Wortprotokoll EuroBundMedienBerlBra 16 / 31

16. Wahlperiode

Plenar- und Ausschussdienst

Wortprotokoll

Ausschuss für Europa- und Bundesangelegenheiten, Medien, Berlin-Brandenburg

31. Sitzung 24. September 2008

Beginn: 10.06 Uhr Ende: 13.21 Uhr Vorsitz: Martina Michels (Linksfraktion)

Punkt 1 der Tagesordnung

Aktuelle Viertelstunde

Siehe Inhaltsprotokoll.

Punkt 2 der Tagesordnung

Besprechung gemäß § 21 Abs. 3 GO Abghs 0002 aktuelle Fragen auf Europa- und Bundesrats-/Länderebene (auf Antrag aller Fraktionen)

Siehe Inhaltsprotokoll.

Punkt 3 der Tagesordnung

Besprechung gemäß § 21 Abs. 3 GO Abghs 0092 Finanzierung der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten und die Gebührengerechtigkeit am Beispiel des Rundfunks Berlin-Brandenburg (RBB) Hierzu: Anhörung der Intendantin des RBB (auf Antrag aller Fraktionen)

Vorsitzende Martina Michels: Der Ausschuss wollte die Diskussion zu diesem Tagesordnungspunkt nicht ohne die Intendantin des RBB, Frau Reim, führen. Ich bin sehr froh, dass Frau Reim und Herr Binder heute zu uns gekommen sind.

Inzwischen ist allen Abgeordneten eine Reihe von Stellungnahmen zugegangen, die vielleicht den Hinter- grund des Sachverhalts etwas beleuchten. Im Vorfeld auf diese Sitzung haben wir einen für diesen Aus- schuss ungewöhnlichen Weg beschritten, indem fast alle Fraktionen vorab Fragen übermittelt haben. Es hat einige Irritationen gegeben, weil diese Fragen sehr umfangreich gewesen sind, aber ich wiederhole: Es war

Redakteur: W. Burger, Tel. 23 25 1463 bzw. quer (99407) 1463

Abgeordnetenhaus von Berlin Seite 2 Wortprotokoll EuroBundMedienBerlBra 16 / 31 16. Wahlperiode 24. September 2008 – bu/sth – der ausdrückliche Wunsch von Frau Reim bzw. ihres Büros, so vorzugehen. Die Fragen dienten lediglich der besseren Vorbereitung, was nicht bedeutet, dass nicht auch noch andere Fragen gestellt werden dürfen.

Wir haben heute keine weiteren Themen zu erörtern, sodass uns genügend Zeit für die Besprechung dieses Tagesordnungspunkts bleibt. Insofern schlage ich vor, dass zunächst die antragstellenden Fraktionen kurz die Möglichkeit bekommen, ihren Besprechungswunsch zu begründen. Im Anschluss daran gibt Frau Reim ihr Statement ab, danach wird Frau Kisseler für den Senat noch einige Ergänzungen vornehmen, und dann treten wir in die Diskussionsrunde ein. – Zum Prozedere – bitte, Frau Ströver!

Alice Ströver (Grüne): Zunächst bitte ich um die Erstellung eines Wortprotokolls.

Vorsitzende Martina Michels: Wir hatten bereits zu Beginn der Sitzung vereinbart, dass ein Wortprotokoll erstellt wird.

Alice Ströver (Grüne): Zweitens: Wir benötigen keine Begründungsrunde, weil wir uns darüber lange ver- ständigt haben. Die SPD hat als einzige Fraktion keine Fragen eingereicht, aber alle anderen Fraktionen ha- ben eine Menge Fragen eingereicht, die in der verbleibenden kurzen Zeit kaum zu beantworten sind. Deshalb schlage ich vor, dass wir Frau Reim schnell zu Wort kommen lassen, damit wir über das, was Sie uns zu sagen hat, diskutieren können.

Vorsitzende Martina Michels: Danke! – Bitte, Herr Dr. Lindner!

Dr. Martin Lindner (FDP): Ich möchte mich dem anschließen. Frau Reim sollte sofort das Wort erhalten, und danach sollten die Fraktionen zu Wort kommen.

Vorsitzende Martina Michels: Frau Dr. Hiller!

Dr. Gabriele Hiller (Linksfraktion): Meine Bitte ist, dass wir eine kurze Begründungsrunde machen, denn schließlich haben wir Gäste im Haus, und es geht um einen Vorgang, der einen besonderen Charakter hat. Der RBB ist die einzige Rundfunkanstalt, die in der ARD-Verteilung so außen vor ist. Deshalb sollten wir uns die Zeit nehmen und als Parlament noch einmal begründen, warum wir diesen Besprechungspunkt bean- tragt haben.

Vorsitzende Martina Michels: Es gibt Widerspruch. Ich würde es ungern auf eine Abstimmung zulaufen lassen; die Kräfteverhältnisse sind bekannt. – Deshalb würde ich sagen, dass wir so verfahren, wie wir immer in diesem Ausschuss verfahren und wie es auch vorgesehen ist. – Das Wort haben nun die antragstellenden Fraktionen. – Bitte, Herr Zimmermann!

[Vom Publikum werden Transparente gezeigt.]

Frank Zimmermann (SPD): Wir hätten uns die Geschäftsordnungsdebatte sparen können. In dieser Zeit hätten wir längst drei Sätze zur Begründung sagen können.

Vorsitzende Martina Michels: Entschuldigung, Herr Zimmermann! – Liebe Gäste, auch von Radio Multi- kulti! Wie Sie wissen, unterstützen wir Ihr Anliegen. Wir alle sind dafür, dass wir diese Sache heute aufklä- ren, aber ich möchte Sie nicht des Saales verweisen müssen. Sie hatten die Möglichkeit, und der RBB hat das bereits gefilmt. Bitte, verhalten Sie sich im weiteren Verlauf dieser Sitzung den Regularien entsprechend! Nehmen Sie bitte die Transparente herunter! – [Özcan Mutlu (Grüne): Unglaublich! Das stört niemand!] – Herr Mutlu, Sie kennen unsere Geschäftsordnung! – Gut! Dann können wir so verfahren. Sie hatten alle Ihre Möglichkeit; wir waren wirklich großzügig. – Das Wort hat Herr Zimmermann. – Bitte sehr!

Frank Zimmermann (SPD): Nur ein Satz zur Begründung: Wir freuen uns, dass die Ministerpräsidenten aller Länder die KEF beauftragt haben, einen Vorschlag für eine neue Gebührenverteilung innerhalb der ARD vorzulegen. Das meinen die Ministerpräsidenten ernst, das wissen wir. Wir fordern die KEF auf, dieses zu tun. Auf einer solchen Grundlage könnte der RBB von einer neuen Verteilung der Gebühren profitieren. Abgeordnetenhaus von Berlin Seite 3 Wortprotokoll EuroBundMedienBerlBra 16 / 31 16. Wahlperiode 24. September 2008 – bu/sth –

Wir hoffen, dass das so kommen wird. Auf dieser Basis könnte für manche programmliche Entscheidungen eine andere Grundlage gefunden werden. Darüber wollen wir heute sprechen und gemeinsam mit der Inten- dantin verschiedene Möglichkeiten ausloten.

Vorsitzende Martina Michels: Danke, Herr Zimmermann! – Dann würde ich jetzt Frau Reim bitten – – Herr Goiny, bitte!

Christian Goiny (CDU): Frau Vorsitzende! Bitte, weisen Sie vorsichtshalber darauf hin, dass die Kamera- leute nicht die Unterlagen filmen dürfen. – [Heiterkeit] – Das wird in den anderen Ausschüssen genauso gehandhabt.

Vorsitzende Martina Michels: Auf jeden Fall! Entschuldigung! Das habe ich nicht bemerkt. Ich glaube jedoch, dass der RBB unsere Regularien kennt. – Bitte, Frau Ströver!

Alice Ströver (Grüne): Zur Begründung möchte ich gerne sagen, dass ich mich sehr freue, dass wir heute diese öffentliche Anhörung haben.

Vorsitzende Martina Michels: Entschuldigung, Frau Ströver! Die Begründung wird nicht mehr diskutiert. Das war noch nie so; wir haben keine Diskussion. Das war die Begründung, und nun hat Frau Reim das Wort.

Alice Ströver (Grüne): Ich möchte begründen. Hier steht: auf Antrag aller Fraktionen. – Ich bin eine der Fraktionsvertreter und möchte gern begründen.

Vorsitzende Martina Michels: Bitte! Wir sind sehr großzügig. – [Zurufe] – Wir sind doch gar nicht auf Streit aus. Bitte, Frau Ströver, Sie haben das Wort!

Abgeordnetenhaus von Berlin Seite 4 Wortprotokoll EuroBundMedienBerlBra 16 / 31 16. Wahlperiode 24. September 2008 – bu/krü –

Alice Ströver (Grüne): Ich möchte gern noch einmal sagen, dass die Besprechung dieses Punktes und die Anhörung auf Antrag aller Fraktionen stattfindet. Die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen ist eine der Fraktio- nen in diesem Hause, und wenn eine Fraktion begründet, dann möchte ich auch ganz kurz begründen.

Wir freuen uns sehr – anders als die Vorsitzende –, dass so zahlreich Vertreter des Freundeskreises von Ra- dio Multikulti anwesend sind und sehr freundlich und bescheiden ihren Protest gegen die Schließung des Programms zum Ausdruck bringen, das ein Teil der öffentlich-rechtlichen Grundversorgung in der Region Berlin-Brandenburg ist. – [Beifall aus dem Publikum] – Herr Zimmermann! Wir freuen uns, dass das Thema nicht nur lautet: Wie werden sich die ARD-Anstalten künftig verhalten, und wie wird das Gutachten ausse- hen, auf das wir auch sehr gespannt warten? – Ich hoffe, wir haben genügend Zeit, so lange zu warten, dass wir in den 11. Rundfunkänderungsstaatsvertrag das einfließen lassen können, was dabei herausgekommen ist.

Ich freue mich sehr, wenn es gelingt, zu den 65 Fragen der fragenden Fraktionen – außer der SPD – heute eine Antwort zu bekommen. Für uns ist klar, dass dieses Thema nicht nur ein allgemeines Thema des Fi- nanzausgleichs und der Verteilung ist. Das ist ein gravierendes Thema, das meine Fraktion seit vielen Jahren thematisiert, und es ist auch ein hausinternes Thema. Der Senat hat die Rechtsaufsicht über den öffentlich- rechtlichen Rundfunk, und wir haben den Senat zu kontrollieren, und in dieser Funktion haben wir die Inten- dantin zum direkten Gespräch eingeladen, was viel besser ist, als wenn es über den Senat vermittelt ge- schieht. Ich hoffe, dass es gelingt, zu einer Diskussion zu kommen, die sowohl unter medienpolitischen als auch unter gesellschaftspolitischen Implikationen eine Chance bietet, die wichtigen Aufgaben, die der öffent- lich-rechtliche Rundfunk hat, mit sieben Hörfunkprogrammen in der Verantwortung des RBB auch so beste- hen zu lassen.

Vorsitzende Martina Michels: Danke schön! – Eines möchte ich nicht stehen lassen. „Anders als die Vor- sitzende“ stimmt nicht! Vielleicht haben Sie da nicht zugehört. Wir bekommen auch ein Wortprotokoll, in dem das nachgelesen werden kann. Ich habe zu Beginn die Gäste – auch die von Radio Multikulti – sehr herzlich begrüßt. Das ist im gemeinsamen Interesse des Ausschusses. Frau Ströver! Schade, dass Sie da nicht zugehört haben! Das möchte ich richtigstellen. Aber ich glaube, die Gäste haben das genauso registriert. – Jetzt hat Herr Dr. Lindner das Wort. – Bitte schön!

Dr. Martin Lindner (FDP): Frau Vorsitzende! Meine Damen, meine Herren! Liebe Frau Reim! Schön, dass Sie da sind. Ich freue mich, dass Sie uns sicher über Radio Multikulti und den Senderfinanzausgleich hinaus auch allgemein etwas zur Finanzierung Ihres Senders sagen können. Das kann man in drei größere Themen- blöcke gliedern. Erstens die Frage: Auf welche Weise gedenken Sie, über die Schließung von Radio Multi- kulti hinaus Ihre Ausgaben zu reduzieren? – Wenn man sich Ihren Konsolidierungsbedarf und die Kosten von Radio Multikulti anschaut, wird man in jedem Fall – unabhängig davon, wie man zu Radio Multikulti steht – zu dem Ergebnis kommen, dass das nicht das Ende der Fahnenstange sein kann. Welche Ausgaben gedenken Sie weiter zu reduzieren?

Zweitens: Wie können Sie – oder wir gemeinsam – versuchen, Ihre Einnahmen zu steigern? – Der Sender- finanzausgleich ist hierbei sicher ein Element, aber es gibt sicher noch weitere Möglichkeiten, hier auch auf der Einnahmenseite zu einer Konsolidierung zu kommen.

Das Dritte, was ich Sie bitte, als größeren Fragenblock zu beantworten: Was müsste über diese Einnahmen- und Ausgabenreduzierungen an möglichen strukturellen Änderungen in Ihrem Senderbereich herbeigeführt werden, um hier zu einer soliden Finanzierung zu kommen? – Danke!

Vorsitzende Martina Michels: Danke schön! – Frau Dr. Hiller!

Dr. Gabriele Hiller (Linksfraktion): Mir geht es darum, unsere Entscheidung als Parlament zum 11. Rund- funkänderungsstaatsvertrag zu qualifizieren und transparent zu machen. Es geht um einen für mich eigen- tümlichen Vorgang, nämlich dass trotz angestrebter Gebührenerhöhung um 95 Cent für den Einzelnen und Mehreinnahmen von über 15 Millionen Euro für den RBB letztlich aber über 54 Millionen Euro beim RBB fehlen werden. Das ist im 7,8 Milliarden-Tanker ARD einmalig, und das verlangt unser Hinterfragen als Abgeordnetenhaus von Berlin Seite 5 Wortprotokoll EuroBundMedienBerlBra 16 / 31 16. Wahlperiode 24. September 2008 – bu/krü –

Parlament. Es geht letztlich um die Arbeitsfähigkeit des RBB, der öffentlich-rechtlichen Anstalt in unserer Region.

Selbstverständlich ergeben sich für uns auch Fragen nach dem Gesamtfinanzierungskonzept des RBB, nach seinem Gesamtkonzept des Sparens. Herr Lindner wies daraufhin: Die Einsparungen, die bisher angestrebt werden oder benannt wurden, werden nicht ausreichen. Verwunderlich ist, dass man mit Radio Multikulti an dem am effektivsten arbeitenden und kleinsten Programm sparen will, was im Gesamtkontingent letztlich gar nicht so wirksam wird.

Das Parlament hat sich damit beschäftigt und mit den Stimmen von Rot-Rot und Grün eine Entschließung verabredet, mit der wir fordern, dass Multikulti bleibt. Leider ist uns die Intendanz des RBB bisher eine Antwort schuldig geblieben. Ich weiß nicht, ob mittlerweile beim Präsidenten etwas angekommen ist. Mir ist das nicht bekannt. Deshalb gehört es zum Vorlauf der heutigen Anhörung, dass bisher ein Gespräch mit der Intendanz nicht möglich war, auch nicht bei Veranstaltungen, die verschiedentlich von den Grünen, der Lin- ken oder vom Migrantenbeirat durchgeführt wurden. Es gab keine Gelegenheit zu diskutieren und zu argu- mentieren, und deshalb freue ich mich besonders, die Intendantin heute begrüßen zu können.

Ich freue mich auch, dass wir über die Zukunftsfähigkeit des RBB reden können. Schließlich geht es auch darum, dass Jugendliche letztlich kaum noch durch den RBB angesprochen werden. Schauen Sie sich die Zahlen an! Wenn wir Multikulti schließen, werden auch Berliner mit Migrationshintergrund zumindest nicht mehr mit einem Berliner Programm angesprochen. Wir sollten uns ausführlich erklären lassen, wie man da- mit eine Zukunftsfähigkeit des Senders gewährleisten will. Aus der Sicht bin ich sehr gespannt auf die Dis- kussion. – Danke schön!

Vorsitzende Martina Michels: Möchte noch eine Fraktion das Wort zur Begründung ergreifen? – Gut! Dann haben wir die Begründungsrunde abgeschlossen, und jetzt hat Frau Intendantin Reim das Wort. – Bitte schön!

Dagmar Reim (Intendantin des RBB): Frau Vorsitzende! Frau Staatssekretärin! Meine sehr verehrten Da- men und Herren! Sie möchten heute über die Finanzierung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks und über Gebührengerechtigkeit am Beispiel des RBB sprechen und haben mich dazu eingeladen. Dafür danke ich Ihnen und nehme die Gelegenheit gern wahr, Ihnen unsere Situation zu schildern. Neben mir – das ist schon deutlich geworden – sitzt Herr Dr. Binder. Herr Brandstätter ist erkrankt, und ich muss ihn entschuldigen. Das mit den Fragen im Vorfeld ist – wie man hier sagt – einem Büroversehen geschuldet, denn ich wollte wissen, was auf der Tagesordnung steht und wer die Mitglieder des Ausschusses sind – die Namen. Daraus ist etwas anderes entstanden, aber es kann nicht schaden, im Vorfeld die 60 wichtigsten Fragen zu kennen.

Ich beginne mit unseren Finanzen. Es steht – das wissen Sie alle – nicht zum Allerbesten. Der RBB erwartet in der kommenden Gebührenperiode, die am 1. Januar beginnt, ein Defizit von 54 Millionen Euro. Wie kann es dazu kommen, Frau Hiller? – Wir bekommen ja, wenn alles gut geht, eine Gebührenerhöhung. Kurz ge- sagt, liegt es vor allem daran, dass unsere Gebühreneinnahmen deutlich geringer ausfallen als in anderen Bundesländern. Dafür gibt es genau drei Gründe.

Erstens: Überdurchschnittlich viele, nämlich 14,2 Prozent aller Haushalte in unserem Sendegebiet sind von den Fernsehgebühren befreit. Im ARD-Durchschnitt sind es 8,9 Prozent. Hauptsächlicher Befreiungsgrund – Sie wissen das alle – ist der Bezug von Alg II.

Zweitens hat der RBB eine sehr hohe Forderungsausfallquote. Dieses Wort wird vulgo gern mit „Schwarz- hörerquote“ übersetzt. Das bedeutet, dass überdurchschnittlich viele Bürgerinnen und Bürger, die zur Zah- lung von Gebühren verpflichtet wären, diese nicht bezahlen.

Drittens haben wir vor allem in Berlin sehr viele Menschen, die sich nicht anmelden. Das gehört unter den Fachterminus Haushaltsdichte. Wir haben in Berlin eine Haushaltsdichte, die deutlich unter der anderer Sen- der liegt.

Abgeordnetenhaus von Berlin Seite 6 Wortprotokoll EuroBundMedienBerlBra 16 / 31 16. Wahlperiode 24. September 2008 – bu/krü –

Aber der Reihe nach: Wie hat sich die Situation seit der Fusion so entwickelt? – Eines der erklärten Ziele unserer Fusion war, die Existenz einer öffentlich-rechtlichen Anstalt in der Region für die Region zu sichern. Die beiden Kleinen hätten – das wissen Sie – finanziell nicht überleben können. Nun wird aus zwei Kleinen nicht unbedingt ein reicher Großer. Das war von Anfang an klar. Dennoch haben wir unsere Hausaufgaben gemacht. Wir haben vom ersten Tag unserer Existenz an deutlich und hart gespart. Wir haben schon im ers- ten Wirtschaftsplan über 20 Millionen Euro gestrichen und einen Zielstellenplan in Kraft gesetzt. Bis zum Jahresbeginn 2009 werden wir insgesamt mehr als 300 Stellen ohne eine einzige betriebsbedingte Kündigung abgebaut haben. Das entspricht etwa 20 Prozent unserer Stellen.

Da die Ministerpräsidenten 2005 die von der KEF vorgeschlagene Gebührenerhöhung zunächst reduziert und verschoben haben, war der RBB gezwungen, ein weiteres Sparpaket zu schnüren. Pauschale Kürzungen in allen Bereichen, verschiedene Einzelmaßnahmen brachten wieder 17 Millionen Euro. Wir erhielten 2006 letztmalig Mittel aus dem ARD-Finanzausgleich. Inzwischen leisten wir – der RBB – sogar Strukturhilfe für und den Saarländischen Rundfunk. Zur weiteren Haushaltskonsolidierung beschlossen wir mit Unterstützung unserer Gremien das Projekt „RBB 2009“. Alle Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter waren aufgerufen, Einsparvorschläge zu unterbreiten. Im Ergebnis werden wir bis Ende dieses Jahres zusätzlich 21 Millionen Euro einsparen, die zu 70 Prozent – das ist wichtig – die sogenannten programmfernen Berei- che erbringen. Ich nenne sie „sogenannte programmferne Bereiche“, weil ich der Ansicht bin, dass auch Verwaltung, Technik, Justiziariat zu unserem Auftrag und dessen Erfüllung beitragen.

Damit nicht genug: Um unsere Liquidität zu stabilisieren, kürzten wir für das vergangene und dieses Jahr unser Investitionsvolumen um insgesamt 10 Millionen Euro. Pro Jahr stehen uns damit – und ich betone das – 15 Millionen Euro für Investitionen zur Verfügung. Das sind knapp drei Prozent unseres jährlichen Gesamthaushalts. Für ein technikintensives und innovatives Medienhaus ist diese Investitionsquote nicht einmal fipsig. Sie ist marginal.

Insgesamt haben wir also in den ersten Jahren unserer Existenz 100 Millionen Euro eingespart. Wir haben unsere Hausaufgaben gemacht und unsere Konsolidierung nie aus dem Blick verloren. Wir waren auf den Punkt genau mit unserer Haushaltskonsolidierung fertig, und dann begannen die Gebühreneinbrüche – seit 2006. Allein 2007 entgingen uns durch Befreiungen und Forderungsausfälle 66,3 Millionen Euro. Die Prog- nose für 2008: Ein noch höherer Ertragsausfall! – Diese negative Entwicklung wird sich nach den Voraussa- gen der GEZ leider in unveränderter Dynamik fortsetzen. Die entsprechenden Tabellen liegen Ihnen vor. Ich habe Ihnen aber auch noch eine GEZ-Tabelle mitgebracht. Frau Dr. Hiller! Deswegen wird uns auch die für 2009 geplante Gebührenerhöhung nicht in ausreichendem Maße helfen. Die GEZ sagt voraus, dass die Be- freiungen und Forderungsausfälle in Berlin so weit steigen, dass der RBB 2012 trotz der Gebührenerhöhung in Euro und Cent weniger Rundfunkgebühren einnehmen wird als 2008.

Wieso ist diese Situation für uns dramatisch? – Da ist zum einen diese geringe Haushaltsdichte. Bei der Haushaltsdichte – ich habe es gesagt – geht es um die Frage: Wie viele Haushalte haben überhaupt ein Rund- funkgerät angemeldet? – Eine Haushaltsdichte von 89 Prozent bedeutet 89 Prozent aller Haushalte sind in einem Sendegebiet dabei. Wir schneiden hier im Vergleich mit den anderen Rundfunkanstalten katastrophal ab. Selbstverständlich haben alle großen Städte in der Bundesrepublik hier ein vergleichbares Problem, aber bitte bedenken Sie: Über die Hälfte der Bevölkerung in unserem Sendegebiet wohnt in Berlin. Es gibt keinen Sender in Deutschland, der eine ähnliche Soziographie hat wie Berlin. Das wissen Sie. Diesen besonderen Herausforderungen zum Trotz haben wir das, was machbar ist, in Angriff genommen.

Warum fordern wir die Unterstützung von der ARD? – Wir halten das derzeitige Gebührenverteilungssystem für ungerecht. Die KEF berücksichtigt bei der Höhe ihrer Gebührenempfehlung Gebührenbefreiungen und Forderungsausfälle, allerdings – und das ist wichtig – nicht auf die einzelne Landesrundfunkanstalt bezogen, sondern auf die ARD insgesamt. Letztlich zählt der Durchschnitt. Seit 2006 fordere ich meine Intendanten- kollegen zur Unterstützung auf. Bislang vergebens! Nun aber hat die KEF ihr Augenmerk – Herr Zimmer- mann hat darauf hingewiesen – auf die schwierige Situation in einigen Sendern gelenkt, und nunmehr denkt sie darüber nach, den Ministerpräsidenten, die das von ihr gefordert haben, einen Vorschlag zu machen, wie man diese Gebührengerechtigkeit herstellen könnte.

Abgeordnetenhaus von Berlin Seite 7 Wortprotokoll EuroBundMedienBerlBra 16 / 31 16. Wahlperiode 24. September 2008 – bu/krü –

Im April ist beschlossen worden, dass der Fernsehvertragsschlüssel für den RBB von 6,85 Prozent auf 6,6 Prozent sinkt. Dies entlastet uns jährlich um etwa 2 Millionen Euro. Angesichts unseres Fehlbetrages ist das ein Tropfen auf dem heißen Stein, und aus programmlicher Sicht kann es nicht unser Ziel sein, im Ersten Deutschen Fernsehen möglichst reduziert vorzukommen. Im Gegenteil! Der RBB will gerade als Sender der Hauptstadtregion mit genügend Mitteln ausgestattet sein, um auch bundesweit Präsenz zu zeigen.

Ich habe dennoch diesem Bonner Kompromiss zugestimmt, weil wir es uns gar nicht leisten können, auch auf nur einen Cent Unterstützung zu verzichten. Gleichzeitig habe ich aber – das ist auch so protokolliert – darauf verwiesen, dass der RBB weiter für eine gerechte Gebührenverteilung kämpfen wird und kämpfen muss.

Nun haben die Ministerpräsidenten – wie gesagt – die KEF gebeten, einen Vorschlag zu machen. Anfang Oktober soll der Vorschlag auf dem Tisch liegen. Die Diskussion ist nicht beendet. Dennoch müssen wir nun handeln. Wie Sie wissen, ist der RBB verpflichtet, am Ende der Gebührenperiode einen ausgeglichenen Haushalt vorzulegen. Das ist sehr in Ihrem Sinne, denn wenn wir illiquide wären, wären die Gewährsträger – die Länder – dran. Ich glaube, das können Sie nicht im Ernst wollen. Deswegen habe ich mit großem Ver- gnügen ein Interview gelesen: „Wir hatten 160 Millionen Miese. Das hat uns aber nicht interessiert. Wir haben unser Programm gemacht.“ – Na prima! Wir denken da anders und sind der Meinung, dass wir für die ausgeglichene Haushaltsführung unseres Senders zuständig sind.

Trotz des mehrfach abgesenkten Ausgabenniveaus wird es im RBB im neuen Jahr trotz der Gebührenerhö- hung eine Nullrunde für den Programm- und den Sachaufwand geben. Obwohl wir seit Jahren einen Investi- tionsstau haben, werden wir 2009 und 2010 erneut auf Investitionen in Höhe von 10 Millionen Euro verzich- ten müssen. Wie Sie alle wissen, wird sich der RBB – und er hält das für schmerzlich, um auch das klar zu sagen – von seinem Programm Radio Multikulti und von dem Fernsehmagazin „Polylux“ verabschieden müssen.

Warum haben wir uns dazu entschlossen? – Die Einsparungen habe ich geschildert. Die Grenzen der Ein- sparmöglichkeiten sind für uns erreicht. Ich habe in allen Gremien immer darauf hingewiesen: Nach der Schlankheit kommt die Dürre, und nach der Dürre kommt die Magersucht. Ich habe die Programmverant- wortlichen im RBB gefragt, ob wir erneut ein rasenmäherartiges Streichprogramm für alle machen können, und die Antwort der Kolleginnen und Kollegen war: Nein! Wir kommen in jedem einzelnen Programm an eine kritische Grenze.

Nun könnte man sagen: Warum sollten wir gleich eine komplette Welle und eine Fernsehsendung aufgeben? Wir könnten das doch stattdessen irgendwie verteilen. – Glauben Sie mir: Das „Irgendwie“ geht nicht mehr, weil wir eben 100 Millionen Euro eingespart und 300 Stellen abgebaut haben. Auch die Fusion zweier Wel- len haben wir selbstverständlich in Betracht gezogen, aber sie würde entweder wirtschaftlich nicht den Effekt bringen, oder sie wäre programmlich noch weniger vertretbar gewesen.

Warum ist das überhaupt programmlich vertretbar? – Radio Multikulti ist das einzige Programm, das wir durch ein adäquates öffentlich-rechtliches Programm mit 17 Fremdsprachen ersetzen können. Ich weiß genau wie Sie, dass das Programm des WDR keinen Berliner Teil hat. Gleichwohl ist es auch kein kölnisches Pro- gramm, das über die Migrationserfahrungen kölnischer Bürgerinnen und Bürger Auskunft gibt. „Funkhaus Europa“ versteht sich als ein deutschlandweites Programm, und wir wissen, dass es Radio Multikulti selbst- verständlich nicht eins zu eins ersetzen kann. Es ist aber die einzige Möglichkeit, ein Programm in dieser Güte – mit 17 Sprachen – zu ersetzen.

Schließlich – aber auch nicht an letzter Stelle –: Wir fordern Unterstützung von den anderen ARD- Intendanten. Was glauben Sie, welche Diskussionen ich zu bestehen habe, wenn mir der sehr wohlhabende Kollege des Bayerischen Rundfunks sagt: „Frau Reim! Sie leisten sich sieben Programme. Wir haben fünf.“ oder wenn mir die WDR-Kollegin sagt: „Frau Reim! Sie leisten sich sieben Programme. Wir haben sechs.“?

Festzuhalten bleibt: Jeder programmliche Einschnitt ist außerordentlich schmerzlich, und es ist sehr interes- sant, dass die Zuwendung der Menschen ausschließlich Multikulti gilt. Ich bedauere die Einstellung von „Polylux“ sehr. „Polylux“ hat dem Ersten Deutschen Fernsehen sehr gut getan, weil es jüngere Zuschauerin- Abgeordnetenhaus von Berlin Seite 8 Wortprotokoll EuroBundMedienBerlBra 16 / 31 16. Wahlperiode 24. September 2008 – bu/krü – nen und Zuschauer an die ARD gebunden hat. Das halte ich für einen echten Verlust. Jedes unserer Hör- funkprogramme ist auch im ARD-Vergleich unverwechselbar. Deswegen ist es äußerst bedauerlich, sich von einem trennen zu müssen. Wir werden vom 1. Januar an „Funkhaus Europa“ senden. Wir hätten sonst keine Alternative mit den Fremdsprachen gehabt. Die gibt es nirgendwo, und allen Gerüchten zum Trotz hat sich nirgendwo auf der Welt ein solches Programm etablieren können. Es ist in Südafrika versucht worden. Es ist in Kanada versucht worden. Lediglich der WDR hat nach dem Vorbild des Senders Freies Berlin ein solches Programm etabliert. Wir werden – wie bislang – dem WDR das fremdsprachige Angebot in Polnisch, Ara- bisch und Russisch zuliefern können. Die Musiksendungen in der Nacht werden ebenfalls Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter gestalten, die bislang für Radio Multikulti gearbeitet haben.

Ich bitte Sie auch zu beachten: Alle fest angestellten Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter von Radio Multikulti werden bei uns bleiben. Ich möchte Sie bitten, einmal darüber nachzudenken, was es bedeutet, wenn irgend- wo eine Betriebsschließung in einem Teil sein muss, was dann aus den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern wird. Wir bemühen uns auch, so viele freie Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter wie möglich weiterhin bei uns an Bord zu behalten.

Uns ist bewusst – das habe ich gesagt –: Das „Funkhaus Europa“ kann Multikulti nicht eins zu eins ersetzen, aber in den Grenzen, die uns gegeben sind, ist es eine Alternative. Man muss sich auch, wenn man über Mul- tikulti spricht, ehrlicherweise eingestehen, dass sich das Mediennutzungsverhalten in den 14 Jahren, in denen es Multikulti gibt, extrem verändert hat. Ich glaube, Sie alle wissen das. Heute ist es möglich, Audio- und Fernsehangebote aus aller Welt über das Internet zu empfangen oder sich per Satellitenschüssel ins Haus zu holen. Das war vor 14 Jahren nicht möglich. Aus Berlin senden bereits russisch- und türkischsprachige Sen- der rund um die Uhr. Niemandem von uns müssen diese Programme gefallen. Gleichwohl werden wir akzep- tieren müssen, dass sie gehört werden.

Migrantinnen und Migranten hören – das zeigen Studien – weniger Radio als Deutsche. Man erreicht sie weit besser über Internet und Fernsehen. Wenn sie Radio hören, nutzen sie überwiegend deutschsprachige Pro- gramme oder greifen auch sehr stark auf ihre ausländischen Herkunftsprogramme mithilfe von Internet oder Satellitenschüssel zurück. Gerade in Berlin und Brandenburg sind diese ausländischen heimatsprachigen Programme, insbesondere „Metropol FM“, außerordentlich akzeptiert. Es folgen in der Rangliste bei Migran- tinnen und Migranten kommerzielle Radiosender weit vor Radio Multikulti. Es erreicht – wie Sie wissen – in Berlin und Brandenburg eine Quote von 0,9 Prozent. Das sind 45 000 Hörerinnen und Hörer pro Tag. Migrantinnen und Migranten hören sehr viel häufiger Inforadio als Radio Multikulti.

Unzutreffend ist die immer wieder gern behauptete Sache, es seien in der Vergangenheit bei der Mediaanaly- se lediglich deutsche Hörerinnen und Hörer befragt worden. Das ist falsch, auch wenn es immer wieder gern wiederholt wird. Richtig ist: Lediglich Menschen, die kein Deutsch sprechen und kein Deutsch verstehen und damit in der Mediaanalyse keine Auskunft geben können, wenn sie angerufen werden, wurden bislang nicht erfasst. Neu ist, dass jetzt EU-Ausländer zur Grundgesamtheit der Mediaanalyse zählen. Das ist eine Neuigkeit. Die bedeutet allerdings nicht, dass sie vorher nicht befragt wurden. Sie wurden allerdings vorher nicht gesondert ausgewiesen. Sie sind in der Grundgesamtheit der Mediaanalyse aufgegangen. Nunmehr können wir sehen, wie viele EU-Ausländerinnen und -Ausländer Programme sehen und hören. Die neue Erhebung ist also nicht der Grund, dass sich die Hörerinnen- und Hörerzahlen bei Radio Multikulti erhöht haben. Das liegt ausschließlich an der Qualität dieses Programms, und diese Qualität ist uns bewusst. Wir haben daran nie einen Zweifel gelassen.

Wie geht der RBB künftig mit Themen wie Integration, Migration, Dialog der Kulturen um? – Diese The- men sind wichtig, und wir werden sie selbstverständlich nicht dem „Funkhaus Europa“ überlassen. Das ist eine Querschnittsaufgabe, der sich alle unsere Programme verpflichtet fühlen, übrigens nicht erst vom 1. Januar an, sondern schon heute. Sie kann und darf nicht ausschließlich in einem Mini-Minderheitenpro- gramm stattfinden, und das war auch bislang nicht der Fall. Das Zusammenleben von Menschen unterschied- licher Herkunft und kultureller Prägung, die Vielfalt und Spannungen zwischen den ethnischen Gruppen in dieser großen Stadt sind selbstverständliche Aspekte unserer täglichen Berichterstattung. Unsere Maßgabe ist es, diese Themenkomplexe als völlig normale, zu unserem Alltag gehörige Themen zu behandeln, und das auf allen Wellen.

Abgeordnetenhaus von Berlin Seite 9 Wortprotokoll EuroBundMedienBerlBra 16 / 31 16. Wahlperiode 24. September 2008 – bu/krü –

Veranstaltungen, die Radio Multikulti ins Leben gerufen hat – wie z. B. den „VölkerBall“ –, führen wir fort. Radio Eins lädt im kommenden Jahr dazu ein. Den „Karneval der Kulturen“ werden wir wie bisher umfang- reich unterstützen, und auch Events anderer multikultureller Einrichtungen in Berlin und Brandenburg wer- den wir weiterhin bewerben. Auch die Übernahme konkreter Formate in andere Wellen ist im Gespräch.

Um der gesellschaftlichen Realität in dieser Hinsicht noch stärker gerecht zu werden, wollen wir den Anteil an Moderatoren, Reportern und Programmpräsentatoren mit Migrationshintergrund erhöhen. Das ergibt sich teilweise von selbst, denn – wie gesagt – wir werden alle festen und so weit wie möglich auch die freien Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter von Radio Multikulti in unseren anderen Programmen weiterbeschäftigen und dafür sorgen, dass auch sie künftig mit Gesicht und Stimme ihre Themen in allen unseren Programmen vertreten. – [Zurufe aus dem Publikum] – Auch für einige der insgesamt 90 freien – –

Vorsitzende Martina Michels: Entschuldigung! Das geht zu weit. Das Wort hat Frau Reim. – [Zurufe aus dem Publikum] – Wir haben hier parlamentarische Regularien, die Ihnen bekannt sind. Sie sind Gäste einer Ausschusssitzung. Wir wollen entsprechend dieser Regularien handeln, und ich bitte Sie, diese zu beachten. – Frau Reim hat das Wort. – Bitte schön!

Abgeordnetenhaus von Berlin Seite 10 Wortprotokoll EuroBundMedienBerlBra 16 / 31 16. Wahlperiode 24. September 2008 – bu/ur –

Dagmar Reim (Intendantin des RBB): Auch für einige der insgesamt ca. 90 freien Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter – deren Zahl ist in diesem Prozess, wie soll ich sagen, deutlich angestiegen: es sind nicht 200 – bieten wir, wenn es irgend möglich ist, neue Beschäftigungsperspektiven. Zudem unterstützen wir sie darin, wenn sie um die Verlängerung ihres Aufenthaltsstatus kämpfen müssen, wenn dieser von der Beschäftigung in unserem Hause abhängig ist. Bislang betrifft dies zwei Mitarbeiterinnen. Bei einer konnten wir die Ver- längerung bereits erreichen.

Wir sind und waren immer der Ansicht, dass Radio Multikulti eine großartige Arbeit leistet. Dass wir dies kurz vor der Entscheidung zur Einstellung des Programms auch noch von unserem Programmausschuss be- scheinigt bekommen haben, widerspricht nicht der Entscheidung zur Einstellung des Programms. Es ist keine Qualitätsdebatte, die wir führen. Das ist uns wichtig. Es ist eine Finanzdebatte, die wir zu führen haben und die wir nicht ignorieren können. Das Wissen um die Qualität des Programms führt aber dazu, dass wir es nicht ersatzlos streichen, sondern dass wir das, was es ausmacht, was es so besonders macht, in unseren an- deren Programmen fortführen. Dennoch sehen wir bedauerlicherweise keine Alternative. Abzuwarten und die Hände in den Schoß zu legen, bis die ARD, die KEF, die Ministerpräsidenten uns helfen, das wäre ver- antwortungslos. Das würde auch der Verwaltungsrat des Rundfunk Berlin-Brandenburg, der dem Rundfunk- rat unsere Wirtschaftspläne vorschlägt, nicht mitmachen.

Ich habe ein Unternehmen zu führen. Ich bin verantwortlich für etwa 1 600 feste und etwa 1 300 freie Mitar- beiterinnen und Mitarbeiter. Ihnen und allen Gebührenzahlern und auch Parlamentarierinnen und Parlamen- tariern schulde ich einen verantwortungsbewussten Umgang mit unseren Ressourcen. Wenn die Einnahmen nicht reichen – und sie werden weiter zurückgehen –, müssen wir unseren Aufwand reduzieren, notfalls auch im Programm. Wir müssen jetzt unseren Wirtschaftsplan 2009 verabschieden. Wenn wir nicht 2009 mit dem Sparen beginnen, werden wir es nicht schaffen, in dieser Gebührenperiode, die beginnt, 54 Millionen Euro einzusparen.

Die jetzt ab 2009 geplanten Maßnahmen, Herr Dr. Lindner, bringen uns etwa 30 Millionen Euro. Nun mag der eine oder andere von Ihnen fordern: Lassen Sie doch lieber ein paar Projekte weg wie „24 Stunden Ber- lin“, unterstützen Sie keine Filmproduktionen mehr mit dem Medienboard wie „Sommer vorm Balkon“ oder „Wolke 9“! – Aber was wäre diese Stadt Berlin, was wäre der RBB ohne solche herausragenden Projekte, ohne Mut zu solchen Filmen? – Die Einsparungen beim RBB dürfen nicht dazu führen, dass wir handlungs- unfähig werden, dass wir kein Hauptstadtsender mehr sind, dass wir keine größeren Programmprojekte mehr unterstützen können, dass uns unsere Phantasie, unsere Kreativität und unsere Produktivität ausgehen. Damit wäre auch unsere Programmautonomie infrage gestellt.

Wir können auch nicht auf die Erneuerung unserer Technik verzichten und mit veralteter Technik senden. Wie soll das gehen im digitalen Zeitalter? – Dass Inforadio umgezogen ist, hatte damit zu tun, dass in der Hütte am Theodor-Heuss-Platz jeden Moment eine Totalhavarie hätte geschehen können, weil die Technik, mit der Inforadio gearbeitet hat, vollständig veraltet war. Sie sehen, es gibt ihn nicht, den richtigen Weg zu sparen. Ich weiß, dass auch Sie oft unpopuläre Beschlüsse fassen müssen, aber wir müssen uns zumindest nicht vorwerfen lassen, nicht alles erwogen, nicht alles geprüft oder nicht rechtzeitig gehandelt zu haben. Das Schöne ist, dass Multikulti jetzt auch in Interviewform Freunde findet, die es früher nie gehabt hat, an die sich im Sender keiner so recht erinnern mag.

Wir haben neue, schlankere Unternehmensstrukturen entwickelt und im Sender einen langfristigen Konsoli- dierungsprozess eingeleitet. Unserer sozialen Verantwortung in einem wirtschaftlich besonders schwierigen Umfeld werden wir gerecht – bitte denken Sie daran: keine einzige betriebsbedingte Kündigung –, und das erhebliche Kürzungs- und Sparprogramm haben wir mit einer solidarischen Anstrengung aller Mitarbeiterin- nen und Mitarbeiter durchgeführt. Aber dass die Gebühreneinnahmen im Osten Deutschlands – und insofern hat der Mitteldeutsche Rundfunk durchaus ähnliche Probleme wie wir – überproportional zurückgehen, während sie in den alten Bundesländern deutlich steigen, dagegen können wir als RBB nicht mehr allein ansparen. Deswegen möchte ich mich ausdrücklich bei den Ländern Berlin und Brandenburg für ihre Unter- stützung bedanken. Frau Kisseler, das gilt auch für die Senatskanzlei, für den Regierenden Bürgermeister und selbstverständlich für alle Abgeordneten, die sich mit uns gemeinsam für eine bessere Finanzausstattung des RBB einsetzen. – Vielen Dank!

Abgeordnetenhaus von Berlin Seite 11 Wortprotokoll EuroBundMedienBerlBra 16 / 31 16. Wahlperiode 24. September 2008 – bu/ur –

Vorsitzende Martina Michels: Danke schön, für die Einleitung! – Der Senat hatte um das Wort gebeten. – Frau Staatssekretärin Kisseler, bitte!

Staatssekretärin Barbara Kisseler (CdS): Vielen Dank, Frau Vorsitzende! Ich will die Redezeit der Abge- ordneten nicht unnötig schmälern. Ich möchte nur noch einmal gerne deutlich machen, wie das weitere Ver- fahren sein wird. Die KEF hat uns signalisiert, dass wir auf der Grundlage des Auftrags, den die Ministerpräsidenten im Juni gegeben haben – dieser einstimmige Beschluss der MPs ging auf eine Berliner Initiative aus bekanntem Anlass zurück –, Anfang Oktober ihren Bericht und ihre Vorschläge haben werden. Ein genaues Datum ist uns nicht genannt worden, aber rechtzeitig, damit sich die MPs im Oktober auf ihrer MPK und vorher die CdS-Konferenz mit dem Vorschlag befassen können. Ich muss allerdings dazu sagen: Ich gehe nicht davon aus – ohne dass uns bekannt ist, in welcher Form dort Vorschläge unterbreitet werden – , dass wir damit das Thema Gebührengerechtigkeit erledigt haben. Ich glaube allerdings auch nicht, dass das irgendjemand erwarten könnte.

Ich möchte nur noch einmal auch von unserer Seite aus den Zusammenhang deutlich machen, der sich aus dem 11. Rundfunkänderungsstaatsvertrag, der jetzt im Abgeordnetenhaus liegt, mit der Problematik ergibt, die Frau Reim gerade ausführlich geschildert hat. Wenn der 11. Rundfunkänderungsstaatsvertrag nicht die Zustimmung findet, haben wir überhaupt kein Geld mehr für den RBB. Ich sage das noch einmal so nach- drücklich, weil ich es für eine irrige Auffassung halte, zu glauben, man könne, wenn man das Thema nur früh genug diskutiert und möglicherweise den 11. Rundfunkänderungsstaatsvertrag anhält, mehr erreichen. Das Gegenteil wird der Fall sein.

Aber – insofern verstehe ich die Argumentation und die Haltung dahinter – dieses Thema „Forderungsausfäl- le, Befreiungsquoten“ trifft den RBB in einer nachhaltigen Art und Weise – weit über dem ARD- Durchschnitt in den Zahlen. Das ist so gravierend, dass wir da fast noch mehr als mit den Inhalten des 12. Rundfunkänderungsstaatsvertrages, was das Programm angeht, ein bundesweit diskutiertes Thema haben werden, weil es alle Haushalte treffen wird. Gebührengerechtigkeit würde bedeuten: Sie bekommen eine kostendeckende Gebühr, dann brauchen wir aber kein Fernsehen mehr.

Vorsitzende Martina Michels: Danke schön! – Dann treten wir jetzt in die Diskussion unter den Fraktionen ein. – Herr Dr. Lindner, bitte!

Dr. Martin Lindner (FDP): Vielen Dank, Frau Vorsitzende! – Frau Reim! Auch Ihnen herzlichen Dank für Ihre ausführlichen Darlegungen. Ich möchte mich auch an diesen drei Blöcken in meinem Statement entlang hangeln: Erst einmal Aufgaben reduzieren, Einnahmen steigern und dann die strukturellen Maßnahmen! – Zunächst einmal zu Radio Multikulti und „Polylux“. Wir sind die einzige Fraktion, die da nicht widerspro- chen hat. Ich möchte das deutlich machen: Es ist selbstverständlich nichts, was wir schön oder toll finden, wenn hier Programm reduziert wird, aber ich halte es für unseriös, wenn man auf der einen Seite von Ihnen erwartet, dass Sie die Finanzen Ihres Senders in den Griff bekommen, und dann, wenn die erste Maßnahme anläuft – und die haben Sie schließlich begründet –, Ihnen durch die Politik in den Arm fällt.

Was überhaupt nicht funktioniert, ist ein Statement, wie es von Ihrem Vor-Vorgänger Günther von Lojewski im „Tagesspiegel“ geäußert wurde. Er sagt: Wir liefen beim auf ein Negativkapital von 160 Millionen DM zu. – Das sind 80 Millionen Euro Miese; er nennt es „Negativkapital“. – Unser Etat war halb so groß wie der des RBB heute. Trotzdem haben wir uns ein Programm wie Radio Multikulti leisten können und wollen. – Können ganz sicher nicht, aber gewollt. – Natürlich ist uns das auch gelungen, weil wir beim damaligen Sozialminister Norbert Blüm betteln gegangen sind. Das ist keine verantwortliche Politik. Diese Politik des damaligen Senders SFB ist mit verantwortlich dafür, dass Sie jetzt diesen Konsolidierungsbedarf haben. Herr von Lojewski und andere sollten sich da lieber zu- rückhalten. Abgeordnetenhaus von Berlin Seite 12 Wortprotokoll EuroBundMedienBerlBra 16 / 31 16. Wahlperiode 24. September 2008 – bu/ur –

Sie haben das vernünftig dargelegt. Wenn es kaum oder kaum messbar Hörer gibt, dann ist zu hinterfragen, ob dafür weiter auch im Bereich des öffentlichen Rundfunks Geld ausgegeben werden kann. Da kommt man nicht umhin. Das ist bei Parteien genauso. Wenn sie unter einer Marginalitätsgrenze liegen, kommen sie nicht in die Finanzierung und nicht in die Parlamente. Dann hören auch die auf zu senden. So ist das im Le- ben. – [Giyasettin Sayan (Linksfraktion): Wie die FDP!] – Nein, eben nicht wie die FDP, denn die steigt. – Ich möchte das aber nicht in irgendeiner Weise ins Alberne ziehen.

Auch im Hinblick auf das, was Sie gerade gesagt haben, dass nämlich auch die Migranten lieber kommer- zielle Sender hören, hätte ich es lieber, Sie würden die Frequenz für Privatsender freigeben. Das wäre der konsequentere Schritt, als hier ein Programm vom Westdeutschen Rundfunk zu übernehmen, das auch dort keiner hört. Das muss man einfach einmal zur Kenntnis nehmen. Die Migrantinnen und Migranten haben ein anderes Konsumverhalten, als sich das vielleicht die meisten hier im Saal wünschen. Daran kann man nicht einfach vorbeiblicken und so tun, als gebe es das nicht, sondern da sind die Zahlen eindeutig. – [Zuruf aus dem Publikum: Was wissen Sie denn von Migranten?] – Was wissen Sie denn davon? Sie haben offensicht- lich auch keine Ahnung, sonst würde man Ihnen mehr zuhören. Das muss man auch ganz klar sehen.

Ich komme zu weiteren Ausgabenbegrenzungen, über die Sie hier mit uns diskutieren müssen. Das betrifft zum Beispiel karitative und soziale Ausgaben. – Sie erheben eine Zwangsgebühr. Keiner der Hörer und Seher des Fernsehens oder der Käufer von Fernseh- oder sonstigen Rundfunkgeräten kann es sich aussuchen, ob er öffentlichen Rundfunk hört oder nicht. Dann kann man verlangen, dass die Gebühren, die auf diese Weise eingezogen werden, ausschließlich für die Programmgestaltung ausgegeben werden. Da mag das noch so löblich und schön sein, wenn man das auch für Soziales und Karitatives ausgibt, es ist aber nicht statthaft. Das kann auch keine Rechtsanwaltskammer für so etwas ausgeben, und andere können das auch nicht. Das kann und muss der Staat aus seinen Steuern machen. Das können private Vereine oder Stiftungen machen, die sich privat gründen. Aber mit Rundfunkgebühren muss man sich streng an seinen Auftrag halten, näm- lich mit dem öffentlichen Rundfunk die Grundversorgung der Allgemeinheit sicherzustellen, aber nicht aller- lei Wohltätigkeiten zu finanzieren.

Das Dritte ist das deutliche Reduzieren der Verwaltungskosten. Es ist natürlich einfacher, einen Sender mit einem hohen Anteil an freien Mitarbeitern zu schließen, als an den hohen Verwaltungskostenanteil heranzu- gehen. Es ist aber Pflichtaufgabe, nicht nur im Bereich der Produktion Kosten zu reduzieren, sondern gerade auch in einem relativ umfangreichen Verwaltungsapparat den Rotstift anzusetzen.

Der vierte Punkt, den ich ansprechen möchte, ist das Reduzieren der Beiträge an Gemeinschaftseinrichtun- gen. Wir haben die Olympischen Spiele erlebt. Es sind mehr Korrespondenten, Mitarbeiter der öffentlichen Rundfunkanstalten dorthin gereist als Sportler. Auch hier muss man betrachten: Ist das als Aufwand nötig? Ist da nicht auch durch den RBB bei seinen ganzen Beteiligungen an diesen Gemeinschaftseinrichtungen ein deutliches Zeichen zu setzen, dass das in dieser Üppigkeit nicht mehr funktionieren kann?

Ich komme zu den Einnahmen: All Ihre Wünsche, die von der Senatskanzlei geteilt werden und die ich übri- gens auch in den Mediengremien meiner Partei schon längst thematisiert und angesprochen habe, nämlich zu einer gerechteren Verteilung zu kommen, werden – das wage ich, ohne Kassandra zu spielen, zu prognosti- zieren – nicht von großem Erfolg gekrönt sein. Das hat der Regierende Bürgermeister selbst in der Frage- stunde dargelegt. Er kann sich nicht vorstellen, dass die Ministerpräsidenten der Länder mit den großen Sendern – Rüttgers und wer auch immer dann in Bayern regiert, aber auch andere – freiwillig von sich aus aus diesen Verteilungsmechanismen ausscheren und zu einer aufwandsbezogenen Verteilung kommen. Des- wegen muss man sich jetzt schon über andere vernünftige Möglichkeiten, die Einnahmen zu steigern, unter- halten.

Wir müssen uns über das Thema „Abschaffen dieser Gebührenbefreiung“ unterhalten. Das ist ein scheinbar soziales Instrument, belastet aber die restlichen Gebührenzahler vollkommen überproportional. Das haben Sie in keiner Wohnungsbaugesellschaft. In einer Wohnungsbaugesellschaft zahlen auch nicht die anderen Mieter mehr, weil dort die Sozialmieter nicht in der wirtschaftlichen Lage sind, die volle Miete zu zahlen, sondern das Sozialamt übernimmt diesen Part aus dem allgemeinen Steueraufkommen. – [Dr. Gabriele Hiller Abgeordnetenhaus von Berlin Seite 13 Wortprotokoll EuroBundMedienBerlBra 16 / 31 16. Wahlperiode 24. September 2008 – bu/ur –

(Linksfraktion): Das ist Miete, aber hier geht es um Gebühren!] – Ja, Frau Kollegin! Aber das können Sie doch aber vergleichen.

Es gibt 12 Gebührenbefreiungstatbestände. Das meiste ist Hartz-IV. Es ist doch nicht gerecht, Frau Kollegin, wenn ein Mensch, der Gebühren bezahlt, weil er nicht Alg II bezieht, aber vielleicht gerade einmal 200 oder 300 Euro mehr im Monat hat, deswegen mehr bezahlt für einen, der weniger hat. Das ist doch eine Aufgabe der Allgemeinheit, dem Gebührenzahler, der nicht in der wirtschaftlichen Lage ist, die Gebühr zu bezahlen, diese zu erstatten. Das Sozialamt – so, wie es das auch bei Wohnungen und anderem macht!

Übrigens noch zu dem Thema „Gebührenbefreiung wegen Behinderungen“: Da findet doch gar keine Sozialprüfung statt. Da bekommt auch ein Millionär, der blind oder taub ist, eine vollständige Gebühren- befreiung. Das kenne ich aus meinem eigenen persönlichen und familiären Umfeld. Die sind altersblind ge- worden, aber durchaus finanziell in der Lage, eine Gebühr zu bezahlen. Trotzdem werden sie voll befreit. Das hat für mich mit Sozialstaat überhaupt nichts mehr zu tun. Das führt dann dazu, dass der Sender RBB vollkommen unterproportional mit Finanzmitteln versorgt ist. Das müssen wir diskutieren. Die Gebührenbe- freiungen gehören abgeschafft. Es ist Aufgabe der Allgemeinheit, der Sozialämter, dann eine Erstattung vor- zunehmen und nicht der anderen Gebührenzahler. Wenn Sie den Ausfall von 54 Millionen Euro durch die Gebührenbefreiung ansehen, so ist das zufällig genau der Fehlbetrag, den der RBB hat. Damit allein könnte man die Probleme des RBB lösen. Da müsste man gar keine Radiosender abschaffen.

Wenn das alles nichts hilft und wenn das nicht weiter geht, muss man über strukturelle Maßnahmen diskutie- ren – über die Veräußerung von Töchtern. Und gegebenenfalls wird man auch um eine weitere Fusion mit dem MDR oder dem NDR nicht umhinkommen. Das wäre die Konsequenz. Man hätte dann einen großen Sender, MDR mit RBB fusioniert, der hinsichtlich der Anzahl der Hörer genauso stark ist wie der Westdeut- sche Rundfunk – oder sogar stärker ist. Dann hätte man, wenn die Verteilung gleich bleibt, sogar einen Vor- teil dafür herausgeholt. Das sind auch Maßnahmen, über die man langfristig diskutieren muss, wenn man über die gerade skizzierten Einnahmen- und Ausgabenverbesserungen nicht hinkommt. – Herzlichen Dank!

Vorsitzende Martina Michels: Danke schön! – Frau Ströver, bitte!

Alice Ströver (Grüne): Vielen Dank! – Ich weiß nicht, ob die Unterstützung oder das Zur-Seite-Springen der FDP-Fraktion nicht ein Pyrrhussieg ist für Sie, Frau Reim, in dieser Debatte um die Zukunft des öffentlich- rechtlichen Rundfunks. Ich bedauere es, dass Sie jetzt – ich habe gerade noch einmal bei der Ausschussassis- tenz nachgefragt – von schriftlich einzureichenden Fragen nichts mehr wissen wollten. Uns wurde selbiges quasi als Bedingung für Ihr Kommen kommuniziert, und das haben wir auch freundlich gemacht. Umso be- dauerlicher ist es, dass Sie jetzt die mir zugetragene Rede vor dem Rundfunkrat in wesentlichen Teilen wie- derholt und die 65 Fragen der Kollegen, die sich viel Mühe gemacht haben – die sich zum Teil überschnei- den, das gebe ich zu –, nur in Rudimenten beantwortet haben, weil sie wahrscheinlich zu konkret waren. Deswegen werde ich meine konkreten Fragen noch einmal wiederholen.

Ich war doch teilweise bestürzt über Ihre Ausführungen. Zu der Frage: „Was bedeutet Integration?“ haben Sie eigentlich nichts gesagt. Sie haben auch das Wort nicht in den Mund genommen. Für die Intendantin einer Stadt, die von der kulturellen Vielfalt lebt, sehe ich es als ein absolutes Gebot an, den Grundversor- gungsauftrag so zu verstehen, dass Integration ein absolut notwendiger Bestandteil eines öffentlich- rechtlichen Hörfunk- und Fernsehprogramms zu sein hat. Ich unterstütze Sie in der Aussage, dass sich das in allen Programmen widerspiegeln muss. Das ist die erste Selbstverständlichkeit. An dieser Stelle bin ich ger- ne bereit, zu einem Zeitpunkt X auf die Existenz eines Radio Multikulti zu verzichten. Ich bin aber der festen Überzeugung, dass wir gesellschaftlich nicht diesen Integrationsstand erreicht haben, dass wir ein eigenstän- diges Radio Multikulti nicht mehr brauchen.

Auch wenn Sie behaupten, es gebe zu wenig Hörerschaft aus der Migranten-Community dieser Stadt, dann kann ich Ihnen sagen: Ich war jemand, der Radio Multikulti nicht nur mit initiiert hat, sondern einen Inten- danten von Lojewski davon überzeugt hat, was hart genug war. Keine Frage! Ich habe ein längeres Gedächt- nis als Sie, weil ich zu dieser Zeit Mitglied im Rundfunkrat des SFB war und ganz genau weiß, wie wir es geschafft haben, diese Mittel für Radio Multikulti bereitzustellen und auf den Weg zu bekommen.

Abgeordnetenhaus von Berlin Seite 14 Wortprotokoll EuroBundMedienBerlBra 16 / 31 16. Wahlperiode 24. September 2008 – bu/ur –

Aus meiner Sicht ist es ganz klar: Solange dieser Integrationsaspekt gesellschaftlich relevant ist, gehört ein Radio Multikulti zum Auftrag eines öffentlich-rechtlichen Programms. Ich finde es ausgesprochen zynisch, wenn Sie in dieser Weise auf kommerzielle Nutzungen verweisen. Im Gegenteil: Es sollte Anspruch einer Intendantin sein – – Diese kommerziellen Nutzungen und erst recht die Nutzungen von wenig integrations- tauglichen, herangeführten Programmen aus den Herkunftsländern als Argument für ein Überflüssigsein von Radio Multikulti zu benutzen, das verstehe ich überhaupt nicht. Das liefert einem Herrn Dr. Lindner erst recht das Argument, die Frage der Gebührenfinanzierung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks generell in- frage zu stellen.

Zudem ist Radio Multikulti – auch da weiß ich nicht, ob Sie das von Herrn Dr. Binder zugeliefert bekommen haben – im Jahr 1998 von der Kommission zur Ermittlung des Finanzbedarfs als Bedarfsbasis für die Ermitt- lung der Gebühren akzeptiert worden. Das heißt, alle anderen ARD-Anstalten partizipieren sogar noch pro- portional von dem Bedarf, der damals formuliert und akzeptiert worden ist, dass nämlich Radio Multikulti zum öffentlich-rechtlichen Auftrag gehört und deswegen der Bedarf in die Ermittlung der Rundfunkgebüh- ren hineingehen muss. Dazu würde ich Sie gerne konkret befragen. Wie sehen Sie das heute aus juristischen Sicht? Ist das nicht ein wichtiger Grund, gerade auch diesen proportionalen Anteil von den anderen ARD- Anstalten abzufordern, um Multikulti weiterzuführen? – Es fließt in das Gebührenaufkommen ein und ist deswegen notwendig.

Noch einmal zu meinen konkreten Fragen: Welche laufenden Kosten inklusive Personalkosten verursacht jedes der derzeitigen Hörfunkprogramme des RBB? Wie haben sich die Kosten für jedes dieser Programme seit der Gründung des RBB vor fünf Jahren entwickelt? Wie hoch waren die ungefähren Investitionskosten in diesem Zeitraum für jedes dieser Programme? Wie beurteilen Sie jedes der Hörfunkprogramme des RBB unter dem Aspekt des verfassungsrechtlich abgesicherten Grundversorgungsauftrags des RBB? Worin be- steht das singuläre Profil jedes einzelnen Hörfunkprogramms im Unterschied zu den kommerziellen Konkur- renten? Welches Programm weist die höchsten Eigenständigkeitsmerkmale auf?

Radio Multikulti hat einen jährlichen Programmetat von 2,3 Millionen Euro. Welche weiteren Ersparnisse liegen der Rechnung zugrunde, dass die Schließung von Multikulti – zumal Sie gesagt haben, das festange- stellte Personal bleibe erhalten – jährlich 3 bis 4 Millionen Euro erbringt? – Die angenommene Ersparnis durch die Schließung von Radio Multikulti macht 1 Prozent des Gesamtetats aus. Welche Alternativen wur- den erwogen, um diese vergleichsweise geringe Ersparnis zu erbringen?

Selbst bei optimistischer Rechnung bleibt nach der Schließung von Multikulti und „Polylux“ noch mindes- tens ein Defizit von 37 Millionen Euro bis 2012. Wie wollen Sie das erbringen? Wie hoch sind die Kosten für die Übernahme von „Funkhaus Europa“? Welche Kosten entstehen für die Einstellung in Berlin produ- zierter Programme für diese Welle? Gibt es inzwischen einen Vertrag zwischen dem WDR und dem RBB? Welche Laufzeit und welchen Inhalt hat dieser?

Wie kann es gelingen – das ist eigentlich die übergreifende Frage, die Sie sehr unzureichend beantwortet haben, wenn man davon ausgeht, dass Radio Multikulti aus einer Metropolenregion in Deutschland sendet, die ein spezifisches lokales Profil hat –, dass auch das nachfolgende Programm das leistet, was das bisherige bringt, denn das bezieht sich im deutschsprachigen Teil wie in den fremdsprachigen Teilen ausdrücklich auf in Berlin vorhandene Probleme und Themen? – Die Welle Funkhaus Europa mit dieser Kombination leistet das nicht. Ich bitte Sie, darauf sehr konkret zu antworten, damit wir dann auch davon unsere Entscheidung für die Notwendigkeit einer Gebührenerhöhung abhängig machen können.

Als Letztes noch die Frage: Es wurde vom Freundeskreis von Radio Multikulti gerade unter dem Aspekt der vielen ungeklärten Fragen und in der Erwartung, dass das Gutachten noch kommt und vielleicht doch noch irgendwelche Dinge auf Ebene der ARD machbar sind, gefragt, ob man es nicht möglich machen könnte, diese Debatte so weit zu führen, dass man die Entscheidung für ein Jahr aussetzen kann, um in dieser Zeit noch einmal intensiv zu rechnen.

Von der Tatsache, dass der RBB ein Finanzproblem hat, und entsprechenden Notwendigkeiten brauchen Sie mich und unsere Fraktion nicht zu überzeugen. Das wissen wir. Dennoch – und da ich damals im Rundfunk- rat war – kann ich Ihnen sagen: Ich bin alles andere als eine Freundin eines CSU-Intendanten von Lojewski Abgeordnetenhaus von Berlin Seite 15 Wortprotokoll EuroBundMedienBerlBra 16 / 31 16. Wahlperiode 24. September 2008 – bu/ur – gewesen, aber er hat es auch mit innovativen Maßnahmen geschafft, diese damals so gravierenden, viel grö- ßeren Defizite in der Gebührenperiode zu reduzieren. Das klingt im „Tagesspiegel“ vielleicht etwas falsch durch. Es war genau eine andere Entwicklung. Man hat es durchaus geschafft, die Attraktivität zu steigern und trotzdem den damaligen SFB auf eine finanziell bessere Basis zu stellen.

Vorsitzende Martina Michels: Danke schön! – An Frau Reim den Hinweis: Wir haben immer eine kom- plette Fraktionsrunde. Es sind jetzt viele Fragen dazugekommen. Ich bitte Sie, sie zu notieren, und nach der Fraktionsrunde haben Sie die Möglichkeit zu antworten. Ich habe auch schon Wortmeldungen für die zweite Runde. – Herr Goiny, bitte!

Christian Goiny (CDU): Auch im Namen der CDU-Fraktion vielen Dank, Frau Intendantin, für Ihrer Aus- führungen! – Ich will zunächst einmal an einem Gedanken anknüpfen, den Kollege Dr. Lindner angespro- chen hat, und das Gebührensystem und die Gebührenverteilung ansprechen. Es geht nicht darum, die Finan- zierung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks in Gänze infrage zu stellen, aber die Situation des RBB – und das, was Sie, Frau Reim, aus Sicht des RBB geschildert haben – macht deutlich, wo das Dilemma liegt. Wir haben regelmäßig steigende Rundfunkgebühren. Wir haben auf der anderen Seite das Problem der Akzep- tanz, wenn man sich die Ausfallquoten anschaut, und zwar auf der einen Seite die sozialen Probleme, die dahinterstehen, aber auf der anderen Seite auch die Zahl der reinen Nichtzahler, der nicht Erfassten. Man kann Motivforschung betreiben oder nicht, aber ich glaube, es liegt auch ein Stück weit an der Akzeptanz der Rundfunkgebühr insgesamt in Deutschland. Wir wissen das aus den Medien. Jedes Mal, wenn es eine Ge- bührenerhöhungsrunde gibt, finden wir die entsprechende Berichterstattung in den Medien über die Frage: Ist das nicht alles viel zu teuer? Ist das nicht alles viel zu hoch?

Wenn Sie sagen, dass wir trotz der Rundfunkgebührenerhöhung möglicherweise weniger Gebühreneinnah- men für Berlin-Brandenburg haben, als wir es jetzt haben, muss man sich die Frage stellen, ob das jetzige System nicht doch mit etwas größerem Nachdruck einer politischen Überprüfung unterzogen werden muss. Der Gedanke, den auch Kollege Dr. Lindner angesprochen hat, nämlich hinsichtlich der Gebührenbefreiung auf eine Erhöhung der Zahler umzuschichten, ist eine Frage, die man sich stellen muss. Es stellt sich die Frage, ob hier nicht eine andere Lösung gefunden werden muss, die im Ergebnis zu mehr Akzeptanz und zu weniger Gebührenausfällen bei den Sendern führt.

Insofern sollten wir über die Erhöhung von Rundfunkgebühren und über die Umstellung der Gebührenfinan- zierung auf ein anderes System noch einmal forciert diskutieren. Ich will nicht dafür sprechen, aber möchte noch einmal die Anmerkung machen – auch weil Sie das gesagt haben, Frau Staatssekretärin –: Die Un- gleichverteilung der Gebühren unter den Rundfunkanstalten der ARD und die Frage der Gebührenerhöhun- gen stehen möglicherweise insofern in einem Zusammenhang, als der RBB, wenn wir dem 11. Rundfunkän- derungsstaatsvertrag jetzt nicht zustimmen würden, natürlich nicht mehr Geld bekäme, aber die anderen hät- ten ja dann auch das Problem. Insofern erhöht das vielleicht auch bei den Bundesländern, die sich momentan mit der Frage der Neuverteilung nicht so richtig beschäftigen wollen, den Druck, doch etwas intensiver dar- über nachzudenken, wie wir zu mehr Gebührengerechtigkeit kommen.

Abgeordnetenhaus von Berlin Seite 16 Wortprotokoll EuroBundMedienBerlBra 16 / 31 16. Wahlperiode 24. September 2008 – bu/ur –

Die jetzige Situation wird sich selbst bei einem 54-Millionen-Euro-Sparpaket, das der RBB zu schnüren gedenkt, erkennbar nicht entschärfen. Wir werden in den Folgejahren dieses Problem weiter haben, und des- wegen muss man sich die Frage stellen, wie man Gebührenaufkommen und Gebührenverteilung neu und gerechter regelt, um strukturell eine Finanzierungssicherheit für den öffentlich-rechtlichen Rundfunk zu er- halten.

Insofern komme ich noch einmal zu den konkreten Punkten, die Gegenstand Ihrer Ausführungen waren, Frau Reim! Wir habe bei dem Folgenden einige Fragezeichen gesehen: Sie haben sich jetzt für diese beiden Sparmaßnahmen entschieden. Für uns ist nicht richtig transparent und in der Abwägung nicht richtig deutlich geworden – auch heute bei Ihren Ausführungen nicht, sie waren dann doch zu allgemein –, warum gerade die beiden ausgewählt wurden. Warum gab es keine anderen Möglichkeiten? – Sie haben dazu einige allgemeine Ausführungen gemacht.

Was uns noch viel mehr interessiert: Wir wollen in Ihre Kompetenz, was die Programmgestaltung anbetrifft, politisch nicht hineinreden, aber wenn ein solches Sparpaket von 54 Millionen Euro im Raum steht, dann finde ich es richtig, dass wir als Parlament – – Ich finde es aber auch klug aus Sicht des RBB, wenn dann ein Gesamtkonzept präsentiert wird, sonst haben Sie jedes Jahr erneut die Diskussion über weitere Einsparmaß- nahmen, die dann stufenweise kommen, und es fehlt der Gesamtblick und der Gesamtzusammenhang. Es besteht aus meiner Sicht auch die Gefahr, dass das Profil des RBB nicht mehr deutlich wird, weil sich die Diskussion an einzelnen Sparmaßnahmen aufhängt und die Öffentlichkeit wahrnimmt: Da fällt jetzt dieses weg, und da fällt jenes weg. – So kommt dann der RBB jedes Jahr mit irgendetwas Neuem in die Schlag- zeilen. Das kann nicht in unserem Interesse und auch nicht im Interesse eines leistungsfähigen Hauptstadt- senders sein.

Sie haben darauf hingewiesen, dass die Zahlen so sind, wie sie sind. Sie müssen diesen Betrag einsparen, also müssen Sie sich in Ihrem Hause Gedanken machen, wie Sie diese 54 Millionen Euro einsparen wollen. Ich finde, da muss man nicht übertrieben aufs Tempo drücken. Da geht Qualität vor Schnelligkeit. Aber die Öffentlichkeit hat einen Anspruch zu erfahren, wie sich das in Gänze umsetzen lässt und mit welchen Schwerpunkten der RBB künftig am Start sein will. Da ist mir zumindest aus den bisherigen Berichterstat- tungen und dem, was heute gesagt wurde, nicht richtig klargeworden, wie Sie da vorgehen wollen und wie dieses Gesamtkonzept aussieht.

Ich schließe noch einmal bei Frau Ströver an. Sie haben leider bisher einige Fragen, die wir gestellt haben, nicht beantwortet, was sicherlich auch der Fülle der Fragen und der Kürze der Zeit geschuldet ist. Ich wäre einverstanden, dass Sie uns, wenn wir das heute zeitlich nicht schaffen, die Beantwortung der Fragen, die offengeblieben sind, in einer schriftlichen Stellungnahme nachreichen oder dass das im Rundfunkrat beant- wortet wird und wir dann die Protokolle bekommen und das nachlesen können. Glauben Sie uns: Diese Fra- gen haben wir vielleicht aufgrund eines Missverständnisses gestellt, aber die Antworten interessieren uns wirklich. Insofern bitte ich darum, dass das eine oder andere noch einmal erläutert wird.

Wir hatten bereits im letzten Jahre eine Anhörung im Ausschuss zur Frage: Qualifikation von Mitarbeiterin- nen und Mitarbeitern, die im journalistischen Bereich arbeiten. – Das ist auch etwas, was letztlich den Erfolg von Medien, Rundfunk und Fernsehen ausmacht. Je qualitativ besser die Berichterstattung und je besser ausgebildet die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sind, umso eher werden sie auch höhere Nutzer- und Ein- schaltquoten haben. Insofern ist auch dieser Aspekt, den wir nachgefragt haben, in einem Zusammenhang mit dem Erfolg eines Rundfunksenders zu sehen. Die Anstrengungen, die an dieser Stelle von Ihnen unternommen werden, interessieren uns daher auch.

Was wir abschließend überhaupt nicht verstanden haben, ist die mediale Kommunikation. Sie gehen in die Öffentlichkeit und sagen: Das wird gestrichen. – Hinterher wird der Rundfunkrat informiert. Jetzt haben wir auch noch erleben dürfen, dass die letzte Rundfunkratssitzung an einem Plenardonnerstag des Berliner Ab- geordnetenhauses stattfand. Das finde ich nicht sehr geschickt. – [Dr. Gabriele Hiller (Linksfraktion): Herr Pflüger war auch dort nicht!] – Das waren andere aktuelle Ereignisse, die ihn da haben verhindert sein las- sen. – Wenn wir als Parteien, als Fraktionen im Abgeordnetenhaus Mitglieder des Rundfunkrats stellen, dann kann es nicht sein, dass ordentliche Sitzungen auf Tage terminiert werden, an denen das Abgeordnetenhaus tagt. Das geht nicht. Dann haben wir da ein Problem, wenn das das Selbstverständnis des RBB ist, hier aus Abgeordnetenhaus von Berlin Seite 17 Wortprotokoll EuroBundMedienBerlBra 16 / 31 16. Wahlperiode 24. September 2008 – bu/ur – anderen Terminzwängen solche Entscheidungen treffen zu können. Das mag eine Marginalie sein, finde ich aber im Zusammenspiel von Parlament und Rundfunk bzw. RBB nicht sonderlich hilfreich.

Insofern ist unsere Position, zum einen zu sagen: Angesichts dieser Finanzlage kommen wir, wenn wir dau- erhaft die Finanzierung des RBB sicherstellen wollen, nicht umhin, die Frage der Neuverteilung und der Gebührengerechtigkeit bundesweit auf Länderebene zu diskutieren, und zwar nicht nur im Sinne von Aus- tausch oder Verschiebung von Finanzen unter den Landesrundfunkanstalten, sondern die Frage der Gebüh- rengerechtigkeit und der Gebührenerhebung muss grundsätzlich diskutiert werden.

Von Ihnen oder vom RBB erwarten wir Folgendes: Wenn diese Summe so als Einsparung erbracht werden muss, muss es ein nachvollziehbares Gesamtkonzept geben, das dann die Schwerpunkte des RBB als Haupt- stadtsender deutlich macht und dafür sorgt, dass der RBB nicht permanent in die Schlagzeilen gerät, weil alle halbe Jahre eine neue Einzelsparmaßnahme ansteht, was dazu führt, dass unser Hauptstadtsender als Institu- tion gesehen wird, die sich permanent mit irgendwelchen Streich- und Reduzierungsdebatten herumschlagen muss. Das möchten wir gerne vermeiden. – Vielen Dank!

Vorsitzende Martina Michels: Danke schön! – Herr Zimmermann, bitte!

Frank Zimmermann (SPD): Vielen Dank! – Ich möchte zunächst mein Verständnis für die FDP und die Grünen aussprechen, die wegen der Struktur des Staatsvertrags und des Rundfunkrats keine Chance haben, im Rundfunkrat zu sitzen. – [Özcan Mutlu (Grüne): Wie gütig Sie sind!] – Deswegen ist es auch richtig, dass die Oppositionsfraktionen hier einen breiten Raum einnehmen und wir uns etwas zurückhalten. Das gebietet auch die Fairness, und deswegen will ich jetzt nicht so wie die anderen Fraktionen lange Erklärungen abge- ben.

Ich möchte aber doch daran erinnern – was Frau Ströver auch selber gesagt hat –, dass sie im Rundfunkrat des SFB gesessen hat. Ich möchte vorsichtig die Frage stellen, ob es nicht auch eine gewisse Mitverantwor- tung der damals Verantwortlichen für die Altlasten gibt, die der RBB heute abtragen muss. So, wie Herr Günther von Lojewski – ich stimme Herrn Dr. Lindner zu – an das Problem herangeht, ist es sicherlich nicht mehr zeitgemäß, und wir haben seit der Gründung des RBB eine andere Politik eingeschlagen. In dieser Poli- tik einer vernünftigen Aufstellung eines mittelgroßen Senders im Konzert der ARD hat die Intendantin unse- re Unterstützung. Das weiß sie, und das ist auch der einzige Weg, um verantwortungsbewusst mit öffentlich- rechtlichen Mitteln und einer öffentlich-rechtlichen Anstalt umzugehen. Das ist der Grundsatz. Da unter- scheiden wir uns von Ihnen.

Das Zweite ist: Das Gebührensystem im Grundsatz infrage zu stellen, wie Herr Dr. Lindner es macht – wie ich es bei Herrn Goiny nicht so eindeutig, aber in der Tendenz herausgehört habe, was ich bei Ihnen aber auch nicht glaube, ich glaube, Sie unterstützen das im Prinzip –, legt die Axt ans öffentlich-rechtliche Sys- tem. Ihre Krokodilstränen, die Sie hier weinen, sind unglaubwürdig. Das kann man hier nur festhalten. Sie sind nicht der Unterstützer des öffentlich-rechtlichen Rundfunks. Das haben Sie erneut bewiesen, und das muss man hier einmal klarstellen.

Drittens: Es ist brandgefährlich, diese Frage, die wir hier hauptsächlich diskutieren, nämlich Multikulti – – Ich bin völlig damit einverstanden, dass es sich auf Multikulti konzentriert. Wir könnten viele andere Dinge besprechen und sollten das auch, aber es gibt ein gesteigertes öffentliches Interesse in dieser Frage, und deswegen kann man das Konzentrieren auf dieses Thema nicht verhindern. Ich finde das auch richtig, dass wir das so ausführlich machen. Ich finde es auch richtig, dass wir die Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen von Multikulti da haben. Wir werden uns mit ihnen darüber auch weiter auseinandersetzen.

Brandgefährlich ist es aber, eine Entscheidung über einzelne programmliche Inhalte oder über Wellen oder über die Programmpolitik eines Senders mit der Frage der Gebührenerhöhung zu verknüpfen. Das hat uns das Bundesverfassungsgericht schon einmal um die Ohren gehauen. Es ist auch medienpolitisch unverant- wortlich zu sagen: Wir warten mit der Gebührenerhöhung im 11. Staatsvertrag, bis wir eine Lösung oder ein Angebot der Anstalten haben. Frau Ströver, das können Sie nicht machen, und das meinen Sie auch nicht ernst! – [Alice Ströver (Grüne): Habe ich auch nicht gesagt!] – Gut! Dann lassen Sie uns gemeinsam die verabredete Gebührenerhöhung im 11. Staatsvertrag beschließen und kein Junktim aufbauen. – [Alice Strö- Abgeordnetenhaus von Berlin Seite 18 Wortprotokoll EuroBundMedienBerlBra 16 / 31 16. Wahlperiode 24. September 2008 – bu/ur – ver (Grüne): Das entscheiden wir schon selbst, ob wir einem Staatsvertrag zustimmen!] – Bitte schön! Aber ich darf an Ihre Vernunft appellieren, die Sie ansonsten in der Medienpolitik bundesweit haben und wo wir auch auf Sie zählen.

Ich will keine weiteren Fragen stellen. Es sind genug Fragen gestellt worden. Frau Reim muss auch noch genügend Zeit haben. Ich möchte nur darauf eingehen, was Herr Goiny angedeutet hat. Dem möchte ich im Prinzip zustimmen. Was wir brauchen, ist ein Gesamtkonzept für eine Sanierung angesichts der Lage in der Anstalt. Und wir brauchen ein bestimmtes Profil, eine Beschreibung des Profils des Senders in der Haupt- stadt, das die bestimmten, besonderen Bedingungen in der Hauptstadt Berlin auch abbildet. Dazu gehört ein Multikulti-Programm. Ob es genau dieses Multikulti-Programm sein muss oder ob es auch ein anderes sein kann, können wir als Politik nicht so sehr gut entscheiden. – [Dr. Martin Lindner (FDP): Richtig!] – Das ist Presse. – [Dr. Martin Lindner (FDP): Wir haben keinen Staatsrundfunk!] – Wir haben keinen Staatsrund- funk. Da bin ich auch bei Ihnen. Das ist die Sache der Geschäftsleitung, der Intendanz. Aber dass es zur Pro- filbildung eines Senders in der Hauptstadt gehört, dass ein multikulturelles Programm stattfindet, halte ich für evident, für unverzichtbar. Mein Appell an den RBB ist, weiterhin ein solches Programm anzubieten.

In diesem Zusammenhang muss man sagen: Die 96,3 auf der terrestrischen Frequenz muss erhalten bleiben, und zwar als eine RBB-Frequenz. Alles, was hier so herumschwingt – dass möglicherweise der RBB eine Frequenz verliert oder dass er sie sogar zurückgeben und den Privaten überlassen soll –, halte ich für aben- teuerlich. Das, was im Schwange war, dass durch die Staatsverträge Berlin einen Nachteil erleidet, ist nicht der Fall. Es entscheiden die Ministerpräsidenten nach Staatsvertrag, wem welche Frequenzen am Ende zu- stehen. Die Grundsatzentscheidung treffen die Ministerpräsidenten, und dann sind es die Medienanstalten, die dafür zuständig sind. Dabei muss es bleiben. – Nur kurz als Stichwort: Die Frequenz darf nicht irgendwo anders hin entschwirren, sondern sie muss bleiben. – [Alice Ströver (Grüne): Sie entschwirrt zum WDR!] – Und dazu muss es im Berliner Interesse eine Lösung geben. – [Dr. Martin Lindner (FDP): Ein Privatsender?] – Kein Privatsender!

Eine letzte Anmerkung, und das ist jetzt meine einzige Frage an Sie: Gibt es eine Möglichkeit – ich möchte bitten, sie wirklich ernsthaft auszuloten –, dass dann, wenn eine Entscheidung auf Basis eines KEF- Vorschlags kommt – die nicht alles lösen wird, darüber sind wir uns einig – – Aber gibt es eine Möglichkeit, auf der Basis eines solchen Vorschlags eine Programmentscheidung oder eine Entscheidung über eine Welle noch einmal im Lichte der dann gewonnenen neuen Erkenntnisse über die Finanzen zu überdenken, bis dahin ein Moratorium zu machen und uns dann auch im Rundfunkrat vorzulegen, wie Sie im Lichte einer neuen, möglicherweise modifizierten Gebührenverteilung in der ARD die Frage einer siebenten Welle dann neu beantworten?

Vorsitzende Martina Michels: Danke schön! – Frau Dr. Hiller, bitte!

Dr. Gabriele Hiller (Linksfraktion): Danke, Frau Vorsitzende! Wir sehen, die Diskussion ist sehr interes- sant. – Zwei Vorbemerkungen zu meinen konkreten Anmerkungen: Ja, wir stehen dazu, dass auch im öffent- lich-rechtlichen Rundfunk gespart werden muss. Das will ich eindeutig sagen. Wir haben das als rot-rote Koalition auf ganz anderen Ebenen, in ganz anderen Bereichen auch machen müssen. Das war nicht immer leicht. Was wir nicht getan haben: Wir haben es nicht bei den sozial Schwächsten gemacht. – Das miese Gefühl, dass man an die Untersten, die Ärmsten, die Kleinsten herangeht, was hier entsteht, ist etwas, das zum Akzeptanzverlust des öffentlich-rechtlichen Rundfunks führt. Das bedauere ich sehr, weil letztlich der öffentlich-rechtliche Rundfunk durch die Akzeptanz seiner Hörer lebt. Wenn sich heute so viele Leute für Radio Multikulti engagieren, ist das Ausdruck dafür, dass man einen Sender angenommen hat. Ich frage mich, ob das in jedem Fall so in anderen Wellen möglich wäre. Es ist also notwendig, auch einen sozialen Bezug zu dem herzustellen, was öffentlich-rechtlicher Rundfunk macht.

Der Verweis darauf, dass Migranten fernsehen und Satellitenschüsseln haben, scheint mir an der Stelle sehr falsch, denn gerade da muss öffentlich-rechtlicher Rundfunk in eine Lücke springen und Angebote machen, die es möglich machen, hier Integration aktiv zu leisten. Die Multiplikatoren dafür sitzen hier. 17 000 Viet- namesen, die in Berlin wohnen, werden sich nicht lautstark äußern, aber sie hören diese eine Stunde sonn- tags. – [Dr. Martin Lindner (FDP): Es ist wirklich absurd!] – Herr Dr. Lindner, für Sie ist es absurd. Ich habe Abgeordnetenhaus von Berlin Seite 19 Wortprotokoll EuroBundMedienBerlBra 16 / 31 16. Wahlperiode 24. September 2008 – bu/ur – mit den Leuten gesprochen. Dafür sind wir als Parlament da, um dem Viertel an Berlinern, das eine Minder- heit ist, durchaus die Chance zu geben, hier Gehör zu finden.

Anders als Herr Zimmermann, der im Rundfunkrat sitzt, sitzen die meisten hier nicht im Rundfunkrat – oder niemand sonst sitzt im Rundfunkrat. Aus der Sicht ist es legitim, unsere Fragen gezielt zu stellen und eine Gremienbeteiligung anzumahnen. Frau Reim! Ich habe vermisst, dass Sie den Rundfunkrat an Ihrer Ent- scheidung beteiligt haben. Er wurde vor vollendete Tatsachen gesetzt. Es gibt keine alternativlosen Entschei- dungen. Die Schließung von Radio Multikulti, wie Sie sie als Intendanz vorschlagen, hat mindestens sechs Alternativen. Diese sollten öffentlich diskutiert werden. Wenn es ein Sender ist, der knapp 30 feste Mitarbei- ter hat und vergleichbar ist mit einem Sender, der 80 feste Mitarbeiter hat, ergeben sich für mich da durchaus Potenziale für eine Diskussion, für ein Streiten. Das sollte man dann auch demokratisch machen und aushal- ten. Die Beteiligung der Gremien habe ich bisher in jedem Fall vermisst.

Das Gleiche trifft auch hinsichtlich der Forderung zu, ein Gesamtkonzept der Finanzen vorzulegen. Ich habe aus dem Rundfunkrat nicht gehört, dass es dieses Konzept für Finanzen bisher gibt. Die Kollegen haben mir das auch bestätigt, dass es nicht bekannt ist. Dieses wird notwendig sein, um letztlich eine endgültige Ent- scheidung zu fällen. Ich bitte die 30 Rundfunkratsmitglieder, sehr genau hinzuschauen, welche Alternativen es gibt und was man vielleicht anders machen kann.

Das, was ich in meinen Fragen angesprochen habe – was Alternativen wären –, ist diskutabel. Seit 2006 wird Geld an Medienboard gegeben, 1,5 Millionen Euro. Das ist für Medienboard sehr schön. Das freut mich, und das vertrete ich auch politisch. Aber war es angesichts der finanziellen Situation des Senders notwendig? – Das muss man diskutieren. Ich will das gar nicht bewerten, aber es wurde nicht diskutiert. Wir haben aufge- stockt. Brandenburg hat aufgestockt. Der Fonds bei Medienboard ist deutlich größer geworden. Die finan- zielle Notwendigkeit sehe ich in dem Sinne jedenfalls nicht. Solche Diskussionen wurden nicht geführt, auch im Haus nicht. Es gibt Mitarbeiter, die durchaus Einsparpotenziale sehen, die sich aber angesichts der Ausei- nandersetzung innerhalb des Senders gar nicht trauen, das auch zu äußern.

Meine Fragen drehen sich auch um das „Funkhaus Europa“. Wie weit ist der Stand der Diskussion? Was kostet das? – Wenn Multikulti 3,4 Millionen Euro Einsparung bringen soll und man im dreistelligen Bereich beim WDR einkauft, wo ist dann die große Einsparung?

Eine Frage an Frau Kisseler: Ist es politisch vertretbar – ich frage Sie als Rechtsaufsicht –, dass ein Sender, der keine Leistung für die Stadt bringt – der WDR –, ein Fremdprogramm – und das wäre es in dem Falle – sendet? Ist das rechtlich für uns vertretbar? – Schließlich haben wir einen Gründungsstaatsvertrag zwischen Berlin und Brandenburg gemacht, in dem von sieben Hörfunkwellen gesprochen wird. Ich bitte Sie, das zu klären. Im Notfall sollte man sogar bis vor das Verwaltungsgericht gehen. Es geht hier mehr um einen Hand- streich, wo man eine Frequenz verkauft.

Im Zusammenhang mit der Gremienbeteiligung habe ich auch die Sorge, dass es nicht mit einer weiteren Welle genauso passiert. Wer sagt uns, dass wir nicht im nächsten Jahr MDR-Kulturradio hier in unseren Bereichen hören, wenn das so passiert wie bisher, wenn keine Diskussion erfolgt? – Die Frage der weiteren Einsparung ist zu stellen, und Ihre Vorschläge sollten wir uns anhören.

Eine Frage noch an Frau Reim: Radio Multikulti ist profilgebend für die Stadt, für Deutschland, und es ist einer der wenigen Bereiche, wo der RBB ein Gesicht hat. Das ist nur wenig gelungen, und selbst unser Do- ping-Korrespondent im Sportbereich ist weggelobt worden. Es fällt mir schwer, dieses Alleinstellungsmerk- mal des RBB an anderen Stellen zu finden. Es wäre für mich auch bedauerlich, wenn Sie das dann gerade weitergeben, zumal Vertreter des WDR in einer Diskussionsveranstaltung mit dem Migrantenbeirat geäußert haben, dass Sie eigentlich nicht die Chance sehen, Radio Multikulti wirklich zu ersetzen. Diese Zweifel nehme ich gerne auf und bitte Sie um Argumente dazu.

Letztlich die Frage: Wie sieht das Integrationskonzept des RBB aus? – Das, was Sie bisher darstellten, war für mich in dieser Hinsicht sehr oberflächlich. – Danke schön!

Abgeordnetenhaus von Berlin Seite 20 Wortprotokoll EuroBundMedienBerlBra 16 / 31 16. Wahlperiode 24. September 2008 – bu/ur –

Vorsitzende Martina Michels: Danke schön! – Wir beenden damit die erste Fraktionsrunde. – Als Erstes hat sich der Senat gemeldet. Er möchte auf die Fragen, die an den Senat gestellt wurden, antworten. Dann bekommt Frau Reim die Möglichkeit, auf die vielen Fragen zu antworten. Ich schlage als Vorsitzende fol- gendes Prozedere vor: Es ist absehbar, dass wir das nicht bis 12.00 Uhr schaffen. Können wir uns auf eine Sollstärke einigen, dass es dann anschließend keine Debatten gibt, wenn wir länger machen? Gibt es dagegen Widerspruch? – Es geht darum, dass wir die Sitzung damit verlängern können, obwohl einige schon signali- siert haben, dass sie gehen müssen. Damit müssen alle Fraktionen einverstanden sein. – Dann verfahren wir so. – Nun hat Frau Staatssekretärin Kisseler das Wort. – Bitte schön!

Staatssekretärin Barbara Kisseler (CdS): Vielen Dank, Frau Vorsitzende! – Frau Dr. Hiller! Ich will gleich auf Ihre Frage eingehen, um das sicherlich im Interesse aller deutlich klarzustellen. Ich zitiere § 3 aus dem geltenden Medienstaatsvertrag in der Fassung, wie er zuletzt im Dezember 2006, Januar 2007 geändert worden ist. Darin steht dezidiert: Der RBB erhält zur Wahrnehmung der Grundversorgung – „der Grundversorgung“ ist ein wichtiger Begriff, weil rechtstechnisch unbestimmt – folgende Übertragungsmöglichkeiten: Mit Sendestandorten in Berlin terrestrische Übertragungsmög- lichkeiten für insgesamt sieben Hörfunkprogramme und terrestrische Übertragungsmöglichkeiten für zwei Fernsehprogramme. Damit hat der RBB bis heute sieben Frequenzen, ohne dass es – ich sage das angesichts der Diskussion noch einmal deutlich – gesetzliche Vorgaben über die Ausrichtung der Programme gibt. Die wird es auch nicht geben. Die Zuordnung der Frequenzen ist nach wie vor Sache der MABB. Die aber hat dem RBB diese Fre- quenz 96,3 belassen. An dieser Stelle muss man noch einmal deutlich sagen, dass wir im Rahmen der Rechtsaufsicht dann einschreiten müssten, wenn mit dieser Frequenz etwas passieren sollte, zum Beispiel die Übertragung an Dritte. Das ist definitiv nicht der Fall. Der RBB hat nach wie vor – und nur das ist für uns rundfunkrechtlich entscheidend – die volle Programmverantwortung für diese Frequenz. Wie er das im In- nenverhältnis mit Zulieferungen von wem auch immer regelt, ist keine Frage der Aufsicht. Das ist für uns damit nicht tangiert. Wir haben die dezidierte Aussage des RBB, dass er diese Programmverantwortung da- für behält. Im Übrigen hat es auch in der Vergangenheit Programmschienen gegeben wie Klassik-Radio usw., wo andere zugeliefert haben und wo der RBB rundfunkrechtlich die alleinige Verantwortung hatte.

Insofern – das haben wir auch schon übermittelt – ist das Modell, das dem RBB vorschwebt – mit Zuliefe- rungen gegebenenfalls vom WDR, „Funkhaus Europa“ –, für uns aus rundfunkrechtlicher Sicht in keiner Weise zu beanstanden. Die Aufsicht wechselt im Dezember nach Brandenburg. Wir haben uns in diesem Punkt auch mit Brandenburg abgestimmt, wo man diese Auffassung ebenso teilt. Es ist mir wichtig, dass das an dieser Stelle noch einmal so eindeutig diskutiert wird. Eine Übertragung der Frequenz an Dritte wäre sicherlich auch, Herr Dr. Lindner, eine interessante Möglichkeit, Geld zu machen und die Gebührenfrage anders zu diskutieren. Wir könnten sie vielleicht auch versteigern. Das wäre auch nicht schlecht. Aber das alles steht leider nicht zur Diskussion.

Vorsitzende Martina Michels: Danke schön! – [Alice Ströver (Grüne): Im Protokoll liest man die Ironie nicht! – Staatssekretärin Barbara Kisseler (CdS): Das schreibe ich in Klammern dazu: Ironisch gemeint!] – Diese Klammer ist wichtig. Es ist festzuhalten, dass das ironisch war. – [Dr. Martin Lindner (FDP): Das kann die Staatssekretärin doch selbst tun!] – Das hat sie gerade gesagt. Das Mikro war nur nicht an, Herr Dr. Lindner! – [Staatssekretärin Barbara Kisseler: Ich habe meinen Witz erklärt, Herr Dr. Lindner!] – Das kann die Technik immer noch nicht lesen. – Frau Reim, bitte!

Dagmar Reim (Intendantin des RBB): Vielen Dank, Frau Vorsitzende! – Herr Dr. Lindner! Ich beginne mit Ihnen. Danke für diese klarstellenden Worte zu dem schönen „Tagesspiegel“-Interview. Man muss sich das einmal vorstellen, dass da ganz dezidiert gesagt wird: Wir haben vom Arbeitsministerium Geld bekommen. – Es ist dem öffentlich-rechtlichen Rundfunk verboten, Geld von Ministerien, vom Staat, von wem auch im- mer zu nehmen. Ich denke, dass die Rechtsaufsicht dies erläutern kann, und dass man das Jahre nach der Tat auch noch öffentlich einräumt, finde ich bemerkenswert.

Abgeordnetenhaus von Berlin Seite 21 Wortprotokoll EuroBundMedienBerlBra 16 / 31 16. Wahlperiode 24. September 2008 – bu/ur –

Herr Dr. Lindner! Was ich nicht verstanden habe, aber vielleicht können Sie mir das erläutern, sind die kari- tativen und sozialen Ausgaben. Ich kenne keine. Wir bekommen täglich Spendenaufrufe: Retten auch Sie den Turm der Kaiser-Wilhelm-Gedächtniskirche! – Wir machen das nicht. Wir schreiben stereotyp: Wir leben von Gebühren und können deshalb bedauerlicherweise niemandem etwas spenden.

Nächster Punkt – Aufwand Berichterstattung Olympische Spiele: Ja, es waren viele Kolleginnen und Kolle- gen von ARD und ZDF in Beijing. Ja, wir haben großen Wert darauf gelegt, nicht allein auf das Weltsignal angewiesen zu sein, die Weltbilder, die das IOC an die Rundfunkanstalten verkauft hat. Wir wollten zu jeder Tages- und Nachtzeit eigene Berichte, und wir haben von dort jede Menge zusätzlicher Sendungen gemacht, die wir sonst aus der Heimat machen wie „Beckmann“ und anderes. Gleichwohl haben wir festgestellt, dass wir bei den nächsten Olympischen Spielen in London mit weniger Kolleginnen und Kollegen auskommen werden. Eine Zeitzone, keine solchen wahnwitzigen Sicherheitsbestimmungen! Auch die kosten Mann und Maus.

Wie kommen wir zu einer Einnahmensteigerung? – Das richtet sich auch bereits an Sie, Herr Goiny! Die Länder diskutieren über ein neues Gebührenmodell ab dem Jahr 2013. Ich bin sicher, dass auch unsere bei- den Länder sehr aktiv an dieser Debatte teilnehmen werden. Dann werden auch Befreiungstatbestände und Ähnliches zur Debatte kommen. Sie wissen, dass wir da „Endverbraucher“ von Staatsverträgen sind und nicht persönlich Handelnde.

Strukturelle Maßnahmen: Mir ist das ganz wichtig – das richtet sich auch an Sie, Herr Goiny und Herr Zim- mermann –: Wir wollten in diesem Moment kein Konzept vorlegen, wie wir 54 Millionen Euro sparen. Ich denke, dass Sie damit einverstanden sein werden. Wenn der kleine RBB sagt: „Das machen wir schon, wir haben nur 100 Millionen Euro in der ersten Gebührenperiode unseres Lebens eingespart, und jetzt stecken wir mal eben die 54 Millionen Euro weg!“, dann sehen sich doch die großen Sender in keiner Weise irgend- wie im Obligo. Also haben wir gesagt: Wir tun, was wir tun müssen. Das ist der erste Schritt, das ist schwerstbedauerlich und traurig. Das sind die 30, die wir identifiziert haben, und den Rest – – Wir handeln nicht nach dem Prinzip Hoffnung. Wir wissen, dass kein Geldsegen von irgendwoher über uns hereinkom- men wird, aber wir sind nicht gänzlich unoptimistisch, dass wir am Ende doch noch etwas erreichen. Aber bis zu diesem Ende bedarf es des beharrlichsten Bohrens dickster Bretter. Auf der Kurzstrecke, die ich nor- malerweise beherrsche, sehe ich nicht, dass uns irgendein Geldsegen zugutekommt.

Abgeordnetenhaus von Berlin Seite 22 Wortprotokoll EuroBundMedienBerlBra 16 / 31 16. Wahlperiode 24. September 2008 – bu/vo –

Mir ist auch wichtig zu sagen: Der RBB ist kein Sanierungsfall. Wir haben in dieser ersten Periode, die ich zu verantworten habe, unglaublich viel eingespart. Herr Zimmermann, der im Rundfunkrat sitzt, weiß, wie wir das gemacht haben, mit welcher unglaublichen Anstrengung aller Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Aber gegen diese Zahl von Gebührenausfällen können wir so nicht ansparen. Deswegen brauchen wir Hilfe, und ich bin froh über die Unterstützung der Länder.

Frau Ströver, Sie unterstellen mir Dinge, die ich hier zurückweise. Ich habe keine Bedingungen für unser Kommen gestellt. Ich habe gesagt, dass es ein Büroversehen war. Ich wollte vom Ausschussbüro die Tages- ordnung und die Namen der Mitarbeiter dieses Ausschusses. Ich weise auch zurück, dass ich hier eine Rund- funkratsrede halte. Das ist eine Unterstellung, und ich bitte Sie, diese Unterstellung aus der Welt zu räumen.

Schön, dass Sie Ihren Fragenkatalog noch einmal vorgelesen haben! Ich kann und werde nicht alle diese Fragen beantworten. Warum werde ich das nicht tun? – Nicht, weil ich Ihnen nicht Auskunft geben will, sondern weil der Verwaltungsrat des Rundfunk Berlin-Brandenburg die finanziellen Grundlagen des RBB regelt. Ihm bin ich auskunftspflichtig, mit ihm habe ich mich vorher besprochen, und es ist vollkommen un- denkbar, dass ich in öffentlicher Sitzung Details der Finanzierung einzelner Wellen und einzelner Marke- tingetats diskutiere. Das geht nicht. Selbstverständlich ist es Ihnen jederzeit möglich, über einzelne Rund- funk- und Verwaltungsräte Exemplare unseres Wirtschaftsplans einzusehen. Ich bitte Sie da sehr um Ver- ständnis.

Frau Ströver, wenn Sie sich noch einmal erinnern würden, was Ihnen der Regierende Bürgermeister im Ab- geordnetenhaus in unmissverständlicher Weise gesagt hat – wofür ich ihm außerordentlich dankbar bin –: Dies ist kein Staatsfunk. – Es handelt sich um öffentlich-rechtlichen Rundfunk, und dieser gehört Ihnen al- len. Sie finanzieren ihn alle, aber er ist programmlich autonom. Es gibt keinen Beschluss einer Regierungs- stelle, der uns sagen kann, welches Programm wir machen.

Selbstverständlich gehört Integration zum gesellschaftlichen Auftrag. Das ist Ihr Auftrag ebenso wie meiner. Man wird die Frage stellen dürfen – die stelle ich Ihnen aber nicht –, wie die Integrationspolitik der vergan- genen 15 Jahre war. Sie weisen darauf hin, Frau Hiller: Es gibt 25 Prozent Menschen mit Migrantenursprung in Berlin. Wenn diese 25 Prozent Menschen auf die Idee gekommen wären, Radio Multikulti zu wählen, würden wir bestimmt eine andere Diskussion führen. Aber mir ist wichtig, Ihnen zu sagen: Wir haben uns nicht gegen Radio Multikulti entschieden, weil 0,9 Prozent der Menschen in Berlin und Brandenburg es hö- ren. – [Zurufe aus dem Publikum] – Wir haben uns gegen Radio Multikulti entschieden – – Frau Vorsitzen- de! Könnten Sie dafür sorgen, dass ich ohne Störung sprechen kann?

Vorsitzende Martina Michels: Ich nehme das gern noch einmal auf. Also – –

Dr. Martin Lindner (FDP): Nein, nein! Ich beantrage jetzt, für die restliche Rede den Saal zu räumen, Frau Vorsitzende! Frau Reim ist unser Gast, und wir schulden ihr, dass sie ungestört sprechen kann. Es kommen die ganze Zeit Zwischenrufe von hinten. Ich beantrage das förmlich, und wenn das nicht passiert, dann diskutiere ich über Ihr Vorsitzendenverhalten im Ältestenrat. Das ist ganz klar. Wir sind hier nicht im Wirts- haus!

Vorsitzende Martina Michels: Herr Dr. Lindner! Vielleicht können wir die Luft mal ein bisschen heraus- lassen. Ich habe schon mehrfach darauf hingewiesen. Formal haben Sie völlig recht. Ich mache das jetzt zum dritten Mal und würde den Gästen zum letzten Mal die Möglichkeit geben, sich an die Regeln zu halten. Das betrifft Beifallsbekundungen oder kritische Äußerungen oder auch das, was Sie jetzt schon die ganze Sitzung über machen: das Plakathochhalten. Wenn das jetzt noch einmal passiert, dann würde ich den Saal räumen lassen. Ich hoffe, dass es nicht dazu kommt. Ich habe hier das Hausrecht als Vorsitzende. Ich bitte dringend darum – das ist jetzt die letzte, die dritte Aufforderung –, dem nachzukommen, damit der Fall nicht eintritt. Frau Reim hat jetzt das Wort. – Bitte!

Dagmar Reim (Intendantin des RBB): Selbstverständlich gehört Radio Multikulti zum gesellschaftlichen Auftrag. Es gehört aber auch zum Auftrag des Rundfunk Berlin-Brandenburg, dass er mit seinen Gebühren auskommt. Ich habe Ihnen gesagt, dass ich im Kreis der Intendanten sehr kritische Fragen zu beantworten habe, warum sich der kleine RBB sieben Wellen leistet. – [Dr. Gabriele Hiller (Linksfraktion): Weil es billi- Abgeordnetenhaus von Berlin Seite 23 Wortprotokoll EuroBundMedienBerlBra 16 / 31 16. Wahlperiode 24. September 2008 – bu/vo – ge Wellen sind!] – Frau Hiller! Selbstverständlich sind unsere Wellen billiger. Selbstverständlich leben wir in der Dritten Welt im Vergleich mit den reichen Sendern. Aber, Frau Hiller, ich kann mich doch dem Ar- gument nicht verschließen, wenn die mir numerisch kommen und sagen: „Sie machen aber sieben Program- me, wir machen fünf.“ – Dann sage ich: „Unsere sieben Programme sind billiger.“ – „Ah, Frau Reim, Sie haben aber doch kein Geld!“

Warum habe ich mich dann gegen Radio Multikulti entschieden? – Weil es das einzige Programm ist, das ich mit einem öffentlich-rechtlichen Vollprogramm in siebzehn Sprachen ersetzen kann. Ich finde es sehr bedau- erlich, Frau Dr. Hiller, dass Sie denken, Radio Multikulti sei das einzige Programm, in dem – wie Sie sagen – der RBB ein Gesicht hat. Das wäre überaus bedauerlich. Wir senden das erfolgreichste Informationspro- gramm Deutschlands, Inforadio. Wir haben Radio Eins, ein Programm, um das uns alle Sender in Deutsch- land beneiden. Wir haben „Fritz“, ein sehr engagiertes und innovatives Jugendprogramm. Wir haben zwei starke Landeswellen, Antenne Brandenburg und Radio Berlin, und wir haben Kulturradio. Ich freue mich besonders darüber, dass es den Kolleginnen und Kollegen gelungen ist, Kulturradio so weiterzuentwickeln, dass es nun in der Gunst der Hörerinnen und Hörer – auf die kommt es ja auch ein wenig an – sogar das viel- gepriesene Deutschlandradio Kultur überholt hat.

Ich möchte zu den Kosten der Einsparung etwas sagen. Sie fragen mich: Was kostet “Funkhaus Europa“? – „Funkhaus Europa“ kostet den RBB nichts. Ich bitte Sie, darauf zu verzichten, so zu tun, als sei der West- deutsche Rundfunk ein Rundfunkimperator in Berlin. Die Kollegin Piel reißt sich nicht darum, hier dieses Programm auszustrahlen. Sie hat aber meiner Bitte entsprochen, und das ist ein Stück Hilfe für den RBB in schwerer Zeit, denn wir werden dieses Programm in unserer Verantwortung ausstrahlen.

Dass Sie, Frau Ströver, schon wissen, was „Funkhaus Europa“ alles nicht kann, zeigt mir, dass Sie es regel- mäßig hören. Ich höre es noch nicht regelmäßig und kann dazu deswegen keine Stellung nehmen.

Die Akzeptanz der Rundfunkgebühren in Deutschland, Herr Goiny, ist ein sehr wichtiges Thema. Ich hoffe und denke, dass wir mit dem neuen Gebührenmodell – – [Alice Ströver (Grüne): Sie wissen nicht, was Sie eingekauft haben! Ist ja toll!] – Ich habe bei Ihnen auch nicht dazwischengeschnattert, Frau Ströver, aber bitte! – [Dr. Martin Lindner (FDP): Das ist eine Unverschämtheit! – Alice Ströver (Grüne): Zwischenrufe gehören zum guten parlamentarischen Brauch. Aber das können Sie sich vielleicht nicht vorstellen!] – Ich kann mir in der Tat nicht vorstellen, jemanden, der gerade auf Fragen antwortet, die Sie gestellt haben, zu unterbrechen. Aber das unterscheidet uns, und es muss ja auch Unterschiede geben. – [Zurufe] – In der Tat ist es richtig, Herr Goiny, – –

Dr. Martin Lindner (FDP): Es gibt schon wieder Bemerkungen von hinten. Ich bitte jetzt endgültig, den Saal zu räumen, Frau Vorsitzende! Wir sind hier nicht im Wirtshaus! Jetzt reicht es hier!

Vorsitzende Martina Michels: Die Bemerkungen von hinten habe ich nicht gehört. – [Dr. Martin Lindner (FDP): Ja, aber ich habe sie gehört, und die Frau Intendantin hat sie gehört. Es ist doch eine Frechheit, wie wir hier mit unserem Gast umgehen! Sie sind doch völlig überfordert mit der Sitzungsführung hier!] – Na, na! Meine Aufgabe ist es, hier eine sachliche Debatte zu ermöglichen. Das ist, glaube ich, der Fall. Ich glau- be, die Zuschauer haben inzwischen auch gemerkt, dass es nichts bringt. – Frau Reim, bitte!

Dagmar Reim (Intendantin des RBB): Herr Goiny, Sie haben völlig recht: Auch wir würden sehr gern an Tagen tagen, an denen das Abgeordnetenhaus nicht tagt. Es passiert auch maximal einmal im Jahr. Aber die Sitzungsterminierung des Rundfunkrats ist kein Job des RBB. Ich kann Ihnen nur sagen: Dagegen ist es ein- fach, ein Treffen zwischen dem Papst und Jassir Arafat – zurzeit selig – zu organisieren, denn wir haben nicht nur Mitglieder des Abgeordnetenhauses in unserem Rundfunkrat, sondern auch Vertreter von Verbän- den, Gewerkschaften und Institutionen. All diese Menschen haben Terminkalender, dagegen ist unser beider ein weißes Blatt. Es ist der Ritt auf der Rasierklinge. Auch das Land Brandenburg hat einen Landtag, und auch der muss einmal im Jahr leider entweder auf die Mitglieder des Rundfunkrats verzichten, oder der Rundfunkrat muss auf die beiden Mitglieder verzichten, die vom Land Brandenburg entsandt werden. Denn der Wunsch unseres Gremiums – und der ist entscheidend – heißt erstens: Wir tagen nicht in den Schulfe- rien. – Zweitens: Wir tagen donnerstags. – Dann sind Sie schnell am Ende der Fahnenstange. Aber ich neh- me das gern noch einmal zu Frau Dr. Liedtke, unserer Rundfunkratsvorsitzenden, mit. Abgeordnetenhaus von Berlin Seite 24 Wortprotokoll EuroBundMedienBerlBra 16 / 31 16. Wahlperiode 24. September 2008 – bu/vo –

Selbstverständlich spielt die Qualifikation von Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern bei uns eine besonders große Rolle. Wir haben eine sehr gute Ausbildung für Volontärinnen und Volontäre, und wir bilden auch in anderen Berufen aus, z. B. Mediengestalter Bild und Ton. Künftig werden wir, weil wir Integration als Quer- schnittsaufgabe für alle empfinden, die Ausbildung junger Menschen mit Migrationshintergrund verstärken, denn sie haben oftmals nicht die formalen Voraussetzungen, derer es bedarf, um beim RBB einen Volontari- atsplatz zu bekommen.

Wie wir verantwortlich mit öffentlich-rechtlichen Mitteln umgehen, habe ich darzulegen versucht. Wir kön- nen nicht einfach Miese machen. Bitte verstehen Sie das! Wir fühlen uns diesem Abgeordnetenhaus und diesem Landtag in Brandenburg, die unsere Gebühren genehmigen, verpflichtet, einen Haushalt vorzulegen, der gedeckt ist. Solange ich hier arbeite, werde ich Sie nicht in Haftung nehmen für das, was der RBB selbst nicht bezahlen kann.

Herr Zimmermann, Sie haben recht: Es wäre gut, wenn die 96,3 erhalten bliebe. Wir stehen kurz vor dem Abschluss des Kooperationsvertrags mit dem Westdeutschen Rundfunk. Dort wird dann das Programm „Funkhaus Europa“ im Wesentlichen stattfinden. Ich würde gern ein Moratorium verkünden, das wissen Sie auch. Aber jetzt ein Moratorium zu verkünden, hieße, auf das Prinzip Hoffnung zu setzen. Der Verwaltungs- rat des Rundfunk Berlin-Brandenburg ist nicht bereit, den Wirtschaftsplan für 2009 so zu verabschieden, dass wir mit diesen 54 Millionen Euro Einsparnotwendigkeiten nicht einmal begännen.

Frau Dr. Hiller, es hat sich mir nicht erschlossen, warum Sie sagten, dass wir an die Kleinsten herangehen. Davon ist mir nichts bekannt. Migrantinnen und Migranten hören – ich habe das dargelegt – z. B. in durch- aus erklecklichem Umfang Inforadio. In diesem Haus heißt es: „Und das ist auch gut so!“ – Ich jedenfalls finde das gut, und deswegen wird es im RBB ein Gesamtkonzept geben, wie Integrationsthemen noch besser als bislang mit den dazugehörigen Menschen in unseren Programmen auffindbar sind. Ich möchte dazu sa- gen, dass wir dieses Integrationsthema keineswegs neu erfinden müssen. Wenn Sie nämlich unsere Pro- gramme hören und sehen – nicht nur „Django Asül bei den Türken“ –, dann wissen Sie ganz genau, dass das im RBB eine sehr große Rolle spielt. Von Auseinandersetzungen innerhalb des Senders und davon, dass unsere Kolleginnen und Kollegen nicht wagen, uns zu sagen, wo sie sparen würden, ist mir nichts bekannt. Meine Tür steht meterweit offen für alle Menschen, die Ideen haben, wie man sparen könnte.

Unseren Dopingexperten haben wir mitnichten weggelobt, sondern er hat mich gebeten, aus privaten Grün- den für einige Jahre beurlaubt zu werden. Dem bin ich gern nachgekommen. Wenn er diese Beurlaubung hinter sich hat, kommt er wieder zu uns zurück.

Was unsere Beiträge zum Medienboard Berlin-Brandenburg angeht, so glaube ich, dass es bis jetzt zwischen allen Parteien und zwischen den Leuten, die bei uns Radio und Fernsehen machen, Konsens ist, dass der Rundfunk Berlin-Brandenburg, der ein kleinerer Sender ist, dringend eine Profilierung beim Thema Film braucht. Wir brauchen Fernsehfilme, die spezifisch für diese Region sind, die nur aus dieser Region kommen können. Wenn wir an Filmen wie „Sommer vorm Balkon“ oder „Wolke 9“ beteiligt sein können, wenn wir Andreas Dresen ein Stück weit zum RBB zurückholen, dann bin ich darüber außerordentlich froh. Es geht aber auch um große Dokumentationen, wie sie jetzt z. B. ausgezeichnet werden – „Letter to Anna” über das Leben und Sterben der Anna Politkowskaja. Das sind Dinge, die ich im RBB sehr vermissen würde, wenn wir sie nicht realisieren könnten. Sie sind selbstverständlich nur in Zusammenarbeit mit dem Medienboard Berlin-Brandenburg möglich. – Dies als Einstieg.

Vorsitzende Martina Michels: Danke schön! – Wir treten in die zweite Runde ein. Zunächst Herr Mutlu – bitte!

Özcan Mutlu (Grüne): Ich möchte mit einer kurzen Anekdote anfangen. Ich war im Sommer in Toronto und habe dort auch Leute von der Stadtverwaltung getroffen. Wir haben über Integration usw. gesprochen, und dann ging es darum, dass Deutschland viel von Kanada lernen kann. Daraufhin hat einer der Politiker am Tisch gesagt: „Wir können auch etwas von Berlin lernen. Ihr habt ein Radio Multikulti.“ – Und das im fer- nen Toronto im Vorzeigeintegrationsland Kanada! In derselben Diskussion kam natürlich auch die Frage: Abgeordnetenhaus von Berlin Seite 25 Wortprotokoll EuroBundMedienBerlBra 16 / 31 16. Wahlperiode 24. September 2008 – bu/vo –

„Warum stampft ihr dieses Programm ein?“ – Ich habe nach Erklärungen gesucht und auch als Oppositions- politiker versucht, ein bisschen objektiv zu sein. Aber es ist mir schwergefallen.

Wenn man zurückblickt, warum es diesen Sender gibt – ich denke, an den Gründen hat sich bisher nichts geändert –, dann sollte man seitens der Politik – das ist unsere Aufgabe, auch wenn es sich hierbei nicht um einen Staatssender handelt – alles dafür tun, dass dieses Wahrzeichen dieser Stadt erhalten bleibt. So sehen wir auch unseren Auftrag.

Multikulti wurde seinerzeit auch als eine Antwort auf die Anschläge in Solingen und Mölln gegründet. Das darf man nicht vergessen. Wenn man in Betracht zieht, dass erst jetzt am Wochenende in Köln diese große Veranstaltung der „Pro Köln“-Faschisten – sage ich mal, es sind zum größten Teil Faschisten und Neonazis – organisiert worden ist, dann kann ich nur sagen: Deutschland braucht viel mehr solcher Sender. – Aber Deutschland braucht diese Sender, Frau Reim, nicht für die Migranten oder die Migranten der zweiten, drit- ten, vierten Generation. Darum geht es nicht. Alle reden hier so, als wäre Multikulti ein Programm nur für die Migranten. Mag sein, dass die muttersprachlichen Programme in der Tat die Muttersprachler in dieser Stadt ansprechen. Aber das ist nur ein kleiner Anteil von Multikulti. Wenn Sie in den Saal blicken, dann sehen Sie kaum Migranten, sondern das sind alles gebürtige „Biodeutsche“, die sich für den Erhalt des Sen- ders starkmachen, weil dieser Sender eine Bereicherung für diese Stadt ist. Deshalb kann ich die Entschei- dung von Ihnen, aber auch die des Rundfunkrats und des Verwaltungsrats nicht nachvollziehen.

Sie haben es vorgezogen, auf die meisten Fragen nicht zu antworten, und sich stattdessen auf Fragen kon- zentriert wie z. B. die, warum die Sitzungstermine des Rundfunkrats ab und zu gleichzeitig mit denen des Plenums stattfinden. Auf die meisten Fragen haben Sie nicht geantwortet. Das war für mich nicht überzeu- gend. Vor allem hat keiner hier gefordert, dass Sie uns jetzt Ihren Haushalt hoch- und runterrattern. Sie sind uns die Erklärung schuldig geblieben, wie Sie den Haushalt abschließen, wenn Sie die 54 Millionen Euro sowieso nicht in Ihrem Haushalt haben – dieses Defizit. Wenn man „Polylux“ und Multikulti zusammen- zählt, kommen wir auf 30 Millionen Euro – fehlen immer noch 24 Millionen Euro! Auf der anderen Seite haben Sie erklärt, dass die Festangestellten anderweitig im Sender integriert werden – das ist löblich und okay so – und dass Sie auch alles dafür tun werden, um die Freien zu behalten. Dann frage ich mich: Wo ist da die Einsparung? – Wenn das Personal erhalten bleibt und Sie die Hardware nicht versilbern können – die Technik ist alt, haben Sie gesagt; Sie werden nicht einmal mit der Technik Einnahmen erzielen, und wenn, dann nur einmalig –, dann frage ich mich: Wo ist der Konsolidierungsbeitrag von Radio Multikulti, das nicht nur von der Symbolik her, sondern auch für das Zusammenleben in dieser Stadt so wichtig ist?

Dann haben Sie gesagt, „Funkhaus Europa“ würden Sie nicht hören. Meine Kollegin hat zu Recht hineinge- rufen: „Wie können Sie etwas einkaufen, was Sie nicht kennen?“ – Das ist eine Frage, die man sich stellen muss. Was für einen Beitrag soll „Funkhaus Europa“ als Ersatz für Multikulti überhaupt leisten? – Ich habe da meine Zweifel und würde gern noch mehr von Ihnen dazu hören, warum und wie Sie auf „Funkhaus Eu- ropa“ kommen. Sind es die muttersprachlichen Programme allein? – Das hilft uns nicht, denn das allein ist nicht das, wofür die Berlinerinnen und Berliner kämpfen.

Das sind meine Fragen. Ich wünsche mir, dass Sie uns ein bisschen mehr zu den Finanzen sagen. Wie kann es sein, dass die 2,3 Millionen Euro pro Jahr, die der Sender oder die Welle Multikulti kostet – – Das ist nur ein kleiner Teil von den 54 Millionen Euro. Wie begründen Sie das alles nicht nur medienpolitisch, sondern auch gesellschaftspolitisch?

Warum Sie gegen das Moratorium sind, war für mich auch nicht überzeugend. Ich denke, dass es in Anbetracht der Aktivitäten seitens der Berlinerinnen und Berliner, seit es diesen Beschluss zur Schließung des Senders gegeben hat, gerechtfertigt ist, hier zu sagen: Okay, wir wollen uns das alles noch einmal genau- er anschauen. – Die KEF steht uns bevor. Vielleicht gibt es ein bisschen mehr Geld für Berlin. Vielleicht kann man etwas von den 2,3 Millionen Euro sparen, aber dennoch diesen Sender erhalten, und zwar mit den – in Anführungszeichen – Mehreinnahmen, die jetzt hoffentlich durch den neuen Rundfunkstaatsvertrag kommen. Das würde ich gern von Ihnen hören. Ich finde den Vorschlag des Freundeskreises von Multikulti – Moratorium für ein Jahr – wegweisend und wünsche mir, dass Sie, aber auch die politischen Verantwortli- chen wie beispielsweise Herr Zimmermann und die Vertreter und Vertreterinnen der anderen Fraktionen, die Abgeordnetenhaus von Berlin Seite 26 Wortprotokoll EuroBundMedienBerlBra 16 / 31 16. Wahlperiode 24. September 2008 – bu/vo – im Rundfunkrat sitzen – wir sitzen da leider nicht, sonst hätten wir anders auf das Ganze reagieren können –, sich das wirklich zu Herzen nehmen und das im Rundfunkrat thematisieren.

Vorsitzende Martina Michels: Danke schön! – Herr Zimmer, bitte!

Nicolas Zimmer (CDU): Vielen Dank, Frau Vorsitzende! – Als ich mich vor gut einer Stunde gemeldet habe, sah mein Sprechzettel noch etwas anders aus. Ich will es nun etwas verkürzen – auch mit Blick auf die Uhrzeit. – Frau Reim! Natürlich sind Sie kein Staatsrundfunk – das wird auch niemand in diesem Saal ernst- haft behaupten wollen –, aber Sie sind ein öffentlich-rechtlicher Rundfunksender. Das ist ein wesentlicher Unterschied zu einem privaten Rundfunksender. Sie selbst sehen sich zu einem guten Teil auch als Manage- rin eines Wirtschaftsunternehmens – das müssen Sie auch sein, weil Sie den Auftrag haben, schonend mit den öffentlichen Ressourcen umzugehen, die Ihnen zur Verfügung gestellt werden. Aber damit sind nicht allein die Optimierung von Ausgaben und das stromlinienförmige Aufstellen von Programminhalten verbun- den, sondern öffentlich-rechtlicher Rundfunk bedeutet auch, seinem Auftrag nachzukommen, indem Pro- gramminhalte bereitgestellt werden, die beispielsweise in privaten Rundfunksendern niemals ihren Platz finden würden, weil sie dort nämlich nicht dazu beitragen, beispielsweise Werbeeinnahmen zu erzielen. Das ist ganz einfach. So funktioniert unser System

Sicherlich gibt es auch private Rundfunksender, die Special Interest bedienen, aber wenn wir uns angucken, wie die Rundfunklandschaft in Berlin insgesamt aufgeteilt ist, dann ist doch klar, dass wir auf der einen Seite Unterhaltungssender und auf der anderen Seite Inhaltssender haben. Es ist auch klar, wie man sie zuordnen kann. Die Inhaltssender sind überwiegend die öffentlich-rechtlichen. Das ist auch völlig korrekt und richtig so. Aber wenn das so stimmt, dann hat Multikulti dort auch einen besonderen Platz. Diesen aufzugeben, halte ich für einen Fehler. Das ist meine persönliche Meinung. Ich rede jetzt nicht für meine Fraktion, son- dern an dieser Stelle rede ich für mich persönlich. Ich glaube, dass ein Programm, das aus Berlin für Berliner mit unterschiedlicher ethnischer Herkunft gemacht wird, ein absolutes Alleinstellungsmerkmal besitzt und nicht durch ein Programm zu ersetzen ist, das vom WDR übernommen wird. Das kann ich mir beim besten Willen nicht vorstellen, weil da nämlich das fehlt, was es ausmacht, nämlich die Besonderheit Berlins als Schmelztiegel unterschiedlicher Kulturen.

Wie es im Ergebnis in Berlin auch mit den Konflikten der Kulturen weitergehen kann, das haben wir an vie- len Stellen erlebt. Multikulti leistet einen wesentlichen Beitrag dazu, Kommunikationsfähigkeit herzustellen. Wenn ich das sehe und abwäge gegen das von Ihnen schon mehrmals angeführte Finanzieren von Filmpro- jekten – – Ich bin auch ein Freund des Medienboard, gar keine Frage! Aber ein öffentlich-rechtlicher Pro- grammauftrag in der Abwägung zwischen Multikulti auf der einen Seite und „Wolke 9“ auf der anderen Sei- te – wie beantworten Sie das? – Ich sage Ihnen klar und deutlich: Öffentlich-rechtlicher Programmauftrag, finanziert aus Gebührenaufkommen, bedeutet für mich nicht zwingend die Finanzierung von filmischen Pro- jekten, noch dazu, wenn sie überwiegend unterhaltenden Charakter haben. Deswegen muss man sehr genau hinschauen, wenn man eine Abwägung zu treffen hat, wo man seine Schwerpunkte setzt.

Ich glaube, dass Sie an dieser Stelle die Schwerpunkte falsch setzen. Ich glaube, dass es in Ihrem Hause de- finitiv Potenziale an anderer Stelle gibt, nämlich in Ihren Arbeitsprozessen Optimierungen herzustellen. Wenn Sie sagen, Sie investieren in neue Technik, dann ist das völlig richtig, aber neue Technik bedeutet auch – wenn man es richtig macht – eine deutliche Senkung der Produktionskosten. Wenn Sie sich anschau- en, wie Ihre Ausstattung im Vergleich zu den mehrmals zitierten privaten Sendern ist, dann werden Sie fest- stellen, dass dort anders gearbeitet wird, und zwar kostengünstiger. Da funktioniert das Wirtschafts- und Wettbewerbsdenken, weil dort an der Stelle Geld gespart wird, wo im Grunde genommen Overhead und nicht der Output finanziert wird. Darüber sollten Sie einmal nachdenken und vielleicht ein paar Sätze dazu sagen, auch wenn es im Detail sicherlich in den Verwaltungsrat gehört. Aber mich interessiert: Wo sehen Sie Rationalisierungspotenziale im schonenden Umgang mit öffentlichen Ressourcen jenseits der Einstellung von Programminhalten?

Dass „Polylux“ hier nicht so ein Thema ist, ist klar, weil es politisch denkende Menschen nicht so sehr moti- viert wie Multikulti. Aber warum Sie es gestrichen haben, ist doch auch klar: „Polylux“ wird von einer Pro- duktionsfirma angeboten und von Ihnen abgenommen. Wenn Sie dieses Programm einstellen, dann hat „Ko- balt“ das Problem und nicht Sie. Die Programminhalte und die Produktion werden von „Kobalt“ und nicht Abgeordnetenhaus von Berlin Seite 27 Wortprotokoll EuroBundMedienBerlBra 16 / 31 16. Wahlperiode 24. September 2008 – bu/vo – vom RBB gemacht. „Kobalt“ ist ein eigenständiges Unternehmen und wird im Zweifelsfall damit auskom- men müssen, dass es den Auftrag nicht mehr bekommt. Das ist auch in Ordnung, aber diese Entscheidung ist wohl getroffen worden, weil sie für Sie schmerzfreier gewesen ist.

Ein letzter Satz zum Gebührenaufkommen: Ich glaube nicht, dass man diese Frage einfach damit beantwor- ten kann, dass man jetzt alle blinden Millionäre veranlasst, doch GEZ-Gebühren zu zahlen. Ich glaube, das Problem liegt ganz woanders, Kollege Lindner! Wenn man sich die Karte in Bezug auf das Gebührenauf- kommen anschaut, dann ist sie erstaunlich deckungsgleich mit den Bereichen verschiedener öffentlich- rechtlicher Rundfunksender innerhalb der ARD. – [Zuruf] – Ja! Das ist schon klar, dass Sie deswegen ein schlechteres Aufkommen haben. Aber könnte es nicht auch umgekehrt sein? Könnte es nicht sein, dass die Akzeptanz von öffentlich-rechtlichen Rundfunkprogrammen auch etwas mit der Qualität und dem Angebot zu tun hat und damit, inwieweit das von den Menschen akzeptiert wird? – Denn es sind ja durchaus auch strukturschwache Regionen dabei, die ein höheres Gebührenaufkommen haben, als wir es in Berlin haben. Darauf muss es doch irgendeine Antwort geben. Wie sieht es eigentlich mit der Kundenzufriedenheit aus, wenn man das in Relation setzt? Gehört zur Kundenzufriedenheit nicht auch, ein weites Spektrum abzu- decken? – Das sind Fragen, die sicherlich heute nicht mehr beantwortet werden können, die es aber wert wären, in der grundsätzlichen Diskussion darüber, wie sich der RBB in Berlin präsentiert und mit seinem Auftrag umgeht, diskutiert zu werden.

Vorsitzende Martina Michels: Danke schön! – Herr Sayan, bitte!

Giyasettin Sayan (Linksfraktion): Herr Zimmer hat vieles von meinem Redebeitrag vorweggenommen. Radio Multikulti besitzt tatsächlich ein Alleinstellungsmerkmal für Berlin. Das hat man nicht berücksichtigt. Vor allem habe ich mich sehr darüber geärgert, dass bei der Schließung von Radio Multikulti die finanztech- nischen Probleme als Hauptargument genannt wurden und die integrations- und gesellschaftspolitische Rolle von Radio Multikulti ziemlich verschwiegen wurde. Gerade in dieser Region, in Berlin-Brandenburg, wo man tagtäglich mit Rechtsextremismus, Antisemitismus und Rassismus zu tun hat, hat ein solches Radio mit vielen Sprachen und vielen Kultur- und Hintergrundinformationen vor allem für die deutsche Bevölkerung eine große Rolle gespielt. Das muss man anerkennen und akzeptieren und dabei bestimmte Finanzprobleme ignorieren oder zu lösen versuchen. Man hat das nicht getan. Man hat nicht versucht, die Probleme dort zu lösen, sondern einfach gesagt: Schluss und weg!

Die Rolle von Radio Multikulti ist bedeutend. Über diese Rolle haben wir zu wenig diskutiert, z. B. darüber, dass aus Berlin jeden Tag 450 Journalistinnen und Journalisten in alle Himmelsrichtungen, in alle Hauptstäd- te der Welt informieren und Bericht erstatten. Das Gleiche tun die Menschen hierher in Richtung Berlin. Dadurch entsteht Internationalismus. Für das gegenseitige Verständnis von Kulturen und Menschen war Radio Multikulti ein Brückenkopf. Das muss man akzeptieren.

Abgeordnetenhaus von Berlin Seite 28 Wortprotokoll EuroBundMedienBerlBra 16 / 31 16. Wahlperiode 24. September 2008 – bu/krü –

Radio Multikulti hat auch zum Frieden in Berlin sehr viel beigetragen. Wir haben in Paris, in Amsterdam – überall in Europa – Gewalttätigkeit von Jugendlichen erlebt. Radio Multikulti hat in Berlin dazu beigetragen, dass sich die Menschen, die Kulturen mehr verstanden haben. Das muss man akzeptieren.

Zu den Finanzen möchte ich auch etwas sagen. In Berlin gibt es z. B. einen Kulturetat, aber obwohl 25 Prozent der Menschen in Berlin einen Migrationshintergrund haben, werden nur noch 0,3 Prozent des Etats für internationale Kultur in Berlin aufgewendet. Das ist zu bedauern. Radio Multikulti hat ein Prozent des gesamten Etat. Frau Reim! Gibt es in Ihrem Betrieb überhaupt einen Integrationsbeauftragten? – [Zuruf] – Die Antwort ist also nein.

Diese Information über die Quote ist falsch. Es gibt Völker in Berlin wie z. B. die Türken, die die Möglich- keit haben, Fernsehen oder Radio über Satelliten direkt aus der Türkei zu empfangen. Das hat Auswirkungen auf die Zahl der Hörer von Radio Multikulti. Aber es gibt Völker wie z. B. die Kurden oder andere Minder- heiten, die diese Möglichkeit nicht haben. Bei denen hat es keine statistische Erhebung gegeben. Alle diese Völker – auch Vietnamesen und andere – hören fast zu 100 Prozent Radio Multikulti. Was soll mit diesen kleinen Völkern und mit diesen kleinen Sprachgemeinschaften in Berlin werden? – Das muss man sich fra- gen.

Frau Reim! In der Stadt hat es Politiker gegeben, die Theater geschlossen haben, z. B. das Schiller-Theater. Diese Leute werden „Theaterschließer“ genannt, und so gehen sie auch in die Geschichte ein. Ich möchte nicht, dass Sie, Frau Reim, als Radio-Multikulti-Schließer in die Geschichte eingehen. Deswegen: Machen Sie sich Gedanken! Die Rolle von Radio Multikulti bei der Integration müssen Sie noch einmal bedenken, und in dieser Richtung muss man etwas machen. Ich denke, die Verantwortung liegt nicht nur bei Ihnen, sondern bei der Politik, und ich glaube, dass die Politik in dieser Richtung sehr klar denkt. Deshalb weise ich auch noch einmal darauf hin, dass diese Statistiken, die Sie geliefert haben, nicht richtig sind. – [Christian Goiny (CDU): Aber Sie wissen schon, dass Sie regieren!] –

Vorsitzende Martina Michels: Danke schön! – Frau Ströver, bitte!

Alice Ströver (Grüne): Vielen Dank, Frau Vorsitzende! – Ich sage es nur einmal, Frau Reim! Sie sind hier Gast im Parlament. Wir freuen uns sehr, dass Sie hier sind. Sie haben – jedenfalls mir – weder einen Zwi- schenruf noch sonst das Wort zu verbieten. Und dass Sie den absurden Vorwurf des Regierenden Bürger- meisters wiederholen, ich sei eine Vertreterin von Staatsfunk, macht das Ganze nicht besser, sondern treibt es nur noch auf die Spitze. In keiner meiner Fragen werden Sie dieses finden. Im Gegenteil! Sie müssen wis- sen, wo Freund und Feind sind. Das scheint Ihnen persönlich etwas abhandengekommen zu sein, was sehr schade ist.

Der zweite Punkt: Die Fragen, die man stellt, beziehen sich darauf, dass man auch von außen schaut, ob es Synergiemöglichkeiten innerhalb des öffentlich-rechtlichen Rundfunks gibt, um dieses Programm zu erhal- ten. Dass Sie darauf nicht antworten, ist sehr bedauerlich. Wir wissen, dass es eine immense Steigerung der Kosten in allen Programmen gegeben hat, die der RBB betreibt, seit er existiert. Wenn dem nicht so ist, wäre es gut, wenn Sie uns in Zahlen belegen, dass es nicht so ist, damit nicht im Raum stehen bleibt, dass es keine finanzielle Notwendigkeit in diesem Umfang gibt, Multikulti abzuschalten.

Das Nächste ist – und das meine ich sehr ernst –: Kultur ist in Deutschland aus gutem Grund dezentral- föderal organisiert, und dazu gehört der öffentlich-rechtliche Runfunk – das wissen Sie –, und deshalb finde ich es bemerkenswert, dass Sie sagen: Wir können den Auftrag, nämlich regional verortete Inhalte zu haben, damit kompensieren, dass wir nun ein herangeführtes Programm nutzen, das einen ganz anderen Programm- stil und eine andere Struktur hat – als könnte das den lokalen und regionalen Auftrag, den Radio Multikulti erbringt, ersetzen. Ich glaube, das ist ein grundsätzliches Missverständnis.

Angesichts dessen, wie Sie über Radio Multikulti geredet haben – und ich bin sehr dankbar, dass Kollege Sayan das eben auch noch einmal thematisiert hat –, vermute ich, dass Sie die Stadt nicht kennen. Sonst würden Sie gar nicht auf die Idee kommen – – Das Verhältnis, das zwischen diesem Programm und dieser Stadt besteht, und auch die Zuwendung zum Sender RBB, die damit erfolgt, sind viel größer als das, was sich vielleicht in real messbaren Zahlen von Hörerinnen und Hörern niederschlägt. Deshalb ist es besonders Abgeordnetenhaus von Berlin Seite 29 Wortprotokoll EuroBundMedienBerlBra 16 / 31 16. Wahlperiode 24. September 2008 – bu/krü – dramatisch, dass das die grundsätzliche Frage der Existenz des öffentlich-rechtlichen Rundfunks in diesem Sinne mit beinhaltet, und ich freue mich, dass Herr Zimmer das auch so thematisiert hat.

Sie haben uns – vielleicht aus gutem Grund – nicht mitgeteilt, wie Sie die Finanzprobleme insgesamt lösen wollen. Sie sagten, das sei aus taktischen Aspekten so. Aber was kommt als Nächstes? – Im Grunde heißt das in der Logik, in der Sie uns die Probleme vorgetragen haben, dass Sie eine weitere Welle schließen müssen.

An den Senat möchte ich folgende Fragen richten. Zum Ersten: Niemand hat auf meinen ausdrücklichen Hinweis reagiert – und ich bitte, das doch noch einmal zu bewerten, Frau Staatssekretärin –: Die KEF hat die Aufwendungen für Multikulti in die Bedarfsplanung und Bedarfsanerkennung für die Rundfunkgebühren anerkannt. Was folgt denn jetzt daraus in der Logik der Abschaltung dieses Programmes? – Ich verstehe das nicht. Ich bitte Sie, das von der verfassungsrechtlichen Seite her zu erläutern.

Der zweite Punkt: Frau Dr. Hiller hat schon gesagt, dass wir hier allesamt eine immense Unterstützungscrew für die Entwicklung des Medienboards Berlin-Brandenburg sind. Wir stimmen immer gemeinsam ab für die Erhöhung des Etats. Vor diesem Hintergrund habe ich die Frage: Welche zusätzlichen Filme haben jetzt – seit sich der RBB am Medienboard beteiligt – zusätzlich einen Berlin-Bezug? – Wir wissen ja – und diejeni- gen, die das Medienboard wie ich von Anfang an verfolgt haben –, dass über das Medienboard, aber auch über die Bundesfilmförderung – – Ich schätze, dass jeder zweite deutsche Film einen wie auch immer gearte- ten Berlin-Bezug hat, und deswegen möchte ich wissen, ob es Zahlen über zusätzliche Filme gibt – wenn Sie das heute nicht beantworten können, können wir die Frage als Kleine Anfrage stellen –, die – seit sich der RBB am Medienboard beteiligt hat – entstanden sind. – Danke schön!

Vorsitzende Martina Michels: Es gibt diverse Hinweise auf Bedürfnisse, die sich nicht unterdrücken las- sen, und deshalb wird die Sitzung für fünf Minuten unterbrochen. [Unterbrechung der Sitzung von 12.38 Uhr bis 12.45 Uhr] Wir fahren nun in der Reihenfolge der Redeliste fort, und das Wort hat Herr Dr. Lindner. – Bitte schön!

Dr. Martin Lindner (FDP): Zu den Vorrednern: Kollege Mutlu und andere haben immer wieder auf den wesentlichen Integrationsbeitrag hingewiesen. Kollege Mutlu hat gesagt, in Kanada sei er gefragt worden, warum dieser Sender geschlossen wird. Die Antwort wäre einfach gewesen: Weil er keine Hörer hat! – Das ist letztlich auch die entscheidende Frage. Wenn man integrieren will – das ist ein wichtiger und wesentlicher Auftrag, der von niemandem bestritten wird –, dann muss es auch ein Mindestmaß an Hörern geben, sonst kann dieser Integrationsauftrag nicht wahrgenommen werden. Wenn die Sendung quasi im All verhallt und niemand zuhört, dann mag die Absicht und die Arbeit – das will auch keiner abstreiten –, die dahinter steht, löblich und gut sein, aber es gehört auch jemand dazu – und zwar in einem relevanten, zählbaren Umfang –, der zuhört, sonst kann dieser Auftrag – zumindest durch diese Art von Sender – nicht erfüllt werden.

Ich habe mich eben erkundigt, was der Grund ist. Einen der Gründe haben Sie selbst angeführt. Das Konsu- mentenverhalten hat sich auch bei den Migranten offenkundig derart geändert, dass sie entweder die norma- len, in deutscher Sprache ablaufenden, im Wesentlichen kommerziellen Sender hören oder dass sie – wenn sie etwas in ihrer Sprache hören wollen – über die digitalen Möglichkeiten die Sender ihrer Herkunftsländer konsumieren. Aber sie stellen sich nicht jede Woche den Wecker, um genau diese eine oder zwei Stunden abzupassen, in denen in ihrer Sprache gesendet wird. Es ist nicht an mir, aber auch nicht an Ihnen, das Kon- sumentenverhalten zu ersetzen, sondern es ist, wie es ist. Das können wir nur analysieren, und das kann auch der Sender nur analysieren und die nötigen Schlüsse daraus ziehen.

Kollege Zimmer! Bei „Polylux“ ist der Grund ganz einfach. Das ist reiner Populismus. Man kann bei „Poly- lux“ nicht so auf die Pauke hauen, da kann man nicht so eine Welle schlagen – anders als bei Radio Multi- kulti. Da kann man nicht eine kleine, aber lautstarke Fangemeinde aktivieren. Deswegen bedauere ich es aber mindestens genauso, dass „Polylux“ nicht mehr gesendet wird, auch wenn ein Produzent dazwischenge- schaltet ist. Das spielt nun überhaupt keine Rolle bei der Frage, ob irgendetwas aufgegeben wird oder nicht.

Kollege Zimmer! Ich habe mich über Ihre Bemerkung mit dem blinden Millionär gewundert. Im Unterschied zu Ihrer – aber auch zu allen anderen Fraktionen – habe ich eine Reihe von weiteren Vorschlägen gemacht, wie man hier sowohl zu Ausgabenreduzierungen wie zu Einnahmensteigerungen kommen kann. Von den Abgeordnetenhaus von Berlin Seite 30 Wortprotokoll EuroBundMedienBerlBra 16 / 31 16. Wahlperiode 24. September 2008 – bu/krü – anderen Fraktionen – auch von der CDU – war nichts dazu zu hören. Sie lehnen aus purem Populismus und Klientelpolitik – teils Populismus, teils Klientelpolitik – die Einstellung von Radio Multikulti ab, machen aber keinen einzigen Vorschlag, wie die Intendantin oder der RBB allgemein – anstelle des Schließens von Radio Multikulti – in diesen beiden Säulen der Einnahmen und Ausgaben zu Fortschritten kommt. Das ist zu billig, und das ist nicht seriös. Da muss man wenigstens auf die Argumente eingehen, die vorgebracht wur- den.

Ich habe mich nicht auf blinde Millionäre beschränkt, sondern der wesentliche Punkt sind die Alg-II- bzw. Hartz-IV-Empfänger. Ist es nicht in unser aller Interesse, bei der Versorgung von Hartz-IV-Empfängern mit Rundfunk eher den Steuerzahler und damit auch die in der vorliegenden Karte der GEZ grün gezeichneten Länder Bayern, Hessen usw. im Rahmen des allgemeinen Sozialaufwands mitzahlen zu lassen und auf die- sem Weg die Gebühren erstatten zu lassen? Ist es nicht in unser aller Interesse, das nicht mehr auf die Ge- bührenzahler zu beschränken, die in Berlin und Brandenburg ausfallen, weil das eben diese Region aufgrund ihrer wirtschaftlichen Schwäche besonders trifft? – Da müssten Sie doch mit im Boot sein! Ich plädiere doch nicht dafür, dass Hartz-IV-Empfänger fortan die Gebühr aus eigener Tasche bezahlen sollen. Ich rede hier über eine andere Art der Finanzierung dieses Sozialaufwands. Man muss doch zumindest einmal darüber nachdenken, bevor man das mit einem so lapidaren Hinweis von Tisch wischt.

Natürlich ist bei einer Regelung für die Behinderten auch die soziale Seite zu beachten. Man muss überlegen, ob es für einen Behinderten zumutbar ist, die Gebühr von 16, 17 oder 20 Euro aufzubringen, oder ob das nicht zumutbar ist. Da wird man sicher auch dort bei einer Reihe von Fällen – wenn mit der Behinderung eine schlechtere wirtschaftliche Situation einhergeht – durch das Sozialamt erstatten, aber andere, die durch- aus finanziell in der Lage sind, dies zu bestreiten, sollten es auch selbst tun, statt es auf Kosten von Gebüh- renzahlern, die kaum mehr als Hartz-IV-Empfänger verdienen, finanzieren zu lassen.

Frau Reim! Abschließend möchte ich mich ausdrücklich für die Art der Sitzungsführung entschuldigen. Das ist hier nicht der Standard. Üblicherweise lässt man hier Gäste ungestört aussprechen, und auch bei allen anderen Fällen, als es Sympathiekundgebungen vielleicht aus anderer politischer Richtung waren, sind die Kollegen und Kolleginnen von Frau Michels sofort bei der Hand gewesen und haben den Saal räumen las- sen. Ich werde dies selbstverständlich im Ältestenrat und im Präsidium noch einmal thematisieren. Wir kön- nen es nicht zulassen, dass unsere Gäste, die wir einladen, ständig unterbrochen und von hinten unter Druck gesetzt werden. – [Zuruf von Giyasettin Sayan (Linksfraktion)] – Lieber Kollege! Wir laden Gäste ein, um sie anzuhören, und wir haben parlamentarische Gepflogenheiten, und die unterscheiden sich erheblich von einer Wirtshaus- oder Stammtischdiskussion. Eine Ausschussvorsitzende hat sicherzustellen, dass das rei- bungslos und störungsfrei abläuft. Es gibt andere Foren – z. B. auch beim RBB „Klipp und Klar“ –, wo man sich das gefallen lassen kann und als Gast anhören muss. Aber wir sind hier im Parlament, und das mögen bitte alle aus Selbstrespekt berücksichtigen, auch wenn uns vielleicht einmal sympathischer oder weniger sympathisch ist, was von den Zuschauerrängen kommt. – Herzlichen Dank!

Vorsitzende Martina Michels: Danke schön! – Herr Zimmermann!

Frank Zimmermann (SPD): Vielen Dank! – Ich möchte zunächst für meine Fraktion festhalten, dass wir die Auskünfte von Frau Reim durchaus sehr aufschlussreich fanden. Es waren einige Hinweise enthalten, die uns zum Nachdenken bewegen sollten. Frau Ströver! Deswegen teile ich nicht Ihre Einschätzung, dass das hier alles nur „Just for Show“ – oder wie Sie es gesagt haben – gewesen sei. Es war schon substanzreich.

Zweitens: Wir teilen nicht Ihre Ansicht, Herr Lindner, dass es hier Druck oder sonst irgendetwas von den Zuschauerinnen und Zuschauern gegeben habe. Ich glaube, die Vorsitzende hat in der angemessenen Weise deutlich gemacht, dass Beifallskundgebungen hier nicht zulässig sind, und unsere Gäste auf den Rängen haben sich im Prinzip dann auch daran gehalten. Insofern würde ich jetzt nicht empfehlen, die Sache so zu skandalisieren. Das wird der Sache nicht gerecht.

Nächster Punkt – kurz zu Herrn Zimmer: Ich glaube nicht, dass es sinnvoll ist, die Aufgaben – einerseits Filmförderung zu unterstützen und andererseits ein innovatives oder multikulturelles Programm zu machen – gegeneinanderzustellen. Ich glaube nicht, dass wir in der folgenden Richtung überlegen sollten: Um so etwas wie Multikulti zu finanzieren, sollten wir lieber die Filmförderung reduzieren. – Wir halten die Beteiligung Abgeordnetenhaus von Berlin Seite 31 Wortprotokoll EuroBundMedienBerlBra 16 / 31 16. Wahlperiode 24. September 2008 – bu/krü – des Senders an Filmfördermaßnahmen für sehr wichtig. Das war immer eine Forderung. Das sind Aufgaben, die den öffentlich-rechtlichen Anstalten auch zukommen und die auch zur Profilbildung beitragen. Ich möch- te nicht an anderer Stelle das Profil wegnehmen oder verkürzen, um es woanders aufzubauen. Da wäre ich skeptisch. Ansonsten habe ich viel Sympathie für Ihren Beitrag.

Ich möchte den aus meiner Sicht wichtigsten Punkt kurz aufgreifen, den Frau Reim genannt hat. Sie hat nämlich beschrieben, dass der Verwaltungsrat Druck macht, zu zeigen, dass nicht erst im Dezember oder im Januar, sondern jetzt schon begonnen wird, die vorhandenen Defizite für den Wirtschaftsplan 2009 aus- zugleichen, die Maßnahmen schon einzuleiten. Das scheint mir der Kern des Problems zu sein, weswegen wir im Rundfunkrat auch nicht so richtig zum Zuge kommen.

Frau Reim! Ich bitte Sie, dass wir uns darauf verständigen, dass die entscheidenden Fragen über die Struktur des Senders und über den Umgang mit solchen Defiziten am Ende im Rundfunkrat besprochen werden und die Aussagen und die Beratungen im Rundfunkrat letztlich für Sie auch eine Rolle spielen – und dass nicht der Verwaltungsrat sagt: „Es muss jetzt so sein. Ihr müsst jetzt etwas tun.“, und Sie als Intendantin dann getrieben sind, etwas zu tun. Das scheint mir das Strukturproblem zu sein, und darüber müssen wir sprechen. Die Politik des Senders und die wichtigen Strukturfragen können nicht vom Verwaltungsrat entschieden werden. Ich möchte dazu beitragen, dass wir das erreichen, und dann kann man vielleicht frühzeitig Konzep- te und Profilfragen des Senders in dem dafür zuständigen Gremium besprechen. – Danke schön!

Vorsitzende Martina Michels: Danke schön! – Herr Goiny!

Christian Goiny (CDU): Zunächst eine Bemerkung zum Kollegen Dr. Lindner: Wir haben uns – auch wenn Sie es vielleicht nicht mitbekommen haben – doch differenziert zu der Gesamtproblematik geäußert, und zwar auch zu der Frage des Gebührensystems und der Gebührengerechtigkeit, und wir haben hier Ände- rungsbedarf vermerkt. Es ist in der Tat eine zu komplizierte Diskussion, als dass man mit platten Antworten aus der Hüfte das Thema vom Tisch wischen könnte. Das, was wir heute von Frau Reim gehört haben, hat deutlich gemacht, dass wir bei dem Gebührenaufkommen – Wer zahlt? Wer zahlt immer mehr? Wie wird das deutschlandweit verteilt? – ein Grundproblem haben, an das man herangehen muss.

Wir haben als Zweites die Frage des Gesamtkonzepts, der inhaltlichen Ausrichtung und der finanziellen Auswirkungen deutlich gemacht. Das habe ich gemacht, das hat auch Kollege Zimmer gemacht. Insofern ging Ihr Vorwurf ein bisschen fehl. Herr Kollege Zimmer hat auch nicht gesagt, dass man Radio Multikulti gegen die Filmförderung aufrechnen muss. Er hat vielmehr exemplarisch an einem Beispiel deutlich ge- macht, welche inhaltlichen Abwägungen man vom RBB erwarten darf und dass man im Rahmen einer Ge- samtkonzeption solche Überlegungen anstellen darf: Was ist öffentlich-rechtlicher Auftrag? Was ist auch wichtig? Was wird momentan gemacht, und wie ordnet sich das im System eines Senders ein, der öffentlich- rechtlich durch Gebühren finanziert ist? – Insofern möchte ich klarstellen, dass es uns nicht exemplarisch darum geht, die Forderung zu erheben, der RBB soll keine Filmförderung mehr machen. Aber wir erwarten doch – so ähnlich haben Sie sich dann auch geäußert, Herr Zimmermann –, dass sich der RBB die Fragen stellt: Was ist das Profil des Senders? Wo sind die Einsparpotenziale? Wie sieht das Gesamtkonzept inhalt- lich und finanziell aus?

Frau Reim! Ich finde das nicht befriedigend – sicherlich bei allem Respekt vor Kompetenzen und Engage- ment des Verwaltungsrats –, denn das Gesamterscheinungsbild und die Gesamtaussage muss stimmen. Ich habe Verständnis für eine taktische Betrachtung, dass man sagt: Wir zeigen der Öffentlichkeit jetzt nicht, dass es bei uns noch dieses oder jenes Einsparpotenzial gibt. – Auf der anderen Seite ist es fraglich, ob man einzelne Bereiche herausziehen und opfern sollte, obwohl man weiß, dass noch mehr eingespart werden muss. Und die interessierte Öffentlichkeit bleibt im Unklaren darüber, wie das Gesamtkonzept aussieht, soll aber jetzt Einverständnis hinsichtlich zweier von Ihnen vorgeschlagener Sparmaßnahmen erklären, wo aber noch gar nicht klar ist – das hat der Kollege Zimmer auch deutlich gemacht –, wie das Gesamttableau aus- sieht. Wir möchten hier auch keine Interna diskutieren, die Geschäftsgeheimnisse des RBB beinhalten, die Sie nicht hier in öffentlicher Sitzung preisgeben können. Auf der anderen Seite ist der Fragenkatalog, der von vier Fraktionen des Hauses formuliert wurde, weit davon entfernt, Interna abzufragen, die Sie nur im Verwaltungsrat erklären können.

Abgeordnetenhaus von Berlin Seite 32 Wortprotokoll EuroBundMedienBerlBra 16 / 31 16. Wahlperiode 24. September 2008 – bu/sth –

Insofern möchte noch einmal darum bitten, dass die Dinge, die wir in unseren Fragen angesprochen und schriftlich formuliert haben, von Ihnen noch in geeigneter Weise beantwortet werden, weil sie zum Gesamt- thema RBB – Konzeption, inhaltliche Ausgestaltung, finanzielle Situation und Perspektiven des Senders – gehören. Wir stehen als Parlamentarier in der Verantwortung und mischen uns in die Interna und die Pro- grammgestaltung des Senders nicht ein, aber Sie sehen heute, dass die Öffentlichkeit wahrnimmt, wie das Parlament über dieses Thema diskutiert. Insofern ist es unser gutes Recht, Fragen zu stellen und diese auch beantwortet zu bekommen, egal, ob wir sie in mündlicher oder schriftlicher Form – wie es hier passiert ist – stellen.

Abschließend noch eine Bemerkung: Im Parlament lernt man ständig dazu, und zwar wir als Opposition durch die Antworten des Senats, und die Regierung und die Mehrheitsfraktionen lernen durch die schlauen Fragen der Opposition. Es sind Fragen, die sie sich manchmal nicht zu stellen trauen oder die sie nicht stel- len dürfen. So haben wir auch bei unseren Gästen auf der Zuschauertribüne heute einen Lernprozess erlebt, dass es nämlich parlamentarischer Brauch ist, miteinander zu streiten, aber keine Zwischenrufe zu machen und den anderen ausreden zu lassen. Der Verlauf dieser Sitzung zeigt diesen Lernerfolg auch eindeutig.

Vorsitzende Martina Michels: Herzlichen Dank! – Bitte, Frau Dr. Hiller!

Dr. Gabriele Hiller (Linksfraktion): Herr Lindner ist bereits gegangen. Ich möchte für das Protokoll aus- drücklich sagen, dass ich keine Klagen über die Art der Versammlungsführung habe und es in Ordnung fin- de, wie Frau Michels diese Gratwanderung zwischen öffentlicher Teilnahme und emotionaler Auseinander- setzung bewältigt hat. Das hat sie gut gemacht. Jemand, der hier eine Wirtshausatmosphäre hereingebracht hat, war in meinen Augen Herr Lindner.

Vorsitzende Martina Michels: Danke sehr! – Bitte, Herr Mutlu!

Özcan Mutlu (Grüne): Der Kollege, der Respekt gefordert hat, ist selbst nicht respektvoll, indem er diese Ausschusssitzung einfach verlässt. Dass kein einziger Vertreter der FDP mehr da ist, finde ich erst recht respektlos. In diesem Zusammenhang habe ich mich gemeldet. Das war – ohne Frage – eine angeheizte Dis- kussion, aber das ist bei einem so wichtigen Thema normal. Ich bin mir sicher, dass Frau Reim so viel Horn- haut hat und so stark ist, dass sie sich von solchen Zwischenrufen nicht so schnell treffen lässt.

Bei dieser Gelegenheit möchte ich den Kolleginnen und Kollegen und dem Freundeskreis Radio Multikulti für die engagierte Arbeit der letzten Wochen – und auch heute – danken, weil sie ein berechtigtes Anliegen haben, nämlich diesen Sender zu retten. Das machen sie übrigens alles ehrenamtlich, ohne etwas dafür zu bekommen. Dafür gebührt ihnen unser Dank. Ich bin der Meinung, dass wir auf ein langweiliges Parlament verzichten können.

Vorsitzende Martina Michels: Danke sehr! – Damit schließe ich diese Runde ab. – Damit Herr Goiny nicht in den Verdacht kommt, dass er Fragen stellt, aber dann die Sitzung verlässt, möchte ich noch einmal aus- drücklich sagen: Wir haben ab 12 Uhr Sollstärke vereinbart, und jetzt tagt der Hauptausschuss. Die Abge- ordneten haben noch eine Reihe anderer Verpflichtungen, denen sie nachkommen müssen. So ist das dann auch zu bewerten. Herr Krug ist z. B. auch im Hauptausschuss.

Frau Staatssekretärin Kisseler hat um das Wort gebeten. Danach bekommt Frau Reim die Möglichkeit, auf die gestellten Fragen einzugehen. – Bitte, Frau Kisseler!

Staatssekretärin Barbara Kisseler (CdS): Vielen Dank! – Ich möchte noch einmal auf die Frage von Frau Ströver bezüglich der Bedarfsanmeldungen zu sprechen kommen. Es ist in der Tat so – das ist im letzten Rundfunkfinanzierungsstaatsvertrags, in der geltenden Fassung festgelegt –, dass die Anstalten – in diesem Fall der RBB – ihren Fehlbedarf anmelden, insbesondere – ich zitiere – „nach Bestand, Entwicklung und Darlegung von Wirtschaftlichkeits- und Sparmaßnahmen.“ Das heißt implizit, dass innerhalb dieses Bestands eine Entwicklung möglich ist. Wenn sich allerdings – so habe ich Ihre Frage oder Ihre Anregung interpretiert – nach der Gebührenperiode im neuen Verfahren rückwirkend herausstellen sollte, dass innerhalb des Be- standes etwas zweckentfremdet ist, dann würde sich in der Tat das Problem eines potenziellen Abzugs stel- len. Das müsste sich jedoch erst einmal de facto ereignet haben. Das sehe ich – das sage ich jetzt auch aus Abgeordnetenhaus von Berlin Seite 33 Wortprotokoll EuroBundMedienBerlBra 16 / 31 16. Wahlperiode 24. September 2008 – bu/sth – unserer Sicht als Aufsicht – bei dem, was wir heute alles über Multikulti gehört haben, für die jetzige Periode nicht.

Vorsitzende Martina Michels: Vielen Dank! – Das Wort hat Frau Reim. – Bitte sehr!

Dagmar Reim (Intendantin des RBB): Herr Mutlu! Sie sprechen von einem Wahrzeichen der Stadt. Wir senden keine Wahrzeichen. Wir senden nicht einmal Symbole, sondern wir senden Programme. Sie sagen zu Recht, dass dieses Programm eine Reaktion auf Solingen und Mölln gewesen ist. Ich sage: Alle Programme des Rundfunk Berlin-Brandenburg sind eine Reaktion auf Solingen und Mölln schuldig, denn in unserem Staatsvertrag steht, dass wir zum besseren Verständnis der Menschen, zum Frieden und zur Toleranz beitra- gen. Das gilt für alle unsere Programme. Das ist keine Aufgabe, die wir an Radio Multikulti „outgesourct“ hätten. – Das ist mir wichtig.

Sie sagen: Es ist kein Migrantensender. – Auch da haben Sie recht. Die Nichtmigranten dieser Stadt hatten ebenso 14 Jahre Zeit, es zu ihrem Sender zu machen. Ich bin traurig darüber, dass nur 0,9 Prozent der Men- schen sich für dieses Programm entscheiden. Gleichwohl – ich bitte Sie, mir das abzunehmen – gibt es keine anderen Gründe, dieses Programm abzuschaffen, als die finanziellen, weil es bei keinem anderen Programm – da komme ich zu Ihnen, Herr Zimmer – möglich ist, es in großem Umfang – nicht 1:1 – durch ein öffent- lich-rechtliches Angebot in 17 Sprachen zu ersetzen.

Dass sich die Leute in Toronto über Multikulti freuen, freut mich auch. Wo immer ich hinkomme, bekomme ich dafür nur Anerkennung. Herr Sayan, glauben Sie mir: Ich möchte nicht als Schließerin in die Geschichte des RBB eingehen. Da Sie Parlamentarier sind, wissen Sie, dass Sie oft genug Entscheidungen treffen müs- sen, die sehr viele Leute und auch Leute, die Ihnen wichtig sind, beschissen finden. So geht es mir auch. Ich habe nur – – [Giyasettin Sayan (Linksfraktion): Wir haben Sie gewählt!] – Ja, selbstverständlich haben Sie mich gewählt, aber Sie haben mich vielleicht unter anderem auch deshalb gewählt, weil ich nicht einfach ignoriere, wie viel Geld wir haben und wie viel Geld wir nicht haben. Ich glaube, dass Sie mich zum Beispiel auch dafür gewählt haben. Denn es ist eine Illusion, dass Radio Multikulti nur 2,3 Millionen Euro kostet. Das ist lächerlich, denn wir haben – wie Sie wissen – fest angestellte Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die alle bei uns bleiben. Wir haben eine völlig veraltete Technik bei Radio Multikulti und müssten jetzt Millionen in die Hand nehmen, um Radio Multikulti zu digitalisieren. Und selbstverständlich bekommt Radio Multikulti aus allen Bereichen unseres Hauses Unterstützung, die nicht in Cent und Euro im Wirtschaftsplan steht, wo die Kosten aber selbstverständlich auflaufen.

Herr Zimmer, ich bin vollständig bei Ihnen, was die Definition des öffentlich-rechtlichen Rundfunks angeht. Wir sind nicht dazu da, stromlinienförmige Angebote zu machen. Das ist selbstverständlich richtig. Ich glau- be, was das Angebot des Rundfunk Berlin-Brandenburg angeht, können Sie das an unserer Programmpalette unmittelbar ablesen. Das sage ich mit einem kleinen Stolz, der nicht mein eigener Stolz ist, sondern der auf meine Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zurückgeht, die diese Programme machen.

Wenn ich Ihnen allen jetzt einen Zettel gäbe, auf den Sie schreiben sollten, wo wir stattdessen sparen sollten, dann würde ich 32 verschiedene Antworten bekommen. Das ist richtig und in Ordnung, denn der eine findet die Filmförderung wichtig und der andere nicht. Ich muss nur darauf hinweisen, dass bestimmte Aufgaben – und zu denen zählt die Filmförderung, zu denen zählt auch ein sehr kleiner, aber immerhin ein Anteil am ROC – „Rundfunk Orchester und Chöre“ – in unserem Staatsvertrag stehen. Es ist nicht so, dass wir sagen: Hallo, darauf haben wir jetzt aber total große Lust, das machen wir mal! – Andererseits sage ich Ihnen auch ehrlich, dass wir das Herstellen von Filmen mit Berlinbezug für wichtig halten. Dazu, Frau Ströver, können wir Ihnen in der Tat eine ausführliche Liste darüber liefern, was wir bisher gemacht haben.

Dass wir uns leichter von „Polylux“ trennen, weil das eine Auftragsproduktion des Rundfunk Berlin- Brandenburg bei der Firma Kobalt ist, kann ich nicht sagen. Mir tun die Mitarbeiter von Kobalt, die diesen Auftrag von uns hatten und nun nicht mehr bekommen – und er war wichtig für dieses kleine Unter- nehmen –, nicht weniger leid als die Kolleginnen und Kollegen, die bei Multikulti keine Arbeit mehr finden.

Herr Sayan! Dass wir unsere Finanzprobleme anders lösen sollen, sagen mir alle. Ganz egal, was ich anfas- se – das müssten Sie aus dem Parlament kennen –, bekomme ich die Antwort: Aber doch nicht hier! – Wenn Abgeordnetenhaus von Berlin Seite 34 Wortprotokoll EuroBundMedienBerlBra 16 / 31 16. Wahlperiode 24. September 2008 – bu/sth –

Sie diese Antwort nur einmal 30 Sekunden lang auf sich wirken lassen würden! „Das ist doch nicht Ihr Ernst, Frau Reim, dass Sie bei der Leichtathletik-WM 2009 in Berlin Abstriche machen wollen.“ – Diese Antwort bekomme ich überall.

Warum Sie denken, dass 450 Journalistinnen und Journalisten aus dieser Stadt berichten, weiß ich nicht. Multikulti hat 28 Kolleginnen und Kollegen und ca. 90 freie Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter.

Wie kann Multikulti zum Frieden in dieser Stadt beitragen? – Ich glaube, Herr Sayan, dass die Programme des Rundfunk Berlin-Brandenburg alle gleichermaßen diese Aufgabe haben, und sie alle müssen sie glei- chermaßen erfüllen. Am wenigsten ausrichten kann ein Programm, das die allerwenigsten Hörerinnen und Hörer hat. Ich weiß, dass Ihnen dieser Hinweis nicht gefällt, und er muss Ihnen auch nicht gefallen, aber ein Programm, das 0,9 Prozent Hörerinnen und Hörer hat, kann weniger zum Frieden in der Stadt beitragen als ein Programm, das 15 Prozent Hörerinnen und Hörer hat. – Das ist so!

Nein! Wir haben keinen Integrationsbeauftragten im RBB. Der Westdeutsche Rundfunk ist der einzige Sen- der in Deutschland, der einen solchen Integrationsbeauftragten hat. Sobald wir eine ähnliche Finanzausstat- tung wie der Westdeutsche Rundfunk haben, werden auch wir einen Integrationsbeauftragten haben. Ich finde es allerdings wichtiger, dass die Kolleginnen und Kollegen, die im Alltag die Programme machen, nämlich die Leute von Radio Eins und Inforadio, sich diesem Thema verpflichtet fühlen.

Frau Ströver! Wenn ich hier Ihr Gast bin, dann denke ich nicht in Kategorien von Freund und Feind. – Sie haben gesagt, ich wüsste nicht, wo Freund und Feind seien. – Für mich sind Ihre Argumente, Ihre Fragen gleich wichtig. Es ist für mich völlig uninteressant, auf welcher Seite dieses Hohen Hauses Sie sitzen. Es wäre schön, wenn der RBB seine Programmkosten immens hätte steigern können. Wenn Sie darüber Er- kenntnisse haben, die mir oder Herrn Zimmermann verborgen geblieben sind, dann lassen Sie uns diese bitte wissen!

Ich möchte mir von Ihnen nicht vorwerfen lassen, dass ich diese Stadt nicht kenne. Ich liebe diese Stadt und kenne sie auch.

Zu der Frage, wie wir unsere weiteren Finanzprobleme lösen: Herr Goiny! Ich habe Ihnen gesagt, dass es taktisch für uns außerordentlich wichtig war, nicht in einem ersten Angang zu sagen: Ja, wir haben ein Defi- zit in Höhe von 54 Millionen Euro. – Das ist übrigens für die kommende Gebührenperiode 2009 bis 2013. Wir haben keinerlei Defizit für das Jahr 2008 und werden auch im Jahr 2009 keines haben. – Es war außer- ordentlich wichtig, zu sagen: Wir können jetzt diese 54 Millionen Euro nicht so einfach wegstecken. Wir stehen kurz vor einer programmstrategischen Klausurtagung mit dem Rundfunkrat, und mit dem Rundfunk- rat – Herr Zimmermann, daran haben Sie völlig zu Recht erinnert – werden wir erörtern, wie es weitergehen könnte, wenn – –

Ich bin allerdings von Natur aus grundoptimistisch und hoffe und wünsche mir, dass wir etwas für den RBB erreichen. Wichtig ist auch, Herr Zimmermann: Wir sind keine willigen Vollstrecker des Verwaltungsrates. Der Verwaltungsrat ist nicht hier, und er hat die üble Aufgabe. Die üble Aufgabe heißt: Die Kohle muss stimmen. – Er kann nicht sagen: Frau Reim, machen Sie einfach weiter! – Ich sage nur: „160 Millionen Euro Minuskapital. Das wird schon irgendwie werden.“ – Ein Verwaltungsrat hat die Aufgabe, zu sagen: Wenn Sie jetzt nicht mit dem Sparen anfangen, dann schaffen Sie das in der kommenden Gebührenperiode nicht mehr. – Und ich habe – gemeinsam mit dem Rundfunkrat – die Aufgabe, zu definieren, was uns besonders wichtig ist.

Herr Goiny! Ich denke schon, dass ich Ihnen sehr konkret Auskunft gebe und gegeben habe. Was ich Ihnen nicht sagen kann und werde, das sind die Kostenblöcke für einzelne Programme. Dafür bitte ich Sie um Ver- ständnis. Das gehört schon auch ein bisschen zu den normalen Betriebsgeschäften – um nicht zu sagen: Be- triebsgeheimnissen – des RBB, denn wir tagen hier öffentlich. Ich bin mir jedoch sicher, dass Sie entweder mit einem Rundfunkratsmitglied, einem Verwaltungsratsmitglied oder auch gern mit mir einen Blick in un- seren Wirtschaftsplan werfen können, und dann haben Sie das alles transparent.

Abgeordnetenhaus von Berlin Seite 35 Wortprotokoll EuroBundMedienBerlBra 16 / 31 16. Wahlperiode 24. September 2008 – bu/sth –

Herr Mutlu! Dass ich in meinem Job Hornhaut haben muss, ist völlig klar. Ich bin auch durch Zwischenrufe nicht zu beeindrucken. Was mich allerdings schon beeindruckt hat, das ist, dass Ihre Partei mir vorwirft, eine Ausländerhasserin zu sein, und dass mir eine Ihrer Kollegen vorwirft, ich traute mich das nur, weil es um „Kanaken“ gehe. Das aber, glaube ich, ist mein gutes Recht, dass ich mich auch an dieser Stelle gegen solche Vorwürfe wehre. – Vielen Dank!

Vorsitzende Martina Michels: Danke sehr! – Damit sind wir am Ende dieses Tagesordnungspunkts. Ich danke allen Beteiligten für die rege Diskussion. Es ist mir wichtig, am Ende noch einmal festzustellen, dass ich mich bemüht habe, die Debatte in einer so streitbaren Diskussion, die auch den momentanen Stand in der Öffentlichkeit widerspiegelt, in dem Bewusstsein zu führen, dass dies Toleranz von beiden Seiten erfordert. Ich denke, dass wir mit großer Mehrheit in diesem Ausschuss übereinstimmen, dass wir dies heute auch ge- schafft haben. Herzlichen Dank allen Beteiligten! – Damit ist dieser Tagesordnungspunkt erledigt.

Punkt 4 der Tagesordnung

Verschiedenes

Siehe Beschlussprotokoll.