Deutschland

es BKA-Chef Ziercke. „Ich verwahre mich gegen die Spekulationen in den Medien und gegenüber den Medien, meine Glaub - Lieber Schein als Sein würdigkeit infrage zu stellen“, rief er mit hochrotem Kopf. Nach der ersten Befra - Energie Während sich auf der gung zum Telefonat mit Oppermann wa - ren Widersprüche aufgetaucht. Weltbühne als Klimakanzlerin profiliert, blockiert sie in Doch am eindrucksvollsten schwieg bis - Deutschland den Ausstieg aus der Kohlekraft. lang Michael Hartmann. Seine zweite Be - fragung dauerte nur eine Stunde. Er sprach ine mathematische Regel im Politik - be ausgedacht, ein Instrument, bei dem in der Zeit nicht mehr als ein paar Dutzend geschäft lautet: Die Größe eines Poli - Energiekonzerne eine Art Strafabgabe Wörter, immer wieder den einen Satz: „Ich Etikerversprechens wächst propor - von bis zu 20 Euro je emittierter Tonne berufe mich auf mein Zeugnisverweige - tio nal zu dessen Eintritt in der Zukunft. CO 2 bezahlen sollten. Dies hätte vor allem rungsrecht.“ Schließlich beendete sein An - Vergangenen Montag bediente sich Bundes - alte Braunkohlekraftwerke betroffen, die walt das Spektakel. Hartmann verschwand kanzlerin Angela Merkel wieder einmal die - schlimmsten Klimasünder in der fossilen durch eine Seitentür. ser Logik. „Wir haben uns dazu bekannt“, Stromproduktion. Der Einzige, der in der Affäre bisher verkündete sie der Weltöffentlichkeit zum Doch der Protest der Energiekonzerne wirklich geredet hat, ist Sebastian Edathy. Abschluss des G-7-Gipfels, „dass wir im und ihrer Beschäftigten zeigt offenbar Wir - Das hat ihn in der SPD zum Geächteten Laufe dieses Jahrhunderts eine Dekarbo - kung. Die Klimaabgabe scheint seit dem gemacht. Es waren seine Einlassungen in nisierung der Weltwirtschaft brauchen.“ Treffen vom Tisch. Statt 22 Millionen Ton - der Bundespressekonferenz und vor dem Eine Welt ohne fossile Brennstoffe, ohne nen CO 2 sollen die Kraftwerke nach dem Ausschuss, die Fraktionschef Oppermann Öl, Gas und Kohle: was für ein Verspre - Plan der IG BCE jetzt nur noch etwa die und Hartmann schwer belasten. Obwohl chen! Ein „historisches Klimaversprechen“, Hälfte einsparen. Und damit sie auch kei - Parteichef Gabriel schon früh mit einem jubelten Kommentatoren, die Klimakanz - nen finanziellen Nachteil erleiden, könn - Parteiausschluss gedroht hatte, war es am lerin Merkel sei wieder zurück. Selbst ten die Energiekonzerne nun sogar eine Ende nicht der Kinderpornografie-Ver - Greenpeace bescheinigte der Kanzlerin, Entschädigung erhalten, wenn sie ihre äl - dacht, der das Verfahren in Gang gesetzt Elmau habe „geliefert“. testen Kraftwerke stilllegen. Das hätten sie hat. Edathy war erst wirklich unten durch, Hat es das? Wenige Tage nach dem Gip - bei gleichzeitigem Neubau ohnehin getan. als er das Schweigen brach. feltreffen stand der erste Praxistest an. Das Doch nun legt der Staat wohl noch eine Noch Anfang Februar 2014, als Edathy Ergebnis: Während sich Merkel auf der Art Abwrackprämie obendrauf. sein Mandat niederlegte, schickte ihm die großen Bühne als Klimaschützerin präsen - Konkret geht es unter anderem um Parteispitze aufmunternde Mails. Edathy tiert, setzt sie sich im eigenen Land dafür Kraftwerksblöcke des RWE-Konzerns. enthüllte sie später im „Stern“. „Wenn al - ein, ausgerechnet die schmutzigsten Kraft - Jeder hat eine Leistung von mindestens les überstanden ist, gibt es immer einen werke weiterlaufen zu lassen. Selten klaff - 300 Megawatt. Die Kraftwerke stehen im Neuanfang. Wenn Du Hilfe brauchst, lass ten Anspruch und Wirklichkeit so weit aus - rheinischen Braunkohlerevier in Nieder - es uns wissen. Gruß, Thomas“, schrieb der einander wie am vergangenen Dienstag, außem und Frimmersdorf. Fraktionsvorsitzende. Auch Parteichef Ga - als sich Merkel in den Morgenzeitungen Mehr als 100 Euro pro Kilowatt Kraft - briel bot seine Hilfe an. „Kopf hoch! Es als Klimaretterin feiern ließ und am Mittag werksleistung könnte RWE dafür bekom - kommen auch wieder bessere Zeiten. Dein im Wirtschaftsministerium um die Zukunft men, diese Kraftwerksblöcke stillzulegen. Sigmar“, schrieb er. der deutschen Kohlekraftwerke gescha - Auf insgesamt über eine Milliarde Euro Edathy empfand Oppermanns Nachricht chert wurde. Kosten könnte sich also summieren, dass damals als unerträglich und falsch: „Mir Es geht, noch so ein großes Versprechen, die Kraftwerke vom Stromnetz genom - wird schlecht bei so was.“ Im Nachhinein um die konkreten Klimaschutzziele der men, für vier Jahre in eine Art Notreserve gibt es aber eine zweite Lesart des schein - Bundesregierung. Deutschland hat sich vor gestellt und dann endgültig stillgelegt baren Zuspruchs. Das Versprechen von Neu - einigen Jahren verpflichtet, bis zum Jahr werden. anfang und besseren Zeiten könnte auch 2020 genau 40 Prozent weniger Treibhaus - Das wäre eine lukrative Lösung für den der Versuch gewesen sein, Edathy bei der gase auszustoßen als im Vergleichsjahr Energieriesen aus Essen. Zumal RWE die Stange zu halten. Schließlich wussten alle 1990. Das schien machbar zu sein, als das Kraftwerksblöcke in Niederaußem sowieso Beteiligten, wie gefährlich es würde, wenn Jahr 2020 noch weit weg war. Doch je nä - abschalten und durch ein neues Braun- er redete. Es ist das Gesetz des Schweigens: her der Stichtag rückt, umso schwieriger kohlekraftwerk ersetzen wollte. Wer sitzt und schweigt, wird am Ende wie - wird es. Unklar ist noch, woher das ganze Geld der aufgenommen. Wer redet, ist tot. Mindestens 22 Millionen Tonnen CO 2- für die Energiekonzerne kommen soll. Auch Hans-Peter Friedrich, das einzige Ausstoß jährlich muss Deutschland bei der Auf die Strompreise aufschlagen scheint Opfer der Edathy-Affäre, will sich zu all - Energieerzeugung einsparen, um das Ziel das dafür infrage kommende Energiewirt - dem nicht mehr äußern. In der vergange - zu erreichen. Andererseits hat gerade die schaftsgesetz nicht herzugeben. Stattdes - nen Woche sitzt er in seinem Büro mit Kohleindustrie großen Rückhalt in der sen könnte das Geld aus dem Bundes - herrlichem Blick auf die Reichstagsfassade. deutschen Politik. Und so trafen sich am haushalt fließen. Erste Gespräche soll es Als stellvertretender Fraktionschef ist er Dienstag Merkels Kanzleramtsminister bereits zwischen Bundesfinanzminister weich gefallen, auch wenn ihm das Amt (CDU) und Bundeswirt - Wolfgang Schäuble und Kanzlerin Merkel des Bundeslandwirtschaftsministers viel schaftsminister (SPD) so - gegeben haben. Am Ende würde die Spaß gemacht hat. Er will zu Edathy nichts wie der Vorsitzende der Bergbaugewerk - Rechnung also vom Steuerzahler über - mehr sagen, das Ermittlungsverfahren ist schaft IG BCE, Michael Vassiliadis, um die nommen. eingestellt, und es ist gar nicht ausgeschlos - Details zu besprechen – und um Schaden Das freilich birgt die Gefahr, dass die sen, dass Friedrich irgendwann mal wieder von der Kohlewirtschaft abzuwenden. Europäische Union wegen unerlaubter Bei - Bundesminister wird. Eigentlich hatte sich Gabriels grüner hilfen auf den Plan tritt. So haben sich die Hubert Gude, Christiane Hoffmann, Staatssekretär im Wirtschaftsministerium, Deutschen bereits einen möglichen Trick Peter Müller, Gordon Repinski, Britta Stuff Rainer Baake, die sogenannte Klimaabga - einfallen lassen: Die Unterstützung für die

38 DER SPIEGEL -. / -+,. mensberatung enervis haben die Vor - schläge der vergangenen Wochen noch einmal analysiert. Ihr Befund: Wollte man auch im Stromsektor das 40-Prozent- Klimaschutzziel erreichen, müssten die Kraftwerks betreiber bis 2020 neben den ohnehin ausscheidenden Kohlekraftwer - ken weitere im Umfang von 13,7 Gigawatt vom Netz nehmen, das wären 25 Kraft - werksblöcke. Eine 60-seitige, noch unveröffentlichte Analyse der Agora-Fachleute besagt: „Ohne einen deutlichen Beitrag des Strom - erzeugungssektors ist das politische Klima - schutzziel 2020 in jedem Falle nicht zu er - reichen.“ Und auch Graichen sagt: „Mit den jetzt diskutierten Plänen, die gegen - über den IG-BCE-Vorschlägen noch einmal abgespeckt wurden, wird die Bundesregie - rung das nationale Klimaminderungsziel in Höhe von 40 Prozent gegenüber 1990 definitiv nicht schaffen.“ So bleiben Zwei - fel an Merkels Ansage von der Dekarbo - nisierung. Würde sie ihre Ankündigung ernst meinen, müsste sie jetzt entschieden den Ausstieg zumindest aus der Kohlever - stromung einleiten. Schon heute existiert wegen des rasan - ten Zubaus der erneuerbaren Energien eine gewaltige Überkapazität in der kon - ventionellen Stromproduktion. Billiger Kohlestrom aus Deutschland schwappt deshalb über die Grenzen, hinein in die Netze der europäischen Nachbarn. Die Klimaabgabe, so wie sie konzipiert war, sollte diese klimaschädliche Überproduk - tion eindämmen. Sie hätte wie ein Schalter funktionieren können, mit dem sich die Kohlestrompro - duktion langsam hätte abdrehen lassen. Ganz im Sinne der Dekarbonisierungs- fantasie der Kanzlerin – ganz zum Leid - wesen der Energieriesen. Wenn die Klimaabgabe jetzt nicht kommt, lässt das Wirtschaftsminister Ga - briel wie einen Umfaller aussehen. Immer - hin war es sein Staatssekretär Baake, der das Projekt vorangetrieben hatte. Als Ersatz für die Klimaabgabe soll nun neben einer Art Abwrackprämie für alte Heizungen viel stärker als geplant die sogenannte Kraft-Wärme-Kopplung geför - Kühltürme des Braunkohlekraftwerks Schwarze Pumpe in Spremberg, Brandenburg dert werden. Traum von der Dekarbonisierung Das sind mit Kohle oder Gas betriebene Kraftwerke, deren Abwärme fürs Heizen Kohleindustrie könnte als Hilfe für die Be - Gipfel bereits verflogen. „In Elmau stellt genutzt wird. Baake wollte auch diese diensteten dargestellt werden, die in den sich Merkel vor die Berge und redet von Kraftwerke nicht mehr nennenswert för - Kraftwerken und Tagebauen ihren Job ver - Dekarbonisierung, und in Berlin scheitert dern, vor allem wollte er keine neuen An - S

U lieren würden. Pro Arbeitnehmer rechnet sie an den ersten, zaghaften Schritten“, lagen entstehen lassen. C O F

R man mit 250 000 Euro, also bei 3000 Ar - sagt der Energieexperte der Grünen, Oli - Denn die Meiler würden die kommen - U T

N beitnehmern mit insgesamt einer Dreivier - ver Krischer. den 40 bis 50 Jahre laufen, obwohl dann E G A

/ telmilliarde Euro Staatsgeld. Und so würde Skeptisch ist auch Patrick Graichen, bereits 80 Prozent der Energie aus Wind

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L die womöglich illegale Industriebeihilfe Chef der Energiewende-Denkfabrik Ago - und Sonne stammen sollen. Wenn Merkel E U

M im Handumdrehen zum Sozialplan um - ra: „Man hat den Eindruck, als ob inter - ihr Versprechen von der Dekarbonisierung

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N definiert. nationale und nationale Aktivitäten ernst meinen würde, wären diese Kraft - A D

: Klimakanzlerin Merkel? Bei der Oppo - nichts miteinander zu tun haben.“ Exper - werke fehl am Platz. O T O

F sition ist die Begeisterung über den G-7- ten der Agora und der Energie-Unterneh - Frank Dohmen, Horand Knaup, Gerald Traufetter

DER SPIEGEL -. / -+,. 39