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Über die Zukunft des größten Kulturdenk- mals Baden-Württembergs Die Bundeswasserstraße und ihre wasserbautechnischen Anlagen am Beispiel des Oberen Stauwehrs in -Horkheim

Der „wilde Gesell“, wie der Neckar einst bezeichnet wurde, dient seit Jahrhun- derten als wichtige Verkehrsader vorwiegend für den Transport von Gütern, angefangen von der Beschiffung in keltischer Zeit über die Flößerei im Mittel- alter, den Treidelkähnen der Neuzeit bis hin zur heutigen Großschifffahrt. Mit dem Ausbau des Neckars zur Großschifffahrtsstraße ab 1919 entstanden im Laufe der Jahrzehnte auch zahlreiche wasserbautechnische Meisterleistungen, um den Fluss zu zähmen. Unter den Vorständen der damaligen Neckar AG Otto Hirsch und Otto Konz war Paul Bonatz als federführender Architekt tätig. Seine Stauwehre und Schleusenanlagen prägen bis heute in entscheidendem Maß das Bild des Neckarkanals von Plochingen bis Mannheim und stellen technik-geschichtliche Kulturdenkmale dar. Beim nun geplanten Umbau des Schifffahrtskanals zwischen und Mannheim werden viele dieser Zeug- nisse der Technikgeschichte Bestandseingriffe erfahren oder sogar verloren gehen. Rolf-Dieter Blumer/Markus Numberger/Angelika Reiff

Zur effizienteren Nutzung der Bundeswasser- nicht im Interesse der Denkmalpflege sein kön- straße Neckar plant das 2007 als Teil der Wasser- nen, liegt auf der Hand. und Schifffahrtsverwaltung des Bundes gegrün- Ein erstes, von diesen Neubaumaßnahmen be- dete Amt für Neckarausbau den Aus- troffenes Stauwehr soll hier in einer Art Werkbe- bau des Neckars für 135 m lange Lastschiffe. Zur- richt vorgestellt werden und zur öffentlichen Dis- zeit ermöglichen die Schleusen die Befahrbarkeit kussion über die weitere Zukunft des Kulturdenk- für Schiffe von maximal 105 m Länge. Daher mals Neckarkanal anregen. müssen ab 2012 die Schleusenanlagen erneuert bzw. verlängert werden, in ihrer Breite bleiben sie Kulturdenkmal Neckarkanal erhalten. Darüber hinaus stehen bei einer Vielzahl der Stauwehre allgemeine Instandsetzungsmaß- Die Ingenieurbauten des Neckarkanals dokumen- nahmen an, die zu weiterem, teilweise erhebli- tieren eindrucksvoll die Synthese zwischen tech- chem Verlust der historischen, denkmalgeschütz- nischer Funktion und architektonisch gelungener, ten Substanz führen werden oder schon geführt zum Teil landschaftsbezogener Gestaltung, die haben. Das Wasser- und Schifffahrtsamt sieht auf die fruchtbare und vertrauensvolle Zusam- hier in den nächsten Jahren erheblichen Erneue- menarbeit zwischen dem Wasserbauingenieur rungsbedarf, da viele der Wasserbauanlagen ent- Otto Konz und Paul Bonatz zurückzuführen ist. In lang des Neckarkanals bereits deutlich über 60 seiner Biografie formuliert Paul Bonatz die Ziel- Jahre alt sind und somit ihre angestrebte Nut- setzung der gemeinsamen Planung: „Das verlo- zungsdauer von 70 Jahren fast erreicht bzw. in ei- ckende Problem war hier, dem Notwendigen sei- nigen Fällen auch schon überschritten haben. nen klaren Ausdruck zu geben, das technisch Be- Hier besteht nun der Wunsch nach weitestge- dingte in voller Reinheit darzustellen, also ohne hendem Neubau der vorhandenen Anlagen mit Beiwerk – dabei durch die Form die Funktion zu automatisierter fernsteuerbarer Wehrregulie- unterstreichen, sie damit auch dem Laien be- rung. Dass diese Maßnahmen mit Veränderun- greifbar zu machen, sie sinnfällig zu machen. Alle gen dieser Bauwerke einhergehen und zumeist Einzelheiten wurden im Charakteristischen unter-

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1 Lagesituation des Neckarkanals bei Heil- bronn-Horkheim. Zu er- kennen ist der westlich verlaufende Altarm des Neckars und der östliche, 1920–26 erbaute Neckar- kanal mit der nördlich von Horkheim liegenden Schleusenanlage.

Otto Konz (1875–1965) Studierte an der TH Stutt- gart Straßen-, Brücken- und Wasserbau. Von 1901 bis 1905 war er an der könig- strichen: die Schwere der Wehrpfeiler, die Leich- wärterhäusern und zwei Schleusenkammern. Das lich württembergischen tigkeit der aufgesetzten Hohlräume für die Ma- Obere Stauwehr liegt am Anfang des Neckaralt- Straßen- und Wasserbau - schinen, die Lichtbänder, kurz jedes technische arms. Es wird von Norden kommend über einen abteilung tätig. Ab 1905 Erfordernis bei Wehr, Schleuse und Kraftwerk.“ Verbindungssteg erschlossen. Die einzelnen Wehr- wurde er Leiter des Bauam- Das Kulturdenkmal Neckarkanal umfasst als Sach- pfeiler bzw. Windwerkshäuser sind auf südöstli- tes für die Neckarkanalisie- rung. Nach der Ernennung gesamtheit 27 Staustufen mit Schleusen sowie cher Seite durch einen Wehrsteg miteinander ver- zum Oberbaurat 1920 war dazugehörigen Wehren und Dämmen. Die Bau- bunden. er bis 1938 als Reichsstrom- zeit, die durch den Zweiten Weltkrieg unter - Mit dem Bau der Schleusenanlage wurde im Rah- baudirektor und Vorstand brochen wurde, zog sich über 47 Jahre hin. Der men eines Konjunkturprogramms 1926 begon- der Neckarbaudirektion Ausbau wurde 1935 zwischen Mannheim und nen. Dadurch sollte auf der Baustelle für möglichst Stuttgart tätig. Auf Drän- gen der NS-Regierung Heilbronn fertiggestellt, 1958 wurde die Schiff- viele Erwerbslose eine Arbeitsstelle geschaffen musste er 1936 von seinem fahrtsstraße bis Stuttgart, 1968 bis Plochingen werden. Die Wehranlage wurde in den Jahren Amt zurücktreten. Nach dem Verkehr übergeben. Die ursprüngliche Pla- 1927 bis 1929 unter dem bedeutenden Stuttgar- 1945 wurde er erneut mit nung, die Wasserstraße über an die Donau ter Architekten Paul Bonatz errichtet. Sie besteht dem Neckarausbau beauf- anzuschließen, die mit einem riesigen Schiffshe- aus vier Wehrpfeilern mit aufsitzenden Wind- tragt. bewerk in Geislingen ihren Höhepunkt erhalten werkshäusern. Zwischen diesen Wehrpfeilern be- Paul Bonatz (1877–1956) sollte, kam nicht zur Ausführung. finden sich drei Wehrfelder mit je einer lichten Architekturstudium in Berlin Weite von 25 m. Im Zuge des zweiten Ausbaus und München. 1902 kam Das Obere Stauwehr in Heilbronn- der Schifffahrtsstraße Neckar wurde 1942 der er als Assistent Theodor Horkheim Wasserspiegel in der Stauhaltung Horkheim um Fischers an die TH Stuttgart, wo er 1908 als Professor 1,90 m auf Vollstau angehoben. Dazu musste die dessen Nachfolge antrat. Als ein Teil der unter Denkmalschutz stehenden Höhe der beweglichen Wehrverschlüsse um die- 1911 gewinnt Bonatz mit Sachgesamtheit Neckarkanal, die von drei Denk- ses Maß vergrößert werden, sodass heute in allen seinem Partner F.E. Scholer malämtern (Hessisches Landesamt für Denkmal- drei Wehrfeldern Verschlüsse mit einer Gesamt- den Wettbewerb für den pflege, Referat Denkmalpflege im Regierungsprä- höhe von 7,60 m bestehen. Bei den Wehrverschlüs- Hauptbahnhof Stuttgart. Auch die Universitätsbiblio- sidium Karlsruhe und Landesamt für Denkmal- sen (so genannte Rollschütze) handelt es sich um thek in Tübingen oder die pflege im Regierungspräsidium Stuttgart) betreut genietete Stahl-Fachwerkkonstruktionen mit auf- Sektkellerei Henckell gehen wird, soll das Obere Stauwehr in Heilbronn-Hork- gesetzten Klappen. Die Wehrverschlüsse werden auf seine Entwürfe zurück. heim hier exemplarisch dargestellt werden. über zweistufige offene Stirnradgetriebe bewegt, Zwischen den Weltkriegen Das Obere Stauwehr liegt ca. 2 km südwestlich die noch aus den Jahren 1927 bis 1929 stammen. Ausbau des Neckarkanals, an dem Bonatz federfüh- von Heilbronn-Horkheim. Bei Neckarkilometer Als ausführende Firma erscheint die M.A.N. AG rend für die Entwürfe der 120,10 zweigt vom alten Neckarbett am Stau- mit ihrem Werk im hessischen Ginsheim-Gustavs- Gebäude verantwortlich wärterhaus ein ca. 3 km langer Seitenkanal in burg. Dies macht auch die verwendeten Stahl- war. Vor den Nachstellun- nordöstliche Richtung ab. Am oberen Ende dieses bauteile mit der Marke „G.H.H.“ verständlich, da gen der NS-Machthaber rettet er sich 1943 in die Seitenkanals befindet sich ein Hochwassersperr- die „Gutehoffnungshütte Actienverein für Berg- Türkei. Seit 1954 lebte er tor, am unteren Ende die Schleusenanlage Hork- bau und Hüttenbetrieb“ (GHH) 1921 die Mehr- wieder in Stuttgart. heim mit Kraftwerk, Bootsschleuse, Schleusen- heit an der damaligen M.A.N. AG übernahm. Im

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2 Das fertiggestellte Obere Stauwehr Hork- heim mit Hochwasserver- schluss und den Stegen am 14. Oktober 1929. Dazu gehört auch das 1926 errichtete Wehrwär- terhaus mit zwei Woh- nungen. Sichtbar ist auch die ökologisch sehr wert- volle Pappelbepflanzung der früheren Ausbau- phase.

Spätsommer 1929 waren die Arbeiten am Ne- in einem außerordentlich guten Zustand. Ledig- ckarkanal bei Horkheim weitestgehend abge- lich die Lager müssten instand gesetzt bzw. gang- schlossen. Die Staustufe Horkheim sollte in erster bar gemacht werden. Abgesehen von einer Er- Linie der Gewinnung von elektrischer Energie die- neuerung des Korrosionsschutzes (Neubeschich- nen. Zu berücksichtigen war hierbei, dass die be- tung) sind Instandsetzungsarbeiten an weniger reits bestehende Anlage in Lauffen in ihren Be- als 5 Prozent der Gesamtkonstruktion nötig. langen nicht beeinträchtigt werden durfte. Dringlicher Handlungsbedarf besteht aus materi- In den 1970er- und 1980er-Jahren wurden die altechnischer Sicht nicht.“ Und für die Wehrver- drei Wehrverschlüsse mit teer- und asbesthalti- schlüsse selbst: „[...] Die größten Schäden auf- gen Korrosionsschutzmitteln beschichtet, denen grund von Korrosion finden sich an den Torsions- einerseits die geringen Korrosionsschäden am rohren der Aufsatzklappen sowie im mittleren heutigen Bauwerk zu verdanken sind, die aber Wehrverschluss. Wie bereits eine Ultraschallmes- andererseits bei einer notwendigen Sanierung sung der Torsionsrohrwandstärke (im rechten und daraus folgenden Entfernung aus gesund- Wehrfeld) 1998 und auch die aktuelle Untersu- 3 Eines der insgesamt sechs Windwerke, die heitlichen und arbeitsschutzrechtlichen Gründen chung zeigten, scheint ein Austausch dieser Tor- in ihrem weitestgehend große Probleme bereiten. sionsrohre in den nächsten Jahren nötig. Da auch vorhandenen Original- die Aufsatzklappen (speziell die mittige Fisch- zustand noch heute für Schadensuntersuchung bauchklappe) deutliche Korrosionsschäden auf- das Heben und Senken weisen, sollte ein Komplettaustausch der Auf- der Wehrverschlüsse Aufgrund der nun durch das Amt für Neckaraus- satzklappen samt Torsionsrohr angedacht wer- zuständig sind. bau Heidelberg beantragten Instandsetzung un- ter weitestgehender Erneuerung der Wehranlage in Horkheim haben das Referat Denkmalpflege sowie der Fachbereich Metallrestaurierung im Landesamt für Denkmalpflege des Regierungs- präsidiums Stuttgart eine unabhängige Begut- achtung für eine denkmalgerechte Sanierung des Stauwehres erstellen lassen. Die Ergebnisse erbrachten dabei für die bauzeitliche Antriebstechnik von 1929: „Die Antriebstechnik ist noch heute voll funktionsfähig und weist keine gra- vierenden Schäden auf. [...] Handlungsbedarf be- steht aus materialtechnischer Sicht nicht!“ Für den Wehr- und Verbindungssteg lautet die Einschätzung: „Der Wehr- sowie der Verbindungs- steg stammen noch, abgesehen von den Gitter- rosten, aus der Erbauungszeit 1927–29. Sie sind

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den. Der mittlere Wehrverschluss, welcher als tung eines wichtigen Denkmals nachgewiesen einziger über eine bewegliche Fischbauchklappe werden. Da die Bundeswasserstraße Neckar und verfügt und heute primär zur Regulierung des damit auch die dazugehörigen Wasserbauanla- Wasserstandes genutzt wird, zeigt aufgrund des gen im Besitz des Bundes sind und daher im erhöhten Wassereintritts die erheblichsten Korrosi- denkmalschutzrechtlichen Genehmigungsverfah- onsschäden. Speziell die Knotenpunkte direkt hin- ren Baden-Württembergs kein Einvernehmen ter der Stauwand sowie die an der unterwassersei- zwischen Bauherr und Denkmalpflege hergestellt tigen Blechwand (von 1958) zeigen Auf rostungen werden muss, ist – trotz aller Bemühungen – der mit geringem Materialabtrag sowie vereinzelte, je- teilweise Verlust dieses Kulturdenkmals nicht auf- doch weitestgehend geringfügige Schädigungen zuhalten. Die Wasser- und Schifffahrtsverwaltung der Nietköpfe. Anhand der nun begutachteten hält am Austausch und Ersatz der Antriebe und Wehrverschlüsse kann an den Wehrverschlüssen Schütze insbesondere mit Hinweis auf betriebs- (ohne Aufsatzklappen) von einem Schadensbild technische Gründe sowie auf Aspekte der Ar- von unter 10 Prozent der Gesamtkonstruktion aus- beitssicherheit fest. Bedauerlicherweise ist der gegangen werden. Ein wesentliches Problem stellt Einbau der neuen Technik mit einer Erhöhung der jedoch die teer- und asbesthaltige Beschichtung von Paul Bonatz konzipierten Windwerkshäuser dar, weshalb eine vollständige Entfernung der Alt- verbunden, die zu einer erheblichen Veränderung beschichtungen angestrebt werden sollte.“ des charakteristischen Erscheinungsbildes führen Eine erste statische Einschätzung der TU Mün- wird. chen, Lehrstuhl für Bauwerksplanung, Prof. Bar- Wenn auch die erheblichen baulichen Verände- thel, erbrachte, dass eine Sanierung durchaus rungen durch die Denkmalpflege nicht aufgehal- denkbar wäre. ten werden konnten, so wurde durch die Ein- flussnahme der Denkmalpflege ein Konzept erar- Denkmalpflegerisches Konzept und beitet, das zumindest den Verbindungssteg, die beabsichtigte Maßnahmen Feldbrücke und den Hochwasserverschluss am Neckarkanaleinlauf weitgehend unverändert er- Zielsetzung der Denkmalpflege ist der weitestge- hält. Die Wehrpfeiler werden zwar eine Verände- hende Erhalt sowohl der historischen Bausubstanz, rung erfahren, jedoch konnten hier gewisse Ab- der technischen Einrichtungen wie auch des milderungen an der ursprünglich vorliegenden historisch überlieferten Erscheinungsbildes. Dem- Planung erzielt werden. gegenüber muss selbstverständlich auch den sicherheitstechnischen und arbeitsschutzrechtli- Rückblick und Ausblick chen Gegebenheiten an diesem wichtigen und ständig funktionsbereiten Wasserbauwerk Rech- Die Initiative „Unser Neckar“, die vom Land Baden- nung getragen werden. Württemberg ins Leben gerufen wurde, soll den Eine erste Kostenschätzung für die denkmalge- Fluss für die Menschen erlebbar machen und den rechte Sanierung des Oberen Stauwehrs in Hork- Einklang von wirtschaftlicher Nutzung und ökolo- 4 Aufsicht auf einen der drei Wehrverschlüsse mit heim belegt, dass eine wirtschaftliche Instandset- gischen Belangen herstellen. Mit der am Tag des Trapezblechabdeckung zung unter denkmalpflegerischen Gesichtspunkten offenen Denkmals durchgeführten Informations- und Torsionsrohr, auf durchaus möglich wäre. Somit konnte aufgrund veranstaltung des Landesamtes für Denkmalpflege welchem die Aufsatz- des Einsatzes der staatlichen Denkmalpflege eine sollte verdeutlicht werden, dass diese lebendige klappe befestigt ist. sowohl technische als auch wirtschaftliche Erhal- Vermittlung des Neckars nicht nur auf ökologi- schen, sondern auch auf architektur- und technik- geschichtlichen Aspekten beruht. Der Erlebnis- raum Neckar ist eine von Menschenhand über Jahrhunderte geschaffene Wasserstraße von kul- turgeschichtlich hoher Bedeutung. Es bleibt der Wunsch, dass bei zukünftigen Sanierungsmaßnah- men an historischen Neckarbauwerken deren typi- sche Charakteristika und Technik vollständiger be- wahrt und der Nachwelt überliefert werden kann.

Quellen

Staatsarchiv Ludwigsburg, K 423: Unterlagen über den Bau und die Unterhaltung einzelner Staustufen und Schleusen auf dem Neckar, darunter Schilderung des Bauablaufs zu Stauwehr und Schleuse Horkheim.

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Voruntersuchungen und Schadenserfassung: Markus Höhe der Dämme des Oberlaufes und durch land- 5 Blick in die untere Numberger, Büro für Bauforschung und Denkmal- schaftliche Gegebenheiten. Ebene eines Wehrver- schutz, unveröffentlichtes Manuskript, Regierungs- schlusses im August Wehrpfeiler präsidium Stuttgart, Referat 86 –Denkmalpflege. 2008. Die drei Wehrver- Die tragenden Pfeiler bzw. Türme, die in der Regel in schlüsse sind als Stahlkäs- Stahlbeton errichtet wurden, werden als Wehrpfeiler ten mit genieteter Fach- Literatur bezeichnet. Diese massiven Pfeiler müssen sowohl den werk-Innenkonstruktion direkten Wasseranprallkräften des Flußes standhalten gefertigt. Paul Bonatz: Leben und Bauen, Stuttgart 1950, S. als auch die Kräfte, die auf die Wehrverschlüsse wirken, 126–131. aufnehmen. Auf den Wehrpfeilern sind die Bedienungs- 6 Nördliche Ansicht des bzw. Steuereinrichtungen der Wehranlage in Form von Oberen Stauwehrs im Glossar Windwerkshäusern untergebracht. September 2008 vom Verbindungssteg aus. Wehrverschluss (Rollschütz) Fischbauchklappe Wehrverschlüsse haben die Aufgabe den Wasserstand Fischbauchklappen sitzen als bewegliche Segmente auf zu regulieren. In Horkheim handelt es sich um Kasten- den Torsionsrohren der Wehrverschlüsse auf. Im Ver- wehre aus stählernen Fachwerkkonstruktionen, die gleich zu einfachen Klappen besitzen Fischbauchklap- starr auf den Flußgrund abgesenkt werden können. pen aufgrund ihrer gewölbten Form eine erhöhte Torsi- Diese Kästen bzw. senkrecht bewegbare Stauwände onssteifigkeit. Durch Abkippen der Klappen lässt sich werden allgemein als Schütz bezeichnet. Die mit Hilfe verhältnismäßig schnell ein sehr genauer Oberwasser- von Lauf- und Führungsrollen in Nischen der Wehrpfei- spiegel gewährleisten. ler laufenden Schütze werden als Rollschütze bezeich- net. Stirnradgetriebe Als Stirnradgetriebe bezeichnet man Getriebeformen, Windwerkshäuser die durch Zahnräder auf parallel zueinander laufenden Die stählernen Stautore zwischen den massiven Wehr- Achsen kraftschlüssig verzahnt sind. Die einfachste Bau- pfeilern werden über große Zahnradgetriebe, die so ge- form ist das einstufige Stirnradgetriebe, das lediglich nannten Windwerke, emporgehoben (emporwinden). aus zwei Wellen mit je einem Zahnrad besteht. Durch Diese Windwerke sitzen jeweils auf den Wehrpfeilern in Hinzufügen weiterer Zahnräder und Zwischenwellen geschlossenen Räumen. Diese Aufbauten werden als entstehen mehrstufige Getriebe, die erhebliche Über- Windwerkshäuser bezeichnet. setzungen haben und so bei geringem Energieeinsatz hohe Lasten bewegen können.

Torsionsrohr Rolf-Dieter Blumer Torsion bezeichnet gemeinhin eine Drehung. Als Torsi- onsrohre werden somit drehbare Rohre bezeichnet, die Regierungspräsidium Stuttgart quasi in Funktion eines Scharniers zwischen den Wehr- Landesamt für Denkmalpflege verschlüssen und den Aufsatz- bzw. Fischbauchklappen liegen. Durch Drehen dieser Rohre lassen sich die Klap- Dipl. Ing. Markus Numberger pen absenken, um so den Wasserspiegel zu regulieren. Büro für Bauforschung und Denkmalschutz Rosmarinweg 28 Vollstau 73733 Esslingen am Neckar Als Vollstau wird die höchstmögliche Aufstauung eines www.bbd-numberger.de Kanals oder Flusses bezeichnet. Das Stauziel ist der vor- geschriebene Wasserstand im Oberwasser, der entspre- chend des Regelbetriebs sowie mit Rücksicht auf die am Dipl. Ing. Angelika Reiff Oberlauf des Gewässers liegenden Wassernutzer ange- Regierungspräsidium Stuttgart strebt wird. Diese Vollstauhöhe wird begrenzt durch die Landesamt für Denkmalpflege

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