Der We stpreuße Begegnungen mit einer unser europäischen Kulturregion 69. Jahrgang Heft 9 September 2017 € 6 (D) 8 zł (PL)

MYTHOS „DANZIG“ SEPTEMBER 1939 (II) Zum 60. Geburtstag Die Toten von von Paweł Huelle Simonsdorf Aus dem Inhalt

FORUM 3 vorab 3 Damals war's 4 Auf ein Wort

POLITIK UND GESELLSCHAFT 6 Der Resignation widerstehen 7 Gefahr einer Schwächung der Aussiedlerarbeit 7 Nachrichten

PANORAMA 8 Wenn ein Monolog zum Dialog wird – Der Mythos „Danzig“ im Werk von Paweł Huelle 11 Notizen aus Danzig, Elbing, Marienburg und Thorn 14 Kultur-Informationen aus dem »Land am Meer«

GESCHICHTE UND KULTUR 15 Am ersten Tag des Zweiten Weltkriegs : Auf der Suche nach Die Toten von Simonsdorf einer verlorenen Welt 8 18 Elbing in der Gegenwart – Vom Wiederaufbau der 780 Jahre alten Stadt 21 hörens-, sehens- und wissenswert

KULTURSTIFTUNG WESTPREUSSEN 22 Blick über den Zaun

RUBRIKEN 2 Impressum 5 Leserpost 23 TV-Tipps 24 Zum guten Schluss

Opfer des Krieges – Elbing – eine Stadt noch vor dem Krieg 15 in Bewegung 18

IMPRESSUM Herausgeber und Verlag: Redaktionelle Mitarbeit an den Landsmannschaft Westpreußen e. V. Landsmannschaftlichen Nachrichten: – Bundesorganisation – Sibylle Dreher ([email protected]) und Heidrun Mühlendamm 1, 48167 Münster-Wolbeck Ratza-Potrÿkus ([email protected]) Telefon 0 25 06 / 30 57-50, Fax 0 25 06 / 30 57-61 Verlagsleiter: Armin Fenske Postbank Hamburg: Verlags- und Redaktionsadresse: Der Westpreuße IBAN DE13 2001 0020 0150 9572 04 Mühlendamm 1, 48167 Münster-Wolbeck BIC PBNKDEFF oder Telefon 0 25 06 / 30 57-50, Fax 0 25 06 / 30 57-61 Sparkasse Münsterland Ost, Münster: [email protected] TITELBILD Kap Rixhöft (Rozewie) mit dem IBAN DE59 4005 0150 0034 0248 51 www.der-westpreusse.de BIC WELADED1MST gleichnamigen Leuchtturm. Das Foto wurde Der Westpreuße erscheint einmal im Monat. Der Bezugs­ Redaktionssekretariat, Abonnementverwaltung preis beträgt vierteljährlich € 18,– und im Ausland jährlich vom Habichtsberg aus aufgenommen, der und Anzeigenannahme: Esther Lüchtefeld € 86,40. Die MwSt. ist mit 7% enthalten. Bestellungen beim nordwestlich von Chlapau liegt und heute ([email protected]) Verlag. Der Bezug kann nur mit einer Frist von mindestens drei Monaten zum Quartalsende gekündigt werden. Bei auf Polnisch „Jastrzębia Góra“ heißt. Leiter des Redaktionsteams: Ulrich Bonk ([email protected]) Nicht­belieferung bestehen im Fall höherer Gewalt keine Foto: Thomas Hölscher Redaktionelle Mitarbeit: Prof. Dr. Erik Fischer Ansprüche gegen den Verlag. Mit Namen oder Kürzeln ge- ([email protected]) zeichnete Artikel geben nicht in jedem Falle die Meinung des Verlages oder der Redaktion wieder. Nachdruck nur PASSWÖRTER für die digitalen Fassungen Ressorts Forum sowie Politik und Gesellschaft: Tilman Asmus Fischer ([email protected]) mit Genehmigung des Verlages. – Zurzeit gelten die beiden der letzten drei Westpreußen-Ausgaben Anzeigenpreis­listen Nr. 1. Korrespondentinnen und Korrespondenten: Juli 2017 : heft-7-2017-oas Peter Neumann (Troisdorf) für Danzig, Piotr Olecki (Toruń) Layout und Bildbearbeitung: Dirk Kohlhaas M. A., Kommunikationsdesigner August 2017: heft-8-2017-dhv für Thorn und Kujawien-Pommern, Bodo Rückert (Köln) für Marienburg, Lech Słodownik (Elbląg) für Elbing und Joanna mediengestaltung-kohlhaas.de, Gringsstr. 28, 53177 Bonn September 2017 : heft-9-myd Szkolnicka (Elbląg) für die »Kultur-Informationen« Herstellung und Verlagsauslieferung: Lensing Druck, Westenhellweg 86–88, 44137 Dortmund ISSN: 0043-4418, Auflage: 1.500 Exemplare

2 Der Westpreuße 9/2017 FORUM

dem sich der Vizepräsident des EKD-Kirchen- lung zu nehmen. „Unser“ Thema hat also nicht vorab amtes bemüht hatte, den Verzicht auf die Neu- nur in einem weiten Umfeld Verbreitung ge- berufung eines Beauftragten für Spätaussiedler funden, sondern wird auch innerhalb dieser und Heimatvertriebene plausibel zu machen. Zeitung noch weiterverfolgt. Liebe Leserinnen, liebe Leser, Während Artikel und Fotos aus unserer Zei- Dadurch werden nicht zuletzt unsere Be- eine kleine Redaktion wie unsere ist darauf tung in der letzten Zeit auch schon von an- mühungen flankiert, Verbindungen zu stiften, angewiesen, Informationen aus Pressemittei- deren Blättern übernommen wurden, ist der die über das Einzelheft hinausreichen. Das ge- lungen und Agenturmeldungen zu überneh- Inhalt eines unserer Beiträge jetzt von einer lingt hoffentlich auch mit dem Artikel über die men. Wir befinden uns somit – bildlich gespro- entgeltpflichtigen Agentur in den allgemei- Toten von Simonsdorf, der diesmal dezidiert chen – am unteren Ende der Verwertungskette nen Informationsfluss eingespeist worden. einen Kontrapunkt zum Beitrag von Helmut journalistischer Inhalte. Deshalb ist es für uns Dies ist DW wohl zum ersten Male gelungen Brauer aus der August-Ausgabe bildet. Wir erfreulich, dass es ein Artikel des Westpreußen und erscheint uns an dieser Stelle durchaus sind gespannt, ob sich zwischen den beiden an den Beginn dieser Kette geschafft hat, also bemerkenswert – zumal der Beitrag aus der komplementären Artikeln bei Ihnen eine Art selbst zu einer „Nachricht“ geworden ist : Nur ­August-Nummer Reinhard Schott, den Vorsit- Gleichgewicht herstellen lässt – und arbeiten kurz nach dem Erscheinen der August-Ausga- zenden der Konferenz für Aussiedlerseelsorge übrigens schon daran, im Oktober mit einer be hat die Agentur idea ausführlich über das der EKD, veranlasst hat, seinerseits in einem neuen „Spiegelung“ einzusetzen. Interview mit Dr. Thies Gundlach berichtet, in Gastkommentar zu dieser Problematik Stel- Die DW-Redaktion Damals war's

Liebe Leserinnen und Leser, wie war das damals vor 60 Jahren? Bei einigen von Ihnen werden Erinnerungen an die 1950er Jahre wach – für andere eröffnet der Blick in die Vergangenheit neue Per­spektiven. Daher geben wir an dieser Stelle monatlich exemplarische Artikel aus dem Westpreußen vor 60 Jahren wieder – nun also aus einer September-Nummer des Jahres 1957.

ie Vertreibungen am Ende des Zweiten Weltkriegs bedeuteten für die Betrof- D fenen nicht nur einen unermesslichen emotionalen Verlust des gewohnten sozialen und kulturellen Umfeldes. Für jeden Berufs- tätigen ging hiermit auch der Verlust des eige- nen Arbeitsplatzes einher. Bestand für Beamte, Angestellte und Arbeiter die langfristige Aus- sicht, nach Ende der Kriegswirren und einer wirtschaftlichen Wiederbelebung auf den Arbeitsmarkt zurückzukehren und sich um eine neuen Anstellung zu bewerben, hatten Selbstständige – zumal in der Landwirtschaft – nicht ‚nur‘ ihre Arbeitsstelle, sondern die teils von Generation zu Generation vererbte Grundlage ihres Berufes verloren. Wollte man es ihnen ermöglichen, im Westen Deutsch- lands sesshaft zu werden – ohne den gelernten Berufsstand zu verlassen –, war es notwendig, ihnen eine neue Basis für ein eigenes Wirt- schaften zu geben. Dies gelang den deutschen Flächenstaaten im Laufe der Nachkriegszeit Der Niedersächsischen Landesregierung ge- Kessels zugleich die schwindende Bedeu- durch gezielte sozial- und wirtschaftspolitische hörte er – zeitweise auch als stellvertretender tung der Vertriebenen-Partei GB/BHE vor Programme, die ostdeutschen Landwirten, wie Ministerpräsident – für den Gesamtdeutschen ­Augen : Nur zwei Monate nach der Übergabe hier dem Stuhmer Gustav Sperling, landwirt- Block / Bund der Heimatvertriebenen und Ent- der 30.000sten Siedlerstelle verlor von Kessel schaftliche Nutzflächen zur Verfügung stellten. rechteten (GB/BHE) an, dessen Landesvorsit- seinen Ministerposten aufgrund der Bildung Besondere Verdienste um diese Form der zender er zugleich 1955 bis 1958 war. Während einer neuen Koalition. 1961 erfolgte die Fusi- Eingliederung erwarb sich das Land Nieder- die Bildmeldung aus dem September 1957 die on des GB/BHE mit der Deutschen Partei zur sachsen. Dessen Landwirtschaftsminister,Bedeutung der sozialpolitischen Herausfor- zunehmend randständigen Gesamtdeutschen Friedrich von Kessel, der seit 1951 amtierte, derungen der Vertriebeneneingliederung ver- Partei. ■ war selbst Heimatvertriebener aus Schlesien. deutlicht, führt die politische Biografie von

Der Westpreuße 9/2017 3 Vertriebene, Flüchtlinge Daher gilt es, nach 60 Jahren des Einsatzes Auf ein Wort und Spätaussiedler längst für Menschenrechte, Heimat und Verständi- in der bundesdeut- gung die bleibend aktuelle – und nicht nur bei- Tilman Asmus Fischer Stellvertretender Bundesvorsitzender schen Gesellschaft an- läufige – Bedeutung dieser Maximen zu beto- der Landsmannschaft Westpreußen gekommen – ihre Zie- nen : Angesichts weltweiter Zwangsmigration le gelten zumindest den ist die Forderung „Heimatrecht ist Menschen- Unionsparteien als „Kern- recht“ von anhaltender Bri­sanz. Spätaussied- 60 Jahre Einsatz für Menschen­rechte, anliegen“, und in der letzten ler stellen auch heute noch eine der größten Heimat und Verständigung Ausgabe dieser Zeitung bezeichnete der Vize- Migrantengruppen unseres Landes dar, deren präsident des EKD-Kirchenamtes die Betreu- Integration es weiterhin zu vertiefen gilt – im ung von Spätaussiedlern als „Regelaufgabe“ Sinne gesellschaftlicher Stabilität und Plurali- schaut der Bund der Vertrie- der Kirchen. Dass ihre Anliegen inzwischen tät. Und letztlich : Angesichts der neuen Span- 2017 benen auf seine Gründung im „Kernanliegen“ und „Regelaufgaben“ geworden nungen zwischen westlichen und östlichen Jahre 1957 zurück. Nicht umsonst steht der Tag sind, können Vertriebene und Aussiedler gewiss Mitgliedsstaaten der EU, braucht es auch heu- der Heimat unter dem Motto : „60 Jahre Ein- als Indiz für ihre gesellschaftliche und politische te noch die Hand der Vertriebenen, die sich satz für ­Menschenrechte, Heimat und Verstän- Etablierung verbuchen. Dabei bergen „Kernan- den östlichen Nachbarn entgegenstreckt – un- digung“. Diese begriffliche Trias verdeutlicht liegen“ und „Regelaufgaben“ aber immer auch abhängig davon, wie sich das politische Klima die Vielfalt der Arbeit, die der BdV und die das Risiko, dass sie zur Routine werden und sich zwischen Berlin und Warschau darstellt. ihm angeschlossenen Verbände seit Jahrzehn- irgendwann unter „ferner liefen“ finden. ten leisten : Sie war niemals allein nur Vertrie- benenpolitik, nur Kulturarbeit oder nur Ver- ständigungspolitik. DAS KULTURWERK DANZIG & DIE DANZIGER Das Eintreten für die Rechte deutscher Hei- NATURFORSCHENDE GESELLSCHAFT matvertriebener, Flüchtlinge und Aussiedler – der Einsatz für die Bewahrung des heimat- XXXVIII. FORUM GEDANUM vom 6. bis 8. Oktober 2017 in der Ostsee-Akademie in 23570 Lübeck-Travemünde, Europaweg 3 lichen Kulturerbes – das aufrichtige Bemühen um Verständigung mit den Nachbarvölkern, all dies gehört untrennbar zusammen. Auf nur PROGRAMM eines dieser Ziele lässt sich die Gesamtheit der deutschen Vertriebenen weder von ihren Kri- Freitag, 6. Oktober 2017 tikern noch von einzelnen Akteuren reduzie- 19.oo Uhr Abendessen ren, die ihrerseits versuchen, sie für ihre politi- 20.15 Uhr Begrüßung und Einführung in die Tagung sche Agenda zu vereinnahmen. 20.30 Uhr OStD. i. R. Hans-Jürgen Kämpfert, Lübeck : Mit ihrem Einsatz für Menschenrechte, Danziger Persönlichkeiten, die die Menschheit bereicherten Heimat und Verständigung haben die Vertrie- Samstag, 7. Oktober 2017 benen und Aussiedler in verschiedenen Pha- 8.15 Uhr Frühstück sen der bundesdeutschen Geschichte jeweils 9.15 Uhr Prof. Dr. Gilbert H. Gornig, Marburg : Das Schicksal Danzigs eigene Akzente im öffentlichen Diskurs gesetzt vor und nach dem Versailler Friedensvertrag bis heute – ja, das Gesicht unseres Landes mitgeprägt : 10.30 Uhr Kaffeepause In den frühen Jahren der Bonner Republik 11.00 Uhr Karl-Heinz Kluck, Hamburg : „Danziger Reedereien“ am Beispiel der standen vor allem sozialpolitische Forderun- Danziger Dampfschiffahrt- und Seebad-Actien-Gesellschaft ›Weichsel‹ gen im Zentrum ; angesichts des hohen Ri- 13.00 Uhr Mittagessen sikos der Altersarmut unter Spätaussiedlern 14.30 Uhr Kulturwerk Danzig e. V. : Vorstandssitzung haben sie zuletzt wieder an Bedeutung ge- 15.15 Uhr Kulturwerk Danzig e. V. : Mitgliederversammlung wonnen. In Jahren, als Teile der deutschen Be- 16.45 Uhr Danziger Naturforschende Gesellschaft e. V. : Mitgliederversammlung völkerung begannen, sich mit dem realexis- 18.30 Uhr Abendessen tierenden Sozialismus im östlichen Europa 20.00 Uhr Festliche Musikalische Abendgesellschaft abzufinden, verbanden die Vertriebenen mit Barock-Konzert in der Versöhnungs-Kirche im Pommernzentrum der Forderung nach Recht auf Heimat dieje- Rocaille-Ensemble, Lübeck – Leitung : Gerhard Torlitz nige nach Freiheit und Demokratie für den Organisation : Hartmut Schütz ganzen Kontinent. Parallel hierzu trieben Deutsche aus dem Osten die Erforschung und Sonntag, 8. Oktober 2017 Bewahrung des Kulturerbes der Landschaften 8.15 Uhr Frühstück zwischen Ostsee, Adria und Schwarzem Meer 9.15 Uhr Dr. Sylvia Bykowska, Danzig : Die Gestaltung der Danziger voran. Vor und nach dem Ende der kommu- Gemeinschaft nach dem Zweiten Weltkrieg nistischen Gewaltherrschaft waren es Vertrie- 10.15 Uhr Dr. Paweł Bykowski, Danzig : Gegenwart und Vergangenheit von Danzig bene und Flüchtlinge, die steten Kontakt zu in den Augen junger Danziger Bewohner den alten und neuen Bewohnern ihrer Heimat 11.15 Uhr Prof. Dr. Jürgen Born, Ratingen : Figürliche Darstellungen in Danzig hielten – und damit die europäische Integrati- 12.15 Uhr Mittagessen on wesentlich förderten. Anmeldungen an : Herrn Armin Fenske, Achter’d Diek 3, 26844 Jemgum-Ditzum, T: (04902) 557, [email protected] Aufgrund ihres langjährigen und nachhal-

Stand : 8. 6. 2017 , Änderungen vorbehalten tigen zivilgesellschaftlichen Engagements sind

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@ Ihre Meinung ist Briefe an leserpost der-westpreusse.de uns wichtig! BETR.: Politik und Gesellschaft / Eingangsbestätigung. Danach hörten die sehr leid, nachdem sie auf diese Weise ihren Per E-Mail: leserpost@ Nachrichten (8/2017) Antragstellerin und ich monatelang nichts Sohn und Bruder hat verlieren müssen. Das der-westpreusse.de Sie berichten, dass bis zum 30. Juni 2017 mehr vom Stand der Bearbeitung. Auf eine sage ich aus Mitgefühl, nachdem auch aus mei- fast 25.000 Anträge auf Entschädigung ehe- Sachstandsanfrage im Mai dieses Jahres ner Familie ein Sohn plötzlich verstorben ist. Leserbriefe geben die maliger deutscher Zwangsarbeiter beim wurde mir mitgeteilt, dass »die Anträge in der Aber ist es sinnvoll, mit diesem fotogra- Meinung der Verfasser­ Bundesverwaltungsamt eingegangen seien. Reihenfolge ihres Einganges bearbeitet wer- fisch ausgestalteten Artikel wieder an den innen und Verfasser Lt. Behörde kann diese »hohe Anzahl im Ein- den«. Es fragt sich, wie viele Mitarbeiter mit „Bromberger Blutsonntag“ (und sein Umfeld) wieder, die sich nicht zelfall zu einer etwas längeren Bearbeitungs- der Bearbeitung der 25.000 Anträge beschäf- zu erinnern? Wir sollten bei der Versöhnung unbedingt mit derjenigen der Redaktion deckt. zeit führen«. Dieser Hinweis verniedlicht die tigt sind, wenn ein gleich zu Beginn gestellter mit unserem Nachbarland endgültig Schluss Zudem können nicht alle Dimension der skandalösen Bearbeitungs- Antrag immer noch nicht beschieden ist ? Die machen mit solchen Aufsätzen, die nach dem eingehenden Schreiben verzögerung. Offenbar ist die Behörde über- meisten Antragsteller sind älter als 90 Jahre. Überfall auf das Land Polen solche Übergriffe veröffentlich werden; und die Redaktion behält sich haupt nicht auf die hohe Zahl der Anträge Sie werden es nicht mehr erleben, dass sie schildern. Schließlich haben wir als Angreifer vor, Zuschriften auch sinn­ vorbereitet, und ihre Leitung unternimmt für ihr Leid eine kleine Wiedergutmachung solche Untaten an den Polen in Bromberg um wahrend zu kürzen. nichts, daran etwas zu ändern. erfahren. Wer trägt für diesen Skandal die Ver- ein Mehrfaches vergolten. Ich habe vor fast einem Jahr, kurz nach antwortung ? Heinrich Lohmann Ich finde solche Beiträge mittlerweile Inkrafttreten der gesetzlichen Regelung, als (Landesobmann LW), Bremen überflüssig, die die Aussöhnung mit unserem Bevollmächtigter für ein 1924 geborenes Mit- Nachbarvolk nicht gerade verbessern. glied unserer Landsmannschaft den Antrag BETR.: „Ich wollte es genau wissen“ (8/2017) Hans-Georg Hippler, Brackenheim mit allen geforderten Nachweisen einge- Um es zunächst einmal ganz ehrlich zu sagen, reicht. Ende November 2016 erhielt ich eine mir tut die Familie Werner aus Obornik wirklich

ie Starrheit, mit der histo- DIE GESCHICHTE ‚ENTLÜGEN‘ – AUF DEM WEG rische »Wahrheiten« früher D häufig vertreten worden sind, ZU EINEM FRIEDLICHEN MITEINANDER hat sich in jüngerer Zeit deutlich gelo- ckert : Sowohl in Deutschland wie in PROGRAMM Polen ist es durchaus schon gelungen, die Geschichte – mit einer klugen For- FREITAG, 22. 9. mulierung des früheren Bundesprä- sidenten Roman Herzog – zu »entlü- Begrüßung der Teilnehmer und Eröffnung des Kongresses gen«. Dabei kommt der schwierigen Ulrich Bonk, Bundesvorsitzender der Landsmannschaft Westpreußen Entwicklung eines gemeinsamen his- Einführung in das Thema des Kongresses torischen Verständnisses gerade für Prof. Dr. Erik Fischer, Bundeskulturreferent die komplizierten Verhältnisse in der Region am Unterlauf der Weichsel Historische Wahrheit 2.0: Geschichtskonstruktionen im analogen eine herausragende Bedeutung zu. Sich und digitalen Zeitalter Prof. Dr. Bettina Schlüter, Bonn über den Stand dieser Debatte zu ver- ständigen, erscheint22.–24. somit September dringend 2017 SAMSTAG, 23. 9. angeraten, – inzumal Warendorf die aktuelle polni - sche Geschichtspolitik offenbar darauf Polen im deutschen Geschichtsbuch Prof. Dr. Wolfgang Jacobmeyer, Münster abzielt, Konzepte, die eine Verständi- gung über geschichtliche Zusammen- Identitätskonstruktionen und -zuschreibungen in Westpreußen 1772–1871. hänge und Probleme erlaubt haben, Vom Regionalismus zum Nationalismus Prof. Dr. Hans-Jürgen Bömelburg, Gießen neuerlich zu revidieren.Ein detailliertes Programm finden Sie aufARBEITSGRUPPEN der Internetseite der Landsmannschaft ­Westpreußen : www.westpreussen-online.de – Im August •werden AG 1 (Workshop): Die Geschichte der Anderen – Diskurs-Figuren von Konflikten, 22.–24. Septemberzudem auch noch Einladungen 2017 per Post verschickt.Hierarchien und Partnerschaften Leitung : Prof. Dr. Erik Fischer, Bonn in WarendorfFür die Anmeldung oder für Rückfragen wenden• AG 2 (Copernicus-Vereinigung): Die Pestwelle des Nordischen Krieges in Thorn Sie sich bitte an die Bundes­geschäftsstelle derDr. Katarzyna Pekacka-Falkowska, Thorn Landsmannschaft Westpreußen, Mühlendamm 1, 48167 Münster-Wolbeck, T: 02506/3057Wie-50,F: polnisch-61, war Danzig ? Perspektiven auf die neuere Geschichte der Stadt [email protected] Dr. Peter Oliver Loew Ein detailliertes, jeweils aktualisiertes Programm finden Sie auf derDer Internetseite Kongress findetder Landsmann in der DEULA- WestfalenLesung-Lippe mit anschließender Diskussion – Annette Pussert : Nord Nord Ost schaft ­WestpreußenGmbH : www.westpreussen statt. Er wird vom-o Bundesministeriumnline.de des Innern sowie vom Kulturreferat für ­Westpreußen, Für die AnmeldungPosener oder für Land, Rückfragen Mittelpolen, wenden Wolhynien und G­SalizienONNTAG, 24. 9. Sie sich bitte an diegefördert. Bundes­geschäftsstelle der Landsmannschaft Westpreußen, Mühlendamm 1, 48167 Münster-Wolbeck, T: 02506/3057-50,F:-61, Die Marienburg – Geschichte, Erinnerung und Mythos Christoph Kienemann M. A., Oldenburg [email protected] Die Wiederentdeckung der Deutschen in Polen und die Entwicklung der deutschen Minderheit in Der Kongress findet in der DEULA Westfalen-Lippe den Wojwodschaften Pomorze und Pomorze Kujawy Dr. Magdalena Lemanczyk, Danzig/Warschau GmbH statt. Er wird vom Bundesministerium des Innern sowie vom Kulturreferat für ­Westpreußen, Abschlussdiskussion Leitung: Prof. Dr. Erik Fischer Posener Land, Mittelpolen, Wolhynien und G­ alizien gefördert. Schlusswort und Verabschiedung Ulrich Bonk WESTPREUSSEN-KONGRESS 2017 WESTPREUSSEN-KONGRESS

Der Westpreuße 9/2017 5 jährige positive Entwicklung in Frage stellen kön- Der Resignation widerstehen nen. Deutsche Investoren sind besorgt wegen der angekündigten „Repolonisierung“ ganzer Bran- chen, voran der Medien, und wegen der Unsi- cherheit bezüglich Rechtssicherheit und Steuer- reform. Deutsche Firmen fliehen nicht aus Polen, es gibt sogar größere Neu-Investitionen wie das Mercedes-Motorenwerk in Jauer/Jawor in Nieder- Rettung der christlichen Werte und der westli- schlesien. Aber Investitionsentscheidungen wer- Der deutsch-polnische Gesprächskreis chen Zivilisation. Die Bundesregierung sucht die den zögerlicher getroffen. Im Jugend- und Schü- Kopernikus-Gruppe traf sich zu seiner fünf- US-Administration gemeinsam mit Frankreich für leraustausch gibt es zwar weiter mehr Anträge unddreißigsten Sitzung am 9. / 10. Juni 2017 in einen konstruktiven transatlantischen Dialog zu als Mittel. Aber die Schulreform in Polen mit der Warschau. Das vorliegende Arbeitspapier „Der gewinnen und forciert zugleich die Reform der Abschaffung der Gymnasien könnte viele beste- Resignation widerstehen“ fasst die gemeinsa- EU hin zu mehr Eigenverantwortung. Auch bei hende Partnerschaften erschweren. Die umstrit- men Überlegungen des Kreises zusammen. anderen herausragenden Konfliktthemen – Stell- tene Re-Zentralisierung, d. h. die Aushebelung Prof. Dr. Dieter Bingen, Darmstadt vertreterkriege zwischen Sunniten und Schiiten einer funktionsfähigen territorialen Selbstverwal- Dr. Kazimierz Wóycicki, Warschau bzw. den von Saudi-Arabien und Iran geführten tung (z. B. durch Kontrolle der „Wirtschaftlichkeit“ 4. August 2017 Lagern im Nahen und Mittleren Osten, Fluchtbe- der Beschlüsse von Organen der Selbstverwal- wegungen in Afrika, Umgang mit China – trägt tung, neue Vollmachten für den Premierminister, nderthalb Jahre nach dem Regie- Polen wenig bei. Damit droht ein Zeitraum zu Organe der Selbstverwaltung unverzüglich abzu- rungswechsel in Warschau zeichnet enden, in dem Deutschland Polen – erstmals seit berufen und aufzulösen etc.) könnte die direkte sich ein nachhaltiger Schaden für die dem historischen Umbruch von 1989 – als strate- Begegnung und Kooperation der Zivilgesell- deutsch-polnischen Beziehungen ab. gischen Partner behandelt hat. schaften einschränken. Damit würden Erfolge der ADie grundsätzlichen Parameter, die den gegen- Zugleich kommt die PiS-Regierung mit Blick letzten 25 Jahre aufs Spiel gesetzt. Heute betrach- seitigen Wert der Nachbarn füreinander und ihre auf ihre eigene Prioritätensetzung zu einer ähn- ten die Polen Deutschland in Umfragen als den Stellung in den jeweiligen nationalen Interessen lich desillusionierenden Analyse. Bei den meis- wichtigsten und einen generell vertrauenswürdi- begründen, haben sich zwar nicht geändert : ihre ten europäischen Themen sieht sie Deutschland gen Partner, aber der Anteil der Unentschiedenen geografische Lage als Nachbarn, ihre strategische auf dem falschen Weg. Die Öffnung für Migran- wächst. Bedeutung als Wirtschaftspartner füreinander, ten aus anderen Kulturen stellt sich ihr als eine Die Kopernikus-Gruppe ist besorgt, dass diese ihre Sicherheitsinteressen. Aber im Regierungs- Gefährdung der europäischen Kultur und christ- Dynamiken in der Summe zu einem nachhalti- alltag und beim Herangehen an die als besonders lichen Werteordnung dar. Auf die vielfältigen gen Schaden für die deutsch-polnischen Bezie- drängend empfundenen internationalen Heraus- Krisen der EU möchte sie nicht mit vertiefter hungen führen. Als weitere Folge zeichnet sich forderungen nimmt der praktische Wert des Part- Gemeinschaftspolitik antworten, auch nicht mit ab, dass Polen und Deutschland in einem Europa ners in der Sicht der Regierungen in Berlin und einer Reform der Entscheidungsprozesse und unterschiedlicher Geschwindigkeiten verschiede- Warschau ab. Stimmrechte. Dem Euro will Polen auf absehbare nen Gruppen angehören werden und dies direkte Die Bundesregierung hatte anfänglich mit Zeit nicht beitreten ; die Einrichtung eines Bud- negative Folgen für die deutsch-polnische Nach- Neugier zu ergründen gesucht, was die PiS-­ gets der Eurozone, der es nicht angehört, sieht barschaft hat. Seit dem von Polen ausgehenden Regierung für das bilaterale Verhältnis bedeute, seine Regierung kritisch. Der Brexit und die dar- demokratischen Umbruch unter dem Banner der und war erkennbar bemüht, durch aktives Wer- aus folgenden Finanzierungsprobleme werden „Solidarność“ vor mehr als einem Vierteljahrhun- ben um Kooperation bleibende Schäden zu ver- all diese Spannungen verschärfen. dert galt die Entwicklung der deutsch-polnischen meiden. Diese Haltung macht allmählich einem Somit gehen die Erwartungen in Polen und Beziehungen zu einer mit den deutsch-französi- resignativen Schulterzucken Platz, weil die pol- Deutschland, mit welchen Allianzen sie ihre Vor- schen Beziehungen ebenbürtigen Partnerschaft nische Regierung aus Berliner Sicht wenig zur stellungen am ehesten verwirklichen können, sowohl als strategisches Ziel als auch als Voraus- Lösung der Probleme Europas beizutragen bereit auseinander. Nach der Wahl Macrons zum fran- setzung der Einigung Europas. Das droht verloren ist und wieder verstärkt zu deutschlandkritischer, zösischen Präsidenten setzt Berlin auf neuen zu gehen. ja antideutscher Rhetorik greift, die an kommunis- Schwung für die deutsch-französische Koope- In diesem Augenblick kommt den Zivilgesell- tische Zeiten erinnert. Die selbstbewusste Infra- ration, gerade auch bei neuen Initiativen in der schaften in Polen und in Deutschland eine grö- gestellung der Demokratie, die die Gewaltentei- EU-Politik. Die PiS-Regierung zeigt wenig Inter- ßere Verantwortung zu als jemals zuvor, wenn es lung zur Grundlage hat, die offensive Forderung esse, dieses Duo durch aktive Nutzung des Wei- um die Erhaltung und den Ausbau des Vertrauens des tatsächlich herrschenden PiS-Präses Jarosław marer Dreiecks zu einem Führungstrio zu entwi- und der Zusammenarbeit zwischen Deutschen Kaczyński nach einer von Polen – gemeinsam mit ckeln. Mit ihrer abwartenden Haltung, die sich und Polen geht. GERADE JETZT ist die deutsche Ungarn – ausgehenden – so wörtlich – „kulturel- zum Beispiel in Äußerungen ausdrückt, Frank- Zivilgesellschaft, sind die zahlreichen an Polen len Konterrevolution“ in Europa, auch die unter- reich habe nun die Gelegenheit, seine Wert- Interessierten und die Engagierten aufgefordert, schiedliche Bewertung von Medienfreiheit, Frei- schätzung für Polen zu beweisen, droht die PiS die Verbindungen zu Polen und den polnischen heit der Wissenschaft und Kultur im PiS-regierten den Anschluss an die neue Dynamik in der EU Partnern und Freunden auf allen Ebenen zu stär- Polen und in Deutschland sorgen für neue Kon- zu verlieren. Warschau betreibt aktiv andere Pro- ken. Das ist die Solidarität, die heute gefordert troversen. Transatlantisch umschmeichelt die PiS jekte – Visegrad, Drei-Meere-Initiative, Neue Sei- und auf eine gemeinsame Zukunft von Deut- US-Präsident Donald Trump, ohne – im Unter- denstraße – als Gegenallianzen zur Verbindung schen und Polen ausgerichtet ist. schied zum französischen Präsidenten Emmanuel mit Deutschland und Frankreich im Rahmen der Macron – eine eigene EU-freundliche Agenda EU-Integration. Quelle und weiterführende Informationen zur zu setzen. Dabei sieht sie sich in Gemeinsamkeit Auch auf anderen Beziehungsfeldern zeigen Kopernikus-Gruppe: www.deutsches-polen-institut.de/ mit Trump als vermeintlichen Vorkämpfer für die sich beunruhigende Krisenzeichen, die eine lang- politik/kopernikus-gruppe

6 Der Westpreuße 9/2017 POLITIK UND GESELLSCHAFT

Gefahr einer Schwächung Nachrichten der Aussiedlerarbeit + + + Polnische Reparationsforderungen DW – Wie unterschiedliche Medien berichten, meh- ren sich in der politischen Rechten Polens Stimmen, die deutsche Reparationszahlungen für im Zweiten Weltkrieg entstandene Schäden fordern. Kritisiert In der August-Ausgabe dieser Zeitung hatte Dr. Thies Gundlach, werden entsprechende Vorstöße der Warschauer Vizepräsident des Kirchenamtes der Evangelischen Kirche in Regierung sowohl von deutschen Politikern als auch Deutschland (EKD), die Entscheidung des Rates der EKD erläutert, aus Reihen der polnischen Verwaltung. keinen neuen Beauftragten für Aussiedler und Heimatvertriebene zu berufen. Hierauf reagiert Reinhard Schott, Vorsitzender der + + + Wolfskinder erhalten Anteil privat

: Konferenz der Aussiedlerseelsorge der EKD (KASS), nun mit einem an Zwangsarbeiterentschädigung

Gastkommentar. Foto GfbV/DW – Ostpreußische Wolfskinder und ehe- malige Kinderhausinsassen sollen im Rahmen der ie Konferenz der Aussiedlerseelsorge Nach wie vor gibt es sowohl praktisch im laufenden Anerkennungsleistung für zivile deut- in der EKD freut sich darüber, dass Kontakt mit einzelnen Menschen als auch sche Zwangsarbeiter eine Entschädigung für das von ihre Arbeit seit mehreren Jahrzehnten konzeptionell in kirchlichen Organen und in ihnen erlittene Unrecht erhalten. Wie der Beauf- vielen zugewanderten Deutschen aus Zusammenarbeit mit der Politik viel zu tun, tragte der Bundesregierung für Aussiedlerfragen und Dder ehemaligen Sowjetunion zu Gute kommt. wozu es auch kirchenleitend sowohl eines Pro- nationale Minderheiten, Hartmut Koschyk MdB, der Dies ist vor allem dem seelsorgerlichen Einsatz blembewusstseins als auch einer soliden Fach- Gesellschaft für bedrohte Völker mitteilte, können die einzelner Pfarrer und Pfarrerinnen, den Dia- kenntnis bedarf. Gerade an dieser Stelle inte- Betroffenen bis Ende 2017 beim Bundesverwaltungs- konen und Diakoninnen und Ehrenamtlichen grativer kirchlicher Arbeit sollte das Ziel der amt einen Entschädigungsantrag stellen. zu verdanken, die mit interkulturellem Gespür, Gestaltung und Umsetzung gelebter Vielfalt menschlicher Offenheit und Empathie in den innerhalb unserer Kirche nicht aus den ­Augen + + + 85. Geburtstag von Alfons Nossol Übergangswohnheimen und lokalen Gemein- verloren gehen. Die Arbeit der KASS hat mit DW – Der emeritierte römisch-katholische Bischof den viele Neuankommende unterstützen. Wir dem Beauftragten des Rates hierfür leider von Oppeln Prof. Dr. Alfons Nossol hat am 8. August sind daher sehr dankbar, dass die Arbeit mit ­einen wichtigen Kommunikator im vielfälti- sein 85. Lebensjahr vollendet. Gemeinsam mit Gästen Spätaussiedlern heute in vielen Gemeinden gen multikulturellen Leben der EKD verloren. aus Deutschland und Polen konnte der Oberschlesier der EKD zum Alltag gehört. Aussiedlerseelsor- Der Vorstand der KASS sieht in der Ent- zugleich sein 60-jähriges Priester- und 40-jähriges gende wissen, wie schwer das Erfahrungsge- scheidung des Rates die Gefahr einer Schwä- Bischofsjubiläum begehen. Nossol gehörte bereits päck, das aus der diktatorischen Sowjetunion chung der Aussiedlerarbeit und bedauert, dass vor Ende der kommunistischen Gewaltherrschaft zu mitgebracht wurde, bis heute noch wiegt. die Entscheidung des Rates entgegen dem den prominenten Unterstützern der deutschen Volks- Sie wissen, dass oft auch die Enkelgenera- Wissen und der Einschätzung der im Arbeits- gruppe östlich von Oder und Neiße. tion familiär davon betroffen ist, und wie viel feld tätigen Personen aus den Landeskirchen seelsorgerliche Zuwendung, Gespräche, Inte­ gefallen ist. + + + Schwester von Günter Grass gestorben gration und Vermittlung bis heute notwendig DW – Wie die Main-Post berichtet, ist Waltraut Grass, Reinhard Schott für den Vorstand der Konferenz die einzige Schwester des Literaturnobelpreisträgers sind, um Wunden zu lindern. der Aussiedlerseelsorge der EKD Diese Arbeit fußt auf der jahrzehntelangen Günter Grass, am 1. August in Würzburg gestorben. Erfahrung und Koordination der Aussiedler- Waltraut Grass war am 23. September 1930 in der arbeit in den Gliedkirchen, deren EKD-weite Freien Stadt Danzig geboren worden. Vernetzung durch die KASS theologisch und kooperativ gesichert wird. Dabei hat der Be- + + + Grenzübergreifende Begegnungen auftrage stets eine sehr wichtige Kontaktflä-  Die Ausstellung In zwei Welten – 25 deutsche che sowohl nach innen zum Rat als auch nach Geschichten. Deutsche Minderheiten stellen sich vor ­außen zu Politik und Gesellschaft geboten. der Arbeitsgemeinschaft Deutscher Minderheiten Diese Vermittlungsarbeit eines Beauftragten ist vom 5. 9. bis 20. 10. in der Ungarischen Botschaft des Rates fehlt nun leider. Mit enormem Wis- in Berlin (Unter den Linden 76) zu sehen, und zwar sen engagierten sich die bisherigen Amtsinha- Montag bis Donnerstag 9–16 und Freitag 9–14 Uhr. ber für die größte Migrationsgruppe innerhalb  Das Ende von ‚Europa ohne Grenzen‘ ? Deutsch- der EKD. Spezifische Fragen zur besonderen land, Polen und die Krise(n) der EU lautet der Titel einer kulturellen Tradition und nach der eigenen re- Tagung der Europäischen Akademie Schleswig- ligiösen Identität, die politische Bildung und Holstein, der Universität Breslau und der Academia gesellschaftliche und kirchliche Bindung, reli- Baltica vom 1. bis 3. Oktober in Sankelmark. Weitere giös-ethische Diskurse oder die Pflege menta- Informationen : www.eash.de litätsgeschichtlicher Eigenständigkeit bedürfen  Die DJO – Deutsche Jugend in Europa e. V. ver- besonderer Aufmerksamkeit. Immer zielte das anstaltet am 8. Oktober in der Stadthalle Korntal Wirken auch darauf, die nächsten Generatio- (Baden-Württemberg) einen völkerverbindenden nen in eine aktive Rolle in der Gemeindearbeit Foto: © Bundesarchiv Bild B 145 Bild-F079036-0007 via Wikimedia Konzertabend mit Gruppen aus Estland, Polen, Tsche- zu führen. Wir sind den bisherigen Beauftrag- Ankunft einer Familie aus Tadschikistan in Friedland, 1988 chien und Deutschland. Weitere Informationen : ten des Rates für diese Arbeit sehr dankbar. www.djobw.de

Der Westpreuße 9/2017 7 zum Wenn Dialog ein Monolog wird Der Mythos „Danzig“ im Werk von Paweł Huelle

Von Joanna Bednarska-Kociołek

Am 10. September feiert Paweł Huelle seinen 60. Geburtstag. Dies ist ein trefflicher Anlass, diesen wichtigen Danziger Schriftsteller zu ehren und ihm

Foto: CC 3.0 – Artur Andrzej via Wikimedia 3.0 – Artur via CC Andrzej Foto: für sein literarisches Œuvre Dank zu sagen. Paweł Huelle in Danzig (September 2014)

aweł Huelle, den polnischen Schriftsteller aus ­Danzig/ Gdańsk eine bemerkenswerte Stadt mit außerge- Gdańsk, habe ich einige Male persönlich erlebt. wöhnlicher Geschichte ist. Es lebten auf diesem Gebiet meh- Die erste Begegnung vollzog sich 2005 bei einer rere Jahrhunderte lang Menschen unterschiedlicher Nationali- Veranstaltung des Literarischen Colloquiums Ber- täten, Sprachen und Religionen, wodurch sich verschiedene lin, bei der er aus seinem­ Roman Castorp las. Im Kulturen vermischten, in erster Linie die deutsche, polnische, anschließenden Gespräch erklärte der Autor, jüdische und kaschubische, aber auch andere, da hier zudem Pwas für ihn der Begriff „Literatur“ bedeutet. Er meint, Literatur Mennoniten aus Holland oder z. B. auch Russen wohnten. Ein sei nicht nur eine Sammlung von Büchern, sondern auch ein solch hybrider Ort war damit selbstverständlich mehr als ein- Dialog zwischen ihnen. mal Schauplatz verschiedener Auseinandersetzungen und Der Schriftsteller behauptet manchmal, dieses Flüstern Konflikte, doch zugleich wurde dieser Schmelztiegel zur Quelle der Bücher in der Bibliothek zu hören, was als Anspielung einer interessanten und reichen Kulturmischung sowie einer auf die unendliche, einem Labyrinth ähnelnde Bibliothek aus sprachlich-kultureller Heterogenität, aus denen der Schriftstel- der Erzählung von Jorge Louis Borges Die Bibliothek von Babel ler für sein Werk schöpft und die den Hintergrund für die Art (1941) zu verstehen ist. Im Feuilletonband Das verschollene bilden, in der er auf die deutsch-polnische Geschichte der Kapitel schrieb Huelle eine Skizze über Borges und seinen Stadt eingeht. Atlas, der als Reisebeschreibung entstand, als der Schriftstel- Der Erstlingsroman von Huelle und zugleich sein berühm- ler schon blind war und frühere mit neuen Erfahrungen, die testes Werk ist Weiser Dawidek, in dem er sich bewusst auf die er als Blinder gemacht hatte, konfrontierte. Huelle bemerkt, Novelle Katz und Maus von Günter Grass bezieht. Die Tatsache, Borges habe eine zutiefst innere Landschaft geschaffen, eine dass Grass seine Heimat verloren hat, in der Huelle seinerseits Cover der englischsprachigen Landschaft von Erscheinungen, die sich unter dem Einfluss geboren wurde, empfand der polnische Schriftsteller als Her- Ausgabe von Mercedes-Benz von Berührung, Gehör und Gedächtnis sowie durch Legen- ausforderung. Das Buch wurde von der polnischen Kritik als den, Mythen und Erzählungen im Bewusstsein des Schrift- Meisterwerk der 1980er Jahre gefeiert. „Weiser“ wurde in meh- stellers einstellten. In Wirklichkeit existiere für Borges nur das, rere Sprachen übersetzt, darunter von Renate Schmidgall ins was wir in unserem Inneren besitzen. Huelle ist ein Schrift- Deutsche. Dawidek ist mutmaßlich ein jüdischer Junge, der die steller, der, Borges durchaus verwandt, seine privaten auto- mysteriöse Vergangenheit der Stadt verkörpert. Er weiß, wer biographischen Mythologien schafft. Auf diese Weise kreiert Artur Schopenhauer oder Ferdinand Gottlob Schichau waren. er mit Mitteln des magischen Realismus neben Günter Grass Er erzählt beispielsweise über die Verteidiger der Polnischen und Stefan Chwin den Genius Loci der Stadt Danzig/Gdańsk. Post während des zweiten Weltkrieges. Der Erzähler macht sich Er kehrt mit seinen Werken in die verlorene Welt seiner Kind- Jahre nach dem rätselhaften Verschwinden Weisers auf die heit zurück, die er im Schreiben reflektiert und wiedererste- Suche nach ihm – und damit zugleich nach der geheimnisvol- hen lässt. len Vergangenheit der Stadt. Es entsteht das Bild der Nach- kriegsstadt Gdańsk. (Langfuhr), Bukowa Górka, der Gdańsk / Danzig – Wiederentdeckung Wald, die Ostsee sind die Schauplätze. Die Orte, die für die einer komplexen Geschichte Handlung dieses Romans wichtig sind, kommen später in Paweł Huelle ist Autor von mehreren Romanen (Weiser Huelles anderen Romanen und Erzählungen auch immer wie- Dawidek, 1987 ; Mercedes-Benz, 2003 ; Castorp, 2004) und von der vor. Die Stadt steht im Zentrum des Buches und wird von Erzählungen (Schnecken, Pfützen, Regen und andere Geschich- den Kindern Schritt für Schritt entdeckt. Ihre Eltern sind hier ten, 1996 ; Silberregen, 2000), in denen er schildert, dass nicht zu Hause, sie sind Nachkriegszuwanderer, die nach dem

8 Der Westpreuße 9/2017 PANORAMA

Paweł Huelle bei der Vorstellung seines bislang noch nicht ins Deutsche übersetzten Romans Śpiewaj ogrody [Singe die Gärten] im Literaturmagazin Xięgarnia des TV-Kanals tvn 24 (2014)

Krieg gezwungen wurden, ihre Heimatstädte – Lemberg oder Wilna – zu verlassen. Erst ihre Kinder versuchen, die fremde Stadt Gdańsk als Heimat zu akzeptieren. Für Huelles Protago- nisten ist das private – und nicht das kulturelle – Gedächtnis von zentraler Bedeutung : Ihr Wissen stammt in erster Linie nicht von der Schule, sondern wird durch eigene Erfahrung via youtube.com Quelle: ytimg.com erworben. Sie lernen die Geschichte der Stadt von denen, die hier einst wohnten und nur als Geister zurückgeblieben sind. Erzähler entsteht der Eindruck, als könnte er diese vergangene Die Jungen finden Spuren der deutschen Vergangenheit, wie Welt mit eigenen Augen sehen : zum Beispiel alte Gräber, deutsche Inschriften oder Patronen- Und plötzlich, wie durch die Berührung einer unsichtbaren hülsen und müssen eine Antwort darauf finden, was die Kultur Hand, begannen sich in der dünnen Luft der Holzbude die Zeit­ der deutschen Sprache und die deutsche Tradition für sie ebenen zu vermischen, und der dunkle Geschäftsraum füllte bedeuten. Das Private wird mit dem Öffentlichen hingegen sich mit dem Duft von Kaffee, Zimt, Ingwer, Muskat, mit dem nur selten konfrontiert. Duft von Nelken und Moselwein, Herr Kosterke besaß wieder sein echtes Bein und stand hinter der blitzenden Theke aus Wiedererstehen einer verlorengegangenen Welt Eichenholz […] – »Wie geht das Geschäft ?« […] Nicht so gut Die meisten Erzähler in Huelles Werken sind ebenso wie wie früher, denn seit die Braunhemden die Straßen unserer derjenige aus „Weiser“, im Nachkriegspolen aufgewachsen. freien Stadt beherrschten, seit die Braunhemden den Senat Dabei schimmert die kommunistische Diktatur nur selten und die Außenpolitik beherrschten, seit sie einen Zollkrieg ▶ durch. Zum Beispiel in der Erzählung Schnecken, Pfützen, Regen, in der der Vater zuerst seine Arbeit als Schiffsingenieur aus politischen Gründen verliert und dann Bahnsteige kehrt. Die vergleichbare Sichtweise auf den Schließlich wird ihm auch diese Arbeit weggenommen und er „Mythos“ der Stadt Danzig und die Ver- verdient sein Geld als Sammler von Weinbergschnecken. Die wandtschaft der künstlerischen Ansätze kommunistische Realität ist sehr triste. Deswegen auch suchen von Paweł Huelle und Günter Grass sind Huelles Erzähler nach der Danziger Vielfalt von Kulturen, Spra- in einem umfangreichen Interview chen und Nationen, die verlorengegangen ist. Die Aufgabe der deutlich geworden, das das Magazin Literatur ist für den Schriftsteller, den Mythos der Stadt auf MERIAN 2004 mit den beiden Autoren eine solche Art und Weise zu beschreiben, dass sowohl Polen geführt hat. Als kleiner Ausschnitt soll und Deutsche als auch Kaschuben und Mennoniten berechtigt hier zumindest die Schlusspassage die- sind, hier nach ihren Wurzeln und ihrer Identität zu suchen. So ses Gesprächs zitiert werden : sind Geschichte und Kultur der Minderheiten in Danzig/ Gdańsk und deren Umgebung für seine Erzählungen äußerst MERIAN : Sie treffen sich in Danzig. Sie, wichtig. Huelle interessiert sich dafür, wie die Minderheiten als Herr Grass, möchten Herrn Huelle etwas © iBedeker Foto: Enklaven funktioniert haben. Welchen Einfluss hatten sie auf sehr Deutsches zeigen und Sie, Herr Paweł Huelle zwischen den Figuren die kulturelle, politische und nationale Entwicklung der Stadt ? Huelle, Ihrem Besucher etwas sehr Pol- von Oskar Matzerath und Günter Grass (Grass-Denkmal in Danzig-Langfuhr) In Danzig sind nach dem Krieg nur noch wenige Deutsche nisches. Wo führen Sie einander hin? zurückgeblieben. Oft waren das durchschnittliche Menschen, Grass : Ich würde mit ihm ins Conra- kurzen Roman und meine Novelle in denen man in der Nachkriegsstadt noch manchmal begegnet. dinum gehen, in meine alte Schule, wo einem Band herauszugeben. Von Herrn Kosterke aus der Erzählung Schnecken, Pfützen, ich gelitten habe. Zu Schülererinne- Regen, bei dem der Erzähler und sein Vater die gesammelten Huelle : Herr Grass kennt ja alles. Doch rungen - und Pawel Huelle hat ja auch Schnecken abliefern, weiß man wenig. Er spricht mit hartem ich nehme jetzt mal an, er käme zum Schülererinnerungen. Als ich ihn ken- deutschen Akzent, wodurch er sich von den Stadtbewohnern ersten Mal her. Ich würde ihn in die nen lernte, hatte ich bereits Weiser Dawi- unterscheidet. 1946 verlor er sein Bein, als er auf eine deutsche Altstadt führen und sagen : Schauen dek von ihm gelesen und das ist schon Mine getreten ist. Vor dem Krieg hatte er einen Kolonialwaren- Sie mal, das alles war deutsch. Aber wir etwas Erstaunliches. Während ich in der laden an der Ecke der Hubertusburger Allee und rauchte Ziga- Polen haben das wieder aufgebaut. Also Novelle Katz und Maus die letzten Kriegs- retten der Marke Vineta. In Weiser Dawidek erscheint auch der sind wir aufeinander angewiesen. jahre unter Jugendlichen geschildert Laden Cyrsons, der in der Chrzanowskiego-Straße liegt. Dies habe, beschreibt er die unmittelbare Grass : Dann würde ich zu ihm sagen : muss der Laden von Herrn Kosterke gewesen sein, denn die Nachkriegszeit aus polnischer Sicht und Das weiß ich ! Hubertusburger Allee heißt nach dem Krieg Chrzanowskie- Erfahrung. Es ist wie eine Fortsetzung. go-Straße. Herr Kosterke versteht sich selbst als Danziger. Und man sollte den deutschen wie den Durch seine Erzählung scheint die Zeit zurückgedreht, wobei Aus : MERIAN (8/2004) : „Masuren – polnischen Verleger ermuntern, seinen Danzig und die Ostseeküste“ die deutsche Vergangenheit der Stadt bedrängend wirkt. Beim

Der Westpreuße 9/2017 9 Paweł Huelle beim Eintrag in das Erinnerungs- buch der Veranstaltung Danziger Identität. Gespräche über Bücher in der Abteilung Filia Gdańska der öffentlichen Woiwodschafts- und Stadtbibliothek Danzig (2010)

Kaschubische Urwelt und der Schatz der Stadt Huelles Erzähler sind auch von der Landschaft der Kaschu- bei, den Sitten und Bräuchen sowie von den Menschen faszi- niert, die dort lebten und leben. In der Kaschubei spielt die Handlung der Erzählungen Silberregen, Onkel Henryk und Rzep- ka-Depka. Die Kaschubei scheint symbolisch die Urwelt zu Foto: © iBedeker Foto: sein. Es ist eine irreale und vergangene Welt. Nur ihre Spuren haben sich erhalten. Es ist das Land des Mythischen und des mit Polen führten, gingen die Geschäfte nicht besonders. […] Ursprünglichen, und das Land, in dem alles beginnt. Der Erzäh- es werde eine schwere Zeit kommen für die Juden und Polen ler erfährt dabei von einer Ostsee-Legende, die die Identität und alle anständigen Leute […] des Ortes zu rekonstruieren hilft. Es wird beispielsweise eine kaschubische Geschichte erzählt, in der der Name der Halbin- Die Zeitebenen vermischen sich in dieser Passage. Man weiß sel Hel erklärt wird. „Hela“ bedeutet die Hölle, weil die Hela-Be- nicht mehr, ob es Vergangenheit ist oder schon Gegenwart. wohner Diener des Teufels waren. Einst brachten sie während In dieser magischen Welt duftet es nach Kaffee, Ingwer und starker Stürme falsche Wegweiser am Strand an. Gesunkene Muskat. Schiffe waren für sie eine Quelle wertvoller Güter, und sie töte- Der Kontakt mit der deutschen Vergangenheit der Stadt ten alle Schiffbrüchigen. Huelle erinnert in seinen Werken an intensiviert sich in der Erzählung Der Umzug. Greta Hofmann derartige kaschubische Legenden, die außerhalb der Kaschu- kann dort als Trägerin der deutschen Kultur gesehen werden. bei unbekannt sind. So verewigt er diese Welt, die sonst kaum Die alte Danzigerin ist Klavierspielerin und sie pflegt keine mehr erreichbar ist. Kontakte zu polnischen Nachbarn. Sie umgibt sich ausschließ- Geradezu exemplarisch verdeutlicht Huelle die Struktur und lich mit Gegenständen, die die Vergangenheit repräsentieren : die Funktion des Mythos Danzig schließlich in seiner symboli- Da waren Leuchter aus Silber und Messing, Stöße von dicken schen Erzählung Silberregen. Die drei Protagonisten sind ein in Büchern und Noten, lose Blätter, Figurinen und Döschen aus Danzig geborener Deutscher, ein im heutigen Weißrussland Porzellan, Glasgefäße, Stoffe für Kleider, Garnrollen, steinerne geborener Pole, der seit dem Kriegsende in Gdańsk wohnt, Blumentöpfe, ein Paar Handschuhe, ein Spielzeugrechen, und ein Kaschube, der hier autochthon ist. Es verbindet sie ein Damenhüte, Tassen mit und ohne Untertassen, Briefbeschwe- Danziger „Schatz“, die in Danzig geprägten goldenen Münzen, rer aus Lack und Bronze, die kleine Büste eines Mannes, eine sil- die vom Vater des Deutschen zu einer Zeit, als noch die Freie berne Zuckerdose, mehrere Fotographien in Rahmen, schließ- Stadt Danzig existierte, in einer alten Kommode versteckt wor- lich ein Wecker mit großer Glocke, einem Hämmerchen und den waren. Es handelt sich um Münzen, die in Danzig geprägt einem abgebrochenen Zeiger. wurden. Wieder tritt somit der Genius Loci der Stadt hervor, der übernational, für eben diesen geographisch-kulturellen Frau Greta spielt Wagner und erzählt dem polnischen Jungen Raum spezifisch und unter besonderen historischen Umstän- von den Wagnerschen Vorkriegsfestspielen in der Waldoper. In den entstanden ist. Der Schatz, der die Vergangenheit der ihrer Wohnung scheint die Zeit stehengeblieben zu sein. Aber Stadt symbolisiert und der zunächst zur Auseinandersetzung, die alte Danzigerin ist sich dessen bewusst, dass ihre Heimat dann wieder zur Versöhnung führt, geht schließlich in der schon zur Vergangenheit gehört. Frau Greta unterscheidet zwi- Motława (Mottlau) verloren. Aber die außergewöhnliche schen Danzig und Gdańsk. Sie identifiziert sich mit Danzig und Freundschaft zwischen dem Polen, Deutschen und Kaschuben kann sich in der Welt nach dem Krieg nicht zurechtfinden. wird dadurch letztlich gefestigt – und wird selbst zu einem Schatz. Die goldenen Münzen sind ein Symbol für das, was in der Stadt von der Vergangenheit übriggeblieben ist, heute 2001 erschien der Film Weiser, aber von durchschnittlichen Menschen nicht mehr gesehen mit dem der bedeutende polnische wird – und ausschließlich von Schriftstellern in der Form des Regisseur Wojciech Marczewski, der Mythos erzählt und begreifbar gemacht werden kann. ■ gemeinsam mit Andrzej Wajda zu den Mitbegründern der Warschauer Film- regie-Schule gehört, den Roman von Dr. Joanna Bednarska-Kociołek – Studium der Germanistik in Lodz, Paweł Huelle frei für das Kino adap- Berlin und Passau ; seit 2011 Mitarbeiterin im Institut für Germanistik an tiert hat. Der Film lief in jenem Jahr der Universität Lodz. Regelmäßige Forschungsaufenthalte in Deutsch- land. Autorin der Monografie : Danzig / Gdańsk als Erinnerungsort im auch im offizielleWettbewerb der 51. Werk von Günter Grass, Stefan Chwin und Paweł Huelle (2016). Gegenwär- Berlinale. In den Hauptrollen spielen tig verfolgt sie ein Habilitationsprojekt zum Thema : „Transgenerationel- les Trauma in der Literatur”. Marek Kondrat, Krystyna Janda und Juliana Köhler sowie Andrzej Basi-

Quelle: © progess-films.com ukiewicz und Olga Frycz.

10 Der Westpreuße 9/2017 PANORAMA Notizen aus … Danzig

FLUGNETZ WIRD NOCH DICHTER Die ungarische Fluggesellschaft Wizz Air wird ab Dezember ein wei- teres, sechstes Flugzeug, einen Airbus A-320, auf dem Lech-Wałęsa-Flughafen stationieren. Damit werden dann von Danzig aus Verbindungen nach Lissabon und Wilna aufgenommen, und zwar zweimal bzw. dreimal pro Woche. Neben zahlreichen euopäischen Metropolen fliegt Wizz Air von Danzig aus auch die deutschen Städte Köln, Dortmund und Hamburg an. Da außerdem die Lufthansa Verbindungen nach FOTOS: ANNA LABUDDA Frankfurt und München bedient, ist Danzig mit Deutshland erfreulich eng vernetzt. Fotos: Henryk Babiarz

FLUGSCHAU IN GDINGEN Am Freitag und Sams- rühmte italienische Staffel Frecce Tricolori begeister- WEITER IM AUFWIND Das polnische Statistik-Amt tag, dem 11. und 12. August, fanden am Strand von ten tausende Besucher an den Stränden. Auch eine hat errechnet, dass sich die Seewirtschaft im Jahre Gdingen spektakuläre Flugvorführungen statt. Oldti- Boeing 787 (ein „Dreamliner“) der polnischen Flug­ 2016 positiv entwickelt hat. Dazu trugen ein in Be- mer-Flugzeuge vom Typ Hurricane oder Spitfire, von gesellschaft LOT hat im Tiefflug die Bucht überquert. trieb genommener weiterer Container-Pier in Danzig denen beispielsweise noch in England flugfähige Solche internationalen Flugtage finden jeweils im und ein neuer Getreidesilo in Gdingen bei. In den Exemplare existieren, Maschinen aus Deutschland Abstand von zwei Jahren statt. Häfen ist der Warenumsatz insgesamt gestiegen, spe- und anderen europäischen Ländern sowie die be- ziell auch im Transitverkehr. Angewachsen ist auch die Zahl der Schiffe und Passagiere, die die beiden STAU GARANTIERT Noch bis Ende September wird in einzelnen Abschnitten völlig erneuert werden. Häfen besucht haben. Rückläufig ist hingegen die ein 650 m langer Straßen-Bauabschnitt zwischen Die Arbeiten wurden schon im Jahre 2012 aufge- Anzahl der Frachtschiffe unter polnischer Flagge. Ohra und dem Bischofsberg den Autoverkehr er- nommen, und die Maßnahme wird, wie Włodzi- Hier beobachten die Statistiker, dass – ebenso wie in heblich behindern. Nachdem im vergangen Jahr das mierz Bartosiewicz, der Direktor der Baubehörde, Deutschland – immer mehr Schiffe zur Vermeidung oberhalb der Fahrbahn liegende Flussbett der Radau- mitteilte, insgesamt 18 Mio. Złoty kosten. von höheren, im jeweils eigenen Lande geltenden ne saniert wurde, soll nun bis zum Jahre 2019 auch ■ Peter Neumann Steuersätzen „ausgeflaggt“ werden. die Fahrbahn der Strecke zwischen Danzig und Praust 1 3 Elbing

ORKANSCHÄDEN Am 11./12. August haben von schweren Gewittern begeleitete Orkanböen nicht nur in der Tucheler Heide sehr schwerwiegende Schäden verursacht, sondern auch in der Gegend von Elbing Spuren hinterlassen. Nahezu 30 Bäume wurden ent- wurzelt, blockierten Fahrbahnen wie Bürgersteige und stürzten auf parkende Autos. Zudem wurden durch den Sturm Oberleitungen der Straßenbahn, Straßen- 2 beleuchtungen und Hausdächer beschädigt. Die Feu- erwehr musste zu etlichen Einsätzen ausrücken.

SOLIDARITÄT MIT BIAŁOWIEŻA Bekanntlich will die polnische Regierung die Genehmigung dazu er- teilen, dass Partien des „Urwalds” in der Białowieża-­ Heide gerodet werden. Mit diesem Vorgang beschäf- tigt sich inzwischen auch die EU-Kommission. Gegen Fotos: Anna Labudda den drohenden schweren Eingriff in ein schützens- 1 Blick vom stadtseitigen Brückenkopf hinüber zum Bleihof 2 Die Brücke in Bewegung 3 Freie Schiffsdurchfahrt wertes Öko-System haben am 21. August Mitglieder der Bewegung „Lass uns über Demokratie sprechen“ NEUE MOTTLAU-BRÜCKE Zu Beginn der dies- des regen Verkehrs von Ausflugschiffen der "Weißen protestiert. Sie haben an der Straße Legionów, nicht jährigen Saison ist eine Klappbrücke in Dienst Flotte" ist sie gerade im Sommer ständig in Bewe- weit vom früheren Schlageterweg entfernt, 60 Bäume gestellt worden, die vom Bleihof (Ołowianka) zum gung. Ihre moderne Konstruktion erinnert an dieje- eingepflanzt. Unter den Teilnehmern der Aktion be- Fischmarkt führt, den sie in unmittelbarer Nähe des nige der Brücke über die tote Weichsel in Bohnsack fand sich u. a. auch Jerzy Wcisła, ein Elbinger Senator bekannten Restaurants "Kubicki" erreicht. Aufgrund (über die DW in der August-Ausgabe berichtet hat). von der Bürgerplattform (PO).

Der Westpreuße 9/2017 11 EIN BESONDERER FEUERWEHR-EINSATZ DAS BROT-FEST Das diesjährige Elbinger Brot-Fest Die Feuerwehr wurden nach Pomehrendorf wird vom 1. bis zum 3. September stattfinden. In der ­(Pomorska Wieś) auf der Elbinger Höhe gerufen, um Altstadt und auf der Speicherinsel werden diesmal einen Storch zu retten, der sich in einer Fernsehan- 240 Stände aufgeschlagen ; und es wird ein vielfäl- tenne verfangen hatte. Nachdem die Feuerwehrleu- tiges künstlerisches Programm geboten, an dessen te den Vogel befreit, sein gebrochenes Bein versorgt Gestaltung sich auch Gruppen aus den Partnerstäd- und ihm Wasser gegeben hatten, übergaben sie ihn ten Pillau (Bałtyjsk) in Russland, Narwa in Estland und einem Mitarbeiter der gemeinnützigen Tierschutz-In- Foto: Marcin Paczewski (Elbinger Feuerwehr) Tarnopol in der Ukraine beteiligen werden. itiative OTOZ Animals. Der gerettete und verbundene Storch ■ Lech Słodownik

archäologischer Untersuchungen unterbrochen wer- den Krankenwagen übernehmen und in Danziger Marienburg den. Die damalige Prognose, dass sich die Fertigstel- oder Elbinger Spezialkliniken transportieren. lung dadurch um ein halbes Jahr auf den 30. Juni 2017 verschieben würde, musste jetzt nur noch ge- ZUCKERKAMPAGNE IM BLICK Die Zuckerfabrik in SEHR RASCHE, ABER NEGATIVE ANTWORT Über ringfügig korrigiert werden: Seit dem 31. Juli sind die Marienburg ist die einzige, die in der Woiwodschaft die Anfrage der Landkreise Marienburg und Stuhm, Bauarbeiten abgeschlossen, und der Verkehr fließt Pomorze, dem nördlichen Kernland der historischen ob nicht eine direkte Zugverbindung zwischen Ma- endlich ohne jede Behinderung. Provinz Westpreußen, heute von dem ehemals in rienburg und Thorn eingerichtet werden könnte, hat dieser Region breit aufgestellten Industriezweig noch DW erst in der letzten Ausgabe berichtet. Inzwischen RETTUNGSHUBSCHRAUBER HAT SEINEN ORT existiert. Sie ist ein sehr gefragter Arbeitgeber, und ist sie bereits beschieden worden: Das zuständige Mi- GEFUNDEN Seitdem die Stadt und der Landkreis die Betriebsleitung ist bemüht, das Produktionser- nisterium in Warschau hat mitgeteilt, dass schon seit über einen Rettungshubschrauber verfügen, wurde gebnis Jahr für Jahr zu erhöhen, was ihr aufgrund der längerem geplante Projekte Vorrang hätten, eine Rea- bislang vergeblich nach einem geeigneten Einsatz- Rekordernten in den letzten beiden Jahren auch ge- lisierung also in absehbarer Zeit nicht möglich sei. standort gesucht. Auch der von Fachleuten empfoh- lang. Obwohl die diesjährige Ernte noch nicht begon- lene Flugplatz Königsdorf hat sich in der Praxis nicht nen hat, wird schon jetzt ein weiteres Rekordergebnis NOGAT-BRÜCKE DEM VERKEHR ÜBERGEBEN als tauglich erwiesen. Stattdessen ist der Helikopter erwartet, das demjenigen des Jahres 2016 zumindest Beim Bau der Zugangsstraßen zur verbreiterten jetzt auf dem Vorplatz vor der Marienburger Berufs- ebenbürtig ist. Der Grund für diese optimistische Nogat­-Brücke waren (wie DW 9/2016 berichtete) in feuerwehr stationiert worden. Dieser Ort liegt sehr Prognose liegt in den technischen Verbesserungen der Nähe des Marientors Reste einer mittelalterlichen zentral, und der Hubschrauber kann von dort jeder- der Maschinenausstattung, in die erhebliches Kapital Mauer entdeckt worden. Aufgrund dieses Fundes zeit und ohne Verzögerungen zum Einsatz kommen investiert worden ist. ■ Bodo Rückert mussten die Arbeiten zugunsten umfangreicher oder auch Unfallopfer unmittelbar von heranfahren-

1 2 Die Teilnehmerinnen und Teilnehmer an der Foto: Sulek Tomala Jahresmitgliederversammlung des Fördervereins Foto: privat Foto:

MITGLIEDERVERSAMMLUNG 2017 DES FÖRDERVEREINS JERUSALEM-HOSPITAL Seit Bestehen des Fördervereins Jerusa- lem-Hospital des Deutschen Ordens in Marienburg fand eine Jahres- mitgliederversammlung am 20. Juli erstmals im Jerusalem-Hos- pital selbst statt. Mit Ausnahme des Zweiten Vorsitzenden, Dr. Kaltenecker, waren alle Vorstandsmitglieder aus Deutschland 3 4 zu dieser Veranstaltung angereist, die von Dr. Klaus Hemprich, Fotos 2–4: Thomasz Sulkowski (Gazeta Malorkska) dem Ersten Vorsitzenden, geleitet wurde. Innerhalb des Rechen- 1 Bei der Eröffnungsfeier (v.l.n.r.) : Vize-Starost Waldemar Lamkowski, Bürgermeister Marek Charzewski, schaftsberichts konnte ein insgesamt positives Bild der Aktivitäten Katarzyna Fabiańska, Beauftragte für Städtepartnerschaften (und Übersetzerin bei offiziellen Anlässen), Dr. Klaus Hemprich sowie die Kulturamtsleiterin Aleksandra Kapejewska 2 Das Publikum bei der Vernissage gezeichnet werden. Besondere Höhepunkte bildeten im vergan- 3, 4 Impressionen vom Eröffnungstage der Doppel-Ausstellung im Jerusalem-Hospital genen Jahr zudem die Besuche des Hochmeisters des Deutschen Ordens, Dr. Bruno Platter OT. Der gesamte Vorstand wurde durch AUSSTELLUNGSERÖFFNUNG Einen Tag vor te hinein sind, und zwar mit einer trotz der die Mitgliederversammlung zunächst entlastet und dann einstim- der Mitgliederversammlung, am 19. Juli, wur- Urlaubszeit überraschend großen Resonanz, mig für eine weitere Amtsperiode wiedergewählt. Das wurde als de (worauf DW bereits im Juli hingewiesen die beiden Tafelausstellungen August ’14. Der Ansporn verstanden, die nächsten Projekte engagiert anzugehen. hatte) im Jerusalem-Hospital die Präsentation 1. Weltkrieg in Ostpreußen, sowie Geschichte Dazu gehören die Restaurierung des Gewölbekellers, das Anbrin- von zwei zweisprachigen Wanderausstellun- aus Stein und Beton. Befestigungen zwischen gen der Fensterläden im Erdgeschoss und die Reaktivierung des gen des Kulturzentrums Ostpreußen in Ellin- Weichsel und Memel 1700–1945 gezeigt wor- historischen Brunnens unmittelbar vor dem Hospital. gen eröffnet. Bis in die zweite August-Hälf- den. ■ Bodo Rückert

12 Der Westpreuße 9/2017 PANORAMA

dieser Veranstaltung waren die Vereinigung „Wspól­ NEUE FLUGLINIE BROMBERG-LEMBERG In der Thorn nota Polska” und die Stadt Thorn. Auslandspolen, die Nacht des 4. August startete das erste Flugzeug vom z. B. aus Singapur, Südafrika, Australien, Tschechien, Flughafen Bromberg nach Lemberg in der Ukrai- Litauen, Kanada oder Weißrussland kamen, kämpften ne. Diese neue Fluglinie betreibt die polnische LOT AUSGEZEICHNETER DENKMALSCHUTZ Im Som- in 25 Sportdisziplinen miteinander. Dazu gehörten mit modernen Flugzeugen des Typs Bombardier mer herrscht Hochsaison für alle Arbeiten im Denk- Fußball, Volleyball, Handball, Leichtathletik, Schwim- Q400, der Raum für 78 Flugpassagiere bietet. Die malschutz. In diesem Jahr werden von der Woiwod- men, Tennis, Radrennen, Segeln und Golf, aber auch Verbindung wird in beiden Richtungen zweimal pro schaftsregierung für die Realisierung von mehr als Schach- u. Bridgespielen oder Nordic Walking. Dabei Woche bedient, und zwar montags und freitags. Die 200 solcher Vorhaben 10 Mio. Złoty zur Verfügung kamen alle Wettkampfstätten der Stadt zum Flugzeit beträgt eine Stunde und 20 Minuten. Diese gestellt. Damit wächst die Zahl der seit 2009 geför- Einsatz. – Der Internationale Sportwettbewerb der neue Fluglinie wird nicht nur von polnischen Firmen derten Projekte auf über 1.000, und die Gesamtsum- Auslandspolen ist die größte vergleichbare Sportver- begrüßt, die auf dem ukrainischen Markt tätig sind, me, die dafür verausgabt worden ist, erhöht sich für anstaltung weltweit und verfügt über eine lange sondern sicherlich auch von vielen Ukrainern, die den gleichen Zeitraum nun auf 80 Mio. Złoty. – Vor Tradition; denn sie fand erstmals bereits in der seit dem 11. Juni jetzt ohne Visum in die EU einreisen diesem Hintergrund wurden während des Festes der Zwischenkriegszeit statt und wird von der Idee dürfen. Nicht zuletzt werden auch viele Einwohner Woiwodschaft im Juni neuerlich Personen ausge- getragen, über den Sport hinaus die Bindungen der Woiwodschaft Kujawien-Pommern diese direkte zeichnet, die sich um den Denkmalschutz verdient zwischen den Auslandspolen und ihrem Mutterland Reisemöglichkeit nutzen, denn Lemberg, das jährlich gemacht haben. Sie erhielten aus der Hand des Mar- zu wahren und zu festigen. von etwa zwei Mio. Touristen besucht wird, ist ein schalls Urkunden, mit denen ihr Engagement für die höchst attraktives Ziel z. B. für Wochenendreisen. Pflege des materiellen Erbes der Region ausgezeich- ■ Piotr Olecki net wird. Darüber hinaus verleiht die Woiwodschafts- regierung für besondere Leistungen auf dem Gebiet 1 und 2 : Szenen aus der „Lebendigen Geschichte“ 1 der Konservierung und Restaurierung jährlich auch 3 und 4 : Postkarten- und Briefmarken-Edition die Medaille „Hereditas Saeculorum”. Als Preisträger des Militärhistorischen Museums wurden einzelne führende Repräsentanten der je- 4 weils beteiligten Institutionen oder Firmen ausge- zeichnet: Diese Ehrung erhalten in diesem Jahr die römisch-katholische Pfarrkirche in Groß Schönbrück (Szembruk), Kr. Graudenz, für den Erhalt der Filial- kirche in Gubin (Gubiny); die römisch-katholische Kirche in Koscielec (Kościelec), Kr. Hohensalza, für die Pflege der dortigen Kirche und deren Ausstattung so- wie die Firma HONEST, die die Aufgabe übernommen hatte, die Musikschule in der Mickiewicz-Straße 28 2 3 (Mellienstraße) in Thorn zu sanieren und in ein Mehr- familienhaus umzubauen. Verliehen wurde die Me- daille zudem an die Konservatorin und Restauratorin von der Universität Thorn sowie an Pfarrer Dr. Roman Buliński und Pfarrer Ryszard Czajka, die im Sinne engagierter Denkmalpflege von 1989 bis 2017 an der Nikolai-Kirche in Bromberg bzw. von 2008 bis 2016 an der Marienkirche in Potulitz, Kr. Nakel, gewirkt haben. Die Medaillen „Hereditas Saeculorum“ werden am 9. September feierlich bei der Eröffnung der „Europä- ischen Tage des Kulturerbes“ (European Heritage Days) in Hermannsbad (Ciechocinek) überreicht. Fotos: Andrzelina und Krzysztof Andrzelina Matusiewicz Fotos: SPORTWETTBEWERB DER AUSLANDSPOLEN GEDENKEN AN DEN WARSCHAUER AUFSTAND gefallenen Aufständischen. Die Hauptzeremonie Am 1. August wurde in ganz Polen des Warschauer fand dann am Denkmal der Heimatarmee statt. In Aufstands gedacht, dessen Beginn sich an diesem Thorn bauten die Mitarbeiter des Militärhistorischen Tag zum 73. Male gejährt hat. Damals hatten die rd. Museums zwei Barrikaden. Die eine an der Ecke ul. 50.000 Kämpfer der Armia Krajowa, der „Heimatar- Strumykowa/ul. Szeroka (Bachestr./Breite Straße), mee“, versucht, die polnische Hauptstadt noch vor die zweite am Plac Rapackiego (A.-H.-Platz). Zudem dem Einmarsch der Russen aus eigener Kraft von wurden zwei Ausstellungen mit Gemälden und Fo- der deutschen Besatzung zu befreien, und wollten tos angeboten und – nach dem Konzept der „Living damit ein nationales Symbol für ein starkes und History“ – einzelne Einrichtungen des Kriegsalltags

künftig unabhängiges Polen schaffen. – In Brom- wie eine Feldküche, eine Druckerei, eine Näherei Plakat der „Polnischen Wettkämpfe” („Igrzyska Polonijne”) berg versammelten sich die Bürger, nachdem sie oder ein Lazarett in Szene gesetzt. Aus diesem An- Vom 29. Juli bis zum 6. August waren in Thorn etwa die Hl. Messe in der Garnisonkirche gefeiert hatten, lass gab das Museum sogar eigene Briefmarken und 1.000 Sportler aus 33 Ländern der Welt zu Gast. Sie um 17.00 Uhr, zur sogenannten Stunde „W”, vor dem Postkarten heraus. Zur Stunde „W“ wurde dann auch nahmen am XVIII. Sommersportwettbewerb der im Denkmal des Warschauer Aufstandes. In Leslau in Thorn in einer Feierstunde am Denkmal für die Ausland lebenden Polen teil. Haupt-Organisatoren heulten zu dieser Zeit alle Warnsirenen zu Ehren der Heimatarmee der Gefallenen gedacht. ■ Piotr Olecki

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nahmen zudem die musikalischen Darbietungen ein. Aus ihnen stachen Kultur-Informationen diesmal die Beiträge des syrischen Expat Philharmonic Orchestra hervor, das von in Europa lebenden Kriegsflüchtlingen gegründet worden ist. aus dem »Land am Meer« Gemeinsam mit polnischen Musikern und Solisten führte das Orchester Beethovens Fidelio auf, wobei das szenische Geschehen um aktuelle po- litische Akzente bereichert wurde. In der Sektion der bildenden Kunst arbeiteten Karolina Pawłowska und Magdalena Major ein Projekt aus, das die abstrakte Vorstellung von Frieden durch die Strategien der letztlich Zoppot – gerade auch eine Stadt der Kultur erfolgreichen „Papierrevolution“ anschaulich machte : Papier war für den Seit mehreren Jahren bemüht sich Zoppot bereits darum, sein Image antikommunistischen Untergrund das wichtigste Mittel des Widerstands. zu verändern. Die Stadt will nicht länger nur als Mekka wohlhabender Es gab die Möglichkeit, die von der Zensur verbotene Literatur zu ver- Badegäste gelten oder vor allem mit snobistischen Restaurantbesuchern breiten, sonst unterdrückte Nachrichten kursieren zu lassen, bedrängten oder erlebnishungrigen Disco­gängern assoziiert werden, sondern möch- Personen Rechtsberatung zu geben oder politische Witze publik zu machen. te auch für Kunst- und Kulturliebhaber attraktiv sein. Dabei kommt Neben der Präsentation der künstlerischen Arbeiten wurde Familien mit zyklisch wiederkehrenden Festivals eine herausragende Bedeutung zu. Kindern auch ein Workshop Papier. Era sprzed komputera [Papier – vor In diesen Zusammenhang gehört das Festival Sopot Classic, das vom der Ära des Computers] angeboten. Über das Festival hinaus (bis zum 30. Juli bis zum 6. August durchgeführt worden ist. Eröffnet wurde es 30. November) werden auch noch papierne Dokumente aus dem Archiv mit einem „Spanischen Gala-Empfang“, in dessen Rahmen u. a. die la- des ECS in einer eigenen Ausstellung gezeigt. teinamerikanische Mezzosporanistin Nancy Fabiola Herrera und die Castagnettenspielerin Maribel Gallardo auftraten. An den folgenden Tagen „Neptun“-Preisträger spielte z. B. das international renommierte deutsche Blechbläserensemble Traditionsgemäß werden vom Stadtpräsidenten im Rahmen des Fes- German Brass ; zudem wurden Konzerte mit Werken junger polnischer tivals Solidarity of Arts Künstler ausgezeichnet, die sich um die Kultur Komponisten, mit Kompositionen des Barock-Zeitalters, aber auch mit Danzigs bzw. allgemeiner um die Propagierung von Werten wie Frei- Filmmusik geboten. – Wenige Tage später, am 17. August, begannen heit, Toleranz und Solidarität verdient gemacht haben. In diesem Jahr die Veranstaltungen des diesjährigen Literarischen Zoppot, die bis zum gingen die vom Danziger Bildhauer Jan Szczypki stammenden Neptun-­ 20. August gingen und deren vielfältige Programmpunkte von einer Statuetten an den Filmregisseur Krzysztof Zanussi, an die äußerst renom- Buchmesse über Workshops und Diskussionen mit Schriftstellern und mierte Schauspielerin Danuta Stenka, die sich um die Verbreitung der Literaturkritikern bis zu Lesungen und Filmvorführungen reichten. Das kaschubischen Sprache bemüht und ihre Stimme nachdrücklich gegen Hauptaugenmerk wurde diesmal auf Spanien und seine Literatur gelegt. den gegenwärtigen Kurs der PiS-Regierung erhebt, sowie nicht zuletzt Dieses Leitthema spiegelte sich in einer Film-Reihe mit Werken von Pedro an Krzysztof Czyżewski, einen Dichter und Essayisten, der zu den Mit- Almodóvar ebenso wider wie z. B. in öffentlichen Diskussionen über die begründern des Zentrums Pogranicze – sztuk, kultur i narodów [Grenz- Philosophie von Miguel de Unamuno und José Ortega y Gasset. Unter gebiet – von Künsten, Kulturen und Nationen] gehört. Dieses Zentrum den Diskutanten befanden sich auch Javier Zamora Boniilla, der eine ist in Sejny, einer Kleinstadt in der Woiwodschaft Podlachien, angesie- Ortega-y-Gasset-Biographie verfasst hat, sowie der Schriftsteller und delt und liegt in der Nähe der Grenze zu Litauen. Journalist Javier Cercas. Aus Zuneigung zur Kaschubei Make art, not war Zum neunten Male kamen, vom 13. bis zum 30. August, Kunstschaffende aus mehreren Ländern zusammen, um in Danzig – der Stadt der Solidarność- Bewegung – mit dem Solidarity-of-Arts- Am 26. August fand im Solidarność-Park in Karthaus schon zum drit- Festival für Solidarität ten Male das Kaszëbë Music Festiwal statt, das – so die Organisatoren – ein und Verständigung modernes Gesicht der kaschubischen Kultur zeigen soll. Für diese neuen einzutreten. Der Zugänge sorgt beispielsweise das Designerstudio Farwa, das traditionelle Schlüsselbegriff der dies- kaschubische Stickerei sowie andere Elemente der kaschubischen Kultur Titelblatt des Programmbuchs jährigen Veranstaltung, kreativ umarbeitet und in ihre Entwürfe, die auf dem Festival präsentiert die im Europäischen wurden, einfügt. Den zentralen Bestandteil der Veranstaltung, den auch Solidaritätszentrum (ECS) durchgeführt wurde, lautete schlicht „Frieden“ – der Titel akzentuiert, bildete freilich die Musik. Das musikalische Pro- ist er doch vielerorts, nicht zuletzt, wie die Ukraine zeigt, sogar auch in gramm umfasste Darbietungen von kaschubischen Sängern und Musik- Europa bedroht, wenn nicht schon verloren gegangen. Das Programm gruppen, darunter Czarodzieje z Kaszub, der einzigen Kinder-Rockband vereinigte – wie alljährlich – sehr unterschiedliche Kunstgenres. Der der ganzen Region. Weitere Attraktionen boten Lesungen und Diskus- Filmblock bot eine Retrospektive mit Filmen, die dem „Kino der mora- sionen mit Schriftstellern wie Tomasz Słomczyński, einem Globetrotter, lischen Unruhe“ zugehören, jener 1975 von Andrzej Wajda und Krzysztof der aktuell an einem Buch arbeitet, in dem er auf den Spuren von Reise- Zanussi initiierten Strömung der polnischen Filmkunst, zu der auch führern des 19. Jahrhunderts eine Entdeckungstour durch die Kaschubei Agnieszka Holland wichtige Beiträge lieferte. („Frieden“ heißt auf Polnisch unternimmt. ❧ Joanna Szkolnicka „pokój“, während „niepokój“ „Unruhe“ bedeutet). Einen zentralen Raum

14 Der Westpreuße 9/2017 GESCHICHTE UND KULTUR Am ersten Tag des n der August-Ausgabe dieser lie – und gerade am Bahnhof von Zweiten Weltkriegs: Zeitung hat Helmut Brauer von Simonsdorf wurde schon in den I den Deutschen berichtet, die frühen Morgenstunden des 1. Sep- in Polen nach dem Ausbruch des tember ein erstes Massaker an pol- Zweiten Weltkriegs deportiert nischen Männern und Frauen ver- Die Toten von und auf regelrechte Todesmär- übt. Dieses Geschehen, in das der sche geschickt wurden. Auf die- Großvater unmittelbar involviert ses Thema war er gestoßen, weil war, hat Hans Peter Goergens nicht Simonsdorf die Vorgänge selbst sowie deren mehr losgelassen und hat ihn Rekonstruktion in den Jahren 1939 letztlich dazu veranlasst, sich nicht bis 1941 aufs engste mit der eige- nur intensiv mit der Geschichte nen Familiengeschichte verwo- des Zweiten Weltgriegs – insbe- Von Hans-Peter Goergens ben sind. In vergleichbarer Weise sondere mit der deutschen Beset- ist Hans-Peter Goergens, der Autor zung Polens – auseinanderzuset- Mit zunehmendem Alter wollte ich genauer wissen, warum wir unsere des vorliegenden Artikels, schick- zen, sondern seine Einsichten auch Heimat verloren haben. Bisher war ich mit einer einfachen Antwort auf salhaft mit Simonsdorf verbunden, gesellschaftlich in vielfältigen For- diese Frage zufrieden gewesen : Weil wir den Krieg verloren haben. Es denn aus jenem Ort im Kreis Gro- men des politischen Engagements blieb dann allerdings die Frage, wer „wir“ sind. Und wer für den Krieg ßes Werder stammt seine Fami- fruchtbar zu machen. ■ DW bezahlt hat. In meiner Verwandtschaft mütterlicherseits kamen auf der Flucht sechs Kinder ums Leben. Wie ist es dazu gekommen ?

ch bin im März 1944 in

Neuteich Altweichsel in der ehe- maligen Freien Stadt Danzig, also in unmittel- Dameran barer Nachbarschaft von Damerau Gr. Lichtenau Eichwalde Simonsdorf, geboren. Kl. Lichtenau Mein Vater stammt direkt aus die- Tralon Irrgang Lunau Ließau Isem Ort. Bei meinen Studien zur Vorgeschichte und zum Beginn Altenau des Zweiten Weltkriegs bin ich Rokitiken Tragheim Simonsdorf deshalb immer wieder auf die Altweichsel Ereignisse zurückgekommen, die Warnau sich dort am 1. September zugetra- Kunzendorf Gnojau gen haben.

Kalthof Der Krieg vor dem Krieg

Altmünsterberg Nachdem am 25. und 26. Gerdin ­August 1939, einige Tage vor dem offiziellen Kriegsbeginn, der Mielenz Handstreich auf den Jablunkapass gescheitert war – dabei hatte die versucht, die Spren- Karte der Bahnstrecke gung des dortigen Eisenbahntunnels zu verhindern –, war die polnische (nach H. Schindler : Mosty und Dirschau 1939, Armee in besonderem Maße vor ähnlichen Kommandounternehmen Freiburg 1971) gewarnt. So rechnete sie auch bereits damit, dass das deutsche Militär bei der Eröffnung kriegerischer Handlungen alles daransetzen würde, die Dirschauer Brücken, die bereits zur Sprengung vorbereitet worden waren, unversehrt in die Hand zu bekommen. Der polnische Brücken­ kopf, den es bei Ließau auf der Ostseite der Weichsel gab, war daraufhin nochmals aufgerüstet worden. Die erwartete Aktion der deutschen Seite wurde dann am frühen Morgen des 1. September tatsächlich begonnen. Durch Stuka-Angrif- fe sollten verschiedene wichtige Punkte in Dirschau zerstört werden. Dabei bildeten die Zündkabel an den Weichselbrücken ein bevorzug- tes Ziel. Gleichzeitig sollten Wehrmachtseinheiten in einem Güterzug von Marienburg nach Dirschau fahren und die Brücken besetzen. Post und Bahn unterstanden in Danzig allerdings Polen. Züge der Reichs- bahn wurden mit polnischen Lokomotiven und mit polnischer Besat-

Der Westpreuße 9/2017 15 H.-P. Goergens H.-P.

:

Fotos

Aktuelle Aufnahme von der Vorderseite des Bahnhofsgebäudes Gedenktafel zwischen den Ausgangstüren zum Bahnsteig

zung durch das Gebiet der Freien Stadt gefahren. Der Gü- Opfer und Täter terzug wurde deshalb ordnungsgemäß angemeldet, die Zu diesem Zeitpunkt war das Massaker schon begangen polnische Lokomotive fuhr nach Marienburg. Von dort worden. Im Bericht des Oberkommandos der Wehrmacht waren es nach Dirschau 18 km. Die an der Strecke liegen- (OKW) stand, aufgrund der gebotenen Eile hätte „scharf den Bahnhöfe Kalthof, Simonsdorf und Ließau waren mit durchgegriffen“ werden müssen. Die Beteiligten des „Un- polnischem Personal besetzt. In Simonsdorf war auch die ternehmens Post“ berichteten zudem von Gegenwehr der Zollstation. Bahnbeamten, die nach der Aussage einzelner Zeugen so- Vor der Rückfahrt wurden die polnischen Eisenbah- gar bewaffnet gewesen sein sollten. Dem Bericht zufolge ner auf der Lokomotive überwältigt und durch deutsche hatte es deshalb neben 15 Gefangenen, davon fünf Verwun- in polnischer Uniform ersetzt. Die Belegschaften der drei deten, 20 Tote gegeben. Bahnhöfe sollten durch Kommandounternehmen örtli- Als die Wehrmacht in Simonsdorf eintraf, lagen jene cher SA-Einheiten inhaftiert werden. Dies gelang in Kalt­ 20 Opfer in einem Massengrab. Auf die Frage, wer das sei, hof und Ließau problemlos. Auch die in ihren Wohnungen wurde die Antwort gegeben, es handele sich um Mitglie- befindlichen Eisenbahner wurden aus den Betten geholt. In der der „polnischen Minderheit“. Der Wehrmachtsoffizier Simonsdorf hingegen wurde, wie sich späterhin zeigte, die soll daraufhin entgegnet habe, das sei wohl kein Grund, sie Operation nicht plangemäß durchgeführt. zu erschießen. Die Soldaten fanden zudem noch einen be- Um 4.15 Uhr sollte der Güterzug, gefolgt von einem Pan- wusstlosen Beamten (namens Lessnau), dessen Frau eben- zerzug, in Marienburg losfahren. Es gab jedoch eine Ver- falls zu den Opfern gehörte. Er wurde nach Marienburg ins spätung von einigen Minuten. Vermutlich schöpften die Krankenhaus gebracht. Eisenbahner in Simonsdorf hierdurch Verdacht. Mögli- Für die Ermordeten musste mein Großvater, er war cherweise fand auch ein Beamter in Kalthof noch eine Ge- Schmied in Simonsdorf, auf Geheiß des Gendarmerie-­ legenheit, sie telefonisch zu informieren. Dies ist aber nicht Wachtmeisters Gröning jeweils ein Metalltäfelchen mit gesichert. Auf jeden Fall gelang es, Dirschau von Simons- dem Namen anfertigen. Bei den Toten handelte es sich um dorf aus noch durch eine Signalrakete zu warnen. zwölf Bahnbeamte, sechs Zollbeamte und zwei Frauen, eine Die Folge war, dass die Weichselbrücken durch Tore ge- davon schwanger. Sie wohnten im Bahn- bzw. Zollgebäude. schlossen wurden. Die Gleise waren nun durch querliegende Sofern sie keinen Dienst hatten, waren sie aus ihren Woh- Schienen gesperrt. Als der recht lange Zug um 4.42 Uhr vor der nungen geholt worden. Brücke stand, eröffnete die polnischen Soldaten des Ließauer Abgesehen davon, dass die Aktionen insgesamt völker- Brückenkopfs das Feuer. Die Wehrmachtssoldaten sprangen rechtswidrig gewesen sind, waren die Morde in dieser Sys- aus dem Güterzug und schossen zurück. Im gleichen Moment tematik nicht zu rechtfertigen. Sie wirken vor allem wie kamen die Stukas von Ostpreußen her und griffen Dirschau ein Willkürakt, eine von aufgestautem Hass motivierte Tat, und die Zündleitungen an. Der hinten stehende Panzerzug denn es wurden alle Polen ermordet, die überhaupt greif- war zunächst jedoch aktionsunfähig. Beide Züge mussten bar waren. Dass einer von ihnen schwerverletzt überlebte, erst umrangiert werden, damit sich dem Panzerzug ein freies war allein der hinzukommenden Wehrmacht zu verdan- Schussfeld bot. (Unter den verschiedenen Berichten gibt es ken. Das „Unternehmen Post“ sollte durch ortskundige eine weitere, unbestätigte Version, nach der die Bahnbeamten SA-Leute durchgeführt werden. Es gab den Befehl, die Be- von Simonsdorf den Panzerzug sogar umgeleitet hätten.) Die legschaften der Bahnhöfe festzusetzen, sie sollten jedoch ganzen Aktionen blieben letztlich aber wirkungslos, denn nicht ermordet werden. Dies geschah somit eigenmächtig die Brücken konnten ohne weitere Einwirkungen von außen und war – selbst wenn eine Notwehr-Situation bestanden gesprengt werden. haben sollte – gänzlich unverhältnismäßig. Ab 5.45 Uhr wurde dann von der Schleswig-­Holstein Wer waren nun die Täter ? Die SS-Heimwehr Danzig war aus das Feuer auf die eröffnet, – jetzt erst hatte mit Angriffen auf die Danziger Post und (von Norden her) der Zweite Weltkrieg eigentlich begonnen. auf Dirschau beschäftigt. Sie kam mithin nicht in Betracht. So waren viele aus dem Umkreis der SA verdächtig. Nach dem Krieg wurden auch etliche vernommen, sowohl durch

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Eine wichtige Antwort lässt sich im „Totenwald“ von Pi- asnitz bei Neustadt finden, beim Besuch der über 20 Ge- denkstätten. An den dortigen Mordtaten, die kurz nach Beginn des Zweiten Weltkriegs begangen wurden, waren Männer des „Volksdeutschen Selbstschutzes“ beteiligt, d. h. hier haben in gewisser Weise Nachbarn ihre Nachbarn um- gebracht, wobei die entsprechenden Listen schon vor dem Kriegsausbruch gefertigt worden waren. An dieser Stelle finden sich Entsprechungen zu den Plä- nen der polnischen Seite, die z. B. in Bromberg oder bei den Deportationen der Deutschen umgesetzt wurden, denn auch sie waren längst vor dem Beginn der kriegeri- Pumeks via Wikimedia

: schen Handlungen gefasst worden. Erschreckend aber ist

Foto das Ausmaß der Massaker, die von Deutschen gerade auf Gedenkstätte in Simonsdorf dem Boden Westpreußens begangen wurden. Nun begeg- neten mir auch weitere Details des Terrors, den Deutsche während des Zweiten Weltkriegs in Polen ausgeübt hatten. die polnische Seite als auch auf Veranlassung der Zentra- So verfolgte ich die Spuren von zwei Deporta­tionszügen, len Stelle der Landesjustizverwaltungen zur Aufklärung na- mit denen Zwangsarbeiter ins Deutsche Reich verbracht tionalsozialistischer Verbrechen in Ludwigsburg. Darunter worden waren. Dabei führte die Recherche zunächst durch waren auch mein Großvater Hermann und sein Sohn Her- ganz Polen, denn die Stationen der Züge hießen Warschau, bert Goergens. Von dessen Brüdern war Horst erst 15 Jahre Treblinka, Budzyn, Majdanek, Lublin, Rzeszów, Plaszow, alt, Hans befand sich bei der „Heimwehr Danzig“ und Bru- Krakau, Wieliczka, Flossenbürg und Offenburg bzw. Col- no, Alfred (mein Vater) und Fritz waren vermutlich bei ih- mar. Zudem wurde mir nachdrücklich bewusst, wie viele ren Wehrmachtseinheiten in Ostpreußen. Kinder (jüdische wie nicht-jüdische) in diesem Krieg ihr Simonsdorf hatte damals etwa 700 Einwohner, über- Leben verloren, verhungerten oder erschlagen, erschossen wiegend Deutsche, und etwa 160 polnische Saisonarbeiter. oder vergast wurden. Gerade im Blick auf die Kinder wur- Nach Auskunft meines Großvaters gehörten viele Männer de beklemmend deutlich, mit welcher Kraft der – durch die zum SA-Sturm Simonsdorf. Niemand wollte jedoch einen nationalsozialistische Ideologie nochmals gesteigerte – Na- der Täter erkannt haben ; und auch der verletzte Eisenbah- tionalismus und Chauvinismus des späten 19. wie des 20. ner konnte keine Aussage machen, weil er bewusstlos gewe- Jahrhunderts es vermocht hatten, ethisch-moralische Emp- sen war. Nach dem ursprünglichen Plan sollten 15 Mann die findungen und Haltungen wie Empathie und Mitmensch- Aktion in Simonsdorf durchführen. Ob sich eine größere lichkeit außer Kraft zu setzen, sie ins völlige Gegenteil zu Zahl von ihnen daran beteiligte, ist nicht bekannt. Nach den pervertieren. Und damit wurde auch erheblich klarer, wer vorhandenen Aussagen sollten SA-Männer aus Marienburg immer mit gemeint war, wenn es hieß, dass „wir“ diesen und Simonsdorf die Täter gewesen sein, und es war auch Krieg verloren hätten. von angeblich unbekannten Beteiligten die Rede. Trotz ei- Damit war zwar noch keineswegs beantwortet, war- ner langen Liste von Verdächtigen wurde letztlich also nie- um die Deutschen aus den ostmittel- und osteuropäischen mand ermittelt, geschweige denn vor Gericht gestellt. Und Siedlungsgebieten für diesen Krieg hatten „bezahlen“ müs- inzwischen sind alle verstorben. Die einzige Zeitzeugin, die sen, zumal sich kein erlittenes Unrecht jemals gegen eine ich noch befragen konnte, war meine (1921 geborene) Mut- anderes „aufrechnen“ lässt. Wohl aber zeigte sich mir, dass ter. Sie arbeitete damals im Gut Söhnke als Wirtschafterin, diese Frage angesichts des grenzenlosen Hasses und Ver- ca. 200 m vom Tatort entfernt. Sie hatte auch Schüsse ge- nichtungswillens, die in jener Phase der deutsch-polni- hört, natürlich auch die Flugzeuge, konnte über Täter aber schen Geschichte möglich geworden waren, ihre Relevanz natürlich keine Auskünfte geben. Sie erinnerte sich aber verlor : Stattdessen sollten gerade wir Kinder und Enkel noch deutlich daran, dass die Vorgänge „eine große Aufre- von Flüchtlingen und Heimatvertriebenen einen Beitrag gung im Dorf“ verursachten. für die Zukunft unseres Kontinents leisten, denn nach un- serer Erfahrung führt die übersteigerte Orientierung am Persönliche Folgerungen „Nationalen“ zu leicht in die Irre : Die anstehenden Pro­ Nachdem die Nachgeborenen, denen die einfachen Ant- bleme – nicht zuletzt die drängenden Fragen der Vertei- worten der Eltern und Großeltern nicht mehr ausreichten, lung und Integration von heutigen Flüchtlingen – können sich – oft viel zu spät – selbst auf die Suche gemacht und nur durch gemeinsame, transnationale oder internationale historisch anscheinend verlässliche Fakten, verstreute Do- Modelle des Zusammenwirkens bewältigt werden. Gerade kumente und Erinnerungssplitter zusammengetragen ha- wir und unsere Familien haben eigene, bittere Erfahrungen ben, stehen sie vor diesen Materialien und müssen überle- machen müssen : Bringen wir sie ein, nicht rückwärtsge- gen, was sie mit dieser Geschichte, in die die eigene Familie wandt, sondern positiv und brüderlich – für eine bessere involviert gewesen ist, aber auch mit anderen, ähnlichen Zukunft. ❧ Geschichten jetzt anfangen ? Die wichtigste Frage, die sich Hans-Peter Goergens, zunächst im Polizeidienst, ab 1975 bis zur mir an diesem Punkt stellt, ist diejenige nach der Art des Pensionierung hauptamtlicher Gewerkschaftssekretär ; engagiert Zusammenlebens zwischen Polen und Deutschen in ­einem sich neben seiner Publikations- und Vortragstätigkeit vor allem in der Bildungs- und Projektarbeit mit Jugendlichen und bietet dabei Klima, das offenbar tiefgreifend von Misstrauen, wenn z. B. regelmäßige Führungen durch das KZ Natzweiler-Struthof und nicht gegenseitiger Verachtung oder gar Hass geprägt war. andere Gedenk­stätten an.

Der Westpreuße 9/2017 17 Leider ist der Friedrich-Wilhelm-Platz kein Stadt­zen­ trum mehr. Er dient lediglich noch als reine Durchfahrts- Elbing in der Gegenwart – straße von Süd nach Nord und umgekehrt, jeweils am alten Hauptpostamt und an der 1837 gepflanzten Stadtjubilä- ums- und Friedenseiche vorbei. Nichts anderes am Fried- Vom Wiederaufbau rich-Wilhelm-Platz hat übrigens die Kampfhandlungen 1945 überstanden. Über den Friedrich-Wilhelm-Platz füh- ren noch immer die Straßenbahnschienen der früheren Linie 2 zur Alten Werft auf Pangritz-Kolonie. Nach 1945 der 780 Jahre alten Stadt wurde diese Straßenbahnstrecke bis Lärchenwalde und dann entlang der Benkensteiner Straße bis zur Tolkemi­ ter Chaussee verlängert. Auch die ehemalige Straßenbahn­ Text und Fotos : Hans-Jürgen Schuch linie 1 in Richtung Lönsallee und Vogelsang fährt noch über den Friedrich-Wilhelm-Platz, auch an der Post vorbei, aber Im Prußenland wurde am Ilfing, dem Elbing, vor 780 Jahren nur noch bis Kl. Teichhof. Das wird nicht mehr auf Dauer so bleiben. Vor eini- die ehemalige Ordens- und Hansestadt Elbing gegründet. ger Zeit wurden die vor längerer Zeit unterbrochenen Ar- Der diesjährige Geburtstag ist sicher kein Anlass, ein beiten in der Hohezinnstraße wiederaufgenommen, um Stadtjubiläum zu feiern, wohl aber ein guter Grund, die Stadt die Straßenbahnlinien zur Hochstraße und zur Lönsal- zu besuchen, durch wichtige und interessante Stadtteile lee (Kl. Teichhof) künftig unter Umgehung des Friedrich-­ und Straßen zu gehen. Wilhelm-Platzes fahren zu lassen. Über den Alten Markt fährt bereits seit Jahrzehnten keine Straßenbahn mehr. Ins- gesamt gibt es jetzt fünf Straßenbahnlinien. Zu deutscher tändig stellt sich den Elbingern fern der Zeit waren es drei. Heimat die Frage, wie die Stadt aussieht, Die Veränderungen in der Altstadt fallen besonders auf. was 1945 und in 72 Jahren nach Kriegs- Es sind erfreuliche Zeichen des Wiederaufbaus aus den ende untergegangen ist, restauriert wurde Trümmerhaufen der Nachkriegszeit, der erst mit großer und neu entstanden ist ? Was ist aus der Verspätung erfolgt ist. Dieses Wiederentstehen vieler Häu- Industrie- und Schulstadt geworden, was ser und die Herrichtung der meisten Straßen können als aus der 1945 zu fast 100 % zerstörten Alt- zufriedenstellend oder sogar gelungen bezeichnet werden. stadt ? Was wurde in Elbing wo, wie einst Aber noch ist die Altstadt nicht vollständig wieder aufge- oder anders wieder aufgebaut ? Schließlich drängt sich die baut, abgesehen davon, dass einige Straßenzüge nicht wie- Frage auf, was 2017 noch das alte Elbing dokumentiert ? der bebaut werden sollen. SBekannt ist, dass in den letzten 40 Jahren – und besonders seit 1990 – viel geschehen, viel gebaut worden ist und auch verändert wurde. (Bei diesem Rundgang werden zur einfa- cheren Orientierung sowie zugunsten einer leichteren Les- barkeit nur die deutschen Straßennamen genannt.)

Eine Stadt in Bewegung Das Stadtbild verändert sich ständig. Allerdings hat das Tem- po im Häuserbau nachgelassen, die Qualität ist jedoch erheblich besser geworden. Bei einem Stadt- rundgang fallen markante Verän- derungen sofort auf, und es ist zu bemerken, dass in den letzten Jah- ren sehr viel für die Erhaltung der Die Nordseite der Wilhelmstraße ab Ecke Alter Markt. großen und kleinen alten Wohn- Die Zufahrt ist wegen einer Neupflasterung gesperrt. häuser getan wurde, die den Krieg überstanden hatten. Sehr viele Der neue Alte Markt Häuser erhielten einen gefälligen Den Mittelpunkt der Altstadt bildet nach wie vor der Hausanstrich. Dies betrifft sowohl Alte Markt. Fast alle Grundstücke zu beiden Straßenseiten die vielen Häuser, die heute der zwischen Hl. Geiststraße und Markttor sind wieder bebaut. städtischen Wohnungsgesellschaft Ein lebendiges Stadtzentrum ist allerdings nicht wieder gehören, als auch Privathäuser. entstanden. Zum einen leben in der Altstadt nicht mehr so Das Bild der Stadt wurde dadurch viele Einwohner wie früher. Zum anderen fehlen am Alten bunter und damit auch freundli- Markt Geschäfte. Bis 1945 war wohl in jedem Haus mindestens Blick durch das Markttor auf den Alten Markt. cher. ein Geschäft oder in mehreren miteinander verbundenen Die Schienen erinnern daran, dass früher die Häusern jeweils ein Kaufhaus. Die Schaufenster lockten auch Straßenbahn durch das Stadttor fuhr. aus den Außenbezirken die Käufer an. Die Geschäfte eiferten

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schäfts Albert Dyck wurde aus dem Häuserkomplex zwi- schen Spiering- und Wilhelmstraße das Viersterne-Hotel Elbląg. Da die acht kleinen Grundstücke Nr. 20–27 vor der Nikolaikirche nicht wieder bebaut werden, kann zwischen Brück- und Fischerstraße der mächtige Ostgiebel der Kir- che – im Dunkeln angestrahlt – gesehen und bewundert werden. Eine Baulücke ist geblieben. Das sind die sieben Grund- stücke Nr. 35–41 zwischen der Hl. Geiststraße und der Flei- scherstraße. Hier befanden sich bis 1945 u. a. die bekannte Konditorei von Josef Groß und das kleinste der fünf Kinos in Elbing, die Tonlichtspiele, viel vertrauter – weil die Ki- nobesucher so eng beieinander sitzen mussten – unter dem Namen „Flohkiste“. Und an der Ecke zur Fleischerstraße war das beliebte Café Vaterland von Franz Both. Das war alles einmal. Seit sehr vielen Jahren verdeckt dort ein Bau- zaun freigelegte Grundmauern. Rechts daneben befindet sich seit mehr als 30 Jahren eine große Bauruine mit eige- ner Geschichte. Für den Wiederaufbau der Altstadt zum Stadtjubiläum 1987 sollte an dieser Stelle die Bauleitung ein Der Alte Markt mit Markttor bei Laternenbeleuchtung zentrales Domizil erhalten. Mit dem Aufbau der Altstadt klappte es genauso wenig wie mit dem der Residenz. Die Altstadt wurde dann nach und nach aufgebaut. Das Baulei- miteinander um die Kunden. Das ist tungsgebäude hingegen wurde ein Denkmal an die frühere jetzt anders. Restaurants und Cafés Fehlentwicklung. Die Grundstücke zwischen Hl. Geiststra- laden in großer, vermutlich zu gro- ße und Fleischerstraße gingen in Privathand über und ge- ßer Zahl zum Besuch ein. An dieser rieten damit aus der Verfügungsgewalt der Stadtbehörden. alten Marktstraße befinden sich in der Gegenwart kein Konfektions- Diese gut 35 oder z. B. Schuhgeschäft, kei- Jahre alte Bauruine am ne Konditorei, kein Bäcker, Alten Markt kein Papierwarengeschäft, auch sollte die für kein Feinkostgeschäft und kein den – für 1987 Kaufhaus. Es fällt sogar auf, dass ein geplanten – Neubauten auf der Westseite des Alten Marktes jahrelang florierendes Restaurant Wiederaufbau zwischen Kürschner- und Markttorstraße der Altstadt sowie ein Geschäftslokal seit länge- verantwortli- rer Zeit neue Inhaber suchen. che Bauleitung Der Wiederaufbau des Alten aufnehmen. Marktes wurde lange vor der politischen Wende geplant. Damals wurde anders gedacht. Geschäftslokale waren un- Weitere Projekte in der Altstadt wichtig, zumal das Warenangebot sowieso gering und Längere Zeit war auch die Grundstücksecke Kleine mangelhaft war. Viele Gebäude erhielten beim Wiederauf- Hommel- / Hl. Geiststraße eine Bauruine. Doch dieser Ma- bau z. B. Beischläge oder ähnliche Vorbauten. Beischläge kel ist überwunden. Die Häuser Nr. 13 und 14 sind jetzt zu- waren vor langer Zeit einmal eine Zierde, doch sie wurden sammen mit den Nachbarhäusern Nr. 11 / 12 ­Schmuckstücke. – oft bedauerlicherweise – bereits im 19. und 20. Jahrhun- In dem gotischen Gebäude Nr. 13 befand sich bis 1945 die dert aus unterschiedlichen Gründen entfernt. Fahrradhandlung Oskar Seydel. Lange davor diente dieses Einige neue Gebäude am Alten Markt fallen dem Be- ansprechende Gebäude in Elbing als erste Baptistenkirche. sucher sofort auf. Dazu gehört das wiedererrichtete Rathaus der Altstadt, das 1777 abbrann- te und dann durch Wohn- und Geschäftshäuser ersetzt wurde. Es stammte aus dem 13./14. Jahr- hundert und wurde in Anlehnung Die Straßen- an die Backsteingotik aufgebaut ecke Kleine Hommel-/ – ohne den Schmuck, der in der Hl.-Geist- Renaissance angebracht worden Straße nach war. Seit einigen Jahren kann das dem endlich Die Elbinger Domkirche St. Nikolai an der erneuerte Königshaus bewundert vollendeten Ecke Brückstraße / Alter Markt bei Nacht werden. Unter Einbeziehung der Wiederaufbau­ Nachbargrundstücke des früheren Manufaktur- und Modewarenge-

Der Westpreuße 9/2017 19 Erfreulich ist, dass das als zuverlässig geltende Bauun- Bautätigkeit in den Außenbezirken ternehmen Mittich auf der Nordseite der Fischerstraße ab Die Stadtbevölkerung wohnt zum großen Teil in den Enge Gasse bis zur Wasserstraße und auch um die Ecke auf Außenbezirken. Dort sind viele Neubaugebiete entstanden der Ostseite dieser Straße derzeit große Wohnhäuser hoch- und auch Einkaufszentren wie z. B. an der Ecke Hochstra- zieht. Obwohl die Neubauten noch nicht fertig sind, konn- ße/Benkensteiner Straße. Da gibt es alles : Brot und Butter, ten bereits alle Wohnungen verkauft werden. Gemüse und Fleischprodukte, Bekleidung von H&M oder Bis zur Zerstörung 1945 galt das aus der Zeit um 1390 stam- z. B. Schuhe von Deichmann. mende Haus Wilhelmstraße 56 als das älteste ganz aus Stein Die von der Königsberger Straße abbiegende Hochstra- gebaute und erhalten gebliebene Bürgerhaus. Darin befand ße hat an Bedeutung stark gewonnen, eigentlich wie kei- sich die weit über Elbing hinaus bekannte Orgelbauanstalt ne andere Straße in Elbing. Sie wurde erheblich verbrei- Das neue Gebäude des E. Wittek. Vor einiger Zeit wurde der Wiederaufbau mit tert. Die Straßenbahn fährt auf einem eigenen Bahnkörper. Amts- und Bezirksgerichts in der Hochstraße der alten schmucken Viele neue Wohnhäuser wurden hier gebaut und in letzter Fassade abgeschlossen Zeit sogar drei Hochhäuser. Alte und im Frühsommer Häuser mussten Platz machen. 2017 von einem Stadtauswärts entstanden auf der Gesundheitsbetrieb linken Seite, gegenüber der Ein- bezogen. mündung des Süvernweges in Die Bebauung der die Hochstraße, das neue Amts- Altstadt wird stetig und Bezirksgericht mit Parkplät- fortgesetzt. Kürzlich zen. In diesem Sommer wird das erwarb ein Hotelier elf Etagen hohe und gefällige Ge- das Grundstück Wil- bäude bezogen. Etwas weiter, auf helmstraße 29. An der rechten Straßenseite, steht ein dieser Stelle stand bis neun Etagen hohes Wohnhaus 1945 das ehemalige und ziemlich am Ende der Hoch- Kramerzunfthaus. Es straße, kurz vor der Hoppen- gehörte zuletzt dem beek, wurde ein 15 Etagen hohes Elbinger Heimatver- Wohnhaus gebaut. Es ist das wohl ein. Carl Pudor schuf Das bis 1945 älteste erhaltene Backsteinhaus höchste Gebäude in der Stadt. darin das Heimatmu- von 1390 in der Altstadt nach dem Wiederauf- Die fünf ältesten Hochhäu- bau ; bis 1945 Sitz der Orgelbauanstalt E. Wittek seum und eine Wein- ser (mit neun Etagen) stammen stube. Das Grund- aus der Zeit um 1960. Sie stehen stück soll bald bebaut werden. Bisher ist unbekannt, für an der breiten „Straße des tau- welchen Zweck. Hoffentlich erfolgt die Rekonstruktion der sendjährigen Polen“, ­einer Nach- einst eindrucksvollen Fassade aus dem 16./17. Jahrhundert. kriegsstraße zwischen Elbingfluss Leider darf das früher zur Mauerstraße hin angebaute Ta- und dem Holländer Tor. Ähnli- schengebäude nicht wiedererrichtet werden, weil die Mau- che Hochhäuser wurden später an erstraße für die Feuerwehr ausreichend breit bleiben muss. der Ackerstraße und an wenigen Die ehemalige Mädchenmittelschule, die Agnes-M­ iegel- anderen Stellen der Stadt gebaut. Schule auf dem früheren Gelände der nördlichen Vorburg, Nach ­einer längeren Pause gibt bildet heute das Hauptgebäude des Historisch-Archäolo- es inzwischen wieder zahlreiche gischen Stadtmuseums. Dieses historische Gebäude wur- hohe Wohnungsbauten mit acht, de vor einiger Zeit völlig geräumt. Jetzt wird es gründlich zehn oder mehr Stockwerken. renoviert. Es erhält auch ein neues Dach. Für die um- Dies sind aber keine freistehenden fangreichen Baumaßnahmen stehen 16 Mio. Złoty (ca. Hochhäuser, sondern gewaltige Wohnblöcke. Dieses Hochhaus ist das 4 Mio. Euro) zur Verfügung. Nach 1945 wurden im Stadtgebiet einige, vor allem ka- höchste Wohngebäude der Stadt. Es steht auf der Die Suche nach einem Parkplatz ist in der Altstadt tholische Kirchen errichtet. Bemerkenswert ist in diesem linken Seite der Hochstraße ­äußerst schwierig. Und das Problem wird noch größer, Zusammenhang, dass die kleine, etwa 300 Seelen umfas- kurz vor der Hoppenbeek. wenn die noch freien Flächen bebaut werden. Deshalb sol- sende griechisch-katholische Kirchengemeinde seit Jahren len die Anwohner möglichst eine Tiefgarage bekommen. In an der Ecke Mühlendamm/Bergstraße ein großes Gottes- letzter Zeit wird immer häufiger der Vorschlag diskutiert, haus baut. Die goldverzierte Kirchenkuppel grüßt bereits auf dem Gelände südlich der Engen Gasse zwischen Spie­ nach allen Himmelsrichtungen. Das Bautempo wird von ring- und Wilhelmstraße, eine Hochgarage zu bauen und der Gemeindekasse bestimmt. Das Pfarrhaus mit dem Ge- sie mit rekonstruierten alten Häuserfassaden – wie z. B. die meindezentrum ist bereits fertiggestellt. vom Kamelhaus – zu verkleiden. Eine solche Hochgarage würde Besucher in die Altstadt locken, aber auch den Auto- Perspektiven verkehr erheblich verstärken. Andere Vorschläge regen den Elbing blieb nach 1945 Industriestadt. Ihre Bedeutung Bau einer Hochgarage auf der anderen Seite des Elbing an, als solche ist allerdings erheblich zurückgegangen. Sie ist und zwar auf der fast unbebauten Speicherinsel. auch wieder eine Hafenstadt, obgleich von einer Schifffahrt kaum etwas zu merken ist. Der am Kraffohlsdorfer Weg an- gelegte große Platz zur Lagerung von Con­tainern und an- derer Schiffsfracht wird fast ausschließlich als Parkplatz für

20 Der Westpreuße 9/2017 GESCHICHTE UND KULTUR

hörens-, sehens- und wissenswert

PFADFINDERGRUPPE „FÜRST JÓZEF PONIATOWSKI“ ➔ Mo, 4. September, 17.00 Uhr Übergabe des Pfad­finder- Wimpels. Feierlichkeit und deutsch-polnisches Geländespiel. Im Rah- men des offiziellen Gedenktages zum 78. Jahrestag des Ausbruchs des II. Weltkriegs. (Nikolaikirche, Nikolaikirchhof 3, 04109 Leipzig – leipzig.polnischekultur.de) Die neue Kirche der polnischen griechisch-katholischen DEUTSCHES POLEN INSTITUT – DARMSTADT Gemeinde an der Straßenecke ➔ Di, 5. September, 20.00 Uhr Aussiedler 2.0 – Die junge Gene- Bergstraße/Mühlendamm ration erzählt. Alexandra Tobor: Minigolf Paradiso und Sitzen vier Polen im Auto. Ort : Schlosskeller ➔ Mi, 4. Oktober, 19.00 Uhr Vortrag von Julia Röttjer M. A. : Erinnern, vergessen, neu erzählen ? Über den Umgang mit große Lastkraftwagen Geschichte in Polen Veranstalter : VHS Darmstadt, Anmeldung : genutzt. www.darmstadt.de/vhs. (DPI, Residenzschloss, Marktplatz 15, Kontinuierlich be- 64283 Darmstadt – www.deutsches-polen-institut.de) steht auch die Tradi- OSTPREUSSISCHES LANDESMUSEUM tion von Elbing als ➔ Mi, 6. September, 19.00 Uhr Filmvorführung Levins Mühle mit Schulstadt fort. Die einer Einführung von Dr. Andreas Lawaty. (SCALA, Apothekenstraße 17, Schullandschaft ist 21335 Lüneburg – www.scala-kino.net) umfangreich und aus- differenziert. Zu ihr BERGHAIN / PANORAMA BAR – BERLIN gehören eine staatliche ➔ Mi, 6. September, 19.00 Uhr Buchvorstellung Emilia Smechow- Fachhochschule und mehrere private Hochschulen. ski : Wir Strebermigranten, Moderation : Jenny Friedrich-Freksa. Selbst wenn im Straßenbild nur selten polnische Sol- (Kantine am Berghain, Am Wriezener Bahnhof, 10243 Berlin – berghain. daten zu sehen sind, sollte dies nicht darüber hinweg- de/event/2114) täuschen, dass die meisten der Elbinger Kasernen, die EV. PAULUSGEMEINDE DARMSTADT allesamt im Krieg unversehrt ge- ➔ Mi, 6. September, 20.00 Uhr Jakub Kwintal spielt Orgelwerke blieben sind, vom Militär belegt von Bach, Markull, Nowowiejeski, Gumiela und Eben. Pauluskirche, sind. Überdies ist hier ab Au- Niebergallweg 20, 64285 Darmstadt (paulusgemeinde-darmstadt.de) gust (wie DW im letzten Monat berichtete) das Kommando der STIFTUNG GERHART-HAUPTMANN-HAUS – DÜSSELDORF multinationalen NATO-Division ➔ Di, 12. September, 19.00 Uhr Sondervorführung des Dokumen- Nord-Ost stationiert. Diese rd. 80 tarfilms Wir sind Juden aus Breslau. Überlebende Jugendliche und Soldaten, vor allem hohe Offiziere, ihre Schicksale nach 1933 in Anwesenheit des Regisseurs Dirk werden mit ihren Familien sicher- Szuszies. (GHH. Deutsch-osteuropäisches Forum, Bismarckstr. 90, lich die Nachfrage nach Konsum- 40210 Düsseldorf – www.g-h-h.de) gütern erhöhen. Der Stab soll in TECHNISCHE UNIVERSITÄT ILMENAU dem nach 1945 von der polnischen ➔ Fr, 15. September, 15.00 Uhr Vortrag Dr. sc. phil. Franz Rittig: Armee erweiterten ehemaligen Polen – ein schwieriger Nachbar? Antworten aus Geschichte und HJ-Heim in der Mackensenstra- Gegenwart (Faraday-Hörsaal, Weimarer Straße 32, Zugang von der Die Schichaustraße mit dem ße untergebracht werden, also am Zugang zur Luden- Prof. Schmidt-Straße (www.tu-ilmenau.de/seniorenakademie) früheren Verwaltungsge- dorff-Höhe, dem Elbinger Gänseberg. bäude der F. Schichau AG, KOMMISSION FÜR DIE GESCHICHTE DER DEUTSCHEN IN POLEN einem Zeugnis der früheren In Elbing sind somit beim 780. Geburtstag der Stadt Industriestadt Elbing insgesamt erhebliche Fortschritte und erfreuliche Ent- ➔ Do, 21. bis Sa, 23. September Wissenschaftliche Tagung: wicklungstendenzen festzustellen. Die Stadt hat nach Regimewechsel und Eigentumsregimes : Polen und seine Nach- amtlichen Angaben 127.000 Einwohner. Vielleicht sind barn im 20. Jahrhundert (Wissenschaftszentrum Ost- und Südost- es auch nur 120.000. Der Rückgang der Einwohnerzahl europa Regensburg, Landshuter Str. 4, 93047 Regensburg – konnte inzwischen aber gestoppt werden. Dennoch hat www.deutsche-polen.org) die Stadt weiterhin mit einem deutlichen Handicap zu STADT BIBLIOTHEK BREMEN kämpfen, denn sie läuft aufgrund ihrer geografischen ➔ Sa, 23. September, 15.00 Uhr Zehn Jahrhunderte Polnische Lage immer wieder Gefahr, ins Abseits zu geraten. Als Literatur. Buchpräsentation mit Elzbieta Nowocien und Birgit Sekul- weitere Einschränkung ihrer Perspektiven kommt gegen- ski. (Zentralbibliothek, Am Wall 201, 28195 Bremen – www.stabi-hb.de) wärtig noch hinzu, dass der kleine Grenzverkehr zur En- klave Königsberg von Warschau vor längerem ausgesetzt LITERATURHAUS HERNE worden ist, was seitdem zu einer spürbaren Verschlechte- ➔ Mo, 25. September, 19.30 Uhr Ignacy Karpowicz, Autor von rung der ökonomischen Daten geführt hat. ❧ Sońka, Lesung auf Deutsch : Peter Lohmeyer. (Literaturhaus Herne, Bebelstraße 18, 44623 Herne – www.literaturhaus-herne-ruhr.de)

Der Westpreuße 9/2017 21 KULTURSTIFTUNG WESTPREUSSEN

BLICK ÜBER DEN ZAUN Das Nationalmuseum Nationalmuseum Danzig Danzig Korbach Das Kreishaus bietet bis zum 7. September die eindrucksvolle Ausstellung Verschwunden - Orte, Muzeum Narodowe Narodowe w Gdańsku w Gdańsku die es nicht mehr gibt, die als vierter Teil des vom zu GastGast in in Warendorf Warendorf Zentrum gegen Vertreibungen konzipierten Ausstel- lungszyklus zum ersten Male im November 2016 in Schätze aus aus der der Gemäldesammlung Gemäldesammlung Berlin der Öffentlichkeit präsentiert worden war. (Kreishaus Korbach, Südring 2, 34497 Korbach)

Wien Die Porträtsammlung Polnische Individualitäten von Krzysztof Gierałtowski ist bis zum 22. September in p_art., der Galerie des Polnischen Instituts, zu sehen. An dieser Sammlung arbeitet der renommier- Emil Nolde Arthur Bendrath Max Slevogt ReinholdRheinhold Bahl Bahl te Fotograf seit mehr als 30 Jahren. Die subjektive Auswahl von 44 bekannten Persönlichkeiten aus den Franziskanerkloster Bereichen Kunst, Musik, Theater, Film, Literatur, Wis- Klosterstraße 21 21 senschaft und Politik vermittelt ein spannendes Bild 48231 Warendorf Warendorf 1. Juni – 15. Oktober1. Juni 2017– 15. Oktober 2017 der polnischen Intelligenz – von Krzysztof Kieślowski TTel.: 0 2 502581 81 92 7 92777-077-0 Öffnungszeiten:Öffnungszeiten Di :- DiSo,–So 10 10 - –1818 UhrUhr oder Kalina Jędrusik über Witold Lutosławski bis zu Karol Wojtyła. Dabei werden die Schwarz-Weiß-Foto- www.westpreussisches-landesmuseum.de grafien durch Autorenkommentare ergänzt, in denen www.westpreussisches-landesmuseum.de die Entstehungssituation eines konkreten Fotos er- klärt wird. (p_art. Galerie des Polnischen Instituts, Am MITTEILUNG DES BDV Gestade 7, 1010 Wien – www.polnisches-institut.at) des Jahres, dass Anträge formal korrekt gestellt werden, weil sie ohne Unterschrift nicht gültig Erfurt Bis zum 24. September vermittelt die Stiftung Ettersberg mit Fotos und Interviews von Tomasz sind. Kizny Eindrücke vom Ausmaß und Schrecken der Für die inhaltliche Prüfung und Glaubhaft- Stalinistischen „Säuberungen“. Ihnen sind eineinhalb machung der Zwangsarbeit kann es sich als Millionen Menschen zum Opfer gefallen, an die oft- BdV-Bundesgeschäftsstelle vorteilhaft erweisen, dem Bundesverwaltungs- mals nur noch Polizeifotos erinnern. Der polnische Godesberger Allee 72–74 amt eine Rentenverlaufsübersicht zu übersen- Fotograf Tomasz Kizny hat diese Aufnahmen und 53175 Bonn den, weil daraus erkennbar ist, ob die ange- Interviews mit den Hinterbliebenen zu dieser Aus- Telefon +49 (0)228 81007-30 gebene Zeit der Zwangsarbeit als Ersatzzeit stellung zusammengefügt, mit der er den Vergesse- Telefax +49 (0)228 81007-52 anerkannt wurde. nen ihre Namen und ihre jeweilige Geschichte zu- E-Mail [email protected] Besonders bei Fehlen von formalen Nach- rückgibt. (Souterrain der Gedenk- und Bildungsstätte, Andreasstraße 37A, 99084 Erfurt – www.stiftung- Internet www.bdvbund.de weisen über die Zwangsarbeit in Form von Ent- ettersberg.de) lassungsbescheinigungen, Rehabilitationsbe- Anerkennungsleistung für scheinigungen u.a. sollten die Antragsteller, um Bochum Das Lotman-Institut für russische Kultur der deutsche Zwangsarbeiter Nachfragen vorzubeugen, von sich aus die Zeit Ruhr-Universität Bochum zeigt im Foyer des Gebäu- der Zwangsarbeit konkretisieren. Die Antrag- des GB 02 (Nord) bis zum 30. September die von Gerd In einem aktuellen Schreiben hat der Präsident steller sollten konkret angeben, wie, wo und Koenen konzipierte Ausstellung Der Kommunismus in des BdV, Dr. Bernd Fabritius MdB, für die wann sie in Zwangsarbeit geraten sind, welche seinem Zeitalter. (Ruhr-Universität, Universitätsstraße Beantragung von Anerkennungsleistungen die konkreten Tätigkeiten als Zwangsarbeit geleis- 160, 44801 Bochum) folgenden ergänzenden Hinweise gegeben : tet wurden, wie lange die Zwangsarbeit ausge- München Global prekär. Flucht, Trauma und Erinne- Wie uns das Bundesverwaltungsamt mitge- übt wurde, unter welchen Wohn- und Lebens- rung in der zeitgenössischen Fotografie lautet das teilt hat, kommt es in der Praxis gehäuft vor, umständen sie erfolgte und ob die Arbeit Thema, dem sich in der Pinakothek der Moderne eine dass die gestellten Anträge nicht unterschrie- vorgegeben war oder die Möglichkeit bestand, Ausstellung mit Werken von Roy Arden, John Gossa- ben sind und dass die mitgeteilte Kontonum- die Arbeit zu wechseln. Wichtig ist auch, dass ge, Anselm Kiefer, Eva Leitolf, Michael Schmidt und mer im Hinblick auf IBAN und BIC nicht gültig die Antragsteller darlegen, ob und wie sie zu JeffWall widmet. Diese Präsentation aus Sammlungs- ist. Den Anträgen werden häufig die notwen- der Arbeit gezwungen oder gedrängt wurden. beständen dokumentiert künstlerische Auseinander- dige Meldebescheinigung des Einwohnermel- Diese Erläuterungen zur Zwangsarbeit setzungen mit Krieg und Vertreibung sowie Entwur- deamtes bzw. die Lebensbescheinigung nicht erleichtern dem Bundesverwaltungsamt die zelung und Flucht. Dabei wird den Bildern der Medi- beigefügt. Dies führt in jedem Fall zu Rückfra- Entscheidungen und verhindern vielfach Nach- en wie den offiziellen Verlautbarungen eine andere, aus der persönlichen Perspektive gewonnene Lesart gen bei den Antragstellern und damit zu Verzö- fragen. entgegengesetzt. Die Ausstellung läuft noch bis zum gerungen bei der Bearbeitung der Anträge und Für weitere Fragen oder Hinweise steht 1. Oktober. (Pinakothek der Moderne, Barer Straße Auszahlung der Leistung. Es ist daher wichtig, Ihnen auch die BdV-Bundesgeschäftsstelle 40, 80333 München – www.pinakothek.de) auch im Hinblick auf den Fristablauf zum Ende gerne zur Verfügung.

22 Der Westpreuße 9/2017 TV-Hinweise / Anzeigen

FERNSEH-TIPPS SAMSTAG, 2. 9. MONTAG, 11. 9. Der We stpreuße 07:35 Uhr, Das Erste 4:45 Uhr, BR Begegnungen mit einer Schmecksplosion. Xenia kocht polnisch Europa-Reportage. Hochzeit mit Hinder­ unser europäischen Kulturregion (Kinderkochsendung, D 2013) nissen – Wie junge Polen um ihr Glück danzig 14:25 Uhr, Arte kämpfen (Dokumentation, D 2017) Polen entdecken ! Nordroute – DONNERSTAG, 14. 9. Von Masuren bis zum Ostseestrand Wir wollen bald unser Archiv verkleinern. 15:00 Uhr, NDR (Dokumentation, D 2014) Deshalb besteht für unsere Leser nur noch für eine begrenzte Die Bernstein-Connection – Das Geschäft 22:05 Uhr, ORF III Zeit die Möglichkeit, frühere Ausgaben bei uns nachzubestellen. mit dem Gold des Meeres (die nordstory – Der Zweite Weltkrieg in Farbe – Vormarsch Dokumentation, D 2017) der Alliierten (Dokumentation, A) Wer in seiner eigenen Sammlung also Lücken hat, kann noch FREITAG, 15. 9. bis zum 20. Oktober SONNTAG, 3. 9. 17:15 Uhr, ZDFinfo Einzelhefte oder auch ganze Jahrgänge 13:30 Uhr, ZDFinfo Kalte Heimat – Vertriebene in Deutschland bei uns bestellen. Polenfeldzug. Der Überfall (ZDF History – Dokumentation, D 2010) (Dokumentation, D 2009) Diese Bestände geben wir kostenfrei ab. 20:15 Uhr, Phoenix 16:30 Uhr, ZDFinfo Die großen Fluchten (ZDF History – Countdown zum Untergang. Das lange Bestellungen erbitten wir per Brief, telefonisch oder per E-Mail Dokumentation, D 2015) Ende des Zweiten Weltkrieges – März 1945 über

(Dokumentation, D 2014) SAMSTAG, 16. 9. Der Westpreuße 19:30 Uhr, ZDFinfo 13:15 Uhr, RBB Mühlendamm 1 Was ist dran an „Hitlers Goldzug“ ? Warschauer Notizen (Magazin mit Griet 48167 Münster-Wolbeck (ZDF History – Dokumentation, D 2016) von Petersdorff, D 2017) 17:25 Uhr, RBB T 0 25 06 / 30 57-50 MONTAG, 4. 9. Lodzer Lust – Lodzer Last. Eine Stadt will F 0 25 06 / 30 57-61 16:00 Uhr, Bibel TV wieder nach oben (Reportage) [email protected] Kirche in Not (Folge 418 – Sendung des gleichnamigen kirchlichen Hilfswerks) SONNTAG, 17. 9. 20:15 Uhr, Phoenix 14:00 Uhr, Bibel TV Deutschlands Herrscher – Die Preußen Stunde des Höchsten, Folge 368 ANZEIGE / WAHLWERBUNG (ZDF History – Dokumentation, D 2017) (Philip Prinz von Preußen im Gespräch) 15:00 Uhr, Das Erste MITTWOCH, 6. 9. Zurück ins Leben (Tragikomödie, D/A 2013) 15:45 Uhr, ZDFinfo Rechts, zwo, drei – Driftet Europa ab ? MITTWOCH, 20. 9. (Dokumentarfilm, D 2016) 15:00 Uhr, NDR Fernfahrer zur See FREITAG, 8. 9. (die nordstory – Dokumentation, D 2015) 17:45 Uhr, Arte Danziger Bucht (mareTV, Folge 91 – DONNERSTAG, 21. 9., Dokumentation, D 2010) 21:00 Uhr, NDR Kaliningrad – Zwischen Kurischer SAMSTAG, 9. 9. Nehrung und Frischem Haff 10:55 Uhr, ZDFneo (mareTV – Dokumentation, D 2016) Schliemanns Erben : Auf der Spur des Prus­ sia-Schatzes (Terra X – Dokumentation) FREITAG, 22. 9. 15:00 Uhr, 3sat 14:50 Uhr, 3sat Genuss ohne Grenzen. Polka, Kumpel Die Deutschen. Preußens Friedrich und und Piroggen (polnische Auswanderer in die Kaiserin (Dokumentation, D 2008) Lothringen – Dokumentation, D/A/F 2012) 15:30 Uhr, 3sat 17:25 Uhr, RBB Die Deutschen. Napoleon und die Kowalski & Schmidt Deutschen (Dokumentation, D 2008) (deutsch-polnisches Journal – D 2017) 17:00 Uhr, 3sat 17:35 Uhr, ZDF Die Deutschen. Bismarck und das Deutsche Mein Land Dein Land. Boom-Region Reich (Dokumentation, D 2008) Ostsee – Zwischen Billiglohn und DIENSTAG, 26. 9. Wohnungsnot (Dokumentation, D 2017) 03:35 Uhr, Arte Magische Orte in aller Welt. Wien Die Kreuzritter (Dokumentation, F 2012)

Der Westpreuße 9/2017 23 Deutsche Post AG Postvertriebsstück Entgelt bezahlt

Landsmannschaft Westpreußen e. V. Der Westpreuße • 48167 Münster • Mühlendamm 1

H7302 Nr. 9/2017 2. September 2017 ISSN 0043-4418 ZUM GUTEN SCHLUSS

Foto : Tilman Asmus Fischer

ur selten lassen sich die Bild-Motive der ersten und der letz- die den Turm umgebenden, schützenswerten Bäume die Feuerträger- ten Seite einer Ausgabe direkt aufeinander beziehen. Dies- höhe zu erreichen. Die beiden Stufen dieser Entwicklung sind auch jetzt mal hat sich die Möglichkeit zwanglos ergeben, denn zum noch leicht zu erkennen. Zunächst wurde das steinerne Gebäude durch Foto von Kap Rixhöft, das in der Ferne einen Leuchtturm zu einen kegelförmigen Aufsatz aus Gussstahl um 5 m erhöht. 1978 wurde Nerkennen gibt, bildet die Aufnahme von diesem Bauwerk selbst ein zwischen diese Ergänzung und die Laterne dann noch ein aus Stahl treffliches Pendant. – Kap Rixhöft erfreut sich in der polnischen Geo- gefertigtes, 8 m hohes zylindrisches Bauteil eingefügt. Seitdem misst graphie allgemeiner Bekanntheit, denn es markiert den nördlichsten der mächtig aufragende Leuchtturm 33 m in der Höhe; sein Licht befin- Punkt des ganzen Landes (wenngleich nach jüngeren Messungen diese det sich gut 83 m über dem Meeresspiegel und hat nun eine Reichweite Markierung inzwischen geringfügig nach Westen verschoben wurde). von respektablen 26 Seemeilen. So nimmt es auch nicht wunder, dass An dieser Stelle wurden zur Orientierung der Seefahrer schon im Mit- der Turm – wie auf dem Titelfoto – auch vom Habichtsberg aus noch telalter Leuchtfeuer unterhalten, und 1822 – einige Jahrzehnte, bevor wahrzunehmen ist. – Dass Stefan Żeromski sich übrigens nicht nur in die Kaiserliche Admiralität die pommersche Küste systematisch mit Gdingen zu seinem Roman Wiatr od morza [Wind vom Meer] (1922) hat Leuchttürmen bestückte – war derjenige von Rixhöft bereits in Betrieb inspirieren lassen, sondern ihn partienweise sogar im Leuchtturm von genommen worden. Schritt für Schritt wurden alle technischen Innova- Rixhöft verfasst haben soll, dürfte eher einer Mythenbildung entsprin- tionen genutzt, um Leuchtmittel und Optik auf dem neuesten Stand zu gen. In jedem Falle aber ist das Bauwerk seit 1933 dem Andenken dieses halten. Ab 1910 wurden zudem bauliche Veränderungen nötig : Zum Schriftstellers gewidmet. ■ DW einen sollte die Reichweite vergrößert werden, zum andern drohten

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