20 Fachbeiträge 9. Erfahrungsaustausch 2002 Steuerung der Hochwasserrückhaltebecken des Wasserverbandes - von Melchior Rettenmeier

Die Lein ist ein Seitenfluss des Kochers, die im Welz- raum von 1,75 Millionen m³. Die Dammhöhe über heimer Wald entspringt und in Abtsgmünd in den Ko- dem Grundablass beträgt 23 m und das Becken be- cher fließt. Sie ist zum größten Teil G.I.O. und besitzt sitzt als Steuerorgane 2 Schieber (Höhe 1200 mm ein Einzugsgebiet von ca. 250 km². und Breite 800 mm).

Der Wasserverband betreibt 11 Hochwasserrückhal- Grundsätzliche Aussagen zur Steuerung: tebecken (HRB) mit einem Gesamtstauraum von 14 Millionen m³ die in den Jahren 1957 bis 1982 gebaut Die Beckenwasserspiegel sind ganzjährig auf Dau- wurden. Alle HRB besitzen einen Dauerstauraum. erstau. Es wird nicht zwischen Sommer- und Win- Abb. 1 zeigt die Standorte der HRB im Gewässer- terstau unterschieden. Der Dauerstauwasserstand netz. Außerdem ist die räumliche Distanz zwischen wird über die Mönchwand gehalten. Der oder die den Anlagen zu erkennen. Steuerschieber sind immer so weit geöffnet, dass durch Vorregen kein Einstau entsteht, d. h. aber sie

Die Hochwasserrückhaltebecken

N

Rot

Kocher F in s te r e R Abtsgmünd R o e G i t c ö h tz e E e L n n a i u s b b b b e a a a c F c n h c h e b h d t

a e o r c b R h a c h

in Le

ca . 3 0 km

Abb. 1: Standorte der HRB im Gewässernetz.

Beispielhaft für die Anlagen des Verbandes wird das müssen bei bestimmten Wasserständen geschlos- HRB Götzenbach näher vorgestellt: Es besitzt ein sen werden. Diese Drosselung erfolgt entsprechend Einzugsgebiet von 17,4 km² und einen Gesamtstau- der Betriebsvorschrift (Abb. 2.)

Berichtsband 9. Erfahrungsaustausch HRB, WBW Fortbildungsgesellschaft, Heidelberg 2002 2002 Fachbeiträge 9. Erfahrungsaustausch 21

Wege und Geld zu sparen und schneller und flexibler auf Hochwasserereignisse reagieren zu können. So wurden in den Jahren 1993 und 1994 die notwen- digen Voraussetzungen bezüglich der Installation von Blitzschutzeinrichtun- gen geschaffen.

1994 und 1995 wurde dann die Installation der elektrotechnischen Anla- gen sowohl an den Becken als auch in der Leitzentrale durch die Fa. Microbit durchgeführt.

Durch rapide Veränderun- gen bei der Fa. Microbit sah sich der Wasserver- Abb. 2: Betriebsvorschrift band 2001 gezwungen das ganze System umzustel- len und eine andere Firma zu beauftragen. Sehr Aufbau der Datenerfassungs- und –fernwirktech- wichtig war uns, dass es sich um eine örtliche und nik: zuverlässige Firma handelt, welche Erfahrungen auf diesem Gebiet aufweisen kann und durch einen or- Beim WV Kocher-Lein hat man sich vor über 10 Jah- dentlichen Mitarbeiterstab Sicherheit und Kontinuität ren zum erstenmal mit dem Thema Datenfernüber- für die Betreuung und Unterhaltung der Anlage ge- tragung und Fernsteuerung befasst. Ziel war es Zeit, währleistet. So wurde die Fa. Mess- Steuer- und Re-

Abb. 3: Hauptmenue des Leitssystems

Berichtsband 9. Erfahrungsaustausch HRB, WBW Fortbildungsgesellschaft, Heidelberg 2002 22 Fachbeiträge 9. Erfahrungsaustausch 2002

7.13 Uhr Seepegel (SP:) 30 cm Ablaufpegel (AP:) 20 cm.

Durch Mausklick können sämtliche Anlagen aufgerufen werden. Als Beispiel wieder- um das HRB Götzenbach.

Abb. 4 zeigt das Systembild mit den wichtigsten Angaben und Daten wie Stauhöhen, Schieber, Speicher und Ab- laufpegel. Sind die Daten in Klammern gestellt, so sind diese nicht aktuell und das Sy- stem ist nicht online. Mit dem Button Wählen stellt man die Verbindung her und die Klam- mern verschwinden und aktu- Abb. 4: Systembild elle Daten werden eingeblen- det. Es handelt sich hierbei immer um Momentanwerte. gelungstechnik JOOS aus Adelmannsfelden beauf- tragt, da sie auch schon andere Anlagen, wie z.B. beim Wassserverband Obere installiert hatte. Um gespeicherte Werte abzurufen, wird über die Funktion Histogramm die Anlage, der Histogramm- Vorstellung des Leitsystems: wert (also Beckenpegel, Ablaufpegel, Schieber 1 oder 2, Beckenfüllung in %, Ablaufpegel in m³/s, Von der Fa. Joos wurde an jedem HRB und jedem usw.) und das Datum der Anzeige ausgewählt. Abb. Abflusspegel ein PC installiert, der die Daten die vor- 5 zeigt den Beckepegel des HRB Götzenbach in der handen sind (Beckenwasserstand, Ablußpegelwas- Zeit vom 15.03.2002 bis 15.04.2002. serstand, Schieberstellungen, usw.) aufnimmt und speichert. Diese Daten werden täglich zur festge- Selbstverständlich ist es auch möglich mehrere His- setzten Zeit per Modem und ISDN-Leitung in die togrammwerte in einer Grafik anzuzeigen. Weiter ist Leitzentrale, beim Bereich Ellwangen der Gewäs- es möglich auch Ganglinien verschiedener Anlagen serdirektion , übertragen. Dort steht ein Steu- in derselben Grafik darzustellen. er PC des Wasserverban- des. Auf allen Geräten ist als Betriebssystem Win- dows 2000 installiert und sämtliche Anlagen sind als Netzwerk verbunden.

Abbildung 3 zeigt das Hauptmenü des Leitsy- stems. Es sind sämtliche angeschlossenen Anlagen aufgeführt. Grau die Hoch- wasserrückhaltebecken, hellgrau die Abflusspegel, welche gleichzeitig als Zwangspunkte bzw. Steuer- ziele anzusehen sind.

Die in den Kästchen aufge- führten Daten sind jeweils die dem letzten Abruf zu- grunde liegenden Informa- tionen; z.B. HRB Götzen- bach: Abruf am 31.05.02 um Abb. 5: Beckenpegel des HRB Götzenbach

Berichtsband 9. Erfahrungsaustausch HRB, WBW Fortbildungsgesellschaft, Heidelberg 2002 2002 Fachbeiträge 9. Erfahrungsaustausch 23

Abb. 6 zeigt als Beispiel die Beckenwasserstände nen dafür die notwendigen Parameter eingestellt der HRB Aichstrut, Eisenbach, Leineck und Reichen- werden bei denen Alarme erzeugt werden. So wird bach in der Zeit vom 20.03.2002 bis zum bei Überschreiten von festgelegten Grenzwasser- 02.04.2002. ständen an allen HRB die Meldung „Hochwasser“ und genauso bei Unterschreiten von Wasserständen Außerdem ist es möglich diese Daten in einer Excel- die Meldung „Niedrigwasser“ erzeugt. Außerdem Datei abzuspeichern um sie anderweitig zu verwen- sind wichtige Ablaufpegel so programmiert, dass den, bzw. statistisch auszuwerten. Grenzwerte auf telefonischem Weg an festgelegte Personen (Stauwärter, Be- triebsbeauftragte) und Einrich- tungen (Leitstelle) weiterge- ben werden. Die Weitergabe dieser Meldungen wird über das System protokolliert und gemeldet.

Weiter werden regelmäßig Ausdrucke sämtlicher gespei- cherter Daten durchgeführt. Diese Grafiken ersetzen die Pegelbogen.

Ohne größeren Aufwand ist es auch möglich, dass das Sy- stem die Schieberstellung auf- grund von Vorgaben am Ab- flusspegel verändert.

Abb. 6: Beispiele Beckenwasserstände

Beckensteuerung:

Sollen Veränderungen an den Schieberstellungen durchgeführt werden, ist die Eingabe eines Passwortes notwendig. Danach wird im Feld „Steuerungsvorgabe“ die gewünschte Schieber- stellung eingetragen und der Schieber freigeschaltet. Dadurch wird es dem Sy- stem ermöglicht den Schie- ber in die gewünschte Stel- lung zu fahren. Nach Ab- schluss der Stellungsverän- derung, welche auf dem Schaubild dokumentiert wird (Abb. 7) muss der Schieber wieder gesperrt Abb. 7: Schaubild Stellungsveränderung werden, um zu verhindern, dass das System aufgrund eines defekten Stellungs- Zukunftsvisionen: gebers Veränderungen durchführt. Durch die o.g. Möglichkeit soll in näherer Zukunft die Zusätzliche Möglichkeiten: Steuerung an mehreren Becken auf Automatik um- gestellt werden. D. h. es wird ein bestimmter Abfluss Das System der Fa. Joos bietet auch die Möglichkeit am Ablaufpegel vorgegeben, welcher nicht über- Alarmmeldungen auszugeben. In einem Menü kön- schritten werden darf. Die Steuerung des Schiebers

Berichtsband 9. Erfahrungsaustausch HRB, WBW Fortbildungsgesellschaft, Heidelberg 2002 24 Fachbeiträge 9. Erfahrungsaustausch 2002

Abb. 8: Beckenfüllung Märzhochwasser 2002 wird dann vom System übernommen. Selbstver- nicht in Betrieb gegangen. Es wurde eine Gesamt- ständlich muss eine genaue Überwachung durchge- wassermenge von 11,3 Millionen m³ zurückgehalten. führt werden, es besteht die Möglichkeit jederzeit Trotzdem und vor allem aufgrund der guten techni- manuell einzugreifen und die Automatik zu beenden. schen Ausstattung war das Hochwasser relativ mü- helos zu beherrschen. Bewährung:

Eindrucksvoll bewährt hat sich das noch junge Sy- Anschrift des Verfassers: stem beim Märzhochwasser 2002, welches wie aus Abbildung 8 zu erkennen ist, die Becken des Was- BI Melchior Rettenmeier Gewässerdirektion Neckar serverbandes Kocher-Lein doch sehr stark gefüllt Priestergasse 5 hat. Lediglich an den vier mit einem Pfeil bezeichne- 73479 Ellwangen ten Becken ist die Hochwasserentlastungsanlage e-mail: [email protected]

Berichtsband 9. Erfahrungsaustausch HRB, WBW Fortbildungsgesellschaft, Heidelberg 2002