Offizielles Organ für die Schiedsrichter im Deutschen Fußball-Bund 6/2011 November/Dezember

Vor dem Firmensitz: Winfried Baaser mit seinem schon legendären Schiedsrichter-Set.

Titelthema Momentaufnahme Zeitreise Lehrbrief Weltmeister im Warum Matthias DDR: Gerhard Die Persönlichen Ausrüsten: Wer Anklam plötzlich Schulz war ihr Strafen: Wie sie ist eigentlich Trost von den erster FIFA- Neulinge am Herr „Allzweck“? Spielern bekam Schiedsrichter besten umsetzen Titelthema Der Erfolg steckt im Als Winfried Baaser 1965 Schiedsrichter wurde, besorgte er sich sein Trikot, ein schlichtes schwarzes Wühltisch bei C&A. Offizielle Ausrüster gab es damals nicht. Heute ist der 69-Jährige mit seiner Firma artikel“ selbst der größte Ausstatter für Unparteiische. SRZ-Mitarbeiter David Bittner hat den Erfinder und vieler anderer Fußball-Utensilien – in seinem Firmensitz in Trechtingshausen am Rhein besucht.

enn Winfried Baaser ausholt, Wum die Geschichte von der Erfindung des Schiedsrichter-Sets zu erzählen, merkt man es sofort: Diese Story musste er schon öfter erzählen. Deshalb weiß er auch heute noch jedes Detail von jenem Pokalspiel im Rheinland Anfang der 70er-Jahre zwischen Ander- nach und Neuwied. Kurz gesagt: Er hatte zu Hause seine Pfeif- Utensilien vergessen und musste sich vor Ort alles zusammenbor- gen. „Diese Probleme im Vorfeld der Partie nahm ich damals mit ins Spiel, und meine Leistung war dementsprechend schlecht“, erzählt Winfried Baaser.

Und trotzdem war es ein guter Tag – im Nachhinein gesehen. Denn er hat das berufliche Leben des Unparteiischen völlig verändert. Zu Hause angekommen, entwickelte er die Idee für das Schiedsrichter- Winfried Baaser und Verkaufsleiter Andreas Klee arbeiten ständig an der Optimierung ihrer Pro- Set. „Es sollte eine Mappe sein, dukte und Vertriebswege. die alles beinhaltet, was ein Schiedsrichter zur Spielleitung Großhandlung, hatte aber schon Schiedsrichter-Set war dazu die machen, nutzte Baaser schon vor braucht.“ Baaser war damals immer den Wunsch, sich selbst- richtige Idee! 38 Jahren das gleiche Medium wie Geschäftsführer einer Sanitär- ständig zu machen. Und das heute: Er legte ein Werbeblatt der Die Erfahrung, dass eine eigene DFB-Schiedsrichter-Zeitung bei. Firma so manche schlaflose Nacht bringen kann, machte der Ein Volltreffer, denn die Leser Geschäftsmann gleich zu Beginn: waren ja alle potenzielle Kunden „Damit sich die Produktion lohnte, und schienen nur auf dieses Ange- mussten wir eine entsprechend bot gewartet zu haben: 30.000 große Stückzahl produzieren las- Exemplare des Schiedsrichter-Sets sen. Das kostete mehrere hundert- verkaufte er gleich im ersten Jahr. tausend Mark und war ein großes „Bald darauf boten wir Gelbe und Risiko – wir wussten ja nicht, ob Rote Karten auch einzeln an und uns jemand das Ding abkaufen hatten schnell einen riesigen würde.“ Die flachen schwarzen Umsatz bei Spielnotizkarten und Etuis ließ Baaser damals im pfälzi- Pfeifen, sogar bei Kugelschrei- schen Ort Kirn nähen, dort war die bern“, schildert der Inhaber den entsprechende Industrie quasi vor Aufschwung seiner Firma. Baasers der Haustür angesiedelt. Und um Erfolgsrezept damals: Er dachte Historisch: Mit dem grünen Kragen kam erstmals Farbe in die sein neues Produkt bei den poten- die Dinge durch bis ins letzte Trikots der Firma „Allzweck“. ziellen Kunden bekannt zu Detail, schließlich kannte er als

4 SCHIEDSRICHTER-ZEITUNG 6/2011 und seiner Firma schließlich sogar zum Durchbruch über Deutsch- lands Grenzen hinaus. Man schrieb Nachgefragt das Jahr 1978, die Fußball-Welt- Detail meisterschaft in Argentinien sollte Was bedeutet eigentlich b+d? in einigen Monaten beginnen, als der Firmenchef direkt bei der FIFA Auf dem aktuellen Katalog ist außer dem Firmennamen Oberhemd, noch vom anrief mit der Bitte, „etwas Neues“ „Allzweck Sportartikel“ das Logo „b+d“ abgedruckt. Das „b+d-Allzweck- Sport- vorstellen zu dürfen. findet sich auch auf Gelben und Roten Karten, Assistenten- Fahnen und Trikots wieder. Was es damit auf sich hat, des Schiedsrichter-Sets – „Die FIFA-Leute dachten zunächst, erklärt Winfried Baaser: „Gemeinsam mit einem Geschäfts- ich wollte ihnen neue Schienbein- partner gründete ich damals die Firma schützer präsentieren – die waren ,b+d’. Über sie wurde die Belieferung damals im Trend“, erzählt Baaser, des Sportfachhandels abgewickelt. Das ehemaliger Oberliga-Referee und der aber seine Fahnen an den ,b’ stand für meinen Nachnamen, das ‚d’ Bundesliga-Linienrichter die klei- Mann bringen wollte. Immerhin: für den Namen meines Partners. Paral- nen Probleme der Schiedsrichter. Der redegewandte Rheinländer lel dazu gab es unter dem gleichen Dach „So entwickelten wir zum Beispiel wurde zum FIFA-Sitz in die Schweiz die Firma ,Allzweck Sportartikel’, die die Disziplinarkarten mit den eingeladen. „Am Tag meines direkt an den Endverbraucher verkauf- abgerundeten Ecken, damit sie Besuchs dort hatte zufälligerweise te.“ Erst vor zwei Jahren wurden beide sich nicht beim Herausziehen in und zu meinem Glück die Regel- Firmen zusammengeführt. Weil die der Hemd- oder Hosentasche ver- kommission eine Sitzung. Als ich Marke „b+d“ aber inzwischen so bekannt ist und das Logo haken und stecken bleiben.“ Wem denen meine Produkte vorstellte, einen sehr hohen Wiedererkennungswert hat, wurde es das einst mitten im Spiel passiert merkte ich an der Reaktion der beibehalten. ist, der schwor fortan auf Baasers Herren, dass ich ihr Interesse runde Ecken. geweckt hatte“, erinnert sich Baaser. So erhielt er 14 Tage vor auch wir kämpfen, um am Markt einmal 200 Stück pro Jahr ver- Die Idee für die neonfarbenen Beginn der Weltmeisterschaft bestehen zu können.“ schickten Baaser und sein Team. Assistenten-Fahnen kam dem Tüft- einen Anruf, er solle umgehend „Erst seit der WM 1994 – als adidas ler, als er sich ein DFB-Pokalspiel 200 Assistenten-Fahnen zum Flug- Dass das Familienunternehmen ein farbiges Hemd auf den Markt der Sportfreunde Eisbachtal hafen Frankfurt bringen. Dort sich gehalten hat, ist insbesondere brachte – wurden auch nicht- anschaute: „Die Fahnen wurden würde sich Ferdinand Biwersi, als der ständigen Innovationsfreude schwarze Trikots akzeptiert.“ damals noch von den Heimverei- Unparteiischer für die WM nomi- seines Chefs zu verdanken: „Wir Danach waren es dann statt 200 nen gestellt, und das waren zum niert, bei seinem Flug nach Argen- waren Anfang der 80er-Jahre zum plötzlich 16.000 farbige Trikots, Teil zerrissene und verdreckte Din- tinien auf Bitten der FIFA um die Beispiel die Ersten, die die schwar- die er in einem Jahr verkaufte. ger.“ Diese von ihm entwickelten Fahnen aus Deutschland küm- zen Hemden mit einem farbigen Neon-Fahnen verhalfen Baaser mern. Baaser: „Von heute aus Kragen verziert haben. Diese Tri- Ein Blick ins Lager auf der ersten betrachtet, waren diese Wochen kots lagen jedoch zunächst wie Etage des Firmengebäudes in der das Sprungbrett für alles, was Blei in den Regalen.“ Gerade Straße „Am Morgenbach“ zeigt die danach kam.“

So musste schon bald die ganze Familie in der Firma anpacken, damit der Laden lief: „Meine Frau schrieb bis nachts um 3 Uhr im Wohnzimmer Rechnungen, natür- lich nicht mit dem Computer, son- dern auf der Schreibmaschine. Auch meine Schwester und meine Schwägerin halfen mit. Weitere Mitarbeiter kamen ebenfalls aus dem persönlichen Umfeld“, erzählt Winfried Baaser. Heute beschäftigt er 30 Angestellte in seinem Betrieb. Damit ist er im 1.000-Men- schen-Ort Trechtingshausen ein wichtiger Arbeitgeber. „Die Wirt- schaftskrise hat sich auch bei uns 1988 als Sponsor bei der Ehrung der „Welt-Schiedsrichter des Dagmar Baaser, die Frau des bemerkbar gemacht. Den Vereinen Jahres“ im RTL-„Anpfiff“-Studio. Hinten von links: Winfried Firmenchefs, schaut Janine fehlten in den vergangenen Jah- Baaser, Wahl-Veranstalter Alfredo Pöge, Baaser-Mitarbeiter Aliu in der Auftragsannahme ren Sponsoren und somit Geld, sie Michael Cetto. Vorn: Welt-Schiedsrichter über die Schulter. mussten sparen. Daher müssen (Mitte), (Platz 2, links) und Alexis Ponnet (Platz 3).

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cirka 1,5 Millionen Spielnotizkarten – quasi für fast jedes Fußballspiel, Neuer Trend das in Deutschland stattfindet.“

Genauso wie die Sportartikel vom Computer am Handgelenk Rhein inzwischen in die ganze Welt verschickt werden, sind auch Wenn es nach Winfried Baaser geht, dann hat die gute alte die Zulieferfirmen auf unter- Spielnotizkarte bald ausgedient. Ein Mini-Computer soll schiedliche Kontinente verteilt: Karton und Bleistift ersetzen. Das Gerät im Handyformat „Etwa die Hälfte der Artikel wer- lässt sich am Handgelenk festschnallen. Mit wenigen den im Ausland produziert: Die Tastendrucken lassen sich alle Spielereignisse – Tore und Pfeifen kommen zum Beispiel aus Persönliche Strafen – abspeichern. Besonders praktisch: Kanada und Spanien, die Funkfah- Bereits vor dem Anpfiff kann der Schiedsrichter über eine nen-Systeme aus der Schweiz, Schnittstelle mit dem DFBnet die Aufstellungen beider Uhren aus Japan. Bei den Textilien Mannschaften auf das Gerät laden. Über die gleiche ist es so, dass die Stoffe aus Schnittstelle können die Spielereignisse anschließend ins Deutschland kommen und in Polen DFBnet zurück übertragen werden. Das erspart lästige zusammengenäht werden“, Arbeit zu Hause am PC, hat aber auch seinen Preis: Das berichtet Baaser, dessen Unter- „Spintso PDA“ kostet derzeit 449 Euro. Es wird bereits im nehmen zum „Global Player“ schwedischen Profifußball eingesetzt. geworden ist. Die Quittungs-Blocks Noch immer ein Renner: für die Schiedsrichter-Spesen gibt René Tomszak packt Spiel- es längst auch in englischer, notizkarten ein. französischer und schwedischer Sprache. Vielfalt der Angebotspalette, die sogar bis zu gelben und roten Schon recht früh in der Firmenge- Duschtüchern reicht. „Von denen schichte stand der Name „Allzweck“ verschicken wir pro Jahr mehr als aber nicht nur für Schiedsrichter- 2.000 Stück“, berichtet Andreas Zubehör, sondern für alles, was Klee. Der Verkaufsleiter im Hause „irgendwie mit den Fußballregeln „Allzweck“ ist übrigens auch der zu tun“ hat. Bei der WM in Spanien Schwiegersohn von Winfried Baa- kamen 1982 erstmals neongelbe ser, von wegen Familienbetrieb Eckfahnen aus Trechtingshausen und so. Er verrät noch weitere zum Einsatz, auch die Auswechsel- Zahlen aus dem Geschäftsbericht: tafel mit den grünen und roten Die Zukunft? Computer statt Spielnotizkarte und Stift. „Neben 250.000 Gelben und Roten Spielernummern wurde hier ent- Karten verkaufen wir jede Saison wickelt. Zur Europameisterschaft Schon eher für den Schiedsrichter an der Basis gedacht ist im Jahr 1988 in Deutschland lie- die neuentwickelte Armbanduhr aus dem Hause „Allzweck“: ferte Baaser auch erstmals die Sie läuft von „1 bis 90 Minuten“, außerdem kann der Tore. Schiedsrichter verloren gegangene Zeit während der bei- den Halbzeiten extra mitstoppen und so die fällige Nach- Auf dem aktuellen Katalog wirbt spielzeit besser festlegen. das Unternehmen damit, seit 1978 Lieferant aller Fußball-Welt- und Europameisterschaften zu sein – den Gastgeberländer. Verkaufslei- Winfried Baaser wird sich den Rei- auch beim Turnier im kommenden ter Klee stattete den Spielorten sestress selbst nicht mehr antun, Jahr in Polen und der Ukraine. einen Besuch ab, um sich über die sondern die Spiele zu Hause vor Dabei war der Ausrüstungsauftrag aktuelle Lage vor Ort zu informie- dem Fernseher verfolgen. Und für diese EM von der UEFA erst- ren. „Das wird eine logistische dabei nicht nur auf die Spieler und mals offiziell ausgeschrieben wor- Herausforderung“, weiß Andreas den Ball achten. Schließlich freut den, 15 Firmen hatten sich bewor- Klee schon ein halbes Jahr bevor er sich ganz besonders, wenn ben. „Wir mussten einen ganzen es losgeht. „Als bei der EM 2008 eines seiner Produkte in Großauf- Ordner mit Auflagen erfüllen, das zwei Tage vor dem Eröffnungs- nahme zu sehen ist. Wie zum Bei- ging nicht einfach so per Hand- spiel ein Tor kaputt ging, haben spiel, als der Kameruner Roger schlag“, sagt Winfried Baaser, der wir schnell eins nachgeliefert – Milla bei der WM 1990 in Italien sich dennoch am Ende gegen die das wird im kommenden Sommer seine vier Tore jeweils mit einem internationale Konkurrenz durch- nicht so einfach möglich sein. Das ausführlichen Tänzchen an einer setzen konnte. Autobahnnetz ist in den beiden b+d-Eckfahne feierte. Katalog-Models: Zwei nicht Ländern weniger gut ausgebaut, ganz unbekannte Schieds- In einem Besprechungszimmer und die Spielorte liegen zum Teil Vier Jahre vorher war Argenti- richter 1994 im Baaser-Trikot. hängen große Landkarten der bei- sehr weit voneinander entfernt.“ niens Diego Armando Maradona

6 SCHIEDSRICHTER-ZEITUNG 6/2011 Viel zu tun: Ulla Elsholz, Manuela Sobiech und Daniel Bersch arbeiten im Allzweck-Verkauf. der Hauptakteur einer Szene, die Eckstange so gut zu sehen, da Baaser besonders freute: „Aus ging mir das Herz auf.“ Frust über die Entscheidung eines Schiedsrichter-Assistenten riss er Einer der berühmtesten Fußballer die Eckfahne aus dem Boden“, aller Zeiten als Werbeträger für erinnert er sich. „Die Diskussionen seine Firma – das hatte sich Win- auf dem Platz dauerten eine Ewig- fried Baaser auch in seinen kühns- keit und wurden in voller Länge ten Träumen nicht ausgemalt, als vom Fernsehen übertragen. Unser er vor rund 40 Jahren sein Firmenzeichen war auf der Schiedsrichter-Set erfand. ■

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Abo-Bestellung an kuper-druck gmbh, Eduard-Mörike-Straße 36, 52249 Eschweiler, telefonisch unter 02403/9499-0 WM 1986: Über Maradonas Hand ist das Logo von Winfried per Fax unter 02403/949949 Baasers Firma zu erkennen. oder einfach bequem per E-Mail: [email protected]