15282 Deutscher – 18 . Wahlperiode – 155 . Sitzung . , Donnerstag, den 18 . Februar 2016

Petra Rode-Bosse (A) aber, wenn wir gleichgeschlechtlichen Paaren immer Erste Beratung des von der Bundesregierung einge- (C) wieder sagen: Ihr seid nicht gleichberechtigt . Wir erken- brachten Entwurfs eines Gesetzes zur Neurege- nen eure Liebe nicht als gleichwertig an . – Im Grundgesetz lung des Kulturgutschutzrechts wird übrigens nicht näher aufgeführt, dass die Ehe Drucksache 18/7456 ausschließlich Paaren aus Frau und Mann vorbehalten ist . Lassen Sie uns doch davon ausgehen, wie weitsichtig Überweisungsvorschlag: Ausschuss für Kultur und Medien (f) die Mütter und Väter des Grundgesetzes waren, als sie Innenausschuss bewiesen haben, dass sie gesellschaftlichen Wandel Ausschuss für Recht und Verbraucherschutz einschließen . Das Grundgesetz ist offen für die norma- Finanzausschuss tive Kraft des Faktischen, oder, um es einfacher auszu- Ausschuss für Bildung, Forschung und Technikfolgenab- drücken, das Grundgesetz ist offen für gesellschaftliche schätzung Veränderungen . Nach einer interfraktionellen Vereinbarung sind für Seien wir doch ehrlich: Die Gesellschaft hat sich ver- die Aussprache 38 Minuten vorgesehen . – Ich höre dazu ändert . Die Lebenswirklichkeit ist längst eine andere als keinen Widerspruch . Dann ist das so beschlossen, und jene, die sich bei uns in zwei Gesetzen wiederfindet – wir können die Aussprache beginnen . zwei Gesetze und damit zwei verschiedene Modelle: ein- mal die Ehe und einmal die eingetragene Lebenspartner- Wenn Sie bitte zügig die Plätze einnehmen würden . – schaft. Das ist vollkommen überflüssig. Es erleidet doch Darf ich auch die Kollegen von der CDU/CSU bitten, niemand einen Nachteil, wenn auch Männer Männer und ihre Plätze einzunehmen, Frauen Frauen heiraten dürfen . ( [CDU/CSU]: Wir brauchen immer ein bisschen mehr Zeit! Das haben wir (Beifall bei Abgeordneten der SPD) ja eben gehört!) Die diffuse Angst vor der Ehe für gleichgeschlechtli- che Paare ist völlig unbegründet . Wir sollten uns endlich und die von der SPD auch? trauen, mit der Gesellschaft Schritt zu halten . Die Politik Als erste Rednerin in der Debatte hat die Staatsminis- darf nicht länger der Realität hinterherhinken . terin Monika Grütters für die Bundesregierung das Wort . (Beifall bei Abgeordneten der SPD und der (Beifall bei der CDU/CSU und der SPD) LINKEN) 20 Staaten weltweit haben das bereits anerkannt . Auch Monika Grütters, Staatsministerin bei der Bundes- bei uns in Europa haben schon 12 Länder die Ehe für kanzlerin: (B) gleichgeschlechtliche Paare ermöglicht und sich dafür Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und (D) geöffnet . Und, meine sehr verehrten Damen und Herren, Herren Kolleginnen und Kollegen! Zu unserem Selbst- diese Länder werden nicht nur von Sozialdemokraten, verständnis als Kulturnation gehört zuerst einmal der Grünen und Linken regiert . Die Ehe auch für gleichge- Konsens, dass Kunst, dass Kulturgut keine Ware wie jede schlechtliche Paare ist ein internationales Symbol für andere ist und auch keine Geldanlage wie jede andere; Weltoffenheit, für Freiheit, für Gerechtigkeit und Gleich- denn Kulturgüter sind zunächst einmal Spiegel unserer berechtigung . Geschichte und unserer Identität . (Beifall des Abg . Dr . Karl-Heinz Brunner Der Regierungsentwurf zur Novellierung des Kul- [SPD] – Mechthild Rawert [SPD]: Gut so!) turgutschutzgesetzes, den wir heute in den Bundestag Häufig wird Deutschland – und das völlig zu Recht – als einbringen, ist Teil einer historischen Entwicklung, die Wegbereiter für genau diese Werte angesehen . Doch bei in manch hitziger Debatte der vergangenen Monate ein der Öffnung der Ehe für gleichgeschlechtliche Paare ha- wenig aus dem Blickfeld geraten ist. Die erste rechtli- ben wir eindeutig Nachholbedarf . che Regelung des Kulturgutschutzes – ich glaube, dass es ganz wichtig ist, diesen Kontext herzustellen –, eine, Überholte Konventionen und überkommene Vorstel- wie es damals hieß, „Verordnung über die Ausfuhr von lungen von Partnerschaft und Ehe dürfen nicht entschei- Kunstwerken“ aus dem Jahr 1919, war der bitteren Erfah- dend sein . Der Mensch ist entscheidend . Der Mensch rung von Plünderungen ungeheuren Ausmaßes im Ersten muss im Mittelpunkt stehen . Weltkrieg in Deutschland und Europa sowie dann auch Danke sehr . des drohenden Ausverkaufs deutschen Kulturbesitzes ge- schuldet . Auf den Zweiten Weltkrieg, also auf wirklich (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten leidvolle Erfahrungen auch mit Raub- und Beutekunst der LINKEN) hier bei uns, wenn auch selbstverschuldet, folgte das Kulturgutschutzgesetz von 1955, das national wertvolles Vizepräsidentin : Kulturgut seitdem durch die Eintragung in Verzeichnisse der Länder vor Abwanderung schützt und das wir heute, Ganz herzlichen Dank und gleichzeitig auch Gratula- also ziemlich genau 60 Jahre danach, novellieren wollen . tion zu Ihrer ersten Rede, Frau Rode-Bosse . Zwischenzeitlich, nämlich mit der UNESCO-Kon- (Beifall) vention zum Kulturgutschutz aus dem Jahr 1970, ist Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich schließe die ebendieses Thema auch international auf die Tagesord- Aussprache und rufe den Tagesordnungspunkt 9 auf: nung gekommen. Ausgerechnet Deutschland hat die Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 155 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 18 . Februar 2016 15283

Staatsministerin Monika Grütters (A) UNESCO-Konvention aber erst mit 37-jähriger Verspä- Eigentümer und Sammler in vielerlei Hinsicht deutlich (C) tung ratifiziert. Die EU wiederum hat 1992 ihrerseits ent- bessergestellt werden als nach der jetzigen Regelung. sprechende Bestimmungen eingeführt. Auch da sind wir Die Unterstützung für die Gesetzesnovelle ist denn als eines der letzten von 28 Ländern wieder einmal mit auch viel breiter, als manche schrille Stimme in der De- deutlicher Verzögerung am Werk. batte der letzten Wochen es vermuten lässt. Ich bedanke Trotz unserer eigenen – teilweise selbstverschulde- mich insbesondere beim Deutschen Kulturrat, beim ten – Erfahrung mit dem Verlust von Kulturgut und trotz Deutschen Museumsbund, beim Internationalen Muse- unserer auch historisch begründeten Verantwortung für umsrat, beim Bundesverband Bildender Künstlerinnern den Schutz des kulturellen Erbes – nicht nur unseres und Künstler, beim Deutschen Künstlerbund, beim Bun- eigenen, sondern auch des fremden – fristet der Kultur- desverband der Fördervereine Deutscher Museen für gutschutz bei uns, in der viel gerühmten Kulturnation bildende Kunst; darin vertreten sind sehr viele Sammler, Deutschland, seit Jahrzehnten eher ein Schattendasein, Leihgeber und Eigentümer sowie Vertreter von Samm- meine Damen und Herren . Deutschland hinkt der euro- lern . Zu den Unterstützern gehören auch die 18 Staaten, päischen und der internationalen Entwicklung nach wie deren Botschafter sich bei mir ausdrücklich für den jetzigen vor hinterher. Gesetzentwurf bedankt haben – aus Süd- und Mittelamerika sind sie gesammelt bei mir erschienen, Zwar haben sich viele Regelungen zum Kulturgut- andere, aus dem Mittleren und Nahen Osten, kamen ein- schutz bewährt, zum Beispiel dass wir zur Identifizie- zeln –, und nicht zuletzt auch die Kulturminister unserer rung dessen, was wir national wertvoll finden, Sachver- 16 Bundesländer . Der Bundesrat hat die Zustimmung ständige befragen und dies nicht der Politik überlassen. dieser Kulturminister in seiner Stellungnahme im De- Andere Regelungen der jetzigen Gesetzeslage haben sich zember bekräftigt. aber nicht bewährt, zum Beispiel diejenigen zur Einfuhr von Kulturgütern aus Kriegs- und Krisenregionen. Dabei Kunst- und Kulturgüter, liebe Kolleginnen und Kol- geht es etwa um den Handel mit antiken Kulturgütern. legen, haben nicht nur einen Preis, sondern vor allen Indem wir die Einfuhr unterbinden, wollen wir ja versu- Dingen einen Wert. Diese Überzeugung trägt den Ge- chen, tatsächlich auch organisierte Kriminalität zu ver- setzentwurf der Bundesregierung zur Novellierung des hindern. Diese Regelungen haben sich, wie gesagt, nicht Kulturgutschutzrechts. In diesem Sinne bitte ich Sie um bewährt. Deshalb haben sich die Parteien, auch aufgrund Ihre Zustimmung. eines Evaluierungsberichts der Bundesregierung aus dem Vielen Dank . Jahr 2013, im Koalitionsvertrag darauf verständigt, den Kulturgutschutz in Deutschland zu novellieren. Das muss (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abge- (B) im Rahmen eines Gesetzes geschehen, das einer Kultur- ordneten der SPD) (D) nation würdig ist, und zwar, wie ich meine, in zweierlei Hinsicht: Vizepräsidentin Edelgard Bulmahn: Vielen Dank . – Als nächste Rednerin hat Sigrid Erstens bei der Einfuhr . Deutschland muss endlich sei- Hupach von der Fraktion Die Linke das Wort . nen Beitrag zur Eindämmung des illegalen Handels mit Kulturgütern leisten. Hier geht es um nicht weniger als (Beifall bei der LINKEN) um den Schutz des internationalen, des weltweiten kultu- rellen Erbes der Menschheit. Sigrid Hupach (DIE LINKE): Zweitens bei der Ausfuhr, also beim Schutz unseres Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! eigenen kulturellen Erbes . In den wenigen Ausnahme- Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die UNESCO-Kon- fällen, in denen Kulturgüter als emblematisch für unsere vention von 1970 gegen die rechtswidrige Einfuhr, Aus- Geschichte und Identität gelten und anerkannt werden, fuhr oder Übereignung von Kulturgut endlich in wirksa- muss es auch bei uns möglich sein, diese wenigen Stücke mes nationales Recht umzusetzen, ist längst überfällig . hier auch künftig vor Abwanderung ins Ausland und vor Deshalb unterstützt meine Fraktion dieses Anliegen des Zerstörung zu schützen . vorliegenden Gesetzentwurfes . In diesen wenigen Fällen kann es natürlich zu Konflik- Das Kulturgüterrückgabegesetz von 2007 hat sich, ten kommen: zwischen legitimen privaten Eigentümerin- wie von der Linken bei seiner Einführung übrigens schon teressen, zum Beispiel dem Interesse nach möglichst befürchtet und wie von Bund und Ländern im Evaluati- hohen Verkaufspreisen, und einem dem möglicherweise onsbericht von 2013 einhellig festgestellt, als wirkungs- entgegenstehenden öffentlichen Interesse an der Bewah- los erwiesen . Die erdrückenden Bilder der barbarischen rung des besonderen Werts eines Werks für Deutschland. Kulturzerstörungen in Mosul, Hatra, Nimrud und Palmy- Hier müssen wir fair und angemessen verhandeln. Das ra machen mehr als deutlich, dass sich auch Deutschland ist uns – auch diese Erinnerung möchte ich hier noch endlich darum kümmern muss, den illegalen Handel mit einmal ganz deutlich formulieren – in den vergangenen Raubkunst und Artefakten aus archäologischen Raubgra- 60 Jahren, seit wir das Gesetz haben, fast ausnahmslos bungen zu verhindern bzw . wenigstens zu erschweren . konfliktfrei gelungen. Es gab in den vergangenen Jahren so gut wie keinen nennenswerten Streit über solche Fälle. (Beifall bei der LINKEN) Deshalb glaube ich und bin sehr zuversichtlich, dass wir Jedoch – das muss man auch sagen – sind es nicht das mit den Regelungen im vorliegenden Gesetzentwurf nur Terrormilizen, die sich dieser Finanzierungsquelle auch künftig hinbekommen, zumal Museen und private bedienen . Viele Menschen treibt die blanke Not dazu .