323/357, Bl. 270: Interrogation of Frau Dietrich, 15.10.1946: handschriftliche Notiz. 1000 Diverse Unterlagen in: NARA, Dietrich, Maria Almas: Interrogation. Ebenda, Dietrich, Maria Almas: purchases and bank receipts. 1001 StadtA München, Kriegssachschädenamt, Nr. 242, 3. Vorgang in Akte, Bl. 13: Hermann Gegerle an das Ausgleichsamt München, 15.3.1958. 1002 NARA, Dietrich, Maria Almas: Interrogation, S. 38: Privatgegenstände[,] die sich in der Arcisstr. befinden, o. D.: Die Liste führt Objekte und deren vorherige Lagerorte auf. Ebenda, S. 39ff.: Gegenstände aus Lagerbestand[,] die sich in der Arcisstrasse befinden, o. D. S. auch ebenda, S. 35: Gemälde und Kunstgegenstände[,] die von der Militärregierung aus Ausweichlagern und Wohnung sichergestellt wurden, o. D.: Angaben zu Lenggries, Höglwörth, Gustav-Freytag-Str., Murnau, Greimharding. 253

Gebrauchsgegenstände, die Privateigentum von Maria Dietrich, Mimi tho Rahde und Detmar tho Rahde sind.1003 Mehrere dieser Objekte wurden aus dem CCP gestohlen. Auch Bücher aus der Bibliothek gingen so verloren.1004 Neben Kunstgegenständen waren seit Sommer 1945 im CCP auch die Bibliotheken von Hitler und Göring, die für Linz vorgesehene kunsthistorische Bibliothek sowie Kunstbücher und Kataloge der Kunsthändlerin Maria Dietrich eingetroffen. Ein großer Teil dieser Bücher ging zunächst in die Bestände des 1946 gegründeten Zentralinstituts für Kunstgeschichte über. Eine lückenhafte Rückgabe an die Dietrichs erfolgte 1947.1005 Aufgrund der fehlenden (gestohlenen) Objekte aus ihrem Besitz stellte Maria Dietrich 1949 Schadensersatzansprüche gegen die USA.1006

Zuvor hatten allerdings Maria Dietrich und Mimi tho Rahde mehrere Bitten um Herausgabe von Objekten eingereicht, denen im großen Umfang entsprochen wurde. Mehrere relevante Facetten zur Herkunft von im Ausland von Dietrich erworbenen Objekten sowie zur eigenen finanziellen Lage sprach Mimi tho Rahde am 4.3.1946 in ihrer Bitte um Herausgabe von Objekten an. Von einem Unrechtsbewusstsein kann dabei hingegen keine Rede sein: „Vor einiger Zeit sagten Sie mir zu, die Genehmigung zur Herausgabe der im Lager Thalhausen b. Freising verwahrten Gebrauchsteppiche zu erteilen. Ich bitte Sie heute höflichst um baldmöglichste Erteilung der Genehmigung und zwar aus folgenden Gründen: Die Teppiche wurden in tadellosem Zustand in das Ausweichlager Thalhausen gebracht. Dort wurden sie jedoch, wie ich zu meinem Leidwesen zusammen mit Ihrem Untersuchungsoffizier, Herrn Dr. Breitenbach, feststellen mußte, ausserordentlich schlecht verwahrt. [...] Von diesen Teppichen stammt nur einer wahrscheinlich aus dem Ausland, da er von Herrn Miedl, Amsterdam, gekauft wurde. Wir selbst haben diesen Teppich jedoch in München übernommen. Bei der Section Fine Arts der Militärregierung für München, Townhall, habe ich den Antrag gestellt, die im Lager Heimerl verwahrten Gegenstände (es handelt sich in der Hauptsache um Gebrauchsmöbel) freizugeben. Die Entscheidung liegt bei der Property Controll [sic] (Oberleutnant Gillmartin, Rathaus). Letzterer machte diese von der Beibringung einer Bestätigung des Kunstschutzes abhängig, daß diese Gegenstände nicht geraubt oder

1003 NARA, Dietrich, Maria Almas: Interrogation, S. 43f.: RA Wilhelm Neithardt an die Militärregierung, Betreff: Gesuch um Freigabe, 1.7.1946. 1004 BArch Koblenz, B323/357, Bl. 169: Information about the missing property of Almas-Dietrich, o. D. Ebenda, Bl. 170ff.: Erklärung von Dr. Renate Fischer (geb. Haars), 29.11.1949: Beschreibung der aus dem Besitz von Maria Dietrich in den CCP eingelieferten Objekte und Beschreibung abhanden gekommener Dinge, darunter Gemälde, Skulpturen und Teppiche. NARA, Dietrich, Maria Almas: Interrogation, S. 76 (Auflistung). 1005 Lauterbach 2015, S. 88. NARA, Dietrich, Maria Almas: Interrogation, S. 73–75: ca. 8–10 Kisten mit Büchern; jedes Buch erhielt das Signum „Al“, Bücher wurden nicht listenmäßig erfasst, aber „Al“ auf Karteikarten vermerkt. Entsprechende Bücher (704 Bände) wurden 1947 aus der Handbücherei zur Freigabe gezogen. 1006 NARA, Dietrich, Maria Almas: Interrogation, S. 77. 254 geplündert sind. Ihr Untersuchungsoffizier, Herr Dr. Breitenbach, hat das Lager Heimerl besichtigt und dabei festgestellt, daß 2 Gemälde vorhanden sind, die vom Ausland kommen. Alle übrigen Sachen sind Gebrauchsgegenstände, die in unserer Privatwohnung standen und auch nicht im Ausland erworben sind; sie sind hauptsächlich mein Eigentum und zum Teil Eigentum meiner Mutter. Da die Freigabe lediglich von Ihrer Bestätigung abhängt und Herr Dr. Breitenbach zugesagt hat, Herrn Captain Rai um diese Bestätigung zu bitten, wäre ich Ihnen sehr dankbar, wenn nunmehr die Angelegenheit zu Ende geführt werden könnte. Ich benütze diese Gelegenheit, auf meine früheren Gesuche zu verweisen und Sie zu bitten die Trennung bezw. die Freigabe meiner Sachen zu genehmigen, um endlich die Lager, die uns laufend hohe Mieten kosten, auflösen und die restlichen Bestände, die wie die Überprüfung Ihres Untersuchungsoffizieres ergeben hat, zum größten Teil privates Eigentum sind, überführen zu können. Da einerseits unser Geschäft nunmehr ein ganzes Jahr brach liegt, wir also keine Einnahmen haben, belasten uns diese Mietezahlungen doppelt schwer. Dazu kommt noch, daß wir aus dem Geschäftsbetrieb noch erhebliche Bankschulden haben, die hoch verzinst werden müssen. Mangels jeglichen Umsatzes sind diese Zinsbelastungen für uns auf die Dauer untragbar, weshalb wir bitten, uns durch Freigabe der nicht in Anspruch genommenen Gegenstände eine Abwicklung zu ermöglichen.“1007

Die Herausgabe von Objekten – vor allem an Mimi tho Rahde – erfolgte durch die Militärregierung in mehreren Chargen.1008 Vermutlich als Reaktion auf das Schreiben vom 4.3.1946 konnte am 13.3.1946 der Empfang von 19 Positionen (Teppiche) von Maria Dietrich bestätigt werden.1009 Des Weiteren kam es zu folgenden Herausgaben, zu denen jeweils Empfangsbestätigungen vorliegen: . 1.6.1946, sieben Empfangsbestätigungen unterzeichnet von Maria Dietrich; 35 Positionen (v. a. Hausrat)1010

1007 BArch Koblenz, B323/357, Bl. 287: Mimi tho Rahde an Capt. Rai, Military Government Section Fine Arts, München, 4.3.1946. Ebenda, Bl. 273, 276: Zwei weitere Gesuche um Überlassung von Eigentum, 17.7.1946 (zum größten Teil Gebrauchsgegenstände). Ebenda, Bl. 202, 218: weiteres Gesuch um Überlassung von Eigentum durch Mimi tho Rahde, 9.9.1948: „Ich erkläre an Eidesstatt, daß die genannten Kunstwerke seit Jahren in meinem Besitz sind und dass sie unter folgenden Umständen erworben wurden: Privatbesitz. Spruchkammerbescheid beigefügt: Mein Spruchkammerbescheid ist bekannt vorgelegt Dr. Haars.“ 1008 Wenn nicht anders angegeben, wurden die Objekte von Mimi tho Rahde in Empfang genommen. Eine „Position“ kann mehrere Teile enthalten. BArch Koblenz, B323/357, Bl. 193ff. NARA, Dietrich, Maria Almas: Interrogation, S. 21f., 26, 28: Freigaben an Mimi tho Rahde über CCP aus den Ausweichlagern Ebersberg, Prien, Zwergern b. Walchensee, Gustav Freytagstr. 5, Reitenhaslach, Höglwörth, Dietramszell, Aufhofen, Schloss Thalhausen, Lenggries, Deutsche Bank, Murnau, Wolfratshausen, Römerstr. Ebenda, S. 72: Stefan P. Munsing, Office of Military Government for Bavaria, Restitution Branch MFA & A Section an Maria Dietrich, 29.1.1948: „Attached herewith is an inventory List of objects belonging to you and in our custody, also a list of the objects which have been restituted and some which are missing. It is hoped that they may be recovered in the near future.“ Die wohl sieben Seiten umfassende Anlage des Schreibens fehlt in den Akten. 1009 BArch Koblenz, B323/357, Bl. 285f.: Drei Teppiche hiervon sollen aus dem Privatbesitz von Alois Miedl, Amsterdam stammen. 1010 Ebenda, Bl. 278–284. 255

. 17.7.1946, zwei Empfangsbestätigungen unterzeichnet von Maria Dietrich; 14 Positionen (v. a. Hausrat) sowie 15 Positionen (v. a. Möbel und Hausrat)1011 . 3.12.1946, „1 trunk containing gramophone records“1012 . 12.12.1946, ca. 19 Positionen (Anzahl unsicher, da einige Zahlen durchgestrichen sind)1013 . 8.1.1947, „Art objects and household furniture“ (nicht näher bezeichnet)1014 . 5.2.1947, Privatgegenstände von Mimi tho Rahde, die sich in der Arcisstraße befinden, am 5.2.47 ausgeliefert; 38 Positionen (darunter auch Eigentum Detmar tho Rahdes)1015, Empfangsbescheinigung 5.2.1947 mit lediglich 23 Positionen1016 . 6.8.1947, 17 Kisten mit Büchern (Mü-Nr. 11965/1–17)1017 nach Gesuch um Überlassung von Eigentum vom 24.7.1947 (19 Kisten Bücher)1018 . 13.1.1948, Gemälde „Kurfürst Johann Friedrich von Sachsen“ (Mü-Nr. 27375)1019 . 26.11.1948, 103 Objekte, zwölf Bücher1020 und weitere elf Objekte; In diesem Zusammenhang wurde bestätigt: „Ich erkläre nach bestem Wissen und Gewissen, daß keines der obenstehenden Kunstwerke, Antiquitäten und Gegenstände von kulturellem Wert a) seit 1933 aus jüdischem Besitz erworben wurde b) nach den Bestimmungen der Militärregierung rückgabepflichtig ist, wenn es aus einem der von Deutschland während des Krieges besetzten Ländern stammt.“1021 . 11.2.1949, 61 Positionen1022

Als Fazit hinsichtlich der ausgelagerten Kunstgegenstände lässt sich festhalten, dass schätzungsweise 140 Kunstwerke (europäische Malerei, Grafik, Skulptur) ausgelagert worden

1011 BArch Koblenz, B323/357, Bl. 272, 275. 1012 Ebenda, Bl. 267. 1013 Ebenda, Bl. 265f. 1014 Ebenda, Bl. 263f. 1015 Ebenda, Bl. 250. 1016 Ebenda, Bl. 258f. 1017 Ebenda, Bl. 236. 1018 Ebenda, Bl. 238, 240f. 1019 Ebenda, Bl. 224, 226. Offensichtlich wurden zu diesem Bild Erkundigungen eingeholt. Ebenda, Bl. 227: Hermann Abels, Köln an Mimi tho Rahde, 23.12.1947: „Da ich ohne fotografische Unterlage Ihnen die gewünschte Bestätigung nur im Hinblick auf meine Erinnerung geben kann, möchte ich zunächst anfragen, ob es sich um das ‚Bildnis des Kurfürsten Joh. Friedrich von Sachsen‘ (Freund von Luther und Cranach) 37 x 27 cm, gemalt von dem Meister der Statthalterin Maria um 1547, handelt. Das auf Holz gemalte Bildnis zeigte den Dargestellten ganz von vorne gesehen in dunklem Mantel mit grauem Pelz verbrämt, auf dem Kopfe ein schwarzes Barett mit kl. goldenen Stickereien, in der linken Hand einen Handschuh haltend, während man von der rechten Hand nur die übergelegten Finger sieht. Falls es sich um dieses Bild handelt, so kann ich Ihnen versichern, daß es aus der Sammlung des Herzoglichen Hauses Braunschweig-Lüneburg stammte. Es handelt sich also keinesfalls um jüdisches Eigentum, noch aus dem Auslande eingeführte bezw. während des Krieges erworbenes Objekt. Es war bereits in dem von uns herausgegbenen Kataloge abgebildet, auf dessen Titel-Seite sich das schöne Selbstbildnis von Feuerbach befand, welches Ihre Frau Mutter vor vielen Jahren von uns erworben hatte [vermutl. Linz-Nr. 829]. Es bestehen also Ansprüche von 3. Seite nicht und können Sie diese als unberechtigt strikte ablehnen.“ 1020 BArch Koblenz, B323/357, Bl. 186–191. 1021 Ebenda, Bl. 203f. 1022 Ebenda, Bl. 178ff. 256 waren. Dies mag dem ungefähren Grundstock der Kunsthandlung entsprochen haben, obwohl sich darunter sicherlich auch einige Kunstwerke aus Privatbesitz befanden. Erstaunlich ist, dass an Maria Dietrich und Mimi tho Rahde 115 dieser Kunstwerke zurückgegeben wurden. Inwiefern zuvor eine Überprüfung dieser Werke stattgefunden hatte, lässt sich nicht mehr feststellen. Falls es keine intensive Überprüfung gab, könnte man sich die Vorgehensweise retrospektiv u. a. dadurch erklären, dass die Qualität bzw. der monetäre Wert als gering eingeschätzt wurden. Bei 16 Werken ist unklar, ob sie zurück an die Familie Dietrich gingen oder gestohlen wurden und nicht wiederaufgetaucht sind. Die übrigen neun Werke konnten in ihre Herkunftsländer restituiert werden (sieben nach Frankreich und zwei in die Niederlande). Rund 30 der an Dietrich/tho Rahde zurückgegebenen Werke stammten definitiv aus Frankreich oder es gibt zumindest Indizien dafür (vgl. Kap. 3.3). Die Rückgabe von mutmaßlich unrechtmäßig erworbenem Besitz aus dem CCP an NS- Kunsthändler:innen war kein Einzelfall: „Viele Kunsthändler und Privatleute stellten beim CCP Anträge auf Rückerstattung von Kunstwerken aus ihrem Besitz. Ob es sich bei den vorgelegten Dokumenten um fadenscheinige Herkunftsnachweise handelte, konnte der CCP aufgrund der vorliegenden Informationen nicht immer ermitteln. Wie sich an den Beispielen Weinmüllers und Gurlitts exemplarisch nachweisen lässt, hat der Collecting Point aufgrund mangelnder Beweislage und damit eines unzureichenden Einblicks in die Verstrickungen der Kunsthändler in den NS-Kunstmarkt Objekte an Protagonisten des nationalsozialistischen Kunsthandels zurückgegeben, die nach heutigem Kenntnisstand als ‚verfolgungsbedingt entzogen‘ gelten müssen.“1023 Die Rückgabe an Händler:innen bedeutet auch, dass seitdem Werke, darunter Raubkunst, wieder auf den Markt gebracht worden sein dürften.

4.2 Verlust der Geschäftsunterlagen

Am 2.8.1945 wurde eine gewisse Frau Öggl, die Schwägerin von Maria Konrad befragt. Sie berichtete, dass Maria Konrad einen Koffer mit Unterlagen von Maria Dietrich aufbewahren würde.1024 Am 3.8.1945 bestätigte Konrad, dass „journals“ der Galerie Almas seit Kriegsende in ihrer Obhut gewesen wären, die sie kürzlich nach München in die Deutsche Bank gebracht hätte. Ebenfalls am 3.8. wurde Mimi Dietrich zu den Geschäftsunterlagen befragt: „Subject

1023 Lauterbach 2015, S. 92. S. auch Gramlich/Hopp 2017, S. 43f.: „Mit ganz wenigen Ausnahmen erhielt Gurlitt seinen Kunstbesitz 1950 zurück. Die weitreichenden Bestimmungen, die die Alliierten vor allem für die Rückerstattung in die vormals von Deutschland besetzten Gebiete erlassen hatten, konnte er umgehen. Er behauptete, dass ‚[k]eines der Bilder [...] aus jüdischem Besitz oder aus dem Ausland‘ stamme – die Alliierten gaben die Objekte daraufhin frei. Auch darüber hinaus belogen Hildebrand und Helene Gurlitt die Ermittler, später auch das deutsche Bundesamt für äußere Restitution.“ 1024 NARA, Dietrich, Maria Almas: purchases and bank receipts, S. 80. 257 immediately produced [sic?] 2 ledgers (date of acquisition, price, from whom) and an inventory of works ceased 31 December 1944. All bills of sale are with her mother, who is under house arrest at Velden. Gallery expense account is at house of Gegerle (accountant), 3 Rachelstrasse, Munich. Subject complained of treatment by Americans […].“1025 Als nächster Schritt erfolgte die Abnahme aller Belege, die Maria Dietrich noch aufbewahrte: „Alle Quittungen und schriftlichen Belege wurden von Breitenbach bereits 1945 bei Dietrich beschlagnahmt und fortgeschickt. Daher nur die Aussage der Büroangestellten, die stets die Bücher geführt hat.“1026 Scheinbar ist die Expertise Maria Konrads an anderer Stelle nicht genutzt worden, jedenfalls ist ihre Teilhabe an Vernehmungen zu Kunstwerken nicht belegt.

Die eingezogenen Geschäftsunterlagen wurden für die Recherchearbeiten der Alliierten genutzt. Die Dokumente lagen etwa Rose Valland vor, als sie die Liste „Œuvres d’art achetées en France pendant la guerre par Madame Almas Dietrich. Liste établie d’après les documents d’achats transmis par Mademoiselle Valland au Service de Remise en Place des Œuvres d’Art“ erstellte. Dies lässt sich u. a. daran erkennen, dass in dieser Liste die Geschäftsbuchnummern der Galerie Almas aufgeführt werden. Diese Nummern sind auch auf den französischen Kaufbelegen vermerkt.1027 Auf einer Rechnung von Cailleux (7.4.1941) sind die Nummern mit „La. Nr.“ (wahrscheinlich Lagerbuch-Nummer) konkretisiert1028, so dass die Vermutung naheliegt, dass die Zuordnung durch die Galerie selbst vorgenommen wurde. Während der Erstellung des Linz-Reportes standen im CCP München die Geschäftsbücher (mindestens die von 1940 bis 1945), die alle An- und Verkäufe enthielten und quittierte Rechnungen für Werke, die Dietrich in Frankreich erworben hatte (jetzt NARA), zur Verfügung. Die Unterlagen konnten in Velden und München geborgen werden (s. Aussage Mimi Dietrich und Maria Konrad oben).1029 Man sah von einer detaillierten Auflistung ab, denn durch die Aufführung der „in Paris gekauften und von der Dietrich in Linz verkauften Kunstwerke würde nichts erreicht werden, da diese in den Geschäftsbüchern der Dietrich

1025 NARA, Dietrich, Maria Almas: purchases and bank receipts, S. 81. S. auch Roxan/Wanstall 1964, S. 176. 1026 BArch Koblenz, B323/357, Bl. 168: Notiz, in Zusammenhang mit einer Eidesstattlichen Erklärung von Maria Konrad vom 30.11.1949 (vgl. Bl. 167) angefertigt. 1027 Bsp. NARA, Dietrich, Maria Almas: receipts a-m, S. 137. 1028 NARA, Dietrich, Maria Almas: receipts a-m, S. 18. 1029 NARA, CIR 4, S. 92f. BStU, CIR 4, Bl. 132f. 258 sorgfältig erfaßt sind. Die Bücher und die Gemälde selbst stehen den Behörden für Wiedergutmachung am Zentralen Sammelpunkt in München [CCP] zur Verfügung.“1030 Leider gingen die „sorgfältig“ geführten Bücher der wissenschaftlichen Nachwelt bald darauf verloren. Bereits im Juli 1946 richtete der Rechtsanwalt Wilhelm Neithardt an die Section Fine Arts der Militärregierung ein Gesuch um Freigabe: „Bei gleicher Gelegenheit wurde auch die Rückgabe der Geschäftsbücher sowie der wichtigen Originalquittungen über Auslandseinkäufe zugesichert.“1031 Zwei Jahre später gab es noch keinen Fortschritt, weswegen sich Mimi tho Rahde am 25.11.1948 an den CCP wandte: „Auf Ihre Anfrage über Herkunft der Gegenstände, Bilder etc. teile ich Ihnen höflichst mit, dass der Grossteil der Belege bei der Totalausbombung (Brand) in unsere Firma im Cramer-Klett-Palais verlustig gegangen ist. Der Restbestand der für uns sehr wertvollen Originalbelege wurde uns vom Collecting Point ca. im August 1945 von Lt. Faison, auf die ehrenwörtliche Versicherung, dass wir sie in 3 Wochen wieder bekommen, abgenommen. Auf öfteres Anfragen meinerseits wurde mir mündlich bestätigt, dass die Unterlagen mit Ausnahme der Geschäftsbücher unauffindbar sind, das [sic] für mich leider sehr betrüblich ist. Diese Angaben bestätige ich hiermit an Eidesstatt.“1032 Auch wenn tatsächlich Unterlagen im CCP verloren gegangen sein sollten, heißt das immerhin auch, dass die Geschäftsbücher zu diesem Zeitpunkt noch existiert haben. Aufgrund der sehr detaillierten Auflistung der Dinge in den zerstörten Räumlichkeiten kann die Aussage hinsichtlich der angeblich dort größtenteils zerstörten Belege nicht bestätigt werden (vgl. Exkurs Zerstörung der Kunsthandlung). Außerdem sagte der Steuerberater Hermann Gegerle bezüglich neu beschaffter Kunstwerke nach der Zerstörung der Räume aus: „Aufgrund meiner Einsichtnahme in die Bücher und Belege der Firma Almas [...] bestätige ich, dass vorgenannte Einkäufe getätigt wurden.“1033 Am 26.11.1948, einen Tag nach Mimis „Brandbrief“, wurden ihr 103 Objekte sowie zwölf Bücher ausgehändigt. Die Geschäftsunterlagen und/oder -bücher sind allerdings nicht unter den verzeichneten Positionen.1034

1030 BStU, CIR 4, Bl. 390f., Bl. 423: analoge Aussage zu nahezu 200 Kunstwerken, die Dietrich in Deutschland erworben und an Linz verkauft hat. Vgl. NARA, M1944, RG 239, Roll 0085, Einsatzstab Rosenberg, Subject Files, Bezug: Tauschvertrag Nr. 22 ERR/Dietrich, S. 41: „A recently discovered ledger, recording all sales of the Dietrich gallery from 1941–1944, indicates a... [Satz wird nicht weitergeführt]“. 1031 NARA, Dietrich, Maria Almas: Interrogation, S. 43: Wilhelm Neithardt an Capt. E. C. Rae, Militärregierung, Section Fine Arts, 1.7.1946. 1032 BArch Koblenz, B323/357, Bl. 185: Mimi tho Rahde an den CCP, 25.11.1948. 1033 StadtA München, Kriegssachschädenamt, Nr. 242, Bl. 30: Zusammenstellung über wiederbeschaffte Kunstgegenstände nach dem Schadenseintritt vom 24.4.1944, München, 3.7.1944. 1034 BArch Koblenz, B323/357, Bl. 186–191. Unter den zwölf Büchern (s. Bl. 191): u. a. Auktionskataloge, Fachbücher zu den Künstlern Pettenkofen, Rembrandt, Fragonard, Tintoretto, El Greco, Leonardo, Courbet. 259

Im April 1949 findet sich noch ein Hinweis auf die Nutzung der Geschäftsbücher, als Stefan P. Munsing schrieb: „Mrs. Almas-Dietrich does not recall where she got it from. Her business records read under 0206 that a painting by Boucher was bought on 10 June 1941 from Count A. de Keller, Paris.“1035

Zusammengefasst aus den (möglicherweise unsauberen) Quellen existierten bei Kriegsende: . Journale (mit unklarem Inhalt), . zwei Bücher mit Angaben zum Ankaufsdatum, Preis und Verkäufer der Werke, . Geschäftsbücher von 1940 bis 1945 mit allen An- und Verkäufen, . Inventar, geführt bis zum 31.12.1944, . Rechnungen aus Frankreich, . Ausgaben/Spesenkonto, . eventuell Lagerbuch. Nur die Belege aus Frankreich haben sich erhalten. Gänzlich fehlen in dieser Aufstellung Korrespondenz, Rechnungsbelege (außer Frankreich) und Geschäftsbücher bis 1939.

Es wäre wichtig zu erfahren, welche Rückschlüsse man am CCP und in Paris aus den Betriebsunterlagen zog und inwiefern eine kritische Auseinandersetzung mit den Geschäftsbüchern und Belegen stattfand bzw. ob diese den damaligen Provenienzforscher:innen geholfen haben. Ob und welche Unterlagen schließlich an die Familie zurückgegeben wurden, konnte bislang nicht ermittelt werden. Eine mutwillige Zerstörung oder gedankenloses Verlieren scheinen bei der, auch damals bewussten, Relevanz der Galerie Almas höchst unwahrscheinlich. Es besteht somit Hoffnung, dass wenigstens die Geschäftsbücher ausgehändigt wurden und eines Tages der Forschung zur Verfügung gestellt werden können.

4.3 Befragungen zu Kunstwerken durch die Alliierten

Edgar Breitenbach resümierte in einem bereits 1949 erschienenen Text, dass Maria Dietrich als „test case“ genutzt wurde: „During the war Frau Almas acquired a great many art objects in the occupied countries of Western Europe, and became well acquainted with the activities of her colleagues in the same areas. This knowledge was utilized by us to the fullest extent through patient questioning which continued over a period of four years. As a result numerous

1035 Archives diplomatiques, Paris, 209 SUP 184 A 153, Bl. 456: Stefan P. Munsing, Office of Military Government for Bavaria, MFA & A Section an Rose Valland, Chef de la Section Beaux arts du GFCC (Groupe français du conseil de contrôle), Berlin, 1.4.1949. 260 and important art objects could be identified and restituted to the countries from whence they had come.“1036 Zwischen 1945 und 1951 wurde Maria Dietrich an mindestens elf Tagen und gemeinsam mit ihrer Tochter fast täglich im Zeitraum zwischen dem 28.1. und dem 20.2.1946 verhört (s. Kap. 4). Die erste Befragung der als „Munich art dealer and a chief agent to Linz“ bezeichneten Maria Dietrich erfolgte am 18.8.1945 in Velden. Die darauffolgenden Befragungen fanden in München statt.1037 Bereits am 29.9.1945 erfolgte die Befragung bezüglich des Verbleibs des Pissarro-Gemäldes aus dem ERR-Tauschgeschäft in der Gustav- Freytagstr. 5, Dietrichs Privatadresse.1038 Ab Oktober 1945 begannen die systematischen Befragungen zu Kunstwerken.1039 So legte man ihr etwa am 26.10.1946 eine dreiseitige Liste mit 56 Nummern von Werken französischer Herkunft vor, die anschließend von Maria Dietrich und Rose Valland unterzeichnet wurde. Dietrich versicherte an Eides statt, dass sie „die auf beiliegender Liste angegebenen Informationen nach bestem Wissen aus meiner Erinnerung gegeben habe“.1040 Rose Valland war hingegen anderer Meinung: „Cette personne prétend ne se souvenir d’aucun de ses vendeurs de Paris, mais elle reconnait facilement les tableaux qui proviennent de sa Galerie. Aussi lui avons nous montré une à une les peintures des Collections Hitler et Hoffmann. Comme elle n’avait aucun interet à ne pas vouloir les reconnaitre elle s’est prêtée honnetemant à cette recherche. Pour pallier à son défaut de mémoire en ce qui concerne les origines de ses tableaux nous avons obtenu du Cpt. Rae l’autorisation de faire exécuter des photostats de ses livres de commerce, où vous trouverez l’indication des vendeurs et le prix payé, de même que le prix de vente des tableaux et des objets d’art. Je ne sais si ces photocopies seront terminées avant mon départ de toute façon je demande à ce qu’on vous les fasse parvenir.“1041 Da Kopien der Geschäftsbücher angefertigt werden sollten, erscheint es umso unwahrscheinlicher, dass Originale und Kopien später verloren gegangen sind. Aber wo wurden die Kopien angefertigt und wohin sollten sie geschickt werden? Warum sollte

1036 Breitenbach 1949/50, S. 193: Da der Text so früh erschien, schreibt Breitenbach hier, dass Dietrich über vier Jahre hinweg befragt wurde, obwohl die Befragungen bis 1951 andauerten. 1037 NARA, CIR 4, S. 10: „and several times at Munich in October and November 1945“. 1038 NARA, Dietrich, Maria Almas: Interrogation, S. 20: Memorandum von Lt. Faison, 30.9.1945. 1039 BArch Koblenz, B323/357, Bl. 270f.: Interrogation of Frau Dietrich, 15.10.1946. 1040 BArch Koblenz, B323/331, Bl. 96ff.: „List of paintings identified by Mrs. Dietrich“: Bsp.: Sammlung Bormann: Nr. 13 Boudin „Harbour of Antwerpes“, Nr. 35 Gabriel von Max „The kiss of Judas“, Nr. 40 Rud. Epp „Two peasant-girls“. Privatbesitz Dietrich: Nr. 42 Monet „Landscape with a Lake“. Sammlung Hoffmann: Nr. 54 School of Fontainebleau „Diana of Poitiers as resting Diana“. Nicht alle Werke sind zuzuordnen, da auf der Liste nur Angaben zu Künstler und Titel (englisch) erfasst sind. Einige der abgefragten Werke wurden nicht in Frankreich erworben, aber Dietrich gab an, dass sie aus Frankreich stammten: Dies sind mind. Nr. 1, Nr. 21 und Nr. 31 (irrtümlich nach Frankreich restituiert), Nr. 55. 1041 Archives diplomatiques, Paris, 209 SUP 404 P46, o. Bl.: „Interrogatoire Almas Dietrich“, Vermerk von Rose Valland zur Befragung, Oktober 1946. 261

Dietrich aus dem Kopf die Herkunft der Bilder bestimmen? Da Valland im Oktober 1946 auch Hildebrand Gurlitt befragte, der im Münchner CCP Bilder im Depot zu identifizieren hatte, dürfte das Aufeinandertreffen von Valland und Dietrich auch in München stattgefunden haben.1042

Die Befragungen zur Identifikation der Linz-Werke wurden an fünf nah beieinanderliegenden Tagen von Edgar Breitenbach durchgeführt. Die Durchsichten erfolgten anscheinend auch ohne Dietrichs Bücher, was zu sehr vielen ungenauen, falschen, voneinander abweichenden und somit irreführenden Aussagen führte.1043 Am 9.3.1949 erfolgte die erste „Identification of Linz pictures (paintings from France) and the first 300 paintings of the Linz Collection“: „At my [Breitenbach] request Mrs. Almas Dietrich went today through the photographs of the first three hundred paintings of the Linz collection, identifying those which had been sold by her. Although she was not able to give the exact name of the dealer or private person from whom she bought the objects, she could at least say in which country she had acquired them.“1044 Am 11.3.1949 fand die zweite „Identification of Linz paintings acquired from Almas Dietrich“ statt.1045 Einen Tag später legte ihr Breitenbach die Linz-Nummern von 300 bis 600 vor1046, am 16.3.1949 die Nummern von 600 bis 1100.1047

Noch im Oktober 1950 schrieb Elie Doubinsky, dass sich die Befragungen weiterhin schwierig gestalten würden. Inzwischen hatten sich einige Beziehungen herausgebildet: „Je vais faire interroger Mme Dietrich par l’entremise de sa fille Madame tho Rahde avec laquelle je suis en assez bon termes. Je crains seulement que Mme Dietrich, lassée par nos incessantes questions, fera des difficultés pour me réprondre. Je compte sur Madame Haars qui entretient des relations amicales avec Mme Dietrich.“1048 Die beiden letzten (belegten) Befragungen fanden am 14.8. und 16.8.1951 statt. Die relativ klaren Aussagen lassen den Eindruck entstehen, dass bei diesen Befragungen Bücher oder anderweitige Unterlagen (wieder) vorgelegen haben könnten.1049

1042 Lauterbach 2015, S. 90. 1043 BArch Koblenz, B323/331, Bl. 80: Bsp. Linz-Nr. 3634: „Lempertz, Gerstenberger oder Zinckgraf“. Am 5.5.1949 sagte Dietrich beim Aufruf der Linz-Nr. 1944 „nicht erinnerlich“, bei einer späteren Befragung am 14.8.1951 konnte sie eine Aussage treffen. Zudem wurden Aussagen zu 36 Bildern getroffen, mit denen sie unter Umständen nichts zu tun hatte. 1044 BArch Koblenz, B323/331, Bl. 88ff. NARA, Dietrich, Maria Almas: Interrogation, S. 81ff. 1045 BArch Koblenz, B323/331, Bl. 87. NARA, Dietrich, Maria Almas: Interrogation, S. 85. 1046 BArch Koblenz, B323/331, Bl. 84ff. NARA, Dietrich, Maria Almas: Interrogation, S. 86ff. 1047 BArch Koblenz, B323/331, Bl. 81ff. 1048 Archives diplomatiques, Paris, 209 SUP 184 A 153, Bl. 403: E. Doubinsky, Central Art Collecting Point, München an Rose Valland b. Haut Commissariat de la République française en Allemagne, 27.10.1950. Lauterbach 2015, S. 72, S. 155: Renate Haars war seit Juli 1945 bis Februar 1949(?) als Kunsthistorikerin im CCP (Karteien, Kataloge, Statistiken) beschäftigt. 1049 BArch Koblenz, B323/331, Bl. 65ff., 69ff. 262

Zusammenfassend lässt sich konstatieren, dass in den Aussagen insbesondere die Angaben zur vermeintlichen Herkunft von Werken aus Frankreich häufig falsch (verschleiernd?) sind. Dietrich gab mehrmals an, dass Werke in Deutschland gekauft worden wären, obwohl es Belege für den Erwerb in Frankreich gibt.1050 Teilweise divergierten die Aussagen Dietrichs von Termin zu Termin, so dass deren Glaubwürdigkeit stark angezweifelt werden muss.

4.4 Regressansprüche der Familie Dietrich-tho Rahde bezüglich restituierter Werke

Mimi tho Rahde schrieb am 1.12.1950 an den Vorsitzenden der deutschen Restitutionskommission (München, Kultusministerium), Staatssekretär Dieter Sattler, um ihre Regressansprüche anzumelden. Es ging ihr um „weggenommene Kunstgegenstände[,] die vom Collecting Point nach Frankreich restituiert wurden, obwohl sie bezahlt und im freien Handel mit genehmigter Ausfuhr etc. gekauft wurden.“1051 Eberhard Hanfstaengl, zu diesem Zeitpunkt Generaldirektor der Bayerischen Staatsgemäldesammlungen, antwortete am 21.12.1950: „Die Restitution der während des Krieges im allierten [sic] Ausland erworbenen Kunstgegenstände erfolgte auf Grund des Titels 18 § 104 und 106 der Militärregierung. Über Regressleistungen an Deutsche seitens einer deutschen Regierung liegen bisher keinerlei Verfügungen vor. Wir sind deswegen auch nicht in der Lage, Ihnen eine Stelle zur Anmeldung Ihrer Ansprüche namhaft zu machen.“1052

Über mehrere Jahre erstreckte sich ein Vorgang zu einer Pietà darstellenden Skulptur, die zusammen mit Objekten von Gustav Rochlitz in einem Ausweichlager (Oberammergau, Haus von Alois Lang) der Galerie Almas gelagert worden war, in dem die Dietrichs zeitweilig Kisten von Rochlitz untergebracht hatten. Fälschlicherweise hatte man die Almas-Kisten bei einer Verlagerung der Rochlitz-Kisten in ein Lager am Bodensee mitgenommen und später als Rochlitz-Besitz beschlagnahmt. Die Pietà wurde daraufhin nach Frankreich restituiert.1053 Am 12.4.1950 versicherte Gustav Rochlitz in einer eidesstattlichen Erklärung, dass es sich bei der Skulptur um den Besitz von Maria Dietrich handeln würde und er die Skulptur weder in Paris erworben noch dort gesehen hätte. Die Skulptur war laut Aussage von Mimi tho Rahde selbst im Jahr 1941 oder 1942 im Auktionshaus Hans W. Lange für den Preis von 12.320.-

1050 BArch Koblenz, B323/331, Bl. 80. 1051 BArch Koblenz, B323/357, Bl. 163: Mimi tho Rahde an Dieter Sattler, 1.12.1950. 1052 Ebenda, Bl. 162: Eberhard Hanfstaengl an Mimi tho Rahde, 21.12.1950. 1053 BArch Koblenz, B323/357, Bl. 173: E. Doubinsky an Mr. Munsing, 9.1.1949: „Mrs. Mimi tho Rahde was introduced to me today by your secretary, Miss Wiesmüller. She explained to me that a sculpture which belonged to her and which was not restitutable had been taken by error at the art-dealer Rochlitz in Füssen, where it was deposited, and handed over to the French Military Government of Konstanz in 1945.“ 263

RM für ihren Kunden Wolfgang Ritter erworben worden. Später kaufte tho Rahde die Skulptur von Ritter zurück, da sie ihm nicht gefiel.1054 Im April 1950 erklärte Mimi tho Rahde in einem Brief an Rose Valland, dass sie die Skulptur bereits 1945/46 bei Edgar Breitenbach reklamiert hätte und beschrieb ausführlich, dass es sich um ihre Skulptur handelte und sie nicht zum Bestand Rochlitz gehörte.1055 Um diese Problematik ging es Rose Valland aber nicht, sondern darum zu klären, woher Hans W. Lange, der während der Okkupation mehrmals in Paris einkaufte, die Skulptur hatte. Mimi tho Rahde sollte beweisen, dass sich das Stück vor Kriegsbeginn in einer deutschen und nicht in einer französischen Sammlung befunden hatte, was sie natürlich nicht konnte.1056 Lediglich eine undatierte handschriftliche Notiz zu einer mündlichen Aussage von Hertha Schoene, der Mitarbeiterin von Hans W. Lange, gibt Auskunft darüber, dass die Skulptur aus deutschem und nicht französischem Besitz stammen würde.1057 Elie Doubinsky fasste die Situation gegenüber Rose Valland am 10.5.1950 folgendermaßen zusammen: „Résumant l’affaire, mon opinion est la suivante; Tout ce qui résulte des nombreux papiers fournis par Mme Mimi tho Rahde est que la sculpture a été achetée par elle en 1941 ou 1942 au cours d’une vente aux enchères chez Lange à Berlin. Mais Mme tho Rahde a été incapable d’apporter la moindre preuve de l’origine de la sculpture. Etant donné que la transaction a eu lieu pendant la guerre et que Lange est connu pour avoir acquis de nombreuses œuvres d’art en France durant l’occupation, je ne saurais personnellement recommander la restitution de la sculpture (qui a une grande valeur) à Mme tho Rahde à moins que celle-ci ne nous fournisse des preuves incontestables de l’origine allemande. [...] Mme tho Rahde peut peut-être nous répondre que c’est à nous d’apporter la preuve de l’origine française. [...] Mme tho Rahde manifeste l’intention de remettre l’affaire à un avocat spécialisé dans les affaires internationales.“1058 Einige Monate später, am 20.9.1950, bat Doubinsky seine Kollegin Valland, Mimi tho Rahde direkt zu schreiben, nachdem diese ihn erneut aufgesucht hatte und Valland befugt wäre, die Entscheidung über eine Rückholung der Skulptur zu treffen. Auch zu Beginn des Jahres 1951

1054 Archives diplomatiques, Paris, 209 SUP 184 A 153, Bl. 442: Mimi tho Rahde an Elie Doubinsky, 18.11.1949. Ebenda, Bl. 415f.: Doubinsky, French Representative Central Collecting Point, München an A. S. Henraux, Président de la Commission de Récupération Artistique, Paris, 6.12.1949: Zusammenfassung des Kaufs bei Lange für Wolfgang Ritter und der gemeinsamen Auslagerung zusammen mit Rochlitz. Ebenda, RA 962, Werkfotografie: Aussage Wolfgang Ritter, 15.11.1949: „Umseitige Plastik erwarb Frau Maria Almas-Dietrich für mich auf eigenes Risiko auf einer Auktion bei Hans W. Lange in Berlin 1941 oder 1942 und nahm sie zurück, weil sie mir in meiner Wohnung nicht gefiel.“ 1055 Archives diplomatiques, Paris, 209 SUP 184 A 153, Bl. 419: Mimi tho Rahde an Rose Valland, Berlin, 28.4.1950. 1056 Archives diplomatiques, Paris, 209 SUP 184 A 153, Bl. 396: Rose Valland, Le Chef du Service de Remise en Place des Œuvres d’Art Récupération Artistique an Mimi tho Rahde, 10.3.1951. 1057 Archives diplomatiques, Paris, 209 SUP 184 A 153, Bl. 410. 1058 Archives diplomatiques, Paris, 209 SUP 184 A 153, Bl. 412 (? Bl.nr. auf Kopie nicht leserlich): Elie Doubinsky an Rose Valland, 10.5.1950. 264 war man gegen eine Rückgabe an tho Rahde, da der Raubgutverdacht nicht ausgeschlossen werden konnte: „Ainsi que vous le voyez, la sculpture semble bien provenir d’une spoliation et la demande de Mme tho Rade [sic] s’avère, par suite, irrecevable pour le moment.“1059 Die Skulptur gelangte – trotz der Hartnäckigkeit von Mimi tho Rahde – nicht an sie zurück, sondern verblieb in Frankreich. Seit 1994 wird sie im Louvre aufbewahrt.1060

Wie nun ermittelt werden konnte, erwarb Mimi Dietrich die „Pietà“ nicht 1941 oder 1942, sondern zwischen dem 27.–29.1.1943 bei der von Hans W. Lange in Berlin durchgeführten Versteigerung der Sammlung von Harry Fuld (1879–1932), Berlin.1061 Am 28.1. waren die Skulpturen an der Reihe. Die Angabe zu Los 321 lautet wie folgt: „Vesperbild. Vor felsigem Hintergrund sitzt die Madonna, den zum Betrachten gewendeten Leichnam des Sohnes auf dem Schoße haltend. Links von der Gruppe ein Totenkopf. Fassung (auf Leinwand) vollständig erhalten. Holz, vollrund. Portugiesisch. H. 58,5 cm, Br. 75 cm.“ Auf den vorliegenden Fotos ist zwar kein Totenkopf zu erkennen, aber die Beschreibung und Maße stimmen überein. Die Skulptur wurde dementsprechend fälschlicherweise nach Frankreich restituiert. Der Frankfurter Harry Fuld, Gründer einer Telefon-Vermietungsgesellschaft und Kunstsammler, lebte am Ende seines Lebens in Berlin: „Er baute eine Sammlung mit so verschiedenen Schwerpunkten wie frühmittelalterliche Plastik, Emaillen, Zeugdrucke, Renaissance Möbel, Asiatica und Moderne Malerei auf. In Kontakt mit Kritikern wie Paul Westheim und in steter Verbindung zu Museumsdirektor Georg Swarzenski – beide konnten aus der Sammlung publizieren – wuchs sie weiter. [...] Mitte 1931 machte Harry Fuld ein Testament, da aus seinen vorigen beiden Ehen je ein Sohn hervorgegangen war. Er sah eine Teilung des Erbes zu je drei Achteln für die Söhne und einem Viertel für die Witwe vor.“1062 Die Beschlagnahmung der 1939 eingelagerten Bestände Fulds in der Berliner Spedition Gustav Knauer erfolgte 1941, bevor sie später bei Lange versteigert wurden. Der ältere Sohn Harry Fuld jr. (1913–1963) war zunächst nach Wien und 1937 nach London emigriert. Seine

1059 Archives diplomatiques, Paris, 209 SUP 184 A 153, Bl. 397: M. Florisoone, Le Conservateur des Musées Nationaux Secrétaire de la Commission de Choix de la Récupération Artistique, Paris an Rose Valland, Chef du Service de Remise en Place des Œuvres d’Art, Berlin, 20.2.1951. 1060 Site Rose Valland, MNR, RFR 41: Werkfotografie, aus anderer Perspektive aufgenommen. 1061 S. auch LAB, B Rep. 025-07, Nr. 2237/51, Wiedergutmachungsakte Lucie Mayer-Fuld (Witwe von Harry Fuld sr.): u. a. bebildertes Prospekt zur Versteigerung „Villeneinrichtung – Kunstbesitz, Besitz Fr. M.-F., aus der Sammlung Harry F.“ im Auktionshaus Dr. Walther Achenbach am 10.7.1940. Ebenda, B Rep. 025-06, Nr. 1715/57, Rückerstattungsakte Harry Fuld jr.: weitere Fotos der Sammlung Fuld. 1062 Caroline Flick: Raubkunst exemplarisch. Harry Fuld, Hans W. Lange, Kurt Gerstein und Henri Matisses „Le Mur Rose“, S. 419–486. In: Jahrbuch für Westfälische Kirchengeschichte 105, 2009, hier S. 449: Hier auch ausführliche Beschreibung der Verwaltung des Erbes. S. auch Ausst.-Kat. „Eindeutig bis zweifelhaft. Skulpturen und ihre Geschichten (erworben 1933– 1945)“, Liebighaus Frankfurt a. M., 2017: Zur Sammlung Fuld gehörte ein weiteres Vesperbild („Steinberger Pietà“), Oberschwaben/Ulm (?), um 1420/30. Das Liebieghaus, Skulpturensammlung erwarb die Skulptur aus der Sammlung von Harry Fuld. 265

Mutter Flora Fuld (geb. Sondheimer 1881) verstarb 1941 in Frankfurt am Main. Am 7.2.1950 meldete er seine Ansprüche gemäß des Gesetzes zur Wiedergutmachung nationalsozialistischen Unrechts bei der Zentralmeldestelle in Wiesbaden.1063 Er führte dabei u. a. an, dass die Antiquitäten in Berlin 1943 zwangsversteigert worden waren und einen Erlös von 342.000.- RM erzielten.1064 Seinem Halbbruder Peter (1921–1962), der ebenfalls nach London emigriert war, und Harry jr. gehörte gemeinsam und zu gleichen Teilen die chinesische Büste „Lohan“ (Lost Art-ID 322998). Alle anderen Objekte gehörten Harry Fuld jr., laut eigener Aussage, allein.1065 In der Rückerstattungssache Harry und Peter Fuld wurde am 14.10.1958 entschieden, dass ihnen 120.000.- DM zugesprochen werden sollten. Im Antrag waren auch Kunstwerke beschrieben, wobei die Pietà nicht einzeln aufgeführt ist.1066 In seinem Testament verfügte Harry Fuld jr., dass Gisela Martin (geb. Wald, 1916–1992) bzw. Rita Moik erbberechtigt seien, solange sie unverheiratet blieben (!). 1964 wurde Gisela Martin als Erbberechtigte eingesetzt, Erbnachfolger sollte im Fall ihrer Verheiratung oder ihres Todes der Staat Israel werden. Laut Testament müsste daher nun der Staat Israel Rechtsnachfolger sein, aber Gisela Martin vermachte ihr Erbe der britischen Organisation Magen David Adom.1067 Die Erben werden von der Kanzlei von Trott zu Solz Lammek vertreten, die insgesamt 129 Objekte in der Lost Art-Datenbank benennt. Die Pietà ist als Lost Art-ID 323038 eingestellt.1068 Ob derzeit über eine „faire und gerechte Lösung“ zwischen den Erben nach Harry Fuld und Frankreich verhandelt wird, ist der Verfasserin nicht bekannt.

Der Regressanspruch Mimi tho Rahdes bezog sich tatsächlich nicht auf ein Werk französischer Herkunft, das ihrer Meinung nach unrechtmäßig nach Frankreich zurückgegeben wurde. Es handelte sich um NS-verfolgungsbedingt entzogenes Kulturgut aus Deutschland.

1063 Hessisches Hauptstaatsarchiv, Wiesbaden, Abt. 518, Nr. 11619, ab Bl. 6.: u. a. Schilderung des Verfolgungsvorganges (Biografie). Ebenda, Bl. 14c/d: In der betreffenden Akte werden v. a. die Themen Reichsfluchtsteuer, Transferschaden, Judenvermögensabgabe, Schaden an Körper und Gesundheit, Schaden im beruflichen Fortkommen behandelt. 1064 Hessisches Hauptstaatsarchiv, Wiesbaden, Abt. 518, Nr. 11619, Bl. 6: Angeblich wurden hiervon 120.000.- RM an den Nachlass Fuld überwiesen, was angezweifelt wurde. Der Restbetrag wurde konfisziert. Harry Fuld jr. verlangte daher den kompletten bei Lange erzielten Erlös. 1065 Hessisches Hauptstaatsarchiv, Wiesbaden, Abt. 518, Nr. 11619, Bl. 26–30: Antrag für Rückerstattung auf Grund des Gesetzes No. 59 der Militärregierung, o. D. 1066 Hessisches Hauptstaatsarchiv, Wiesbaden, Abt. 518, Nr. 11619, Bl. 26ff., 63ff. 1067 Hessisches Hauptstaatsarchiv, Wiesbaden, Abt. 518, Nr. 11619, Bl. 181–184, 202: Testament und Nachlassregelung. Unbekannter Autor („ap“): „‚Le Mur Rose‘ Die unglaubliche Reise eines Gemäldes“. In: Frankfurter Rundschau, 27.11.2008 (https://www.fr.de/kultur/unglaubliche-reise-eines-gemaeldes-11588964.html – zuletzt besucht am 28.4.2019): Die Organisation [Magen David Adom] ist nun auf der Suche nach anderen Werken aus der Fuld-Sammlung: „Es gibt Werke im Sankt Petersburger Eremitage-Museum, in deutschen Sammlungen und sogar in Israel. [...] Unsere Vertreter verhandeln mit einer ganzen Reihe von Museen und Regierungen[,] um zu versuchen, einige der Kunstwerke zurückzubekommen.“ 1068 Lost Art-Datenbank, Stand Dezember 2019. 266

4.5 Ansprüche an Maria Dietrich

Ein Verfahren – Fritz und Ellen Kuhn gegen Maria Dietrich und Ludwig Bretschneider – erstreckte sich von 1948 bis 1953 und wird hier besonders detailliert geschildert, da der Prozess die Kompliziertheit bei der Klärung von Eigentumsverhältnissen, die Verstrickungen unter Münchner Kunsthändlerkollegen und Kunden der Galerie Almas erahnen lässt sowie Charakterzüge und Verhaltensweisen von Maria Dietrich und Mimi tho Rahde nachzeichnet. Der absolute Wahrheitsgehalt der verschiedenen Aussagen kann nicht bestimmt werden, zumal essenzielle Aussagen der Beteiligten im Verlauf des Prozesses geändert wurden. Kommentare der Verfasserin sind in diesem Abschnitt in eckigen Klammern angegeben, um Informationen direkt zu erläutern oder kritisch zu beurteilen.

Das Ehepaar Kuhn meldete seinen Anspruch beim Zentralanmeldeamt Bad Nauheim am 20.12.1948.1069 In dem Antrag auf Rückerstattung heißt es, dass sie „unter dem Druck der damaligen Verfolgungsmassnahmen gezwungen [waren], obige Gegenstände zu verkaufen.“ Beansprucht wurden ein Gemälde von Hugo Kaufmann, „Zwei Bauern am Wirtstisch“, eine bemalte Dose aus Ebenholz und ein antiker Spielautomat.1070 Die Gegenstände waren im November 1938 für insgesamt 500.- RM an Ludwig Bretschneider verkauft worden.1071 Im Auftrag von Bretschneider legte dessen Anwalt Dr. Rudolf Karpf am 6.9.1949 Widerspruch gegen den Rückerstattungsanspruch bei der Wiedergutmachungsbehörde I Oberbayern, München (im Folgenden: WB) ein.1072 Laut Bretschneider wären ihm die Kunstgegenstände 1938 von den Antragstellern zum Kauf angeboten worden und der Antragsteller hätte einen dem Kunstwert entsprechenden Kaufpreis erhalten. Außerdem wäre ihm die freie Verfügung darüber nicht verweigert worden. Da Bretschneider die Objekte als Kommissionär weiterverkauft hatte, war er bei Anspruchsstellung nicht mehr in deren Besitz. Zu diesem Zeitpunkt war er nicht in der Lage anzugeben, an wen er die Objekte veräußert hatte. Fritz Kuhn selbst schrieb daraufhin am 3.10.1949 an die WB, dass der Erlös in keinster Weise dem eigentlichen Wert entsprochen hätte. Man erwartete eine finanzielle Entschädigung von Bretschneider.1073 Laut einer Niederschrift der WB vom 21.2.1950 erklärte sich Kuhn nach Besprechung der Sach- und Rechtslage damit einverstanden, gegen

1069 Wenn nicht anders angegeben, beziehen sich die Blattangaben in diesem Abschnitt auf folgende Akte: StAM, WB I a 2517, Dr. Fritz Heinrich und Ellen Kuhn, Haar b. München gegen Maria Dietrich und Ludwig Brettschneider [sic]. Es wurde bisher keine detaillierte Personenrecherche zu Kuhn durchgeführt. 1070 Bl. 3. 1071 Bl. 24. 1072 Bl. 11f.: RA Dr. Rudolf Karpf an die Wiedergutmachungsbehörde I Oberbayern (WB), München, 6.9.1949. 1073 Bl. 13. 267 eine Nachzahlung von 600.- DM auf seine Rückerstattungsansprüche zu verzichten. Bretschneider war jedoch nicht bereit, diesen Betrag zu zahlen. Weiterhin wurde hier nun auch vermerkt, dass die Gegenstände an „Frau Almers [sic]“ weiterverkauft worden wären. Daher verwies man die Antragsteller an die Käuferin Maria Dietrich.1074 Diese reagierte am 11.4.1950. Da jegliche Spezifikation der Gegenstände fehlen würde, wäre ihr eine Stellungnahme unmöglich: „Weiterhin muss ich bemerken, dass ich irgendwelche Kunstgegenstände des Dr. Kuhn nicht in meinem Besitz habe. Vorsorglich erhebe ich Widerspruch.“1075 In der Sitzung am 19.5.1950 berichtete Dietrichs Schwiegersohn, Assessor Detmar tho Rahde1076, in ihrem Auftrag, dass die Objekte nicht mehr in ihrem Besitz wären. Sie wären damals von Dietrich durch Vermittlung von Bretschneider erworben worden, um dem Antragsteller einen Gefallen zu tun. Für Dietrich kämen weder eine Rückerstattung noch Nachzahlung in Frage. Daraufhin beantragte Kuhn in dieser Sitzung die Verweisung an die Wiedergutmachungskammer beim Landgericht München I.1077 Kuhns Rechtsanwalt Siegfried Neuland, München, schrieb an die Wiedergutmachungskammer (im Folgenden: WK) des Landgerichts München I am 1.10.1951, dass von Ludwig Bretschneider und Maria Dietrich nun 1.600.- DM, zuzüglich 4 % Jahreszinsen seit 1949, verlangt werden würden. Die Summe setzte sich aus 1.200.- DM für das Ölgemälde, 200.- DM für die Dose und 250.- DM für den Spielautomaten zusammen. Da Kuhn den Kaufpreis von 500.- RM zur freien Verfügung erhalten hatte, würde sich der Betrag von 1.650.- DM um 50.- DM verringern, also auf eine Gesamtsumme von 1600.- DM belaufen. [Die Berechnung wird nicht erklärt. Anscheinend wurde eine Umrechnung RM/DM 10:1 vorgenommen, s. unten.]1078

Eine Wendung trat ein, als Neuland am 11.10.1951 an die WK schrieb, dass der anstehende Termin sich erledigt hätte, da der Antragsteller sein Bild in der Auslage der Galerie Almas

1074 Bl. 16, 18. 1075 Bl. 19: RA Rudolf Karpf an die WB, 10.3.1950 und Maria Dietrich an die WB, 11.4.1950. 1076 Detmar tho Rahde taucht als Assessor auch in der Entschädigungsakte der Gebrüder Sandor bezüglich der Rückerstattung einer Immobilie in der Hohenzollernstr. 6 auf, wo Rudolf Sandor bis 1938 wohnte. Das Haus wurde laut Aktenvermerk des Landesentschädigungsamts am 12.5.1949 an Detmar tho Rahde, als Bevollmächtigtem Sandors, übergeben (freundlicher Hinweis von Melida Steinke, München). Möglicherweise bestand eine langjährige Verbindung zwischen Sandor-Dietrich-tho Rahde, da die Firma Sandor in den 1920er Jahren in der Ottostr. 1b tätig war, bevor die Galerie Almas dort wirkte. 1077 Bl. 21ff.: Niederschrift der WB, 19.5.1950: Anwesende: Dr. Fritz Kuhn persönlich, RA Lenhard für RA Karpf, Assessor tho Rahde. 1078 Bl. 26f. 268 wiedererkannt hätte.1079 Kuhn schickte nach seiner Entdeckung einen „Lockvogel“ in die Galerie. Das dort befindliche Gemälde von Hugo Kaufmann wurde für 1.200.- DM angeboten [Preis Zufall?, vgl. Forderung am 1.10.1951]. Kuhn ließ das Bild später durch das Landesamt für Vermögensverwaltung zur Vermögenskontrolle mitnehmen. Mimi tho Rahde verweigerte die Herausgabe zunächst und teilte mit, dass es sich nicht um das besagte Bild handeln würde und der Maler Hugo Kaufmann das Sujet häufig dargestellt hätte. Der zuständige Ermittler wünschte Einsicht in die Geschäftsbücher, um den Erwerb des Bildes festzustellen. Mimi tho Rahde wich dem Wunsch aus, indem sie mitteilte, dass sie die Bücher nicht zur Hand hätte. Sie hätte das Bild von dem verstorbenen Staatssekretär von Köhnmann [gemeint ist Kühlmann] erworben. [Kühlmann verstarb 1948, s. Aussage unten: Das Bild soll 1942/43 bei Kühlmann erworben worden sein. Dies würde bedeuten, dass Mimi tho Rahde die angeblich verschollenen Bücher hätte „suchen“ müssen!]. Eine Stunde später überzeugte sich Kuhn in der Galerie selbst von „seinem“ Bild, u. a. anhand einer Fotografie. Zudem erschien Ludwig Bretschneider, der von Mimi tho Rahde dazu gebeten worden war. Zwischen Kuhn und Bretschneider kam es zu einer heftigen Auseinandersetzung. Nach dieser Begebenheit bat Neuland um eine offizielle „Gegenüberstellung“ von Gemälde und Foto.

Kurz nach dem Vorfall schrieb Bretschneiders Rechtsanwalt Rudolf Karpf am 29.10.1951 an die WK, dass der Antrag auf eine Zahlung von 1.600.- DM nebst Zinsen zurückgewiesen würde. Das Ehepaar Kuhn hätte Bretschneider im Jahre 1938 die in Frage kommenden Gegenstände zum Verkauf angeboten: „Sie haben sich an den Antragsgegner nur deshalb gewandt, weil dieser dafür bekannt war, dass er in Wahrnehmung der Vermögensinteressen rassisch-, religiös-, und politisch Verfolgter derartige Verkäufe vermittelte, obwohl diese nach den seinerzeitigen Bestimmungen nicht getätigt werden durften. [...] Auch die Antragsgegnerin Dietrich war an dem Kauf der Gegenstände keineswegs interessiert gewesen, sondern hat sich dazu nur im Hinblick auf die inständigen Bitten des Herrn Bretschneider bewegen lassen, um den Antragstellern zu helfen.“ Weiterhin wurde bestritten, dass die Objekte einen höheren Wert gehabt hätten, als der erzielte und an Kuhn bezahlte Verkaufspreis. „Aus der Tatsache, dass die Antragsteller selbst dem Antragsgegner die Gegenstände zum kommissionsweisen Verkauf angeboten haben und diesen der erzielte Verkaufserlös auch ausgehändigt wurde ergibt sich, dass der Verkauf als solcher auch ohne die Herrschaft des Nationalsozialismus abgeschlossen worden wäre, sodass schon aus diesen

1079 Bl. 29f., 37: Bayerisches Landesamt für Vermögensverwaltung und Wiedergutmachung an Galerie Almas Maria Dietrich, Mimi tho Rahde, 1.10.1951: „Hiermit wird bestätigt, dass das bei Ihnen befindliche Gemälde von Hugo Kaufmann ‚Zwei Bauern im Wirtshaus‘ bis zu einer rechtskräftigen Entscheidung der Wiedergutmachungsbehörde I Obb. [...] in Verwahrung genommen wird.“ 269

Gründen den Antragstellern ein Anspruch auf Rückerstattung bezw. Zahlung des Wertersatzes nicht zusteht.“ [Diese Schlussfolgerung ergibt keinen Sinn, Anmaßung zur Beurteilung, ob auch ohne Nationalsozialismus verkauft worden wäre]. „Rein vorsorglich wird noch darauf hingewiesen, dass der den Antragstellern ausgehändigte Kaufpreis von RM 500.- unzweifelhaft kaufkraftmässig gesehen, einen [sic] gleichen Betrag in DM entspricht, sodass eine Umstellung des bereits bezahlten Kaufpreises nicht im Verhältnis 10:1 sondern nur im Verhältnis 1:1 zu erfolgen hätte.“1080

Am 30.10.1951 trat der Rechtsanwalt Dr. Walter Schweyer, Ottostr. 1a, für Dietrich auf. Man wies den Anspruch zurück und schob die Verantwortung an Bretschneider als Ersterwerber der Gegenstände zurück. Als Zeugin trat nun Mimi tho Rahde, Briennerstr. 54 [sic? Ist Nr. 55 gemeint?] auf. Seine Mandantin wäre nicht im Besitz des Bildes und die weiteren Gegenstände hätte sie nicht von Bretschneider gekauft. [Beschreibung am 19.5.1950 erweckt den Eindruck, dass alle Objekte übernommen worden wären.] Das Bild mit dem gleichen Sujet hätte Dietrich von Richard von Kühlmann erworben. Als Zeugin wurde Magda Preusker, die frühere Sekretärin Kühlmanns, genannt. Als Beweis wurde zudem ein Gutachten Friedrich Heinrich Zinckgrafs – in seiner Funktion als Vorsitzender des Verbandes der Bayerischen Kunst- und Antiquitätenhändler – herangezogen. Laut Zinckgraf könnte die Identität des Werkes nur festgestellt werden, wenn beide Originale nebeneinandergelegt werden würden. Kuhn wurde daher gebeten, eine Vergrößerung seines Fotos herstellen zu lassen.1081 Die Verteidigung der Kuhns bezweifelte, dass Dietrich zweimal ein fast identisches Bild angeboten worden war [durch Kühlmann und Bretschneider/Kuhn]. Als weiterer Zeuge sagte nun Eugen Metzger, Angestellter beim Bayerischen Landesamt für Vermögensverwaltung, aus, dass Mimi tho Rahde ihm bei der Beschlagnahme im Geschäft gesagt hätte, dass sie das Bild entweder von Herrn von Kühlmann oder auf einer Versteigerung erworben hätte. Auf seine Frage nach Unterlagen erklärte sie, dass sie nach solchen erst sehen müsste [s. oben]. Am selben Tag erklärten ihm Maria Dietrich, Mimi tho Rahde und Ludwig Bretschneider, dass das Kuhn’sche Bild lediglich postkartengroß gewesen wäre. Als neuer Termin zur Fortsetzung der mündlichen Verhandlungen wurde der 13.12.1951 festgesetzt. Das Bild sollte bis dahin beim Bayerischen Landesamt für Vermögensverwaltung verbleiben.1082

1080 Bl. 35f.: RA Karpf, München an das Landgericht München I Wiedergutmachungskammer, 29.10.1951. 1081 Bl. 30f. 1082 Bl. 32ff.: Protokoll, aufgenommen in öffentlicher Sitzung der WK, 30.10.1951. 270

In der Sitzung der WK am 13.12.1951 legte Schweyer eine Fotografie des in der Galerie Almas beschlagnahmten Bildes vor. Magda Preusker sagte hierzu: „Ich kenne das fragliche Bild nach dem mir soeben vorgelegten Lichtbild. Ich weiss, dass es im Besitz des Staatssekretärs von Kühlmann war. Das Bild wurde von Herrn v. Kühlmann während des 2. Weltkrieges (glaublich 1942 oder 1943) an Frau tho Rahde verkauft.“ Daraufhin legte Eugen Metzger ihr das Original vor. Preusker: „Ich erkenne mit aller Bestimmtheit das gezeigte Bild als dasjenige an, welches Herr von Kühlmann an Frau tho Rahde verkauft hat.“ Bretschneider wies nochmal darauf hin, dass das Bild von Kuhn nur Postkartengröße besaß. Neuland legte ein Foto vor, welches das fragliche Gemälde in der Wohnung der Kuhns zeigte, samt einer Vergrößerung. Dietrich erklärte, dass sie über den Erwerb des Bildes keine Belege hätte, da diese durch Kriegseinwirkungen vollständig vernichtet worden wären [Aussage stimmt nicht, wie in Kap. 4.2 dargelegt]. Ein neuer Termin zur Vernehmung der Sachverständigen Eberhard Hanfstaengl und Zinckgraf wurde für den 29.1.1952 bestimmt.1083 Im Vorfeld dieser Sitzung sandte Neuland für Kuhn am 28.1.1952 Literaturbelege an die WK, die beweisen sollten, wie unwahrscheinlich es wäre, dass Kaufmann sich selbst kopiert hätte [Belege sagen nichts aus].1084 Am 29.1.1952 wurde dann zunächst Eberhard Hanfstaengl, zu diesem Zeitpunkt Generaldirektor der Bayerischen Staatsgemäldesammlungen, befragt. Das betreffende, dem Gericht vorliegende Bild hätte er vor etwa anderthalb Monaten zum ersten Mal gesehen: „Ich kannte die Sammlung des Herrn von Kühlmann, aber nur bis etwa zum Jahre 1939 einschließlich. Wenn es von Kühlmann später erworben wurde, weiß ich nichts darüber. Ich habe hunderte von Fotografien und Bilder von Kaufmann nachgeprüft und dabei nicht gefunden, dass dieser Maler dasselbe Bild ein zweites Mal gemalt hätte, wenn er auch den gleichen Entwurf öfters benutzt hat.“ Er könnte sich erinnern, wenn Kühlmann ihm das Bild gezeigt hätte. Den Wert schätzte Hanfstaengl auf ca. 500 bis 600.- DM. Als ihm das Foto aus der Wohnung Kuhn vorgelegt wurde, stellte Hanfstaengl fest, dass das Gemälde von Kuhn bedeutend größer als eine Postkarte war. Das Bild dürfte ungefähr die Größe des dem Gericht vorliegenden Gemäldes haben. Zinckgraf hingegen sagte aus, dass Kaufmann wiederholt das gleiche Motiv genutzt hätte und die Unterschiede zwischen seinen Bildern oft sehr gering wären. Er konnte nicht sagen, ob das Bild auf dem Foto und das vorliegende Gemälde „sachgleich“ wären. Er schätzte den

1083 Bl. 39ff.: Protokoll, aufgenommen in öffentlicher Sitzung der WK, 13.12.1951. 1084 Bl. 41ff.: RA Neuland an die WK, 28.1.1952. 271

Wert des Bildes auf 600 bis 800.- DM. [s. oben: von der Galerie Almas für 1.200.- DM angeboten]. Außerdem gab auch er an, dass er Kühlmann als Gemäldesammler sehr gut gekannt hätte. Er erinnerte sich, dass Kühlmann häufig von ihm gekaufte Bilder nach einiger Zeit wieder vertauschte oder verkaufte. Befragt wurde in dieser Sitzung auch Elisabeth Traumann, die Schwester von Fritz Kuhn. Sie bestätigte, dass das Lichtbild einen Teil der elterlichen Wohnung darstellen würde: „Ich bin überzeugt, dass das vorliegende Bild das ‚unsrige‘ ist.“ Am Ende der Sitzung schlossen die Parteien folgenden Vergleich: Maria Dietrich und Ludwig Bretschneider verpflichteten sich, an die Antragsteller [jeweils?] 350.- DM zu bezahlen. Damit sollten alle Ansprüche hinsichtlich der Anmeldung vom 20.12.1948 abgegolten sein. Die Antragsteller behielten sich ein Widerrufsrecht bis zum 5.2.1952 vor. Das Landesamt für Vermögensverwaltung wurde angewiesen, das Bild von Kaufmann an die Galerie Almas herauszugeben.1085 Am 31.1.1952 erfolgte der Widerruf des abgeschlossenen Vergleichs seitens des Ehepaares Kuhn.1086 Schweyer erklärte gegenüber der WK am 26.2.1952, dass durch die Beweisaufnahme geklärt sein dürfte, dass den Antragstellern der Beweis, dass es sich um ihr Bild handeln würde, nicht gelungen wäre.1087 Neuland bekräftigte am 28.2.1952 gegenüber der WK, dass Kuhn zu den Verkäufen gezwungen war. Zinckgraf erkannte er als nicht objektiv an: „Wer selbst der Rückerstattungspflichtige in Rückerstattungsprozessen ist, kann nicht die notwendige Objektivität aufbringen.“ Außerdem entwickelte Neuland eine Theorie, um die unterschiedlichen Informationen zu einem Lösungsansatz zu verbinden: „Dieses einmal gemalte Bild ist von Herrn v. Kühlmann bei Frau Maria Dietrich gekauft worden. Später hat Herr v. Kühlmann dieses Bild wieder abgegeben. Es ist ja auch in der Verhandlung erklärt worden, dass Herr v. Kühlmann sehr oft Bilder aus seiner Sammlung verkauft oder gegen andere umgetauscht hat. [...] Das Bild ist durch einen Fliegerangriff nicht vernichtet worden. Die Akten des Kriegsschädenamtes betreffend Frau Maria Dietrich, München, Gustav Freytagstrasse At. G 85644, Kriegsschäden sind angemeldet, aber bei dieser Anmeldung findet sich kein Bild des Malers Hugo Kaufmann [korrekt]. Frau Dietrich weiß also ganz genau, wohin sie dieses Bild gebracht hat. Wenn Sie dies nicht angeben kann, dann hat sie eben das Bild an Herrn v. Kühlmann verkauft, der es später wieder zurückverkauft oder zurückvertauscht hat.“

1085 Bl. 44ff.: Protokoll, aufgenommen in öffentlicher Sitzung der WK, 29.1.1952. 1086 Bl. 50: RA Neuland an WK, 31.1.1952. 1087 Bl. 57f. 272

Den gegenwärtigen Wert des Bildes bestimmte er auf 1.200.- DM, da die Galerie Almas es für diesen Preis angeboten hatte. Die Galerie Wimmer hätte 850.- DM gezahlt, nachdem das Bild dort zum Schein angeboten worden war. Auch die weiteren Kunstgegenstände brachte Neuland in diesem Schreiben wieder in Erinnerung.1088

Am 1.4.1952 fand eine weitere öffentliche Sitzung in dieser Sache statt. Hier beschrieb Ellen Kuhn, dass sie die Dose 1916 geschenkt bekommen hätte. Den Spielautomaten hätte ihr Ehemann von seinen Eltern vererbt bekommen. Der Auktionator Hugo Ruef schätzte die Objekte auf 120 bis 125.- DM und 100 bis 200.- DM. Ludwig Bretschneider kam nochmal bezüglich des Erwerbs 1938 zu Wort. Auf Wunsch der Eheleute Kuhn kam er in deren Wohnung und kaufte die Objekte nicht sofort. „Ich stand in freundschaftlichen und geschäftlichen Beziehungen zu Frau Dietrich. Frau Dietrich erklärte mir, ich solle die drei Sachen kaufen und gab mir das Geld hierfür. [...] Ich habe für die Vermittlung eine Provision bekommen, etwa 30 oder 50 RM.“ Kuhn beschrieb schließlich, dass er zu dem Verkauf gezwungen gewesen war, da er eine Bürgschaftsschuld einzulösen hatte. Bereits Ende 1933 hätte er als Jude seine Anstellung bei einem Verlag verloren und seitdem keinen Verdienst mehr gehabt. Neuland forderte die Rückgabe in Natur oder einen Schadensersatz in Höhe von 1.200.- DM für das Gemälde.1089 Fritz Kuhn schrieb – in seiner Funktion als Mitarbeiter des Bayerischen Landesamtes für Vermögensverwaltung und Wiedergutmachung – an den Landgerichtsdirektor Dr. Ackermann am 27.8.1952: „Ich möchte noch einmal ausdrücklich darauf hinweisen, dass es sich bei diesem Verfahren sowohl was die Antragsgegner als auch die Sachverständigen anlangt, ausschließlich um Kunsthändler handelt, die teilweise selber Ariseure in anderen Angelegenheiten waren und von denen man ruhig sagen kann, dass eine Krähe der anderen kein Auge aushackt. So hatte ich bei meiner Tätigkeit im Landesamt verschiedene Fälle, die sich um Arisierungen der Frauen Maria Dietrich und tho Rahde drehten, zu behandeln. Dass Herr Ludwig Bretschneider 1938 Kunstgegenstände aus jüdischem Besitz erworben hat, ist mir aus meinen Erfahrungen im Jahre 1938 bekannt. [...] Am Rande möchte ich noch bemerken, dass Herr RA Dr. Schweyer, der Rechtsvertreter der Frau Maria Dietrich, die Tatsache, dass ich überhaupt rassisch oder politisch verfolgt worden sei, in Abrede stellte.“1090

1088 Bl. 58ff. 1089 Bl. 73ff.: Protokoll, aufgenommen in öffentlicher Sitzung der WK, 1.4.1952. 1090 Bl. 79f. 273

Der am 25.9.1952 gefasste Beschluss der WK sah vor, dass Dietrich und Bretschneider als Gesamtschuldner verpflichtet wären, den Betrag von 1.220.- DM, zuzüglich 4 % Zinsen, zu zahlen. Der Streitwert betrug nun 1.470.- DM. Der Antragsteller wäre Jude und die beschriebene Bedrängnis glaubwürdig. Die Identität des Bildes konnte jedoch nicht hundertprozentig bewiesen werden und die weiteren Objekte lagen nicht vor.1091 Schweyer legte für Dietrich am 20.10.1952 Beschwerde gegen den Beschluss ein.1092 Karpf legte am 24.10.1952 ebenfalls Beschwerde im Auftrag von Bretschneider ein. Neben der Beanstandung des zu zahlenden Betrages wurde hier nun plötzlich bestritten, dass Bretschneider überhaupt gewusst hätte, dass Kuhn Jude war.1093 Neuland stellte für Kuhn am 24.11.1952 einen Antrag auf Zurückweisung der Beschwerden.1094 Schweyer schrieb daraufhin am 2.12.1952 an das Wiedergutmachungsamt beim Oberlandesgericht München: „Wenn jemand eine vor 1933 begründete und fällige Schuld 1938 noch nicht bezahlt hat, so kann er nicht mit Erfolg einwenden, er sei zur Abdeckung dieser Schuld 1938 aus Rasseverfolgungsgründen zum freihändigen Verkauf von Kunstgegenständen gezwungen worden.“ Beide Antragsgegner hätten immer wieder betont, seinerzeit nichts „von der Judeneigenschaft der Antragsteller“ gewusst zu haben.“1095 [Lüge und antisemitische Tendenz]. Trotz der Einwände der Antragsgegner, wies das Oberlandesgericht München die Beschwerden von Dietrich und Bretschneider am 10.12.1952 zurück.1096 Zuletzt beantragte Schweyer bei der Wiedergutmachungskammer beim Landgericht München I am 3.1.1953 die Rückgabe des Bildes an Maria Dietrich.1097

Weder bei Ludwig Bretschneider noch bei Maria Dietrich und Mimi tho Rahde ist die Reflexion über mögliches Unrecht erkennbar, vielmehr ließ man sich auf einen jahrelangen Prozess ein, der wohl (auch finanziell gesehen) in keinem sinnvollen Verhältnis stand. Wenn es sich im Schaufenster der Galerie Almas tatsächlich um das Gemälde aus dem früheren Besitz von Fritz und Ellen Kuhn gehandelt haben sollte, wäre die Geste das Bild während des Prozesses zum Verkauf anzubieten als respektlos gegenüber den Geschädigten zu betrachten. Es scheint tatsächlich unwahrscheinlich, innerhalb eines kurzen Zeitraums zwei fast identische Bilder zu übernehmen und sich nicht darüber zu wundern oder die Möglichkeit in Betracht zu ziehen, dass es sich um die Kuhn’sche Version handeln könnte. Denn dass das

1091 Bl. 81ff.: Zusammenfassung des gesamten Falls. 1092 Bl. 88ff.: RA Schweyer an das Oberlandesgericht München Wiedergutmachungssenat, 20.10.1952. 1093 Bl. 90ff. 1094 Bl. 95ff.: RA Neuland an das Oberlandesgericht München Wiedergutmachungssenat, 24.11.1952. 1095 Bl. 101f. 1096 Bl. 102ff. 1097 Bl. 108: Die Herausgabe des Bildes wurde bereits am 5.2.1952 angewiesen. 274

Bild nur postkartengroß gewesen sein soll, dürfte sich über die vorgelegte Fotografie als unwahr herausgestellt haben, zumal Kuhn sein Bild in der Galerie Almas erkannt hatte. Zunächst wurde beteuert, die Objekte nur gekauft zu haben, weil man um das Verfolgungsschicksal wusste und „helfen“ wollte. Später wurde behauptet, dass man von dem jüdischen Hintergrund der Kuhns nichts gewusst hätte. Auch aufgrund der Aussage von Fritz Kuhn, der berichtete, dass er während seiner Tätigkeit im Landesamt verschiedene Fälle behandelte, die sich um „Arisierungen“ von Dietrich und tho Rahde drehten, müsste systematisch geprüft werden, in welche weiteren Prozesse beide involviert waren. Im Staatsarchiv München wurden zu Maria Dietrich und Mimi tho Rahde die in dieser Arbeit erwähnten Akten der Wiedergutmachungskörperschaften vorgelegt.1098 Doch das heutige Landesentschädigungsamt beim Landesamt für Finanzen, Dienststelle München, konnte in der Landeskartei mit den Namen Dietrich, Almas und tho Rahde keine Vorgänge feststellen. Da die Verfahren nach dem Bundesentschädigungsgesetz überwiegend nach den Verfolgten bzw. Antragstellern registriert sind, könnte die Familie Dietrich-tho Rahde durchaus in weiteren Entschädigungsverfahren von Verfolgten genannt sein.

1098 Vgl. einen weiteren Vorgang in Kap. 2.5.1 (Weinmüller): StAM, WB I a 2992: Walther Schweissheimer (Nachlass Berolzheimer) gegen Maria Dietrich. Die Namen Almas, Dietrich und tho Rahde scheinen darüber hinaus nicht in den Findmitteln zu den WG-Akten aus dem Staatsarchiv München (bisher keine Tiefenerschließung) verzeichnet zu sein (freundliche Mitteilung von Meike Hopp, München). 275

4.6 Neu-Etablierung im Münchner Kunsthandel ab den 1950er Jahren

Die Kunsthandlung Almas etablierte sich nach dem Krieg erneut. Dies bezeugen zahlreiche wohlwollende Berichte und diverse Werbeanzeigen in der Weltkunst anlässlich verschiedener Jubiläen ab den 1950er Jahren. Seit 1956 nahm die Galerie jährlich an der Kunst- und Antiquitätenmesse München (Abb. 27 + 28), der Westdeutschen Kunstmesse und später an der Orangerie in Berlin teil.1099 Außerdem trat die Galerie international auf, etwa bei der Biennale dell’Antiquariato in Florenz, als Leihgeberin im Metropolitan Museum of Art in New York1100 oder 1952 durch eine Anzeige als „‚Gallery Almas‘ (Paintings, Rugs, Fine Works of Art, Antique Furniture)“ im englischen Burlington Magazine.1101 Schwerpunkte setzte die Galerie Almas – insbesondere durch Mimi tho Rahde – auf Einrichtungen des 18. Jahrhunderts, Porzellan, Fayencen, Barocksilber, Teppiche, Gemälde und Skulpturen. Mit dem Schwerpunkt „Einrichtungen“ folgte die Galerie dem Credo der Alliierten, sich ausschließlich mit „minor arts, furniture and rugs“ zu beschäftigen.1102 Außerdem kehrte man zu den Anfängen zurück. Anders als ihre Mutter favorisierte Mimi tho Rahde nicht die Münchner Schule, sondern kombinierte Rokoko-Ambiente lieber mit Werken der Klassischen Moderne: „Ich bin in die Münchner Schule gleichsam hineingewachsen, obwohl mir Impressionismus und Expressionismus viel mehr liegen.“1103 Über die Arbeitsteilung und das Verhältnis von Mutter und Tochter wusste die Weltkunst ebenfalls zu berichten: „Nach dem Krieg setzte Mimi tho Rahde die Tradition der Galerie Almas fort, unterstützt durch die große Erfahrung von Frau Dietrich, die auf den großen deutschen und internationalen Auktionen eine Erscheinung geblieben ist.“1104 Mimi tho Rahde hatte sich nach eigener Aussage neben ihrer mächtigen Mutter zu bewähren, aber die Verteilung der Kompetenzen war ausgewogen. Die Mutter war besser im Einkauf, die Stärke der Tochter hingegen waren Verkauf und Platzierung.1105

1099 Freundliche Auskunft von Bernd Schultz, Berlin. 1100 Trustees of the Metropolitan Museum of Art, Annual Report, Nr. 105 (1974–1975), S. 26: Die Galerie ist als Leihgeberin unter „Lenders to Exhibitions“ genannt. Freundlicher Hinweis von Christine Brennan, Metropolitan Museum of Art, New York: Die Galerie Almas lieh einige in Augsburg im 17./18. Jh. hergestellte Silber-Objekte (drei Nummern) anlässlich einer Ausstellung mit dem Titel „The Grand Gallery“ (19.10.1974–5.1.1975). In der Ausstellung wurde die Rolle von Kunsthändler:innen beim Aufbau von Museumssammlungen gewürdigt. In der Sammlung des Metropolitan Museums findet sich mindestens ein Werk mit einer Provenienz „Almas“ (https://www.metmuseum.org/art/collection/search/204844 – zuletzt besucht am 1.5.2019). 1101 The Burlinton Magazine, Vol. 94, Nr. 596, Nov. 1952, S. 2. Ebenda, weitere Anzeige: Vol. 95, Nr. 603, Juni 1953, S. 20. Ab 1970 Inserate mit Originalnamen und Objektbbildungen zu „18th century art and antiques“: Vol. 112, Nr. 811, Okt. 1970, S. 102. Vol. 113, Nr. 823, Okt. 1971, S. 50. Vol. 114, Nr. 835, Okt. 1972, S. 47. Vol. 116, Nr. 852, März 1974, S. 113. 1102 NARA, Dietrich, Maria Almas: Interrogation, S. 59 (13). 1103 Weltkunst, Jg. 60, H. 17, 1.9.1990, S. 2537. 1104 Weltkunst, Jg. 37, H. 13, 1.7.1967, S. 644. 1105 Weltkunst, Jg. 50, H. 21, 1.11.1980, S. 3106. 276

Anlässlich des 75. Geburtstages von Maria Dietrich erschien im Jahr 1967 ein Artikel in der Weltkunst mit einem Foto der Jubilarin (Abb. 26). Hier wurde auf die Gründung der Galerie Almas vor 50 Jahren hingewiesen, als der Kunsthandel (laut Artikel) fast ausschließlich eine männliche Angelegenheit war und es besonderen Mut bedurfte, sich als Frau auf das Feld des freien Wettbewerbes zu begeben. Nicht ganz wahrheitsgetreu wurde beschrieben, dass sie mit dem Verkauf von Bildern der Münchner Schule begann. Anlässlich des 50-jährigen Bestehens stiftete die Galerie Almas eine Wackelpagode an das Bayerische Nationalmuseum.1106

Diverse Stiftungen von Mutter und Tochter erklärte die Weltkunst mit dem „Bedürfnis zu helfen“. Das Bayerische Nationalmuseum und karitative Organisationen wüssten diese Neigung zu schätzen.1107 In das Bayerische Nationalmuseum gelangten aus der Galerie Almas zwischen 1951 und 1972 mindestens 25 Zugänge, die teilweise an das Museum geschenkt, aber überwiegend verkauft worden waren. Darunter finden sich Porzellane, Möbelstücke, Leuchter und die Holzfigur „Maria mit Kind auf Weltkugel“ aus der Sammlung Budge (s. Kap. 2.5.2). Ab 1978 bis 2001 gelangten sechs weitere Objekte sowie einige Leihgaben durch Mimi tho Rahde ins Haus. Außerdem sind acht Objekte der Porzellansammlung Ernst Schneider mit der Provenienz Almas in Verbindung zu bringen.1108 Weitere Hinweise auf Stiftungen an Münchner Einrichtungen – ohne einen jeweiligen Hinweis auf den Zeitpunkt – an das Musikinstrumentenmuseum, das Stadtmuseum, das Graphische Kabinett (vermutlich Staatliche Graphische Sammlung)1109 und an die Pinakotheken wurden in dem Artikel in der Weltkunst würdigend genannt.1110 Das Germanische Nationalmuseum in Nürnberg erwarb in den 1960er Jahren mehrmals kunstgewerbliche Gegenstände aus der Galerie Almas.1111 Und über die seit 1969 in der Bayerischen Schlösserverwaltung geführte Zugangsliste lässt sich feststellen, dass 1974 zwei Konsoltische (München, um 1725–1730) von der Galerie Almas angekauft wurden.

1106 Weltkunst, Jg. 37, H. 13, 1.7.1967, S. 644. 1107 Weltkunst, Jg. 50, H. 21, 1.11.1980, S. 3106. Ebenda, Jg. 70, H. 13, 1.11.2000, S. 2197: u. a. Stiftungen an das BNM: ein Paar Meißen-Figuren mit Dudelsackspieler und Drehleierspielerin, ein Paar Meißen-Teller mit Dresden-Ansichten nach Belotto, zum 60. Firmenjubiläum ein Pariser Modellmöbel, zum eigenen 90. Geburtstag ein Porzellanobjekt. S. auch Jg. 50, H. 21, 1.11.1980, S. 3106. Jg. 60, H. 17, 1.9.1990, S. 2536f. Jg. 75, H. 13, 2005, S. 53. 1108 Freundliche Auskunft von Alfred Grimm, Bayerisches Nationalmuseum, München. 1109 Freundliche Auskunft von Andreas Strobl, Staatliche Graphische Sammlung, München: Da das Archiv 1944 verbrannte, kann die Sammlungsgenese vor diesem Zeitpunkt nicht rekonstruiert werden. Im Jahr 1948 schenkte „Frau Almas Tho- Rahde“ eine Zeichnung von Julius Schnorr von Carolsfeld, „Begegnung auf der Terrasse“. 1110 Da der Schwerpunkt dieser Arbeit auf der Zeit bis 1945 liegt, wurden die Einrichtungen nur dahingehend systematisch angefragt bzw. geprüft. Dementsprechend können sich bspw. in den Pinakotheken weitere Werke finden, die nach 1945 von der Galerie Almas erworben wurden. Weltkunst, Jg. 37, H. 13, 1.7.1967, S. 644: Mimi tho Rahde war förderndes Mitglied der Pinakotheken. 1111 GNM, Inv.-Nr. Ke 2762, Ankauf von der Galerie Almas, 9.8.1963: Porzellan-Platte aus dem Schwanen-Service von Kaendler und Eberlein, 1737–1741. Inv.-Nr. Ke 2764 a-w, Ankauf von der Galerie Almas, 15.10.1963: Kaffee- und Teeservice aus Berliner Porzellan. Inv.-Nr. Ke 2869 a, b, Ankauf von der Galerie Almas, 12.9.1969: Zwei Fayence-Vasen, um 1720. 277

Außerdem beherbergt die Schlösserverwaltung zwei Möbelstücke als Leihgaben, welche 1971 und 1974 von der Bayerischen Landesbank bei der Galerie Almas erworben worden waren.1112

Am 11. November des Jahres 1971 starb Maria Dietrich an den Folgen eines Autounfalls. Im Münchner Merkur erschien anlässlich ihres Todes ein kurzer Artikel mit der Überschrift „Sie war die Grand [sic] Dame des Kunsthandels“. Darin hieß es: „Das offizielle Deutschland von damals schien sie als eine Art Hoflieferantin zu betrachten.“1113 Diese Aussage impliziert gewissermaßen nachsehend, dass Maria Dietrich gegenüber dem „offiziellen Deutschland“ eine passive Rolle gespielt hätte. Auch in der Weltkunst erschien ein Nachruf, in dem die Qualität der von Maria Dietrich angebotenen Ware hervorgehoben wurde.1114 Bis an ihr Lebensende hätte sie immer im Hintergrund agiert. Die beständige Involviertheit kann zudem daran erkannt werden, dass ihr Name auch Jahrzehnte nach der Übernahme durch ihre Tochter Bestandteil des Firmennamens blieb.

1985 – in ihrem 75. Lebensjahr – gab Mimi tho Rahde ihr Ladengeschäft auf und übertrug die Räume in der Brienner Straße/Wittelsbacherplatz (Abb. 29) der Kunsthandlung Daxer & Marschall, zunächst zur Untermiete und endgültig zum 1.3.1990. Von 1985 bis 1992 wirkte die Galerie Almas noch in der ersten Etage der Brienner Str. 1 (Abb. 30), bevor die Firma 1993 aus dem Handelsregister gelöscht wurde.1115 Bis Anfang der 2000er Jahre hing eine Gedenktafel für die Galerie Almas an dem Gebäude, in dem sich die Galerie von 1959 bis 1985 befunden hatte.1116 Mimi tho Rahde wurde 2005 zu ihrem 95. Geburtstag in der Weltkunst gewürdigt. Zu diesem Anlass betitelte man sie – wie ihre Mutter 34 Jahre zuvor – als „Grande Dame“ des Münchner Kunsthandels.1117 Im Jahr 2010 ist Mimi tho Rahde verstorben.

1112 Freundliche Auskunft von Matthias Memmel, Bayerische Schlösserverwaltung, München. 1113 StadtA München: Münchner Merkur, Nr. 264, 16.11.1971. Münchner Abendzeitung, Todesanzeige, 16.11.1971. Süddeutsche Zeitung, 20./21.11.1971, S. 12: Zum Tode von Maria Dietrich-Almas. 1114 Weltkunst, Jg. 41, H. 23, 1.12.1971, S. 1609: Zum Tode von Frau Maria Dietrich-Almas. 1115 Süddeutsche Zeitung, 15.3.1993, Handelsregister HRA 15 425 Galerie Almas Maria Dietrich, München. S. auch StAM, Amtsgericht München, 25825, Sonderband der Registerakten, 30.11.1992, Bl. 6f.: „Zur Eintragung in das Handelsregister melde ich an: Das unter der genannten Firma [Galerie Almas Maria Dietrich] betriebene Handelsgeschäft wurde aufgegeben. Die Firma ist erloschen. Die Bücher und Schriften werden von mir, Wilhelmine tho Rahde, geb. Dietrich (Possartstr. 6) verwahrt.“. S. zum potentiellen Firmennachlass auch: Weltkunst, Jg. 60, H. 17, 1990, S. 2537: „Beim Blättern in den alten Firmenalben finden sich zahlreiche Ausschnitte [...].“ 1116 Jonathan Petropoulos: „Inside the Secret Market for Nazi-Looted Art“. In: ArtNews, 29.1.2014 (http://www.artnews.com/2014/01/29/inside-the-secret-market-for-nazi-looted-art/ – zuletzt besucht am 1.5.2019). Der Verfasserin ist nicht bekannt, wer die Gedenktafel aufgehängt hat und wer entschied, dass sie abgenommen werden sollte. 1117 Weltkunst, Jg. 75, H. 13, November 2005, S. 53: Mimi tho Rahde zum 95! 278

Zusammenfassung

Seit Beginn ihrer Tätigkeit um 1918 entwickelte Maria Dietrich sich von einer lokal agierenden Münchner Kunst- und Antiquitätenhändlerin nicht zufällig ab 1934/35 – kurz nach der Machtübernahme der Nationalsozialisten – innerhalb weniger Jahre zu einer multinational agierenden Persönlichkeit.

Im Zusammenhang mit der Aufklärung von NS-Raubgut wird häufig erörtert, ob sich der jeweilige Verkauf eines Objektes auch ohne den Nationalsozialismus ereignet hätte. Daher wurde analog hierzu zu Beginn der Arbeit gefragt, ob Maria Dietrich ihre erfolgreiche Karriere in der zweiten Hälfte der 1930er und der ersten Hälfte der 1940er Jahre ohne die Strukturen des Nationalsozialismus gelungen wäre. Am Ende der Ausführungen muss diese Frage mit einem Nein beantwortet werden, da ihr immenser Erfolg wohl maßgeblich ihrer Beziehung zu Adolf Hitler, der Expansion Deutschlands und der Verfolgung von Jüdinnen und Juden geschuldet war. Aber: Nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges konnte sie rasch und wieder in einem gemäßigten Rahmen ihr Geschäft weiterführen bzw. durch ihre Tochter führen lassen. Der Erfolg der Galerie Almas war demnach nicht nur ein durch Hitlers Bedarf an Kunstwerken produziertes Kartenhaus, das durch den Wegfall von Begünstigungen 1945 zusammenfiel. Durch ihre charakterlichen Eigenschaften, ihren Sachverstand und sicherlich auch vielfältige Kontakte gelang Dietrich und ihrer Tochter eine relativ bruchlose Weiterführung der Geschäfte, indem das Profil des Galerieangebotes den neuen Gegebenheiten angepasst wurde. Die prominente Lage der Galerie und regelmäßige Berichterstattungen in der Weltkunst zeugen von dem anerkannten Stellenwert der Kunsthändlerinnen im Münchner Kunsthandel nach 1945.

Wie herausgestellt werden konnte, spielte Mimi Dietrich (verh. tho Rahde) auch vor 1945 eine tragende Rolle für die Geschicke der Galerie, wobei die Identitäten von Mutter und Tochter teilweise nicht zu separieren sind. Neben ihrer Tochter war Heinrich Hoffmann, zu Beginn als Mittelsperson zu Hitler, als Freund der Familie und Geschäftspartner, die zweite relevante Person im Erfolgsprozess Maria Dietrichs. Das Change of Game stand unmittelbar mit der einsetzenden Bekanntschaft mit Heinrich Hoffmann und der parallel verlaufenden Konzentration auf die Kunst der Münchner Schule in Zusammenhang. Obwohl auch vor 1934 Einkäufe bei den Münchner Firmen Hugo Helbing (1926, erste nachweisbare Transaktion), Bernheimer und Heinemann aufgezeigt werden konnten, fiel bezeichnenderweise die erste Werbemaßnahme in das Jahr 1934 (Weltkunst).

279

Neben der Veräußerung von Werken an Adolf Hitler, Heinrich Hoffmann, Martin Bormann und andere NS-Funktionäre, fungierten ab 1939 auch einige öffentliche Sammlungen als Abnehmerinnen der Galerie Almas. Die Vermittlungen können als gelegentlich bezeichnet werden und beruhten wohl größtenteils nicht auf langfristigen Beziehungen, wobei die Verbindung zu Ernst Buchner eine Ausnahme darstellt. In der Nachkriegszeit hingegen etablierten sich enge Beziehungen zu mehreren bayerischen Einrichtungen. Der Kundenstamm der Galerie konnte aufgrund fehlender Unterlagen nicht ausreichend erforscht werden; als ein regelmäßiger Kunde wurde jedoch Richard von Kühlmann erkannt. Eine enge Zusammenarbeit erfolgte mit dem Münchner Antiquitätenhändler Ludwig Bretschneider. Maria Dietrichs vielfältige Kontakte in München waren sehr weit in unterschiedliche Bereiche und Ebenen verzweigt: Sie agierte mit Kunsthändler:innen, Künstlerwitwen und Personen, deren Niveau und Renommee von Hellmut Lüdke bis Ernst Buchner reichten. Die Beziehungen überdauerten häufig Anfang und Ende des „Dritten Reichs“. Dietrich scheint sich an die jeweiligen Aufgaben angepasst zu haben. Aus verschiedenen Zusammenhängen lassen sich (Charakter-)Beschreibungen ableiten, die komplex sind und teilweise einander, auch bezogen auf ihre soziale Identität, widersprechen: Sie war Fleischerin und Händlerin, opportunistisch und flexibel, vielseitig und wandelbar (s. Werbung), aber auch beständig, selbstsicher und beharrlich. Ehrlichkeit wurde ihr nach dem Krieg als Erfolgskriterium und Garantie für die eigene Sicherheit unterstellt,1118 obwohl sie zur selben Zeit ganz offensichtlich systematisch log, wenn sie nach der Herkunft von Kunstwerken befragt wurde. Aufgrund ihrer heiratsbedingten Konversion zum Judentum Anfang der 1920er Jahre lag ihr Antisemitismus wohl eher fern. Ob sie wirklich permanent Schutz brauchte und aus dieser Motivation heraus handelte, ist nicht eindeutig feststellbar. Sicherlich gab es einige kritisch-ambivalente Momente, wie im August 1935, als Dietrich einerseits als „jüdisch“ diskreditiert wurde und gleichzeitig in den Dienst Hitlers trat.

Bei dem zehn Jahre andauernden Karrierehoch zwischen 1934/35 und 1945 nahm Maria Dietrich offenbar keine Rücksicht auf die Herkunft der gehandelten Objekte. Ein Unrechtsbewusstsein in der Nachkriegszeit ist nicht ersichtlich. Aufgrund fehlender Korrespondenz o. ä. kann ihre persönliche Einschätzung/Wahrnehmung nicht überprüft

1118 NARA, Dietrich, Maria Almas: Interrogation, S. 52 (6): „She needed protection and could therefore not afford to be dishonest.“ 280 werden. Genauso wenig können wir ermessen, wie viele Werke der ab 1933 gehandelten Kunst aus unkritischen Zusammenhängen stammten. Dietrich war intensiv in den Handel mit Objekten aus Österreich (ab 1938) sowie den Niederlanden und Frankreich (ab 1940) involviert. In den entsprechenden Kapiteln wurde versucht, Charakteristika und Mechanismen zu erkennen und zu beschreiben. Tatsächlich agierte sie in jedem Land anders und auch ihr Verhalten variierte. Schlagwortartig lassen sich die besonders hervorstechenden Merkmale folgendermaßen zusammenfassen: In Deutschland trat sie ab Mitte der 1930er Jahre besonders bei Auktionen in Berlin und München in Erscheinung und ersteigerte dort auch verfolgungsbedingt entzogenes Kulturgut. In Österreich kaufte sie mehrfach direkt von Personen, die unter Verfolgungsdruck standen. Kunstgegenstände, auch mit kritischen Hintergründen, aus den Niederlanden wurden konzentriert über wenige Partner erworben. Für die Erwerbungen in Frankreich hingegen ist symptomatisch, dass ihr ein weit gefächertes Händler:innen- und Vermittler:innennetzwerk zur Verfügung stand.

Die Betrachtung des Schriftwechsels zum „Sonderauftrag Linz“ zeigt, dass Dietrich gegenüber Hans Posse selbstbewusst und hartnäckig auftrat. Der in der Regel höfliche und diplomatische Posse reagierte auf Dietrich mitunter bissig bis respektlos. Posses ablehnende Haltung ihrer Expertise und ihrem Auftreten gegenüber wurde spätestens 1941 deutlich. Der Kontakt zwischen der Galerie Almas und Hermann Voss verlief hingegen freundlicher. Diverse durch Posse zunächst abgelehnte Angebote der Galerie Almas wurden später, teilweise durch Voss, in den Bestand des „Sonderauftrags“ aufgenommen. Spätestens seit 2013 wird Hildebrand Gurlitt als „Chefeinkäufer“ für Linz rezipiert. Allerdings lieferte Maria Dietrich etwa dreimal mehr Kunstwerke an den „Sonderauftrag“, so dass dringend eine Relativierung oder wenigstens ein „in Bezug setzen“ nötig ist, zumal Dietrich drastischer und auf einem viel höheren Level in den Handel mit NS-Raubgut involviert gewesen ist als Hildebrand Gurlitt. Dennoch wurde sie bislang nicht entsprechend ihrer problematischen Signifikanz wahrgenommen: Der unrühmliche Begriff „Chefeinkäuferin für Hitler“ gebührt Maria Dietrich. Durch die Erkenntnisse dieser „Bestandsaufnahme Almas“ (vgl. Ausstellung „Bestandsaufnahme Gurlitt“ 2017) wird die Galerie Almas erstmals in ihrer Zeit und ihrem Umfeld verortet. Gleichzeitig müssen die Erkenntnisse als Status quo des Jahres 2020 verstanden werden, denn beispielsweise durch einen Fund annotierter Auktionskataloge oder Restitutionen können sich etwa verwendete Zahlen jederzeit ändern. Missing Links und offene

281

Fragen zu Maria Dietrichs Strategien und ihrem Netzwerk wurden dokumentiert, um Antworten zu entwickeln, sobald sich die Quellenlage ändert.

Um ein ganzheitliches Bild des Kunsthandels in der NS-Zeit zu zeichnen, das versucht die historische Realität zu rekonstruieren, gilt es natürlich auch negativ konnotierte Kunsthändlerinnen einzubeziehen und gegebenenfalls gleichsam zur Verantwortung zu ziehen. Die Frau im Kunsthandel in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts war definitiv keine Ausnahme und die angeführten Notizen zu weiteren Frauen sollen dazu anregen, sich intensiver mit dem Spektrum der Kunsthändlerinnen auseinanderzusetzen. Selbst die Ausnahmegestalt Maria Dietrich wurde trotz ihrer Relevanz und ihres Einflusses während der NS-Zeit in der Vergangenheit höchstens fragmentarisch dargestellt.

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294

Zeitschriften und Periodika

Weltkunst Jg. 7, H. 52/53, 24.12.1933 Jg. 7, H. 42, 15.10.1933 Jg. 8, H. 27, 8.7.1934 Jg. 8, H. 49, 9.12.1934 Jg. 9, H. 29/30, 28.7.1935 Jg. 10, H. 31/32, 9.8.1936 Jg. 11, H. 28/29, 18.7.1937 Jg. 11, H. 44, 7.11.1937 Jg. 11, H. 49/50, 12.12.1937 Jg. 12, H. 51, 18.12.1938 Jg. 13, H. 3/4, 22.1.1939 Jg. 13, H. 17, 30.4.1939 Jg. 13, H. 48/49, 10.12.1939 Jg. 14, H. 48/49, 24.11.1940 Jg. 14, H. 50/51, 8.12.1940 Jg. 14, H. 52, 22.12.1940 Jg. 15, H. 15/16, 13.4.1941 Jg. 15, H. 29/30, 20.7.1941 Jg. 15, H. 33/34, 17.8.1941 Jg. 15, H. 45/46, 9.11.1941 Jg. 15, H 47/48, 23.11.1941 Jg. 15, H. 49/50, 7.12.1941 Jg. 15, H. 51/52, 21.12.1941 Jg. 16, H. 17/18, 26.4.1942 Jg. 16, H. 21/22, 24.5.1942 Jg. 17, H. 11/12, 14.3.1943 Jg. 18, H. 1, 15.1.1944 Jg. 28, H. 14, 15.7.1958, S. 8: Galerie Almas, München, in neuem Gewande Jg. 28, H. 22, 15.11.1958, S. 5–8: Zum Abschluss der III. Deutschen Kunst- und Antiquitätenmesse Jg. 32, H. 13, 1.7.1962, S. 13: Jubiläum im Hause Almas, München Jg. 37, H. 13, 1.7.1967, S. 644: Die Münchner Kunsthändlerin Frau Maria Dietrich feiert ihren 75. Geburtstag Jg. 41, H. 23, 1.12.1971, S. 1609: Zum Tode von Frau Maria Dietrich-Almas Jg. 50, H. 21, 1.11.1980, S. 3106: Zum 70. Geburtstag von Mimi tho Rahde, von Reinhard Müller-Mehlis Jg. 60, H. 17, 1.9.1990, S. 2536f.: Im Gespräch mit Mimi tho Rahde, von Rüdiger Mehlis Jg. 70, H. 13, 1.11.2000, S. 2197: Mimi tho Rahde zum Geburtstag [90], von Gloria Ehret Jg. 75, H. 13, November 2005, S. 53: Mimi tho Rahde zum 95!, von Gloria Ehret

Kunst dem Volk Jg. 12, H. 4, April 1941 Jg. 12, H. 5, Mai 1941 Jg. 12, H. 6, Juni 1941 Jg. 12, H. 7, Juli 1941 Jg. 12, H. 8, August 1941 Jg. 12, H. 11, November 1941 Jg. 13, H. 1, Januar 1942 295

Jg. 13, H. 2, Februar 1942 Jg. 13, H. 1, März 1943 Jg. 13, H. 7, Juli 1942 Jg. 13, H. 8, August 1942 Jg. 13, H. 10, Oktober 1942 Jg. 13, H. 11, November 1942 Jg. 13, H. 12, Dezember 1942 Jg. 14, H. 1, Januar 1943 Jg. 14, H. 2, Februar 1943 Jg. 14, H. 3, März 1943 Jg. 14, H. 6, Juni 1943 Jg. 14, H. 7, Juli 1943 Jg. 14, H. 8, August 1943 Jg. 14, H. 9, September 1943 Jg. 14, H. 10, Oktober 1943 Jg. 6 [neue Zählung], H. 1–2, Januar/Februar 1944

Münchener Mosaik Jg. 3, August 1940 Jg. 4, Juni 1941 Jg. 4, Juli/August 1941 Jg. 4, September 1941 Jg. 4, Dezember 1941 Jg. 5, Mai 1942 Jg. 5, September 1942 Jg. 5, November 1942 Jg. 5, Dezember 1942

Große Deutsche Kunstausstellung Jg. 1937, 1938, 1941

The Burlington Magazine Vol. 94, Nr. 596, November 1952 Vol. 95, Nr. 603, Juni 1953 Vol. 112, Nr. 811, Oktober 1970 Vol. 113, Nr. 823, Oktober 1971 Vol. 114, Nr. 835, Oktober 1972 Vol. 116, Nr. 852, März 1974

296

Quellenverzeichnis

Institutionen sind jeweils alphabetisch nach Stadtnamen sortiert.

Archive in Deutschland

Stadtarchiv Augsburg Bestand 35, Nr. 102, 103

Landesarchiv Berlin (LAB) A Rep. 243-04, Nr. 28 (Lange) A Rep. 243-04, Nr. 4176 (Kern) B Rep. 025-06, Nr. 1715/57 (Fuld) B Rep. 025-07, Nr. 2237/51 (Fuld) B Rep. 025-08, Nr. 1983/55 [83 WGA 1983/55] (Thiedig) F Rep. 290-05-01, Sammlung Martha Huth

Staatliche Museen zu Berlin, Zentralarchiv SMB-ZA, I/NG 0511, 0512 (MF 0219) (Nicolaus) SMB-ZA, I/NG 0512 (MF 0220) (Menzel) SMB-ZA, I/NG 946 (MF0060) (Toteninsel) SMB-ZA, I/NG 1080, J.-Nr. 630/43 (Fischer) SMB-ZA, II/VA 15843 (Toteninsel)

Geheimes Staatsarchiv Preußischer Kulturbesitz, Berlin VI. HA Nl Reidemeister, Nr. 127

Der Bundesbeauftragte für die Unterlagen des Staatssicherheitsdienstes der ehemaligen Deutschen Demokratischen Republik, Berlin (BStU) Deutsche Übersetzung des Consolidated Interrogation Report Nr. 4 (kurz: BStU, CIR 4) BStU, AV 14/79, Bd. 20 (Hummel) BStU, AV 14/79, Bd. 24 (Oertel) BStU, AV 14/79, Bd. 25 (Posse) BStU, AV 14/79, Bd. 26 (Reimer) BStU, AV 14/79, Bd. 28 (Voss) BStU, AV 14/79, Bd. 29 (Wiedemann)

297

Bundesarchiv Berlin (BArch Berlin) R8 XIV 5 (Reichsstelle für Papier, Devisenanträge und Devisenbescheinigungen) R9361-II-10205 (NSDAP-Akte Dietrich) R9361-V-27842 (Luz) R9361-V-100201 (Gillhausen) R9361-V-100164 (Gerlach) R1501-127632 (Diamant-Dietrich) R43 I 1609 (Ankäufe Hitler/Reichskanzlei) R43 II 1062b (Ankäufe Hitler/Reichskanzlei) R43 II 1063 (Ankäufe Hitler/Reichskanzlei) R43 II 1063a (Ankäufe Hitler/Reichskanzlei) R43 II 1064 (Kunsthistorisches Museum Wien) NS 6/789 Stabsgeschäftsführung – Innerer Dienst (Bormann)

Deutsche Nationalbibliothek, Frankfurt am Main Deutsches Exilarchiv 1933–1945, Nachlass Wilhelm Sternfeld, EB 75/177 – D.II.2 Diamant- Almas

Institut für Stadtgeschichte, Frankfurt am Main Rechneiamt IV, Sig. 183 (Flersheim)

Bundesarchiv Koblenz (BArch Koblenz) B323 Treuhandverwaltung von Kulturgut bei der Oberfinanzdirektion München: B323/12–15 Erwerbungen im Auftrag Martin Bormanns zwischen 1937 und 1944 – Provenienzforschung des Central Collecting Points München und der Treuhandverwaltung (1937–1944, 1949, 1962) B323/45–52 Inventar des Sonderauftrags Linz („Dresdner Katalog“), Bd. 1–8 B323/50 Inventar des Sonderauftrags Linz („Dresdner Katalog“), Bd. 4 (1938–1962) Verzeichnis der Gemälde aus dem Münchner Führerbau (1939–1962) B323/72 Tauschaktionen 1941 und 1942 mit dem Einsatzstab Reichsleiter Rosenberg, der Kunsthandel v.h. J. Goudstikker N.V, Amsterdam, und anderen (1937–1945)

298

B323/75 Kunsthandlung Maria Dietrich (Galerie Almas), München. Geschäftsunterlagen und Korrespondenzen betreffend Kunsterwerbungen in Frankreich (1940–1944) B323/91 Einlieferung von Kunstobjekten im Central Collecting Point München 1945–1949, Bd. 1 (1945–1946) B323/98 Erwerbungen der Beauftragten für den „Sonderauftrag Linz“ Posse und Voss sowie des Referenten Reimer 1945, sog. „Kleine Kartei“; weist Herkunft, Verkäufer/Händler und Kaufpreis nach Bd. 1 (nach 1945) B323/99 Erwerbungen der Beauftragten für den „Sonderauftrag Linz“ Posse und Voss sowie des Referenten Reimer 1945, sog. „Kleine Kartei“; weist Herkunft, Verkäufer/Händler und Kaufpreis nach, Bd. 2 (nach 1945) B323/102 Schriftverkehr mit dem Reichsminister und Chef der Reichskanzlei, Dr. Lammers 1940–1945, Bd. 3: Erwerbungen des Sonderbeauftragten für Linz, Hermann Voss, und des Referenten für den Sonderauftrag Linz, Gottfried Reimer, in den Niederlanden (1941–1945) B323/109 Schriftwechsel mit dem Architekten Hans Reger, Führerbau München, betreffs Einlagerung und Transport der erworbenen Kunstwerke (1939–1945) B323/132 Ankäufe für den „Sonderauftrag Linz“ aus dem deutschen und österreichischen Kunsthandel und Privatbesitz, Bd. 4 (1939–1945) B323/133 Ankäufe für den „Sonderauftrag Linz“ aus dem deutschen und österreichischen Kunsthandel und Privatbesitz 1939-1945, Bd. 5 (1940–1945) B323/153 Rechnungen über Ankäufe aus dem Kunsthandel und von privat in Deutschland und Österreich; Zahlungsanweisungen der Reichskanzlei 1943–1945, Bd. 1 (1944) B323/154 Rechnungen über Ankäufe aus dem Kunsthandel und von privat in Deutschland und Österreich; Zahlungsanweisungen der Reichskanzlei 1943–1945, Bd. 2 (1943–1944)

299

B323/155 Rechnungen über Ankäufe aus dem Kunsthandel und von privat in Deutschland und Österreich; Zahlungsanweisungen der Reichskanzlei 1943–1945, Bd. 3 (1944–1945) B323/158 Kunstankäufe der Reichskanzlei („Führerankäufe“) beim Haus der Deutschen Kunst in München und bei der Kunsthandlung Maria Dietrich (Galerie Almas), München (1937–1938) B323/159 Korrespondenz Reger (Transporte, Auslagerungen) B323/173 Rechnungen, Überweisungsanträge sowie -aufträge, Bd. 1 (1944–1945) B323/174 Rechnungen, Überweisungsanträge sowie -aufträge, Bd. 2 (1944–1945) B323/199 Geschäftsbuch der „Dienststelle Dr. Mühlmann“ beim Reichskommissar für die besetzten niederländischen Gebiete, Den Haag (1940–1941; 1952) B323/203 Gemälde aus dem Besitz des Fotografen Heinrich Hoffmann, Bd. 1, Fotoalbum mit Angaben u. a. der Münchener Nummer, zur Herkunft, zum weiteren Verbleib bzw. zur Restitution. B323/331 Identifizierung von Kunsteigentum – Nachforschungen zur Herkunft, zum Erwerb bzw. Verkauf, Bd. 1 (1947–1961): Aussagen und Erklärungen von Händlern und Verkäufern (A-J) B323/357 Rück- und Freigabe von Kunstwerken; Rückerstattungs- und Wiedergutmachungsverfahren, Bd. 1 (1945–1970): Buchstabe Aachen-Arnhold (1946–1964, 1970) B323/374 Rück- und Freigabe von Kunstwerken; Rückerstattungs- und Wiedergutmachungsverfahren, Bd. 18 (1945–1970): Einzelfälle Hinkes-Hoffmann (1947–1958) B323/383 Rück- und Freigabe von Kunstwerken; Rückerstattungs- und Wiedergutmachungsverfahren (1945–1970) B323/436 Restitutionsanträge aus Frankreich, Bd. 2: Ermittlungen zur Restitution von Kulturgütern nach Frankreich. Erwerber und Verwahrorte von Kunstgütern aus französischem Besitz (1945–1960)

300

B323/465 Restitutionen nach Österreich (1946–1971) B323/493 Restitutionsanträge der Tschechoslowakei, Bd. 2 (1945–1965): Bearbeitung von Einzelfällen B323/517 Verwaltung der Bestände für das „Deutsche Schloss Posen“ durch die Treuhandverwaltung (1941–1944) B323/564 Verzeichnis der der Treuhandverwaltung bekannt gewordenen Restitutionen, Bd. 3 (1945– 1962) B323/567 Verzeichnis der der Treuhandverwaltung bekannt gewordenen Restitutionen, Bd. 1 (1945– 1962): Restitutionen nach Frankreich (1962) B323/571 Verzeichnis der der Treuhandverwaltung bekannt gewordenen Restitutionen (1945–1962): Restitutionen nach Frankreich B323/583 Erwerbungen Martin Bormanns für den „Sonderauftrag Linz“ und das „Schloss Posen“ – Beglaubigung von Rechnungskopien und -abschriften aus den Jahren 1940–1944 durch die OFD München (1939–1944, 1970) B323/664 Sog. Restitutionskartei nach Münchner Nummer N 1826 Hildebrand Gurlitt B401 Bundesamt für Äußere Restitution1119, Nr. 58, 75, 78

Stadtarchiv Magdeburg Rep. 45 / HRB 1756 (Ebering)

Literaturarchiv Marbach Zugangsnummer HS.NZ80.0001.00052, Zugangsnummer 69.2124

1119 Es wurde nicht geprüft, inwiefern der Bestand mit den Akten des Bundesamtes für Äußere Restitution in Koblenz übereinstimmt. Die Stichproben ergaben, dass ein Großteil des Bestandes B401 auch über fold3 zugänglich ist, bis auf das Material zu Gerdy Troost (Nr. 75). 301

Staatsarchiv München (StAM) Amtsgericht München Registergericht, 25825 Sonderband der Registerakten HRA 15425, Aktenzeichen HRA 72 Spruchkammerakte Karton 285 (kurz: SpkA K) AG München, 1938/3928 Wiedergutmachungsbehörde WB I a 708 (Jordan) WB I a 2517 (Kuhn gegen Dietrich-Brettschneider) WB I a 2992 (Berolzheimer) WB I a 3104 und WB I 3105 (Possartstr. 6) WB I a 4040 und WB I a 4041 (Scharff) WB I a 4699 (Possartstr. 6) WB I a 6138 (Heilbronner) Oberfinanzdirektion München OFD 2292, Devisenprüfung bei Maria Almas-Diamant, Kunst- und Antiquitätenhandlung, 30. Mai 1939; Fall 750 OFD 7119, B I 402-403 (Scharff) OFD 7953 (Borges) Bezirksfinanzdirektion BFD III 7040/1 (Possartstr. 6 / Scharff) Vermögenskontrolle Garmisch-Partenkirchen 63 (Berolzheimer) Garmisch-Partenkirchen 63 (Possartstr. 6) FinA 19183 (Scharff)

Stadtarchiv München (StadtA München) GEW-GK-II-18: Gewerbekarte Maria Dietrich EWK 65 D834: Meldekarte Standesamt München I 1892/5447: Geburtsurkunde Maria Dietrich Standesamt München IV 1921/2003: Heiratsurkunde Maria Dietrich Meldeunterlagen Ali Almas (o. Sign.) Kriegssachschädenamt, Nr. 242 Kennkarten von Otto und Nelly Scharff

302

Verzeichnis der gewerbepolizeilich gemeldeten jüdischen Gewerbetreibenden in München I 4,6c „Sichergestellte Kunstgegenstände aus jüdischem Besitz. Die nachfolgend verzeichneten Bilder und Gegenstände sind für die Städt. Galerie bezw. für das Historische Stadtmuseum von Interesse“, 1939 I 4,6a „Verzeichnis jener Bilder und Gegenstände, welche für die städt. Galerie und das Stadtmuseum von Interesse sind“, 1939 Hausbogen Pilotystr. 10 (Lüdke) Einwohnerkartei 1976 / L 69 (Lüdke)

Bayerisches Hauptstaatsarchiv, München (BayHStA) NSDAP-Bauakten 11614 (Aufträge für Anschaffungen, Einrichtung verschiedene Gebäude, Korrespondenz Hummel/Michaelis/Bormann), 11615 (ebenso), 11625 (ebenso, v. a. Posen), 11626 (ebenso), 11627, 11628, 11629, 11638 (Kunsthändlerrechnungen, Almas), 11639 (Kunsthändlerrechnungen, keine Rechnung Almas), 11649 (Haus Bormann), 11673 (Bilderkäufe 1936–1944; Bezug Obersalzberg. Rechnungen von Kunsthändlern; keine Rechnung Almas) 11673, 11638, 11639 (Brüschwiler) MK 50862 (BStGS) MK 44778 (Buchner) MHIG 7055 Kunst- und Altertümerhandel 1917–1936, Bd. 1

Bayerisches Wirtschaftsarchiv, München (BWA München) K1 XVA 10c, 264. Akt, Fall 33 K1 XVA 10c, 367. Akt, Fall 59 K1 XX 64b, 1. Akt, Fall 29 F143/13, A-F (Bernheimer) F43/27, F43/167, F43/197, F43/236 (Lüdke)

Deutsches Kunstarchiv, Nürnberg (DKA) NL Böhler, Rechnungsbuch für Versteigerungen (I-B7) und Kassenbuch (I-B6) 1936–38 NL Posse, Hans: I, B-1 bis B-4 (0005-0011), I, B-4 (0012), I, B-4 (0047-0048), I, B-5 (0132- 0133), I, B-6 (0086)

303

Hessisches Hauptstaatsarchiv, Wiesbaden Abt. 518, Nr. 11619 (Fuld)

Archive außerhalb Deutschlands

Harvard University, Cambridge Fine Arts Library, Walther and Ellen Bernt Collection: Annotierte Auktionskataloge Hans W. Lange 12.–13.5.1942, 27.–29.1.1943, 16.–17.4.1943, 5.–6.10.1943

Algemeen Rijksarchief, Nederlandse Beheersinstituut, Den Haag 2.09.16 Nr. 854, 870, 877, 878, 880

National Archives, London FO 837 1157 1 (Safehaven Report)

Sonderarchiv Moskau 1524-2-43, Sonderkonto Frankreich

Archives nationales, Paris 20144657/6-7 (Ausfuhrgenehmigungen) F12/9629 (Dequoy, Birtschansky) F12/9630 (Engel) F12/9632 (Ratton, Rochlitz) F12/9633 Z/6/478 (Rochlitz)

Archives diplomatiques du ministère des Affaires étrangères, Paris (kurz: Archives diplomatiques, Paris) Récupération Artistique / 209 SUP 184 A 153 Œuvres d’Art achetées en France pendant la Guerre par Madame Almas Dietrich [s. auch 160 A 118] 373 P4 Liste des peintures exportées de France par les Allemands pendant l’occupation (Gillhausen, Dietrich) 389 P 24 et C 824 401 P40 (Wuester, Dossier Schenker, Gillhausen) 404 P46 (Gillhausen, Dietrich) 541 P248 (Škvor) 304

578 R 31 (Liste mit mutmaßlich falsch nach Frankreich restituierten Werken) 581 R37 (Collection Hitler, Hummel) 591 R36 (Brüschwiler) RA 962 Bildkartei

Archives de Paris Comité des profits illicites réalisés avec l’ennemi / 112W 75 (Dequoy) 96 (Tuffier) 101 (Donath) 109 (Birtschansky, Leegenhoeck) 142 (Mandl)

Stadtarchiv St. Gallen 450_XVII: Dossier Sturzenegger’sche Gemäldesammlung

National Archives Washington National Archives and Records Administration (NARA) Holocaust-Era Assets, Ardelia Hall Collection: Munich Administrative, Restitution Research Records: Record Group (RG) NARA, M1782, RG 239 • Reports by the Art Looting Investigation Unit of the OSS relating to jewels, paintings, and other art objects appropriated during WWII, Roll M1782_10F1: Consolidated Interrogation Reports (CIR) Report Number 4, Report Name: Linz: Hitler’s Museum And Library (kurz: NARA, CIR 4) [15.12.1945] • Reports by the Art Looting Investigation Unit of the OSS relating to jewels, paintings, and other art objects appropriated during WWII, Roll: M1782_10F1, Detailed Interrogation Reports (DIR): 1-Heinrich Hoffmann (kurz: NARA, DIR Heinrich Hoffmann) • Reports by the Art Looting Investigation Unit of the OSS relating to jewels, paintings, and other art objects appropriated during WWII, Roll 1782_10F1: Detailed Interrogation Reports (DIR): 2-Ernst Buchner (kurz: NARA, DIR Ernst Buchner)

NARA, M1926, RG 260, Roll 0146, Records of the Reparations and Restitutions Branch of the U.S. Allied Commission for Austria

305

NARA, M1941, RG 260, Roll 0006, Records Concerning the Central Collecting Points (Ardelia Hall Collection): OMGUS Headquarters Records, 1938–1951 (Manteau) NARA, M1941, RG 260, Roll 0031, Activity Reports (Gillhausen, Dietrich) NARA, M1944, RG 239, Roll 0045, Card File on Art-Looting Suspects, Dietrich, Frau Maria NARA, M1944, RG 239, Roll 0046, Card File on Art-Looting Suspects (Jurschewitz, Vatchnadzé) NARA, M1944, RG 239, Roll 0085, Einsatzstab Rosenberg, Subject Files NARA, M1944, RG 239, Roll 0094, Records of the American Commission for the Protection and Salvage of Artistic and Historic Monuments in War Areas, 1943–1946: Detailed Interrogation Reports (DIR): 12-Hermann Voss (kurz: NARA, DIR Hermann Voss) NARA, M1946, RG 260 Roll 0001, Art Dealing 1945–1951 Roll 0001, Art Dealers Licenses Index (u. a. Gillhausen) Roll 0038, Restitution Claim Records (Miedl) Roll 0040, Restitution Claim Records (Gillhausen) Roll 0040, Restitution Claim Records (Czechoslovakia Claims) Roll 0046, Restitution Claim Records (Scharff) Roll 0048, Restitution Claim Records (Gillhausen) Roll 0048, Restitution Claim Records (Drey) Roll 0060–0063, Restitution Claim Records (Caspari) Roll 0069, Restitution Claim Records, Investigation Correspondence, Bornheim-Dietrich Roll 0070, Restitution Claim Records, Investigations Correspondence, Kastner-Weinmuller (Case Dietrich, Auslagerungen) Roll 0117, Restitution Research Records, Art Objects Confiscated in France: Deposited at the German Embassy Roll 0118, Restitution Research Records (Lüdke)  Roll 0120, Administrative records, correspondence, denazification orders, custody receipts, property cards, Jewish restitution claim records, property declarations, and other records from the Munich CCP, Restitution Research Records (1945–1950): Dietrich, Maria Almas: purchases and bank receipts (kurz: NARA, Dietrich, Maria Almas: purchases and bank receipts) https://www.fold3.com/image/270040231  Roll 0120, Administrative records, correspondence, denazification orders, custody receipts, property cards, Jewish restitution claim records, property declarations, and other

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records from the Munich CCP, Restitution Research Records (1945–1950): Dietrich, Maria Almas: receipts a-m (kurz: NARA, Dietrich, Maria Almas: receipts a-m) https://www.fold3.com/image/270040748  Roll 0120, Administrative records, correspondence, denazification orders, custody receipts, property cards, Jewish restitution claim records, property declarations, and other records from the Munich CCP, Restitution Research Records (1945–1950): Dietrich, Maria Almas: receipts n-z (kurz: NARA, Dietrich, Maria Almas: receipts n-z) https://www.fold3.com/image/270041172  Roll 0120, Records Concerning the Central Collecting Points (‘Ardelia Hall Collection’): Munich Central Collecting Point, 1945–1951: Dietrich Maria Almas: Interrogation (kurz: NARA, Dietrich, Maria Almas: Interrogation) https://www.fold3.com/image/270037805 Roll 0121, Restitution Research Records, Einsatzstab Reichsleiter Rosenberg: Consolidated Interrogation Report No. 1 Roll 0136, Restitution Research Records (Gillhausen) Roll 0137, Restitution Research Records (Gillhausen)

NARA, M1947, RG 260, Roll 0003, Claims NARA, M1949, RG 260, Roll 0011, Cultural Property Claim Applications (Škvor) NARA, RG 242, Microfilm Nr. T254: Theo Morell Papers, Roll 41 und Roll 45 NARA, A3389, RG 260, Roll 0053: Records Concerning the Central Collecting Points (Ardelia Hall Collection), Restitution Files, Claims of Czechoslovakia NARA, Art Treasures Vol. IV. Holocaust-Era Assets, Ardelia Hall Collection: Munich Administrative, Restitution Research Records, Haberstock, Karl: Correspondence

Bundesdenkmalamt Wien (BDA Wien) K8 M15 Almas Dietrich, Ministerium für innere und kulturelle Angelegenheiten Dokument der Zentralstelle für Denkmalschutz, Personalmaterialien, Mappe Almas Ausfuhrmaterialien 1509-1938 1724-1938 2565-1938 4107-1938 7273-1938 307

Restitutionsmaterialien Karton 39/1 (Kean – Knüpffer), Personenmappe Stephan Kerlin Karton 40/2 (Lion – Luzzato-Pollitzer), Personenmappe Loeffler Karton 41/2 (Mises – Mussulin), Personenmappe Bertha Morelli RH 11/2002, Edgar Schiffmann

Österreichisches Staatsarchiv/Archiv der Republik, Wien (ÖStA/AdR) RK/Korrespondenzen, Marie Almas E-uReang VVSt VA Buchstabe L 28887, Irma Löwenstein UKW BMU, Kt. 69, Sig. 15, Sammelmappe 429 „Vermeer – Der Künstler in seinem Atelier“

Stadt- und Landesarchiv, Wien Historische Meldeunterlagen, D-Antiquariat

Museumsarchive

Kunstsammlungen und Museen Augsburg Ordner IV/3430 A-E

Kunsthalle Bremen Archiv der Kunsthalle Bremen, Gutachten, 1934–35 Archiv der Kunsthalle Bremen, Gutachten 1.1.–30.9.1938

Staatliche Kunstsammlungen Dresden Wiedemann-Liste

Staatsarchiv Hamburg 331-3 Abl. 38, Bestand 12, SA 14 Türken

Städelsches Kunstinstitut Frankfurt am Main, Städtische Galerie Archiv Sig. 650 Nr. 608, 731 (Flersheim)

Bayerische Staatsgemäldesammlungen, München (BStGS)1120 Akten der Direktion der Bayerischen Staatsgemäldesammlungen in München Nr. 305: Kaufangebote durch Kunsthandlungen 1937–1952

1120 Die Akten befinden sich jetzt im Hauptstaatsarchiv München und erhalten dort neue Signaturen. Hier wurden die alten Signaturen der BStGS verwendet, die zum Zeitpunkt der Aufnahme dokumentiert wurden. 308

Nr. 460: Kaufangebote durch Private 1939–41 Nr. 461: Kaufangebote durch Private 1942–45 Nr. 643: Gemälde-Erwerb durch Kauf 1.4.1938–31.3.1939 Nr. 644: 23/1 (1938–1940) Nr. 646: Gemälde-Erwerb durch Kauf 1.4.1939–31.3.1941 Nr. 648: Gemälde-Erwerb durch Kauf 1.4.1942–31.3.1943 Nr. 665: 24/1 (1931–1941) BNM Dok. 199 (Scharff)

Stadtmuseum München Ordner „1930-1951“ Ordner „Schriftverkehr wegen Freigabe des Museumsgutes“ Ordner „Schriftwechsel Georg Neuner von 1938–1960“ Ordner „Auslandsankäufe im Krieg“ Inventarbücher (1932–1945)

Germanisches Nationalmuseum, Nürnberg Katalog der städtischen Kunstsammlung HA, GNM-Akten, Vorgang K. 133

Deutsches Ledermuseum Offenbach Korrespondenz G-K, Korrespondenz S-Z, Korrespondenz L-R

Národní galerie, Prag Informace Věc: Josef Škvor – restituce Tizianova a Van Dyckova obrazu

Archiv der Österreichischen Galerie Belvedere, Wien 1939/381, 1939/498, 1940/80, 1941/39, 1941/185, 1941/271, 1941/507, 1942/136, 1942/251, 1942/481

Deutsches Zentrum Kulturgutverluste, Magdeburg Abschlussbericht Museum Folkwang, Zugänge von Gemälden des 19. Jahrhunderts an das Museum Folkwang, Essen, und das Museum für Kunst und Kulturgeschichte, Dortmund, unter Beteiligung der Galerie Dr. W.A. Luz, Berlin, und anderer Kunsthandlungen, 1935– 1945, verfasst von Ulrike Gärtner, Sibylle Ehringhaus 2012. (kurz: Gärtner/Ehringhaus 2012)

309

Abschlussbericht Städtisches Museum Braunschweig, Erwerbungen für die Formsammlung der Stadt Braunschweig 1941–1944, verfasst von Hansjörg Pötzsch 2013. (kurz: Pötzsch 2013)

Abschlussbericht Kunstsammlungen und Museen Augsburg 2009–2011, Erschließung und provenienztechnische Überprüfung der Objekte der Kunstsammlungen und Museen Augsburg, die zwischen 1933 und 1955/60 angekauft wurden, verfasst von Horst Keßler 2014. (kurz: Keßler 2014)

Abschlussbericht Deutsches Ledermuseum Offenbach, Erwerbungen des Deutschen Ledermuseum Offenbach in den Jahren 1933–1945, verfasst von Beatrix Piezonka 2014. (kurz: Piezonka 2014)

Abschlussbericht Staatliche Museen zu Berlin, Kupferstichkabinett: Die Erwerbungen der „Sammlung der Zeichnungen“ (ehem. Nationalgalerie) 1933 bis 1945, Anlage 3 Dokumentation der handelnden Personen und Vorbesitzer, verfasst von Hanna Strzoda 2017. (kurz: Strzoda 2017)

Online-Datenbanken/Digitale Ressourcen Aktives Museum, Gesamtaufnahme Kunsthandel in Berlin 1928–1943 Archives diplomatiques, Paris: Collection Schloss Arthistoricum ArtNews Auktionshäuser: Christie’s, Sotheby’s, Karl & Faber, Dorotheum Bundesverwaltungsamt, Provenienzdatenbank Bund (kurz: BVA Provenienzdatenbank) Cultural Plunder by the Einsatzstab Reichsleiter Rosenberg: Database of Art Objects at the Jeu de Paume Datenbank zur Erschließung der Weinmüller-Kataloge Deutsches Historisches Museum, „Central Collecting Point München“ (kurz: Datenbank CCP) Deutsches Historisches Museum, „Sonderauftrag Linz“ Deutsches Historisches Museum, Die Kunstsammlung Hermann Göring (kurz: DHM, Göring) GDK Research Germanisches Nationalmuseum Nürnberg, Galerie Heinemann online (kurz: Galerie Heinemann online)

310

Germanisches Nationalmuseum, Datenbank provenienz.gnm Getty Research Institute (GRI), Provenance Index Herkomst Gezocht, Den Haag Internet Movie Database (IMDb) Internetportal Rheinische Geschichte Lebendiges Museum online Leo Baeck Institute Lexikon der österreichischen Provenienzforschung Lootedart Lost Art-Datenbank, Deutsches Zentrum Kulturgutverluste Open Art Data RKD, Nederlands Instituut voor Kunstgeschiedenis Site Rose-Valland, Musées Nationaux Récupération (kurz: Site Rose Valland, MNR) Staatliche Museen zu Berlin, Galerie des 20. Jahrhunderts The Met Collection The Paintings of Paul Cézanne: An online catalogue raisonné under the direction of Walter Feilchenfeldt, Jayne Warman and David Nash Universitätsbibliothek Heidelberg, German Sales Wikipedia

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Abbildungsverzeichnis und Abbildungen

Abb. 1 Cramer-Klett-Palais, München (ehem. Palais Schönborn-Wiesentheid) © Bildarchiv Foto Marburg / Carl Teufel / Benno Filser Aufnahmedatum: 1932, Aufnahme-Nr. 120.338 Abb. 2 + 3 Cramer-Klett-Palais nach der Zerstörung Quelle: Stadtmuseum München, Bestand Georg Neuner, Ordner „1930– 1951“ Abb. 4 Erste nachweisbare Anzeige in der Weltkunst Quelle: Weltkunst, Jg. 8. H. 49, 9.12.1934, S. 9 Abb. 5–16 Diverse Anzeigen 1935–1943 5) Quelle: Weltkunst, Jg. 9, H. 29/30, 28.7.1935, S. 7 6) Quelle: Weltkunst, Jg. 11, H. 17, 25.4.1937, S. 2 7) Quelle: Weltkunst, Jg. 12, H. 3, 16.1.1938, S. 3 8) Quelle: Weltkunst, Jg. 8, H. 48/49, 10.12.1939, S. 2 9) Quelle: Weltkunst, Jg. 15, H. 23/24, 8.6.1941, S. 2 10) Quelle: Weltkunst, Jg. 16, H. 13/14, 29.3.1942, S. 2 11) Quelle: Weltkunst, Jg. 17, H. 1/2, 3.1.1943, S. 2 12) Quelle: Weltkunst, Jg. 17, H. 15/18, 16.5.1943, S. 3 13) Quelle: Münchener Mosaik, Jg. 3, August 1940, o. S.: A. Pettenkofen „Soldat, Kindern Brot schenkend“ 14) Quelle: Münchener Mosaik, Jg. 5, Juni 1942, o. S.: Emma von Müller „Bauernmädchen mit Haube“ 15) Quelle: Große Deutsche Kunstausstellung im Haus der Deutschen Kunst, 1937, S. 57 16) Quelle: Große Deutsche Kunstausstellung im Haus der Deutschen Kunst, 1941, o. S.: Heinrich von Zügel „An der Pfütze“ Abb. 17 Anzeige mit Werkabbildung: Jan von Scorel „Herrenporträt” Quelle: Kunst dem Volk, Jg. 12, H. 4, April 1941, S. 72 Abb. 18 Adolf Hitler und der sowjetische Volkskommissar für Auswärtige Angelegenheiten, Wjatscheslaw M. Molotow, unterhalten sich – mit der „Toteninsel“ im Hintergrund, 12./14.11.1940 Quelle: SMB-ZA, II/VA 15843

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Abb. 19 Hochzeit Marianne Schönmanns, 7.8.1937 Quelle: Bayerische Staatsbibliothek München/Bildarchiv, Fotoarchiv Heinrich Hoffmann (hoff-15850) Abb. 20 Friedrich August von Kaulbach „Portrait of Nelly (Steinharter) Scharff with Gertrude and Liselotte“, 1920 Quelle: Leo Baeck Institute, Art and Objects 2017.15 Abb. 21 Jacopo Pontormo „Mädchen mit der Nelke“, im Besitz der Galerie Almas Quelle: Weltkunst, Jg. 18, H. 1, 15.1.1944, S. 3 Abb. 22 Tizian (?) „Le cardinal Georges d’Armagnac et Guillaume Philandrier“, Musée du Louvre, département des Peintures, Paris, MNR 959 Quelle: bpk / RMN – Grand Palais / Franck Raux Abb. 23 Thomas Willeboirts Bosschaert „Die Verherrlichung Mariä“/„Maria with a Child and Music Angels“, Národní galerie, Prag, Inv.-Nr. O 12269 Quelle: © National Gallery Prague 2021 Abb. 24 Gruppenbild/Wohnung von Maria Almas-Dietrich, 1950 Quelle: Bayerische Staatsbibliothek München/Bildarchiv, Fotoarchiv Heinrich Hoffmann (hoff-19) Abb. 25 Bildnis Maria Dietrich von Conrad Hommel, 1953 (?) Quelle: Weltkunst, Jg. 32, H. 13, 1.7.1962, S. 13 Foto für Reproduktion: Dietmar Katz Abb. 26 „Die Münchner Kunsthändlerin Frau Maria Dietrich feiert ihren 75. Geburtstag“ Quelle: Weltkunst, Jg. 37, H. 13, 1.7.1967, S. 644 Foto für Reproduktion: Dietmar Katz Abb. 27 „Frau Mimi tho Rahde zeigt Bankier Reuschel und Staatsminister Dr. Ankermüller eine wertvolle Porzellandose“ Quelle: Weltkunst, Jg. 28, H. 22, 15.11.1958, S. 8 Foto für Reproduktion: Dietmar Katz Abb. 28 6. Deutsche Kunst und Antiquitäten-Messe in München 1961: Stand der Galerie Almas, mit Mimi tho Rahde Quelle: Weltkunst, Jg. 60, H. 17, 1.9.1990, S. 2536 Abb. 29 Neueinrichtung der Galerie Almas 1962 Quelle: Weltkunst, Jg. 32, H. 13, 1.7.1962, S. 13 Foto für Reproduktion: Dietmar Katz

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Abb. 30 Anzeige mit Ansicht des Verkaufsraums: „Erlesene Antiquitäten des 18. Jahrhunderts Galerie Almas – Mimi tho Rahde Kunst und Antiquitäten, Einrichtungen des 18. Jahrhunderts, Brienner Str. 1/I, München“ Quelle: Weltkunst, Jg. 60, H. 17, 1.9.1990, S. 2421

Die Verfasserin hat sich bemüht, sämtliche Inhaber:innen von Bildrechten ausfindig zu machen und ihre Zustimmung zur Verwendung der Bilder in dieser Arbeit einzuholen. Sollte dennoch eine Urheberrechtsverletzung bekannt werden, ersucht sie um Meldung.

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Abbildung 30

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Anlagen1121

ANLAGE 1 Kunst- und Antiquitätenhändlerinnen

Verzeichnet wurde eine Auswahl der Kunsthändlerinnen (Deutschland, Österreich, Schweiz, Frankreich), die in verschiedenen Zusammenhängen aufgefallen sind und in dieser Arbeit nicht näher behandelt wurden.1122

Name Stadt Lebensdaten Erna Gerlach1123 Berlin unbekannt Frieda Hinze1124 Berlin 1902–1991 Eleonore Ilgner / Renate Ilgner (Tochter) Berlin unbekannt Margarethe Noelle, verh. Sell, Galerie Matthiesen1125 Berlin 1901–1984 Helene Scheduikat1126 Berlin 1890–? Erna Hedwig Schönert1127 Dresden 1889–1975 Johanna Ey Düsseldorf 1864–1947 Hella Nebelung Düsseldorf 1912–1985 Paula Heuser1128 Hamburg unbekannt Aenne Abels1129 Köln 1900–1975 Johanna Ackermann, Kunstantiquariat Ackermann & München 1889–1956 Sauerwein, Moderne und Alte Grafik1130 Paula von Kosel München unbekannt Anna Landsberg1131 München 1883–1959

1121 In den Anlagen 2–9 wurden Informationen aus Akten exzerpiert und hierbei wurde grundsätzlich der jeweilige Sprachmodus beibehalten, ohne jede entsprechende Angabe einzeln als Zitat zu kennzeichnen. 1122 S. u. a. NARA, M1946, RG 260, Roll 0001, Art Dealers Licenses Index, S. 1–9: Liste der im 3. Vierteljahr 1947 [...] lizenzierten Kunsthändler: Verweise auf weitere Kunsthändlerinnen in München. S. auch Aktives Museum, Gesamtaufnahme Kunsthandel in Berlin 1928–1943. 1123 BArch Berlin, R9361-V-100164: Kunsthandlung Erna Gerlach (nicht geprüft). BStGS, Archiv, Nr. 646: Gemälde-Erwerb durch Kauf 1.4.1939–31.3.1941. 1124 Vgl. hierzu das Dissertationsvorhaben von Doris Kachel, Freie Universität Berlin: „Frieda Hinze – Eine Berliner Kunsthändlerin und Sammlerin im Wandel des 20. Jahrhunderts“. Der schriftliche Nachlass von Frieda Hinze gelangte 2016 in das Zentralarchiv der Staatlichen Museen zu Berlin. 1125 SMB, Galerie des 20. Jahrhunderts, Kunsthandel A-Z: Eintrag zur Galerie Matthiesen, Berlin/London (http://www.galerie20.smb.museum/kunsthandel/K46.html – zuletzt besucht am 25.8.2019). 1126 Heike Stange: Helene Scheduikat. Eine der wenigen Frauen in der Versteigerungsbranche, S. 99–104. In: Ausst.-Kat. Gute Geschäfte 2011. 1127 Strzoda 2017, S. 235f. 1128 Zwei Transaktionen mit der Galerie Almas fanden im Februar und März 1943 statt (Linz-Nr. 2711, 2712, 2729). 1129 Frühjahrstagung Arbeitskreis Provenienzforschung e. V. in Dresden, 24.4.–26.4.2017, Posterpräsentation von Isabel Hufschmidt, Folkwang Museum Essen: Nach der Einberufung Hermann Abels’ zum Kriegsdienst war Aenne Abels als Geschäftsführerin der Galerie tätig. Sie betreute auch Vorgänge des „Sonderauftrag Linz“. 1130 Strzoda 2017, S. 1: Eröffnung 1933 gemeinsam mit Ehemann Walter Sauerwein (1889–1968). 324

Karoline Anny Lang, geb. Franz, gesch. Dürig1132 München 1870–1945 Viktoria (Vita) Maria Künstler, Neue Galerie Wien Wien 1900–? Karoline (Lilly) Nehammer, geb. Prinz1133 Wien 1888–? Andreina Schwegler-Torré, Kunsthandlung „Ars Zürich 1908–1991 Domi Antiquités“1134 Alice Manteau, Tableaux Anciens et Modernes1135 Paris 1890–?

1131 Zusammenhang mit der Galerie Almas: Linz-Nr. 1681. BVA Provenienzdatenbank, Linz-Nr. 788: Informationen zum Verhältnis von Anna Landsberg und Karoline Anne Lang. Laut BVA Provenienzdatenbank: Einwohnermeldeauskunft im Stadtarchiv München verfügbar. 1132 Zusammenarbeit mit Gerdy Troost. Laut BVA Provenienzdatenbank: Einwohnermeldeauskunft im Stadtarchiv München verfügbar. 1133 Lexikon der österreichischen Provenienzforschung (http://www.lexikon-provenienzforschung.org/nehammer-karoline – zuletzt besucht am 25.8.2019). 1134 Thomas Buomberger: Raubkunst, Kunstraub: die Schweiz und der Handel mit gestohlenen Kulturgütern zur Zeit des Zweiten Weltkriegs, Zürich 1998, S. 226ff. 1135 NARA, M1941, RG 260, Roll 0006, Records Concerning the Central Collecting Points (Ardelia Hall Collection), OMGUS Headquarters Records, 1938–1951: Während der Okkupation verkaufte Alice Manteau Werke an Museen in Frankfurt, Wuppertal, Düsseldorf, Bonn, Krefeld, Straßburg und Nürnberg. Kontakte bestanden u. a. zu Walter Andreas Hofer (für Göring), Cornelius Postma, Hans W. Lange, dem „Sonderauftrag Linz“ (Linz-Nr. 1836) und Maria Dietrich. Ein Angebot von Manteau erreichte die Galerie Almas bereits im Herbst 1940 (Fabritius, Cleve). Alice Manteau war mit dem Kunsthändler F. G. Cloots verheiratet. Es besteht dringender Forschungsbedarf. 325

ANLAGE 2 Objekte in der Werbung bis 1945

Weltkunst . Jg. 11, H. 28/29, 18.7.1937, S. 4: E. Grützner „Bauerntheater“, ausgestellt in den Räumen der Fa. Maria Almas (während der GDK 1937) . Jg. 12, H. 51, 18.12.1938, S. 4: Ludwig Zumbusch „Kinder unter dem Baum“, Kunsthandlung Maria Almas . Jg. 13, H. 3/4, 22.1.1939, S. 6: Rudolf von Alt „Votivkirche in Wien“, im Besitz der Kunsthandlung Maria Almas . Jg. 13, H. 17, 30.4.1939, S. 4: Hugo Kauffmann „Die Versteigerung“, ausgestellt bei Maria Almas . Jg. 15, H. 15/16, 13.4.1941, S. 7: Meister der weiblichen Halbfiguren, ausgestellt in der Galerie Almas . Jg. 15, H. 33/34, 17.8.1941, S. 3: Francesco Guardi „Italienische Landschaft“, im Besitz der Galerie Almas-Dietrich . Jg. 15, H 47/48, 23.11.1941, S. 3: Joh. Ernst Heinsius „Selbstbildnis“ im Besitz der Galerie Maria Dietrich (Linz-Nr. 2005, am 4.7.1941 von Paul Cailleux, Paris erworben) . Jg. 16, H. 21/22, 24.5.1942, S. 8: Jean Louis François Lagrenée „Madame Pompadour“, im Besitz der Galerie Maria Dietrich . Jg. 18, H. 1, 15.1.1944, S. 3: Jacopo Pontormo „Mädchen mit der Nelke“, im Besitz der Galerie Almas (Mü-Nr. 19980/3)

Kunst dem Volk . Jg. 12, H. 6, Juni 1941, Innenseite Cover/ganze Seite: Meister der weiblichen Halbfigur „Madonna mit Kind“ (auch abgebildet in: Weltkunst, Jg. 15, H. 15/16, 13.4.1941, S. 7) . Jg. 12, H. 7, Juli 1941, Rückseite des Heftes: Ferdinand Georg Waldmüller „Porträt des Bürgermeisters von Frankfurt, G. F. v. Guaita“; „verkauft an eine öffentliche Sammlung“ (gemeint ist die Linzer Sammlung, Linz-Nr. 1701, im Mai 1941 von Richard von Kühlmann, Berlin erworben) . Jg. 12, H. 8, August 1941, S. 46/halbe Seite: Felix Leicher „Religiöse Darstellung“ (Linz- Nr. 1945, im Mai 1941 von Simon Meller, Paris erworben) . Jg. 12, H. 11, November 1941, letzte Seite/halbe Seite: François Boucher „La Fontaine“ (Linz-Nr. 2252, im September 1941 von Roger Dequoy, Paris erworben, im Mai 1942 an Linz verkauft; nach Veröffentlichung der Abb. hier)

326

. Jg. 13, H. 1, Januar 1942, Innenseite Cover: Franz Xaver Winterhalter „Porträt des Prinzen Adalbert von Preußen“ (Linz-Nr. 2225, im Juli 1941 in Paris erworben, im März 1942 an Linz verkauft; nach Veröffentlichung der Abb. hier) . Jg. 13, H. 2, Februar 1942, Innenseite Cover: Jean Louis de Marne „Landschaft mit Hirtenszene“ (Linz-Nr. 2003, im September 1941 von W. Peltzer, Paris erworben) . Jg. 13, H. 3, März 1942, Innenseite Cover: Antonio Lonza „Rokokoherren im Vestibül“ . Jg. 13, H. 4, April 1942, Innenseite Cover: Josef Chelmonski „Polnische Landschaft mit Schlitten“ . Jg. 13, H. 7, Juli 1942, Innenseite Cover: Otto Seitz „Musizierende Familie im Park“ . Jg. 13, H. 8, August 1942, Innenseite Cover: William Guilliaum Herp „Landschaft“ . Jg. 13, H. 10, Oktober 1942, Innenseite Cover: David Ryckaert „Landschaft mit Personen“ . Jg. 13, H. 11, November 1942, Innenseite Cover: Eduard Gritzner [sic] „Stilleben mit Weinkrug und Austern“ . Jg. 13, H. 12, Dezember 1942, Innenseite Cover: Januarius Zick o. T. . Jg. 14, H. 1, Januar 1943, Innenseite Cover: G. P. Pannini „Architektur-Landschaft“ . Jg. 14, H. 2, Februar 1943, Innenseite Cover: Josef Schwemminger „Der Hallstätter Kirchhof mit See“ . Jg. 14, H. 3, März 1943, Innenseite Cover: F. Stahl „St. Martin“ . Jg. 14, H. 6, Juni 1943, Innenseite Cover: Albert Zimmermann „Landschaft“ . Jg. 14, H. 7, Juli 1943, Innenseite Cover: B. C. Koekkoek „Landschaft“ . Jg. 14, H. 8, August 1943, Innenseite Cover: F. A. von Kaulbach „Mädchenbildnis“ . Jg. 14, H. 9, September 1943, Innenseite Cover: François Roubaud „Kosaken durch einen Fluß reitend“ . Jg. 14, H. 10, Oktober 1943, Innenseite Cover: Vincent Selaer „Leda mit dem Schwan“ . Jg. 61136, H. 1–2, Januar/Februar 1944, Innenseite Cover: Eugène Louis Boudin „Antwerpen“

Münchener Mosaik1137 . Jg. 3, August 1940: A. Pettenkofen „Soldat, Kindern Brot schenkend“ (Abb. 13) . Jg. 4, Juni 1941: J. K. Stieler „Frauenporträt“ . Jg. 4, Juli/August 1941: Eduard Grützner „Fallstaff“ (weitere Anzeige mit einer Variante des „Fallstaff“ von Grützner, keine Übereinstimmung mit Linzer Bildern)

1136 Abweichende Zählfolge ab 1944. 1137 Alle ohne Seitenangaben. 327

. Jg. 4, September 1941: Lorenz Quaglio „Gartenlandschaft“ . Jg. 4, Dezember 1941: Karl Friedrich Moritz Müller, genannt Feuermüller „Der Kirchgang“ . Jg. 5, Mai 1942: August Podesta „Gebirgslandschaft“ (eine Landschaftsdarstellung von Podesta wurde 1942 von Hugo Engel, Paris erworben) . Jg. 5, September 1942: Emma Müller „Bauernmädchen mit Haube“ (Linz-Nr. 2369) . Jg. 5, September 1942: Paul Bürde „Familienbild“ (Linz-Nr. 2360) . Jg. 5, November 1942: Georg Papperitz „In der Bauernschänke“ (Linz-Nr. 2435) . Jg. 5, Dezember 1942: Franz Defregger „Porträt eines Veteranen“ (Linz-Nr. 2382)

328

ANLAGE 3 Wirtschaftliche Einordnung1138

1. „Verkäufe der Fa. Dietrich-München an Sonderauftrag Linz“1139

1940 1941 1942 1943 1944 unvollständig Einkauf 90.000 614.975 268.075 Prov. 9.000 Prov. Prov. 15.300 5.500 22.500 245.980 Verkauf 130.000 956.300 460.800 35.500 319.000 Objekte 1 Gemälde 48 25 2 10 Gemälde Gemälde Gemälde Gemälde 24 Teller 5 Teller Verdienst 31.000 310.725 181.725 13.000 73.020 609.470 [in Gesamtverdienst Bleistift:] 609.470 RM [in + 2 Bleistift:] 616.470 Gemälde RM Erw. 12.000 Verk. 19.000 Verd. 7.000

2. „Zusammenstellung der Gesamteinkünfte Frau Maria Dietrich, München“ 18.2.19461140 1938 483.000 1939 229.000 1940 306.000 1941 514.000 1942 393.000 1943 505.000 1944 216.000

3. „Galerie Maria Dietrich“1141

Einkommens- Gewinn- Vermögens- Umsatz- Gewerbe- Kultur- Bürger- Ausgleichs- steuer abfuhr steuer steuer steuer kammer steuer umlage 1938 193.200 - ca. 1.500 20.850 6.159,40 ca. 3.000 ca. 4.500 - 1939 106.866 - ca. 1.500 12.957 62.673 ca. 3.000 ca. 4.500 - 1940 168.225 - 3.015 13.153 28.454 5.212 ca. 6.000 - 1941 282.683 - 3.015 27.938,30 37.853,40 ca. 5.000 ca. 9.000 - 1942 230.986 - 3.435 21.872,45 75.294 6.954,50 ca. 6.000 - 1943 268.129 89.100 3.435 18.966,05 58.676 4.355 (abgelöst) 3.572 voraussichtlich 1944 123.150 3.435 7.525,60 29.842,80 3.402 (abgelöst) 9.772 1.373.239 89.100 19.335 123.262,50 296.952,60 30.923,50 30.000 13.344

1138 Die Summen sind in Reichsmark angegeben. Ergänzungen der Verfasserin sind in eckigen Klammern vermerkt. 1139 NARA, Dietrich, Maria Almas: purchases and bank receipts, S. 25. 1140 NARA, Dietrich, Maria Almas: Interrogation, S. 33. 1141 NARA, Dietrich, Maria Almas: Interrogation, S. 61. Diese Aufstellung wurde vermutlich von Maria Dietrich oder von fremder Hand mittels ihrer Unterlagen erstellt. Jedoch entstanden dabei Rechenfehler: Die Umsatzsteuer beträgt insg. 123.262,40.- RM und die Gewerbesteuer insg. 298.952,60.- RM. 329

4. Arbeitsblatt Maria Dietrich aus Spruchkammerakte1142

Einkommenssteigerung Vermögenssteigerung [gemeint ist Einkommen] [gemeint ist Vermögen] 1932 15.000 100.000 1943 505.000 750.000

5. Mitteilung der Handelskammer an die RdbK 19.6.19391143 Geschäftsvermögen Jahresumsatz 1938 120.000 2.500.000 [Juni 1939]

6. Devisenprüfung vom 30.5.19391144 Reingewinn Geschäftskapital Umsatz [Reinertrag] 1937 309.561 47.531 87.503 2.514.920 447.270 [weicht von 2. ab] 1938 [1.1.1938]

7. Steuerbilanz 1943 (Stichtag 31.12.1943)1145 Warenbestand Gewinn Ausgaben 1943 810.762,30 489.293,84 hier nicht aufgenommen (u. a. [weicht von 2. ab] Hoffmann-Verlag für Inserate 1.500, Lieferanten 14.965 etc.)

8. Angabe aus CIR No. 4, Linz. Hitler’s Museum and Library1146 Jahr Einkommen 1937 47.000 1938 483.000 1939 [keine Angabe] 1940 [keine Angabe] 570.000 [stimmt nicht mit 2. 1941 überein] 1942 [keine Angabe] 1943 505.000 1944 216.000

1142 StAM, SpkA K 285, o. Bl. 1143 BWA München, K1 XVA 10c, 264. Akt, Fall 33: Industrie- und Handelskammer zu München an die Reichskammer der bildenden Künste, Landesleitung Bayern, München, 19.6.1939. 1144 StAM, OFD 2292, Devisenprüfung bei Maria Almas-Diamant, Kunst- und Antiquitätenhandlung, 30.5.1939: Bericht vom 3.6.1939, Fall 750. 1145 StadtA München, Kriegssachschädenamt, Nr. 242, Bl. 31ff.: Kriegsschädenamt an Hermann Gegerle, 16.3.1945. Um eine weitere Vorauszahlung leisten zu können, wurde die Steuerbilanz der Firma Maria Dietrich von 1943 benötigt. 1146 NARA, CIR 4, S. 60. 330

9. Vergleich Hildebrand Gurlitt1147 Verdienst Reingewinn Nettogewinn 1943 178.000 167.000 574.000 (davon 104.000 (bei 470.000 Steuern und ausstehenden vier Abgaben) Monaten) Zwischenbilanz für die ersten acht 1944 Monate 1944

10. Vergleich W. A. Luz1148 Erlöse aus Warenbrutto- Warenverkäufen gewinn Gewinn 1942 313.725,83 262.825,71 1943 937.929,82 589.854,14 534.730,43 [vermutlich vor Steuerabzug]

11. Durchschnittliches Entgelt pro Jahr1149 1943: 2.324

1147 Johannes Gramlich/Meike Hopp: „Gelegentlich wird Geist zu Geld gemacht“ – Hildebrand Gurlitt als Kunsthändler im Nationalsozialismus, S. 32–47. In: Ausst.-Kat. Bestandsaufnahme Gurlitt 2017, hier S. 37: Gramlich/Hopp beziehen sich auf das Bundesgesetzblatt I 2002, S. 869f. 1148 BArch Berlin, R9361-V-27842, Bl. 29, 31. 1149 Birgit Schwarz: Hildebrand Gurlitt und der „Sonderauftrag Linz“, S. 48–55. In: Ausst.-Kat. Bestandsaufnahme Gurlitt 2017, S. 55. 331

ANLAGE 4 Objekte Sammlung Heinrich Hoffmann

Bezug Heinrich Hoffmann jr. . Gemälde von Grützner „Stilleb. Schinken Hummer“ / Galerie Almas / 1940? vor dem Anschluss möglich. Über Gillhausen aus deutsch arisch. Privatbes. (Mü-Nr. 1784/9) . Gemälde von Hans Best „Bauernpaar in der Stube“ / Galerie Almas / ca. 1940 „as a gift from Munich“, vom Künstler (Mü-Nr. 27864) . Gemälde von Spitzweg „Der Kakteenfreund“ / Hochzeitsgeschenk von meinen Eltern 1942 von Almas? aus deutschem Privatbesitz (Mü-Nr. 1794/18, Album Hoffmann, Nr. 73) . Aquarell von Rudolf Alt „Blick auf Prag“, Geschenk meiner Eltern 1944? v. Dietrich? (Mü-Nr. 27927, Album Hoffmann, Nr. 151)1150 . Gemälde von Gebler „Schafe im Stall“ / Galerie Almas (Mü-Nr. 7458, Album Hoffmann, Nr. 157) . Gemälde von Bürkel „Reiter in der Pusta“ [sic] / durch Tausch mit meinem Vater / v. Dietrich 1938, Familie Bürkel (Mü-Nr. 27908, Album Hoffmann, Nr. 95) . Gemälde von Bock „Stilleben“ / v. Künstler über Almas (Mü-Nr. 27899, Album Hoffmann, Nr. 272)1151

Bezug zu den Bayerischen Staatsgemäldesammlungen 1) Max Emanuel Ainmiller „Kircheninneres“ (ehem. Inv.-Nr. 12896, Mü-Nr. 27892) Sammlung Heinrich Hoffmann, Nr. 158 (laut Hoffmann „probably bought in Paris by Almas/Dietrich“), Teil des zu Wiedergutmachungszwecken eingezogenen Besitzes von Heinrich Hoffmann 1962 an Henriette Hoffmann-Schirach abgegeben Provenienz bis 1945 laut BStGS, Stand 12.4.2021: 1841 bis o. D. Max Emanuel Ainmiller – o. D. bis o. D. Verbleib unbekannt – o. D. bis o. D. Galerie Almas, möglicherweise in Frankreich (Paris) erworben – o. D. bis 1945 Heinrich Hoffmann, Gut Guffelham, vermutlich von Galerie Almas erworben

1150 BArch Koblenz, B323/374, Bl. 348: Betrifft: Freigabe von Kunstgegenständen, September 1949: „Dieses Aquarell stammt mit grösster Wahrscheinlichkeit von der Galerie Almas. Ich bekam es 1944 von meinem Vater zu meinem Geburtstag.“ Ebenda, Bl. 377: Eidesstattliche Versicherung von Heinrich Hoffmann sr., 22.6.1949. 1151 Ebenda, Bl. 336f., 386: Liste der Gegenstände[,] die ich (Heinrich Hoffmann jr.) zur Freigabe erbitte, o. D.; teilweise mit handschriftlichen Vermerken. 332

2) Eduard Schleich d. J. „Landschaft mit Gewässer“ (ehem. Inv.-Nr. 11991, Mü.-Nr. 27822) Sammlung Heinrich Hoffmann, Nr. 223 (laut Hoffmann „bought in Germany by Almas“), Teil des zu Wiedergutmachungszwecken eingezogenen Besitzes von Heinrich Hoffmann 1956 an Heinrich Hoffmann zurückgegeben Provenienz bis 1945 laut BStGS, Stand 12.4.2021: o. D. Eduard Schleich d. J. – o. D. bis o. D. Verbleib unbekannt – o. D. bis o. D. vermutlich Galerie Almas – o. D. bis 1945 Heinrich Hoffmann, Gut Guffelham, vermutlich erworben von Galerie Almas

3) Anton Seitz „Straßenszene“ (ehem. Inv.-Nr. 11992, Mü-Nr. 27867) Sammlung Heinrich Hoffmann, Nr. 58 (laut Hoffmann Michels [vermutlich Anna Michels] oder Dietrich 200.- RM. Karteikarte CCP: „bought in Germany by Almas“) 1956 an Heinrich Hoffmann zurückgegeben Provenienz bis 1945 laut BStGS, Stand 12.4.2021: o. D. Anton Seitz – o. D. bis o. D. Verbleib unbekannt – o. D. bis 5.9.1936 Verbleib unbekannt, angeboten auf Auktion Galerie Fischer, Luzern – frühestens 5.9.1936 bis mind. 5.9.1936 Kunsthandlung G. Stuffler, Inh. Anna Michels, München oder Galerie Almas – frühestens 5.9.1936 bis 1945 Heinrich Hoffmann, Gut Guffelham, vermutlich erworben von Kunsthandlung G. Stuffler, Inh. Anna Michels, München oder Galerie Almas

4) Carl Spitzweg „Landschaft mit Frau und Kind“ (ehem. Inv.-Nr. 11994, Mü-Nr. 1794/16) Sammlung Heinrich Hoffmann, Nr. 256 (laut Hoffmann „bought fr. Dietrich“) 1956 an Heinrich Hoffmann zurückgegeben Provenienz bis 1945 laut BStGS, Stand 12.4.2021: o. D. Carl Spitzweg – o. D. bis o. D. Verbleib unbekannt – o. D. bis o. D. vermutlich Galerie Almas – o. D. bis 1945 Heinrich Hoffmann, Gut Guffelham, vermutlich erworben von Galerie Almas

5) Ferdinand Georg Waldmüller „Junge Bäuerin mit drei Kindern am Fenster“ (Inv.-Nr. 12895) (s. Kap. 2.1.1)

6) Carl Ebert „Badende Mädchen im Waldteich“ (ehem. Inv.-Nr. 11986, Mü.-Nr. 1794/22) Sammlung Heinrich Hoffmann, Nr. 118 (laut Hoffmann „Michels or Dietrich 39“) 1956 an Heinrich Hoffmann zurückgegeben Provenienz bis 1945 laut BStGS, Stand 12.4.2021: o. D. Carl Ebert – o. D. bis o. D. Verbleib unbekannt – o. D. bis 10.7.1923 Wilhelm Conrad Roentgen, München – 10.7.1923 bis spätestens 1939 Behrens, erworben auf Nachlassauktion Roentgen bei Hugo Helbing,

333

München – spätestens 1939 vermutlich Kunsthandlung G. Stuffler, Inh. Anna Michels oder Galerie Almas – 1939 bis 1945 Heinrich Hoffmann, Gut Guffelham, vermutlich erworben von Kunsthandlung Michels oder Dietrich, München

7) Pieter Brueghel d. J. „Der Drehorgelspieler im Dorf“ (ehem. Inv.-Nr. 11983, Mü-Nr. 1767) Sammlung Heinrich Hoffmann, Nr. 110 (laut Hoffmann „Dietrich 1931“ [sic?]) 1956 an Heinrich Hoffmann zurückgegeben Provenienz bis 1945 laut BStGS, Stand 12.4.2021: o. D. bis o. D. Verbleib unbekannt – Schloss Rinneck bei Aschaffenburg – o. D. bis 6.2.1906 Galerie Wilhelm Löwenfeld, München, Nachlassauktion bei Rudolph Lepkeʼs Kunst-Auctions-Haus, Berlin – o. D. bis möglicherweise 1931 Galerie Almas – möglicherweise 1931 bis 1945 Heinrich Hoffmann, Gut Guffelham, erworben von Galerie Almas

8) Wilhelm von Diez „Flucht nach Ägypten“ (ehem. Inv.-Nr. 11985, Mü-Nr. 1769) Sammlung Heinrich Hoffmann, Nr. 99 (laut Hoffmann von „Dietrich 1939, Frau Michels“) 1956 an Heinrich Hoffmann zurückgegeben Provenienz bis 1945 laut BStGS, Stand 12.4.2021: 1887 Wilhelm von Diez – o. D. bis o. D. Verbleib unbekannt – o. D. bis 26.7.1938 Adolf Weinmüller, München – 26.7.1938 bis 11.10.1938 Galerie Heinemann (zusammen mit Adolf Weinmüller), München, halbanteilig erworben von Weinmüller, München – 11.10.1938 bis vermutlich spätestens 1939 Galerie Paffrath, Düsseldorf, erworben bei Galerie Heinemann (halbanteilig Weinmüller), München – möglicherweise spätestens 1939 bis höchstens 1939 möglicherweise Kunsthandlung G. Stuffler, Inh. Anna Michels, München – 1939 möglicherweise Galerie Almas, möglicherweise erworben von Kunsthandlung G. Stuffler, Inh. Anna Michels, München – 1939 bis 1945 Heinrich Hoffmann, Gut Guffelham, möglicherweise erworben von Galerie Almas

9) David Teniers d. J. „Alchemist am Kamin mit Blasebalg“ (ehem. Inv.-Nr. 11984, Mü-Nr. 1794/8) Sammlung Heinrich Hoffmann, Nr. 123 (laut Hoffmann von „Dietrich, Munich“) 1956 an Heinrich Hoffmann zurückgegeben Provenienz bis 1945 laut BStGS, Stand 12.4.2021: Verbleib vor vermeintlichem Erwerb von Maria Dietrich unbekannt

334

ANLAGE 5 Objekte „Sammlung Bormann“

„Soweit sich feststellen lässt, begannen die Erwerbungen 1937. Bis 1939 wurden die Ankäufe der Gemälde auf Karteikarten verzettelt, u. Photographien von jedem Stück angefertigt. Die Karteikarten sind nach den Kaufdaten chronologisch nummeriert. Ab 1939 beginnt Nummerierung nach B-Nummern. Dabei erhielt, ebenfalls chronologisch, jede Rechnung eine B-Nummer; soweit sich mehrere Objekte darauf befinden, erhalten diese römische Unternummern (z. B. B6/VI). Die gleiche Beschriftung wurde auf den Gemälden vorgenommen. Von einem nicht bekannten Datum ab erhielten außerdem alle Objekte, die auf dem Obersalzberg aus diesem Komplex registriert waren[,] noch J-Nummern (Inventarnummern ohne Unternummern). Die beiden Bezeichnungen laufen chronologisch etwa gleich. Die Ankäufe wurden zuerst von Prof. R. Fick, später von Prof. Michaelis vorgenommen, der auch die Rechnungen, Karteikarten, Photographien und das Hausinventar Pullach auf Notizzetteln 1949 übergab. Die Ankäufe stammen zum größten Teil aus dem Münchener Kunsthandel.“1152

Ermittelte Werke1153 . Boudin „Hafen von Antwerpen“ aus Paris (MNR 188, Mü-Nr. 4833)1154 . Calame „Gebirgsbach“ aus Paris (B-Nr. 379 II, Mü-Nr. 12846) Rechnung an Reichsleiter Martin Bormann 5.1.1943 (2.500.-) 1946 nach Frankreich restituiert . Cortés, Juan Antonio „Landschaft mit Fluss, Herde und Figuren“ (B-Nr. IXa, Slg. J, Mü- Nr. 11151, ehem. BStGS Inv.-Nr. 12517: 1956 Überweisung aus Staatsbesitz / Partei- Kanzlei Nr. 147 / Kunstbesitz der NSDAP, 25.10.1966 verkauft an Kunsthandlung W. Kelberer, Zürich) Rechnung an Reichsleiter Martin Bormann 5.1.1943 (10.000.- zusammen mit Mü-Nr. 11159) Aussage Almas 14.8.1951: aus Kölner Privatbesitz Provenienz bis 1945 laut BStGS, Stand 12.4.2021: o. D. bis o. D. Verbleib unbekannt – o. D. bis spätestens 5.1.1943 Privatbesitz, Köln – spätestens 5.1.1943 bis 5.1.1943 Galerie

1152 BArch Koblenz, B323/12, Bl. 2f.: Erklärung zum Bestand von Dr. Hoffmann, 15.4.1962. 1153 BArch Koblenz, B323/583: diverse Rechnungen. Ebenda, B323/12, Bl. 11, 13 aus: Liste „Aufschlüsselung der J- Nummern (soweit in Alt-Aussee) nach B- und Münchner Nummern“, o. D. Ebenda, Bl. 21f.: Liste „Galerie Maria Dietrich“, o. D. Ebenda, Bl. 42: Aussage Frau Marie Almas-Dietrich, München 14.8.51. Ebenda, Bl. 43: Aussage Frau Marie Almas- Dietrich, München 16.8.1951. Ebenda, Bl. 44f.: Almas-Dietrich (I u. P-Sammlung) 1949. Ebenda, Bl. 327–332, 334f., 355f., 361, 363, 370, 376: Rechnungen der Galerie Almas an Martin Bormann. Ebenda, B323/13, Bl. 26–84: Verzeichnis der erworbenen Kunstgegenstände, o. D. Ebenda, B323/14 und 15: Fotografien der Werke. 1154 NARA, Dietrich, Maria Almas: receipts n-z, S. 14, 17. Ebenda, receipts a-m, S. 151f. Archives diplomatiques, Paris, 209 SUP 184 A 153, Bl. 5: Verkäufer Cornelius Postma, 1943. 335

Almas, erworben aus Kölner Privatbesitz – 5.1.1943 bis 1945 NSDAP, Partei-Kanzlei München, erworben von Galerie Almas . Cortés, Juan Antonio „Landschaft mit Fluss, arbeitenden Bauern und Herde“ (B-Nr. IXb, 379, Mü-Nr. 11159, Slg. J, ehem. BStGS Inv.-Nr. 12518: 1956 Überweisung aus Staatsbesitz / Partei-Kanzlei Nr. 153 / Kunstbesitz der NSDAP, 25.10.1966 verkauft an Kunsthandlung W. Kelberer, Zürich) Rechnung an Reichsleiter Martin Bormann 5.1.1943 (10.000.- zusammen mit Mü-Nr. 11151) Aussage Almas 14.8.1951: aus Kölner Privatbesitz Provenienz bis 1945 laut BStGS, Stand 12.4.2021: o. D. bis o. D. Verbleib unbekannt – o. D. bis spätestens 5.1.1943 Privatbesitz, Köln – spätestens 5.1.1943 bis 5.1.1943 Galerie Almas, erworben aus Kölner Privatbesitz – 5.1.1943 bis 1945 NSDAP, Partei-Kanzlei München, erworben von Galerie Almas . Courbet, Gustav „Landschaft am Wasser“ (B-Nr. 379 VII) Rechnung an Reichsleiter Martin Bormann 5.1.1943 (35.000.-) . Deben, Toussaint „Bergdorf“ (B-Nr. 372, Slg. J, Mü-Nr. 13645) Rechnung an Reichsleiter Martin Bormann 17.10.1942 (3.000.-) Aussage Almas 16.8.1951: von Gal. Zinckgraf, München/Zinckgraf von Gal. R. Amon, München . Deutsch, um 1840 „Mutter mit Kind“ (B-Nr. 418 III, Slg. J, Mü-Nr. 11671) Rechnung an Reichsleiter Martin Bormann 17.2.1943 (1.800.-) Aussage Almas 16.8.1951: aus Münchner Privatbesitz (Casaretto) . Diaz „Landschaft mit Figur“ (B-Nr. 428 I, Slg. J, Mü-Nr. 12385) Rechnung an Reichsleiter Martin Bormann 9.3.1943 (9.500.-) Aussage Almas 16.8.1951: von Nicolaus o. Nikolaus, München privat . Diez „Picknick“ (B-Nr. 1630, Mü-Nr. 12201) Herkunft: von Kunsthändler Al. Haas, Frankfurt . Epp „2 Bauernmädchen“ aus Paris (B-Nr. 1537, Mü-Nr. 13497)1155 . Foreau, Th. „Kleiner See mit Boot“ 20.4.1942 (Mü-Nr. 12348) Aussage Almas 1949: aus Frankreich. Lt. Rechnung: Galerie Stuffler, München? . Fries, Bernhard „Landschaft mit antikem Tempel“ (B-Nr. 435, Mü-Nr. 12209) Rechnung an Reichsleiter Martin Bormann 30.4.1943 (12.500.-)

1155 NARA, Dietrich, Maria Almas: receipts a-m, S. 146f.: Bestätigung von Michel Martin, Musée Nationaux zwecks Ausfuhrgenehmigung von diversen Bildern, u. a. Verboekhoven, de Heem, Epp, 24.1.1944. 336

Aussage Almas 1949: aus dem Kunsthandel . Goubie, Jean Rich. „Pferdebild“ aus Frankreich (B-Nr. 379 VI, Mü-Nr. 12345) Rechnung an Reichsleiter Martin Bormann 5.1.1943 (3.500.-) Aussage Almas 1949: aus Frankreich . Grieben, Eduard „Felsenlandschaft“ (B-Nr. 377, Slg. J, Mü-Nr. 13191) Rechnung an Reichsleiter Martin Bormann 17.10.1942 (2.000.-) Aussage Almas 14.8.1951: aus Privatbesitz Baden bei Wien . Hackert, Jacob Philipp „Waldlandschaft“ Juli 1943 (B-Nr. 1534, Slg. J, Mü-Nr. 12843, BStGS Inv.-Nr. 12907: 1956 Überweisung aus Staatsbesitz) Aussage Almas 16.8.1951: von Kühlmann, Berlin privat Firmenaufkleber der Galerie Almas auf Rückseite Provenienz bis 1945 laut BStGS, Stand 12.4.2021: Verbleib vor Besitz Richard von Kühlmann (spätestens 1943) unbekannt . Heem, de „Stilleben“ aus Paris (B-Nr. 1535, Mü-Nr. 12926) . Hoffmann, Josef „Das Sabinergebirge bei Montorello“ (B-Nr. 1542, Slg. J, Mü-Nr. 11447, BStGS Inv.-Nr. 12914: 1956 Überweisung aus Staatsbesitz / Partei-Kanzlei) Aussage Almas 16.8.1951: aus Berliner Privatbesitz (Julius) Aufkleber auf Rückseite (Keilrahmen): Galerie Almas Dietrich, München Provenienz bis 1945 laut BStGS, Stand 12.4.2021: Verbleib vor Besitz Julius (spätestens Juli 1943) unbekannt, spätestens Juli 1943 Galerie Almas, erworben aus Berliner Privatbesitz (Julius) – Juli 1943 bis 1945 NSDAP, Partei-Kanzlei München, erworben von Galerie Almas . Kaiser, Ernst „Teil des Chiemsees“ bzw. „Landschaft mit Wasser und Kühen“ (B-Nr. 418 I, Slg. J, Mü-Nr. 13788) Rechnung an Reichsleiter Martin Bormann 17.2.1943 (10.000.-) Aussage Almas 16.8.1951: von Kunsthandlung Henrici, Berlin . Kaulbach, F. A. „Frauenkopf mit weissem Schal“ (B-Nr. 1634, Mü-Nr. 13331) Aussage Almas 1949: von Exz. Kaulbach . Keller, Albert von „Landschaft mit Figuren“ bzw. „Promenade im Wald“ (B-Nr. 379 I, Slg. J, Mü-Nr. 12318, BStGS Inv.-Nr. 12553: 1956 Überweisung aus Staatsbesitz/Partei- Kanzlei Nr. 250) Laut BStGS, Stand 12.4.2021: Ankaufsdatum 5.11.1942 Rechnung an Reichsleiter Martin Bormann 5.1.1943 (6.500.-) Aussage Almas 1949: aus deutschem Besitz

337

. Knaus, Ludwig „Gasthaus mit Musikanten“ aus Paris (B-Nr. 379 VIII, Mü-Nr. 11365) Rechnung an Reichsleiter Martin Bormann 5.1.1943 (3.500.-) 1946 nach Frankreich restituiert . Kobell, Wilhelm von „Landschaft mit Herde vor dem Gewitter“, Aquarell (B-Nr. 428 II, Mü-Nr. 11378) Rechnung an Reichsleiter Martin Bormann 9.3.1943 (18.000.-) Aussage Almas: von Exzellenz v. Kühlmann . Koekkoek, Barend Cornelius „Genfer See“ – Almas über Zinckgraf / „bought from Holland by Galerie Zinckgraf“ (B-Nr. 1618, Mü-Nr. 11201) . Koekkoek, Barend Cornelius „Landschaft“– Almas über Zinckgraf (B-Nr. 1619, Mü-Nr. 12893) . Koekkoek, Barend Cornelius „Kuhherde mit Hirt in einer Landschaft“ (Mü-Nr. 7745, BStGS Inv.-Nr. 12919: 1959 Überweisung aus Staatsbesitz), lt. Empfanggschein in Korrespondenz Reger am 14.8.1943 von „Galerie Dietrich“ für Büro Bormann (Verwaltung Obersalzberg) erworben Firmenaufkleber der Galerie Almas auf Rückseite Provenienz bis 1945 laut BStGS, Stand 12.4.2021: Verbleib vor Ankauf bei Galerie Almas für Martin Bormann/NSDAP (16.8.1943) unbekannt . Lami, Eugène Louis „Landschaft mit Figuren“ (B-Nr. 379 IV, Slg. J, Mü-Nr. 11157) Rechnung an Reichsleiter Martin Bormann 5.1.1943 (1.800.-) . Lier „Landschaft“ aus deutschem Besitz (B-Nr. 1541, Slg. J, Mü-Nr. 11352) Aussage Almas 14.8.1951: von Lier, Schwanthalerstr. . Marieschi, J. „Fest auf dem Canale Grande in Venedig“ (B-Nr. 416 II, Mü-Nr. 12193, ehem. BStGS Inv.-Nr. 12508: 1956 Überweisung aus Staatsbesitz / Partei-Kanzlei / Kunstbesitz der NSDAP, 27.1.1967 Verkauf über Leo Spik Kunstversteigerungen, Berlin) Rechnung an Reichsleiter Martin Bormann 16.2.1943 (14.000.-) Provenienz bis 1945 laut BStGS, Stand 12.4.2021: o. D. bis o. D. Verbleib unbekannt – o. D. bis vor 16.2.1943 evt. norddeutscher Gutsbesitz – o. D. bis vor 16.2.1943 evt. Auktionshaus Hans W. Lange, Berlin, eingebracht aus norddeutschem Gutsbesitz – spätestens 16.2.1943 bis 16.2.1943 Galerie Almas, erworben bei Auktionshaus Hans W. Lange, Berlin, oder in Frankreich?1156 – 16.2.1943 bis 1945, NSDAP, Partei-Kanzlei München, erworben von Galerie Almas

1156 NARA, Dietrich, Maria Almas: receipts n-z, S. 105: vgl. Rechnung von Prince Vatchnadzé, 1944: Marieschi „Vue de Venise“ (90.000.- F), 3.3.1944 mit Vermerk Kunstschutz: „keine Bedenken gegen Ausfuhr“, 8.3.1944. 338

. Marne, Jan Louis de (2 Gemälde) „Landschaften mit Figuren“ (B-Nr. 373) Rechnung an Reichsleiter Martin Bormann 17.10.1942 (5.000.-) . Max, Gabriel von „Judaskuß“ aus Paris (B-Nr. 1532, Mü-Nr. 12532) . Morgenstern, Christian „Landschaft mit Figuren“ (B-Nr. 416 I) Rechnung an Reichsleiter Martin Bormann 16.2.1943 (5.000.-) . Ostade, Isaac van „Mann mit Weinglas“ (B-Nr. 376, Mü-Nr. 12131) Rechnung an Reichsleiter Martin Bormann 17.10.1942 (9.500.-) Aussage Almas 1949: von Lange. Vgl. Angabe von Almas auf Rechnung 17.10.1942: aus Kollektion Warneck, Paris1157 . Pannini, G. P. „Architektur-Landschaft“ (B-Nr. 407) Rechnung an Reichsleiter Martin Bormann 15.1.1943 (25.000.-) zu Weihnachten 1943 Prof. Giesler geschenkt . Robert, Hubert (Schule) „Ruinen mit Staffage“ 17.10.1942 (B-Nr. 394, Mü-Nr. 4837) . Robert, Hubert „Cestius-Pyramide in Rom“ (B-Nr. 374, Slg. J, Mü-Nr. 12373) Rechnung an Reichsleiter Martin Bormann 17.10.1942 (11.500.-) Aussage Almas 16.8.1951: aus Berliner Privatbesitz (Kühlmann) . Röth, Philipp „Landschaft, Sandgrube“ (B-Nr. 379 V, Mü-Nr. 12340, BStGS Inv.-Nr. 12566: 1956 Überweisung aus Staatsbesitz / Partei-Kanzlei Nr. 257) Rechnung an Reichsleiter Martin Bormann 5.1.1943 (3.500.-) Aussage Almas 1949: aus deutschem Besitz Provenienz bis 1945 laut BStGS, Stand 12.4.2021: 1896 bis o. D. Philipp Röth – 5.10.1918 bis 18.11.1927 Galerie Heinemann, München – 18.11.1927 bis 12.5.1942 Johannes Lohmann, Fahr bei Neuwied, erworben bei Galerie Heinemann, München – 12.5.1942 bis 5.11.1942 Galerie Almas, vermutlich erworben bei Auktion Hans W. Lange, Berlin, Einlieferer L. Fahr – 5.11.1942 bis 1945 NSDAP, Partei-Kanzlei München, erworben von Galerie Almas . Rottmann, Carl (oder Nachfolger) „Landschaft mit rötlichem Himmel“ bzw. „Abendlandschaft mit Burgruine“ (B-Nr. 1633, Slg. J, Mü-Nr. 12129, BStGS Inv.-Nr. 12910: 1956 Überweisung aus Staatsbesitz) Aussage Almas 14.8.1951: von Prof. Kern, Wasserburg (d. i. Guido Josef Kern) als Werk von Carl Blechen

1157 Diese Rechnung liegt nicht vor. 339

Provenienz bis 1945 laut BStGS, Stand 12.4.2021: Verbleib vor Besitz Prof. G. J. Kern (mind. 1937) unbekannt, frühestens 1937 bis 1945 NSDAP, Partei-Kanzlei München, erworben von Galerie Almas . Schirmer „Landschaft“ aus Paris (B-Nr. 1632, Mü-Nr. 12134) . Sell, Christian „Szene aus dem Dreißigjährigen Krieg“ (B-Nr. 1538, Slg. J, Mü-Nr. 12544, BStGS Inv.-Nr. 12915: 1956 Überweisung aus Staatsbesitz) Aussage Almas 16.8.1951: Kunsthandlung Schumann, Frankfurt. Tatsächliche Herkunft: Auktion Hans W. Lange, Berlin 16.–17.4.1943 (Los 217, Einlieferer 121. Berlin, an Almas für 1.700.- RM) Provenienz bis 1945 laut BStGS, Stand 12.4.2021: Verbleib vor Einlieferung bei Lange unbekannt – Juli 1943 bis 1945 NSDAP, Partei-Kanzlei München, erworben von Galerie Almas . Sperl, Johann „Landschaft mit Kindern“ bzw. „Frühlingslandschaft“ (Mü-Nr. 12115, BStGS Inv.-Nr. 12572: 1956 Überweisung aus Staatsbesitz/Partei-Kanzlei Nr. 209) Aussage Almas 1949: Gerstenberger? Provenienz bis 1945 laut BStGS, Stand 12.4.2021: um 1880 bis o. D. Johann Sperl – o. D. bis o. D. Verbleib unbekannt – o. D. bis 28.1.1939 vermutlich Sigmund Waldes, Dresden – 28.1.1939 bis 30.5.1941 vermutlich Devisenstelle beim Oberfinanzpräsidenten Dresden, Sicherstellung aufgrund des Gesetzes über die Devisenbewirtschaftung – 30.5.1941 bis 16.–17.4.1943 vermutlich Deutsches Reich (Reichswirtschaftsministerium/Deutsche Golddiskontbank), Übernahme nach „Vereinbarung“ mit Sigmund Waldes – 16.– 17.4.1943 bis 1945 NSDAP, Partei-Kanzlei München, erworben über Maria Dietrich bei Auktion Hans W. Lange, Berlin (Los 226, Einlieferer 121. Berlin, für 7.100.- RM) . Spitzweg, Carl „Landschaft“ (B-Nr. 1631, Mü-Nr. 12533) Herkunft: von Herrn Moralt, München (Neffe Spitzwegs) . Stadler, Toni (Anton Hermann) „Landschaft“ bzw. „Dachauer Moos“ (Mü-Nr. 12311, BStGS Inv.-Nr. 12574: 1956 Überweisung aus Staatsbesitz) Aussage Almas 1949: aus München. Tatsächliche Herkunft: Auktion Hans W. Lange, Berlin 16.–17.4.1943 (Los 228, Einlieferer 121. Berlin, an Almas für 3.600.- RM) Aufkleber der Galerie Almas auf Rückseite: „für Reichsleiter Bormann aus Auktion Lange“, Provenienz bis 1945 laut BStGS, Stand 12.4.2021: Besitzer:in vor Einlieferung bei Lange unbekannt . Stuck, Franz von „Mädchenkopf“ aus Paris (B-Nr. 1539, Mü-Nr. 12146) . Stuck, Franz von „Damenportrait“ (B-Nr. 1540, Slg. J, Mü-Nr. 11265)

340

Aussage Almas 16.8.1951: aus Münchner Privatbesitz, Seidl . Thoren, Otto von „Kinder am Strand“ (B-Nr. 379 III, MNR 968, Mü-Nr. 12309) Herkunft: am 17.7.1942 für 15.000.- F bei Hugo Engel, Paris erworben Rechnung an Reichsleiter Martin Bormann 5.1.1943 (2.800.-) 1952 nach Frankreich restituiert . Verboeckhoven „Ital. Landschaft“ aus Paris (B-Nr. 1533, Mü-Nr. 13268) . Wenk „Sonnenspitze bei Eberwald“ (B-Nr. 1543, Slg. J, Mü-Nr. 11339) Aussage Almas 16.8.1951: von Odeonsgalerie, München . Willroider, Ludwig „Waldlandschaft“ (B-Nr. 416 III, Slg. J, Mü-Nr. 12888) Rechnung an Reichsleiter Martin Bormann 16.2.1943 (6.800.-) Herkunft: von Domgalerie, Köln . Winterhalter, Franz Xaver „Zwei Damen“ (B-Nr. 375) Rechnung an Reichsleiter Martin Bormann 17.10.1942 (2.000.-) . Ykens, Frans „Nature Morte au Jambon“ aus Paris [sic] 1943 (MNR 441, Mü-Nr. 12926)1158 . Zimmermann, Albert „Italienische Landschaft nahe den Bergen von Verona“ (B-Nr. 418 II, Slg. J, Mü-Nr. 13790) Rechnung an Reichsleiter Martin Bormann 17.2.1943 (6.000.-) Aussage Almas 1949: aus München. Vgl. Aussage Almas 16.8.1951: von Kunsthandlung Combé, Berlin

1158 Vgl. Herkomst Gezocht, Den Haag (http://www.herkomstgezocht.nl/en/nk-collection/lake-geneva – zuletzt besucht am 25.8.2019). 341

ANLAGE 6 Objekte Schloss Posen

Bereitstellung von Kunstwerken für das Schloss Posen1159

17.10.1942 Pierre Antoine de Machy „Kircheruine: Blick ins Innere mit Personen“ bzw. „Architekturbild“ 2.500.- RM (Mü.-Nr. 13241)1160

5.1.19431161 Francesco Zucarelli „Architektur-Landschaft“ bzw. „Blick auf eine norditalienische Stadt“ 9.000.- RM (Mü-Nr. 12911)1162 Joh. Gerrits v. Bronkhorst „Landschaft mit Badenden“ 2.220.- RM (Mü-Nr. 13250)1163 C. Louis Verboeckhoven „Seestück“ 3.200.- RM (Mü-Nr. 13299)1164 Deutsch, 1735 bzw. zwei Gemälde „Dresden“ 2.800.- RM (Mü-Nr. 13431 und Mü-Nr. 13437)1165

16.2.1943 Reinhold (Mü-Nr. 12941)1166

9.3.1943 Peter Joseph Minjon „Landschaft mit Stadt am Rhein“ bzw. „Rheinlandschaft“ 10.000.- RM (Mü-Nr. 13145)1167 Heinrich Kolbe „Alexander wird seiner Braut Rothane zugeführt“ 16.500.- (Mü-Nr. 13155)1168

1159 BArch Koblenz, B323/517, Verwaltung der Bestände für das „Deutsche Schloss Posen“ durch die Treuhandverwaltung (1941–1944), Bl. 32, 101, 103, 122, 129. BayHStA, NSDAP-Bauakten 11638: Rechnungen von Maria Dietrich zu den Erwerbungen für Posen, jeweils adressiert an den Reichsstatthalter im Wartegau Posen; betrifft: Deutsches Schloss Posen. 1160 BArch Koblenz, B323/12, Bl. 44: Almas-Dietrich (I u. P-Sammlung) 1949: aus Auktion Weinmüller. 1161 BayHStA, NSDAP-Bauakten 11638: weitere Rechnung (eigentlich Ansichtssendung) vom 5.11.1942 an den Reichsstatthalter im Wartegau, Posen: Betrifft: Schloss Posen, endgültige Rechnung am 5.1.1943. 1162 Datenbank CCP: Aussage Almas 9.8.1951: aus Berliner Kunsthandel. Vgl. BArch Koblenz, B323/12, Bl. 42: Aussage Almas 14.8.1951: von Lindpaintner, Berlin. 1163 NARA, Dietrich, Maria Almas: receipts n-z, S. 58: 1942 von Gustav Rochlitz erworben. 1164 BArch Koblenz, B323/12, Bl. 42: Aussage Almas 14.8.1951: von Lutz, Berlin. 1165 Archives diplomatiques, Paris, 184 A 153, Bl. 37: wohl 1941 in Paris von E. Bisson erworben. Vgl. BArch Koblenz, B323/12, Bl. 45: Aussage Almas 1949: Wenk „Ansicht von Dresden“ aus deutschem Besitz. 1166 BArch Koblenz, B323/12, Bl. 42: Aussage Almas 14.8.1951: von Kunsth. Lutz, Berlin. BayHStA, NSDAP-Baukten 11638: keine Rechnung erhalten. 1167 BArch Koblenz, B323/12, Bl. 42: Aussage Almas 14.8.1951: von Exz. von Kühlmann, Berlin. Vgl. Ebenda, Bl. 44: Aussage Almas 1949: aus München. 1168 BArch Koblenz, B323/12, Bl. 42: Aussage Almas 14.8.1951: von Hofer, Berlin. 342

ANLAGE 7 Objekte Musikinstrumentensammlung Georg Neuner

. 1 Baryton „Viola di Bordone“, Prag, Mitte 18. Jh., 1.500.- (MUS-41-1) (Karteikasten: Karte mit Foto und Bezeichnung)

. Stegharfe mit 22 Saiten, Senegambia, West-Afrika, 100.- (MUS-41-243) Erwerbung: Geschenk 6.9.1941 (Karteikarte) Bezeichnung auf Karteikarte: „[...] stellt einen der wertvollsten Besitztümer afrikanischer Musikinstrumente des Museums dar.“

. Lyra Gitarre, Deutschland, um 1800 (MUS-41-369) Erwerbung: Geschenk Frau Almas-Dietrich, München 1941

. Sister, Deutschland, aber sign. Attilio Colzi fecit in Firenze 1891 (MUS-41-370) Erwerbung: Geschenk Frau Almas-Dietrich, München 1941

. Gitarre (MUS-41-372) Erwerbung: Geschenk Frau Almas-Dietrich, München 1941 (Tausch Gitarre in Heerestrommel, MUS-53-1)

. Gitarre (MUS-41-373) Erwerbung: Geschenk Frau Almas-Dietrich, München 1941

. Mandoline, Sachsen (MUS-41-374) Erwerbung: Geschenk Frau Almas-Dietrich, München 1941

. Pedalharfe, Frankreich, um 1790 (MUS-42-10) Erwerbung: Galerie Almas, München 1942

. Pauke mit Kupferkorpus, Deutschland 18. Jh. (MUS-42-240) Erwerbung: Geschenk Frau Almas-Dietrich, München 1942

. 2-Fell Konus Trommel, Westafrika (MUS-42-333) Erwerbung: Almas Dietrich, München 1942

. Schlägel für dawle-Einfachglocken, Afrika-Elfenbeinküste (MUS-42-334) Erwerbung: 1.2.1942, 50.- (Karteikarte mit Foto)

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. Harfe mit 5 Saiten, Azande, Demokratische Republik Kongo (MUS-42-335) Erwerbung: 1941 [1942], 200.- (Karteikarte mit Foto)

. Elfenbein-Quertrompete, Westafrika Kamerun (MUS-42-336) Erwerbung: Almas-Dietrich, München (aus Paris) 1942

. Harfe mit 5 Saiten und anthropomorphem Stand, Ngbaka, Belgisch-Kongo (MUS-42-337) Erwerbung: 1.2.1943 [1942], 350.- (Karteikarte mit Foto)

. Xylophon mit 16 Klangplatten und Rahmengestell mit Kürbisresonatoren, wahrscheinlich Malinké, Westafrika (MUS-42-338) Erwerbung: 1.2.1943 [1942], 150.- (Karteikarte mit Foto)

. Konische 2-Felltrommel, Westafrika (MUS-42-339) Erwerbung: Almas-Dietrich, München 1942

. Harfe aus Ebenholz mit 4 Saiten – groß Azande, Demokratische Republik Kongo (MUS- 43-64) Erwerbung: Geschenk 1.8.1943, 250.- (Karteikarte)

. Renaissance-Harfe, Hakenharfe Deutschland, Mitte 18. Jh. (MUS-43-65) Erwerbung: Geschenk Galerie Almas, München 1943

. Klingstein, hängend (MUS-57-22) Erwerbung: Galerie Almas-München

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ANLAGE 8 Kontaktpersonen in Paris

Au Vieux Persan Curiosités Geibel, B. Avogli Trotti, Comte (René) Gemy (?) / Georg Bagenoff, Alexandre Gerard, Raphaël Louis Felix Birtschansky, Alexandra Gerard, Renée Bisson, F. (Etienne?) Goulin, Jaques Boivin, Jean Grasseaux (?) Bourgeaux / Bouquin, M. Grosvallet, Edouard Breton, Henriette Grouls, Elisabeth Cailleux, Paul Hackbusch-Rochlitz, Wally Capella, E. Brogilo Jouravleff, G. Colin, Pierre Jurschewitz, Paul A. Cordovado, Nino Keller, Graf Alexander von Czinober, Nicolas Lagrand, Maurice Daffos, K. Landry, Pierre D’Atri (vermutl. Pietro und Mario d’Atri) Larcade, Edouard Deno / Pena, E. Lucas de la Laroussilhe, Brimo de / L. Lascombes de Dequoy, Roger Laroussilhe Der Militärbefehlshaber in Frankreich Lebrun (Kunstschutz) / Felix Kuetgens Léché, Alain de Destrem, George Leegenhoek, M.O. Domenge, Noel Lefebvre, Jean Domhehn Lefortier / Lefostier Donath, Etienne Lemerre, Paul Doucet Lerage / Lesage, Louis Enault, Jacques / Goulin / Gaulin Letay, S. de Engel, Hugo Lorrain, Lucien Galerie Carrefour (Suzanne Vérité) M., Guillaume (?) / Lemmers Galerie Kleinberger (Allan bzw. Ali Loebl) Makowsky, Serge Galerie René Drouin Mandl, Victor Galeries Schutz Masloff Galerie Voltaire (Jean Souffrice) Meller, Simon Gavrichenko Metthey / Mettey, Jean

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Meunier, Charles Sahara Michel, Ch. Saliot Michon Fils & Gendre Santo Rey de Semo / Santbey de Semo (?) Mikhailoff / Mikhailek, Paul Schmid, Mia (Schmidt) Neuville & Vivien (Tableaux. Estampes, Schmit, Jean Objets d’Art Expertises) Segonzac, J. de Nicolle, Roger Staigri, M. Pantchoulidzew, A. / Pantchoulickew Starranouing / Starranoning Pedrell, M. de Strichewsky, Vladimir Peltzer, W. Taillemas Perdoux, Yves Toumayeff, R. Perret-Vibert (Meubles et Objets d’Art Tourneur, Robert le Anciens d’Asie) Tuffier, N. Poliakoff, Alexandre Tulino, Paul (Toulins) Postma, Cornelius Vatchnadzé, Prince Poumay, E. / Maison Poumay Père & Fils Vatchnadzé, Thérèse Ratton, Charles Viazemsky, Prince V. Regies / Regus, H. Vohl, Pierre Rival, J. Weidle, Wladimir Rochlitz, Gustav Wentmetterze (?) / Valentinetterse Ruhl Wüster, Adolf Rummefogg (?)

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ANLAGE 9 Auslagerungsorte und ausgelagerte Objekte

In den Quellen genannte Kunstwerke wurden hier nicht systematisch aufgeführt.

1) Gemeindesparkasse Lenggries1169 . Einlagerung von Gemälden, Hausrat . Bestätigung der Gemeindesparkasse vom 26.1.1946, handschriftlich vermerkt: „am 6.2. abgeholt und in den Führerbau gebracht“

2) Otto Kastner (Heinrich Hoffmanns Fahrer), Aufhofen b. Wolfratshausen1170 . Kunstwerke (u. a. Gemälde Mimi darstellend, Belotto „Market Place at Pirna“, Utrillo „French Scenery on a Street“), Hausrat . Einige Objekte (u. a. ein Filmprojektor von Mimi) wurden im Juni 1945 von einem CIC man abgeholt und nach München verbracht. . Gemeinsames Depot mit Gustav Rochlitz (s. auch Lager Nr. 13)

3) Höglwörth . Mü-Nr. 19959, 19961, 19962, 19963, 27375

4) Graf Holnstein, Schloss Thalhausen [Talhausen] b. Freising1171 . Wertvolle Teppiche, in schlechtem Zustand . Kunstgeschichtliche Bücher, teils französische Literatur

5) Warenhaus der Firma Heimerl, Römerstr. 141172 . zwei Gemälde aus dem Ausland, Gebrauchsgegenstände

6) Heinrichshof (Eigentümer: Heinrich Hoffmann), b. Guffelham [Gufflham, Guflham], Landkreis Alt-Ötting1173 . Möbel, Kunstwerke und Hausrat

1169 NARA, Dietrich, Maria Almas: Interrogation, S. 31. BArch Koblenz, B323/91, Bl. 102ff.: Hier auch Einlagerung durch: Deutsche Landvolkbank Berlin, Alois Miedl. 1170 BArch Koblenz, B323/91, Bl. 107ff.: By order of Major Bischof, Military Government, Wolfratshausen, the following objects of art have been consigned today; 10.11.1945: 1 Painting Belotto „Market Place at Pirna“, 1 Painting Utrillo „French Scenery on a Street“, Mirrors, Engravings, Japonese Glass Painting, Watch Antique, frames, chandeliers [...]. Jonathan T. Morey Capt. C. E. (MFA & A), 29.11.1945: Subject: Dietrich Property removed from Wolfratshausen. Transmitted herewith list of objects, belonging to the Munich dealer Maria Dietrich, removed from Aufhofen 10 November 1945 by Maj. Bischoff […] and delivered by the undersigned to Central Collecting Point, Munich 28 November 1945. NARA, Dietrich, Maria Almas: Interrogation, S. 27, 36. 1171 BArch Koblenz, B323/357, Bl. 201: Freigabe aus Ausweichlager Schloss Talhausen. 1172 BArch Koblenz, B323/357, Bl. 287. 1173 BArch Koblenz, B323/91, Bl. 396f.: Items from Hoffmann Farm Gufflham, removed 12 September 1945. 347

7) Kloster Dietramszell (durch Ernst Buchner; Depot der Staatsgemäldesammlungen)1174 . Kunstwerke, Rahmen, Teppiche, Koffer und Hausrat (s. auch Lager Nr. 14)

8) Dr. Langheinrich, Königsee1175 . Bilder, Möbel, Koffer . Mind. ein Kunstwerk von Mimi tho Rahde, erworben bei Larcade, Paris

9) Bildhauer Preminger, Nähe Velden a. d. Vils (Schloss Velden?)1176 . Vermutlich war Großteil des ausgelagerten Besitzes hier untergebracht . Auffindungsort des Bildes von Pissarro (Tauschgeschäft ERR)

10) Brettschneider [sic] (Freund u. Kunsthändler), Hinterriess Nähe Lenggries1177 . Lagerung hier und im Haus des Dorfpriesters . Bilder, Möbel, Koffer

11) Dr. Böhm, Zwergern bei Walchensee1178 . Vornehmlich Hausrat, einige Kunstwerke und Kunsthandwerk . Einige Objekte wurden im Juni 1945 von Lt. Kern und Lt. Morgenstern durch Otto Kastner nach München gebracht, da Freigabe an Maria Dietrich . Mehrere Gegenstände wurden am 20.12.1945 von Dietrichs abgeholt (Hausrat) . Lager endgültig geleert 1947

12) Seb. Oettl, Schnaitsee (aufbewahrt in Wasserburg)1179 . Hausrat, Gebrauchsgegenstände von Maria Dietrich und Mimi tho Rahde (Türen, Teppiche, Rahmen etc.) . Inventur durch Frau und Fräulein Dietrich am 30.12.1945

1174 NARA, Dietrich, Maria Almas: Interrogation, S. 7, 42. BStGS, Archiv, Nr. 546 (1939–?): Ernst Buchner an die Galerie Maria Dietrich, 22.10.1943: Bestätigung, dass 18 Bilder, ein Koffer mit Teppichen und 16 Rahmen „zwecks Bergung vor Fliegergefahr empfangen wurden und in einem der auswärtigen Bergungsdepots sichergestellt“ wurden. Liste mit Gemälden (Künstler und Titel), Erwähnung Raitenhaslach. Vgl. Galerie Heinemann online, Kunstwerk-ID 15855: Möglicherweise lagerte auch die Galerie Heinemann in Dietramszell aus. Hopp 2012, S. 298: Adolf Weinmüller lagerte u. a. in Dietramszell aus. 1175 NARA, M1946, RG 260, Roll 0070, Restitution Claim Records, Investigations Correspondence, Kastner-Weinmüller, S. 7: Case Dietrich. 1176 Ebenda. NARA, Dietrich, Maria Almas: Interrogation, S. 32. 1177 NARA, M1946, RG 260, Roll 0070, Restitution Claim Records, Investigations Correspondence, Kastner-Weinmüller, S. 5: Ludwig Wagner, München an Military Government, U.S. army, München, 3.6.1945, Betreff: Works of Art stolen by Nazis in Occupied France, S. 7: Case Dietrich. 1178 NARA, Dietrich, Maria Almas: Interrogation, S. 28. 1179 NARA, Dietrich, Maria Almas: Interrogation, S. 29. BArch Koblenz, B323/357, Bl. 285f.: Empfangsbestätigung von Privatbesitzern über Kunstwerke oder kulturelle Gegenstände, unterzeichnet von Maria Dietrich, Mimi tho Rahde und Edgar Breitenbach am 1.6.1946. 348

. Herausgabe am 1.6.1946

13) Alois Lang, Oberammergau . Gemeinsames Depot mit Gustav Rochlitz (Pietà)1180 (s. Kap. 4.4) . Barockspiegel

14) Schloss Reiten-Haslach [Raitenhaslach] b. Burghausen1181 . Transport und Auslagerung von Gemälden und Teppichen durch die BStGS Am 9.9.1942 übergab Maria Dietrich dem Generaldirektor Ernst Buchner elf Gemälde und fünf Perser-Teppiche zum Transport und zur Aufbewahrung nach Schloss Reiten- Haslach bei Burghausen.

15) Dr. Feuchtmeyer, Murnau, Haus Oberried1182 . elf Gemälde

16) Arzt Dr. Hans und Luise Eichinger, Ebersberg1183 . Bestätigung vom 31.12.1945: Einige Kunstgegenstände wurden im Juli von Amerikanern abgeholt, ein Koffer noch aufbewahrt. . Mü-Nr. 1175, 1176

17) Haus des Bauern Gatterer (Herr Wallner), Greimharting [Greimharding] b. Prien1184 . Kunstgegenstände, Teppiche, Möbel, Porzellan, Skulpturen . Abhandengekommene Sachen aus dem Lager Gatterer (Liste mit Kunstwerken, Hausrat) . Plünderung im Sommer 1945, Mimi tho Rahde ließ dies seit Februar 1946 verfolgen . Freigabegesuch der am 24.10.1945 durch Leutnant Morey sichergestellten Gegenstände aus Prien, Schreiben vom 30.10.1945 an die Militärregierung München;

1180 NARA, Dietrich, Maria Almas: Interrogation, S. 62, 68, 71. 1181 NARA, Dietrich, Maria Almas: Interrogation, S. 4. BArch Koblenz, B323/91, Bl. 392, 399: Hinweise auf Einlagerungen durch den ERR; Musikinstrumente, Musikliteratur im September 1945 in den CCP München trasportiert. Ebenda, Bl. 415: Hinweis auf Einlagerung der Universitätsbibliothek München. Ebenda, Bl. 418f.: List of Items stored in Raitenhaslach, 31.8.1945: Einsatzstab Rosenberg, University of Munich, Giesler, Furniture belonging to driver of Giesler, Professor Kirchner (University of Munich), Dr. Meyer (of Falkenberg), Irmgard Lewalder (Munich), Ehring (Soldier killed in war). 1182 NARA, Dietrich, Maria Almas: Interrogation, S. 5. 1183 NARA, Dietrich, Maria Almas: Interrogation, S. 30. 1184 NARA, Dietrich, Maria Almas: Interrogation, S. 10, 12f. BArch Koblenz, B323/91, Bl. 232f.: Jonathan T. Morey Capt. C. E. (MFA & A) an Director, Office of Military Government for Bavaria, 25.10.1945: Subject: Property of Maria Dietrich removed from Prien: 1. The following property of the Munich dealer Maria Dietrich was removed from the Heimatmuseum at Prien, LK Rosenheim, 24 October by the undersigned [Hausrat] 2. The following material was removed from the custody of Bürgermeister Ochs of Prien at the same time. It also is believed to belong to Maria Dietrich: Wood figure Madonna and Child, Painting Fran Volt, Painting Eduard Grützner, two wings of an altar piece, Painting Schleich u. a. 3. All of the above were delivered to Capt. Edwin C. Rae at the Munich Collecting Point 24 October. 349

Ausweichlager wurde geplündert (enthielt private Kunst- und Einrichtungsgegenstände und Waren des Geschäftes und Eigentum von Gerichtsassessor tho Rahde). Sachen wurden u. a. vom Priener Bürgermeister Habenschaden fortgeschafft. Kunstgut wurde teilweise im Rathaus abgegeben.

18) Schloss Meyerhofen [Maierhofen] b. Hemau1185 . Neben Objekten der Dietrichs auch Sammlung des Musikinstrumentenmuseums, München . Bücher, Möbel und Haushaltsgegenstände wurden im Juli 1946 freigegeben.

19) Hinrichsen (Kunsthändler), Alt-Aussee1186 . Wohl nur Silber, erworben bei R. v. Kühlmann, Berlin

20) Haus des (ehemaligen) Bürgermeisters, Kaiser Wilhelmstr. 4, Starnberg1187 . Chinesische und afrikanische Objekte, wohl von Mimi privat . Aussage, dass Objekte in Deutschland gesammelt wurden

21/22) F. v. Kaulbach, Ohlstadt (aufbewahrt in Weilheim1188 und Eschenlohe1189) . eine Kredenz, ein Kästchen, ein Speisezimmer (Gebrauchsgegenstände) . Eschenlohe: Bilder, Möbel „in the studios of the famous painter Kaulbach“

23) Bruckmühl, Nähe Rosenheim1190 . u. a. Koffer, Bilder, Möbel

24) Reichenhall1191

1185 BArch Koblenz, B323/357, Bl. 156–287: Thematik Auslagerungen, Verluste, Regressansprüche. S. auch Findmittel der Staatlichen Archive Bayerns: Staatsarchiv Amberg, Landesamt für Vermögensverwaltung und Wiedergutmachung, Außenstelle Parsberg, 2. Vermögenskontrolle, 110, Freigabe des evakuierten Kulturgutes im Kreis Parsberg 1946–1947 (nicht geprüft). 1186 NARA, Dietrich, Maria Almas: Interrogation, S. 58. 1187 Ebenda. 1188 BArch Koblenz, B323/357, Bl. 285f.: Empfangsbestätigung von Privatbesitzern über Kunstwerke oder kulturelle Gegenstände, unterzeichnet von Maria Dietrich, Mimi tho Rahde und Edgar Breitenbach am 1.6.1946. 1189 NARA, M1946, RG 260, Roll 0070, Restitution Claim Records, Investigations Correspondence, Kastner-Weinmüller, S. 7: Case Dietrich. 1190 Ebenda. 1191 Ebenda. 350

25) Hans W. Lange, Schloss Wiesentheid1192 . ein Barocksessel mit Gobelinbezug aus deutschem Privatbesitz (Mü.-Nr. 20093), 1944 durch Lange evakuiert, 21.12.1949 an Dietrich ausgehändigt

26) Deutsche Bank München1193 . Ommeganck „Landschaft mit Kühen“ (Mü-Nr. 20211)

1192 BArch Koblenz, B323/357, Bl. 167: Eidesstattliche Erklärung von Fräulein Maria Konrad, 30.11.1949. Ebenda, Bl. 168: handschriftliche Notiz, o. D. Heuß 1998b, Fußn. 17: „Sein [Langes] Berliner Geschäft und seine Privatwohnung wurden ausgebombt, jedoch war es ihm gelungen, einen Teil seines Warenlagers nach Schloß Wiesentheid/Unterfranken auszulagern. Die in Schloß Wiesentheid gefundenen Objekte wurden von der amerikanischen Besatzungsmacht gefunden und soweit möglich an die Voreigentümer restituiert.“ S. auch BArch Koblenz, B323/383, Rück- und Freigabe von Kunstwerken: Rückerstattungs- und Wiedergutmachungsverfahren 1945–1970. 1193 BArch Koblenz, B323/357, Bl. 206. 351

ANLAGE 10 Aussagen zu Maria Dietrich

Investigation Section, Special Branch, 15.4.19461194 Die Beziehung zu den Befragten erschließt sich nicht, aber es handelt sich wohl um Nachbarinnen bzw. sogar Angestellte (s. Privatadresse Anna Stoiber). Der Tenor der Aussagen ähnelt sich: Dietrich war eine gute Geschäftsfrau und ihre Tätigkeit „nicht politisch“ motiviert. Aufgrund der wiederholten Erwähnung „gute Geschäftsfrau“ wird eine vorherige Absprache der Befragten vermutet. Der Wahrheitsgehalt der Aussagen kann nicht überprüft werden.

Maria Friedl (Mauerkircherstr. 81/0) „Ich kenne Dietrich seit 10 Jahren. Politische Gespräche habe ich mit ihr nicht geführt, auch hat sie mir gegenüber nie politische Äusserungen gemacht und hat sich in dieser Hinsicht sehr zurückhaltend gezeigt. Sie hat weder NS-Propaganda gemacht, noch hat sie sich als Nazin gezeigt. Bei NS-Anlässen hatte sie normale Beflaggung. NS-Abzeichen hat sie nicht getragen. Den Hitler-Gruss hat sie bei mir nicht angewandt. Es ist mir aber bekannt, dass sie für Hitler Bilder gekauft hat und ich habe auch gehört, dass sie dabei gute Geschäfte gemacht hat. Ich habe gesehen, dass in der Nazi-Zeit sehr häufig Autos bei ihr vorgefahren sind und sie auch viel Besuch hatte, kann aber in dieser Angelegenheit keine näheren Angaben machen. Meiner Meinung nach war ihre Verbindung mit Hitler ausserpolitisch und nur geschäftlich. In der Nachbarschaft war sie nicht sehr beliebt.“

Anna Stoiber (Gustav-Freytagstr. 5/0) „Ich kenne Dietrich seit 4 Jahren. Mein Mann wurde am 20. April 1941 von den Nazis verhaftet, kam ins KZ Dachau, wurde von dort nach dem KZ Buchenwalde überführt[,] wo er am 6. September 1941 gestorben ist. Ich habe mich bei Frau Dietrich als grosse Nazi- Gegnerin gezeigt und habe mich sehr abfällig gegen das Nazi-Regime geäussert. Sie hatte meinen nazifeindlichen Äusserungen gegenüber nichts einzuwenden, ermahnte mich aber, in meinen Reden bei anderen Leuten etwas vorsichtiger zu sein. Nachdem mir bekannt war, dass Frau Dietrich mit einem Juden verheiratet war und ihrer Tochter, welche Jüdin ist, von der Fahrbereitschaft das Auto (wegen nichtarischen Besitz) beschlagnahmt wurde, wunderte ich mich um so mehr, als ich erfuhr, dass Dietrich für Hitler geschäftlich eingekauft hat. Als Nazin hat sie sich nicht gezeigt und es war auch in ihrem Hause kein Hitler-Bild zu sehen.

1194 StAM, SpkA K 285, o. Bl.: Dietrich, Maria: Investigation Section, Special Branch, Fragebogen Nr. C – 38069/19968, Betreff: Dietrich Maria, 5.3.1946. 352

NS-Propaganda hat sie nicht gemacht, dazu war sie eine zu gute Geschäftsfrau. Den Hitler- Gruss hat sie bei mir nicht angewandt.“

Irena Hampl (Mauerkircherstr. 80/I) „Ich kenne Dietrich seit 4 Jahren. Politisch ist sie nicht in Erscheinung getreten. Sie ist eine gute Geschäftsfrau und hat sich als solche, meiner Meinung nach, der Politik ferngehalten. Nazi-Propaganda hat sie nicht gemacht. Ich selbst hatte ihr meine gegnerische Haltung zum Nazi-Regime kundgetan und hatte von ihr in dieser Hinsicht nichts zu befürchten. Es ist mir bekannt, dass sie mit dem Presse-Bilder Hoffmann in Verbindung stand und ich nehme an, dass dies ausserpolitisch und nur eine geschäftliche Angelegenheit war. Sie ist eine tüchtige Geschäftsfrau und eine korrekte Person.“

Maria Dietrich „Im Jahre 1921 habe ich mich mit einen [sic] türkischen Juden verheiratet. Um heiraren [sic] zu können, habe ich den jüdischen Glauben angenommen. Da ich von Konkurrenten und Nationalsozialisten verleumdet wurde, trat ich, um meinen Existenzkampf weiterführen zu können, als förderndes Mitglied der SS bei. Ich war Mitglied bis zum Jahre 1945 und zahlte einen monatlichen Beitrag von RM 1,50 ohne jegliche Funktion. In der NSV glaube ich seit dem Jahre 1938 Mitglied gewesen zu sein und zahlte bis zum Jahre 1945 einen monatlichen Beitrag von RM -.90, ebenfalls ohne jede Tätigkeit. In die Reichskulturk. wurde ich im Jahre 1933 automatisch eingegliedert und es wurden nach dem Umsatz Beträge bezahlt. [...] Um Politik habe ich mich nie gekümmert und habe an keiner der NS-Versammlungen teilgenommen. Durch eine allgemeine Steigerung der Preise und die allgemein grosse Kauflust der Kundschaft erklärt sich die Erhöhung meines Einkommens. Ich war auf Grund meines hohen Umsatzes und Einkommens in keiner Weise steuerbegünstigt.“

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ANLAGE 11 Erläuterung zur Übersicht „Linz-Objekte“

Eine in Bearbeitung befindliche Übersicht der von Maria Dietrich für das Deutsche Reich bzw. den „Sonderauftrag Linz“ beschafften Objekte (Excel-Liste) basiert auf einem Auszug aus der Linz-Datenbank (Stichwort für Filter: Almas), der freundlicherweise von Brigitte Reineke, Deutsches Historisches Museum, Berlin, zur Verfügung gestellt wurde. Diese Übersicht wurde den Gutachterinnen im Januar 2020 zur Bewertung der Arbeit übergeben. Da es sich um eine Arbeitsversion handelt, die einer stetigen Veränderung unterliegt, hat sich die Verfasserin gegen eine Veröffentlichung an dieser Stelle entschieden. Bei Bedarf wird die Übersicht bereitgestellt. Bei der Nutzung der Übersicht gilt es folgende Punkte zu beachten: Bis auf wenige Ausnahmen bezieht sich eine Linz-Nummer (Linz-Nr.) auf ein einzelnes Kunstwerk. Einige Erwerbungen wurden summarisch erfasst; das sind die Linz-Nr. 2492 (24 Teller), 2584 (fünf Teller), o. Linz-Nr.: zweimal 28 Krüge, acht Krüge. Ein Zyklus von 29 Drucken zu Wagner- Opern von Ferdinand Leeke (Linz-Nr. 2095–2123) wurde von der Verfasserin als eine Nummer gezählt. Einzelne Objekte der ursprünglichen Übersicht können von der Verfasserin nicht mit „Almas“ assoziiert werden, wurden aber der Vollständigkeit halber beibehalten. Die Einträge wurden von der Verfasserin angepasst und nach Möglichkeit ergänzt und konkretisiert. Weitere Informationen zu Ergänzungen finden sich unter Kap. 2.3.2 Nominelle Einordnung. Die rezipierten Aussagen von „Almas“ sollen nicht der Verifizierung, sondern als Forschungsansatz dienen. In der Werkübersicht wurden Informationen aus Datenbanken, Archivalien und der Literatur abgeglichen und zusammengeführt: Datenbanken: u. a. BVA Provenienzdatenbank, Lost Art-Datenbank, Galerie Heinemann online, Herkomst Gezocht, Datenbank CCP, Site Rose Valland MNR Archivalien: u. a. BArch Koblenz B323 (v. a. B323/99; „Kleine Kartei“), NARA (fold3), Archives diplomatiques, Paris Kataloge und Literatur: u. a. Auktionskataloge, Werkverzeichnisse, Kat. Mauerbach 1996, Schwarz 2004

Markiert wurden: 81 belastete Werke (rot), 13 verdächtige Werke (orange), 15 definitiv unbelastete Werke (grün) – Einschätzung nach Ansicht der Verfasserin (Stand Dezember 2020). Es besteht kein Anspruch auf Vollständigkeit. 354