Geschichte Admiral Wilhelm von Tegetthoff Österreichischer Seeheld und Forschungsreisender

Harald Krachler

chtung der Regeln, Respekt gegen- rich erlebte Tegetthoff seinen ersten Ein- Aüber dem Vaterland und Widerstand satz 1849 bei der österreichischen Blocka- gegen jede Versuchung, seine eigene Per- de von Venedig, die die rebellierende Se- son in den Vordergrund zu rücken – das renissima schließlich zwang, sich wieder waren die herausragendsten Charakter- den Österreichern zu ergeben. eigenschaften des Seehelden, Forschers Nach weiteren längeren Reisen im und Reisenden Admiral Wilhelm von Te- Mittelmeer erhielt Tegetthoff sein ers- getthoff (1827–1871). Berühmt ist das im tes, selbstständiges Kommando im April Wiener Schloss Belvedere hängende Ge- 1854 auf dem nach der Kaiserin benann- mälde von , das den von ten Segelkriegsschiff Elisabeth, mit dem Schiffsoffizieren umgebenen Admiral auf er dann Fahrten an die anatolische und der Kommandobrücke seines Flaggschif- syrische Küste unternahm und dabei die fes Ferdinand Max zeigt, als er 1866 bei Auswirkungen des Krimkrieges (1854– der Seeschlacht von Lissa den Angriffs- 1856) in diesen Meeresregionen verfol- befehl gab: „Muss Sieg von Lissa werden“. gen konnte. Erzherzog Ferdinand Max, Das Bild war aber erst 1880, 9 Jahre nach der Bruder Kaiser Franz Josefs und spä- Tegetthoffs Tod gemalt worden. tere Kaiser von Mexiko, seit 1854 öster- reichischer Marinekommandant, war auf Früher Hang zur Seefahrt die Fähigkeiten des jungen Mannes auf- merksam geworden. Tegetthoff wurde am 23. Dezember Admiral Wilhelm von Tegetthoff im Tegetthoff erwartete von den höchs- 1827 in Marburg in der Untersteiermark Alter von 41 Jahren ten Marinestellen technische Neuerun- (heute in Nordslowenien) als gen auf dem Sektor Kriegsschiffe. Es war Sohn eines Stabsoffiziers geboren. Sei- die Zeit, da Schiffe auf Dampfkraft umge- ne aus Westfalen stammenden Vorfah- rüstet wurden. 1855 entsandte ihn der Erz- ren waren 1765 von Kaiserin Maria The- herzog als Kommandant des Raddampfers resia in den Adelsstand erhoben worden. Taurus zum Schutz österreichischer Han- Früh hegte er den Wunsch, Seeoffizier zu delsinteressen vor Zwischenfällen und Ge- werden. Nach dem Besuch des Gymnasi- ums erlernte er die italienische Sprache, um 1840 in das Marine-Kolleg (Collegio di Cadetti di Marina) in Venedig, dem da- maligen Kriegshafen Österreichs einzutre- ten, wo Italienisch die Unterrichtssprache war. Nach fünfjährigem Studium wurde er als „effektiver Marinekadett“ ausge- mustert und unternahm als solcher eine Reihe von Seefahrten in der Adria und im Mittelmeer. Einige dieser Fahrten dienten dem Kampf gegen Seeräuber in den Ge- wässern Griechenlands. Der Anfang 1848 während seines Dienstes auf der Korvette Adria zum Fre- gattenfähnrich, drei Monate später zum Linienschiffsfähnrich avancierte Tegett- hoff hatte auch politisches Gespür: Öster- reichs Reaktion auf die 1848 in Venedig Das Ehrengeschank der Stadt Triest ausgebrochene Revolution veranlassten an Tegetthoff nach der Schlacht von Tegetthoffs Kommandeurkreuz des ihn in einem Schreiben an seinen Vater Lissa. Neptun mit einem Schiff in den Maria-Theresien-Ordens. Dies war die zur Bemerkung „Energie hat Österreich Händen, zu seinen Füßen allegorische höchste militärische Auszeichnung der immer gefehlt“. Als Linienschiffsfähn- Figuren Donaumonarchie

36 Leinen los! 1-2/2014 Geschichte waltakten in das Donaudelta, wo die In- Expedition nach Brasilien 1859 schiffskapitän befördert. Letzterer Rang teressen Österreichs, Russlands und des entspricht in der Deutschen Marine ei- Osmanischen Reiches auf das wachsen- Tegetthoff, seit 1858 Korvettenkapi- nem Kapitän zur See. de Selbstbewusstsein der dort siedelnden tän, folgte 1859 einem Angebot von Erz- Völker stießen. herzog Ferdinand Max, ihn als Adjutant Seesieg bei Helgoland 1864 auf einem Raddampfer, der ebenfalls den Österreich verpasst strategischen Namen Elisabeth trug, auf einer Reise Im Krieg Österreichs und Preußens ge- Stützpunkt nach Brasilien zu begleiten. Die mehr- gen Dänemark um den Besitz von Schles- monatige Fahrt, in deren Verlauf Tegett- wig-Holstein erfocht Tegetthoff als Befehls- Angesichts der näher rückenden Er- hoff auch mit dem brasilianischen Kai- haber eines österreichisch-preußischen Ge- öffnung des Suezkanals (die zehnjähri- ser Dom Pedro II. zusammengetroffen schwaders am 9. Mai 1864 bei Helgoland gen Bauarbeiten, geleitet von dem fran- war, erbrachte ebenso wie die kurz zu- einen Seesieg über eine artilleristisch und zösischen Ingenieur Ferdinand de Lesseps vor zu Ende gegangene Weltumsegelung in der Tonnage überlegene dänischen Flot- nach Plänen des Österreichers Alois Ne- der Fregatte Novara (1857–1859) reiche teneinheit, welche die Mündungen von El- grelli, begannen 1859) erkannte Erzher- wissenschaftliche Ausbeute. Nach der be und Weser blockierte. Die dänische Blo- zog Ferdinand Max die Notwendigkeit, Rückkehr wurde Tegetthoff in Aner- ckade wurde gebrochen und die Nordsee für Österreichs Handels- und Kriegsma- kennung seiner überragenden Leistun- für den deutschen Handel wieder freige- rine auf der Ostasien-Route Stützpunkte gen 1860 zum Fregattenkapitän und 1862 macht. Auch an Land gab es österreichi- einzurichten. Tegetthoff wurde beauf- nach weiteren Kreuzfahrten zum Linien- sche und preußische Siege über die Dänen. Tegetthoff wurde zum Konteradmiral be- fördert, er erhielt auch das Ritterkreuz des Maria-Theresien-Ordens. Weitere Mittel- meerreisen als Geschwaderkommandant folgten, bei einer dieser Fahrten konnte er die Fortschritte beim Bau des Suezkanals verfolgen.

Kriegsjahr 1866 gegen Preußen und Italien

Der Plan einer Ostasienreise nach Chi- na und Japan zerschlug sich 1866 angesichts des wegen der offenen Fragen der Zukunft von Schleswig-Holstein und des Deutschen Bundes heraufziehenden Krieges mit Preu- ßen und Italien. Das mit Preußen verbün- dete Italien erklärte am 20. Juni 1866 Öster- reich den Krieg. An Land wurden die Itali- Die Seeschlacht bei Lissa am 20. Juli 1866 – Gemälde von Alexander Kircher ener bei Custoza am 24. Juni 1866 schwer tragt, sich im Roten Meer umzusehen, dabei wurde er von arabischen Räubern gefangen genommen und erst gegen Lö- segeld freigelassen. 1857 hatte Tegetthoff die Insel Sokotra am Südausgang des Ro- ten Meeres erreicht. Sie wäre um 100.000 Taler den Arabern abzukaufen gewesen, um dort eine Flotten- und Kohlenstation einzurichten, doch die Wiener Bürokra- tie lehnte das Ansinnen ab. 1878 besetz- ten die Engländer Sokotra. Marinesektion Wien, Heeresgeschichtliches Museum Fotos: Zurück von der Rotmeerexpedition übernahm Tegetthoff die Leitung der ersten Sektion des Marineoberkomman- dos in Triest und konnte in dieser Posi- tion maßgeblich an der Neuorganisation der Flotte Österreichs mitwirken. So be- gann man in dieser Zeit, wenn auch eher zögernd, mit dem Bau gepanzerter Schif- Die sinkende Re d'Italia nach einem Rammstoß durch Tegetthoffs Flaggschiff fe als kampfkräftigen Kern der Marine. Ferdinand Max – Gemälde von Carl Frederik Sørensen

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darauf bestand, dass Österreich als Vorleis- tung Mexiko als Republik anerkennen müs- se. Die Überführung des Leichnams erfolgte auf der Fregatte Novara, mit der Ferdinand Max 1864 sein verhängnisvolles Abenteuer in Mexiko begonnen hatte.

Kampf ums Marinebudget

1868 wurde Tegetthoff zum Marine- kommandanten und Chef der Marinesek- tion des Reichskriegsministeriums in Wien ernannt. Als solcher führte er einen zähen Kampf mit der österreichischen Bürokratie und mit den beiden Parlamenten der öster- reichischen und ungarischen Reichshälf- Der nach Tegetthoff benannte Dreimastschoner, mit dem die österreichische te in Wien bzw. Budapest um das jährli- Arktisexpedition (1872–74) die Inselgruppe entdeckte, die nach Kaiser Franz Josef che Marinebudget und um die Reorgani- benannt wurde sation der Kriegsmarine. Es ging um die Neugliederung der Marinesektion, die ver- geschlagen. Die Italiener wollten die als rammte das Panzerschiff Re d´Italia mit besserte Ausbildung von Seeoffizieren und Schlüssel für die Beherrschung der Ad- seiner Wasserverdrängung von 5.700 t, das Mannschaften sowie das Flottenbaupro- ria angesehene Insel Lissa (heute Vis, zu binnen weniger Minuten sank, nur wenige gramm. Seine Innovationen in der Mari- Kroatien gehörend, südwestlich von Spa- Besatzungsmitglieder konnten gerettet wer- ne blieben bis zum Ende der Donaumo- lato/Split) in Besitz nehmen. Tegetthoff, den. Das von den Österreichern in Brand ge- narchie in Kraft. am 9. Mai zum Flottenkommandant er- schossene Panzerschiff Palestro explodier- nannt, arbeitete, immer wieder durch die te später, mehrere andere italienische Schif- Früher Tod Zentralstellen in Wien behindert, an der fe, aber auch einige österreichische wurden Erhöhung der Schlagkraft der den Italie- schwer beschädigt. Die Italiener hatten in der Seine letzte längere Seefahrt unternahm nern vor allem artilleristisch unterlegenen über zehnstündigen Seeschlacht 612, die Ös- Tegetthoff 1869, als er Kaiser Franz Josef in Flotte Österreichs und sammelte seine Ein- terreicher nur 38 Tote zu beklagen. das Heilige Land und zur Eröffnung des heiten am 23. Juni nördlich von Pola (heu- Tegetthoff wurde nach der Seeschlacht Suezkanals begleitete. Am 7. April 1871 te in Kroatien), das nach dem Verlust zum Vizeadmiral befördert und erhielt das starb Tegetthoff in Wien an den Folgen ei- Venedigs 1866 zum neuen Kriegshafen Ös- Kommandeurskreuz des Militär-Maria- ner Lungenentzündung im Alter von erst terreichs bis 1918 werden sollte: sechs Pan- Theresienordens, eine der höchsten mili- 44 Jahren. Er wurde zunächst auf einem zerschiffe (die Italiener hatten elf), vier Fre- tärischen Auszeichnungen des alten Öster- protestantischen Friedhof in Wien beige- gatten, eine Korvette, sieben Kanonenboo- reich, während sein Gegner Persano in Flo- setzt, seit 1872 ruht sein Leichnam auf dem te und fünf Raddampfer. Als Taktik wählte renz (der damaligen provisorischen Haupt- Friedhof der Grazer Vorstadt St. Leonhard. Tegetthoff den Nahkampf, verbunden mit stadt des Vereinigten Italien, Rom wurde Die 1872 gestartete österreichisch-un- Rammtechnik. erst 1870 Hauptstadt) vor ein Kriegsgericht garische Polarexpedition erfolgte an Bord Bei der Rammtechnik ging es darum, gestellt wurde. Obwohl bei Custoza und eines zu Ehren des Seehelden Admiral Te- mit einem kräftigen, am Bug eines Kriegs- Lissa siegreich, bestimmte die Niederlage getthoff genannten Dreimast-Schoners. schiffes unter der Wasserlinie vorspringen- der Österreicher gegen Preußen bei König- 1873 entdeckten die Expeditionsmitglieder den Sporn (Rammsporn) oder vorsprin- grätz am 3. Juli 1866 die Friedensverhand- in der Arktis eine Inselgruppe, die den Na- genden Steven (Rammsteven) ein feindli- lungen, denen zufolge Österreich die Auf- men Franz-Josef-Land erhielt. Der Schoner ches Schiff zu rammen, d.h. dessen seitliche lösung des Deutschen Bundes anerkennen musste wegen Eispressungen aufgegeben Außenwand zu durchstoßen. Die im Al- und Venetien an Italien abtreten musste. werden, mit einer Ausnahme kehrten alle tertum angewandte Technik ist zuletzt im Expeditionsteilnehmer nach Österreich zu- Amerikanischen Bürgerkrieg und bei der Überführung eines Kaisers rück. Das 1877 in Pola errichtete Tegetthoff- Seeschlacht von Lissa angewendet worden. Denkmal wurde in der Zwischenkriegszeit Reisen führten ihn nach Frankreich, nach gebracht. In Wien wurde 1886 in Seesieg bei Lissa England und in die USA, wo er maritime Anwesenheit des Kaisers auf dem verkehrs- Einrichtungen dieser Staaten studierte. Da- reichen Platz Praterstern im zweiten Wie- Die von Admiral Graf Carlo Persano be- nach erhielt Tegetthoff von Kaiser Franz Jo- ner Gemeindebezirk ein Tegetthoff-Denk- fehligte italienische Flotte traf am 17. Juli vor sef den Auftrag, den Leichnam seines in Me- mal enthüllt. Der 1867 am ersten Jahrestag Lissa ein, alle ihre Landungsversuche wur- xiko 1867 erschossenen Bruders Ferdinand der Seeschlacht auf der Insel Lissa zur Erin- den abgeschlagen. Am 20. Juli griff Tegett- Max, der zwei Jahre Kaiser von Mexiko war, nerung an die Schlacht und die dabei Ge- hoff mit seinen Kriegsschiffen an. Das von nach Österreich zurückzubringen. Dies ge- fallenen aufgestellte Löwe steht heute auf ihm persönlich befehligte Flaggschiff Fer- lang erst nach schwierigen Verhandlungen dem Gelände der italienischen Marineaka- dinand Max (5.130 t Wasserverdrängung) mit Mexikos Präsidenten Benito Juarez, der demie in Livorno.

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