gemeinsam allein 3/2019

Ursberger Josefsbote Impressum

Erscheinungsweise: Vierteljährlich Herausgeber: St. Josefskongregation Ursberg Redaktion Ursberger Josefsbote: c/o Referat Öffentlich- keitsarbeit, 86513 Ursberg Liebe Leserinnen und Leser! Redaktionsteam: Pater Benedikt Grimm OFM, Christian Pagel, Manuel Liesenfeld, Sr. M. Lucia Tremel CSJ, Sr. M. Wir Menschen sind Gemeinschaftswesen und dennoch Einzelwesen. Wir bemühen uns um Selbst- Katharina Wildenauer CSJ , Werner Bisle werdung und Selbstverwirklichung, sind aber auch auf der steten Suche nach Zuwendung und Aner- Grafik: Werner Bisle kennung. Druck: Deni Druck & Verlags GmbH, Der Mensch braucht „Ansehen“, denn wird er nicht gesehen, so verkümmert er. Wir leben in dieser Versand/Vertrieb: Brigitte Milik, Tel. 08281 92-3026, Herausforderung für uns selbst. Wir leben jedoch auch in der Verantwortung für die Gemeinschaften, E-Mail: [email protected] die unser Lebensrahmen sind. Zunehmend wächst das Bewusstsein für die Verantwortung im Blick auf Bezugspreis: Durch Spenden abgegolten die Weltgemeinschaft. Unsere Zeit ist einerseits stark geprägt von Individualismus, aber andererseits Bilder: Titel, fotolia.com • Seite 1– 2, fotolia.com • Sei- ebenso von globalem Bewusstsein. Das ist Grund zur Hoffnung. te 4, pixabay.com • Seite 6, fotolia.com • Seite 7, Pa- Liebe Leserinnen und Leser, mit diesem Heft wollen wir Ihnen einige Gedanken zu diesem Verhältnis ter Benedikt Grimm OFM • Seite 8, pixabay.com • Seite vom gemeinsamen Unterwegssein als einzelne Personen wie gewohnt in sozialer, religiöser und natur- 9, pixabay.com • Seite 10, wikiart.com • Seite 11, Pater Bene- wissenschaftlicher Hinsicht darlegen. Es freut uns, dass Dr. , der in politisch spannenden dikt Grimm OFM / Sr. M. Katharina Wildenauer CSJ • Seite 12, Zeiten als Einzelperson in Verantwortung für das Geschehen in der Welt tätig war, sich bereit erklärte, wikiart.com • Seite 14– 15, pixabay.com • Seite 19, pixabay. einige seiner Gedanken und Leitlinien für den Josefsboten zusammenzufassen. com • Seite 20, fotolia.com • Seite 22, DBZWK • Seite 24, Ebenso wird – in ungewohnter Weise – gemeinsam von der Kongregation, dem Dominikus-Ringeisen-Werk pixabay.com • Seite 27, fotolia.com • Seite 32– 35, Manuel und der Stiftung „pro vita“ zu einer Veranstaltung für Menschen in Not eingeladen. Liesenfeld • Seite 37, wikiart.com • Seite 40, pixabay.com • Ziehen Sie sich also zurück, lassen Sie sich ein auf das Geschriebene und machen Sie sich so Ihre Gedanken. Seite 41, Sr. M. Katharina Wildenauer CSJ • Seite 42–45, wiki- art.com • Seite 46, pixabay.com • Seite 47–49, Christian Pa- Sr. M. Katharina Wildenauer CSJ gel • Seite 51, fotolia.com • Seite 52–60, pixabay.com / Sr. M. Generaloberin Katharina Wildenauer CSJ • Seite 62 Sr. M. Lucia Tremel CSJ Für unaufgefordert zugesandte Artikel besteht kein Anspruch auf Rücksendung!

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1 Zusammenkommen ist ein Beginn, zusammenbleiben ist ein Fortschritt, Wie sich Einsamkeit und Gemeinschaft ergänzen...... 5 zusammenarbeiten ist ein Erfolg. Leseecke ...... 13

Henry Ford Gemeinschaftsleben Dreiecksbeziehung ...... 17

Eine Kindheitserinnerung ...... 21

Inhalt Alleinsein ist das Salz des Menschseins ...... 24

gemeinsam = einander wertschätzen ...... 26

Gedanken zum Wort „gemeinsam“ ...... 29

Steffi ha jtt enn egnn Briefkaste ...... n3

allein / gemeinsam ...... 38

Beziehungspflege allein und zusammen...... 40

Der gemeinsame Künstler ...... 42

Sterne mögen es gesellig ...... 47

Im Gedenken ...... 52

Fundgrube...... 62

2 3 Wie sich Einsamkeit und Gemeinschaft ergänzen

Ja, wer glaubt, ist nie allein. Gott geht auf uns zu. Gehen auch wir Gott entgegen, dann gehen wir zu aufeinander. Papst em. Benedikt XVI.

Schon immer haben sich Menschen einsam, allein ge- ne Glieder wie von Feuer verbrannt. Versengt wie lassen und ausgegrenzt gefühlt. Einsamkeit gehört zum Gras und verdorrt ist mein Herz, sodass ich verges- Menschsein. Dazu einige Schlaglichter aus der Bibel: sen habe, mein Brot zu essen. Vor lauter Stöhnen und Schreien bin ich nur noch Haut und Knochen. Ich habe keinen Menschen „Es ist aber in Jerusalem beim Schaftor ein Teich, der Ich bin wie eine Dohle in der Wüste, wie eine heißt auf Hebräisch Betesda. Dort sind fünf Hallen; Eule in öden Ruinen. Ich liege wach und ich klage in denen lagen viele Kranke, Blinde, Lahme, Ausge- wie ein einsamer Vogel auf dem Dach. Den gan- zehrte. Es war aber dort ein Mensch, der lag acht- zen Tag verhöhnten mich meine Feinde; die über unddreißig Jahre krank. Als Jesus den liegen sah mich Spott ausgossen, fluchten mit meinem Na- und vernahm, dass er schon so lange gelegen hatte, men. Denn Staub habe ich gegessen wie Brot, mit sprach er zu ihm: Willst du gesund werden? Der Tränen habe ich meinen Trank gemischt. Kranke antwortete ihm: Herr, ich habe keinen Men- schen.“ (Joh 5, 2-7a) Seit Jahrtausenden wird die- Die Einsamkeit hat zwei Gesichter. ser klassische Satz wiederholt: „Ich habe keinen Die Schattenseite der Einsamkeit wird erfahren, Menschen.“ Was steckt in diesen Worten „Ich wenn die elementaren Bedürfnisse nach Nähe, Ge- habe keinen Menschen?“. Bittere Enttäuschung? borgenheit und verlässlicher Zuwendung unerfüllt Trauer? Aufgestauter Frust? Hoffnungslosigkeit? bleiben. Besonders Kinder fühlen sich verlassen, In jedem Fall: Tiefe Einsamkeit und Resignation. wenn niemand mit ihnen spricht, wenn niemand Zeit „Ich habe keinen Menschen“, sagt der Kranke. für sie hat, um sie in den Arm zu nehmen, sie zu lieb- Ich bin auf mich selber angewiesen. Da ist nie- kosen. Es gelingt ihnen kaum, ein Urvertrauen dem mand, auf den ich zählen kann, dem ich etwas Leben gegenüber zu entwickeln. Im späteren Leben bedeute, der mir zuhört, der meine Sorgen und tun sie sich oft schwer, auf andere zuzugehen. Lange- Probleme mitträgt. weile, Lähmung und Unrast steigern sich bis zu dem Diese Einsamkeit bringt der Beter im Psalm Gefühl der Ausweglosigkeit und der Vergeblichkeit. 102 1-10 vor seinem Gott zur Sprache. Er fin- Eine andere Form belastender Einsamkeit entwickelt det dazu eindrucksvolle Bilder, die für sich sich in Menschen, die sich als Außenseiter fühlen, als selbst sprechen: Farbige unter Weißen, als Verlierer unter Siegern, als HERR, höre mein Bittgebet! Mein Schreien drin- Fremde unter Einheimischen, als Gläubige und Ungläu- ge zu dir! Verbirg dein Angesicht nicht vor mir! bige. Es ist schwer erträglich, nicht zur Mehrheit zu ge- Wenn ich in Not bin, wende dein Ohr mir zu! hören. Mit dem Begriff „Mobbing“ beschreibt man heute, Wenn ich dich rufe, eile und erhöre mich! Denn wenn in einer Schulklasse, einem Betrieb, einem Groß- meine Tage sind wie Rauch geschwunden, mei- büro Einzelnen das Leben schwer gemacht wird: Eine

4 5 Mehrheit tut sich zusammen, um einen Die Kartäuser Einzelnen oder eine Minderheit zu drang- Sie stehen stellvertretend vor Gott für die salieren, an der Rand zu drängen, aus der vielen, die keine Zeit mehr haben für ihn, Gemeinschaft auszuschließen. den Lebendigen. Dafür leben sie in bedin- gungsloser Hingabe, radikal zurückgezogen. Einsamkeit kann auch als Chance begriffen Im 11. Jahrhundert hat Bruno von Köln die- werden, wenn sie hilft, in besonderen Le- sen Orden gegründet. An ihrer Lebensweise benssituationen mit Schwierigkeiten, etwa hat sich bis auf den Tag nichts geändert: der Pubertät oder der Lebensmitte besser Jedem Mönch steht für sein zurückgezoge- zurecht zu kommen. Dann suchen Men- nes Leben im Verband der Klosteranlage ein schen die Einsamkeit, um sich neu zu ori- eigenes Häuschen zur Verfügung: darin ein entieren, um sich mit der Vergangenheit zu Vorraum mit einem Bild oder einer Statue Ma- versöhnen und auf eine neue Wegstrecke rias, ein Raum mit Arbeits- und Esstisch, eine einzustellen. Oft sind es gerade schöpferi- Gebetsnische, daneben ein Strohbett. Dahinter sche Menschen, die sich in die Einsamkeit eine Werkstatt, eine Werkbank, und ein ummau- zurückziehen, um ungestört in sich wach- erter Garten mit Blumen und Gemüse. sen und reifen zu lassen, was sich etwa in der Kunst Ausdruck verschaffen möchte. Welchen Gewinn die Einsamkeit und das Schwei- gen denen bereiten, die sie lieben, wissen nur Von besonderer Bedeutung ist die selbst- jene, die es selbst erfahren haben. In der Regel gewählte Einsamkeit für Menschen, die der Kartäuser heißt es dazu: „Das arme Leben sich auf die Suche nach dem Göttlichen in Einsamkeit ist zu Beginn schwer, wird mit der machen. Die großen geistlichen Gestalten Zeit leicht und am Ende himmlisch.“ Das ständige der Glaubensgeschichte kamen alle aus der Gespräch mit Gott ist die Mitte dieser Lebensform. Einsamkeit. Johannes der Täufer kommt Die Lebensgeschichte des Kartäusers ist eine Lie- aus der Wüste an den Jordan, der Apostel besgeschichte. Nur so lässt sich die Härte der Ein- Paulus zieht sich in die arabische Wüste samkeit ertragen als eine besonders anspruchsvolle zurück. Benedikt von Nursia suchte in der Form der Nachfolge Christi. Höhle von Subiaco nach einer Antwort auf seine Fragen, Franziskus wusste sich in den Carceri oberhalb von Assisi Gott besonders nahe und Ignatius von Loyola machte in der Höhle von Manresa jene Erfahrungen, die er dann im Exerzitienbüchlein niedergeschrie- ben hat, seinem geistlichen Testament. Die- se und viele andere Ordensgründer haben jeweils neu die Wege in der Einsamkeit entdeckt, die schon die Wüstenväter der ersten christlichen Jahrhunderte gegangen sind. Vielleicht am konsequentesten und ernsthaftesten hat bis in unsere Zeit eine Ordensgemeinschaft diesen Weg der Gott- suche beschritten:

6 7 Jesus Das Geheimnis der Gemeinschaft selbst hat beide Weisen der Einsamkeit durchlebt Es ist nicht gut, dass der Mensch allein bleibt (Gen 2,18)! und geheiligt. Er hat sich zum Beginn seines öffent- Gott selbst, der Schöpfer, gibt den Menschen diese Ein- lichen Wirkens für 40 Tage in die Einsamkeit der ju- sicht mit auf den Weg. Einsamkeit und Gemeinschaft däischen Wüste zurückgezogen. In der Wüste klärte bedingen sich gegenseitig. Ausgerechnet in der Einsam- er seine Berufung und er bestand auch die Versu- keit sind die Konzepte für geistliche Gemeinschaften chung durch den Teufel, der alles daran setzte, ihn entstanden. Sich in einer Gemeinschaft zu engagieren von seinem Weg abzubringen. Immer dann, wenn ist das beste Heilmittel gegen die lebensbedrohenden eine wichtige Entscheidung anstand, hat Jesus sich Begleiterscheinungen der Einsamkeit. Auch umgekehrt in die Einsamkeit der Berge zurückgezogen, um sich gilt: Wer die Einsamkeit nicht erträgt, kommt auch in dort im Gebet mit dem Vater zu verbinden. einer Gemeinschaft kaum zurecht. Ein wunderbares Aber er kannte auch die andere Seite, die schmerz- und lebensnahes Bild für eine lebendige Gemeinschaft hafte Seite der Einsamkeit. Die Bewohner seiner Hei- entwirft der Apostel Paulus im 1. Korintherbrief (12) matstadt Nazareth haben ihn abgelehnt, gemobbt, und sie versuchten ihn sogar umzubringen. Im Öl- Denn wie der Leib einer ist, doch viele Glieder hat, nötig haben. Gott aber hat den Leib so zusammenge- garten, als er vor Angst Blut schwitzte, da haben ihn alle Glieder des Leibes aber, obgleich es viele sind, ei- fügt, dass er dem benachteiligten Glied umso mehr seine Apostel im Stich gelassen. Sie waren einge- nen einzigen Leib bilden: So ist es auch mit Christus. Ehre zukommen ließ, damit im Leib kein Zwiespalt schlafen, seine Not interessierte sie nicht. Schließ- Durch den einen Geist wurden wir in der Taufe alle entstehe, sondern alle Glieder einträchtig fürein- lich verdichtete sich die Erfahrung der Einsmkeit, als in einen einzigen Leib aufgenommen, Juden und ander sorgen. Wenn darum ein Glied leidet, leiden er sich am Kreuz sogar von Gott, seinem Vater ver- Griechen, Sklaven und Freie; und alle wurden wir alle Glieder mit; wenn ein Glied geehrt wird, freuen lassen fühlte: Mein Gott, mein Gott, warum hast du mit dem einen Geist getränkt. Auch der Leib be- sich alle Glieder mit. Ihr aber seid der Leib Christi mich verlassen (Mt 27,46). steht nicht nur aus einem Glied, sondern aus vielen und jeder Einzelne ist ein Glied an ihm. Gliedern. Wenn der Fuß sagt: Ich bin keine Hand, ich gehöre nicht zum Leib!, so gehört er doch zum Dieser wunderbare Vergleich hat nichts an Aktuali- Leib. Und wenn das Ohr sagt: Ich bin kein Auge, tät verloren und passt auch in unsere Zeit. An drei ich gehöre nicht zum Leib!, so gehört es doch Aspekten lässt sich das Geheimnis gelingender Ge- zum Leib. Wenn der ganze Leib nur Auge wäre, meinschaft gut beschreiben: wo bliebe dann das Gehör? Wenn er nur Gehör Ein Körper ist etwas Lebendiges, Dynamisches. Er ist wäre, wo bliebe dann der Geruchssinn? immer in Bewegung. Das gilt für die einzelnen Kör- Nun aber hat Gott jedes einzelne Glied so in den perteile wie für den Leib insgesamt. Sie erfüllen ihren Leib eingefügt, wie es seiner Absicht entsprach. Auftrag im Dienst am Ganzen, indem sie sich bewe- Wären alle zusammen nur ein Glied, wo blie- gen. Jedes Organ entscheidet anders, wie es seinem be dann der Leib? So aber gibt es viele Glieder Dienst am Ganzen gerecht wird. Gleichzeitig sind alle und doch nur einen Leib. Das Auge kann nicht einzelnen Glieder miteinander verbunden und gleich zur Hand sagen: Ich brauche dich nicht. Der wichtig. Bei unserem menschlichen Körper sind es v.a. Kopf wiederum kann nicht zu den Füßen sa- die Knochen, Sehnen und Bänder, die uns zusammen- gen: Ich brauche euch nicht. Im Gegenteil, ge- halten, nicht zu vergessen die Haut, die alles schützend rade die schwächer scheinenden Glieder des umspannt. Außerdem sind die anderen Glieder auch Leibes sind unentbehrlich. Denen, die wir für „Konkurrenten“. Der Apostel Paulus beschreibt diesen weniger edel ansehen, erweisen wir umso Zusammenhang auf anschauliche Weise: Da kann man mehr Ehre und unseren weniger anständigen als „Fuß“ schnell mal sagen: Ich bin keine Hand, darum Gliedern begegnen wir mit umso mehr An- gehöre ich nicht zum Leib! – und der Gemeinschaft den stand, während die Anständigen das nicht Rücken kehren. Oder aber das Haupt sagt zu den Füßen:

8 9 Ich brauche euch nicht – und schließt wiederum andere Franziskus und seine Bruderschaft Und jener sprach: „Ich sterbe vor Hunger.“ Da ließ der se- aus. Doch letztlich geht es nicht ohne die anderen, nur „Und nachdem mir der Herr Brüder gegeben lige Franziskus ein Mahl bereiten und weil er ein Mensch miteinander. Für alle Aufgaben ist jeder und jede von hatte, zeigte mir niemand, was ich tun sollte, voll Liebe und Weisheit war, ass er mit jenem Bruder, da- ihnen gleich wichtig, denn: Wenn der ganze Leib Auge sondern der Höchste selbst hat mir geoffen- mit er sich nicht schäme, allein zu essen; und weil er es so wäre, wo bliebe das Gehör? Wenn er ganz Gehör wäre, bart, dass ich nach der Form des heiligen Evan- wollte, assen auch alle anderen Brüder mit ihm. (Spiegel wo bliebe der Geruch? Nun aber sind es viele Glieder, geliums leben sollte“ (Testament 14) der Vollkommenheit II.1) aber der Leib ist einer. Eine Gemeinschaft funktioniert am besten dann, wenn Dass sich aus der Bewegung um Franziskus Dabei weiß er sich nicht nur den Brüdern selber ver- alle Teile zusammenwirken. Wenn die Augen ab- ein Weltorden entwickelt hat, ergab sich eher pflichtet. Die ganze Schöpfung wird für ihn zum Rah- schweifen und der Kopf sowieso nicht bei der Sache beiläufig. Das Beispiel des Heiligen, die Faszi- men, in dem Gemeinschaft erfahren werden kann, Ge- ist, dann fällt man unweigerlich über seine eigenen nation und Originalität seines Weges, hat sehr meinschaft mit der unbelebten Natur, mit Schwester Füße. Damit das gerade nicht passiert, müssen alle bald andere angesprochen. In seiner Regel und Sonne und Bruder Mond, mit Wasser und Feuer. Mit Körperteile ihre je eigenen Stärken einbringen und in den „Ermahnungen“ wird Franziskus nicht allen Geschöpfen, mit Pflanzen und Tieren weiß er sich aufeinander abstimmen. Jeder einzelne muss müde, Grundsätzliches über die Gemeinschaft sich geschwisterlich verbunden. Ja, sogar der leibli- das Seine zum Gelingen des Miteinanders beitragen. der Brüder an konkreten Beispielen zu erläutern: che Tod wird als Bruder begrüßt. Solche Einsichten Die Ohren bringen das Hören ein, die Hände das werden plötzlich in unserer Zeit brandaktuell, wo wir Zupacken und die Beine sorgen dafür, dass der Kör- Und wo immer die Brüder sind und sich treffen, die Zerstörung der Schöpfung durch unser mensch- per einen festen Stand hat. Gemeinschaft bedeutet sollen sie sich einander als Hausgenossen erzeigen. liches Verhalten nicht mehr übersehen können und nicht nur Geben, sondern auch Nehmen. Oder um Und vertrauensvoll soll einer dem anderen seine plötzlich spüren: Wir sind als menschliche Gemein- es mit Paulus zu sagen: Die Glieder sollen einträch- Not offenbaren; denn wenn schon eine Mutter ihren schaft verantwortlich für die Welt, in der wir leben. tig füreinander sorgen. Und wenn ein Glied leidet, leiblichen Sohn so nährt und liebt, um wie viel sorg- so leiden alle Glieder mit, und wenn ein Glied ge- fältiger muss einer seinen geistlichen Bruder lieben Gemeinsam das Ziel erreichen ehrt wird, so freuen sich alle Glieder mit. und nähren? Und wenn einer von ihnen in Krankheit Bei der Olympiade der Behinderten in den USA vor fällt, dann müssen die anderen Brüder ihm so die- einigen Jahren bewegte die wenigen Zuschauer vor nen, wie sie selbst bedient sein wollten. (BReg 6,7) allem der 400m-Endlauf der Männer. Acht Behin- derte laufen los. Sie laufen nicht elegant, aber sie Franziskus ist kein Theoretiker, der abstrakt über laufen, jeder mit einem anderen Handicap. Das Gemeinschaft philosophiert. Ein besonders schönes sieht nicht so schön aus, und mancher wendet Beispiel gelebter Brüderlichkeit ist uns im „Spiegel sich erschrocken ab. Doch dann schauen wie- der Vollkommenheit“ überliefert: der alle hin, als kurz vor dem Ziel der führende Läufer stürzt. Der Zweite rennt nicht vorbei, um In jener Zeit, da der selige Franziskus begonnen hat- sich den Sieg zu sichern Er läuft zu dem Ge- te, Brüder zu haben, und mit ihnen zu Rivo Torto in stürzten, richtet ihn mühsam auf, greift unter der Nähe von Assisi weilte, geschah es einmal, dass um seine Arme, schleppt ihn mit sich und zu zweit Mitternacht, während alle Brüder ruhten, einer von ih- humpeln sie weiter. Da kommen die anderen nen rief: „Ich sterbe! Ich sterbe!“ Die Brüder wachten auch schon heran, aber auch sie laufen nun alle auf, wunderten sich und erschraken. Und der selige nicht an den beiden vorbei, sondern auf sie Franziskus erhob sich und sprach: “Steht auf, ihr Brüder, zu. Alle greifen sich unter die Arme, den Ge- und zündet ein Licht an.“ Und als sie in Licht angezündet stürzten haben sie in der Mitte, und so laufen hatten, sprach er: „Wer ist der, welcher sprach: Ich ster- und schleppen sie sich gemeinsam ins Ziel. be?“ Und es sprach jener Bruder: „Ich bin es.“ – Und er sprach zu ihm: „Was hast du, Bruder? Warum stirbst du?“ P. Benedikt Grimm OFM

10 11 LESEECKE

Freiwillig Dieter Fischer Angehörig/e/r werden aus heilpädagogischer Sicht Edition Bentheim ISBN 978-3-946899-08-2 39,50 EUR

Im Sommer 2019 erschien in der Edition Bentheim dieses neue Buch von Dieter Fischer, das bereits in seiner Titelbildgestaltung die Leser herausfordert. Le- ben ist permanenter Wandel, deshalb gewinnt das Werden an Bedeutung. Fischer zeichnet in bewährter Art die Prozesse dieses Angehörigwerdens. Auf 401 Seiten und 8 Seiten Li- teraturangaben beleuchtet der Autor philosophisch, religiös und ethymologisch dieses Angehörigwer- den und Angehörigsein. Die Aspekte des Selbstseins als Angehöriger und das Loslassen werden dabei nicht ausgelassen. Wie von Fischer gewohnt, bereichern passende Zitate und die sensible Wahl an Abbildungen die- ses Buch, zu welchem man immer wieder grei- fen kann und so Anregung, ja Lebenshilfe, finden kann.

Der Witz setzt immer Dieses Buch ist nicht nur für Heilpädagogen le- ein Publikum voraus. senswert, sondern für alle, die Angehörige ha- Darum kann man den Witz ben, deren Leben herausfordernd sein kann. auch nicht bei sich behalten. Denn das Leben eines Angehörigen gleicht gele- Für sich allein gentlich einem Abenteuer! Und das Leben soll ist man nicht witzig. für alle ein gutes, ja ein „heiles“ Leben sein.

Johann Wolfgang von Goethe Sr. M. Katharina Wildenauer CSJ

12 13 Im Nebel

Seltsam, im Nebel zu wandern! Einsam ist jeder Busch und Stein, Kein Baum sieht den anderen, Jeder ist allein. Voll von Freunden war mir die Welt, Als noch mein Leben licht war; Nun, da der Nebel fällt, Ist keiner mehr sichtbar. Wahrlich, keiner ist weise, Der nicht das Dunkel kennt, Das unentrinnbar und leise Von allem ihn trennt. Seltsam, im Nebel zu wandern! Leben ist Einsamsein. Kein Mensch kennt den andern, Jeder ist allein.

Hermann Hesse

14 15 Gemeinschaftsleben Dreiecksbeziehung:

Normalerwei- Ich, Du und Wir se löst der Begriff Dreiecksbeziehung negative Assoziationen - aus. So eine Beziehung birgt Sprengstoff! - - Dieser Begriff kann aber – wie wir sehen – auch ganz anders ge deutet werden. Bei dieser Drei- ecksbeziehung gewinnt die Zweisam keit an Haltbarkeit und Tiefe, denn aus ei nem „Ich“ und „Du“ wird noch lange kein Paar, wenn sich der Einzelne nicht auf ein „Wir“ hin verständigt. Dieses „Wir“ muss gewollt und gestaltet werden mitsamt den Gemeinsamkei- ten und Verschiedenheiten dieses „Ichs“ und „Dus“. Dies gilt für eine Paarbeziehung, eine Familie, eine Freund- schaft, aber auch für eine Ordensgemeinschaft.

Gleich und Gleich gefällt sich gern (Jürgen Wilbert) Eine Ordensgemeinschaft fällt gelegentlich auch dadurch auf, dass alle Mitglieder das gleiche Gewand tragen. Wir Schwestern der St. Josefskong- regation werden in kirchlichen Kreisen häufig daran erkannt. Heißt dies nun, dass wir alle „gleich“ sind? Bei Weitem nicht. Wir alle haben ein gemeinsames Ideal. Wir wollen für Gott und für die Menschen leben. Dazu finden wir uns regelmäßig gemeinsam zum Gebet ein und verbringen gemeinsame Tisch- und Erholungszeiten. Wir sorgen füreinander – jede aber tut dies auf ihre Weise. Widmet sich eine Schwester konkret der Pflege und Fürsorge für die hilfsbedürftige Schwester, so erledigt eine andere die verwaltungsmäßigen Aufgaben für diese. Die dritte Schwester fährt in freien Zeiten eine Mitschwester im Rollstuhl spazieren, und die nächste wiederum lässt sich auf einen gemeinsamen Spaziergang ein … Wir beten gemeinsam das Stundengebet und feiern gemeinsam die Eucharistie, die kirchlichen und weltlichen Feste. Sind wir uns deshalb alle gleich? Wäre dies ein Ideal, so wäre dies gefährlich! Blieben wir nur unter uns, so wäre es dies ebenfalls. Blieben wir nur unter uns, weil wir die Spielregeln und Rituale kennen, so wäre dies keine Gemeinschaft. Es tut gut, wenn die Chemie stimmt, aber wichtig ist, keine „Scheuklappen“ zu tragen. Diese würden den Horizont extrem verengen. Franziskanerinnen und Franziskaner zeichnen sich seit eh und je darin aus, sich Herausforderungen zu stellen und Menschen 16 17 meinschaft begründen.“ Diese gemeinsa- men Wertvorstellungen sehen, einander mitteilen und miteinander in Verschieden- heit leben, ist die Maxime. „Nicht Tatsachen, sondern Meinungen über Tatsachen bestimmen das Zusammenleben“ (Epiktet). Wir müssen uns also immer wieder dazu auf- machen, die Meinungen der anderen gelten zu lassen und vielleicht sogar als Inspiration aus anderen Lebensumständen in ihre Nähe zu erleben. Wir dürfen uns aber nicht von zu lassen. Jung und Alt, … es ist nicht immer den Ansichten der Anderen abhängig machen, leicht, Brücken zu schaffen, die tragen, aber sondern sollten für uns persönlich (alleine) es belebt. Manchmal hilft auch der humorvol- entscheiden, welche Werte uns wichtig sind, le Ansatz: „Die Flöhe und die Wanzen gehö- und wie wir diese im Rahmen der Gemein- ren auch zum Ganzen.“ (Goethe) schaft umsetzen. Dies ist mit die Herausforde- Eine Ordensgemeinschaft ist nicht die ideale rung an das Leben in Gemeinschaft. Was zählt Gemeinschaft mit Harmonie pur; es gibt auch mehr: Mein „Ich“ oder die Gemeinschaft? Ich Situationen, in welchen wir mit Mitschwestern hadere immer wieder mit dieser Frage, und des- hadern. Das Leben wird jedoch nicht leichter, halb ist es wichtig, die Dreiecksbeziehung „Ich“, wenn wir uns gegen das auflehnen, was nicht „Du“ und „Wir“ immer wieder zu bedenken. dem Ideal oder uns selbst entspricht, son- dern dadurch, wenn wir Verschiedenheit als Sr. M. Katharina Wildenauer CSJ Reichtum auffassen im Bewusstsein, dass das Leben bunt ist. Licht und Schatten, Hell und Dunkel – geben der Welt ein Ganzes. Wir alle tragen jedoch „Vorurteile“ in uns, wie unsere Mitmenschen am besten zu sein hätten, da- mit das Zusammenleben leichter wäre, und es weniger Differenzen gäbe. Diese Vorurtei- le, oder nennen wir es Idealvorstellungen von Anderen, müssen wir durch einen gesunden Realismus ersetzen, die anderen so sein zu lassen, wie sie sind, und versuchen zu sehen, was wir „gemeinsam“ haben. Wir müssen uns nicht bedingungs- und kri- tiklos einander anpassen, sondern darauf achten, keine Grenzen zu überschreiten.

Gemeinschaft ist keine Gleichmacherei Walter Scheel sagte einmal: „Es sind die ge- meinsamen Wertvorstellungen, die eine Ge- Hilf mir, es allein zu tun.

Maria Montessori

18 19 Eine Kindheitserinnerung: Gemeinschaft gibt Sicherheit

Als ich noch recht klein war, fühlte ich mich am wohlsten, wenn ich alle meine älteren Brüder um mich wusste. Wie meine Mutter erzählte, brachte es nichts, mich abends zum Schlafengehen in ein ruhige- res Zimmer zu bringen. Ich schrie so laut, bis meine Eltern mich im Kinderbett ins Zimmer zu meinen Brü- dern schoben. Später – ich hatte nun ein eigenes Zimmer – genoss ich es, allein mit mir und einem Buch am Fenster zu sitzen und zu lesen. Aber es tat mir innerlich gut, um die ande- ren im Haus zu wissen und deren Geräusche zu hören. Erst sehr viel später war es mir eine Wohltat, ganz alleine im Haus oder im Freien zu sein – nicht auf Ansprache reagieren zu müssen und mich dem widmen zu können, was mir gerade wichtig war. Ich wusste ja tief in mir, dass es die anderen gab, und sie für mich da wären, und das gab mir Sicherheit. Noch heute ist es in mir, das Gemeinsamsein in Dankbar- keit für das, was war. So weiß ich um „meine Verstorbenen“ und lebe mit ihnen – freilich alleine. Aber ich denke, dass diese Entwicklung in mir auch die Grundlage meines Glau- bens ist. Gott sehe ich nicht, aber er ist gemeinsam mit mir unterwegs. Manchmal spüre ich dies tief in mir, manchmal muss ich um diese Gewissheit ringen. Da helfen gemeinsame Gebetszeiten mit meinen Mitschwestern. Wir sind gemein- sam – jede für sich – auf dem Weg mit Gott.

Sr. M. Katharina Wildenauer CSJ

20 21 Einladung zur Benefizveranstaltung Sehr geehrte Damen und Herren, tatsächlich sehen wir doch alle in unserem Alltag – geprägt von Hektik Programm zugunsten der Stiftung pro vita und Stress – oftmals viel zu selten und bewusst auf Missstände, auf unter der Schirmherrschaft von Dr. Theo Waigel Elend, auf Not. Das ist es auch, was unserer Zeit heute fehlt, an was 15.45 Uhr Empfang Bundesminister der Finanzen a.D. es mangelt: „Bewusstes Hinschauen“. Genau dazu, nämlich zum ganz bewussten Hinschauen, laden wir Sie zu einer gemeinsamen Benefiz- 16.15 Uhr Aufführung Samstag, 16. November 2019 veranstaltung am 16. November 2019 ganz herzlich nach Ursberg ein. Musikalische Einleitung durch den ab 15.45 Uhr Inspiriert durch die aufopfernde Arbeit der Rescue Foundation ist ein be- Gebärdenchor des eindruckender Dokumentarfi lm zum Thema„Menschenhandel und sexuelle Dominikus-Ringeisen-Werks Dominikus-Ringeisen-Werk, Ringeisensaal, Ursberg Gewalt in Indien“ entstanden. Den Dokumentarfi lm „Verschleppt. Ver- kauft. Gequält. Gerettet!“ wollen wir Ihnen persönlich näher bringen – 16.30 Uhr Begrüßung / Grußworte eingebettet in ein ansprechendes Rahmenprogramm. Er wird über die Schwester Katharina Wildenauer Hintergründe des Menschenhandels und die Situation von Frauen und Generaloberin Kindern in der Zwangsprostitution berichten, sowie authentische Filmse- St. Josefskongregation quenzen zur Planung und Durchführung von Razzien und die unmittel- Michael Winter bare Rettung der Opfer aus den Fängen der Menschenhändler durch die Stellv. Vorstandsvorsitzender Rescue Foundation zeigen. Einige der geretteten Frauen und Kinder wer- Dominikus-Ringeisen-Werk den sehr berührend über die Hintergründe ihrer Verschleppung sprechen. Ebenso über ihre traumatischen Erfahrungen in Bordellen, ihre Befreiung Dr. Theo Waigel durch die Rescue Foundation, ihren Alltag in den Schutzzentren der Or- Schirmherr ganisation und über ihre Vorbereitung auf ein eigenständiges Leben in Bundesminister der Finanzen a.D. Selbstverantwortung und Freiheit. Harald Röder ,,Jeder Mensch ist kostbar“: Die Schwestern der St. Josefskongregation Geschäftsführer Verschleppt. und das Dominikus-Ringeisen-Werk unterstützen mit der Verwirklichung Deutsche Beratungsgesellschaft für der Veranstaltung in Ursberg das Anliegen der Stiftung pro vita. Seit Zeitwertkonten und Lebensarbeitszeit- Ende des 19. Jahrhunderts steht für das Werk der Mensch im Mittel- modelle Verkauft. Gequält. punkt, sei es in der Mitte oder am Rand der Gesellschaft. Präsident des Kuratoriums Stiftung pro vita Es ist uns eine große Freude, Sie anlässlich der Benefi zveranstaltung als unseren Gast in Ursberg begrüßen zu dürfen. Uns alle erwartet eine be- 17.00 Uhr Marimbaphon-Konzert eindruckende und sicher sehr berührende Begegnung. Darauf freuen wir Jasmin Kolberg Gerettet! uns schon heute. Menschenhandel und sexuelle Gewalt in Indien 17.30 Uhr Filmaufführung Herzliche Grüße „Verschleppt. Verkauft. Gequält. Gerettet!“ Dokumentarfilm aus dem Rotlicht Indiens über den mutigen und aufopfernden Einsatz von Menschen, Schwester Katharina Wildenauer 18.30 Uhr Dialog die Frauen und Kinder aus der Zwangsprostitution befreien. Generaloberin St. Josefskongregation mit dem Filmproduzenten Harald Röder Ein Film von Harald Röder und Eckart Reichl Michael Winter und dem Regiekameramann Eckart Reichl Stellv. Vorstandsvorsitzender Dominikus-Ringeisen-Werk Filmaufführung im Rahmen der Benefizveranstaltung ab 18.45 Uhr Diskussion und Gesprächsforum Harald Röder mit Imbiss und Umtrunk Präsident des Kuratoriums Stiftung pro vita Eintritt frei Wir freuen uns über eine Spende für die Stiftung pro vita Ja, ich/wir komme(n) zur Benefi zveranstaltung mit ______Person(en). Bitte diese Rückantwort kopieren oder ausschneiden Die Einlasskarten werden Ihnen auf dem Postweg zugesendet. und bis spätestens 30. Oktober 2019 auf dem Postweg, per Fax oder Mail an die Stiftung pro vita Firma / Institution / Einrichtung Herzlichen Dank senden. Herzlichen Dank! an den Sponsor Vorname & Nachname pro vita Hohenstaufenstraße 49 73547 Lorch Straße & Hausnummer Tel 07172.20 4330 -10 Fax 07172.20 4330 -29 Deutsche Beratungsgesellschaft für Zeitwertkonten und www.stiftung-provita.de Lebensarbeitszeitmodelle mbH PLZ & Ort [email protected] Der Mensch ist sein Leben lang allein, da er als einmaliger Es gibt Menschen (Einsiedlerinnen, Mysti- Mensch geboren wird, aber keiner will auf Dauer allein sein. kerinnen), die die Einsamkeit suchen, um Alleinsein Der Mensch ist auf Begegnung ausgelegt, keiner kann le- sich selbst auf den Grund zu kommen. Erst ben ohne Zuwendung und Gemeinschaft. Dies beginnt wenn sie die Zwiesprache mit anderen nicht bei der Geburt als hilfsbedürftiges Baby und endet nach mehr schmerzlich vermissen, haben sie aus ist das Salz dem Tod. Fehlt dem Mensch Zuwendung und Anspra- der Einsamkeit herausgefunden und treten in che, so verstirbt er recht schnell, wie die Versuche von eine Art „inneren Dialog“. Dieser Dialog – wir René Spitz bewiesen. Wichtig ist jedoch, dass sich der können ihn auch als Meditation oder Gebet des Menschseins Mensch in seiner Einzigartigkeit, Individualität entwi- bezeichnen – hilft diesen Menschen, sich im ckelt und wahrnimmt. Deshalb ist der Mensch von Hier und Jetzt zu verankern. Allein dies ist das klein an auf das rechte Maß an Zuwendung und Allein- Ziel, nicht ein Wegdriften, um der Realität zu oder sein angewiesen. entfliehen. Der Mensch muss mit sich selbst in Beziehung stehen, Man kann ein Buch nicht wirklich lesen, ohne Keiner sonst gelingt Gemeinschaft nicht, und er lebt in extre- allein zu sein.“ (Antonio Munez Molina) mer Unsicherheit und Abhängigkeit. Dieses Alleinsein ist notwendig, damit sich die Es gibt viele Menschen, die es nicht mit sich selbst Welt öffnet, um Menschen, Geschichten und lebt für sich, aushalten; sie fliehen vor den Computer oder den Sprache kennenzulernen, die man sonst nie ken- PC, gehen in Kneipen und trinken, besuchen Be- nengelernt hätte. kanntschaften etc. Die Grenzen des Alleinseins sind fließend. So gibt niemand Alleinsein kann ein Zustand sein, wie z.B. ohne es ein Alleinsein des Mangels und ein Alleinsein in Partner als Single leben. Alleinsein kann aber auch der Fülle. Gönnen wir uns regelmäßig dieses „Al- eine Befindlichkeit sein, wie sich allein und verlas- leinsein aus der Fülle“. Dosieren wir dies aber wie ist eine Insel sen, einsam fühlen. das Salz in der Suppe: mit Maß und Ziel. Das Alleinleben muss bewusst gewählt werden, um „Man muss beides verbinden und sich abwechseln nicht in Einsamkeit zu münden. Wie viele alte Men- lassen: Alleinsein und Geselligkeit“ (Seneca), denn schen leben allein, weil die Kinder aus dem Haus die Fähigkeit, anderen gerecht zu werden, hängt eng sind und die Lebenspartner verstarben! Diese Men- mit der Fähigkeit zusammen, sich selbst zu erken- schen sind zweifellos oft einsam, wenn es ihnen nen. Das Alleinsein ist wichtig, um mit sich selbst, nicht gelingt, diesen „unfreiwilligen“ Lebensum- den Lebensbedingungen und Herausforderungen stand zu akzeptieren und bewusst zu gestalten! zurecht und ins Reine zu kommen. Manchmal muss Andere sind einsam, obwohl sie in einer Familie man sich deshalb aus dem Trubel des Alltags zurück- leben, weil Ihnen das Miteinander nicht gelingt! ziehen, um einen klaren Kopf zu bekommen. Manche Wer allein lebt, hat oft mehr Zeit als andere für steigen dazu auf einen Berg, andere meditieren oder Hobbies wie Kunst, Sport, Musik oder ein Eh- malen, und wieder andere ziehen sich zurück in eine renamt. Kirche, um zu beten. So können Sie „geläutert“ zur Ge- meinschaft zurückkehren. Wer nur im Schneckenhaus „Alleinsein kann es erst geben, wenn die Ein- verweilt, vereinsamt. Wer nur in Gesellschaft verweilt, samkeit aufgehört hat.“ (Jiddu Krishnamurti) verliert sich selbst, die Dosis ist wichtig! Einsamkeit ist Sehnsucht nach Begegnung. Wer sich einsam fühlt, der verspürt einen Sr. M. Katharina Wildenauer CSJ Mangel, fühlt sich von den Menschen und der Welt „abgetrennt“. Einsame Menschen sind isoliert.

24 25 gemeinsam = einander wertschätzen

Nacht für Nacht steht der Bäcker in seinem Betrieb, um unsere Backwaren für den Tag anzufer- tigen. Der Kaminkehrer kommt ungefragt, um die Kamine zu reinigen und die Heizung zu überprüfen. Die Krankenschwester übernimmt den Feiertagsdienst, um die Kranken zu pflegen. Nachmittag für Nachmittag sitzt die Lehrerin an ihrem Schreibtisch, um zu korrigieren oder den nächsten Schultag vorzubereiten … Nicht jede(r) wird die Tätigkeit permanent als Berufung empfinden. Doch all dieses in Sorg- falt geplante Handeln ist in hohem Maße sinnvoll und nützlich. Unser Leben wäre um einiges schlechter, wenn es die Handwerker, die Pflegerinnen, die Postbeamten etc. nicht gäbe, und wenn diese nicht verlässlich arbeiten würden. Jede gute Arbeit zeitigt gute Nachwirkungen, sind kleine Lichtblicke im Alltag. Diese Lichtbringer lassen das gemeinsame und das persönliche Leben gelingen. Oder: Was würden Sie tun, wenn die Waschmaschine nicht mehr geht, kein Waschsalon in der Nähe ist? Handwäsche? Gut, dass es die Helfer gibt, auch wenn wir ein paar Tage auf sie warten müssen.

Sr. M. Katharina Wildenauer CSJ

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Gedanken zum Wort „gemeinsam“

Keiner von uns will und kann auf Dauer allein sein. Der Mensch ist auf Zuwendung und Gemeinschaft angewiesen. Wir schätzen es, Weggefährten zu haben. Dabei soll aber das Gemeinsamsein nicht nur dem eigenen Ich dienen, sondern der Gemeinschaft an sich. Zerlegen wir das Wort „gemeinsam“, so kommen wesentliche Aspekte des Ge- meinsamseins zum Ausdruck: gemeinsam gemeinsam gemeinsam gemeinsam gemeinsam gemeinsam gemeinsam

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meinsamgemeinsam gemeinsamgemein samgemeinsamge meinsamgemeinsam gemeinsamgemein samgemeinsamge meinsamgemeinsam -

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- ge ein einsam Die Vorsilbe „ge“ steht oft für mehrere Ein- Wir sind eine Weltgemeinschaft. Deshalb Wenn ich auch ein Teil einer Gemein- zelne, die in einem Verbund auftreten und tragen wir Verantwortung füreinander. schaft bin, bin ich dennoch „einsam“. so zu einem Ganzen werden: Die Silbe „ein“ finden wir ebenfalls im Ge- Jedes Gemeinsam hat Grenzen. Einsam Mehrere Berge werden zu einem Gebirge. gensatz von gemeinsam im Wort „allein“. sein, heißt Individuum sein. Diese Landschaftsform mit ihrem besonde- Trotz aller Gemeinschaft bin ich eine Einsame Menschen entbehren den Aus- ren Reiz zieht Menschen an. Frau – Sie, lieber Leser – sind vielleicht tausch mit anderen, den Gleichklang der Mehrere Büsche werden zu einem Gebüsch, ein Mann. Der Einzelne ist in einer Ge- Seelen. Einsam sein trägt die Sehnsucht welches die Natur bereichert oder vielleicht meinschaft wertvoll und zu achten. Ge- nach dem Ende dieses Zustandes in sich. bei manchem das persönliche Grundstück meinschaftsleben darf nicht alle gleich Einsam zu sein, ist eine Grundbefind- abgrenzt. machen und über einen Kamm sche- lichkeit unseres Menschseins, denn kein Bei einem Gesuch müssen oft mehrere ein- ren. Jedem Einzelnen muss ein Gemein- Mensch kann mein Leben übernehmen, zelne Anfragen beantwortet werden. schaftsleben gerecht werden. keiner kann dem anderen Leid, Krankheit Blitz und Donner werden zu einem Gewitter. oder das Sterben abnehmen. Wir können Ebbe und Flut sind die Gezeiten, die das Le- nur Begleiter sein. ben am Meer bestimmen. Wir müssen aber darauf achten, dass uns die Einsamkeit nicht überwältigt, und da- her sind uns Begegnungen und Verbin- dungen eine Hilfe. einsAls Weltgemeinschaft sollten wir „eins“ Wir leben in einer Zeit der „Single-Haus- sein – einig sein. Auf Dauer können die halte“. Was müssen manche Menschen Bewohner der reichen Länder nicht auf wohl an Einsamkeit ausgehalten haben, Kosten der Menschen anderer Kontinen- die man erst Wochen nach Ihrem Ster- meinLebe ich in einer Gemeinschaft, so soll es meine te leben. Wir müssen uns gemeinsam be- ben auffindet? Gemeinschaft sein, um auf Dauer erfüllt leben wusst sein, dass jede(r) für sich Verant- Vergessen wir aber nicht: Einsamkeit zu können. So lebe ich mit meinen Mitschwes- wortung dafür trägt, dass auch in Zukunft kann auch Reichtum sein! Nur sie gibt tern. Sie gehören zu „mir“, sind aber nicht mein Leben auf unserem Planeten möglich ist. mir z.B. die Möglichkeit, die Größe der Besitz. Ebenso verhält es sich bei „meinem“ Jesus lebte die Sehnsucht: „Alle sollen Schöpfung in Ruhe zu betrachten, mein Ehemann, „meiner“ Frau oder meinem(n) eins werden, wie ich mit dem Vater eins Buch zu lesen, mein Gebet in Andacht zu Kind(ern), wenn ich nicht als Single lebe. Ich bin.“ (Joh. 17,21) sprechen kann aber auch „meine“ Freundin besuchen oder mit „meinem“ Freund spazieren gehen. Bei einem Leben in Gemeinschaft muss ich aber auch „meiner“ Selbst bewusst sein. Ich muss mich von den anderen abgrenzen gemein sam können. Ideales Gemeinschaftsleben gelingt Die Welt ist nicht mein Gut, sondern All- Wir sind nun bereits bei dem letzten nicht bei totaler Selbstaufgabe und Selbst- gemeingut. Wortteil „sam“. Dieser bezeichnet Be- verleugnung. Meine Interessen, meine Ta- Mit dem „gemeinen“ Volk bezeichnete ständigkeit. Gemeinsamkeit lebt von der lente – kurz mein Sein – muss ich in meine man nicht die bösartigen Menschen ei- Treue, der Beständigkeit der einzelnen Gemeinschaft einbringen können, ohne aber nes Volkes, sondern die Allgemeinheit, Mitglieder, sonst könnte sie auf Dauer radikal nur nach meinen Zielen zu leben. Ein für welches sich die politische Führung nicht die Herausforderungen bestehen. abgestimmtes Miteinander ist wesentlich. verantwortlich wusste. Sr. M. Katharina Wildenauer CSJ

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meinsamgemeinsam gemeinsamgemein samgemeinsamge meinsamgemeinsam gemeinsamgemein samgemeinsamge meinsamgemeinsam Steffi hat jetzt einen eigenen Briefkasten Allein oder gemeinsam wohnen: Noch nie gab es so viele unterschiedliche Möglichkei- ten für Menschen mit Behinderung. „Leben, wie es mir gefällt“ wird zum Leitsatz der mo- dernen Behindertenhilfe. Doch die staatlichen Anforderungen an das Wohnen für Menschen mit Handicap werden immer höher, der Kos- tendruck beim Wohnen insbesondere in Städ- ten immer größer. Auch wenn heute keine Post im Briefkasten ist, die Freude und der Stolz sind Steffi deutlich ins Gesicht geschrieben. Bislang hat sie in einer betreuten Wohngemeinschaft auf dem Gelände des Dominikus-Ringeisen-Werks in Ursberg ge- wohnt. Jetzt hat sie den Schlüssel zu ihrem eige- nen Briefkasten in der Hand. Der ist an ihrem neu- en Holzhaus angebracht. Es ist ein so genanntes Kleinsthaus, das „Tiny-Haus“ genannt wird. Darin stehen Küche, Wohnzimmer und Schlafzimmer zur Verfügung. Auf ca. 30 Quadratmetern hat Steffi ihr eigenes Reich. Allein wohnen – für Steffi ist das genau das Richtige. Denn hier kann sie sich so einrichten wie sie will und muss nicht so viel Rücksicht auf andere nehmen wie in einer gemeinsam genutzten Wohnung. Thomas Bauer unterstützt sie im Alltag. Der Heilerziehungs- pfleger schaut zweimal die Woche bei Steffi vorbei. Er ist überzeugt vom Konzept der Tiny-Häuser: „Man lebt eigenständig, hat aber seinen gewohnten Sozial- raum, die Arbeitsstelle und die Betreuungspersonen. Es ist ein geschützter Rahmen, in dem man selbstbe- stimmt leben kann“, sagt er.

Wohnungen für Menschen mit sehr großem Hilfebedarf Raum zum Leben für eine ganz andere Zielgruppe ent- steht nur wenige hundert Meter entfernt in Ursberg. „Dominikus neu“ ist der Projektname einer speziell für Menschen mit herausforderndem Verhalten konzipierten, stationären Wohneinrichtung. Denn diese können nicht alleine leben und müssen rund um die Uhr betreut werden.

32 Stolze Bewohnerin eines Tiny-Hauses: Steffi Mayer 33 Zwei Häuser mit jeweils 28 Plätzen entstehen gerade und Epochen des Wandels im Wohnen werden im Frühjahr und Herbst 2019 bezugsfertig sein. Da gibt es die großen Bauten aus der Grün- Ausgestattet sind sie mit speziellen, bruchsicheren Mate- derzeit, die vor allem Platz bieten mussten rialien, die den besonderen Verhaltensweisen ihrer geis- für Sammelunterkünfte für Menschen unter- tig behinderten Bewohnerinnen und Bewohner Rech- schiedlicher Hilfebedarfe. Zusammen mit den nung tragen. Menschen mit Behinderung lebten anfangs auch die Schwestern der St. Josefskongregati- Eine Fülle an Wohnangeboten on die, noch bis in die 1970er Jahre hinein, in ab- „Tiny-Häuser“ und „Dominikus neu“ sind so etwas wie gegrenzten Räumen mitwohnten. Die vorherr- weit auseinanderliegende Pole der Behindertenhilfe – schende Wohnsituation damals: Der Schlafsaal hier die weitgehende Selbstständigkeit, da eine sehr mit jeweils etwa 20 bis 25 Personen und unter- große Hilfsbedürftigkeit. Zwischen diesen inhaltlich schiedlichen Behinderungsarten auf einem Fleck. am weitesten voneinander entfernten Wohnmöglich- Das Haus St. Josef – das heutige Ringeisen-Gym- keiten gibt es ein großes Angebot des Dominikus-Rin- nasium – steht exemplarisch für diese Epoche. geisen-Werks, das vom Wohnen in Gastfamilien, in Ab etwa 1975 begannen große Umbau- und Er- betreuten Wohngruppen oder in einer eigenen Woh- neuerungsphasen auf dem Ursberger Campus, nung, über das Wohnen in einer Fachpflegeeinrich- die bis heute andauern. Standard wurde damals tung, dem Wohnen in einer Kinder- und Jugendein- das Doppel- und Dreibettzimmer; die Wohnge- richtung bis hin zum Wohnen im Alter reicht. Die meinschaften verkleinerten sich auf ca. 15 Perso- Vielzahl unterschiedlicher Möglichkeiten ist das nen. Ab dem Jahre 2000 dann ein weiterer tiefer Ergebnis einer langjährigen Entwicklung. Die ein- Eingriff in die Bau- und Wohnstruktur der Einrich- zelnen Phasen dieser Entwicklung lassen sich bei tungen: Ziel war die Verbesserung der Wohnsitu- Komplexstandorte wie Ursberg haben große stationäre Wohnheime, einem Spaziergang durch Ursberg an vielen unter- ation hin zu Einzelzimmern und weiteren Sanitär- wie hier die Einrichtungen St. Maria. schiedlichen Fassaden ablesen, die hier im Laufe räumen. von mehr als einem Jahrhundert erbaut worden Parallel zu den Weiterentwicklungen im Wohnen sind. etablierten sich neue Betreuungskonzepte in der Be- hindertenhilfe. Ebenfalls ab der Jahrtausendwende setzte die „Ambulantisierung“ ein. Wohnungen für Menschen mit Behinderungen wurden gebaut oder angemietet, um selbstständiges Wohnen zu ermög- lichen: Nicht mehr mit anderen zusammen, sondern lieber alleine wohnen. Ab etwa 2005 fand eine zu- nehmende Dezentralisierung von Wohnformen statt. Stationäre und ambulante Wohnangebote verlagerten sich von so genannten Komplexstandorten wie Ursberg hinein in umliegende Städte und Gemeinden. Für das Dominikus-Ringeisen-Werk bedeutete dies eine Zunah- me an einzelnen Einrichtungen, die quer über die drei Regierungsbezirke Schwaben, Oberbayern und Unter- franken verteilt sind.

Innovation im Ambulant Betreuten Wohnen: Neue stationäre Wohnform: „Dominikus neu“ 34 Die Kleinsthäusersiedlung in Ursberg. für Menschen mit intensiv-pädagogischem Bedarf in Ursberg. 35 Wohnqualität: die wirtschaftliche Herausforderung Wohnen in Zeiten der Wohnungsknappheit Mit den stärker ausdifferenzierten Hilfen für Menschen Für das Dominikus-Ringeisen-Werk kommt mit Behinderung kommen deren individuelle Bedürfnis- es in Zukunft umso mehr darauf an, den se immer mehr zur Geltung. Und das macht sich insbe- Spagat zwischen den Bedürfnissen von Men- sondere in einem der wichtigsten Lebensbereiche, dem schen mit Behinderung nach einem geeigne- Wohnen, bemerkbar. Innovationen in neuen Wohn- und ten Wohnraum zusammen mit der professio- Betreuungsangeboten kamen und kommen dabei aus nellen und individuellen Betreuung einerseits der Behindertenhilfe selbst. Doch längst hat der Ge- sowie deren Finanzierbarkeit im Rahmen setzgeber unter dem Motto des Verbraucherschutzes staatlicher Bauvorschriften so miteinander in eine Welle von Sanierungsmaßnahmen in Gang gesetzt, Einklang zu bringen, dass es für eine soziale die Träger wie das Dominikus-Ringeisen-Werk vor eine Einrichtung wirtschaftlich auskömmlich ist. große wirtschaftliche Herausforderung stellen. Zudem Insbesondere in den teuren Städten und Ge- verändern sich durch die gesetzlich vorgeschriebene meinden liegen große Herausforderungen vor Mindestgröße der Zimmer die Gruppengrößen. Pro uns. Das beginnt beim Suchen nach geeigne- Haus können nach dem Umbau weniger Bewohner ten Baugrundstücken (die sehr knapp sind) und untergebracht werden. Das wiederum bedeutet, geht weiter über die bauliche Beschaffenheit und dass Einrichtungen zusätzliche Wohnflächen benö- Ausstattung der Wohnungen, die ja lediglich auf tigen, um die Zahl der Bewohner halten zu können. Sozialhilfeniveau liegen können. So stellt sich an- Die Lösung kann oft nur wieder im Bau neuer Woh- gesichts der grassierenden Wohnungsknappheit nungen in Städten und Gemeinden sein, um die in unseren Städten die grundsätzliche Frage, wie Bewohnerzahl und damit eine sinnvolle wirtschaft- man Teilhabe für Menschen mit Behinderung in Sa- liche Auslastung der Einrichtung zu gewährleisten. chen Wohnen in einer inklusiven Gesellschaft ge- währleisten kann. Hier sind neue Konzepte gefragt. Um eine ausgeglichene Finanzierbarkeit in Bau und Unterhalt zu erreichen werden Bauvorhaben heu- te nicht mehr nur für einzelne Personengruppen Einkaufen entwickelt. Immer öfter plant das Dominikus-Rin- geisen-Werk Appartements für Ambulant Betreutes und Gutes tun Wohnen kombiniert mit stationärer Unterbringung oder sogar mit frei vermieteten Wohnungen unter ei- Amazon gibt angemeldeten Organisationen nem Dach – vielleicht sogar ein Zukunftsmodell für wie dem Dominikus-Ringeisen-Werk 0,5% der Einkaufssumme Ihrer inklusives Wohnen. Beim Thema „allein oder gemein- qualifizierten smile.amazon.de-Käufe weiter. sam“ bleibt es also spannend in der Behindertenarbeit. smile.amazon.de ist dasselbe Amazon, das Sie kennen. Dieselben Produkte, Manuel Liesenfeld dieselben Preise, derselbe Service.

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36 37 tieren. Er braucht den anderen, er braucht die Gemein- nen die Staaten in Europa und damit auch schaft, er braucht die Hilfe von anderen und kann sich Deutschland ihre Werte und ihre Interessen nur in der Gemeinschaft wirklich entwickeln.“ Das gilt in der Welt zur Geltung bringen. Die NATO, auch für die Politik. Keiner kann allein etwas bewegen. das Verteidigungsbündnis des Westens ist ein Er kann zwar Gedanken entwickeln und Visionen zeich- großes Gemeinschaftsprojekt, das nach dem nen, aber zu ihrer Verwirklichung und zu Ihrer Verbrei- 2. Weltkrieg Frieden, Freiheit und Demokratie tung braucht er andere, die diese Gedanken aufnehmen mit gegenseitiger Beistandspflicht gewährleis- und auch gemeinsam verwirklichen. Die beiden Prin- tet hat. Die NATO war nicht überall erfolgreich, zipien der Katholischen Kirche Subsidiarität und Soli- hat aber jedenfalls Westdeutschland und West- darität beschreiben dieses Verhältnis von Individuum europa über Jahrzehnte geschützt, bis es zum und Gemeinschaft. Das war für mich der Grund mich Wandel 1989/90 in der Sowjetunion gekommen in der Katholischen Jugend in Ursberg zu engagieren ist. Nur gemeinsam kann eine örtliche Gemein- und aus diesem Engagement heraus den Weg in die schaft gelingen, Gesellschaft und Staat prospe- Politik über die Junge Union zur CSU zu gehen. Da- rieren. Nur in Solidarität kann den Schwächeren bei habe ich eine Gemeinschaft vorgefunden, in der geholfen sowie Kranken, Menschen mit Behinde- ich viel von meinen eigenen Ideen, Vorstellungen rung und alten Menschen, ein menschenwürdiges und Wünschen verwirklichen konnte. Dies war nur Leben gewährleistet werden. Dazu bedarf es aber möglich, weil mich Freunde und Gleichgesinnte in auch starker Einzelpersönlichkeiten, wo jeder den ihre Gemeinschaft aufgenommen, mich akzeptiert, ihm zumutbaren Beitrag für die Gemeinschaft lie- mir Vertrauen geschenkt und Verantwortung über- fert. Das verlangt das Prinzip der Subsidiarität von tragen haben. Jeder Mensch benötigt Vertrauen – in jedem von uns. Keiner darf sich gehen lassen und sich, andere und die Welt. Vertrauensbeziehungen nur darauf setzen, dass ihn die Gemeinschaft mit- fußen auf Gegenseitigkeit, gemeinsamen Erfah- trägt. Jeder soll sich seiner menschlichen Würde rungen, gegenseitigem Verstehen. Gemeinsamkeit bewusst sein, das Beste aus seinem Leben machen und Vertrauen in den anderen sind unabdingbare und damit auch der Gemeinschaft einen unverzicht- Voraussetzungen für politisches Gestalten und baren wertvollen Dienst erweisen. So sind allein und allein das Funktionieren einer gesellschaftlichen und gemeinsam keine Gegensätze, sondern bedingen ein- gemeinsam politischen Ordnung. Koalitionen in der Politik ander und sind Lebensprinzipien einer von Gott und leben vom Vertrauen in die Zusagen und Verhal- den Menschen geschaffenen Ordnung. Auch in einer tensweisen der Partner. Das habe ich von 1982 Gemeinschaft gilt es die Würde jedes Einzelnen zu bis 1998 in einer Koalition zwischen CDU/CSU schätzen, zu schützen und zu bestärken. Der Einzelne und FDP erlebt. Ich habe auch immer dafür ge- hat aber auch die Pflicht persönlich, durch Beiträge und kämpft, dass CDU und CSU Partner blieben Steuerzahlung, Gemeinschaft zu schaffen und Gemein- Prof. Kurt Biedenkopf hat in einer bemerkenswerten und nicht auseinander gegangen sind. Damals schaft zu finanzieren. Nur so entsteht ein Gemeinwohl, Rede in den 70er Jahren in der Katholischen Akade- in Kreuth 1976 stand ich mit dieser Meinung in dem der Einzelne sich in der Gemeinschaft wieder- mie in München einmal gesagt: „Es gäbe nur eine in- sogar gegen Franz Josef Strauß und habe letzt- findet und sich wohl fühlt, weil es sich lohnt für die Ge- dividuelle, nicht eine kollektive Verantwortung, denn lich doch Recht bekommen. meinschaft etwas zu tun. schließlich gäbe es auch kein kollektives jüngstes Ge- richt und jeder stehe allein vor Gott.“ Der spanische Kein Nationalstaat in Europa kann in der ge- Dr. Theo Waigel Philosoph Ortega y Gasset hat in einem Buch über das genwärtigen Situation und in der Zukunft seine Bundesfinanzminister 1989-1998 Wesen geschichtlicher Krisen formuliert: „Das Leben Interessen allein gewährleisten. Die Europäi- sei radikale Einsamkeit und jeder Mensch müsse die sche Union ist ein Bündnis freier, souveräner entscheidenden Stationen seines Lebens allein gehen. und demokratischer Staaten. Nur dadurch Dessen ungeachtet kann ein Mensch allein nicht exis- und durch die Bündelung dieser Kräfte kön-

38 39 „Gute Nacht, ich gehe zur „Beziehungspflege“! Beziehungspflege Diesen Satz – oder so ähnlich – sage ich gern, wenn ich mich vom geselligen Beisam- allein und zusammen mensein zurückziehe und im persönlichen Gebet den Tag ausklingen lasse. Diese „Beziehungspflege“ ist mir wichtig. Morgens und abends brauche ich nicht nur die Körperpflege, sondern auch Zeit, um das was kommen wird, oder das was war, mit IHM anzuschauen. Das Gebet der liebenden Auf- merksamkeit! Ein Verweilen auf Augen- bzw. w Herzenshöhe mit IHM, dem Freund und treuen Wegbegleiter. • Ein TANKEN für den Tag und In Ursberg habe ich die schöne Aufgabe und darf im Welt ins Gespräch. Dabei wird oft schon deut- • Ein DANKEN für den Tag! Dominikus-Ringeisen-Werk im Religionspädagogi- lich, was die Einzelnen innerlich bewegt und Da berühren sich Himmel und Erde, wenn ich schen Fachdienst (RPF) tätig sein. wofür sie Gott danken oder bitten wollen. Nun den „alltäglichen Lärm“ hinter mir lasse und es Viele Jahre schon begleite ich im Heim St. Angelina wieder vor dem Jesus-Bild achte ich darauf, dass zum Austausch zwischen dem Meinem und dem Frauen und Männer. Mit ihnen im Glauben unter- reihum alle ihre Anliegen vor Gott bringen, auch Seinem kommt. wegs zu sein, ist mir Anliegen und eine große Le- die, die nicht sprechen können. Den Betreffenden Dies lernen wir bei Jesus. Auch er zog sich in die bensfreude. sage ich, dass sie jetzt still im Herzen Jesus alles Einsamkeit zur Zweisamkeit mit dem Vater zurück. Hier weitet sich die „Beziehungspflege“ im Einzel- sagen dürfen. Jesus hört und versteht dies immer. Gleich im ersten Kapitel des Markus-Evangeliums le- gespräch, wie auch in kleinen Gruppen, den soge- Dann beten wir gemeinsam das „Vater unser …“ sen wir ab Vers 35: In aller Frühe, als es noch dunkel nannten Glaubenskreisen. Wir treffen uns in mei- und singen nochmals ein Wunsch-Lied. Mit dem war, stand er auf und ging an einen einsamen Ort, um nem Raum, in der Kapelle, oder im Wohnzimmer Kreuzzeichen schließen wir ab. zu beten. Und dann heißt es weiter: Simon und seine der einzelnen Gruppen. Beziehungspflege zusammen und allein … Begleiter eilten ihm nach, und als sie ihn fanden, sagten Diese Treffen finden im Rahmen gewisser Rituale was kann schöner sein?!? sie zu ihm: Alle suchen dich. Er antwortete: Lasst uns statt. Es ertönt die Klangschale, eine Kerze wird Sr. M. Lucia Tremel CSJ anderswohin gehen, in die benachbarten Dörfer, damit entzündet und ich öffne die Türen vom Kamis- ich auch dort verkünde; denn dazu bin ich gekommen. hibei, das heißt zu Deutsch: Holzerzähltheater. So gehen sie zusammen von Dorf zu Dorf und von Das erste Bild ist immer Jesus, den wir nun in un- Stadt zu Stadt. Seine Frohe Botschaft vom Him- serer Mitte begrüßen, indem wir das Kreuzzei- mel-Reich wird wie Samenkörner in die Herzen der chen machen. Eine anschließende, liebgewor- Einzelnen gestreut. Und, wo immer sie auf „gutes Erd- dene Handlung ist das Segnen. Sich bewusst Reich“ fällt, wächst und wächst sie … bis heute! unter den Schutz Gottes stellen. Seine Nähe Dankbar bin ich, Teil einer so großen Glaubensgemein- gleichsam spüren, indem ich die Hand auf den schaft sein zu dürfen. Verbunden mit vielen Menschen Kopf der Einzelnen lege und wir gemeinsam weltweit, stehe ich Tag für Tag in der „Beziehungspfle- singen: „Es segne dich der Herr, es segne ge“ mit der Schar meiner Mitschwestern und stimme in dich der Herr, er segne dich!“ Nach einem den ewigen Lobpreis Gottes ein. Zusammen beten und gemeinsamen Wunsch-Lied sind alle schon singen trägt, ja „beflügelt“. Es ist einfach schön, wenn neugierig, was uns heute hinter dem Jesus- am Morgen in die blumengeschmückte Kapelle die Son- bild erwartet. Dem Jahreskreis entsprechend nenstrahlen durchs Fenster fallen und wir – begleitet vom schauen wir – wie in einem Theater – Bild Orgelspiel – in den Gesang der Vögel mit einstimmen. für Bild an und kommen über Gott und die

40 41 Der „gemeinsame“ Künstler

Denkt man an einen Künstler, drängt sich das Bild eines Inspiration und Austausch sind unerlässlich einsamen verschrobenen Menschen auf. Sicherlich trifft für das künstlerische Schaffen. Dies zeigt das unter anderem auf Vincent van Gogh zu. Aber auch sich auch in den wohl bekanntesten Künstler- dieser suchte immer wieder Kontakt zu anderen Künst- gruppen „die Brücke“ und „der blaue Reiter“. lern, wie zum Beispiel Paul Gauguin. Im Jahr 1888 lud Die Brücke, 1905 in Dresden gegründet, gilt Vincent van Gogh (1853–1890) seinen Malerkollegen als Wegbereiter des Expressionismus und da- Paul Gauguin (1848–1903) ein, zu ihm nach Arles in mit der klassischen Moderne. Mitglieder wa- sein „Atelier des Südens“ zu kommen. Diese nur neun ren so bedeutende Namen wie Ernst Ludwig Wochen dauernde Zusammenarbeit wirkte sich auf bei- Kirchner, Erich Heckel, Karl Schmidt-Rottluff, de Maler aus – künstlerisch wie emotional. Neben ka- Max Pechstein, Otto Mueller und Emil Nolde. meradschaftlicher Unterstützung war die Phase in Süd- Das von Kirchner verfasste Programm wurde frankreich von Rivalität, Bewunderung und Eifersucht, am 9. Oktober 1906 in der Elbtal-Abendpost Hoffnung und Enttäuschung geprägt. Vor allem Vincent der Öffentlichkeit präsentiert. Kirchner fertigte van Goghs Hoffnung, eine Künstlerkolonie in Arles einen Holzschnitt an, auf dem er das Programm zu gründen, musste sich aufgrund unterschiedlicher wiedergab. Ein zur gleichen Zeit in Dresden Auffassungen als undurchführbar erweisen. Neun herausgegebener Handzettel enthielt den Pro- Wochen gemeinsames Arbeiten brachte die beiden grammtext in folgender Form: „Mit dem Glau- Maler zwar menschlich nicht näher, dennoch beein- ben an Entwicklung, an eine neue Generation der flussten sie einander künstlerisch. Das Experiment Schaffenden wie der Geniessenden rufen wir alle „Atelier des Südens“ endete mit Vincent van Goghs Jugend zusammen. Und als Jugend, die die Zu- Ernst Ludwig Kirchner, Nervenzusammenbruch und der panischen Flucht kunft trägt, wollen wir uns Arm- und Lebensfreiheit Otto Müller, Zigeunerliebespaar, 1916 Berliner Straßenszene, 1914-1915 Paul Gauguins vor der Selbstverletzung Vincents. verschaffen gegenüber den wohlangesessenen,

älteren Kräften. Jeder gehört zu uns, der unmit- telbar und unverfälscht wiedergibt, was ihn zum Schaffen drängt.“ Zu den erklärten Zielen der Brücke gehörte ein einheitlicher Gruppenstil. Wesentliche maleri- sche Merkmale sind eine kontrastreiche, inten- sive Benutzung von Farbe, die Veränderung der Form durch bewusste Vergröberung und Verzicht auf Details, ein holzschnittartiger Charakter mit kantigen Formen und eine kühne Raumgestaltung. Weitere Techniken umfassen den Holzschnitt, die Lithografie und das Aquarell. Die Farbe wurde teil- weise sehr pastos aufgetragen, manchmal aber auch mit Benzin verdünnt, um ein schnelleres Arbeiten zu DIE BRÜCKE ermöglichen. Paul Gauguin, Selbstportrait 1888 Vincent van Gogh, Selbstportrait 1888

42 43 Der Blaue Reiter hingegen ist eine Bezeich- Ai Weiwei, Coca Cola Vase, nung von Wassily Kandinsky und Franz Marc Han Dynasti Vase (206 v. Ch. - 220 n. Ch.) bemalt, für ihre Ausstellungs- und Publikationstätig- 2015 keit, bei der beide Künstler in dem erstmals Mitte Mai 1912 herausgegebenen gleichna- migen Almanach als alleinige Herausgeber fungierten. Das Redaktionsteam organisierte in den Jahren 1911 und 1912 zwei Ausstellun- gen in München, um seine kunsttheoretischen Vorstellungen anhand der ausgestellten Kunst- werke zu belegen. Es folgten Wanderausstel- lungen in deutschen und anderen europäischen Städten. Die im Umfeld des Blauen Reiters tä- tigen Künstler waren wichtige Wegbereiter der Ein zeitgenössisches Beispiel der Zusammenarbeit modernen Kunst des 20. Jahrhunderts; sie bil- von Künstlern ist Ai Weiwei. Der politkritische chine- deten ein lockeres Beziehungsnetz, aber keine sische Maler, Bildhauer und Konzeptkünstler könnte Künstlergruppe im engeren Sinne wie die Brü- seine oft riesigen Installationen ohne einen Stab von cke in Dresden. Das Werk der angeschlossenen Helfern kaum realisieren. Er arbeitet somit ähnlich Künstler wird dem deutschen Expressionismus den großen Künstlern der Renaissance und des Ba- zugeordnet. Bedeutende Vertreter des „blauen rocks wie Rubens, Tizian und Rembrandt van Rijn, Reiters“ sind neben Wassily Kandinsky und Franz die sozusagen Vorstand einer Künstlerkommune Marc August Macke, Gabriele Münter, Alexej von bzw. Künstlerwerkstatt waren. Jawlensky und Paul Klee. Werner Bisle

Franz Marc, Blaues Pferd, 1911 BLAUER REITER AI WEIWEI Ai Weiwei, Law of the Journey, 2018

44 45 August Macke, der Sturm, 1911 Weißt du, Sterne mögen es gesellig wieviel Sternlein Fragt man einen Astronomen nach der Anzahl Das Faszinierende daran ist: Gut zwei Drittel stehen an dem der Sterne, wird der sagen: „Das ist doch aller Sterne befinden sich in Zweifach- oder ganz einfach! Bei klarer Luft und Neumond Mehrfachsystemen. Nur ein Drittel aller Ster- blauen Himmelszelt? ohne Lichtverschmutzung durch künstliche ne ist so allein wie unsere Sonne. Man könn- Beleuchtung sind mit bloßem Auge etwa te fast sagen: Sterne lieben die Geselligkeit. Wilhelm Hey (1789–1854) 6.500 Sterne zu sehen. Fertig!“ Diese Anzahl Der chinesische Science-Fiction-Autor Cixin hat man ermittelt, indem man alle Sterne ge- Liu hat in seiner Erzählung „Die drei Sonnen“ zählt hat, die mindestens eine Helligkeit auf- eine Zivilisation (die „Trisolarier“) beschrieben, weisen, die üblicherweise mit guten Augen die auf einem Planeten lebt, der sich um drei und bei entsprechenden Randbedingungen Sterne gleichzeitig bewegt, die sich wiederum wahrnehmbar ist. Eine andere Frage betrifft gegenseitig umkreisen. Wie man sich denken die Gesamtzahl der Sterne in unserer Milch- kann, geht es da ziemlich turbulent zu. Das straße. Hier gibt es keine echten Zählungen, wohl berühmteste Doppelsternsystem der Ge- sondern nur Schätzungen. Man geht heute schichte des Kinos heißt „Tatoo“. Es besteht aus von ca. 200 Milliarden (200.000.000.000) zwei Sonnen, die sich in engem Abstand umkrei- Sternen in der Galaxis aus. Galileo Galilei sen (Tatoo 1 und Tatoo 2). Diese beiden Sterne hatte 1609 als einer der ersten die Milch- wiederum werden von einem Planeten umkreist: straße durch ein Fernrohr betrachtet und Tatooine. Er ist die Heimat von Luke Skywalker, festgestellt, dass sie aus lauter Sternen be- der zentralen Figur der „Star Wars“-Filme von Ge- steht. Mit so richtig großen Zahlen wird man orge Lucas. Reine Fantasie – natürlich! Doch sie aber erst dann konfrontiert, wenn es um das regt zum ernsten Nachdenken oder auch mun- gesamte Universum geht. Hierin befinden teren Spekulieren an. Kein Mensch weiß, ob die sich ca. 100 Milliarden Galaxien, also Struk- Planeten in Doppel- oder Mehrfachsternsystemen turen, die unserer Milchstraße ähneln – jede bewohnt sind, möglicherweise sogar von intelligen- mit ca. 100 Milliarden Sternen. Die gesam- ten Lebewesen. Doch man kann sich ja einfach mal te Anzahl aller Sterne im Weltall liegt also in vorstellen, wie da ein Sonnenuntergang wirkt, wenn der Größenordnung von 10 bis 20 Trilliar- kurz nacheinander gleich zwei Sonnen untergehen. den (eine Trilliarde ist eine 1 mit 21 Nullen). Steigert das noch die Romantik des Augenblicks? Die-

46 47 se Himmelskörper, die um andere Sterne kreisen, nennt man Exo- der entfernt. Das bedeutet: Zieht man vom Die spannende Frage lautet nun: Stehen die bei- planeten, um deutlich zu machen, dass sie sich außerhalb unseres Auge des Betrachters zu jedem der Sterne den Sterne Mizar und Alkor nur zufällig für uns als Sonnensystems befinden. Seit ca. 30 Jahren sucht man danach und eine Strecke, so schließen diese beiden Linien Beobachter nahe beieinander oder bilden sie tat- hat bis jetzt ca. 4.000 davon gefunden. Auch Exoplaneten in Dop- den Winkel 0,2° ein. Wenn Sie den Josefsbo- sächlich ein echtes Doppelsternsystem? Eine klei- pelsternsystemen sind dabei. Einer dieser Exoplaneten heißt „Kepler ten in einer Leseentfernung von rund 30 cm ne Skizze soll eines der Probleme erläutern. 16b“. Um die Öffentlichkeit auf diese neue Forschungsrichtung auf- halten und zwei Punkte, die 1 mm voneinan- merksam zu machen, haben Werbeexperten für die amerikanische der entfernt sind, getrennt wahrnehmen kön- Weltraumbehörde NASA Plakate entworfen, die für Reisen zu diesen nen, dann sollten Sie auch diese beiden Sterne Planeten werben. am Firmament getrennt sehen können. Man Das ist natürlich Zukunftsmusik und zudem äußerst spekulativ. bezeichnet dieses Sternenpaar daher auch als Selbst das uns am nächsten liegende Mehrfachsternsystem ist Augenprüfer. Schon im Mittelalter – lange vor gut vier Lichtjahre entfernt, sodass eine Reise mit 1 % Lichtge- Erfindung des Fernrohrs – soll es unter Wissen- schwindigkeit – das sind 10,8 Millionen Kilometer pro Stun- schaftlern für den Test der Sehschärfe gedient de – vierhundert Jahre dauern würde. Aber vielleicht macht der haben. Das kann heutzutage schwierig werden, Werbespruch auf dem Plakat ja doch neugierig: „Wo ihr Schat- wo es wegen zahlreicher Lampen auch nachts ten immer Begleitung hat!“ (siehe auch Josefsbote 2015/1: Be- kaum noch so richtig dunkel wird. gleiten) Der Beobachter A (auf der Erde) sieht das Glei- Doch nun geht es von den Fan- che, egal ob sich der Stern Alkor an Position 1 oder tasieprodukten aus Büchern und Position 2 befindet. Ein Beobachter B (irgendwo Filmen zu realen Himmelsobjek- anders im Weltall) würde einen deutlichen Unter- ten. Dass manche Sterne nahe schied wahrnehmen. Der Beobachter A benötigt beieinanderstehen, fiel schon im also zusätzlich eine Messung der Entfernungen Altertum auf. Besonders bekannt zu den beiden Sternen. Sind sie ähnlich weit weg, war und ist das Sternenpaar Mi- könnten sie zusammengehören. Das ist tatsächlich zar und Alkor. Mizar gehört zu der Fall. Doch dieses Indiz reicht noch nicht aus. den Deichselsternen im „Gro- Zusätzlich müssten die beiden Sterne auch noch ßen Wagen“, der wiederum Teil über die Gravitation (Anziehungskraft der Mas- des Sternbildes „Großer Bär“ ist. sen) miteinander verbunden sein. Wenn das so Er markiert die Stelle, an der die wäre, würden sie um ihren gemeinsamen Schwer- Deichsel einen deutlichen Knick punkt kreisen. Der Beweis dafür steht noch aus. hat. Der niederländische Ma- ler Vincent van Gogh hat dieses Etwas anderes ist allerdings schon bekannt: Der Sternbild in seinem wunderba- mit bloßem Auge als ein Stern zu erkennende Mi- ren Gemälde „Sternennacht über zar besteht tatsächlich aus vier Einzelsternen, die der Rhone“ festgehalten. Es hängt einander in komplizierten Bahnen umkreisen. Und im Musee d’Orsay in Paris. Alkor entpuppt sich bei näherer Betrachtung als ein klassisches Doppelsternsystem aus zwei Kom- Knapp oberhalb (nördlich) von ponenten, die sich umkreisen. Sollte sich also her- Mizar befindet sich ein weiterer ausstellen, dass das Mizar-System (vier Sterne) und Stern: Alkor. Diese beiden Ster- das Alkor-System (zwei Sterne) auch noch mitein- ne liegen in einem Winkelab- ander verbunden sind, dann hätte man insgesamt stand von knapp 0,2° voneinan- ein Sechsfachsternsystem mit sehr komplizierten

48 49 Bahnen. Es wäre sicher hoch interessant, so etwas mal aus der Nähe zu betrachten. Leider sind die Entfernungen Allein sein zu müssen im Weltall unfassbar groß. Mizar und Alkor sind rund 80 Lichtjahre voneinander entfernt. Das Licht, das wir heute ist das Schwerste, von ihnen wahrnehmen, ging ungefähr im Jahr 1939 auf die Reise und war seitdem mit 1.080 Millionen Kilome- allein sein zu können ter pro Stunde zu uns unterwegs. das Schönste.

Was bleibt uns also von Mizar und Alkor? Wir können Hans Krailsheimer in einer klaren Nacht zum Firmament schauen und uns am Anblick erfreuen. Wir können eventuell daran unse- re Augen prüfen. Wir können über die unvorstellbaren Zeiträume und Streckenlängen staunen. Wir können die physikalischen Gesetze bewundern, die das alles regeln. Und wir können uns immer wieder fragen: Wa- rum existiert das alles – warum ist nicht einfach nichts?

Christian Pagel

50 51 Im Gedenken

ation ein und erhielt den Ordensnamen Sr. M. Leonis- Altersgründen aus dem Gruppendienst aus. Doch Sr. M. Leonissa sa. Am 04.10.1955 legte sie die zeitliche Profess ab brachte sie sich immer noch mit wertvollen Hilfs- und am Franziskustag des Jahres 1958 versprach Sr. diensten ein. Gerne besuchte sie die Menschen mit (Theresia) M. Leonissa in der ewigen Profess, sich auf Lebens- Behinderung und nahm die Frauen oftmals bei ih- zeit an Gott zu binden, um ihm und den Menschen rem Spaziergang zur Muttergottesgrotte mit. Auch Schäfer zu dienen. war ihr die Begleitung von sterbenden Mitschwes- *19. Februar 1928 Von 1952 bis 1973 wurde die Schwester in der Wä- tern ein Herzensanliegen. Mit ihrem Gebet beglei- † 22. Juli 2018 scherei in St. Martha eingesetzt. Mit Ausdauer und tete, stärkte und stützte die ruhige und bescheide- Eifer erfüllte sie die schwere Arbeit zusammen mit ne Schwester viele. Mitschwestern und Menschen mit Behinderung. Von Im August 2016 zog Sr. Leonissa mit den Schwes- Sr. M. Leonissa wurde am 19. Februar 1928 als sieb- 1973 an war Sr. Leonissa als Gruppenleitung in der tern und Mitarbeiterinnen der Pflegestation von tes Kind der Eheleute Michael und Franziska Schäfer Wohngruppe Hedwig im Haus Joachim tätig. Hier St. Camillus ins Mutterhaus. Nach kurzer Zeit in Betzenried bei Betzigau geboren und auf den Na- sorgte sie für Schwerstbehinderte Kinder und Frauen hatte sie sich in ihrer neuen Umgebung einge- men Theresia getauft. Mit ihren insgesamt acht Ge- und stand so im Dienst der Ärmsten. Während ihrer lebt. Trotz der Beschwernisse im Alter war Sr. schwistern wuchs Theresia auf einem landwirtschaftli- Tätigkeit in der Wohngruppe nahm Sr. M. Leonissa M. Leonissa ein immer ausgeglichener und chen Anwesen auf. Die Familie lebte den Glauben und im Jahr 1979 an einem mehrwöchigen Lehrgang beim froher Mensch, der die Gemeinschaft schätzte die Kinder wurden, wie sie schreibt, in der römisch ka- Malteser Hilfsdienst in Augsburg teil und wurde dort und durch ihr Wohlwollen zu einer angeneh- tholischen Religion erzogen. zur Schwesternhelferin ausgebildet. In diesem Lehr- men Atmosphäre beitrug. Die Tischzeiten der Von 1934 bis 1942 besuchte das Mädchen, die Volks- gang konnte sich die Schwester weitere Kenntnisse in Schwestern bereicherte sie durch interessante schule in Betzigau. Anschließend wurde sie zwei Jahre in der Pflege von kranken Menschen erwerben. Erzählungen und Gespräche. Trotz ihrer star- der Berufsschule in Immenstadt zur ländlichen Hauswirt- In ihrer Zeit im Haus Joachim ereignete sich eines ken Seh- und Hörbeeinträchtigung strahlte die schaftsgehilfin ausgebildet. Nach Abschluss der Berufs- Abends ein schwerer Autounfall, bei dem der Fahrer Schwester Ruhe und Lebensfreude aus, die schule im Jahr 1944 war die junge Frau bis 1946 in Dienst wie durch ein Wunder unbeschadet aus seinem Auto sie aus ihrer inneren Verbindung zu Christus und kam im September des gleichen Jahres, bedingt durch aussteigen konnte. Aus Dankbarkeit, dass er den Un- schöpfte. Oftmals konnte man Sr. M. Leonis- den Tod des Bruders, auf das elterliche Anwesen zurück. fall überlebt hatte, schenkte der Mann Sr. M. Leonissa sa beim Gebet an der Mariengrotte und in Wenn es die Zeit erlaubte, half sie auch bei Bauersleuten in eine Madonnenstatue. Diese Marienstatue brachte Sr. der Sakramentskapelle antreffen. der Nachbarschaft aus. M. Leonissa ins Mutterhaus, wo sie heute noch in der Vorbereitet und trotzdem plötzlich und un- Anfang Februar 1952 bat die junge Frau um Aufnahme in Grotte im Garten steht. 1993 zog die Schwester mit erwartet verstarb Sr. M. Leonissa im Bei- die St. Josefskongregation, da sie sich entschlossen hatte, ihrer Gruppe, die künftig den Namen Roswitha trug, sein von einigen Mitschwestern, während im Dienst an den Ärmsten Christus nachzufolgen. Am 04. ins Haus St. Camillus um, da Haus Joachim abgeris- die Gemeinschaft die Sonntagsvesper be- Oktober 1953 trat Theresia ins Noviziat der St. Josefskongre- sen wurde. Im Jahr 2006 schied Sr. M. Leonissa aus tete, am Abend des 22. Juli 2018.

52 53 Im Gedenken

Sr. M. Friedhilde wurde am 01. März 1934 in Den Dienst am Nächsten übte Sr. M Friedhilde ihr Salvator zur Heimat geworden. Mit vielen wertvol- Euerwang, Gemeinde Greding geboren und am Leben lang eifrig aus und suchte darin Jesus nach- len Hilfsdiensten stand sie Schwestern und Mitar- 04. März 1934 auf den Namen Rosa von Lima zufolgen und ihm zu begegnen. Nach ihrer Tätigkeit beiterinnen zur Seite. getauft. Das Mädchen wuchs als zweites Kind als Schulhilfe wurde sie 1956 im Gruppendienst in Sr. M. Friedhilde schulte im Laufe ihres Lebens der Eheleute Josef und Theresia Hüttinger mit ih- der Wohngruppe Hermann-Josef eingesetzt, in der ihr Auge für Situationen in denen „Not am Mann“ ren vier Geschwistern auf einem landwirtschaftli- sie ab 1966 für 23 Jahre die verantwortliche Aufga- war und wurde so zu einer unentbehrlichen und chen Anwesen in Mittelfranken auf. be als Gruppenleitung übernahm. Während dieser geschätzten Nothelferin, ihre stete Hilfsbereit- In ihrem Geburtsort Euerwang besuchte Rosa Zeit absolvierte Sr. Friedhilde, in den Jahren von schaft war in der Gemeinschaft sehr geschätzt. von 1940 – 1947 die Volksschule. Am 01. Sep- 1970 – 1973, die Ausbildung zur Heilerziehungs- Unerwartet ereilte Sr. M. Friedhilde am Abend tember 1947 führte ihr Weg nach Ursberg, das pflegerin und schloss diese mit sehr gutem Erfolg des 07. Mai 2019 im Beisein vieler Mitschwes- Mädchen besuchte dort die erste Klasse der Leh- ab. tern bei der Feier des Gottesdienstes ein rerinnenbildungsanstalt der St. Josefskongregation. Von 1989 bis 2013 half Sr. M. Friedhilde bei der schwerer Schlaganfall, der sie aus dem Leben Danach trat Rosa in die dreijährige Mittelschule für Versorgung von kranken, alten und sterbenden und aus ihrem Alltag riss. Mädchen über, die sie 1951 mit der Mittleren Reife Mitschwestern auf der Altenstation im Mutterhaus. Leider erholte sich Sr. M. Friedhilde von die- abschloss. In dieser Zeit lernte die junge Frau das Wichtig war ihr dabei immer, ihren Dienst und das sem schweren Ereignis nicht und wurde im Leben der Schwestern der St. Josefskongregation Gebetsleben miteinander zu verbinden. So betete Beisein einer Mitschwester am Abend des 08. und ihr Wirkungsfeld kennen und lieben. Ihre tiefe Sr. M. Friedhilde täglich mit den Schwestern der Mai 2019 von Gott zum österlichen Hoch- Religiosität und der Wunsch Christus als Ordensfrau Altenstation treu das Rosenkranzgebet, das sie ihr zeitmahl ins neue Leben heim geholt. nachzufolgen bewegten Rosa Hüttinger nach ihrem ganzes Leben begleitete und stützte. Wenn man siebenwöchigen Urlaub zu Hause am 03.September ihre Hände nicht bei der Arbeit sah, glitt der Rosen- 1951 um Aufnahme in die Schwesternkandidatur in kranz durch die Finger der stillen Beterin. Neben Ursberg zu bitten. der Sorge um die Mitschwestern liebte Sr. Friedhil- Während ihrer Postulats- und Noviziatszeit wurde de die Pflege von Blumen und bereitete den Mit- Sr. M. Friedhilde Rosa als Schulhilfe bei gehörlosen Kindern eingesetzt, schwestern mit ihren selbstgezogenen Usambara- so lernte sie den Umgang mit Menschen mit Behinde- veilchen immer wieder Freude. (Rosa) rungen näher kennen. Am 04. Oktober 1953 wurde die Von 2013 – 2018 konnte sich die Schwester im junge Frau ins Noviziat aufgenommen und erhielt den Haushalt und in der Wäschepflege der Schwestern- Hüttinger Schwesternnamen Sr. M. Friedhilde. Am Franziskustag gemeinschaft in der Filiale Breitbrunn einbringen. 1955 legte die junge Schwester die zeitliche Profess ab Auch der Sakristei- und Lektorendienst sowie das *01. März 1934 und drei Jahre später versprach sie auf Lebenszeit Chris- Spenden der Krankenkommunion zählte zu ihren † 08. Mai 2019 tus im Dienst am Nächsten nachzufolgen. Aufgaben. Seit April 2018 war ihr der Konvent St.

54 55 Im Gedenken

Sr. M. Daniela wurde am 06. April 1924 im Die Liebe zum Gebet und der Kontakt zu Ursber- gerne teil und brachte sich mit eigenen Ideen ein. oberbayrischen Bad Aibling als zweites Kind der ger Schwestern bei Exerzitien im Heilbad Krumbad, Die Urlaube in der Bergwelt Füssens bereicherten Drechslermeisterseheleute Anton und Elisabeth ließ den Wunsch in der jungen Frau wachsen, Or- das Leben von Sr. M. Daniela in besonderer Wei- Bergmeir geboren und am 09. April 1924 auf den densschwester zu werden. So bat Elisabeth Berg- se. Ihre große Liebe zur Schönheit der Natur und Namen Elisabeth Anna getauft. 1929 siedelte das meir am 30.06.1952 um Aufnahme ins Kloster der ihrem Schöpfer kam zum Vorschein. Im Ruhe- Mädchen mit ihren Eltern und Geschwistern ins St. Josefskongregation. Am 19. März 1954 trat sie stand konnte man die Schwester immer wieder Donautal nach Lauingen um. Dort erlebte Elisa- ins Noviziat der Ursberger Schwesterngemein- dabei beobachten, wie sie ihre selbstgemachten beth, so schreibt sie, zusammen mit ihren beiden schaft ein und erhielt den Ordensnamen Sr. M. Da- Fotos betrachtete und sich an ihren Urlaubserin- Brüdern eine frohe Kindheit. niela. Am Josefstag 1956 legte die junge Schwester nerungen freute. Von 1931 bis 1939 besuchte Elisabeth die achtjäh- die zeitliche Profess ab und drei Jahre später ver- Mit zunehmendem Alter nahmen die körperli- rige Volksschule in ihrem Wohnort. Nach erfolg- sprach sie Christus auf Lebenszeit nachzufolgen. chen Kräfte ab. Im Mai 2018 wurde der Umzug reichem Abschluss legte das Mädchen anschlie- Entsprechend ihrer organisatorischen Fähigkeiten auf die Pflegestation im Mutterhaus notwendig. ßend das von den Nationalsozialisten eingeführte wurde Sr. M. Daniela 1952 die verantwortungsvol- Auch im hohen Alter nahm die Schwester jede Pflichtjahr in einem Haushalt einer Lauinger Familie le Aufgabe des Versands des Ursberger Kalenders Gelegenheit wahr, um mit kleinen Hilfsdiens- ab. Am 01. April 1940 begann Elisabeth die dreijäh- und des Josefsboten übertragen. Über mehrere ten und Liebenswürdigkeiten das Leben der rige kaufmännische Lehre im Lebensmittelgeschäft Jahrzehnte wirkte sie bis 2014 in freundlicher und anderen zu bereichern. Trotz ihrer Hörbeein- Strehle in Lauingen, die sie 1943 erfolgreich mit dem liebenswürdiger Weise daran mit, die Ursberger trächtigung strahlte die Schwester Ruhe und Kaufmannsgehilfenbrief abschloss. Einrichtungen der Öffentlichkeit nahezubringen. Lebensfreude aus, die sie aus dem Gebet Das Leben von Elisabeth Bergmeir wurde wie von vie- Mit großem Engagement und Eifer half Sr. M. Da- und ihrer inneren Verbindung zu Christus len in dieser Zeit von den Wirren des zweiten Welt- niela beim Verkauf des Kalenders bei Aufführungen schöpfte. krieges geprägt. So musste sie 1941 miterleben, wie in der Theaterhalle und anschl. in der Gaststätte In der letzten Woche schwanden die Kräfte bei einem Luftangriff das eigene Wohnhaus abbrannte mit. Durch den Versand des Josefsboten entstan- immer mehr, so dass Sr. M. Daniela nach und völlig zerstört wurde. Auch mussten beide Brüder den vielzählige Kontakte mit Menschen, die in Sr. kurzer Bettlägerigkeit am Vormittag des Sr. M. Daniela zum Kriegsdienst an die Ostfront, der Jüngste fiel kurz M. Daniela eine Schwester fanden, die ein Ohr für 25. Mai 2019 im Kreis von Mitschwestern vor Kriegsende. ihre Anliegen und Nöte hatte und diese im Gebet und Mitarbeiterinnen zu Gott in die ewige (Elisabeth) Die gewissenhafte Elisabeth blieb im Lehrbetrieb bis der vor ihren Herrgott brachte. Herrlichkeit heimgehen durfte. Geschäftsinhaber Herr Strehle 1948 aus der Gefangen- Sr. M. Daniela zeichnete im Umgang mit anderen Bergmeir schaft zurückkehrte und stand dessen Frau zur Seite. An- eine große Dankbarkeit aus. Ihre liebenswürdige schließend kehrte sie in den elterlichen Betrieb zurück und und wohlwollende Art wurde in der Schwestern- *06. April 1924 half dort wo man sie brauchte. Zudem betreute die junge gemeinschaft sehr geschätzt. An gemeinsamen † 25. Mai 2019 Frau eine kleine Lebensmittelfiliale in der Wohnsiedlung. Festen und Feierlichkeiten des Konvents nahm sie

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Sr. M. Monika wurde am 25. Oktober 1940 als ter die zeitliche Profess ab und drei Jahre später ver- schen mit der schauspielerischen Fähigkeit und fünftes Kind der Eheleute Matthias und Maria sprach sie Christus auf Lebenszeit nachzufolgen. selbst verfassten Gedichten zum Lachen zu bringen. Rogg im schwäbischen Buchloe geboren und am Zu Beginn des Ordenslebens wurde Sr. M. Monika Den seit langem bestehenden guten Kontakt zur 30. Oktober 1940 auf den Namen Berta getauft. in verschiedenen Wohngruppen in der Pflege und Gemeinde und Pfarrei Edenhausen pflegte sie und Sie wuchs mit insgesamt neun Geschwistern auf, Versorgung von Menschen mit Behinderungen ein- baute ihn aus. Im Laufe der Jahre entstanden viele von denen bereits zwei im Kleinkindalter verstar- gesetzt. Von 1963 bis 1965 besuchte sie den Kran- weitere wertvolle Kontakte, wie z. B. zu Familie ben. Ein Leben lang verband die Geschwister eine kenpflegekurs in St. Camillus und schloss diesen Held, welche die Gäste im Krumbad immer wie- sehr innige und herzliche Beziehung. erfolgreich ab. Als Krankenschwester arbeitete sie der mit ihrer Musik erfreute. Von 1946 bis 1954 besuchte Berta die achtjährige anschließend bis 1968 bei Menschen mit schweren 1998 wurde Sr. M. Monika das Amt der Kon- Volksschule in ihrem Heimatort. Danach arbeitete Behinderungen in St. Vinzenz. ventoberin für den Schwesternkonvent im Heil- das Mädchen ein Jahr als Kindergartenhilfe. Anschlie- Ab Juni 1968 wurde das Heilbad Krumbad ihr neu- bad Krumbad und somit die Sorge für ihre Mit- ßend wurde sie von 1954 bis 1957 in der städtischen es Wirkungsfeld. Die Sorge um das geistliche und schwestern übertragen. Neben der Fürsorge für Berufsschule in Kaufbeuren im Bereich Hauswirt- seelische Wohl der dortigen Kurgäste wurde Sr. M. diese, war es Sr. M. Monika immer wichtig eine schaft unterrichtet und ausgebildet. In dieser Zeit er- Monika zur Herzens- und Lebensaufgabe. Als Bade- gute Beziehung zu den jeweiligen Geschäfts- warb sie sich Kenntnisse in der Kinder- und Kranken- meisterin, Krankenschwester und Fußpflegerin lernte führern und den Mitarbeitern und Mitarbeite- pflege. Des Weiteren nahm sie im November 1957 am sie nicht nur die körperlichen Beschwerden der Kur- rinnen des Krumbades zu pflegen. sog. Mütterbildungslehrgang des katholischen Frauen- gäste kennen, denen sie Linderung verschaffte, son- Trotz eigener gesundheitlicher Beschwerden, bundes erfolgreich teil. Bereits im Jugendalter zeichne- dern auch so manche seelische Not. In ihrer mütter- begleiteten Sr. M. Monika und ihre Mitschwes- te sich bei Berta die Bereitschaft ab, sich für den Nächs- lichen und fürsorgenden Art kümmerte sie sich um tern den im Krumbad lebenden Jesuitenpater ten einzusetzen und anderen zu helfen. ihre Mitmenschen und trug deren Sorgen im Gebet Theo Schmidkonz, als dieser schwer erkrankte. Durch ihre beiden Tanten mütterlicherseits, die bereits vor Gott. In den letzten Monaten zeichnete sich ab, verstorbenen Schwestern, M. Giselinde und M. Cry- Dass zur Gesundung des Menschen nicht nur die dass die körperlichen Kräfte von Sr. M. Moni- santha, kannte die junge Frau die Ordensgemeinschaft medizinische und pflegerische Kunst zählt, sondern ka aufgebraucht waren. Immer wieder wur- Sr. M. Monika der St. Josefskongregation in Ursberg und deren Auftrag. auch eine Umgebung, in der man sich wohl und ge- den Krankenhausaufenthalte notwendig und Wie ihre beiden Tanten wollte sie sich in den Dienst am borgen fühlt, war Sr. M. Monika bewusst. Zusammen der gesundheitliche Zustand verschlechter- (Berta) Nächsten stellen, um darin Christus nachzufolgen. Der Ein- mit vielen Helfern und Helferinnen verstand sie es, te sich zunehmend. Innerlich auf die Begeg- satz für Menschen mit Behinderungen lag ihr am Herzen. den Alltag der Kurgäste durch verschiedene Angebote nung mit ihrem Herrn vorbereitet, ging Sr. Rogg So bat Berta Rogg am 01.08.1960 um Aufnahme ins Klos- wie Theater-, Faschings-, Musikveranstaltungen und M. Monika im Krankenhaus Weißenhorn ter. Am 19. März 1962 trat sie ins Noviziat der Ursberger vieles mehr aufzulockern und aufzuheitern. Dafür in den frühen Morgenstunden des 23. Juli *25. Oktober 1940 Schwesterngemeinschaft ein und erhielt den Ordensna- schlüpfte sie auch selbst und so manche Mitschwes- 2019 heim in die ewige Herrlichkeit. † 23. Juli 2019 men M. Monika. Am Josefstag 1964 legte die junge Schwes- ter in verschiedene Theaterrollen, um ihre Mitmen-

58 59 Im Gedenken Verstorbene Verstorbene Leser Anvertraute Aigner Georg, Landshut Standort Ursberg Bertele Adolf, Oy-Mittelberg OT Petersthal Wohneinrichtungen Böck Waltraud, Eppishausen Seyfarth Irene, St. Anna/St.Elisabeth Bürger Rosa, Thierhaupten Geier Gottfried, St. Florian Schwägerin unserer Sr. M. Thaddäa Bürger Frey Bonifatius, München Gaiser Adolfine, Krumbach Standort Ursberg Gebele Afra, Bonstetten Fachpflegeeinrichtungen Hämmerle Josef, Frau Hafner, Ursberg OT Oberrohr Neuchl Cäcilia, St. Vinzenz von Paul Heimer Adolf, Augsburg Lindig Franz, St. Vinzenz von Paul Onkel unserer Sr. Marianne Rauner Baur Franz-Georg, St. Vinzenz von Paul Heiler Elsa, Tussenhausen OT Zaisertshofen Kieswimmer Rosina, Untertiefbach Standort Ursberg Schwester unserer Sr. M. Donata Kieswimmer Pflege für Senioren Leidescher Friedrich, Tussenhausen OT Zaisertshofen Dempf Anton Locher Theresia, Wolfertschwenden Srownal Irmgard Miller Aloisia, Tussenhausen OT Zaisertshofen Micheler Otto Mittank Erich, OT Obergessertshausen Mödl Friedrich, Altötting Frau Müller, Wörthsee Region Oberbayern Neher Ottilie, Bad Grönenbach Groß Berta, Breitbrunn Nuska Waltraud, Inchenhofen Lieb Stefan, Breitbrunn Orths Hans, Viersen Schönbeck Elisabeth, Breitbrunn Pils Gertrud, Puchheim Rager Anna, Laugna Reich Hilda, Nördlingen Region Unterallgäu Reiter Helmut, Augsburg Steinheber Cornelius, Seniorenzentrum St. Anna Schwager unserer Sr. M. Gunda Gruber Gerhartinger Antonie, Seniorenzentrum St. Anna Schickling Maria, Heinrichsthal Greger Gabriele, Haus St. Franziskus Ach, Schmid Agnes, Tussenhausen OT Zaisertshofen Schmid Anton, Krumbach OT Billenhausen Region Augsburg-Nord schrittest du durch den Garten Eheleute Schmitt, Breitenbrunn OT Loppenhausen Niederberger Karlheinz, Holzen Noch einmal im raschen Gang, Schütz Georg, Krumbach OT Billenhausen Schwarz Xaver, Ursberg, OT Oberrohr Wie gerne wollt‘ ich warten, Walter Rosa, Babenhausen Region Augsburg-Süd Cousine unserer Sr. M. Consolata Feiler Gassner Ursula, Haus Moritz Warten stundenlang. Weixler Viktoria, Winterrieden Wohlfahrt Anneliese, Schwabsoien OT Sachsenried Theodor Fontane Zedelmayer Magdalena, Illertissen OT Jedesheim

60 61 B 08038

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Vor 110 Jahren im Ursberger Josefsboten Vor 105 Jahren im Ursberger Josefsboten! Dezember 1913

Aus Sr. M. Lucias Fundgrube

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