aus: Titelthema i2030 verkehrspolitische Zeitschrift SIGNAL 5-6/2018 (6. Januar 2018) Berliner Fahrgastverband IGEB www.igeb.org • [email protected] Tel. (030) 78 70 55 11 Berliner Fahrgastverband

Berliner Fahrgastverband IGEB S 3 nach und/oder Falkenseer Chaussee?

Foto/Montage: BfVst

Erbitterte Auseinandersetzungen zwischen Infrastruktur und Landesplanung, stellte im Transrapid-Träume. Er ist der berühmte Fla- S‑Bahn- und Regionalbahn-Befürwortern Oktober 2017 in einer Pressemitteilung klar: schenhals im Westen der Stadt. Ein seit ge- haben dazu geführt, dass das „Wir müssen aufhören darüber zu diskutie- raumer Zeit von gefordertes auch 29 Jahre nach dem Mauerfall noch im- ren, ob die S- Bahn oder die Regionalbahn drittes Streckengleis für zusätzliche Regio- mer keine S‑Bahn hat, sondern nur Regio- die richtige Lösung ist. Wir werden beide nalzüge wird wegen der fehlenden Kapazitä- nalzüge, die oft unpünktlich und überlastet Systeme brauchen, um die Herausforderun- ten im Fernbahnhof die Situation keinesfalls sind. Immer neue Konzepte wurden entwi- gen der Zukunft zu bewältigen.“ entspannen, sondern weiter verschärfen. ckelt, um die S‑Bahn-Kritiker zu überzeu- Bravo! Endlich kommt Bewegung in die Bei der S‑Bahn hingegen sind noch Kapazi- gen – und umgekehrt. Seiten davon füllen Sache. Denn eines ist klar: Die Regionalzüge täten frei. Würde sie neben der Hamburger mittlerweile auch das SIGNAL-Archiv (schau- (2 Regionalexpress- und 2 Regionalbahn-Li- Bahn fortgeführt, könnte die Feinerschlie- en Sie doch mal rein). Doch geändert hat nien) alleine sind nicht mehr in der Lage, den ßung des Umlandes von ihr übernommen sich nichts: Das Land bevorzugt die boomenden Pendlerverkehr zu bewältigen. werden. Die kleinen Zwischenhalte auf den S‑Bahn und das Land Brandenburg die Re- Die Trassenkapazitäten sind erschöpft, für Fernbahngleisen könnten entfallen und der gionalzüge. Alles nicht neu. Bis jetzt. Denn noch mehr Züge ist kein Platz – nicht zuletzt Regional- sowie Fernverkehr erheblich be- ein Paradigmenwechsel deutet sich an. Ka- aufgrund der Fehlplanung beim Bahnhof schleunigt werden. Ja, auch der Fernverkehr thrin Schneider, Ministerin für Spandau als Folgeschaden der einstigen spielt bei den Pendlern eine wichtige Rolle. Nach Hamburg pendeln aus Berlin gegen- wärtig über 8600 sozialversicherungspflich- Mehr Schiene für tige Arbeitnehmer, etwa 20 bis 25 Prozent < Hamburg, Schwerin davon mit der Bahn. Nauen Berlin & Brandenburg Viele Wege führen nach Nauen Nun ist die i2030-Teilprojekt-Gruppe West angetreten, aus den zahlreichen Vorun- tersuchungen die beste Lösung herauszu- finden und bis zum Spatenstich durchzu- Falkensee planen. Dabei ist die klassische Forderung Falkenseer Seegefeld Chaussee einer S‑Bahn bis Falkensee keinesfalls neu. Bis zum Mauerbau 1961 gab es die bereits. Albrechtshof Seegefelder Straße Also scheint es naheliegend, den Status Quo Spandau von einst wieder herzustellen. Doch das würde RE und Fernbahn nur bedingt entlas- WEST: Berlin – Spandau – Nauen Klosterbuschweg Nauener Straße Mögliche Lösungen: ten, da die Regionalbahnen RB 10 und RB 14 Charlottenburger weiterhin nach Nauen verkehren und die Chaussee Trassen auf der Hamburger Bahn blockieren Strecken- Verlängerung Um- bzw. Neubau ausbau S-Bahn von Stationen würden. Also müsste die S‑Bahn bis Nauen Wichtige Knotenpunkte verlängert werden. In der Voruntersuchung Bestehende Station S-Bahn/Regionalverkehr der Stadt-Umland-Verkehre wurden ein Mögliche Station S-Bahn/Regionalverkehr 20-Minuten-Takt bis Nauen und ein Verstär- Bestehende / bereits in Bau befi ndliche Strecke S-Bahn/Regionalverkehr kertakt bis zum nördlich der Gartenstadt Mögliche Strecke S-Bahn/Regionalverkehr neu zu errichtenden Bahnhof Hack-

© VBB Verkehrsverbund Berlin-Brandenburg GmbH 2018 buschstraße angenommen – in den neueren

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Vereinbarte Untersuchungsvarianten für den Korridor Berlin-Spandau—Nauen 1. Stärkung Regionalzugverkehr mit folgenden Untervarianten: 1.1 ohne Option S‑Bahn 1.2 mit optionaler Raumfreihaltung für zweigleisige S‑Bahn bis Abzweig Falkenseer Chaussee 1.3 mit optionaler Raumfreihaltung für zweigleisige S‑Bahn bis Albrechtshof 1.4 Variante Fernbahnhof Spandau ohne Anpassung 1.5 Variante Fernbahnhof Spandau mit einer zusätzlichen Bahnsteigkante 1.6 Variante Fernbahnhof Spandau mit zwei zusätzlichen Bahnsteigkanten 2. Stärkung Regionalzugverkehr und S‑Bahn-Verlängerung bis Albrechtshof mit folgenden S‑Bahn-Untervarianten: 2.1 mit Anbindung Falkenseer Chaussee 2.2 ohne Anbindung Falkenseer Chaussee 2.3 verschiedene Taktgefüge 2.4 mit Express-S‑Bahn Westkreuz—Spandau 2.5 ohne Express-S‑Bahn Westkreuz—Spandau 2.6 Variante Fernbahnhof Spandau ohne Anpassung 2.7 Variante Fernbahnhof Spandau mit einer zusätzlichen Bahnsteigkante Kathrin Schneider bei der Unterzeichnung 2.8 Variante Fernbahnhof Spandau mit zwei zusätzlichen Bahnsteigkanten der Rahmenvereinbarung zu i2030 am 4. Oktober 2017 in Berlin. 3. Keine Veränderung im Regionalzugverkehr und S‑Bahn-Verlängerung bis Fin- kenkrug mit folgenden Untervarianten Überlegungen etwas östlich verschoben an 3.1 mit Anbindung Falkenseer Chaussee den Klosterbuschweg. Neben ihm und den 3.2 ohne Anbindung Falkenseer Chaussee klassischen Regio-Halten käme noch ein 3.3 mit Express-S‑Bahn Westkreuz—Spandau in verschiedenen Taktgefügen neuer Bahnhof an der Nauener Straße hin- 3.4 ohne Express-S‑Bahn Westkreuz—Spandau in verschiedenen Taktgefügen zu. Albrechtshof und Seegefeld wurden zu 4. S‑Bahn-Verlängerung bis Nauen bei gleichzeitiger Reduzierung des Regional- einem Halt zusammengefasst. Die Quer- zugverkehrs mit folgenden S‑Bahn-Untervarianten schnittsberechnungen des Mitfalls ergaben 4.1 mit Anbindung Falkenseer Chaussee für dieses Konzept, dass an der Stadtgrenze 4.2 ohne Anbindung Falkenseer Chaussee bei Albrechtshof durch das neue attraktive 4.3 mit Express-S‑Bahn Westkreuz—Spandau in verschiedenen Taktgefügen Verkehrsangebot die Fahrgastzahlen ge- 4.4 mit Express-S‑Bahn Spandau—Albrechtshof genüber dem Nullfall um 4300 auf 27 200 4.5 ohne Express-S‑Bahn Spandau—Albrechtshof steigen würden. Hinzu kämen noch zusätz- lich über 8000 Fahrten mit der S‑Bahn auf dem Berliner Stadtgebiet bis Spandau, was hofshalle). Dennoch würde das Kreuzen im diese Straße allerdings nicht, so dass das eine enorme Entlastungswirkung auf das Gleisvorfeld die Verkehrslage im „Spandauer kurze Stück entbehrlich wäre. Da in den Busnetz im Raum Spandau/Staaken/Falken- Hauptbahnhof“ weiter verschärfen. drei Hausaufgängen jedoch sicherlich nicht hagener Feld hätte. Bereits beim Bau des Fernbahnhofes nur S‑Bahn-Fans wohnen, ist mit langjäh- Würde man jedoch die S‑Bahn-Verlänge- wurde ein S‑Bahn-Gleis an der Abstellan- rigem Widerstand zu rechnen. Will man rung ad acta legen und eine Verstärkung lage vorbei hinter der heute verlassenen die S‑Bahn in diesem Bereich sogar zwei- der Regionalbahnen durch eine zusätzliche Stadtbibliothek entlang geführt, das dann gleisig verlängern, so wird man kaum um Linie um einen Zug pro Stunde vornehmen, an der Staakener Straße endet. Diese ist den Abriss des verlassenen Gebäudes an so würde das die Zahl der Regionalbahn- eines der Hindernisse für eine Fahrgäste im Querschnitt an der Stadtgren- Verlängerung, denn sie liegt so ze nur um 2300 steigern, brächte aber keine dicht an den Fernbahngleisen, verkehrliche Entlastung auf dem Berliner dass sie entweder aufwendig Gebiet. In dem Fall benötigte man ein drittes überbaut oder bis auf einen Gleis für den Regionalverkehr und eine fünf- Gehweg verschmälert werden te Bahnsteigkante am Bahnhof Spandau muss. Eine verkehrlich erforder- (am Umfahrungsgleis außerhalb der Bahn- liche Verbindungsfunktion hat

Sehr eng würde es bei zwei zusätzlichen Gleisen in der Staakener Straße werden. Es aus: könnte ein Viadukt über der linken Stra- verkehrspolitische Zeitschrift SIGNAL 5-6/2018 ßenhälfte errichtet werden. Fotos: BfVst (6. Januar 2018) 12 • www.signal-zeitschrift.de Berliner Fahrgastverband IGEB Januar 2019 • SIGNAL 5-6/2018 www.igeb.org • [email protected] Tel. (030) 78 70 55 11 Berliner Fahrgastverband Titelthema i2030 der Abstellanlage herumkommen. An die Infrastrukturbedarf – S-Bahn-Verlängerung Nauen-Hackbuschstr 20-Min-Takt & Hackbuschstr-Spandau 10-Min-Takt Gebäude Staakener Straße 8 bis 9 würde die Trasse sehr nah heranrücken.

Für die weitere Streckenführung stehen Nauen Brieselang Finkenkrug Falkensee Albrechtshof Hackbuschstr. Nauener Str. Spandau genügend Bahnflächen zur Verfügung. Ne- Km 23,0 Km 14,3 Km 10,6 Km 8,0 Km 4,8 KM 3,3 Km 0,5 Km 0,0 ben der zweigleisigen Strecke in Richtung

Nauen könnte hinter dem neuen S‑Bahnhof Infrastrukturbedarf – eine zusätzliche RB Nauen-Spandau – ohne S-Bahn-Verlängerung an der Nauener Straße eine eingleisige An- bindung an das bestehende Gütergleis in

Richtung Johannesstift erfolgen, um das Fal- kenhagener Feld mit einem Halt an der Fal- Nauen Brieselang Finkenkrug Falkensee Albrechtshof Spandau kenseer Chaussee zu erschließen. Da ein ni- Km 23,0 Km 14,3 Km 10,6 Km 8,0 Km 4,8 Km 0,0 veaugleiches Queren dieser verkehrsreichen Straße zu enormen Beeinträchtigungen und eine Über- oder Unterfahrung zu sehr hohen Infrastrukturbedarf – S-Bahn-Verl. Nauen-Falkensee 20-Min-Takt & Falkensee-Spandau 10-Min-Takt – BfVst Empfehlung Kosten führen würde, sollte der Endbahn- hof südlich der Straße gebaut werden. Ob dann aber nur 5 Minuten fußläufig entfernt Nauen Brieselang Finkenkrug Falkensee Albrechtshof Hackbuschstr. Nauener Str. Spandau ein Zwischenhalt nördlich der Seegefelder Km 23,0 Km 14,3 Km 10,6 Km 8,0 Km 4,8 KM 3,3 Km 0,5 Km 0,0 Straße von Nöten ist, sollte genau geprüft werden. Die Prüfung muss aber sehr schnell Nur eine durchgehend zweigleisige S‑Bahn-Trasse mit mehreren Gleiswechseln kann eine erfolgen, denn es gibt Überlegungen, die echte Entlastung für die Strecke nach Nauen durch einen stabilen und attraktiven S‑Bahn- bestehenden Gleisanlagen zu entwidmen Betrieb bieten, vorzugsweise bis Falkensee im 10-Minuten-Takt. Grafik: BfVst und als Bauland unwiderruflich dem Schie- nenverkehr zu entreißen.

Alle können gewinnen Entgegengesetzt zu den Voruntersuchun- gen, die nur entweder Nauen/Falkensee oder Falkenseer Chaussee betracht haben, werden nun auch Varianten mit beiden S‑Bahn-Streckenästen untersucht (siehe Kasten). So könnte die S 9 im 20-Minuten- Takt ihre Fahrgäste zum Großen Spektesee und zur Falkenseer Chaussee bringen, wäh- rend die S 3 alle 10 Minuten nach Falken- see und jeder zweite Zug dann weiter bis Nauen fährt. Da somit zwei Regionalbahn- Trassen frei würden und durch entfallende Regio-Halte die Streckengeschwindigkeit sowie -kapazität erhöht würden, könnte unter anderem der Fernverkehr die stark Die Stadt-Umland-Korridoruntersuchung sieht die Zusammenlegung der beiden nahen nachgefragte Relation Berlin—Hamburg Halte Albrechtshof und Seegefeld vor. Kann man machen, muss man aber nicht. Falls doch, mit zusätzlichen ICE-Zügen verstärken, und könnte man hier (siehe oben) den neuen S‑Bahnsteig „Albrechtsseegehoffeld“ nebst Brücke der VBB könnte den RE2-Takt nach Witten- errichten, bevor der Regionalzughalt Albrechtshof stadtauswärts entfällt. berge verdoppeln. Mit der Rückführung des Bahnhofes Nau- en in den Tarifbereich C (wie alle S‑Bahnhö- fe im Berliner Umland) könnte das ganze Konzept abgerundet werden. Eine Variante, bei der alle Fahrgäste nah und fern gewin- nen. Das klappt aber nur, wenn jetzt alle an einem Strang ziehen und bereit sind, auch unpopuläre Entscheidungen (z. B. Abriss) zu treffen. Und auch das ist dann erst der Anfang, denn es müssen Planfeststellungs- verfahren folgen und die für den Bau und den Betrieb erforderlichen Gelder bereit- gestellt werden. Vielleicht heißt es dann aus: wirklich einmal: „Zur S 3 nach Nauen ein- verkehrspolitische Zeitschrift SIGNAL 5-6/2018 steigen bitte!“ (6. Januar 2018) „Alle an einem Strang ziehen“ – das ist Berliner Fahrgastverband IGEB natürlich auch dann erforderlich, wenn die www.igeb.org • [email protected] umfangreichen Variantenuntersuchungen Tel. (030) 78 70 55 11 Berliner Fahrgastverband wider Erwarten zu ganz anderen Ergeb- nissen kommen sollten. Denn nichts wäre Da die Falkenseer Chaussee eine stark belastete Straße ist, sollte der S‑Bahn-Halt auf der schlimmer für die Fahrgäste im Havelland, Südseite (rechts im Bild) errichtet werden, um eine Querung zu vermeiden. Das spart auch wenn am Ende wieder gar nichts passiert. Zeit, einen enormen Bauaufwand und Geld. Fotos: BfVst

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