Indien

Hoher Besuch in Botschafter verspielt Vertrauen der Zivilgesellschaft

Michael Gottlob

Am 17. Juli stattete der deutsche Botschafter Walter Lindner dem Nationalen Freiwilligenverband RSS einen offiziellen Besuch ab. Als Botschafter muss er ohne Zweifel mit vielen Personen und Einrichtungen in Indien sprechen. Die Art und Weise des Treffens im Hauptquartier des Rashtriya Swayamsevak Sangh rief jedoch sehr kritische Reaktionen in- und außerhalb Indiens auf den Plan. Der Autor gibt diese Kritik wieder.

as waren das für Bilder, sterpräsident Modi sowie einige der Bundestagsabgeordneter der Lin- die sich da plötzlich über aktuellen Kabinettsminister sind ken, veröffentlichte eine Notiz und die Presse und die sozia- durch die Schule des RSS gegangen. forderte die Bundesregierung auf, lenW Medien verbreiteten! Der deut- sich von dem Besuch zu distanzieren. sche Botschafter in Indien, Walter J. Widerhall in der Öffentlichkeit Lindner, im Hauptquartier des Nati- Lindner selbst zeigte sich informiert onalen Freiwilligenverbands Rashtri- Aus ihrer Nähe zu den Organisati- über die Verstrickungen des RSS in ya Swayamsevak Sangh (RSS) in Nag- onsformen des Faschismus machen der Vergangenheit. Er wies auf Twit- pur, zusammen mit dessen Leiter, die Anhänger des RSS bis heute kein ter auf die „nicht unumstrittene“ dem Sarsanghchalak Mohan Bhag- Hehl. Und daher war die Verwunde- Geschichte des RSS hin: „not un- wat. Eine Geste der Ehrerbietung rung über den Botschafterbesuch in controversially perceived throughout an der Statue des Gründungsvaters Nagpur groß. Nicht nur in Indien its history“. Doch immerhin sei es der Organisation, K.B. Hedgewar: berichteten viele Zeitungen darüber, die größte Freiwilligenorganisation Lindner zusammen mit Bhagwat vor die Tageszeitung der Hindu veröf- weltweit: „I asked Mr. Bhagwat many dem Foto von Hedgewars Nachfol- fentlichte ein Interview mit Lindner. questions.“ ger M.S. Golwalkar. Es ist kein Ge- Auch international gab es zahlreiche, heimnis, dass vor allem Letzterer ein vor allem kritische Reaktionen: so Kontroverse um RSS heute Bewunderer Mussolinis und Hitlers etwa in Radio France Internationale war. Von ihnen wollte er lernen, wie (la visite choquante de l’ambassadeur Kontrovers ist jedoch nicht nur und man das eigene Land wieder groß allemand chez les ultranationalistes), nicht in erster Linie die Vergangen- macht und die Rasse rein hält. im italienischen Giornale (Ambascia- heit des RSS. Das Problem ist vor tore tedesco incontra gruppo filonazis- allem das Wirken des RSS in der Ge- Der 1925 gegründete RSS, der sich ta. È polemica), der türkischen TRT- genwart. Und auch seine Zukunfts- einerseits gerne als unpolitischer Kul- World (German envoy’s RSS visit stirs perspektive: die Hinduisierung In- turverein ausgibt, andererseits durch controversy in India and beyond) und diens. Das Problem mit dem RSS seine wehrsportlichen Übungen auf- der Jerusalem Post (German ambassa- heute liegt in einer erschreckend ho- fällt, stellt die Urzelle der zahlreichen dor causes outrage visiting fascist Indi- hen Zahl von Hassverbrechen, an de- Organisationen dar, die unter dem an group). Der Südasien-Experte Pie- nen seine Repräsentanten nicht ganz Begriff (Familie der ter Friedrich initiierte über change. unschuldig und seine Anhänger ganz Organisationen) zusammengefasst org eine Online-Petition, die zur Ab- und gar nicht unbeteiligt sind. Legi- werden und deren gemeinsames berufung von Lindner aufrief. timiert wähnen sich die Täter mei- Ziel darin besteht, Indien zu einer stens durch die Ideologie, nach der Hindunation zu machen. Die der- In deutschen Medien wurde das Er- Indien den Hindus gehört und an- zeitige Regierungspartei BJP gilt als eignis auffallend wenig beachtet: dere sich der „Mehrheitskultur“ un- ihr politischer Arm. Viele historische Neues Deutschland („Mit Rech- terordnen müssen. Motiviert sind sie BJP-Führer wie A.B. Vajpayee, L.K. ten reden?“), Deutsche Welle, eini- oft durch aggressive Reden und Be- Advani und der amtierende Mini- ge Online-Portale. Tobias Pflüger, merkungen von politischen Führern,

Südasien 3/2019 | 57 Indien die ihnen das Bewusstsein vermit- vor sie getötet wurde, versuchte eine Die Umkehrung von Täter und Op- teln, dass sie Hindu-Interessen die- Gruppe von Hindus (darunter zwei fer gehört zu den Grundmustern der nen und alten Traditionen folgen. Ob BJP-Minister), die polizeiliche Un- RSS-Strategie und deren Rhetorik. es die Lynchjustiz von selbsternann- tersuchung und strafrechtliche Ver- So wollte Mohan Bhagwat kürz- ten Kuhschützern ist, Übergriffe auf folgung zu behindern. Der Oberste lich in den Lynchmobs einen bös- Angehörige ethnischer oder religi- Richter am High Court von Jammu willigen Versuch seitens „anti-sozia- öser Minderheiten, vor allem Mus- und Kaschmir musste Polizeischutz ler Elemente“ sehen, die Hindus und lime, Gewalt an Dalits, mit der die für den Anwalt der Eltern des Op- ihre Kultur zu diffamieren. Von Ver- überkommene Hierarchie der Hin- fers anordnen. brechen sprach er nicht, geschwei- dugesellschaft durchgesetzt wird, ge denn, dass er sie verurteilt hätte. Gewalt an Frauen und Minderjäh- Übergriffe gegen Wehrlose sind Er warnte seine Mitstreiter: „Es gibt rigen, die von Verfechtern eines pa- nicht neu, doch die Intensität hat eine tiefe Verschwörung heutzutage, triarchalen Weltbilds gerechtfertigt sich erhöht, seit die Hindunationa- die Religion und Kultur der Hindus oder bagatellisiert wird – angeheizt listen an der Regierung sind. Deren im Namen der Mob-Gewalt im Land wird dies häufig durch Sprecher und Macht ist durch die jüngsten Wahl- zu diffamieren.“ Anhänger des RSS. ergebnisse noch einmal gesteigert worden. Auch wenn der RSS sich Bhagwats Warnung kam wenige Dazu kommt, dass die Täter oft mit politisch im Hintergrund hält, so Tage nach einem offenen Brief an Straflosigkeit rechnen können. Die beansprucht er doch eine Funktion Ministerpräsident Modi, in dem gerichtliche Untersuchung des bru- als moralisches Gewissen und sucht 49 Personen des öffentlichen Le- talen Verbrechens an Pehlu Khan, seine Ansichten in der Politik gel- bens ein Ende der Lynchmorde einem Milchbauern, der im April tend zu machen. Bereits im Febru- und die Bestrafung der Täter ge- 2017 unterwegs in Rajasthan fälsch- ar 2015 hatte Mohan Bhagwat be- fordert hatten. In dem Schreiben licherweise als Kuhschmuggler be- merkt, „dass dies eine günstige Zeit“ vom 23. Juli hieß es: „Das Lynchen schuldigt und von einer Bande von sei. „Alle Hindus müssen organisiert von Muslimen, Dalits und ande- 200 „Kuhschützern“ zu Tode geprü- sein, um diese Nation groß zu ma- ren Minderheiten muss sofort ein- gelt wurde, endete kürzlich damit, chen. (...) Die Organisation hat die gestellt werden.“ Dem Ministerprä- dass alle sechs Angeklagten freige- Aufgabe, die Hindus zu vereinen, sidenten warfen sie Heuchelei und sprochen wurden, während zwei von und dies kann nicht allein durch Re- Untätigkeit vor: „Sie haben solche Khans Söhnen, die ihn begleitet hat- den geschehen.“ Lynchmorde im Parlament kriti- ten, nun wegen Kuhschmuggels un- siert, Herr Ministerpräsident, aber ter Anklage stehen. Der Staat schaut weg das ist nicht genug! Welche Maß- nahmen wurden tatsächlich gegen Typisches Vorgehen des RSS Beispielhaft für die Untätigkeit des die Täter ergriffen?“ Staates und die Scheinheiligkeit sei- Typisch für die mit dem RSS ver- ner Repräsentanten ist der Fall des Drei Tage später antworteten 61 an- bundene Gewalt ist die Arbeitstei- 24-jährigen Tabrez Ansari, eines dere Prominente in einem Statement, lung zwischen jenen, die sich durch vermeintlichen Diebs, der im Juli das sich gegen „selektive Empörung Hasspropaganda zu Übergriffen 2019 im Bundesstaat Jharkhand von und falsche Erzählungen“ richtete. hinreißen lassen, und jenen, die einem Hindu-Mob an einen Baum Der Brief vom 23. Juli ziele darauf ab, im Fall eines Aufschreis abwiegeln gefesselt, stundenlang geschlagen „das internationale Ansehen Indiens und dafür sorgen, dass ihnen kaum und gezwungen wurde, „Jai Shri zu beflecken und die unermüdlichen etwas geschieht. Staatliche Organe Ram“ (Sieg für Gott Ram) auszu- Bemühungen des Ministerpräsi- und Ordnungskräfte versagen oft rufen, ehe er der Polizei übergeben denten negativ darzustellen, seine bei ihrer Aufgabe, Schutz zu ge- wurde. Statt ihn ärztlich versorgen Regierung nach den Prinzipien eines währen und Rechtssicherheit zu zu lassen, wurde er ins Gefängnis positiven Nationalismus und Huma- garantieren. Oft werden staatliche gesteckt, wo er einige Tage später nismus zu führen, die den Kern des Organe auch aus der Gesellschaft an seinen Verletzungen starb. Die indischen Wesens ausmachen.“ heraus daran gehindert. Landesregierung brauchte mehrere Tage, um die Tat öffentlich zu ver- In dieselbe Kerbe schlug auch ein Im Fall der achtjährigen Asifa Bano, urteilen. Zugleich warnte Modi, nun Kommentar zum Lindner-Besuch die einem muslimischen Nomaden- nicht den ganzen Bundesstaat Jhark- und der von ihm ausgelösten De- stamm angehörte und in Kathua hand zu verunglimpfen, in dem sol- batte, der aus der Feder von Man- (Jammu) mehrfach in einem Tem- che Fälle in den letzten Jahren ge- mohan Vaidya stammte, dem Joint pel vergewaltigt worden war, be- häuft vorgekommen waren. General Secretary des RSS. Er stell-

58 | Südasien 3/2019 Indien te den RSS als Opfer links-liberaler Es geht dabei gar nicht so sehr um des indischen Schriftstellers Chand- Intoleranz und Meinungsmache dar: die kompromittierenden Bilder mit rahas Choudhury nutzt Modi dabei „Die Liberalen haben versucht, den möglichen Hitler-Bewunderern, die geschickt einige Schwächen der De- RSS zu verurteilen und zu ächten, in manchen Polemiken im Vorder- mokratie aus: indem sie unbegründete Lügen über grund standen, es geht um einen wei- seine Philosophie und Geschichte ter reichenden Effekt. Gerade weil „All jene Schriftsteller, Künstler und verbreiteten.“ Lindner sei nicht der Deutschland sich den Ruf erworben Intellektuelle, die Indiens Geschich- erste ausländische Diplomat, der hat, mit der eigenen Vergangenheit te als ein Palimpsest betrachten und dem RSS in Nagpur oder in Delhi gebrochen und ihre tief liegenden sich mit der vielfältigen, hybriden einen Besuch abstattete. Allerdings Ursachen kritisch aufgearbeitet zu Kultur des Subkontinents identifi- sei er, wie Vaidya mit Genugtuung haben, und weil es damit, wie man zieren, stehen nun im Fadenkreuz feststellte, „der erste Botschafter, der glauben möchte, für politisch gefähr- einer Regierung, die auf kulturelle einen solchen Besuch öffentlich ge- liche Entwicklungen besonders hell- Flurbereinigung aus ist, (...) aber im macht hat.“ hörig ist, spielt die unbekümmerte Gegensatz zu früher, als die Partei Begegnung mit dem RSS so gut in noch nicht an der Macht war und Kampf um Hegemonie dessen Karten. Andersdenkende manchmal gewalt- sam attackierte, um Medienpräsenz Dieser Kommentar zeigt, worin der Schon die erste BJP-Regierung unter zu ergattern, kann sie heute den ei- Mehrwert von Lindners Besuch für A.B. Vajpayee (1998-2004) ließ im nen und anderen Schlag wegstecken. den RSS lag. Worin aber lag der Parlamentsgebäude in Delhi ein Por- Sie weiß, dass sie den Staat und die Mehrwert für den Botschafter? Nach trät von V.D. Savarkar aufhängen, Medien kontrolliert und es sich lei- der fast plebiszitären Zustimmung der in seiner Streitschrift sten kann, auf lange Sicht zu spielen.“ zu Modis Politik durch die Parla- (1923) die Vorstellung von Indien mentswahl vom April und Mai und als dem Heiligen Land der Hindus In diesem Spiel auf lange Sicht sind anderer Umstände liegt der Versuch entwickelt und die theoretischen schon kleinere Ereignisse wie etwa nahe, sich auf die veränderten Kräf- Grundlagen des Hindunationalis- die Besuche von Staatspräsident teverhältnisse einzulassen und das mus formuliert hat. Dies war ein (Juni 2018), Gespräch mit jenen zu suchen, die symbolischer Akt auf dem Weg zur einem langgedienten Kongress-Po- man vor einigen Jahren noch gemie- Abwicklung des säkularen Charak- litiker, oder des Industriellen Ratan den hatte; jedenfalls in der Öffent- ters der indischen Demokratie. Zu- Tata (April 2019) oder eben Begeg- lichkeit. Zu solchen Umständen zäh- gleich suchte die Regierung Vajpayee nungen mit ausländischen Diplo- len etwa das weitgehend akzeptierte durch Lizenzierung neuer Schulbü- maten im RSS-Hauptquartier nütz- Vorgehen der Regierung in Kasch- cher für Geschichte die Vorstellung lich. Sie eignen sich, den Ruch des mir (Aufhebung der Autonomie), zu verbreiten, Hindus bzw. Arier, Verfemten von der Organisation zu oder die Entlassung von fast zwei und nur sie, seien indigene Bewohner nehmen und ganz Indien die neue Millionen Menschen in die Staaten- Indiens, gegenüber denen alle ande- Normalität des Hindunationalismus losigkeit in Assam, oder die Abwe- ren als Invasoren, Eroberer und Un- zu demonstrieren. Zu diesen Bildern senheit einer nennenswerten parla- terdrücker zu gelten hätten. Die im einer allmählichen Gewöhnung hat mentarischen Opposition. Jahr 1947 errungene Unabhängig- Botschafter Lindners Besuch nun ein keit sei daher als das Ende nicht nur weiteres hinzugefügt. Die Frage, ob oder wie man hier „mit des britischen Raj, sondern von 1000 Rechten reden“ soll, stellt sich jedoch Jahren Fremdherrschaft anzusehen. Hier hätten Beobachter und Kom- im Fall des RSS aus der Perspektive mentatoren wie etwa der in London deutscher ebenso wie indischer und Die Rolle der lebende Salil Tripathi gerade wegen auch internationaler Politik als be- aktuellen Regierung der Wertschätzung für die deutsche sonders heikel dar. So bemerkt der Erinnerungspolitik mehr Gespür für Journalist Sidharth Bhatia mit ei- Auch die jetzige BJP-Regierung die Gefahr erwartet, dass man sich ner gewissen Ungläubigkeit: „An- sucht etwa durch personelle Umbe- damit auch für die Verharmlosung gesichts der Sorgfalt, die Deutsch- setzungen bei wichtigen Forschungs- eines ganz anderen Gebrauchs der land in den Nachkriegsjahren auf die institutionen ihre Vorstellungen von Vergangenheit vereinnahmen lassen Beseitigung des Nationalsozialismus indischer Kultur und Gesellschaft kann. Hat Lindner, so fragt Tripa- und seiner Erscheinungsformen ver- langfristig zu verankern. Doch thy, Bhagwat vor den Gefahren des wendet hat, sollte er auch gewusst ha- während frühere Maßnahmen hef- Majoritarianism gewarnt? Und hat ben, welche Signale sein Besuch aus- tige Kontroversen auslösten, geht es er ihm, so könnte man hinzufügen, senden würde.“ diesmal ruhiger zu. Nach Ansicht die menschenrechtlichen Verpflich-

Südasien 3/2019 | 59 Indien tungen entgegengehalten, die Indien tribution (Regulation) Act), um das nicht vollständig ausgetrieben; In- auf internationaler Ebene eingegan- Recht auf Vereinigungsfreiheit zu ge- dien ist auf dem besten Weg, seinen gen ist und denen die Politik einer währleisten, einschließlich der Mög- eigenen Albtraum zu erleben.“ gezielten Hinduisierung Indiens wi- lichkeit von Organisationen der Zi- derspricht? vilgesellschaft, ausländische Mittel Nachbemerkung in Anspruch zu nehmen, und sorgen Kooperation für die Sie für einen wirksamen Schutz von Im Zentralgefängnis von Nagpur Menschenrechte Menschenrechtsverteidiger(inne)n sitzt seit geraumer Zeit der Anglis- vor Belästigung und Einschüchte- tikprofessor Gokarakonda Naga Wenn Lindner den RSS als Massen- rung.“ Indien hat dies nur zur Kennt- Saibaba in Haft, der immer wieder bewegung und wichtigen Teil des nis genommen („noted“) und nicht Menschenrechtsverstöße gegen An- indischen Mosaiks vor aller Augen akzeptiert. gehörige von Adivasi-Gemeinschaf- ernst nehmen wollte, so wäre Indien ten in Zentralindien angeprangert auch hinsichtlich seiner Bekennt- Tatsächlich werden Menschen- hat. Er ist am 7. März 2017 unter nisse zu den Menschenrechten öf- rechtsverteidiger/-innen in Indien Indiens drakonischem Antiterror- fentlich beim Wort zu nehmen. Bei von den Behörden zunehmend gesetz (Unlawful Activities Preventi- seiner Kandidatur zum Menschen- drangsaliert und oft wegen ihrer on Act) wegen angeblicher Verbin- rechtsrat der Vereinten Nationen Arbeit strafrechtlich verfolgt. Vom dungen zur maoistischen Guerilla hat Indien im Jahr 2018 „Freiwil- RSS und seinen Anhängern werden (Naxaliten) zu einer lebenslangen lige Zusagen und Verpflichtungen“ sie bei jeder Gelegenheit zu „anti-na- Haftstrafe verurteilt worden. Er lei- abgegeben und dabei auch folgende tionals“ oder „urban Naxals“ erklärt, det an chronischen Erkrankungen Feststellung getroffen: „Als größ- auch physisch bedroht. und einer Beinlähmung, angemes- te Demokratie der Welt wird Indi- sene medizinische Hilfe wird ihm ens säkulares Gemeinwesen durch Was für ein Signal sendet der Bot- verweigert. eine unabhängige Justiz, eine Rei- schafter-Besuch an die vielen Men- he von Kommissionen auf nationa- schen in Indien, die sich für die ler und bundesstaatlicher Ebene, die Rechte von Minderheiten und Mar- die Einhaltung der Menschenrech- ginalisierten einsetzen und dafür te überwachen, eine freie Presse und vom RSS, aber auch in den regie- eine lebendige und lautstarke Zivil- rungsnahen Medien angegriffen Zum Autor gesellschaft ergänzt.“ werden? An die vielen Hindus, die Michael Gottlob ist mit dem Slogan „Not in my name“ Historiker und lebt Auch bei der allgemeinen Staaten- auf die Straße gehen, weil sie ihren in Berlin. Zuletzt überprüfung vor dem Menschen- Glauben nicht vom RSS definieren erschien vom ihm rechtsrat, der sich alle 193 UN- und von den Lynchmobs in den eine Darstellung des Mitgliedsstaaten in regelmäßigen Schmutz ziehen lassen wollen? Wer- Streits um den Ge- Zeitabständen unterziehen müssen den Verächter der Menschenrechte schichtsunterricht an (Universal Periodic Review, UPR) nicht unnötig aufgewertet? Zeigt so indischen Schulen: hat der Vertreter Indiens im Mai ein Besuch eine Entfremdung von je- The Palgrave Handbook of Conflict and Histo- 2017 auf die „lebendige Zivilgesell- nen politischen Kräften, die für ein ry Education in the Post-Cold War Era, Palgra- schaft“ hingewiesen, auf die man Stärkung der Menschenrechte nicht ve Macmillan 2019, 279-288. stolz sei. Wechselseitige Kommen- nur in Indien, sondern weltweit un- tare der Staaten gehören beim UPR verzichtbar sind? Endnoten zum Prinzip und können nicht als 1 Die Hassverbrechen wurden seit 2017 von Einmischung in innere Angelegen- In den Worten von Sidharth Bha- einem Hate Tracker der Hindustan Times heiten zurückgewiesen werden. Oh- tia: „Seine Exzellenz muss wissen, erfasst, danach wurden sie von Amnesty nehin sollten Verstöße gegen die dass sein Schritt mit Folgen befrach- India auf einer interaktiven Karte verzeich- Menschenrechte nie als interne An- tet ist in einem Land, das um seine net: http://haltthehate.amnesty.org.in/ gelegenheiten angesehen werden. Zukunft bangt. Der RSS bewundert map.html. nicht nur Hitler und die National- 2 National Herald, 29. 07. 2019. Bei der UPR-Sitzung im Mai 2017 sozialisten, er setzt Strukturen und 3 Sundayguardianlive.com, 18. 08. 2019. hat die deutsche Regierung die Emp- Prozesse in Gang und setzt Geister 4 NZZ, 05. 07. 2019. fehlung an Indien ausgesprochen: frei, die in den schrecklichen Zeiten 5 die rücksichtslose Durchsetzung der Inter- „Verbessern Sie das Gesetz über Bei- in seinem Land zu beobachten wa- essen der Mehrheit gegen Minderheiten; träge aus dem Ausland (Foreign Con- ren. Deutschland hat diese Geister Anm. der Redaktion.

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