DER ZAUBER DES GEISTES

oder: Viel L¤rm um Nichts

Bhikkhu »õ±ananda

ÇDER ZAUBER DES GEISTES oder: Viel L¤rm um Nichtsç von »õ±ananda

Englischer Originaltitel: ÇThe Magic of the Mind - An Exposition of the Kõlakõrõma- suttaç, erschienen bei Buddhist Publication Society, . ”bersetzung vom Englischen ins Deutsche: PaËËõdhamma Bhikkhu.

ISBN: #-####-####-#

© Bhikkhu »õ±ananda, Sri Lanka, alle Rechte vorbehalten

Herausgeber: Manfred Wiesberger Herstellung: Books on Demand, 2003

In tiefer Dankbarkeit und Verehrung meinen Edlen Freunden und meinen Eltern gewidmet.

PaËËõdhamma Bhikkhu

Im Gedenken an PaËËõdhamma Bhikkhu

Vielen Dank fÛr dieses wertvolle Geschenk 1

1 Der EhrwÛrdige PaËËõdhamma Bhikkhu hinterlie÷ uns dieses unredigierte Manuskript, das wir bis auf einige notwendige Korrekturen unver¤ndert verÌf- fentlichen.

ÇEtadatthõ kathõ, etadatthõ mantanõ, etadatthõ upanisõ, etadatthaΩ sotõvõdhõnaΩ, yadidaΩ anupõdõ cittassa vimokkho ç ( Vin . V, 164 )

ÇGespr¤ch hat dieses Ziel, Beratung hat dieses Ziel, UnterstÛtzung hat dieses Ziel, ZuhÌren hat dieses Ziel, n¤mlich die haftlose Befreiung des Geistes.ç Inhalt

Einleitung ______1

Liste der AbkÛrzungen ______5

1. Die Zaubershow - Ein Prolog______7

2. Kõlakõrõmasutta______11

3. Zeichen und Bedeutung in der Sinneswahrnehmung __ 15

4. Bedingte Entstehung ______20

5. Das wirbelnde Wechselspiel - Bewu÷tsein versus Name-und-Form ______30

6. ÇSelbstç - Der Standpunkt ______40

7. Der Ûberweltliche Pfad______48

8. Soheit und der So-Seiende ______51

9. Die Essenz von Begriff und Vorstellung ______65

10. Nicht-Manifestiertes Bewu÷tsein______78

11. Friede ist GlÛck in Nibbõna - ein Epilog ______92

”ber den Autor ______102

Einleitung

Kõlakõrõmasutta --- Historischer Hintergrund

Die Kõlakõrõmasutta wurde von Buddha an die MÌnche gepre- digt, als er im Kõlaka Kloster in Sõketa weilte. Abgesehen von der Erw¤hnung des Schauplatzes wird die Rede, wie sie im An- guttara Nikaya 2 aufgezeichnet ist, in keinen besonderen Zusam- menhang gestellt, der uns zeigen wÛrde, wodurch sie inspiriert wurde. Dem Kommentar ( AA ) zufolge wurde sie im Anschlu÷ an die Bekehrung des Million¤rs Kõlaka dargelegt, der das Kloster errichtet haben soll. Demnach war die Rede der Abschlu÷ einer ausgedehnten Lobpreisung der wunderbaren Eigenschaften des Buddha. Wie auch immer, die Rede enth¤lt tats¤chlich einige wunderbare Aspekte der Ûberweltlichen Weisheit des Tathõgata. Da÷ die Wirkung der Rede in der Tat erstaunlich war, wird sym- bolisch ausgedrÛckt durch die Erkl¤rung des Kommentars, da÷ die Erde an fÛnf Stellen der Rede erbebte und da÷ an ihrem Ende fÛnfhundert MÌnche die Arahantschaft erreichten.

Die Sutta gewinnt laut der von den Kommentaren und Chroni- ken 3 Ûberlieferten Tradition einen hohen Grad an historischer Be- deutung. Hier hei÷t es, da÷ sie, zur Zeit der gro÷en missionari- schen Bewegung, die unter der Regierung des Kaisers Asoka stattfand, vom EhrwÛrdigen Mahõrakkhita Thera gepredigt wur-

2 A II,24 (= A 4,24). Leider stimmt die Nummerierung der Sutten in deut- scher ”bersetzung nicht immer mit der in den englischen Ausgaben Ûberein. Wir geben deshalb die entsprechenden Nummern der g¤ngigsten deutschen ”bersetzung in Klammern an. 3 Siehe DPP I, 573

1 de, um das Land der Yonaka zu bekehren. Wenn die Identi- fikation der Yonaka mit den Griechen korrekt ist, kann die Wahl dieser tief philosophischen Rede fÛr einen solchen bedeutenden Anla÷ kein blo÷er Zufall gewesen sein. Sie kÌnnte durch die ”- berlegung veranla÷t worden sein, da÷ die philosophisch reifen Geister der Griechen f¤hig sein wÛrden, sie gut aufzunehmen. Der ”berlieferung nach war die Wirkung der Rede auf die Yona- ka betr¤chtlich, denn siebenunddrei÷igtausend Leute erreichten beim ZuhÌren die FrÛchte des Pfades. Auch die Buddhisten des alten Ceylon scheinen den Wert der Kõlakõrõmasutta als ein Thema, das die Essenz des Dhamma fÛr eine ausfÛhrliche Predigt anbietet, erkannt zu haben. Bei einer denkwÛrdigen Gelegenheit war es Gegenstand einer Ganznacht- predigt, als der EhrwÛrdige Arahant Kõla (Ç Schwarz ç) Buddha- rakkhita Thera in der dunklen Nacht des Neumondtages der dunklen Monatsh¤lfte unter einem schwarzen Timbaru Baum beim Cetiyapabbata predigte. Das Zusammentreffen von ÇDun- kelheitç ( kõla ) im Namen der Sutta und des Predigers als auch in der Umgebung tr¤gt wahrscheinlich zur DenkwÛrdigkeit der Ge- legenheit bei. Die Anwesenheit von KÌnig Tissa (wahrscheinlich Saddhõtissa) in der ZuhÌrerschaft mag auch seinen Teil zur WÛr- de des Anlasses beigetragen haben.

Bedeutung der Sutta

Trotz seiner geheiligten Tradition kann die Kõlakõrõmasutta heu- te kaum als popul¤r angesehen werden. Sie wird selten zum Ge- genstand einer Predigt gemacht, und Verweise darauf in ernsthaf- ten Erkl¤rungen des Dhamma sind gleicherma÷en selten. Dies ist jedoch kein Hinweis auf den Grad ihrer Relevanz fÛr moderne Zeiten. Die Dunkelheit des nahezu Unbekanntseins in dem sich die Sutta heute befindet, ist wahrscheinlich auf ihre Knappheit

2 und die ªhnlichkeit mit dem ungewohnten Tetralemma 4 zurÛck zu fÛhren. Dem oberfl¤chlichen Leser bietet die Sutta ein Mosaik trockener Phrasen und eine Reihe von Aussagen, die ihm gegen den Strich gehen. Doch unter dieser Trockenheit und der Fremd- artigkeit im Ausdruck liegen reiche Quellen fÛr eine zeitlose Phi- losophie. Die Sutta fÌrdert einige markante ZÛge der Erkenntnis- theorie des frÛhen Buddhismus zu Tage, deren Implikationen viel dazu beitragen kÌnnten, die Verwirrung aufzukl¤ren, die auf den Gebieten philosophischer und psychologischer Forschung sogar in diesem modernen Zeitalter existieren.

Art der Darbietung

Um den Geist des Lesers fÛr ein richtiges Verst¤ndnis der Kõla- kõrõmasutta vorzubereiten, wird ihn das erste Kapitel zu einer ÇZaubershowç einladen, die der Erl¤uterung, die in dem vorlie- genden Werk versucht wird, als Prolog dienen wird. Die ÇZau- bershowç ist hier jedoch keineswegs ein profanes Element, da sie lediglich eine Erweiterung eines kanonischen Prototyps ist, der dem Buddha selbst zugeschrieben wird. Mit dem eigentlichen ka- nonischen Gleichnis beginnend wird sich der Prolog zu einer Art Parabel ausweiten, die - obwohl ein wenig modern in ihrem Ge- schmack - beabsichtigt, den Geist des Lesers im Hinblick auf die folgende, Çtrockeneç Rede, zu Çschmierenç. In einem begrenzten Sinn wird sie auch als Diskussionsrahmen dienen.

Das zweite Kapitel wird die ”bersetzung der Sutta vorstellen, ge- folgt von wenigen erkl¤renden Anmerkungen, von denen einige aus dem Kommentar des EhrwÛrdigen stammen. Der Zweck dieser Anmerkungen ist es, den Sinn des Textes, trotz vieler verschiedener Lesarten hervortreten zu lassen. Eine tiefere

4 : Catu∂koÆi ; die buddhistische Logik der vier Alternativen (positiv, negativ, positiv und negativ, weder positiv noch negativ). Siehe Text des Sut- ta.

3

Wertsch¤tzung des tats¤chlichen Gehaltes der Sutta wird jedoch den folgenden Kapiteln vorbehalten bleiben.

Das Gleichnis und die Parabel des ersten Kapitels, werden ver- suchen ihren Wert in den neun folgenden Kapiteln, deren letztes den Epilog darstellt, zu beweisen. Die illusion¤re Natur des Be- wu÷tseins wird in den Kategorien der Lehre, die als khandha (Gruppen), õyatana (Gebiete), dhõtu (Elemente) und paÆicca-sa- muppõda (Bedingte Entstehung) bekannt sind, besprochen wer- den. Diese Kapitel werden regelm¤÷ig auf das Ûber die Sutten ver- streute ÇwohlverkÛndete Dhamma-Wortç ( dhamma padaΩ su- desitaΩ ) zurÛckgreifen und es, so weit wie mÌglich zu einer Blu- mengirlande zusammenfÛgen. 5 Durchg¤ngig werden Gleichnisse und Analogien, sowohl kanonische als auch moderne, die rele- vanten Fakten illustrieren, denn, Çauch mit Hilfe eines Gleichnis- ses verstehen manche verst¤ndige Menschen hier den Sinn des Gesagten.ç 6

Bhikkhu »õ±ananda

Island Hermitage Dodanduwa, Sri Lanka Oktober, 1972

5 Die Anspielung bezieht sich auf Dhp 44,45 . 6 Siehe D II, 324 (= D 23) , M I, 384 (= M 56)

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Liste der AbkAbkÛrzungenÛrzungen

A Anguttara Nikõya AA Anguttara Kommentar D D¶gha Nikõya DA D¶gha Nikõya Kommentar Dhp Dhp A Dhammapada Kommentar DPP Dictionary of Põli Proper Names Itiv Itivuttaka M Majjhima Nikõya PTS Põli Text Society (ed.) S SaΩyutta Nikõya SA SaΩyutta Nikõya Kommentar SHB Simon Hewavitarana Bequest (ed.) Sn Sutta Nipõta Thag Theragõthõ Ud Udõna Vin PiÆaka

Die ”bersetzung der Suttenstellen sind zum Teil aus folgenden deutschen ”bersetzungen Ûbernommen oder an diese angelehnt:

K. E. Neumann: ÇDie Reden des Gotamo Buddhasç : ÇDie Lehrreden des Buddha aus der Angereihten Sammlungç Nyanaponika: ÇSutta Nipõtaé Geiger, Nyanaponika, Hecker: ÇSaΩyutta Nikõyaç

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1.1.1. Die Zaubershow --- Ein Prolog

Ç... Angenommen ihr MÌnche, ein Zauberer oder Zauberlehrling g¤be an der Kreuzung vierer Stra÷en eine Zaubervorstellung und ein scharfsichtiger Mann wÛrde sie sehen, Ûber sie nachdenken und radikal Ûber sie reflektieren. 7 W¤hrend er sie sieht, Ûber sie nachdenkt und konsequent Ûber sie reflektiert, wÛrde sie ihm leer erscheinen, wÛrde sie ihm hohl erscheinen, wÛrde sie ihm ohne Kern (Essenz) erscheinen. Welche Essenz, ihr MÌnche, kÌnnte es in einer Zaubershow geben? Ebenso, ihr MÌnche, welches Bewu÷tsein auch immer - sei es vergangen, zukÛnftig oder gegenw¤rtig, in einem selbst oder au- ÷erhalb, grob oder fein, niedrig oder erhaben, fern oder nah - ein MÌnch sieht es, denkt darÛber nach und reflektiert grÛndlich dar- Ûber. Und w¤hrend er es sieht, darÛber nachdenkt und grÛndlich darÛber reflektiert, wÛrde es ihm leer erscheinen, wÛrde es ihm hohl erscheinen, wÛrde es ihm ohne Kern (Essenz) erscheinen. Welche Essenz, ihr MÌnche, kÌnnte es in einem Bewu÷tsein ge- ben? 8 ...ç

ÇForm gleicht einer Masse Schaum, GefÛhl gleicht einer Wasserblase, Wahrnehmung einer Luftspiegelung, Gestaltungen einem Bananenstamm.

7 Yoniso manasikõra - wÌrtl.: Reflektion gem¤÷ einer Quelle oder Matrix. Ra- dikale oder an die Wurzel gehende oder konsequente oder grundlegende, grÛndliche Reflektion. 8 Vergl.: ÇUnbest¤ndig, ihr MÌnche, sind die SinnesgenÛsse; sie sind hohl, falsch und trÛgerisch; sie sind Gauklertricks - Gaukelwerk, das die Toren schwatzen l¤÷t.ç M II, 261. AneËjasappõyasutta (= M 106)

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Bewu÷tsein ist eine Zaubershow, Durch und durch nur Gaukelwerk, Alle diese Gleichnisse wurden verkÛndet Vom ÇSonnenspro÷ç.ç 9

Der berÛhmte Zauberer, dessen r¤tselhafte VorfÛhrungen du bei vielen Gelegenheiten durchaus genossen hast, ist wieder in die Stadt gekommen. Die Nachricht von seiner Ankunft hat sich nah und fern verbreitet und eine gespannte Menge strÌmt jetzt zu der gro÷en Halle, in der er heute seine Vorstellung geben soll. Auch du kaufst eine Eintrittskarte und schaffst es in die Halle zu gelan- gen. Schon beginnt ein Kampf um die Sitze, doch du bist nicht daran interessiert, dir einen zu sichern, denn heute bist du mit an- deren Absichten hergekommen. Du hattest die gl¤nzende Idee den Zauberer zu Ûberlisten, ihn selber auszutricksen. So bahnst du dir deinen Weg durch die Massen und kriechst heimlich in ei- nen verborgenen Winkel der BÛhne. Der Zauberer betritt die BÛhne durch die dunklen Vorh¤nge, gekleidet in seinen pechschwarzen Mantel. Schwarze Kisten, die seine geheimen Utensilien enthalten, befinden sich jetzt auch auf der BÛhne. Die VorfÛhrung beginnt und du siehst von deinem gÛnstigen Standort aus zu. Und w¤hrend du mit scharfen Augen jede Bewegung des Zauberers beobachtest, beginnst du, eines nach dem anderen, die Geheimnisse hinter den Çatemberauben- den Wundernç deines Lieblingsmagiers zu entdecken. Die ver- steckten LÌcher und die falschen BÌden in seinen Zauberkisten, die F¤lschungen und geheimen Taschen, die versteckten F¤den und KnÌpfe, die, verdeckt durch das Herumgefuchtle mit seinem Zauberstab, gezogen und gedrÛckt werden. Sehr bald durch- schaust du seine Trickkiste so gut, da÷ du seine n¤chste Ç”berra- schungç schon im voraus entdecken kannst. Da du jetzt seine Ç”- berraschungenç voraussehen kannst, Ûberraschen sie dich nicht mehr. Seine ÇTricksç t¤uschen dich nicht mehr. Sein ÇZauberç hat fÛr dich seinen Zauber verloren. Er entzÛndet nicht mehr wie

9 ödiccabandhu : Eine Bezeichnung fÛr den Buddha. S III, 142 (= S 22, 95)

8 frÛher deine Vorstellungskraft. Das ÇHokus Pokusç und ÇAbra- kadabraç des Zauberers und seines Zauberstabs bewegen jetzt nichts mehr in dir - denn du erkennst sie jetzt als das, was sie sind: bedeutungslos. Die ganze Angelegenheit hat sich jetzt als leere Show herausgestellt, als ein einziger Riesenschwindel, ein Betrug. Voller Abscheu wendest du dich ab und wirfst einen Blick auf das Publikum unten im Saal. Was fÛr ein Anblick! Ein Meer ge- reckter H¤lse; Augen die in blinder Bewunderung starren; MÛn- der offenstehend in stummer Anerkennung; Ah!´s und Oh!´s und Pfiffe sprachlosen Erstaunens. Wahrlich, eine seltsame Mischung aus TragÌdie und KomÌdie, die du anstatt der Zaubervorstellung h¤ttest genie÷en kÌnnen, wenn du nicht bei vielen frÛheren Gele- genheiten in der selben traurigen Lage gewesen w¤rst. Von Mit- gefÛhl fÛr die rasende Menge bewegt blickst du den Zauberer beinahe finster an, als er bei jedem Applaus seiner Bewunderer mit einem unheimlichen Grinsen in sich hineinlacht. ÇWie ist es mÌglichç, fragst du dich, Çda÷ ich so lange von so einem Gauner wie diesem Zauberer get¤uscht worden bin?ç Du bist all dem Û- berdrÛssig und schwÌrst dir: ÇNie mehr werde ich meine Zeit und mein Geld fÛr solch hohle Shows verschwenden - Nie mehr !ç Die Vorstellung endet. Massen dr¤ngen zum Ausgang. Unge- sehen schlÛpfst auch du aus deinem Versteck und mischst dich unter sie. Als du drau÷en bist, bemerkst du einen Freund von dir, den du als gro÷en Bewunderer des Zauberers kennst. Da du ihn mit dem Bericht deiner ungewÌhnlichen Erfahrung nicht in Ver- legenheit bringen willst, versuchst du ihm auszuweichen, doch es ist zu sp¤t. Schon mu÷t du dir einen lebhaften Bericht der Zau- bervorfÛhrung anhÌren. Dein Freund durchlebt jetzt wieder diese Momente des ÇGlÛcks des Nicht-Wissensç, die er gerade genos- sen hat. Doch bald entdeckt er, da÷ du heute still und zurÛckhal- tend bist und er wundert sich, wie das nach so einer wunderbaren Show sein kann. ÇWas ist? Du warst die ganze Zeit in der selben Halle, nicht wahr?ç ÇJa, das war ich.ç ÇDann hast du geschlafen?ç

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ÇOh nein!ç ÇIch glaube, du hast nicht genau hingesehen.ç ÇDoch, doch, ich habe genau hingesehen, vielleicht habe ich zu genau hingesehen.ç ÇDu sagst, du hast zugeschaut und doch scheinst du die Zau- bershow nicht gesehen zu haben.ç ÇDoch, ich habe sie gesehen. Tats¤chlich habe ich sie so gut gesehen, da÷ ich den Zauber der Show vers¤umt habe.ç

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2.2.2. Kõlakõrõmasutta

ÇZu einer Zeit weilte der Erhabene bei Sõketa im Kloster des Kõlaka. Dort sprach der Erhabene zu den MÌnchen: ÇIhr MÌn- che!ç ÇVerehrter Herr!ç, erwiderten die MÌnche dem Erhabenen. Der Erhaben sprach also: ÇMÌnche, was auch immer in der Welt mit ihren GÌttern, Mõras und Brahmas, mit ihrer Schar von Asketen und Priestern, GÌttern und Menschen - was auch immer gesehen, gehÌrt, emp- funden, 10 erkannt, erreicht, angestrebt und im Geiste erwogen wird - all das kenne ich. MÌnche, was auch immer in der Welt ... GÌttern und Menschen - was auch immer gesehen, ... im Geiste erwogen wird - das habe ich vÌllig verstanden; all das ist dem Tathõgata bekannt, 11 doch der Tathõgata stÛtzt sich nicht darauf. 12 WÛrde ich nun sagen: ÇMÌnche, was auch immer in der Welt ... GÌttern und Menschen - was auch immer gesehen, ... im Geiste

10 Muta: Empfindungen, die durch Geschmack, Geruch und BerÛhrung entste- hen. 11 Dem Kommentar ( AA ) zufolge verkÛnden die drei AusdrÛcke Çall das ken- ne ichç, Çdas habe ich vÌllig verstandenç und Çall das ist dem Tathõgata be- kanntç, die ÇEbene der Allwissenheitç ( sabbaËËutabh≠mi ). 12 Kommentar: ÇDer Tathõgata stÛtzt sich nicht darauf, noch tritt er mit Begeh- ren oder Ansichten an es heran. Der Erhabene sieht eine Form mit dem Auge, doch ist in ihm keine Gier und keine Lust (danach); er ist im Geist wohl abge- lÌst. Der Erhabene hÌrt mit dem Ohr einen Ton ... riecht mit der Nase einen Geruch ... schmeckt mit der Zunge einen Geschmack ... empfindet mit dem KÌrper eine BerÛhrung ... erkennt mit dem Geist einen Gedanken, doch in ihm gibt es weder Gier noch Lust (danach); er ist im Geist wohl abgelÌst. ( S. IV 164 ) - Daher wurde gesagt, da÷ der Tathõgata sich nicht darauf stÛtzt (sich nicht damit identifiziert). Es sollte verstanden werden, da÷ damit die ÇEbene der Triebversiegungç ( kh¶õsavabh≠mi ) verkÛndet wird.ç

11 erwogen wird - all das kenne ich nichtç - so spr¤che ich die Un- wahrheit. 13 WÛrde ich sagen: ÇDas kenne ich und ich kenne es nichtç - auch so spr¤che ich die Unwahrheit. WÛrde ich sagen: ÇWeder kenne ich es noch kenne ich es nichtç - so w¤re es falsch von mir. 14 Somit, ihr MÌnche, w¤hnt 15 der Tathõgata kein sichtbares Ding als getrennt vom Sehen; 16 er w¤hnt kein Nicht-Gesehenes; 17

13 Diese Wiedergabe stimmt mit der Lesart Ç na jõnõmi ç Ûberein, die sich in der Chattha Sa±git Ausgabe findet. Nachforschungen haben ergeben, da÷ sie auch mit den Mandalay Platten Ûbereinstimmt. Die P.T.S.-Ausgabe sowie einige Ausgaben in singhalesischer Schrift lesen Ç jõnõmi ç unter Auslassung des ne- gativen Partikels, doch das ist unwahrscheinlich, da es der Aussage des Budd- ha im vorangegangenen Absatz widerspricht. Die ursprÛngliche Erkl¤rung Çall das kenne ichç ( tamahaπ jõnõmi ) wird von den zwei darauf folgenden bekr¤f- tigt: Çdas habe ich vÌllig verstandenç ( tamahaπ abbhaËËõsiΩ ) und Çall das ist dem Tathõgata bekanntç ( taΩ tathõgatassa vidittaΩ ). Ein bezeichnender Vor- behalt wurde noch hinzugefÛgt: Çaber der Tathõgata stÛtzt sich nicht darauf (identifiziert sich nicht damit)ç ( taΩ tathõgato na upõÆÆhõsi ). (Nyanatiloka Anm. 64: wtl.: er hat es nicht (in sich) aufgenommen. ... D.h. er identifiziert sich nicht mit der Objektwelt, h¤lt inneren Abstand von ihr.) Daher wÛrde die Lesart Ç jõnõmi ç zu einem Widerspruch fÛhren: ÇWÛrde ich sagen ... all das kenne ich ... so spr¤che ich die Unwahrheit.ç Die Variante Ç na jõnõmi ç ande- rerseits bietet sich als die zweite Alternative des Tetralemmas an, der dann ja auch die dritte und vierte Alternative folgen. Die Relevanz dieser drei Altena- tiven fÛr den Zusammenhang, spiegelt sich in dem oben erw¤hnten Vorbehalt wieder. 14 Die AusdrÛcke: Çso spr¤che ich die Unwahrheitç, Çauch so spr¤che ich die Unwahrheitç und Çso w¤re es falsch von mirç sollen laut Kommentar die ÇE- bene der Wahrheitç ( saccabh≠mi ) verkÛnden. 15 Na maËËati: MaËËanõ bezeichnet die Stufe im Proze÷ der Sinneswahrneh- mung, in der man sich selbstgef¤llig ein wahrgenommenes ÇDingç so vorstellt oder einbildet als wÛrde es Çdort drau÷enç eigenst¤ndig existieren. Es ist ein Ri÷ in der Wahrnehmungssituation, der in einer Subjekt-Objekt-Zweiteilung resultiert, die den Wahn des ÇIchç und ÇMeinç fortbestehen l¤÷t. 16 Der Kommentar ( AA. SHB. 519 ) fa÷t die Worte Ç daÆÆhõ daÆÆhabbaΩ ç in der Bedeutung von Çgesehen habend sollte erkannt werdenç auf und erkl¤rt die darauf folgenden Worte Ç diÆÆhaΩ na maËËati ç fÛr davon getrennt. Ihm zufol- ge mit der Bedeutung, der Vollendete unterhielte keinerlei Verlangen, Stolz oder Ansichten, indem er d¤chte: ÇIch sehe das, was von den Leuten gesehen wurde.ç Diese Erkl¤rungsweise wird durchgehend angewandt.

12 er w¤hnt kein ÇDing-wert-zu-sehenç; 18 er w¤hnt nicht Ûber einen Seher. 19 Er w¤hnt kein hÌrbares Ding als getrennt vom HÌren; er w¤hnt kein Nicht-GehÌrtes; er w¤hnt kein ÇDing-wert-zu-hÌrenç; er w¤hnt nicht Ûber einen HÌrer. Er w¤hnt kein empfindbares Ding als getrennt vom Empfin- den; er w¤hnt kein Nicht-Empfundenes; er w¤hnt kein ÇDing- wert-zu-empfindenç; er w¤hnt nicht Ûber einen Empfindenden. Er w¤hnt kein erkennbares Ding als getrennt vom Erkennen; er w¤hnt kein Nicht-Erkanntes; er w¤hnt kein ÇDing-wert-zu-er- kennenç; er w¤hnt nicht Ûber einen Erkennenden.

Es ist vielleicht einleuchtender, daÆÆhõ oder diÆÆha (vergl. burmesisch MSS ; siehe A. II 25 Anm. 3) als Ablationsform des perfekt passiv zu erkl¤ren mit dem Sinn: Çals getrennt vom Sehenç; und daÆÆhabbaΩ diÆÆhaΩ zusammenge- nommen wÛrde bedeuten: Çein sichtbares Dingç. So auch die anderen drei ent- sprechenden AusdrÛcke: suttõ , mutõ und viËËõtõ . Die Buddha Jayanthi Tipita- ka Series (Nr. 19, singhalesische Schrift) erkennt diese Lesart an, folgt jedoch dem Kommentar darin sie als Absolutiv zu betrachten. Die Chattha Sang¶ti PiÆaka-Ausgabe (burmesische Schrift) wie auch die P.T.S.-Ausgabe haben die Absolutivformen sutvõ , mutvõ und viËËatvõ , die wahrscheinlich Nachbesse- rungen aufgrund der kommentariellen Erkl¤rung darstellen. 17 AdiÆÆhaΩ na maËËati : Laut Kommentar bedeutet das, der Tathõgata bildet sich nicht ein (aufgrund von Begehren etc.), er s¤he etwas, das von den Leuten nicht gesehen wurde. Doch der Ausdruck scheint gerade das Gegenteil zu imp- lizieren. Er drÛckt die Idee aus, die hinter der Aussage steht: ÇWÛrde ich nun sagen: ÇMÌnche, was auch immer in der Welt ... GÌttern und Menschen - was auch immer gesehen, ... im Geiste erwogen wird - all das kenne ich nichtç - so spr¤che ich die Unwahrheit.ç 18 DaÆÆhabbaΩ na maËËati : Hier ist der volle gerundivische Sinn des Verbs of- fensichtlich. Der Tathõgata betrachtet keinen jener Anblicke, die Weltmen- schen sch¤tzen, fÛr im hÌchsten Sinne sehenswert. Er sieht nichts Substanziel- les in ihnen. 19 DaÆÆhõraΩ na maËËati : Der Tathõgata unterliegt nicht dem Wahn, der Se- hende zu sein. Sobald Sichtbares seinen Objekt-Status verliert, reflektiert es auf der subjektiven Seite auch keinen Handelnden (Seher) mehr. Diese vier Weisen des Nicht-W¤hnens verkÛnden die ÇEbene der Leerheitç (suËËatõbh≠mi ).

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Der Tathõgata, so-seiend bei allen gesehenen, gehÌrten, emp- fundenen und erkannten Ph¤nomenen, ist daher ÇSoç, ihr MÌn- che. DarÛber hinaus erkl¤re ich, da÷ es keinen anderen gibt, der erhabener oder hervorragender w¤re, als den, der ÇSoç ist. 20

Was immer auch gesehen, gehÌrt, empfunden und ergriffen, wird von der Welt als Wahrheit angesehen. Inmitten derer, die festgefahren in ihren eigenen Ansichten, 21 halte ich so-seiend keine fÛr wahr oder falsch.

Diesen Stachel sah ich schon im voraus 22 woran aufgespie÷t die Menschheit h¤ngt. ÇIch wei÷, ich seh´, genauso ist esç 23 - kein solches Haften fÛr die Tathõgatas.ç

20 Tõdi : ÇSoç oder Çso-seiendç. Eine Bezeichnung des Befreiten, die seine hÌchste LosgelÌstheit ausdrÛckt. Sie verkÛndet die Ebene des ÇSo-Seiendenç (tõdibh≠mi ). 21 Tesu ... sayasaΩvutesu : Der Kommentar sagt: Ç... unter denen, die (ver- schiedener) Ansicht sind und diese ergriffen hatten, nachdem sie selbst sich dieser Standpunkte erinnert und sie gepflegt hatten.ç Der Ausdruck vermittelt den Eindruck von Selbstvoreingenommenheit aufgrund philosophischer In- zucht und mag vielleicht besser als Ç... unter denen, die von ihren eigenen An- sichten beschr¤nkt ( saΩvuta ) sindç, wiedergegeben werden. 22 EtaËca sallaΩ paÆigacca disvõ : ÇDiesen Stachel wohl im voraus gesehen ha- bendç, wird vom Kommentar als der Stachel der Ansichten erkl¤rt, den der Buddha am Fu÷e des Bodhibaums im voraus sah. 23 Jõnõmi passõmi tatheva etaΩ : Ein im Põli-Kanon oft zitierter Ausdruck, der den charakteristischen Dogmatismus spekulativer Ansichten repr¤sentiert. Er ist gleichbedeutend mit der dogmatischen Aussage: ÇIdameva saccaΩ mog- hamaËËaΩ ç - ÇDies nur ist Wahrheit, Unsinn anderesç, welche die Formulie- rung der zehn Çnicht-erkl¤rten Punkteç ( avyõkatavatth≠ni ) begleitet.

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3.3.3. Zeichen 242424 und Bedeutung in der SinneSinnessss---- wahrnehmung

Ein Hinweis auf die Schwierigkeiten, die der Buddha erfuhr, als er versuchte mit der Welt auf einen Nenner zu kommen, kann in deiner eigenen ungewÌhnlichen Erfahrung bei der Zaubervor- stellung gefunden werden. Man kann durchaus mit Recht be- haupten, da÷ du die VorfÛhrung gesehen hast. Dennoch ist, wie dein Freund dir bewiesen hat, jede vorbehaltlose Bejahung oder Verneinung mit Schwierigkeiten verbunden. Die Position eines Tathõgata, der die magische Illusion des Bewu÷tseins vÌllig ver- standen hat, ist dem in gewisser Weise ¤hnlich. Auch er hat alle Zaubertricks, die sich in der Form von Sinnesdaten auf der BÛhne des Bewu÷tseins abspielen, gesehen. Und dennoch ist er sich der Begrenztheit jeder kategorischen Bejahung oder Verneinung be- wu÷t. W¤hrend der Weltling es gewohnt ist, sich auf das Wissen, das er ergriffen hat, zu stÛtzen, betrachtet der Tathõgata diese Neigung als ÇStachelç, obwohl (oder vielmehr weil) er ÇvÌllig verstandenç hat. 25

24 Auch Vorstellung, Bild ( nimitta ); siehe Fu÷note 27. 25 Man beachte, da÷ der Grund fÛr das EinfÛhren der Tetralemma-Form der Formulierung diese sehr losgelÌste Geisteshaltung des Buddha ist (Ich wei÷, ich seh´, genauso ist es - kein solches Haften fÛr die Tathõgatas.). W¤re die erste Alternative nicht mit einem Vorbehalt verbunden, h¤tte er mit der zwei- ten Alternative aufhÌren kÌnnen, denn die kategorische Bejahung bedarf le- diglich einer kategorischen Verneinung des gegenteiligen Standpunktes. Man kÌnnte von der Kõlakõrõma Sutta , wie im Fall der Zaubervorstellung, sagen, da÷ mehr dahinter steckt als man mit blo÷em Auge sehen kann. GewÌhnlich- erweise wird in einem Tetralemma die erste Alternative verneint. Hier wird sie bejaht, jedoch nicht kategorisch, denn ein Vorbehalt wurde gemacht. Die hin- zugefÛgte Betonung dient mehr oder weniger einem rhetorischen Zweck. Sie

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Mit anderen Worten, er hat die Zaubervorstellung so gut gesehen, da÷ er, vom Standpunkt des Weltlings aus, die ÇShow vers¤umtç hat.

Die Frage vom ÇSehen, was gezeigt wirdç bringt uns zur Bezie- hung zwischen Begriff und Bedeutung. Sinneswahrnehmung baut grÌ÷tenteils auf Begriffen (Zeichen) auf. Diese Feststellung kÌnnte man fÛr eine Binsenweisheit halten, denn das Põli-Wort saËËõ (sanskrit: samjËõ ) bedeutet sowohl Wahrnehmung als auch ÇZeichenç, ÇSymbolç, ÇMerkmalç. Es ist auf den in der Sinnes- wahrnehmung impliziten Proze÷ des Aufgreifens und Wiederer- kennens zurÛckzufÛhren, da÷ das Zeichen dabei eine so bedeu- tende Rolle spielt. Aufgreifen, sei es kÌrperlich oder geistig, kann bestenfalls eine symbolische Angelegenheit sein. Der tats¤chli- che Kontaktpunkt ist oberfl¤chlich und lokalisiert und doch un- terstÛtzt er irgendwie den Wahn des Aufgreifens. Auch Wieder- erkennen ist nur innerhalb willkÛrlich umschriebener Grenzen mÌglich. Das Gesetz der Unbest¤ndigkeit untergr¤bt es st¤ndig, dennoch wird der Wahn des Wiedererkennens durch fortschrei- tendes Ignorieren der Tatsache der Ver¤nderung aufrechterhal- ten. Auf diese Weise werden beide Prozesse mit Hilfe von Be- griffen (Zeichen) und Bildern (Symbolen) in Gang gehalten.

Was bedeuten Zeichen? Ç Dinge natÛrlichç, wÛrden die weniger Scharfsinnigen bereitwillig antworten. Gem¤÷ dem Hausverstand stehen Zeichen vermutlich fÛr die ÇDingeç die wir mit ihrer Hilfe wahrnehmen. Und die ÇDingeç sind jene Formen, die wir sehen, die TÌne, die wir hÌren, die GerÛche, die wir riechen, die Ge- schm¤cker, die wir schmecken, die Gegenst¤nde, die wir berÛh- zeigt, da÷ er nicht nur wei÷ was die Welt wei÷, sondern darÛber hinaus weiser geworden ist. Die EigentÛmlichkeit dieser Formulierung ist eine RÛckblende auf das M≠lapariyõya Sutta (M I 1). Die Bedeutung der hinzugefÛgten Beto- nung, ausgedrÛckt durch das Wort abbhaËËõsiΩ , wird dort durch die Verwen- dung des Wortes abhijõnõti offensichtlich. Der Vorbehalt, der gegenÛber der ersten Alternative gemacht wurde, findet dort seine Parallele im Ausdruck na maËËati - ein Ausdruck, der in jenem exegetischen Typ der Abhandlung wie- derkehrt, der unmittelbar auf das Tetralemma in der Kõlakõrõma Sutta folgt.

16 ren und die Gedanken, die wir denken. Die Scharfsinnigeren wÛrden es jedoch vorziehen, genauer zu sein. Sie wÛrden die Po- sition einnehmen, da÷ sich hinter jenen sich ver¤ndernden Eigen- schaften, die wir mit unserem unvollkommenen Sinnesapparat wahrnehmen, eine unver¤nderliche Substanz, eine Essenz, ein Numen befindet. Obwohl eine Analyse keine solche wirkliche Essenz, kein ÇDing-an-sichç hinter jenen stets zurÛckweichenden Schichten von Eigenschaften und Attributen 26 zu enthÛllen ver- mag, wÛrden sie noch immer darauf beharren, da÷ es schlie÷lich kein Attribut ohne Substanz, keine Eigenschaft ohne ein Ding, dem sie zu eigen ist, geben kÌnne.

Dem Kõlakõrõma Sutta zufolge, w¤hnt der Tathõgata kein sicht- bares Ding als getrennt vom Sehen, kein hÌrbares Ding als ge- trennt vom HÌren, kein empfindbares Ding als getrennt vom Empfinden, kein Erkennbares Ding als getrennt vom Erkennen. Des weiteren sind, wie es die Sutten oft klarmachen, alle Wahr- nehmungen an sich als blo÷e Zeichen, Vorstellungen oder Be- griffe ( saËËõ , nimitta ) zu betrachten. 27 W¤hrend der Weltling also sagt, da÷ er Dinge mit Hilfe von Zeichen wahrnimmt, sagt der Tathõgata, da÷ alles, was wir wahrnehmen, blo÷e Zeichen sind. Formen, TÌne, DÛfte, Geschm¤cker, BerÛhrungen und Gedanken sind allesamt Zeichen, denen das Bewu÷tsein nachl¤uft. Doch noch immer mag die Frage gestellt werden: ÇWas bedeuten diese Zeichen? ÇDinge, natÛrlichç, wÛrde der Tathõgata antworten. Diese ÇDingeç sind jedoch nicht diejenigen, die der Weltling im Sinn hat, wenn er nach einer Antwort auf diese Frage sucht. Gier, Ha÷ und Verblendung sind die ÇDingeç die, nach der Lehre des Tathõgata, alle Sinneswahrnehmungen (Zeichen) bedeuten.

26 ÇWahrnehmung gleicht einer Luftspiegelungç - siehe oben, Kapitel 1. 27 Siehe S III Hõliddikõni Sutta (= S 22,3) çDiffusion and confinement in the abode (consisting in) the sign of sounds ... the sign of odours .. the sign of taste ... the sign of tactile objects ... the sign of mental phenomena ...ç (çDas Um- herschweifen in der Heimstatt der Formvorstellungen - Tonvorstellungen - Duftvorstellungen - Geschmacksvorstellungen - BerÛhrungsvorstellungen - geistigen Vorstellungen, ...ç).

17

ÇGier, Freund, ist ein Etwas 28 , Ha÷ ist ein Etwas, Verblendung ist ein Etwas. 29 ÇGier, Freunde, ist etwas Bezeichnendes, Ha÷ ist et- was Bezeichnendes, Verblendung ist etwas Bezeichnendes.ç 30

Die Erkl¤rung, da÷ alle Sinneswahrnehmungen Zeichen, und da÷ die ÇDingeç, die sie bedeuten, Gier, Ha÷ und, Verblendung sind, mag auf den ersten Blick als nicht allzu glÛckliche Mischung von Philosophie und Ethik erscheinen. Doch hier sind tiefere Impli- kationen enthalten. Es ist eine von Metaphysikern oft Ûbersehene Tatsache, da÷ die Wirklichkeit, die den Sinnesdaten zugeschrie- ben wird, notwendigerweise mit ihrer heraufbeschwÌrenden Macht, also ihrer F¤higkeit Wirkung zu erzielen, in Verbindung steht. Die Wirklichkeit eines Dinges wird gewÌhnlich im Ver- h¤ltnis zu seiner Wirkung auf der Erfahrungsseite registriert. Dies ist der Lackmustest, dem sich ein Objekt unterziehen mu÷, um seine Existenz vor dem Gerichtshof der Wirklichkeit zu be- weisen. In der Bezugnahme auf die Stofflichkeit als Çoffensicht- lich und Widerstand leistendç ( sanidassana-sappaÆighaΩ r≠paΩ ), 31 scheint auf die GÛltigkeit dieses Tests angespielt wor- den zu sein. Nun, die ÇObjekteç der Sinne, die wir als dort drau÷en existie- rend aufgreifen und erkennen, erhalten ihren Objektstatus durch ihre Wirkung oder hervorrufende Macht. Ihre F¤higkeit Wirkun- gen in Form von Sinnesreaktionen zu erzeugen wird allgemein als Kriterium ihrer Wirklichkeit aufgefa÷t. Sinnesobjekte sind daher Zeichen, die in sich selbst bedeutend geworden sind. Und das allein aufgrund unserer Unkenntnis davon, da÷ ihre Bedeu- tung von den psychologischen Triebfedern Gier, Ha÷ und Ver- blendung abh¤ngt. Dies ist mit anderen Worten ein Ergebnis des

28 Englisch: a something 29 ÇRõgo kho õvuso kiËcano, doso kiËcano, moho kiËcano ç M I, 298 Mahõvedalla Sutta (= M 43) 30 Ç Rõgo kho õvuso nimittakara±o, doso nimittakara±o, moho nimittakara±o é Mahõvedalla Sutta 31 D III, 217 Sangiti Sutta (= D 33)

18 ÇNachdenkens vom falschen Ende herç ( ayoniso manasikõra ), das beide, den Philosophen und den Wissenschaftler gleicherma- ÷en in eine Verdrehtheit endlosen Theoretisierens fÛhrt.

Auch etwas Reflektion Ûber deine Erfahrungen bei der Zauber- vorstellung mag dir eine Einsicht in die Wahrheit der oben ste- henden Erkl¤rung geben. FÛr die in das GlÛck des Nicht-Wissens getauchten Zuschauer war die Zaubershow voller Bedeutung, was immer du auch dagegen sagen magst. FÛr sie waren all die Hilfsmittel und Kunstgriffe, die der Zauberer gebrauchte - sogar das ÇHokuspokusç, das ÇAbrakadabraç und das Fuchteln mit dem Zauberstab - Çwirklichç im Sinne ihrer heraufbeschwÌren- den Macht. Die gereckten H¤lse, gebannt blickenden Augen und aufgerissenen MÛnder, legten unausgesprochenes Zeugnis davon ab. Auch die ÇAhhh´sç und ÇOhhh´sç und die Beifallspfiffe drÛckten - noch immer unartikuliert - die ÇWirklichkeitç der Zau- bervorstellung aus. Und zu guterletzt war jener lebhafte Kom- mentar zur Zaubershow, den anzuhÌren du kurz nach der Vorstel- lung Gelegenheit hattest, der voll artikulierte Ausdruck der ÇWirklichkeitç, der vom geschickten Magier dargebotenen Tricks. Hinter all diesen Gesten, Ausrufen und Beschreibungen, hervorgerufen durch die in der Show gesehenen ÇDingeç, hast du aber nicht vers¤umt, die Dinge zu sehen, die wirklich da waren, n¤mlich Zuneigung, Ablehnung und Verblendung.

19

4.4.4. Bedingte Entstehung

Die Einsicht des Buddha in die Vorg¤nge hinter den Kulissen der Zaubershow des Bewu÷tseins hat ihm die beinahe unÛberbrÛck- bare Kluft erÌffnet, die zwischen seiner Ûbermenschlichen Stufe der Erfahrung und der Stufe der Sinneserfahrung des Weltlings besteht. ÇWas, ihr MÌnche, von jenen in der Welt mit ihren Him- melswesen und Mõras, von der Schar der Asketen und Priester, GÌttern und Menschen als wahr angesehen wurde, das wurde von den Edlen als falsch wohl erkannt, wie es wirklich ist, mit rechter Weisheit - das ist die eine Betrachtung. Und was, ihr MÌnche, von jenen in der Welt mit ihren Himmelswesen und Mõras, ... als falsch angesehen wurde, das wurde von den Edlen als wahr wohl erkannt, wie es wirklich ist, mit rechter Weisheit - das ist die zweite Betrachtung.ç 32 ÇMÌnch, das, was von trÛgerischer Natur ist, ist in Wirklich- keit falsch und das ist die Wahrheit, n¤mlich Nibbõna, das von nicht-trÛgerischer Natur ist. ... Denn, MÌnch, dies ist die hÌchste Wahrheit, n¤mlich das nicht-trÛgerische Nibbõna.ç 33 Trotz solcher Erkl¤rungen des Buddha Ûber die gro÷e Un- gleichheit zwischen dem Wahrheitsbegriff des Weltlings und dem der Edlen, finden wir im Kõlakõrõma Sutta eine Aussage, die dem Buddha selbst zugeschrieben wird, die diesen Erkl¤run- gen zu widersprechen scheint. Sie besagt, da÷ der Tathõgata was immer auch gesehen, gehÌrt, empfunden oder aufgegriffen und von anderen als Wahrheit angesehen wird, nicht fÛr wahr oder falsch h¤lt. Wie kann man dieses Paradox erkl¤ren?

32 Sn III, 12 Dvayatõnuppassanõ Sutta 33 M III, 245 Dhõtuvibha™ga Sutta (= M 140)

20

Erinnere dich noch einmal an deine ungewÌhnliche Erfahrung bei der Zaubervorstellung. In jenem Augenblick des MitgefÛhls fÛr die begeisterte, dem Zauberer applaudierende Menge warst Du auf einen umfassenderen Wahrheitsbegriff gesto÷en. Es ist das Verst¤ndnis des Prinzips der Relativit¤t hinter dem Begriff der Wahrheit. Die Erkenntnis, da÷ jeder, der sich in einer ¤hnli- chen Situation bef¤nde, sich so wie jene Menge verhalten wÛrde, hatte eine mildernde Wirkung auf deinen Urteilssinn. Das selbe Ma÷ an Nicht-Wissen Ûber die Geheimnisse des Zauberers vor- ausgesetzt, die selben psychologischen Impulse der Gier und des Hasses vorausgesetzt, wÛrde jeder den selben Standpunkt wie je- ne wahnsinnige Menge einnehmen. Und es ist wahrscheinlich eben diese ”berzeugung, die im Laufe des Gespr¤chs mit deinem Freund etwas Verlegenheit und Zweifel in Dir auslÌste. Dieselbe Zaubervorstellung wurde aus zwei verschiedenen Perspektiven gesehen. W¤hrend die Zuschauer sahen, was der Zauberer vor- fÛhrte, sahst du von deinem gÛnstigen Standpunkt aus, wie er es vorfÛhrte. Somit gab es in Wirklichkeit zwei Ebenen der Erfah- rung - eine entsprang dem Nicht-Wissen, die andere dem Wissen. Jede Ebene brachte ihre eigene Vorstellung von GlÛck, ihre eige- nen Reaktionen und ”berzeugungen mit sich. Die erste neigte zum aufgeregten GlÛck des Nicht-Wissens, die zweite zu einem aus Verst¤ndnis geborenen GlÛck der Beruhigung. In dem budd- histischen Ausdruck ÇErkennen-und-Sehen-der-Dinge-wie-sie- sindç ( yathõbh≠taËõ±adassana ) finden beide Erfahrungsebenen Platz. Sein Inhalt ist keine einzelne Theorie oder ein bestimmtes Wissensgebiet, sondern eine Norm, welche die Struktur von Er- fahrung analysiert und blo÷legt. Diese Struktur ist nichts anderes als das Gesetz der Bedingten Entstehung ( paÆicca-samuppõda ). Es legt in seiner direkten Abfolge von der ersten Ebene der Er- fahrung Rechenschaft ab, w¤hrend es zur gleichen Zeit auch die zweite durch seine Formulierung in umgekehrter Reihenfolge anerkennt.

ÇWenn dieses ist, kommt jenes zustande; mit der Entstehung von diesem entsteht jenes.

21

Wenn dieses nicht ist, kommt jenes nicht zustande; mit der Aufhebung von diesem wird jenes aufgehoben.

Das bedeutet: Durch Nicht-Wissen als Bedingung kommen Ge- staltungen zustande; durch Gestaltungen als Bedingung ê Be- wu÷tsein; durch Bewu÷tsein als Bedingung - Name-und-Form; durch Name-und-Form als Bedingung - die sechs Sinnesgebiete, durch die sechs Sinnesgebiete als Bedingung - Kontakt; durch Kontakt als Bedingung - GefÛhl; durch GefÛhl als Bedingung - Begehren; durch Begehren als Bedingung - Aufgreifen; durch Aufgreifen als Bedingung - Werden; durch Werden als Bedin- gung - Geburt; durch Geburt als Bedingung entstehen Altern und Tod, Kummer, Jammer, Schmerz, Traurigkeit und Verzweiflung. So kommt die Entstehung dieser ganzen Leidensmasse zustande.

Durch das restlose Verschwinden und die Aufhebung eben jenes Nicht-Wissens kommt die Aufhebung der Gestaltungen zu- stande; durch die Aufhebung der Gestaltungen - die Aufhebung des Bewu÷tseins; durch die Aufhebung des Bewu÷tseins - die Aufhebung von Name-und-Form; durch die Aufhebung von Na- me-und-Form - die Aufhebung der sechs Sinnesgebiete; durch die Aufhebung der sechs Sinnesgebiete - die Aufhebung des Kontakts; durch die Aufhebung des Kontakts - die Aufhebung des GefÛhls; durch die Aufhebung des GefÛhls - die Aufhebung des Begehrens; durch die Aufhebung des Begehrens - die Aufhe- bung des Aufgreifens; durch die Aufhebung des Aufgreifens - die Aufhebung des Werdens; durch die Aufhebung des Werdens - die Aufhebung der Geburt; durch die Aufhebung der Geburt werden Altern, Tod, Kummer, Jammer, Schmerz, Traurigkeit und Verzweiflung aufgehoben. So kommt die Aufhebung dieser ganzen Leidensmasse zustande.ç 34

Dieses Gesetz der Bedingten Entstehung, das die ganze Skala der Erfahrung, von der des Weltlings bis hin zu der des Arahants,

34 M III Bahudhõtuka Sutta (= M 115)

22 umfa÷t, kÌnnte sogar auf unser Problem der Zaubershow ange- wendet werden. Falls irgendjemand w¤hrend der Vorstellung dich oder deinen Freund gefragt h¤tte: ÇIst das hier Zauberei?ç, h¤tte er zwei widersprÛchliche Antworten erhalten. Da die Zau- berei fÛr dich zu dem Zeitpunkt bereits ihren Zauber verloren hatte, h¤ttest du geantwortet: ÇDas ist keine Zaubereiç. Dein Freund jedoch h¤tte das Recht zu sagen: ÇDas ist Zaubereiç. Die beiden Antworten w¤ren widersprÛchlich, wenn sie in einem ab- strakten Sinn verstanden und dogmatisch behauptet wÛrden, oh- ne BerÛcksichtigung des jeweiligen Standpunkts. Das Gesetz der Bedingten Entstehung lÌst diesen Widerspruch dadurch, da÷ es die beiden Extreme Ç ist ç und Ç ist nicht ç mit dem weisen Vor- behalt Ç es h¤ngt davon ab ç vermeidet.

Die Unwissenheit Ûber die Tricks des Zauberers vorausgesetzt, kommen Gestaltungen (z.B. Gesten, Ausrufe, Einbildungen) zu- stande; bedingt durch diese Gestaltungen kommt das Bewu÷tsein der Zaubershow zustande; bedingt durch dieses Bewu÷tsein ist Name-und-Form, das die Welt der Zauberei betrifft; 35 bedingt durch Name-und-Form, die das gesamte Handwerkszeug des Zauberers umfassen, werden alle sechs Sinnesgebiete des ge- t¤uschten Publikums in einem Zustand staunender Neugier ge- halten; bedingt durch diese Sinnesgebiete entstehen entspre- chende EindrÛcke von der wunderbaren Welt des Zauberers; be- dingt durch solche EindrÛcke entstehen GefÛhle der Erheiterung; aus diesen GefÛhlen entwickelt sich Begehren nach der Fortset- zung eben dieser Erheiterung; als Reaktion auf dieses Begehren kommt es zu einem Greifen nach den ZauberkunststÛcken; aus diesem Greifen resultiert eine chim¤renhafte Existenz in einer ÇWelt der Zaubereiç und das Publikum, auf diese Weise verzau- bert, findet sich gleichsam in ein ÇWunderlandç hinein geboren wieder. Diese ÇGeburtç ist jedoch kurzlebig. Auch die wunder-

35 GefÛhl, Wahrnehmung, Absicht, Kontakt und Aufmerksamkeit stellen den ÇNameç-Aspekt dar und die vier Elemente - H¤rte, FlÛssigkeit, Hitze und Luft - zusammen mit der abgeleiteten Vorstellung der Form bilden den ÇFormç- Aspekt der Welt der Zauberei.

23 bare Zaubervorstellung geht, Çwie alle guten Dingeç zu Ende und das ist ihr Altern und Tod. Diese Illustration macht klar, da÷ die Existenz von Zauberei weder absolut bejaht noch verneint werden kann. Und was fÛr diese Zauberei gilt, gilt fÛr alle Ph¤nomene, die zusammenge- nommen die Zaubershow des Bewu÷tseins ausmachen. Die Tat- sache, da÷ Existenz eine relative Vorstellung ist, wird vom Welt- ling oft Ûbersehen. Der Buddha spricht: ÇDiese Welt, Kaccõyana, stÛtzt ihre An- sichten grÌ÷tenteils auf zwei Dinge: Auf Existenz und Nicht-Exi- stenz. Nun findet sich, Kaccõyana, bei einem, der mit rechter Weisheit das Entstehen der Welt, wie es wirklich ist, sieht, nicht die Ansicht der Nicht-Existenz der Welt. Und bei einem, der mit rechter Weisheit das Vergehen der Welt sieht, wie es wirklich ist, findet sich die Ansicht der Existenz der Welt nicht. Die Welt, Kaccõyana, ist grÌ÷tenteils dem Herantreten, Aufgreifen, Ein- dringen und Sich-Verstricken (im Bezug auf Ansichten) hinge- geben. Wer nicht herantritt, nicht aufgreift und sich nicht auf die- se Neigung zum Herantreten und Aufgreifen jenes geistigen Standpunkts - n¤mlich der Idee: ÇDas ist mein Selbstç - stÛtzt, der wei÷, da÷ das, was entsteht, nur Leiden ist und da÷ das, was ver- geht, nur Leiden ist. Dann zweifelt er nicht, wankt nicht und hat hierbei die Erkenntnis, die nicht von anderen abh¤ngig ist. Inso- weit, Kaccõyana, besitzt er die rechte Ansicht. ÇAlles existiertç, Kaccõyana, ist ein Extrem. ÇNichts exi- stiertç, ist das andere Extrem. Sich keinem dieser Extreme n¤- hernd lehrt der Tathõgata den Dhamma mit Hilfe des mittleren Weges: Durch Nicht-Wissen als Bedingung kommen Gestaltun- gen zustande; durch Gestaltungen als Bedingung ê Bewu÷tsein ... So kommt die Entstehung dieser ganzen Leidensmasse zustande. Durch das restlose Verschwinden und die Aufhebung eben je- nes Nicht-Wissens kommt die Aufhebung der Gestaltungen zu- stande; durch die Aufhebung der Gestaltungen - die Aufhebung des Bewu÷tseins; ... So kommt die Aufhebung dieser ganzen Leidensmasse zustande.ç 36

36 S II 17 Kaccõyanagotta Sutta (= S II 12,15)

24

Im Kontext des Gesetzes der Bedingten Entstehung scheint daher die ungewÌhnliche Aussage des Kõlakõrõma Sutta durchaus ge- rechtfertigt zu sein. Einen Standpunkt einzunehmen - wie es der Weltling tut - in Bezug auf Çwas auch immer gesehen, gehÌrt, empfunden, erkannt, erreicht, erstrebt und im Geist erwogen wirdç, ist dem hinter diesem umfassenden psychologischen Prin- zip stehenden Geist fremd. Der Buddha erkannte, da÷ alle welt- lichen Theorien und Standpunkte nur Çindividuelle Wahrheitenç sind, in denen die Menschen festsitzen. 37 Dogmatische Theorien, die zu absoluten Wahrheiten erkl¤rt werden, wurden von ihm als ÇStachelç angesehen, an dem Çdie Menschheit h¤ngt und aufge- spie÷t istç. Die weltlichen Begriffe von Wahrheit und Unwahr- heit haben einen fragwÛrdigen Hintergrund. Sie sind nur das Pro- dukt von Sinneswahrnehmung und werden auf dem Ambo÷ der Logik im Proze÷ des Formens dieser oder jener Theorie zurecht- geschmiedet. ÇNicht gibt es viele verschiedene Wahrheiten, die ewig sind auf der Welt, getrennt von Wahrnehmung. Nachdem sie entspre- chend der Logik Theorien formuliert haben, sprechen sie vom Doppelding des ÇWahr und Falschç. 38 Das Durcheinander von spekulativen Theorien bestand inso- fern nur aus Teilwahrheiten, da sie individueller Erfahrung ent- sprangen, die zu einem guten Teil von Vorurteilen gef¤rbt war. Insbesondere im AÆÆhakavagga des Sutta Nipõta wird die Psy- chologie hinter den Werturteilen des Weltlings bezÛglich Wahr- heit und Falschheit analysiert. Von Voreingenommenheit gelei- tet 39 entwickelt er von seinem Standpunkt ausgehend einen Be- griff von Wahrheit und prÛft seine GÛltigkeit in der Debatte, in der dann der dreifache DÛnkel - Çgleichç, ÇÛberlegenç, Çunterle-

37 Paccekasaccesu puth≠ niviÆÆh≠ (... auf Einzel-Wahrheit festgelegt.) Sn 824 38 Sn 886 39 ç Chandõnun¶to ruciyõ niviÆÆo é (... von Begehren geleitet und von Neigungen besessen.) Sn 781

25 genç - die Angelegenheit entscheidet. 40 Der Buddha zeigt auf, da÷, wenn der Sieg in der Debatte das entscheidende Kriterium ist, Wahrheit zu einer blo÷en Sache der Meinung wird. ÇNicht sage ich, da÷ das gÛltig ist, womit sie einander gegen- seitig Toren schelten. Die eigene Ansicht nennen sie die Wahr- heit, daher halten sie die andern fÛr Toren.ç 41

Die Selbstvoreingenommenheit, auf der Debatten gedeihen, ist manchmal das Ergebnis einer vermeintlichen spirituellen Erfah- rung. Diese tritt dann mit dogmatischem Ton zu Tage: ÇIch wei÷, ich sehe, genauso ist es.ç ( jõnõmi passõmi tatheva etaΩ )42 Wenn auch der Gegner von einer solchen Erfahrung angetrieben wird, die ihn aber zu einer unterschiedlichen Schlu÷folgerung ge- fÛhrt hat, erhalten wir einen unversÌhnlichen Konflikt. In den folgenden Worten zweier brahmanischer Sophisten finden wir ein klassisches Beispiel:

ÇP≠rana Kassapa, verehrter Gotama, behauptet allwissend und allsehend zu sein und vollkommenes Erkennen und Sehen zu be- sitzen. Er sagt: ÇOb ich gehe oder stehe, schlafe oder wache, Er- kennen und Sehen ist mir allzeit gegenw¤rtig.ç Und er sagt: ÇMit unendlicher Erkenntnis erkenne und sehe ich die Welt als unend- lich.ç Aber auch jener Niga±tha Nõthaputta, verehrter Gotama, behauptet allwissend und allsehend zu sein und vollkommenes Erkennen und Sehen zu besitzen. Auch er sagt: ÇOb ich gehe oder stehe, schlafe oder wache, Erkennen und Sehen ist mir allzeit ge- genw¤rtig.ç Und er sagt: ÇMit endlicher Erkenntnis erkenne und sehe ich die Welt als endlich.ç Wer nun aber, verehrter Gotama, von diesen beiden, die Verschiedenes und einander Widerspre-

40 Siehe die GuhaÆÆhaka, DuÆÆhaÆÆhaka, SuddhaÆÆhaka, ParamaÆÆhaka, Pas≠ra, Mõgandiya, Kalahavivõda, C≠laviy≠ha und Mahõviy≠ha Suttas des AÆÆhakavagga. 41 Sn 882 42 Sn 908 (Siehe Fu÷note 24)

26 chendes lehren, hat die Wahrheit gesprochen und wer die Un- wahrheit?ç 43

Der Buddha lehnt es jedoch ab, als Schiedsrichter in diesem Streit der Standpunkte zu agieren. Stattdessen sagt er: ÇGenug, ihr Brahmanen, la÷t das sein. 44 La÷t es gut sein mit eurer Frage: ÇWer nun aber, von diesen beiden, die Verschiedenes und einan- der Widersprechendes lehren, hat die Wahrheit gesprochen und wer die Unwahrheit?ç Brahmanen, ich werde euch den Dhamma darlegen. HÌrt aufmerksam zu ....ç Und er legte den Dhamma dar, indem er im Verlauf der Predigt aufzeigte, da÷ in der Termi- nologie der Edlen Çdie Weltç als die fÛnf Str¤nge der Sinnesge- nÛsse definiert ist, und da÷ Ç das Ende der Weltç die Arahant- schaft selbst ist.

Man kÌnnte sich fragen, warum der Buddha so eine klare Frage beiseite lie÷. Zum einen mu÷te Çdie Weltç dem Buddha nach neu definiert werden um so ihre ph¤nomenale Natur hervorzuheben. Doch gibt es vermutlich einen weiteren Grund. Die beiden Eh- renwerten, die an diesem Wettstreit um ”berlegenheit teil- nahmen, behaupteten allwissend zu sein, doch w¤hrend der erste Çeine unendliche Welt mit unendlicher Erkenntnisç sah, sah der zweite Çeine endliche Welt mit endlicher Erkenntnisç. 45 Nun

43 A IV, 428 f. (= A IX, 38) 44 Der Ausdruck Ç tiÆÆhatetam ç zeigt an, da÷ die Frage zu der Æhapan¶ya-paËha (ÇFragen, die beiseite gelassen werden sollten.ç) genannten Art gehÌrt - eine der vier Arten, in die alle Fragen von Buddha klassifiziert werden. Die ande- ren drei sind: ekaΩsavyõkaran¶ya (ÇFragen, die eine kategorische Antwort zulassen.ç), paÆipucchõvyõkaran¶ya (ÇFragen, die einer Gegenfrage bedÛrfenç) und vibhajjavyõkaran¶ya (ÇFragen, die einer analytischen Erkl¤rung bedÛr- fen.ç). Eine Reihe von zehn Fragen, die so von ihm beiseite gelassen wurden, wird technisch avyõkatavatth≠ni (Çunerkl¤rte Punkteç) genannt. Die zwei er- w¤hnten Standpunkte erscheinen auch dort in folgender Form: ÇIst die Welt endlich?ç bzw. ÇIst die Welt unendlich?ç. 45 Zu diesem Text gibt es eine verwirrende Anzahl verschiedener Lesarten, die einander gegenseitig widersprechen. Vielleicht wird die hier versuchte Inter-

27 kÌnnte der Erste innerhalb der Grenzen der Logik einen Fehler in der Position des Zweiten aufzeigen: ÇDu siehst eine endliche Welt, weil deine Erkenntnis begrenzt (d.h. endlich) ist.ç Aber auch der Zweite kann mit gleicher Berechtigung erwidern: ÇDu siehst doch nur eine unendliche Welt, weil es deiner Erkenntnis an EndgÛltigkeit (d.h. sie ist unendlich) fehlt.ç Mit anderen Wor- ten, w¤hrend der Erste die Erkenntnis des zweiten als un- vollkommen ansehen kann, weil jener nicht Ûber das hinaussehen kann, von dem er behauptet, es sei das ÇEnde der Weltç, kann der zweite die Erkenntnis des Ersten fÛr unvollkommen halten und sagen, das ÇEnde der Weltç sei jenseits ihrer Reichweite.

Dies ist die Art von Zirkelschlu÷ beim Argumentieren, die man oft in spekulativen Ansichten findet, die von weltlichen Philoso- phen vorgebracht werden. 46 Diejenigen, die dogmatisch an ihnen festhalten, werden mit den Blinden verglichen, die sich stritten und einander schlugen, als ihre individuellen Ansichten darÛber, wie ein Elefant aussieht, miteinander kollidierten.47 Es gibt jedoch eine Wahrheit, sie kennend wÛrden die Leute nicht streiten. 48 Diese Wahrheit ist das umfassende Verst¤ndnis des Entstehens, des Vergehens, der Befriedigung, des Elends und des ÇHeraustretensç in Bezug auf die Sinneserfahrung, auf der sich alle spekulativen Theorien grÛnden. ÇDa erkennt, ihr MÌnche, der Tathõgata also: ÇDiese Ansich- ten, auf diese Weise angenommen und festgehalten, werden sol- che Folgen haben, werden zu solcher zukÛnftigen Existenzform fÛhren. Das erkennt der Tathõgata und er erkennt noch darÛber hinaus. Doch diese Erkenntnis greift er nicht auf und nicht auf-

pretation einen Hinweis auf die korrekte Lesart der zwei in frage stehenden Standpunkte geben. 46 Siehe auch M II, 32 C≠úasakuludõyi Sutta (= M 79) 47 Ud 66 (= Ud 6.4) 48 Ç EkaΩ hi saccaΩ na dut¶yam atthi yasmiΩ pajõ no vivade pajõnaΩ é (ÇEins ist die Wahrheit, nicht gibt es eine zweite, sie kennend wÛrden die Leute nicht streiten.ç) Sn 884 .

28 greifend hat er in sich selbst Stillung ( nibbuti ) erkannt. Und weil er das Entstehen, das Vergehen, die Befriedigung, das Elend und das ÇHeraustretenç in Bezug auf GefÛhle der Wirklichkeit ge- m¤÷ verstanden hat, ihr MÌnche, ist der Tathõgata ohne Aufgrei- fen befreit.ç 49

49 D 1, Brahmajõla Sutta

29

5.5.5. Das wirbelnde Wechselspiel --- Bewu÷tsein versus NameName----undundundund----FormForm

Der herausragendste Beitrag, der vom Gesetz der bedingten Ent- stehung zu den ethischen, psychologischen und philosophischen Forschungen aller Zeiten geleistet wurde, ist die EnthÛllung, da÷ es einen Wirbel unter dem Flu÷ allen geistigen Lebens gibt. Fort- laufend einander stÛtzend und re-vitalisierend, w¤hrend sie sich wie verrÛckt im Kreise drehen, bilden ÇBewu÷tseinç und ÇName- und-Formç den saΩsõrischen Wirbel, den Sammelpunkt jegli- cher Existenz.

I. ÇGleichwie, Freund, wenn da zwei RohrbÛndel st¤nden, eines durch das andere gestÛtzt, ebenso ist Bewu÷tsein abh¤ngig von Name-und-Form und Name-und-Form ist abh¤ngig von Bewu÷t- sein; die sechs Sinnesgebiete von Name-und-Form, Kontakt von den sechs Sinnesgebieten, GefÛhl von Kontakt, Begehren von GefÛhl, Aufgreifen von Begehren, Werden von Aufgreifen, Ge- burt von Werden und Alter-und-Tod, Kummer, Jammer, Schmerz, Traurigkeit und Verzweiflung sind abh¤ngig von Ge- burt. So kommt die Entstehung dieser ganzen Leidensmasse zu- stande. Doch, Freund, wenn eines dieser zwei RohrbÛndel weg- gezogen wÛrde, wÛrde das andere umfallen und wÛrde das an- dere weggezogen, wÛrde das erste umfallen. Genauso, Freund, wird mit der Aufhebung von Name-und-Form Bewu÷tsein auf- gehoben, mit der Aufhebung von Bewu÷tsein wird Name-und- Form aufgehoben; mit der Aufhebung von Name-und-Form wer- den die sechs Sinnesgebiete aufgehoben, ... So kommt die Auf- hebung dieser ganzen Leidensmasse zustande.ç 50

50 S II, 114 NalakalõpiyaΩ (= S 2, 67)

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II. Dieses Bewu÷tsein kehrt um bei Name-und-Form, es geht nicht darÛber hinaus. 51 DiesbezÛglich kann man geboren werden oder altern oder sterben oder abscheiden oder wiedererscheinen, insofern n¤mlich Name-und-Form durch Bewu÷tsein bedingt ist, Bewu÷tsein durch Name-und-Form bedingt ist, die sechs Sinnes-

51 Die traditionelle ÇDrei-Leben-Interpretationç der Formel des paÆicca sa- muppõda , welche die ersten zwei Glieder auf eine vergangene Existenz be- zieht, sieht hier eine Schwierigkeit: Ç`Wenn Name-und-Form da ist, ist Bewu÷tsein da.´ Hier h¤tte auch erw¤hnt werden sollen, da÷ Bewu÷tsein da ist, wenn Gestaltungen da sind und da÷ Ge- staltungen da sind, wenn Nicht-Wissen da ist. Doch diese beiden wurden hier nicht berÛcksichtigt. Daher repr¤sentieren Nicht-Wissen und Gestaltungen die vergangene Existenz. Diese Einsicht verbindet sich jedoch nicht mit ihnen, denn der Erhabene befa÷t sich mit der Gegenwart. Ist es denn nicht eine Tatsache, da÷ man, solange Nicht-Wissen und Gestal- tungen unerkannt bleiben, kein Buddha werden kann? Stimmt, man kann es nicht. Aber, an dieser Stelle mu÷ die Erkl¤rung der Bedingten Entstehung im Detail gegeben werden um zu zeigen, da÷ sie (d.h. die zwei vorher genannten Glieder) von ihm in der Form der (drei Glieder) ÇWerdenç, ÇAufgreifenç und ÇBegehrenç gesehen wurden. Diese Erkl¤rung wurde jedoch bereits im Vi- suddhimagga gegeben.ç ( D. A. ) Diese Schwierigkeit wÛrde nicht entstehen, wenn wir Bewu÷tsein und Name- und-Form als den Wirbel aller saΩsõrischen Existenz - vergangen, gegenw¤r- tig und zukÛnftig - identifizieren. Da es Çnur insofernç so ist, da÷ es ein Gebiet der Weisheit ( ettõvatõ paËËõvacaraΩ ) gibt, existiert keine MÌglichkeit dar- Ûber hinaus zu gehen. Es ist gerade die Unwissenheit Ûber diesen Wirbel, die das erste Glied der Formel darstellt und das verblendete, wirbelnde Wechsel- spiel, das daraus entsteht, ist das zweite Glied (Gestaltungen). Durch das rech- te Verst¤ndnis dieser Situation wird das bedeutungslose Wechselspiel zur Aufhebung gebracht. So gesehen fehlt im Mahõpadõna Sutta eigentlich gar nichts. Das Gesetz der Bedingten Entstehung ist eine edle Norm ( ariyo Ëõyo ), die in ihrer ganzen zwÌlfgliedrigen Vollst¤ndigkeit sogar von einem Stromeingetre- tenen ( sotõpanna ), der keine Kenntnis vergangener Leben besitzen mag, mit Weisheit gesehen und wohl durchdrungen ( paËËõya sudiÆÆho hoti sup- paÆividdho ) werden kann. (Siehe A V, 184 (= A X, 92).

31 gebiete durch Name-und-Form bedingt sind, ... So kommt die Entstehung dieser ganzen Leidensmasse zustande.ç 52

III. ÇNur insofern, önanda, kann man geboren werden oder altern oder sterben oder abscheiden oder wiedererscheinen, nur inso- fern gibt es einen Weg fÛr sprachlichen Ausdruck, nur insofern gibt es einen Weg fÛr FachausdrÛcke, nur insofern gibt es einen Weg fÛr Bezeichnungen, nur insofern gibt es das Gebiet der Weisheit, nur insofern wird die Runde (saΩsõrischen Lebens) in Gang gehalten, so da÷ es eine Bezeichnung der Bedingungen die- ser Existenz gibt: n¤mlich hinsichtlich Name-und-Form zusam- men mit Bewu÷tsein.ç 53

In diesem Wechselspiel der beiden GegenstÛcke scheint Bewu÷t- sein Aktualit¤t zu repr¤sentieren, w¤hrend Name-und-Form 54 fÛr Potentialit¤t steht. Wenn Name-und-Form Çw¤chstç, 55 seine Vita- lit¤t vom Bewu÷tsein erhaltend, l¤÷t es die Infrastruktur der sechs Sinnesgrundlagen oder Sinnesgebiete entstehen. Diese erfahren mit Hilfe der unterscheidenden Funktion des Bewu÷tseins eine Aufspaltung in Çinnenç ( ajjhattika ) und Çau÷enç ( bõhira ). Die nachfolgenden Prozesse von Kontakt, GefÛhl, Begehren, Auf- greifen und Werden stellen das Lebendigwerden jener von Na- me-und-Form angedeuteten Potentialit¤ten dar. Mit dem ÇWer- denç ( bhava ) ist der Teufelskreis vollst¤ndig - ÇGeburtç wird ge- boren und bringt die unschÌne Aussicht auf Alter-und-Tod, Kummer, Jammer, Schmerz, Traurigkeit und Verzweiflung mit sich. Die zwei Glieder Nicht-Wissen und Gestaltungen sind, ob- wohl sie in den drei oben zitierten Stellen nicht erw¤hnt werden,

52 D II,32 Mahõpadõna Sutta (= D 14) 53 D II. 63 Mahõnidõna Sutta (= D 15) 54 ÇGefÛhl, Wahrnehmung, Absicht, Kontakt, Aufmerksamkeit - diese, Freun- de, nennt man ÇNameç. Die vier gro÷en Elemente und die durch sie bedingte Form - diese, Freunde, nennt man ÇFormç.ç M I,53 SammõdiÆÆhi Sutta (= M 9) 55 Siehe D II,63 Mahõnidõna Sutta (= D 15)

32 nichtsdestoweniger mit inbegriffen. Denn das Dunkel des Nicht- Wissens liefert den Hintergrund fÛr dieses Wechselspiel, w¤h- rend Gestaltungen sich zugleich als das Vorspiel zu und die trei- bende Kraft hinter diesem narzi÷tischen Wechselspiel direkt ma- nifestieren.

Zum Zwecke der Illustration kÌnnen wir uns fÛr einen Moment einem Kricketspiel zuwenden. Hier erkennt das Bewu÷tsein die Gegenwart zweier Seiten als eine Vorbedingung fÛr das Spiel, w¤hrend Name-und-Form die Regeln, die Vorgehensweise und die AusrÛstungsgegenst¤nde des Spiels repr¤sentieren. 56 Die sechs Sinnesgebiete, die das Bewu÷tsein in Çinnenç und Çau÷enç aufspaltet, sind die fÛr das Spiel aufgestellten Mannschaften. Mit Kontakt, GefÛhl, Begehren, Aufgreifen und Werden ist das Kri- cketmatch in vollem Gange. Geburt-Alter-und-Tod usw., stehen fÛr die unvermeidlichen Wechself¤lle des Spiels. Auch da÷ alle Wege fÛr sprachlichen Ausdruck, Terminologie und Bezeichnung im Wirbel von Bewu÷tsein und Name-und- Form zusammenlaufen, wird von dieser Analogie ausreichend illustriert, denn die Bedeutung des Spiels h¤ngt davon ab, da÷ man sich bewu÷t ist, da÷ es ein Kricketmatchs ist, mit allen Imp- likationen wie Personen, AusrÛstung und Regeln.

Im weiteren Zusammenhang unserer saΩsõrischen Existenz ma- nifestiert sich das wirbelnde Wechselspiel zwischen Bewu÷tsein und Name-und-Form als eine Art Double-bind (Doppelbindung) (jaÆõ ) - Çein Geflecht innenç und Çein Geflecht au÷enç. 57 Bewu÷t-

56 Es w¤re vielleicht nicht unpassend, die fÛnf Bestandteile von ÇNameç, also 1. Kontakt, 2. GefÛhl, 3. Wahrnehmung, 4. Absicht und 5. Aufmerksamkeit, mit den folgenden Aspekten des Spiels zu identifizieren: 1. der Wettbewerb, 2. die gehobene Stimmung, Niedergeschlagenheit oder Langeweile im Verlauf des Spiels, 3. die Anzeigetafel, 4. die Aussicht auf Gewinn und 5. das Beobachten des Spiels. ÇFormç wÛrde in diesem Zusammenhang aus den an dem Spiel beteiligten Personen und AusrÛstungsgegenst¤nden bestehen. 57 Ç Anto jaÆõ bahijaÆõ - jaÆõya jaÆitõ pajõ .ç S I, 13 JaÆõ Sutta (= S 1, 23)

33 sein als Subjekt findet sich immer mit Name-und-Form als dem Objekt konfrontiert, von dem abh¤ngend es die Vorstellungen Widerstand ( paÆigha ) und Form ( r≠pasaËËa ) entwickelt. Es folgt ein Wechselspiel, das so komisch wie tragisch ist, da es eine peti- tio principii enth¤lt, eine Existenzbehauptung, die einem logi- schen Zirkelschlu÷ gleichkommt.

Da das Kriterium der Wirklichkeit eines Dinges, 58 gerade die Auswirkung ist, die es auf der Erfahrensseite hat, mag die Anf¤l- ligkeit des Weltlings an Name-und-Form als wirklich festzuhal- ten, erkl¤rt werden mit dem Hinweis auf ÇKontaktç (phassa ), der davon abh¤ngig ist. Dem Buddha zufolge ist Kontakt eine Kreu- zung, die Eigenschaften aufweist, die beiden als ÇNameç und ÇFormç bezeichneten Gruppen zu eigen sind. Die folgende Be- handlung dieses speziellen Problems ist wahrscheinlich fÛr den modernen Psychologen und Philosophen von immensem Wert.

ÇDurch Name-und-Form als Bedingung kommt Kontakt zu- stande 59 - das ist zuvor gesagt worden. Und das önanda, sollte auch folgenderweise verstanden werden, n¤mlich wie durch Na- me-und-Form als Bedingung Kontakt entsteht. Wenn, önanda, all jene Merkmale, Charakteristiken, Zeichen und EigentÛm- lichkeiten, durch welche die Name-Gruppe ( nõmakõya ) bezeich- net wird, abwesend w¤ren, wÛrde sich da irgendein sprachlicher Eindruck ( adhivacanasamphassa ) in der Form-Gruppe (r≠pakõya ) zeigen?ç ÇGewi÷ nicht, Herr.ç ÇWenn, önanda, all jene Merkmale, Charakteristiken, Zei- chen und EigentÛmlichkeiten, durch welche die Form-Gruppe

ÇEin Geflecht innen, ein Geflecht au÷en, Diese Welt ist in ein Geflecht verstrickt.ç 58 Siehe Kapitel 3 59 Die sechs Sinnesgebiete werden hier weggelassen, doch ihre Rolle ist in die- ser umfassenden Untersuchung des Kontakts ausreichend inbegriffen. Man beachte auch, da÷ die sechs Sinnesgebiete auch oft cha phassõyatanõni ge- nannt werden.

34 bezeichnet wird, abwesend w¤ren, wÛrde sich da irgendein Wi- derstandseindruck ( paÆighasamphassa ) in der Name-Gruppe zei- gen?ç ÇGewi÷ nicht, Herr.ç ÇUnd wenn, önanda, all jene Merkmale, Charakteristiken, Zeichen und EigentÛmlichkeiten, durch die es eine Bestimmung beider, der Name-Gruppe und der Form-Gruppe gibt, abwesend w¤ren, wÛrde sich da irgendein sprachlicher Eindruck oder ir- gendein Widerstandeindruck zeigen?ç ÇGewi÷ nicht, Herr.ç ÇUnd wenn, önanda, all jene Merkmale, Charakteristiken, Zeichen und EigentÛmlichkeiten, durch die eine Bestimmung von Name-und-Form zustande kommt, abwesend w¤ren, wÛrde sich dann irgendein Kontakt zeigen?ç ÇGewi÷ nicht, Herr.ç ÇDarum eben, önanda, ist dies der Grund, dies die Ursache, dies der Ursprung, dies die Bedingung fÛr Kontakt, n¤mlich Na- me-und-Form.ç 60

Die Relevanz von Zeichen fÛr das Thema ÇKontaktç wird in die- ser Untersuchung durchg¤ngig ersichtlich. Sowohl die Name- Gruppe als auch die Form-Gruppe erhalten ihre jeweiligen Be- stimmungen aufgrund von ÇMerkmalen, Charakteristiken, Zei- chen und EigentÛmlichkeitenç. Das Au÷ergewÌhnlichste an ih- nen ist jedoch die Tatsache, da÷ ihre Bedeutung voneinander ab- h¤ngig ist - eine merkwÛrdige RÛckbezÛglichkeit. Ein sprachli- cher Eindruck im Hinblick auf die Form-Gruppe ist Ûberhaupt erst mÌglich, weil es jene Merkmale, Charakteristiken, usw. gibt, die der Name-Gruppe zu eigen sind. Die Vorstellung von ÇFormç etabliert sich nur, wenn die Bestandteile der Name-Gruppe (d.h. GefÛhl, Wahrnehmung, Absicht, Kontakt, Aufmerksamkeit) aus- reichend damit Çexperimentiertç haben. Sogar die sogenannten vier gro÷en Elemente oder Urprinzipien sind Gegenstand dieses GÛltigkeitstests, ohne den sie einfach nicht bestehen kÌnnten. So repr¤sentieren Erde, Wasser, Feuer und Luft eigentlich die Erfah-

60 D II, 63 Mahõnidõna Sutta (= D 15)

35 rungen von Festigkeit, FlÛssigkeit, Hitze und Bewegung, in de- nen die Name-Gruppe ihre Rolle spielt. Als ÇElementeç sind sie blo÷e Abstraktionen, doch sie kommen in den Bereich von Kon- takt als ÇFormç oder ÇMaterieç ( r≠pa ) in der Verkleidung eines sprachlichen Eindrucks, 61 der je nach Grad des Vorherrschens ih- rer jeweiligen Eigenschaften zwischen ihnen unterscheidet. Die Name-Gruppe ihrerseits verdankt ihre GÛltigkeit den Merkma- len, Charakteristiken, usw. die der Form-Gruppe zu eigen sind. Der Eindruck von Widerstand oder Einwirkung (impact) geht Hand in Hand mit der Begrifflichkeit von Form oder Materie, da die eigentliche Einwirkung (d.h. Einwirkung par excellence) als etwas, das wirkt (it matters), im allgemeinen mit Materie (matter) verbunden wird. (Sehen hei÷t glauben, aber BerÛhren ist das Wahre! Engl. Sprichwort) Daher finden GefÛhl, Wahrnehmung, Absicht, Kontakt und Aufmerksamkeit Çwahreç Objekte in der Welt der Materie. Mit anderen Worten, Einwirkung oder Sinnes- reaktion ist prim¤r mit den Zeichen, die der Form-Gruppe zuge- hÌren ( paÆigha-samphassa ) verbunden und nur sekund¤r und me- taphorisch mit denen der Name-Gruppe ( adhivacanasamphassa ). Diese Komplexit¤t der Beziehung von Name-und-Form zu Kon- takt weist darauf hin, da÷ der Buddhismus keine Zweiteilung zwischen Geist und Materie anerkennt. Statt dessen zeigt er auf, da÷ Geistiges und Materielles untrennbar in einem ÇGeflecht in- nenç und einem ÇGeflecht au÷enç miteinander verwoben sind. Man sieht, da÷ Name-und-Form eine zweifache Rolle spielt. In organischer Kombination mit dem Bewu÷tsein findet es sich be- reits im Individuum, wie der Begriff Ç saviËËõnaka-kõya ç (der bewu÷te KÌrper) zum Ausdruck bringt. Dies ist das ÇGeflecht in- nenç. Als Ding, das mit diesem Çbewu÷ten KÌrperç gemessen werden mu÷, wird Name-und-Form auch nach au÷en in Zeichen (nimitta ) hinein projiziert, die der Interpretation und Bewertung bedÛrfen. Die Çinnerenç Sinnesgrundlagen und die Ǥu÷erenç Sinnesgrundlagen sind beide Teil von Name-und-Form. Die

61 ÇDie vier gro÷en Elemente, MÌnche, sind die Ursache, die vier gro÷en Ele- mente sind die Bedingung fÛr die Bezeichnung der Form-Gruppe.ç M III, 17 Mahõpu±±ama Sutta (= M 109)

36 ÇMa÷einheitç und das gemessene Ding setzen einander voraus, wie man aus den folgenden Suttenstellen schlie÷en kann:

I. ÇName, Freund, ist das eine Ende, Form ist das andere Ende; Bewu÷tsein ist in der Mitte; und Begehren ist die N¤herin, denn es ist Begehren, das beide Enden zum Entstehen dieser oder jener (Form von) Existenz zusammenn¤ht ...ç 62

II. ÇDie sechs inneren Sinnes-Gebiete sind das eine Ende, die sechs ¤u÷eren Sinnesgebiete sind das andere Ende; Bewu÷tsein ist in der Mitte; und Begehren ist die N¤herin ...ç63

III. ÇEinem Toren, vom Nicht-Wissen gehemmt und vom Begeh- ren gefesselt, ist dieser KÌrper entstanden. So gibt es diesen KÌr- per ( ayaËceva kõyo ) und au÷en Name-und-Form ( bahiddhõ ca nõmar≠paΩ ) - so besteht diese Zweiheit. Durch die Zweiheit be- dingt gibt es Kontakt und nur sechs Sinnesgebiete.ç64

IV. ÇWie Herr, wei÷ man, wie sieht man, so da÷ man hinsichtlich beider, dieses bewu÷ten KÌrpers ( imasmiËca saviËËõ±akekõye ) und auch aller ¤u÷eren Zeichen ( bahiddhõ ca sabbanimittesu ) der Geist sich von Vorstellungen des ÇIchç und ÇMeinç und vom eit- len W¤hnen entfernt hat und alle Unterscheidungen Ûberschrei- tend (vidhõsamatikkantaΩ ) Frieden findet und wirklich befreit ist?ç 65

Im Zusammenhang der zwei ÇGeflechteç wÛrde jede strenge Trennung zwischen ÇGeistç und ÇMaterieç, wie sie von weltli- chen Philosophen gesehen wird, als allzu grobe Vereinfachung der Tatsachen erscheinen. Jeder Versuch, das Problem zu lÌsen, indem man einen ausschlie÷lich idealistischen oder realistischen

62 A III, 400 (= A VI, 61) 63 A III, 400 (= A VI, 61) 64 S II, 23 (= S 12,19) 65 S II, 253 (= S 18,22)

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Standpunkt einnimmt, ist zum Scheitern verurteilt. Nach Auffas- sung des Buddha lag die einzige LÌsung im Durchschlagen die- ses gordischen Knotens:

ÇWo Name-und-Form, als auch Sinnesreaktion und die Wahrnehmung von Form restlos abgeschnitten sind, dort wird das Geflecht zerrissen.ç 66

Die Tendenzen, die mit dem wirbelnden Wechselspiel zwischen Bewu÷tsein und Name-und-Form einsetzen, setzen sich in den folgenden Gliedern der Formel der Bedingten Entstehung fort. Die sechs Sinnesgebiete gabeln sich auf und erzeugen die Zwei- teilung eines ÇInnenç und eines ÇAu÷enç mit den sie begleiten- den Vorstellungen eines Çhierç und eines Çdortç. Kontakt ist in einem spezifischen Sinn das Nachspiel eben dieser Zweiteilung. Er impliziert ein Prinzip der Unterscheidung zwischen zwei Din- gen und Bewu÷tsein erfÛllt diese Voraussetzung. ÇBedingt durch das Auge und die Formen, Freunde, entsteht Sehbewu÷tsein, das Zusammenkommen der drei ist Kontakt ...ç 67 Das kanonische Gleichnis des Aneinanderreibens zweier StÌcke illustriert diesen Aspekt des Kontakts. 68 Beim GefÛhl angelangt wird dann die Spaltung eindeutig genug um die Vorstellung ÇIch binç hervorzu- rufen: ÇWo es, Freund, Ûberhaupt kein GefÛhl gibt, wÛrde es da

66 Ç Yattha nõmaËca r≠paËca - asesaΩ uparujjhati paÆighaΩ r≠pasaËËõca - ettha sõ chijjate JaÆõ.ç S I 13 (= S 1,23) 67 M I, 111 Madhupi±dika Sutta (= M 18) 68 ÇGleichwie, MÌnche, durch das Zusammenkommen zweier StÌcke mittels Reibung Hitze entsteht und Feuer erzeugt wird und durch die Trennung, das Beiseitelegen eben dieser zwei StÌcke, was immer auch fÛr Hitze dadurch ent- standen war, aufhÌrt und schwindet; ebenso sind diese drei GefÛhle aus Kon- takt entsprungen, wurzeln im Kontakt, aus Kontakt entstanden, bedingt durch Kontakt. Bedingt durch spezifischen Kontakt entstehen die entsprechenden GefÛhle und mit der Aufhebung eines spezifischen Kontakts werden die ent- sprechenden GefÛhle aufgehoben.ç S IV 215 (= S 36,10). Vergleiche dieses Gleichnis mit dem, was oben Ûber die çeigentliche Einwirkungç gesagt wurde.

38 eine solche Vorstellung wie ÇIch binç geben? Gewi÷ nicht, Herr.ç 69 Hier wird die unterscheidende Funktion des Bewu÷t- seins durch die Unterscheidung dreier GefÛhlstÌnungen ersicht- lich und infolgedessen findet man manchmal auch Bewu÷tsein selbst definiert durch den Begriff des unterscheidenden Erken- nens ( vijõnõti ) der drei GefÛhlsqualit¤ten: Çangenehmç ( sukha ), Çunangenehmç ( dukkha ) und Çweder-angenehm-noch-unange- nehmç ( adukkhamasukha ). 70 Aus dieser Unterscheidung heraus entsteht Begehren (oder ÇDurstç) nach dem Angenehmen und folglich ein ÇSichausstreckenç danach, ein ÇAufgreifenç. In dem Proze÷ des ÇAufgreifensç ist eine Art Projektion des Begehrens 71 enthalten, wodurch sich der Spalt in der Erfahrung zu einer deut- lichen Kluft zwischen Subjekt und Objekt weitet. ÇWerdenç oder ÇExistenzç ist der Scheinversuch diese Kluft zu ÛberbrÛcken, welche jedoch fÛr immer unÛberbrÛckbar bleibt, weil das Mate- rial auf das man baut st¤ndig nach unten wegbricht. Und doch un- terstÛtzt es irgendwie den Wahn eines Egos, den Wahn ÇIch binç (asmimõna ). Vom Standpunkt des Egos aus betrachtet, er- scheinen die Dinge, an denen man h¤ngt ( upõdõna ), als StÛtzen (upadhi ), und man ist gerade auf die Dinge stolz, von denen man abh¤ngig ist. So werden Verbindlichkeiten als Aktivposten ange- sehen und aus niederer Sklaverei wird kleingeistige Herrschaft. Die Verdrehung ist vollst¤ndig und die Doppelbindung wird zu einer vollendeten Tatsache. Das Ich findet sich nun in eine Welt von Zuneigungen und Abneigungen Çhineingeborenç, in der es Alter-und-Tod, Kummer, Jammer, Schmerz, Traurigkeit und Verzweiflung unterworfen ist.

69 D II, 67 Mahõnidõna Sutta (= D 15) M I, 292 70 M I, 292 Mahõvedalla Sutta (= M 43) 71 Vergl.: Ç nati ç Inklination, Neigung

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6.6.6. ÇSelbstç --- Der Standpunkt

Die Geburt des ÇIchç oder ÇSelbstç als ÇIndividuumç72 aus dem wirbelnden Wechselspiel heraus ist gleichzeitig die Geburt eines Standpunkts. PersÌnlichkeitsansicht 73 in ihren zwanzig Auspr¤- gungen, stellt den verzweifelten Versuch des illusion¤ren Selbst dar, durch das Aufgreifen der fÛnf Gruppen fÛr sich selbst eine Grundlage zu bauen. Und das, obwohl sich diese Gruppen st¤n- dig auflÌsen.

ÇAngenommen, ihr MÌnche, es w¤re da ein weither von den Ber- gen kommender Flu÷ mit rei÷ender StrÌmung, alles mit sich ab- w¤rts schwemmend. An seinen Ufern wÛchse Ûberh¤ngendes Kasagras, Ûberh¤ngendes Kusagras, Ûberh¤ngendes Babbajagras, Ûberh¤ngendes Biranagras, Ûberh¤ngende B¤ume. Ein Mann, der von der StrÌmung fortgespÛlt wÛrde, hielte sich am Kasagras fest, doch es wÛrde brechen und dadurch wÛrde er Leiden erfahr- en. Er hielte sich am Kusagras fest ... Er hielte sich am Babbaja- gras fest ... Er hielte sich am Biranagras fest ... Er hielte sich an den B¤umen fest, doch auch diese wÛrden brechen und dadurch wÛrde er Leiden erfahren.

72 ÇUnd was, ihr MÌnche, ist Geburt? Die Geburt der verschiedenen Wesen in verschiedenen Arten, ihr Entstehen, ihr Herabstieg (d.h. Empf¤ngnis), ihr Ein- tritt ins Dasein, das Erscheinen der Daseinsgruppen, die Erlangung der Sin- nesgebiete, das nennt man Geburt. S II. 3 (= S 12,2) ÇGeburtç ist im weitesten Sinne, nach der Ariyapariyesanõ Sutta - M I. 162 (= M 26) sogar auf ÇGold und Silberç ( jõtar≠parajataΩ ) anwendbar, denn alle ÇBezÛgeç ( upadhi ) sind der Geburt unterworfen ( Jõtidhammõ h´ete bhikkhave upaddhayo ê M 26). 73 SakkõyadiÆÆi - wÌrtlich: die Çexistierende-KÌrperç-Ansicht.

40 Ebenso, ihr MÌnche, betrachtet der unerfahrene, gewÌhnliche Mensch, der die Edlen nicht kennt, der des Dhamma der Edlen unkundig ist, ungeÛbt im Dhamma der Edlen, der die guten Men- schen nicht kennt, der des Dhamma der guten Menschen unkun- dig ist, ungeÛbt im Dhamma der guten Menschen, Form als das Selbst oder das Selbst als Form besitzend oder Form als im Selbst oder das Selbst als in der Form. Doch seine Form lÌst sich auf und dadurch erf¤hrt er Leiden. Ebenso mit GefÛhl, Wahrneh- mung, Gestaltungen und Bewu÷tsein.ç 74

Es ist die TragÌdie der Doppelbindung, da÷ die fÛnf Gruppen trotz ihrer verg¤nglichen Natur den Ich-bin-DÛnkel des Indivi- duums stÛtzen, gleich einem Spiegel, der das Bild desjenigen re- flektiert, der in ihn blickt.

ÇIn Abh¤ngigkeit, Freund önanda, besteht (die Vorstellung) ÇIch binç, nicht ohne Abh¤ngigkeit. In Abh¤ngigkeit wovon besteht der ÇIch-bin-DÛnkelç? In Abh¤ngigkeit von Form besteht der ÇIch-bin-DÛnkelç, nicht ohne Abh¤ngigkeit. In Abh¤ngigkeit von GefÛhl ... Wahrnehmung ... Gestaltungen ... In Abh¤ngigkeit von Bewu÷tsein besteht der ÇIch-bin-DÛnkelç nicht ohne Abh¤ngig- keit. Wie wenn, Freund önanda, eine junge Frau oder ein junger Mann, der sich gerne schmÛckt, das Bild ihres oder seines Ge- sichtes in einem sauberen, fleckenlosen Spiegel oder in einer Schale klaren Wassers betrachtete, dann sehen sie es in Abh¤n- gigkeit von etwas (vom Spiegel oder der Wasserfl¤che), nicht ohne Abh¤ngigkeit. Ebenso, Freund önanda, besteht ÇIch binç in Abh¤ngigkeit von Form, nicht ohne Abh¤ngigkeit. In Abh¤ngig- keit von GefÛhl ... Wahrnehmung ... Gestaltungen ... In Abh¤n- gigkeit von Bewu÷tsein besteht ÇIch binç nicht ohne Abh¤ngig- keit.ç 75

74 S III, 137 Nad¶ Sutta (= S 22,93) 75 S III, 105 önanda (= S 22,83)

41

Wenn ÇSelbstheitç in der Reflektion des unwissenden Weltlings als etwas Selbstverst¤ndliches erscheint, so ist es aufgrund dieser mi÷lichen Lage, in der er sich befindet. Das Selbstbild folgt ihm wie ein Schatten, den man weder Ûberholen noch entkommen kann. Daher kann man mit den Çselbstç-geschaffenen Problemen beider, des Ewigkeitsgl¤ubigen wie auch des Nihilisten, mitfÛh- len. Die Verwirrung des Eternalisten angesichts der Verg¤nglich- keit ist leicht verst¤ndlich. Beim Nihilisten ist das vielleicht et- was schwieriger. Dieser mu÷, sobald er den Blick nach innen wendet, bestÛrzt feststellen, da÷ ihm das ÇSelbstç, welches er so vehement verneinte, dicht auf dem Fu÷e folgt. Daher ist man, e- gal ob man den Standpunkt Ç Ich habe eine Seeleç einnimmt oder den entgegengesetzten Standpunkt Ç Ich habe keine Seeleç ver- tritt, auf die eine oder andere Weise gebunden. 76

76 In der Sabbõsava Sutta ( M I,8 = M I,2) schlie÷t der Buddha diese zwei An- sichten in die sechs ein, von denen gesagt wird, da÷ sie in jemand entstehen, der in der folgenden Weise falsch reflektiert: ÇWar ich in der Vergangen- heit?ç, ÇWar ich nicht in der Vergangenheit?ç, ÇWas war ich in der Vergan- genheit?ç, ÇWie war ich in der Vergangenheit?ç, ÇAls ich was gewesen war, wurde ich was in der Vergangenheit?ç Ç Werde ich in der Zukunft sein?ç ÇWerde ich in der Zukunft nicht sein?ç, ÇWas werde ich in der Zukunft sein?ç, ÇWie werde ich in der Zukunft sein?ç, ÇNachdem ich was gewesen bin, was werde ich in der Zukunft werden?ç. Oder es erfÛllen ihn Zweifel Ûber die Ge- genwart: ÇBin ich?ç, ÇBin ich nicht?ç, ÇWas bin ich?ç, ÇWie bin ich?ç, ÇWo- her ist dieses Wesen gekommen?ç, ÇWohin wird es gehen?ç. Diese Art der Reflektion fÛhrt in einen Dschungel der Ansichten, weil man das ÇIchç von vornherein als gegeben annimmt. Die richtige Reflektion orientiert sich an den Vier Edlen Wahrheiten, da alles, was entsteht und vergeht, Leiden ist. Die zwei Fragen Vacchagottas ( S IV,400 = S IV 44,10): ÇGibt es eine Seele?ç oder ÇGibt es keine Seele?ç enthielten die selbe aus falscher Reflektion ent- standene Annahme. Daher das Schweigen des Buddha. Da der Buddha fÛr sei- nen Teil keine Vorstellung einer Seele hatte, die ja nur eine Erfindung der Einbildungskraft des Weltlings ist, pflegte er sie nur dann zu verneinen, wenn sie mit spezifischem Bezug auf die eine oder andere Gruppe postuliert wurde. So stellte er zum Beispiel, bevor er PoÆÆhapõdas Frage, ÇIst Wahrnehmung die Seele eines Menschen oder ist Wahrnehmung ein Ding und die Seele ein ande- res?ç beantwortete, die Gegenfrage: ÇWas meinst du mit einer Seele?ç - D I,185 PoÆÆhapõda Sutta (= D 9)

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Ç... Der Tathõgata, ihr MÌnche, erkennt: Es gibt Asketen und Brahmanen, die verkÛnden die AuflÌsung, ZerstÌrung, Vernich- tung des existierenden Wesens. Aus Angst vor dem existierenden KÌrper ( sakkõya ), aus ”berdru÷ gegenÛber dem existierenden KÌrper laufen sie wieder und wieder, drehen sie sich wieder und wieder um diesen existierenden KÌrper herum. Gleichwie ein Hund, der mit einer Leine an einen festen Pfahl oder Pfosten ge- bunden ist, wieder und wieder um diesen Pfahl oder Pfosten he- ruml¤uft, sich herumdreht, so laufen auch diese weltlichen Aske- ten und Brahmanen aus Angst vor dem existierenden KÌrper, aus ”berdru÷ gegenÛber dem existierenden KÌrper wieder und wie- der um diesen existierenden KÌrper herum, drehen sich um ihn.ç 77

Da die Selbst-Besessenheit bestehen bleibt, ob man nun auf den Schatten zu oder vor ihm davon l¤uft, besteht die vom Buddha vorangetriebene LÌsung im Verst¤ndnis der bedingten Natur der fÛnf Gruppen des Aufgreifens, um dadurch den Schatten als das, was er ist, zu erkennen.

ÇWer die Bedingte Entstehung sieht, sieht den Dhamma und wer den Dhamma sieht, sieht die Bedingte Entstehung. Diese sind nur bedingt entstanden, n¤mlich die fÛnf Gruppen des Aufgreifens. Jenes Begehren, Anhaften, jene Verwicklung und Verstrickung in Bezug auf diese fÛnf Gruppen des Aufgreifens ist das Entste- hen von Leiden und jene ZÛgelung, jenes Aufgeben von Begeh- ren-und-Lust an diesen fÛnf Gruppen des Aufgreifens ist die Aufhebung des Leidens.ç 78

Dadurch, da÷ man die Dinge, wie sie wirklich sind, im Lichte der Weisheit sieht, versteht man, da÷ der Schatten von einem be- schr¤nkten Standpunkt aus im Dunkel des Nicht-Wissens, ge-

77 M II,232 PaËcattaya Sutta (= M 102) 78 M I,191 Mahõhatthipadopama Sutta (= M 28)

43 worfen wird. Diese Sicht oder Erkenntnis ist das Ergebnis des Aufgehens des staubfreien, fleckenlosen ÇAuges der Wahrheitç (virajaΩ v¶tamalaΩ dhammacakkhuΩ ) - auch das ÇAuge der Weisheitç ( paËËõcakkhu ) genannt - das dem Stromeingetretenen die edle Norm enthÛllt, die in den Worten zusammengefa÷t wird: ÇWas auch immer die Eigenschaft hat zu entstehen, das hat die Eigenschaft zu vergehenç ( yaΩ kiËci samudayadhammaΩ sab- baΩ taΩ nirodhadhammaΩ ). 79 Die Ent-T¤uschung, die aus dieser ungewÌhnlichen Sicht hervorgeht, ist so durchdringend und ver- wandelnd, da÷ sie der Buddha mit dem Fall eines von Geburt an blinden Mannes vergleicht, der, sobald er das Augenlicht erlangt, entt¤uscht ist Ûber das schmutzige und besudelte Gewand, mit dem man ihn betrogen hatte. Und genauso wie jener Mann den BetrÛger, der ihm das Gewand gab und behauptet hatte, es sei ein schÌnes StÛck rein wei÷en Tuches, mit Mi÷fallen betrachten wÛrde, so erf¤hrt auch der Edle JÛnger mit dem Erlangen des ÇAuges der Wahrheitç einen Sinneswandel seinem eigenen Geist gegenÛber: Ç... Ebenso, Mõgandiya, wenn ich dich den Dhamma lehrte und jenen Zustand der Gesundheit aufzeigte - jenes Nibbõna - und wenn du deinerseits jenen Zustand der Gesundheit verstÛndest und jenes Nibbõna s¤hest, wÛrde dir, gleichzeitig mit dem Aufgehen des Auges in dir, was immer du auch an Begeh- ren-und-Lust fÛr diese fÛnf Gruppen des Aufgreifens hattest, vergehen und du wÛrdest denken: ÇLange Zeit hindurch, wahr- lich, bin ich von diesem Geist betrogen, get¤uscht, hintergangen worden! Denn wenn ich aufgegriffen habe, war es nur Form, die ich aufgegriffen habe, war es nur GefÛhl, das ich aufgegriffen habe, war es nur Wahrnehmung, die ich aufgegriffen habe, waren es nur Gestaltungen, die ich aufgegriffen habe, war es nur Be- wu÷tsein, das ich aufgegriffen habe. Und aus meinem Aufgreifen entsteht Werden, aus Werden Geburt, aus Geburt Alter-und-Tod, Kummer, Jammer, Schmerz, Traurigkeit und Verzweiflung: Auf diese Weise kommt die Entstehung dieser ganzen Leidensmasse zustande.ç 80

79 M I,380 Upõli Sutta (= M 56) 80 M I,511 Mõgandiya Sutta (= M 75)

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Deine eigene Ent-Zauberung nach dem Durchschauen der schlauen KunststÛcke des Zauberers, kÌnnte einen Hinweis auf die Natur der Transformation der Einstellung geben, die aus dem Aufgehen des Auges der Wahrheit resultiert. Auch der Edle JÛn- ger beginnt die Ç”berraschungenç des Zauberers zu durchschau- en, sie werden fÛr ihn vorhersehbar. Der Zauber verliert fÛr ihn seinen Zauber, jetzt, da er klar sieht, worin genau das Geheimnis des Zaubers besteht, n¤mlich in seinen eigenen psychologischen Haupttriebkr¤ften, der Gier, des Hasses und der Verblendung. Er erkennt, da÷ es ohne sie keine Wirklichkeit der Bestandteile und der damit ausgefÛhrten Tricks in der Zaubervorstellung des Be- wu÷tseins gibt. Nun ist er in der Lage die Aussage des Buddha in der Kõlakõrõma Sutta zu verstehen: ÇSo, ihr MÌnche, w¤hnt der Tathõgata kein sichtbares Ding als getrennt vom Sehen; er w¤hnt kein Nicht-Gesehenes; er w¤hnt kein Ding Çwert-zu-sehenç; er w¤hnt nicht Ûber einen Seher ...ç

Zur bedingten Natur des Bewu÷tseins durchzudringen ist gleich- bedeutend mit der ErstÛrmung der Festung des illusion¤ren Selbst. Damit wird die ÇPersÌnlichkeitsansichtç ( sakkõyadiÆÆhi ) aufgegeben und die ÇBezÛgeç ( upadhi ), von denen das ÇSelbstç abhing, n¤mlich die fÛnf Gruppen des Aufgreifens, werden liqui- diert. Bewu÷tsein erscheint nicht l¤nger als substantieller Kern lebender Erfahrung. Statt dessen sieht man es jetzt durch konse- quente Reflektion ( yoniso manasikõra ) als bedingt entstandenes Ph¤nomen, das genau wie ein Feuer, immer spezifisch ist: ÇGe- nauso wie, ihr MÌnche, abh¤ngig von welcher Bedingung auch immer ein Feuer brennt, es nach dieser Bedingung bezeichnet wird, (n¤mlich) ein Feuer, das abh¤ngig von Holz brennt, als ÇHolzfeuerç bezeichnet wird; ein Feuer, das abh¤ngig von Reisig brennt als ÇReisigfeuerç bezeichnet wird; ein Feuer, das abh¤n- gig von Stroh brennt, als ÇStrohfeuerç bezeichnet wird; ein Feu- er, das abh¤ngig von Dung brennt, als ÇDungfeuerç bezeichnet wird; ein Feuer, das abh¤ngig von Spreu brennt, als ÇSpreufeuerç bezeichnet wird; ein Feuer, das abh¤ngig von Kehricht brennt, als ÇKehrichtfeuerç bezeichnet wird; - ebenso, ihr MÌnche, wird Be-

45 wu÷tsein nach der Bedingung bezeichnet, von welcher abh¤ngig es entsteht. Bewu÷tsein, das abh¤ngig von Auge und Formen ent- steht, wird als ÇSehbewu÷tseinç bezeichnet; Bewu÷tsein, das ab- h¤ngig von Ohr und TÌnen entsteht, wird als ÇHÌrbewu÷tseinç bezeichnet; Bewu÷tsein, das abh¤ngig von Nase und GerÛchen entsteht, wird als ÇRiechbewu÷tseinç bezeichnet; Bewu÷tsein, das abh¤ngig von Zunge und Geschm¤ckern entsteht, wird als ÇSchmeckbewu÷tseinç bezeichnet; Bewu÷tsein, das abh¤ngig von KÌrper und Tastbarem entsteht, wird als ÇTastbewu÷tseinç bezeichnet; Bewu÷tsein, das abh¤ngig von Geist und Gedanken entsteht, wird als ÇDenkbewu÷tseinç bezeichnet.ç 81

Die fÛnf Gruppen, die man frÛher, vom Standpunkt des Selbst aus als gegeben voraussetzte, erscheinen nun als Çbedingt ent- standenç, Çzurechtgemachtç, Çzusammengesetztç. Und auch ihr Akkumulationsproze÷ ( upacaya ), gleicht nun einem Rieseln durch das Sieb des Bewu÷seins. Doch auch das Sieb des Bewu÷t- seins erfÛllt seine Funktion nur, wenn angemessene Bedingungen vorhanden sind: ÇWenn das Auge, Freunde, innerlich funktions- f¤hig w¤re, doch keine ¤u÷eren Formen ins Gesichtsfeld tr¤ten und es keine entsprechende Hinwendung 82 g¤be, dann wÛrde es kein Erscheinen der entsprechenden Klasse von Bewu÷tsein ge- ben. Wenn aber das Auge innerlich funktionsf¤hig w¤re und auch ¤u÷ere Formen ins Gesichtsfeld tr¤ten, doch es keine entspre- chende Hinwendung g¤be, auch dann wÛrde es kein Erscheinen der entsprechenden Klasse von Bewu÷tsein geben. Doch wenn das Auge innerlich funktionsf¤hig ist und auch ¤u÷ere Formen ins Gesichtsfeld treten und es die entsprechende Hinwendung gibt, dann gibt es ein Erscheinen der entsprechenden Klasse von Bewu÷tsein. Und jede Form in einem, der in einem solchen Zu- stand ist, ist in der Formengruppe des Aufgreifens eingeschlos- sen; jedes GefÛhl in ihm ist eingeschlossen in die GefÛhlsgruppe

81 M I,259 Mahõta±hõsaΩkhaya Sutta (= M 38) 82 ÇEntsprechende Hinwendungç: tajjo (im Sinn von spezifisch, siehe Fu÷note 68) samannõhõro (bewu÷tes Fokussieren)

46 des Aufgreifens; jede Wahrnehmung in ihm ist eingeschlossen in die Wahrnehmungsgruppe des Aufgreifens; jede Gestaltung in ihm ist eingeschlossen in die Gestaltungsgruppe des Aufgreifens und jedes Bewu÷tsein in ihm ist eingeschlossen in die Bewu÷t- seinsgruppe des Aufgreifens. Und er versteht: ÇSo kommt das Einschlie÷en, Zusammensammeln und Anh¤ufen zu diesen fÛnf Gruppen des Aufgreifens zustande.çç 83

83 M I,190 Mahõhatthipadopama Sutta (= M 28)

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7.7.7. Der Ûberweltliche Pfad

Eine blitzartige Einsicht mag einem einen flÛchtigen Eindruck der subtilen Machenschaften hinter der illusion¤ren Zaubervor- stellung des Bewu÷tseins geben, doch mag diese nicht in jedem Fall m¤chtig genug sein, um alle Triebe oder EinflÛsse ( õsavõ ) zu zerstÌren, die in jedem Moment versuchen unsere lebende Erfah- rung zu beeinflussen. 84 Die EinflÛsse, von denen im allgemeinen drei genannt werden 85 - n¤mlich die der Sinnlichkeit ( kõmõsavõ ), des Werdens ( bhavõsavõ ) und des Nicht-Wissens ( avijjõsavõ ) - sind die Triebe, die unserer im SaΩsõra angeh¤uften Erfahrung entstammen. Sie schlie÷en alle verderblichen Tendenzen, Nei- gungen und Besessenheiten mit ein, die die Spuren und Furchen in unserer geistigen Landschaft darstellen. Eine tiefere Analyse ihres Einflusses kann man vielleicht in den sieben latenten Ei- genschaften ( anusayõ ) sehen: Begehren, Abneigung, Ansichten, Zweifel, Stolz, Anhaften-am-Werden und Nicht-Wissen. Ver- gleicht man die latenten Eigenschaften mit unterirdischen StrÌ- mungen auf unterbewu÷ter Ebene, dann kÌnnte man die Ein- flÛsse als StrÌme beschreiben, die sich auf der bewu÷ten Ebene manifestieren. In der ethischen Terminologie des frÛhen Bud-

84 ÇEs ist, Freund, wie wenn da am Wege durch eine WÛste ein Brunnen w¤re. Es w¤re da aber kein Wasserkrug mit einem Seil. Und es k¤me da ein Mann herbei, von Hitze gequ¤lt, von Hitze erschÌpft, ermÛdet, lechzend, durstig. Der blickte in den Brunnen hinab. Wahrlich, in ihm w¤re das Wissen: ÇWas- ser!ç - Aber er vermÌchte es doch nicht kÌrperlich zu berÛhren. Ganz ebenso, Freund, habe ich mit rechter Einsicht, wie es wirklich ist, wohl gesehen, da÷ die Aufhebung des Werdens Nibbõna ist, doch bin ich kein Ara- hant, in dem die EinflÛsse vernichtet sind.ç S II, 118 (= S 12,68) Kosambi . 85 Manchmal wird diÆÆhõsavõ (EinflÛsse der Ansichten) als viertes erw¤hnt.

48 dhismus wird die Macht und die treibende Wirkung dieser Ein- flÛsse auch dadurch angedeutet, da÷ sie mit Fluten ( oghõ ) vergli- chen werden. Im Zusammenhang der latenten Eigenschaften, EinflÛsse und Fluten wird eine vÌllige Neuorientierung der Sinneswahrneh- mung oft zu mÛhevoller Arbeit, die flei÷iges ”ben erfordert. Der Edle Achtfache Pfad in seinem Ûberweltlichen Aspekt86 versieht den Edlen JÛnger mit dem notwendigen Schema geistiger ”bung, wodurch der Proze÷ der Anh¤ufung der fÛnf Gruppen des Auf- greifens wirkungsvoll einged¤mmt und somit der Einflu÷ der vorgenannten verderblichen Kr¤fte aufgehoben werden kann.

ÇWer das Auge, ihr MÌnche, der Wahrheit gem¤÷ erkennt und versteht, die Formen der Wahrheit gem¤÷ erkennt und versteht, das Sehbewu÷tsein der Wahrheit gem¤÷ erkennt und versteht, den Augenkontakt der Wahrheit gem¤÷ erkennt und versteht, und auch das durch Augenkontakt bedingt entstandene GefÛhl ê an- genehm, unangenehm oder weder-angenehm-noch-unangenehm - der Wahrheit gem¤÷ erkennt und versteht, der haftet nicht am Auge, haftet nicht an den Formen, haftet nicht am Sehbewu÷t- sein, haftet nicht am Augenkontakt, haftet nicht einmal an dem durch Augenkontakt entstandenen GefÛhl, sei es angenehm, un- angenehm oder weder-angenehm-noch-unangenehm. Und weil er ohne zu haften verweilt, ungefesselt, unbezaubert, und die Ge- fahr (im Auge etc.) kontempliert, werden die fÛnf Gruppen des Aufgreifens, die entstanden w¤ren, ausgelÌscht ( apacayaΩ gac- chanti ). Jenes Begehren, das zu Wiederdasein fÛhrt, das von Lust und Freude begleitete, hier und dort sich ergÌtzende, auch das ist in ihm aufgegeben. Seine kÌrperlichen StÌrungen schwinden; seine geistigen StÌrungen schwinden; sein kÌrperliches Elend schwindet; sein geistiges Elend schwindet; seine kÌrperlichen Qualen schwinden; seine geistigen Qualen schwinden; und er er- f¤hrt kÌrperliches und geistiges GlÛck. Welche Ansicht so einer auch immer hat, das wird fÛr ihn zu Rechter Ansicht; welche Ge-

86 Der Unterschied zwischen den weltlichen und Ûberweltlichen Aspekten des Achtfachen Pfades wird im Mahõcattõrisaka Sutta -M III,71 (= M 117) erkl¤rt.

49 sinnung er auch immer hat, das wird fÛr ihn zu Rechter Gesin- nung; welche Anstrengung er auch immer unternimmt, das wird fÛr ihn zu Rechter Anstrengung; welche Achtsamkeit er auch immer hat, das wird fÛr ihn zu Rechter Achtsamkeit; welche Sammlung er auch immer hat, das wird fÛr ihn zu Rechter Samm- lung. Sein kÌrperliches Tun und sein sprachliches Tun und sein Lebenserwerb aber waren bereits vorher gel¤utert. So kommt in ihm der Edle Achtfache Pfad durch Entfaltung zur Vollen- dung.ç 87

Die fÛnf Gruppen des Aufgreifens, von denen gesagt wird sie seien Çzusammengesetztç oder Çzusammengebrautç ( sa™kata ) sind nur angeh¤ufte Sinneserfahrung, fermentiert durch Nicht- Wissen. Aufgrund von egoistischem Anhaften in der Form von ÇW¤hnenç ( maËËanõ ) werden die Sinnesdaten von diesem dyna- mischen Ferment durchtr¤nkt und Ausbreitung ( papaËca ) erfolgt. Es ist im Hinblick auf diesen Sachverhalt, da÷ besondere Beto- nung auf die Notwendigkeit gelegt wird, Sinnesdaten mit Losge- lÌstheit zu betrachten. Die Anweisung des Buddha an Bõhiya zeigt klar, da÷ diese ”bung ebensosehr einen philosophischen wie einen ethischen Hintergrund hat. ÇDann, Bõhiya, mu÷t du dich solcherart Ûben: Im Gesehenen wird nur das Gesehene sein; im GehÌrten wird nur das GehÌrte sein; im Empfundenen wird nur das Empfundene sein; im Er- kannten wird nur das Erkannte sein. So, Bõhiya, sollst du Ûben. Wenn nun fÛr dich, Bõhiya, im Gesehenen nur das Gesehene sein wird; im GehÌrten nur das GehÌrte sein wird; im Empfundenen nur das Empfundene sein wird; im Erkannten nur das Erkannte sein wird, dann Bõhiya, wirst du davon nicht (vereinnahmt) wer- den. Und wenn, Bõhiya, du davon nicht (vereinnahmt) wirst, wirst du nicht darin sein. Und wenn du, Bõhiya, nicht darin sein wirst, dann wirst du, Bõhiya, weder Çhierç noch Çdortç noch Çzwischen beidenç sein. Genau das ist das Ende des Leidens.ç 88

87 M III, 288 Mahõsalõyatanika Sutta (= M 149) 88 Ud. 8 (= Ud 1,10)

50

8.8.8. Soheit und der SoSo----SeiendeSeiende

Das Prinzip, das der zwÌlfgliedrigen Formel der Bedingten Ent- stehung zugrunde liegt, ist ein Naturgesetz, das universell an- wendbar ist, gleich ob man es mit dem belebten Bereich oder dem unbelebten zu tun hat. Es stellt eine dynamische Ansicht al- ler Ph¤nomene dar, die durch Ursachen bedingt entstehen, nur um wieder zu vergehen, sobald diese Ursachen entfallen.

ÇWenn dies ist, kommt jenes zustande; Mit der Entstehung von diesem entsteht jenes. Wenn dieses nicht ist, kommt jenes nicht zustande; Mit der Aufhebung von diesem wird jenes aufgehoben.ç

Das Gesetz ist so umfassend, da÷ je nur zwei aufeinanderfolgen- de Glieder der Formel es ausreichend illustrieren wÛrden. Daher stellen wir fest, da÷ der Buddha manchmal eine Unterscheidung zwischen der Bedingten Entstehung ( paticca-samuppõda ) als sol- cher und bedingt entstandenen Ph¤nomenen ( paticcasamuppannõ dhammõ ) macht, die allgemeine Neigung wohl kennend, die es- sentiellen Dinge durch Besch¤ftigung mit Details aus den Augen zu verlieren.

ÇMÌnche, ich werde euch Bedingte Entstehung lehren und be- dingt entstandene Dinge ...Und was, ihr MÌnche ist Bedingte Entstehung? Durch Geburt als Bedingung kommt Alter-und-Tod zustande. Ob Tathõgatas entstehen oder ob sie nicht entstehen, diese Natur der Dinge bleibt bestehen, dieser kausale Zustand, diese kausale Ordnung, die Verbundenheit von diesem mit je- nem. DarÛber ist der Tathõgata vÌllig erleuchtet, dies vÌllig ver- stehend legt er es dar, lehrt es, enthÛllt es, macht es bekannt, ver-

51 kÛndet, erkl¤rt, macht es klar. Und er sagt: ÇSchaut! Durch Ge- burt als Bedingung kommt Alter-und-Tod zustande; durch Wer- den als Bedingung Geburt ... durch Nicht-Wissen als Bedingung kommen Gestaltungen zustande ... Demgem¤÷, ihr MÌnche, die- se Soheit, die Unver¤nderlichkeit, die ÇNicht-Andersheitç, die Verbundenheit von diesem mit jenem, das, ihr MÌnche, nennt man die Bedingte Entstehung. Und was, ihr MÌnche, sind bedingt entstandene Dinge? Alter- und-Tod ist unbest¤ndig, zusammengesetzt, bedingt entstanden, ist der Vernichtung, der AuflÌsung, dem Schwinden, der Aufhe- bung unterworfen. So auch mit Geburt, Werden, Aufgreifen, Be- gehren, GefÛhl, BerÛhrung, sechs Sinnesgebiete, Name-und- Form, Bewu÷tsein, Gestaltungen, Nicht-Wissen; auch diese sind unbest¤ndig, zusammengesetzt, bedingt entstanden, der Ver- nichtung, der AuflÌsung, dem Schwinden, der Aufhebung unter- worfen. Das, ihr MÌnche, nennt man bedingt entstandene Din- ge.ç 89

ÇSoheitç ( tathatõ ), ÇUnver¤nderlichkeitç ( avitathatõ ), ÇNicht- Andersheitç ( anaËËathatõ ) und ÇVerbundenheit von diesem-mit- jenemç ( idappaccayatõ , also spezifische Bedingtheit) sind hÌchst bedeutungsvolle Begriffe, die den Grad der Wichtigkeit anzei- gen, den der Buddha diesem Gesetz der Bedingten Entstehung beima÷. Die ersten drei Begriffe best¤tigen die GÛltigkeit des Gesetzes. Tathõ beispielsweise ist ein Wort, das Çsoç oder Çsol- cherartç bedeutet, ein eher Çbescheidenerç Ausdruck, der auch Nuancen von LosgelÌstheit mitschwingen l¤÷t. Als ein Gegen- stÛck zu yathõ 90 (Çgleich auf welche Weiseç) sagt tathõ an sich wenig aus, doch gerade aus diesem Grund wird tathatõ (Soheit) zu einem passenden Beinamen fÛr das Prinzip der bedingten Ent- stehung. Hier finden wir eine Vorstellung der Wahrheit, bar aller sektiererischen Vorurteile und Anma÷ungen. Eine universelle

89 S II, 25 (= S 12,20) 90 Vergleiche: Yathõbh≠taËõ±õdassana - ÇErkennen und Sehen der Dinge wie sie sindç.

52 Norm, wahr fÛr alle Zeit, ungeachtet des Entstehens von Tathõgatas, die sie enthÛllen und verkÛnden, wird in der Tat zu Recht als ÇSoheitç bezeichnet.

Die ÇVerbundenheit von diesem-mit-jenemç ( idappaccayatõ ), die eine spezifische Bedingtheit impliziert, ist ein Begriff, der den wesentlich bedingten und relativen Charakter der Ph¤nomene hervorhebt, durch welche das Gesetz Ausdruck findet. Idappac- cayatõ erkl¤rt insbesondere die Bedeutung der paarweisen For- mulierung und zeigt, da÷ in jedem Paar, wenn das erste Glied ge- geben ist, das zweite notwendigerweise folgt. 91 Ph¤nomene ha- ben die Tendenz, sich als ein in st¤ndigem Wechsel befindlicher Flu÷ zu manifestieren - ein bedingtes Ph¤nomen, das zu einem anderen fÛhrt. Es ist dieser dynamische Aspekt des Gesetzes, der im folgenden Gleichnis bildhaften Ausdruck findet: ÇWenn der Ozean, ihr MÌnche, anschwillt, l¤÷t er die gro÷en FlÛsse anschwellen; wenn die gro÷en FlÛsse anschwellen, lassen sie die NebenflÛsse anschwellen; wenn diese anschwellen, lassen sie die gro÷en Bergseen anschwellen; wenn diese anschwellen, lassen sie die kleinen Bergseen anschwellen. Ebenso, ihr MÌnche, l¤÷t anschwellendes Nicht-Wissen die Gestaltungen anschwellen, anschwellende Gestaltungen lassen Bewu÷tsein anschwellen ... anschwellende Geburt l¤÷t Alter- und-Tod anschwellen. Wenn der Ozean, ihr MÌnche, zurÛckgeht, l¤÷t er die gro÷en FlÛsse zurÛckgehen; diese lassen die NebenflÛsse zurÛckgehen; diese lassen die gro÷en Bergseen zurÛckgehen; diese lassen die kleinen Bergseen zurÛckgehen. Ebenso, ihr MÌnche, l¤÷t zurÛckgehendes Nicht-Wissen die Gestaltungen zurÛckgehen, zurÛckgehende Gestaltungen lassen Bewu÷tsein zurÛckgehen ... zurÛckgehende Geburt l¤÷t Alter- und-Tod zurÛckgehen.ç 92

91 Noch klarer wird das in S II,79 (= S 12,49): Wenn dieses ist, kommt jenes zustande. Mit dem Entstehen von diesem entsteht jenes. Wenn Nicht-Wissen da ist ( avijjõya ), kommen Gestaltungen zustande ( sa™khõrõ honti ),ç etc. 92 S II,118 (= S 12,69)

53

So ist das Gesetz fÛr beide Arten von ÇFlu÷ st¤ndigen Wechselsç gÛltig - fÛr den des Wassers und fÛr den der psychologischen Zu- st¤nde. Das Abwechseln von Ebbe und Flut ist nicht nur eine Tendenz des Wassers, sondern auch des saΩsõrischen Indivi- duums. 93 Die Erkenntnis dieses Prozesses Çwie-er-istç markiert einen bedeutsamen Fortschritt gegenÛber den Tendenzen animi- stischen Denkens, das seit pr¤historischer Zeit versuchte, Ph¤- nomene im Sinne von Essenz, Selbst oder Seele zu erkl¤ren. Sie ist umso bedeutsamer wegen ihres Folgesatzes, da÷ der gesamte Proze÷ durch die Anwendung der richtigen Mittel schrittweise zur Aufhebung gebracht werden kÌnnte. Negativ formuliert ist die spirituelle Anstrengung alles Leiden zu beenden ein Proze÷ des ÇVerhungernlassensç der Bedingungen durch Entzug ihrer entsprechenden ÇN¤hrstoffeç ( õhõrõ ), 94 wie es durch die letzte H¤lfte der Formel der Bedingten Entstehung gezeigt wird. Es gibt jedoch genug Beispiele im Põli-Kanon, die zeigen, da÷ es durch- aus legitim ist, diesen Proze÷ des RÛckgangs positiv aufzufassen, als einen Fortschritt in heilsamen geistigen Zust¤nden. ÇGleich wie, ihr MÌnche, wenn auf einer Bergspitze, wenn Regen in dicken Tropfen f¤llt, das Wasser, das den Hang hinab- flie÷t, die Spalten und KlÛfte und Rinnen des Berghanges fÛllt und wenn diese angefÛllt sind, sie die TÛmpel fÛllen und wenn diese angefÛllt sind, sie die Seen fÛllen und wenn diese angefÛllt sind, sie die kleinen FlÛsse fÛllen und wenn diese angefÛllt sind, sie die gro÷en FlÛsse fÛllen und wenn die gro÷en FlÛsse angefÛllt sind, sie das Meer, den Ozean fÛllen - ebenso, ihr MÌnche, gibt es eine kausale VerknÛpfung von Gestaltungen und Nicht-Wissen, von Bewu÷tsein mit Gestaltungen, von Name-und-Form mit Be- wu÷tsein, von den sechs Sinnesgebieten mit Name-und-Form, von Kontakt mit den sechs Sinnesgebieten, von GefÛhl mit Kon- takt, von Begehren mit GefÛhl, von Aufgreifen mit Begehren,

93 Ç Kuto sarõ nivattanti - kattha vaÆÆaΩ na vaÆÆati. ç ÇWo kehren die StrÌme um - wo wirbelt der Wirbel nicht mehr?ç S I,15 (= S 1,27) 94 Siehe M I, 260 Mahõta±hõsaΩkhaya Sutta (= M 38)

54 von Werden mit Aufgreifen, von Geburt mit Werden, von Leiden mit Geburt, von Vertrauen mit Leiden, von Freude mit Vertrauen, von EntzÛcken mit Freude, von Ruhe mit EntzÛcken, von GlÛck mit Ruhe, von Sammlung mit GlÛck, von Erkennen-und-Sehen- der-Dinge-wie-sie-sind mit Sammlung, von ”berdru÷ mit dem Erkennen-und-Sehen-der-Dinge-wie-sie-sind, von LoslÌsung mit ”berdru÷, von Befreiung mit LoslÌsung, von Erkenntnis des Versiegens (der EinflÛsse) mit Befreiung.ç 95

Statt ÇEbbe und Flutç finden wir in dieser Sutta ein ÇWeiterfÛh- renç zur FÛlle oder Vollkommenheit und es ist dieser Aspekt des Dhamma, der im Attribut opanayiko seinen Ausdruck findet. Das berÛhmte Gleichnis von der Eilpost in der Rathavin¶ta Sutta 96 verdeutlicht dieses ÇWeiterfÛhrenç bildlich. Ein weniger bild- hafter, doch gleicherma÷en wirkungsvoller Ausdruck dieses Sachverhalts findet sich in diesen Worten Buddhas: ÇSo, ihr MÌnche, flie÷en blo÷e Ph¤nomene in andere Ph¤nomene, fÛllen blo÷e Ph¤nomene andere Ph¤nomene (oder vervollkommnen sie) in dem Proze÷ des ”bergangs vom ÇNicht-Jenseitigenç (diessei- tige Erscheinungswelt) zum jenseitigen Ziele (Nibbana).ç 97 Es ergeben sich einige weitreichende Schlu÷folgerungen aus der Betrachtung des Gesetzes der Bedingten Entstehung als ÇSoheitç und als spezifische Konditionalit¤t. Wie bereits erw¤hnt 98 , hat dieses Gesetz eine heilsame Wirkung auf die Weltanschauung,

95 S II,32 (= S 12,24) 96 M I, 260 (= M 24) 97 A V,3 (= A X,3). Siehe auch Mahõcattõrisaka Sutta M III,76 (= M 117): ÇIn einem mit Rechter Anschauung steigt Rechte Gesinnung auf; in einem mit Rechter Gesinnung steigt Rechte Rede auf; in einem mit Rechter Rede steigt Rechtes Handeln auf; in einem mit Rechtem Handeln steigt Rechter Lebens- erwerb auf; in einem mit Rechtem Lebenserwerb steigt Rechte Anstrengung auf; in einem mit Rechter Anstrengung steigt Rechte Achtsamkeit auf; in ei- nem mit Rechter Achtsamkeit steigt Rechte Sammlung auf; in einem mit Rechter Sammlung steigt Rechtes Wissen auf; in einem mit Rechtem Wissen steigt Rechte Befreiung auf.ç 98 Siehe Kapitel 4

55 indem es uns bef¤higt, Verstrickungen in spekulative Theorien, wie sie in der Welt verbreitet sind, zu vermeiden. Zus¤tzlich fÌr- dert das Verstehen des best¤ndigen inneren und ¤u÷eren Wandels eine Einstellung erleuchteten Gleichmuts. Man beginnt Ph¤no- mene als unbest¤ndig ( anicca ) und leer von Essenz ( suËËa ), leer von irgendeiner Art von Selbst, zu betrachten. Was man fÛr be- st¤ndig hielt, erscheint jetzt als unbest¤ndig, denn man sieht sein Entstehen und Vergehen. Eine noch erstaunlichere EnthÛllung aber kommt in Form der ”berzeugung, da÷ es gerade das W¤h- nen, das selbstbezogene Sich-Vorstellen ( maËËõna ) ist, das die Ph¤nomene oder ÇDingeç ( dhammõ ) entstehen l¤÷t. W¤hnen hei÷t als ein ÇDingç w¤hnen, jedoch ist dieses ÇDingç gleichsam Çtotgeborenç, denn es kann nicht in einer Welt Ûberleben, in der Trennung ( nõnõbhõvo ), Verlust ( vinõbhõvo ) und Anderswerden (aËËathõbhõvo , d.h. Transformation) das unumstÌ÷liche Gesetz sind. ÇWas auch immer fÛr ein Ding sie w¤hnen, von selbst wird es anders; und so wird es falsch fÛr sie - das tÌricht trÛgerische Ding, das es ist.ç 99 Die Selbstheit, die versucht, es sich auf dem gemÛtlich zu machen, was der AuflÌsung unterworfen ist ( palo- kadhammaΩ ), ist selbst Opfer des erbarmungslosen Gesetzes der Unbest¤ndigkeit. Angesichts dieser mi÷lichen Lage begehrt man, greift auf und Çwirdç zu einem weiteren ÇDingç, welches natÛr- lich auch den selben Naturgesetzen anheimf¤llt. ÇDie Welt, die am Werden haftet, wird anders; ein Opfer des Werdens erfreut sie sich dennoch am Werden. Woran sie sich erfreut, ist eine Quelle der Angst, und wovor sie Angst hat, ist Leiden.ç 100

So zeigt sich, da÷ der Proze÷ des Werdens etwas ist, das best¤n- dig im Geist des saΩsõrischen Individuums 101 vor sich geht. Un-

99 Ç Yena yena hi maËËanti - tato taΩ hoti aËËathõ taΩ hi tassa musõ hoti - mosadhammaΩ hi ittaraΩç Sn 757 100 ÇAËËathõbhõvi bhavasatto loko - bhavapareto bhavamevõbhinandati yadabhinandati taΩ bhayaΩ - yassa bhõyati taΩ dukkhaΩ ç Ud 31 (= Ud 3.10) 101 ÇGleichwie, ihr MÌnche, ein Affe, der durch die W¤lder, durch den gro÷en Forst streift, einen Ast festh¤lt, ihn losl¤÷t und einen anderen ergreift, genauso

56 ter dem Einflu÷ der wuchernden Tendenzen von Begehren, DÛn- kel und Ansichten, identifiziert es sich mit den SinneseindrÛcken. Diese Identifikation wird durch den Begriff tammayatõ (wÌrtlich: daraus seiend) ausgedrÛckt, und einer, der dort seine Zuflucht nimmt, wird tammayo genannt: ÇEiner, der daraus gemacht istç, oder Çeiner aus solchem (Stoff)ç. Da jedem speziellen Fall kurz- lebiger Identifikation des best¤ndigen Werdeprozesses im psy- chologischen Bereich notwendigerweise Geburt, Alter-und-Tod, Kummer, Jammer, Traurigkeit und Verzweiflung folgen, gibt uns eine Einsicht in das Gesetz der Bedingten Entstehung den SchlÛssel zur gesamten Skala saΩsõrischen Erlebens in die Hand. Der Zyklus saΩsõrischen Lebens wird durch das Ent- decken seines Epizyklus in der Struktur lebender Erfahrung ver- st¤ndlich. Man ist jetzt von der Tatsache Ûberzeugt, da÷ es Be- gehren ist, das den Schurken im Drama saΩsõrischer Existenz spielt, und es durch Çsich mal hier, mal dort erfreuenç ( tatra- tatrõbhinandini ) Wieder-Werden ( ponobhavikõ ) hervorbringt.

Probleme der Existenz, von Leben und Tod, die man bisher ver- geblich versucht hatte im weiteren Kontext der sich in Zeit und Raum ausbreitenden saΩsõrischen Leben zu lÌsen, finden nun ihre LÌsung im zeitlosen ( akõliko ), sich im Geist drehenden, Epi- zyklus von SaΩsõra. Daher laufen alle Probleme in der alles ent- scheidenden Frage des Aufgebens dieses zu Wieder -Werden fÛhrenden Begehrens zusammen. Durch die EnthÛllung der Vor- l¤ufer des Begehrens verweist uns das Gesetz der Bedingten Ent- stehung auf eine Technik, durch welche diese tief in die Spur- entsteht, was wir Denken, Geist, Bewu÷tsein nennen, als ein Ding und vergeht als ein anderes, sowohl bei Tag als auch bei Nacht. Dabei, ihr MÌnche, reflek- tiert der erfahrene edle JÛnger grÛndlich und radikal ( sõdhukaΩ yoniso mana- sikaroti ) Ûber das Gesetz der Bedingten Entstehung: ÇWenn dieses ist, kommt jenes zustande; mit dem Entstehen von diesem entsteht jenes. Wenn dieses nicht ist, kommt jenes nicht zustande; mit der Aufhebung von diesem wird je- nes aufgehoben.ç Das hei÷t, durch Nicht-Wissen bedingt kommen Gestaltun- gen zustande, durch Gestaltungen bedingt Bewu÷tsein, durch Bewu÷tsein be- dingt Name-und-Form, ... So kommt das Entstehen dieser ganzen Leidens- masse zustande.ç S II, 95 (= S 12, 61)

57 rillen unserer saΩsõrischen Gewohnheiten eingefahrene Tendenz ausgehebelt werden kann. 102 Nicht-Wissen mu÷ durch Wissen er- setzt werden. Mit anderen Worten, die Tendenz, bedingt ent- standene Dinge so zu betrachten, da÷ man ÇDingeç in ihnen sieht, mu÷ dadurch Ûberwunden werden, da÷ man den Geist darin schult statt dessen auf das Gesetz der Bedingten Entstehung zu achten. Man mag sich daran erinnern, da÷ jedes der zwÌlf Glie- der der Formel beschrieben wurde als Çunbest¤ndig, zusammen- gesetzt, bedingt entstanden, der Vernichtung, der AuflÌsung, dem Schwinden und der Aufhebung unterworfenç (siehe oben). Die via media , den Geist darin zu Ûben auf die Natur der Dinge zu achten anstatt auf die Dinge selbst, kÌnnte man als eine vom Buddha eingefÛhrte besondere Art der Psychotherapie bezeich- nen. Es ist ein Weg, die bedingten Ph¤nomene Çzum Schwinden und zur Aufhebungç zu bringen, indem man ihren Ursprung er- grÛndet. Also bedeutet Einsicht in die Edle Norm ( ariyo Ëõyo ) der Bedingten Entstehung ein Wissen sowohl von der Ursache (hetu ) selbst als auch von den urs¤chlich entstandenen Dingen (hetuppabhavõ dhammõ; hetusamuppannõ dhammõ ). 103

102 Man beachte, da÷ die zweite Edle Wahrheit vom Entstehen des Leidens manchmal einfach als Begehren definiert wird und manchmal als das Gesetz der Bedingten Entstehung (siehe S II, 10 (= S 12,3); A I, 177 (= A III, 62). Das bedeutet, da÷ diese Formel die Vorgeschichte des Begehrens erkl¤rt, indem sie es auf Nicht-Wissen, sein intellektuelles GegenstÛck, zurÛckfÛhrt. 103 Ç Ye dhammõ hetuppabhavõ - tesaΩ hetuΩ tathõgato õha tesaËca yo nirodho - evaΩvõdi mahõsamano ç Vin I, 40 ÇVon Dingen, die aus einer Ursache entstehen, Hat der Tathõgata die Ursache genannt Und auch ihre Aufhebung. So lehrt der Gro÷e Asket.ç Dieser Vers, in dem der EhrwÛrdige dem Wanderasketen Sõriputta (sp¤ter der HauptjÛnger, der ÇErste in Weisheitç) die Quintessenz der Lehre des Buddha darlegt, ist in diesem Zusammenhang bemerkenswert. Sowohl Sõriputta als auch Moggallõna erlangten die Frucht des Stromeintritts als sie ihn hÌrten, denn er lie÷ in ihnen das Çstaublose, fleckenlose Auge-der- Wahrheitç aufgehen, d.h. es stieg in ihnen die Einsicht in das Gesetz der Be- dingten Entstehung auf. Dem Dhammapada Kommentar zufolge (siehe Ag- gasõvakavatthu ) hatten beide bereits eine heilsame geistige Krise durchlebt,

58 In dem Ma÷e, in dem die Einsicht in das Prinzip - ÇWenn dieses ist kommt jenes zustande; mit dem Entstehen von diesem entsteht jenes. Wenn dieses nicht ist, kommt jenes nicht zustande; mit der Aufhebung von diesem wird jenes aufgehobenç - tiefer und tiefer in das GefÛge der zwÌlfgliedrigen Formel eindringt, erfolgt ein Verblassen oder Dahinschwinden, aufgrund dessen man die Zer- stÌrung genau der Bedingungen ( paccayõ ) erf¤hrt, die das GefÛ- ge der Formel in ihrer direkten und umgekehrten Reihenfolge bilden. 104

Die Wahrheit der Unbest¤ndigkeit wird so in der Feuerprobe der eigenen Erfahrung geprÛft - eine Panorama-Ansicht einer entste- henden und vergehenden Welt, gesehen durch die eigenen sechs Sinnesgebiete. 105 Die Bezugnahme im Udõna (1,1 - 1,3) auf des Buddhas Reflektion Ûber die Bedingte Entstehung in direkter Reihenfolge ( anulomaΩ ), in umgekehrter Reihenfolge (paÆilomaπ ) und in sowohl direkter als auch umgekehrter Rei- henfolge ( anuloma- paÆilomaπ ) kurz nach seiner Erleuchtung, mu÷ in diesem Sinne verstanden werden. Diese durchdringende Einsicht in das Entstehen und Vergehen von Ph¤nomenen zer- streut alle Zweifel hinsichtlich der spekulativen Probleme von absoluter Existenz und Nicht-Existenz, von Einheit und Vielheit,

als sie des Berggipfelfestes ÛberdrÛssig wurden, das sie beobachtet hatten. Wenn die ”berlieferung authentisch ist, kÌnnen wir sagen, da÷ diese vorberei- tende Einsicht, dieser Blick hinter die Kulissen der ÇZaubervorstellungç des Bewu÷tseins ihren Geist fÛr eine bessere Aufnahme der Botschaft des Buddha bereit gemacht hatte. 104 Ç Yadõ have põtubhavanti dhammõ õtõpino jhõyato brõhmanassa athassa ka™khõ vapayanti sabbõ yato khayaΩ paccayõnaπ avediç Ud 2 (= Ud 1,1) ÇWenn die Ph¤nomene dem eifrig meditierenden Vollendeten Heiligen offen- bar werden, dann verschwinden all seine Zweifel, da er die ZerstÌrung der Be- dingungen verstanden hat.ç 105 ÇIn den sechs entstand die Welt, in den sechs l¤uft sie zusammen, von den sechs bedingt findet sie in den sechs ihr Leiden.ç S I, 41 Loka (= S I, 70)

59 etc.. Der Geist kommt in der ÇMitteç zur Ruhe, obwohl er nun pa- radoxerweise auf nichts ruht. ÇDingheitç ist vÌllig verschwun- den, so da÷ Begehren Çnichtsç (no-thing) findet, nach dem es greifen kÌnnte. Statt eines von Begehren angetriebenen Versuchs der Identifikation ( tammayatõ ) setzt eine losgelÌste Kontempla- tion der Norm der Soheit ( tathatõ ) ein. Mit dieser Befreiung des Geistes wird die Einstellung gegenÛber der Welt mit all ihren Wechself¤llen die eines ÇSo-Seinsç ( tõditõ ), eines ÇAbge- lÌstseinsç ( atammayatõ ), und man verdient es als ÇSo-Seienderç oder Çder Soheit-Gleicherç ( tõdi , tõdiso ) bezeichnet zu werden. ÇDer K¤mpfende, der durch die ”berwindung Mõras die ZerstÌ- rung der Geburt berÛhrte, den Tod besiegte, dieser Weise, der ÇSoheit-Gleichendeç, der Kenner der Welt, ist allen Dingen ge- genÛber ohne Haften ( atammayo ). 106

Die Einstellung des So-Seienden spiegelt sich in einer au÷erge- wÌhnlichen Mischung von Eigenschaften, die von Festigkeit und Standhaftigkeit bis zu Anpassungsf¤higkeit und Flexibilit¤t rei- chen. Dem Weltling erscheint das paradox, weil er den Begriff der Festigkeit immer mit einem Standpunkt verbindet. Keinen Standpunkt einzunehmen bedeutet zu schwanken, und daher fin- det er es schwierig, sich Festigkeit ohne ihn vorzustellen. Der Buddha jedoch entdeckte, da÷ genau das Gegenteil wahr ist.

I. ÇFÛr den, der anhaftet (wÌrtlich: der gestÛtzt wird), gibt es Schwanken (oder ÇHerausgerissenwerdenç), fÛr den, der nicht anhaftet, gibt es kein Schwanken; wenn es kein Schwanken gibt, ist Stille; wenn Stille ist, gibt es kein Sichneigen (d.h. Inklina- tion); wenn es kein Sichneigen gibt, gibt es kein Kommen-und- Gehen; wenn es kein Kommen-und-Gehen gibt, gibt es Tod-und- Geburt nicht; wenn es Tod-und-Geburt nicht gibt, gibt es weder

106 Ç Pasayha mõraΩ abhibhuyya antakaΩ Yo ca phusi jõtikkhayaΩ padhõnavõ So tõdiso lokavid≠ sumedho Sabbesu dhammesu atammayo muni ç A I, 150 (= A III, 40)

60 ein Çhierç noch ein Çdortç, noch ein Çzwischen beidenç. Genau das ist das Ende des Leidens.ç 107

II. ÇWer nicht anhaftet schwankt nicht, doch wer anhaftet, wer festh¤lt, transzendiert SaΩsõra nicht, dessen Natur die ÇDiesheitç und ÇAndersheitç ist ( itthabhõvaËËathõbhõvaΩ ). Dieses Elend, diese gro÷e Gefahr, in (allen) ÇStÛtzenç ( nissayesu ) kennend, mÌge der MÌnch achtsam wandeln - auf nichts sich stÛtzend, an nichts h¤ngend.ç 108

Wie das oben 109 zitierte Flu÷gleichnis anschaulich macht, hat der Weltling die Neigung gierig nach den ÇDingenç in Gestalt der Ph¤nomene zu greifen, wenn er sieht wie sein ÇSelbstç vom schnell flie÷enden Strom der Natur fortgespÛlt wird. Er versucht mittels Begehren, DÛnkel und Ansichten die flÛchtigen Ph¤no- mene festzuhalten und sich auf sie zu stÛtzen, doch sind seine BemÛhungen zum Scheitern verurteilt. Jedem Versuch das ÇSelbstç aus dem Flu÷ zu retten, folgt eine bestimmte Reihe psy- chologischer Reaktionen. Im gleichen Moment, in dem er sich mit dem ÇDingç seiner Wahl identifiziert ( maËËanõ ), setzt ange- sichts mÌglichen Herausgerissenwerdens Unsicherheit und Schwanken ein. ÇSichneigenç oder Inklination ist jenes von Be- gehren oder ÇDurstç - der ÇRichtschnur des Werdensç ( bhava- netti ) - veranla÷te, blinde Sichausstrecken in die unbekannte Zu- kunft. Die Vorstellungen von Kommen-und-Gehen sind bezogen auf den Standpunkt, der bereits im Proze÷ der Identifikation ein- genommen wurde. Nachdem eine Beziehung zwischen der ge- genw¤rtigen Identit¤t und einem mÌglichen zukÛnftigen Zustand hergestellt wurde, tritt die unausweichliche Folge ein: ÇTod-und- Geburtç. Damit einhergehend treten auch die relativen Unter- scheidungen eines Çhierç, eines Çdortç und eines Çzwischen bei- denç auf. Der gesamte Vorgang, ob er nun im Zusammenhang

107 Ud 81 (= Ud 8,4), M III, 266 (= M 106), S IV, 59 (= S 35,87) 108 Sn 752-3 109 Siehe Kapitel 6

61 des auf jeden Moment lebender Erfahrung zurÛckzufÛhrenden Epizyklus des SaΩsõra verstanden wird oder im Zusammenhang des sich in Zeit und Raum drehenden grÌ÷eren Zyklus des SaΩsõra, 110 ist ein fortw¤hrender Wechsel zwischen einer ÇDies- heitç und einer ÇAndersheitç ( itthabhõvaËËathõbhõvaΩ ).

Der So-Seiende, der die Gefahr in der Abh¤ngigkeit von ÇStÛt- zenç, die doch immer nur unter ihm zusammenbrechen, sieht, greift nach nichts und h¤ngt an nichts. Er hat alle Standpunkte aufgegeben 111 und dabei eine Grundlage fÛr Stabilit¤t gefunden, die ihn nie betrÛgt. Er besitzt eine UnerschÛtterliche Befreiung des Geistes ( akuppõcetovimutti ), da er angesichts der weltlichen Wechself¤lle von ÇGewinn und Verlust, Ehre und Schande, Lob und Tadel, GlÛck und UnglÛckç 112 frei von Zuneigung ( anu- rodha ) und Abneigung ( virodha ) ist. ÇIm Falle eines MÌnchs, dessen Geist vÌllig befreit ist, BrÛ- der, fesseln die vielen mit dem Auge erkennbaren Formen, die ins Gesichtsfeld treten, niemals seinen Geist; unberÛhrt bleibt sein Geist, standhaft und unerschÛtterlich geworden, und er sieht

110 Eine praktische Anwendung dieses Prinzips auf das Problem von Leben und Tod kommt im Channovõda Sutta M III 266 (= M 144) S IV 59 (= S 35, 87) vor. Hier wurde der EhrwÛrdige , der schwer krank darniederlag und daran dachte Selbstmord zu begehen, vom EhrwÛrdigen Mahõcunda an- gewiesen, Ûber einen speziellen Aspekt der Lehre des Buddha bezÛglich der LoslÌsung (die oben zitierte Stelle) zu reflektieren. Wie er dem EhrwÛrdigen Sõriputta zuversichtlich enthÛllte, hatte sein Tempo der LoslÌsung bereits ei- nen hohen Grad erreicht. Obwohl er trotz dringender Bitten Sõriputtas Selbst- mord beging, erfahren wir, da÷ der Buddha ihn entlastete, da er als Arahant starb. Diese Episode findet der Çgesunde Menschenverstandç ziemlich empÌ- rend und sie scheint einen sehr heiklen Punkt in der Lehre zu berÛhren. Trotz- dem, wenn die tiefen philosophischen Implikationen dieser kurzen Formel gewÛrdigt werden, erscheint diese Begebenheit zumindest weniger empÌrend. Denn, in einem dieser au÷ergewÌhnlichen Versuche dem Tod zuvorzukom- men, hatte der EhrwÛrdige Channa tats¤chlich den Tod Ûberwunden, obwohl er ihm scheinbar erlag. 111 Siehe oben Kõlakõrõma Sutta 112 Siehe A IV, 157 (= A VIII, 5)

62 dabei das Vergehen. ... fesseln die vielen TÌne ... GerÛche ... Ge- schm¤cker ... tastbaren Dinge ... Gedanken ... niemals seinen Geist; unberÛhrt bleibt sein Geist, standhaft und unerschÛtterlich geworden, und er sieht dabei das Vergehen. ...ç 113 Die Erkl¤rung des Buddha im Kõlakõrõma Sutta - ÇSo ist, ihr MÌnche, der Tathõgata so-seiend bei allen gesehenen, gehÌrten, empfundenen und erkannten Dingen, (er) ist ÇSoç.ç - ist eine An- spielung auf diesen Çunbeeinflu÷ten Geistç des Befreiten.

Trotz der Tatsache, da÷ Festigkeit fÛr gewÌhnlich mit Starrheit in Verbindung gebracht wird, kann man in einem gewissen Sinne vom So-Seienden sagen, er besitze eine Anpassungsf¤higkeit und Flexibilit¤t, die unter den Nuancen dieses Beinamens leicht einen Platz findet. Um nochmals auf das Flu÷gleichnis zurÛckzukom- men, der So-Seiende ist dem schnell flie÷enden Strom durch ÇLoslassenç sowohl des ÇSelbstç als auch der als ÇStÛtzenç fÛr das ÇSelbstç ergriffenen Dinge entkommen. Das mag wie ein Pa- radoxon klingen, doch ist alles was er getan hat, sich durch das Loslassen der Illusion des Selbst in Einklang mit der Realit¤t zu bringen. Wie wir oben sahen, war es diese pervertierte Idee, die ihn in einem Versuch sein ÇSelbstç zu retten, veranla÷te, sich an den brÛchigen Gr¤sern am Flu÷ufer festzuhalten. Der Wahn der Existenz oder des ÇWerdensç war das Ergebnis dieses Festhal- tens ( upõdõnapaccayõ bhavo ) und alles W¤hnen von Geburt, Al- ter und Tod war nur darauf bezogen. Durch das ErgrÛnden der Wahrheiten der Unbest¤ndigkeit, des Leidens und des Nicht-Ichs hat sich der So-Seiende an die weltlichen Wechself¤lle, die ja nur Manifestationen der oben genannten Formen des Wahns sind, angepa÷t. Diese Wechself¤lle berÛhren oder bewegen ihn nicht, da er alles Begehren, die ÇRichtschnur des Werdensç ( ucchin- nabhavanettiko )114 bereits abgeschnitten hat.

113 A IV, 404 (= A IX, 26) 114 D I, 46 Brahmajõla Sutta (= D 1)

63

ÇWorauf gestÛtzt die Fluten des W¤hnens (DÛnkel) nicht l¤nger in einem auftreten, und wenn die Fluten des W¤hnens ( maËËus- savõ ) nicht mehr auftreten, wird man ein Gestillter Heiliger ( mu- nisanto ) genannt.ç Das wurde gesagt. Und in Bezug worauf wur- de dies gesagt? Ç(Ich) binç ist ein DÛnkel ( maËËitam ); ÇIch bin diesç ist ein DÛnkel; ÇIch werde seinç ist ein DÛnkel; ÇIch werde nicht seinç ist ein DÛnkel; ÇIch werde formhaft seinç ist ein DÛn- kel; ÇIch werde formlos seinç ist ein DÛnkel; ÇIch werde wahr- nehmend seinç ist ein DÛnkel; ÇIch werde nicht wahrnehmend seinç ist ein DÛnkel; ÇIch werde weder-wahrnehmend-noch- nicht-wahrnehmend seinç ist ein DÛnkel. W¤hnen ist eine Krankheit, W¤hnen ist ein GeschwÛr, W¤hnen ist ein Pfeil. Auf- grund des ”berschreitens allen W¤hnens wird man ein Gestillter Heiliger genannt. Der Gestillte Heilige wird nicht geboren, altert nicht, stirbt nicht; er ist unerschÛtterlich ( na kuppati ) und frei von Verlangen. Ihm eignet nichts, wodurch er geboren werden kÌnn- te. Wenn er nicht geboren wird, wie sollte er altern? Wenn er nicht altert, wie sollte er sterben? Wenn er nicht stirbt, wie sollte er erschÛttert werden? In Bezug darauf wurde gesagt: ÇWorauf gestÛtzt die Fluten des W¤hnens (DÛnkel) nicht l¤nger in einem auftreten, und wenn die Fluten des W¤hnens ( maËËussavõ ) nicht mehr auftreten, wird man ein Gestillter Heiliger ( munisanto ) ge- nannt.ç 115

115 M III, 246 Dhõtuvibha™ga Sutta (= M 140)

64

9.9.9. Die Essenz von Begriff und Vorstellung

Vorstellungen spielen eine herausragende Rolle in der ÇZauber- showç des Bewu÷tseins. Ihr Einflu÷ ist so umfassend, da÷ selbst der auf seiner Suche nach Wahrheit befindliche Denker es sich kaum leisten kann vÌllig auf sie zu verzichten, wie unzul¤nglich er sie auch finden mag. Bei allen Transaktionen im geistigen Le- ben kommen Begriffe als Çg¤ngiges Zahlungsmittelç gelegen. Der Wahrheitssuchende mag ihre Herkunft anzweifeln, aber dennoch mu÷ er wohl oder Ûbel ihren Nutzwert anerkennen. Wie wir oben sahen, entdeckte der Buddha einen Mittleren Weg fÛr das Problem mit den Begriffen und Vorstellungen, als er zwischen dem Gesetz der Bedingten Entstehung und den bedingt entstandenen Ph¤nomenen unterschied. Begriffe sind als bedingt entstandene Ph¤nomene eine Illustration des Gesetzes, und daher wurde ihr Nutzwert anerkannt. Zugleich aber wies der Buddha darauf hin, da÷ es die Einsicht in das Gesetz ist, die wesentlich ist, und da÷ Begriffe, wenn sie einmal das Gesetz vollst¤ndig Çil- lustriertç haben, in jenem Glanz der Weisheit ( paËËõpabhõ ) verblassen mÛssen, nachdem sie ihren Zweck erfÛllt haben. Dieses Erkennen eines hÌheren Zwecks ist eine Alchemie, die den Begriff in einen Vorboten der Befreiung verwandelt. Es mar- kiert einen bemerkenswerten Fortschritt gegenÛber den extre- men Einstellungen des Dogmatismus und Zynismus oder Agno- stizismus und erkl¤rt warum der Begriff dhamma (Ding, Ph¤no- men, Geistobjekt, Vorstellung, Lehre, Gesetz, usw.) ein so be- deutender Oberbegriff im Buddhismus ist. Ohne am Begriff zu h¤ngen oder zu versuchen sich aus ihm herauszuwinden drang der Buddha tief in seine Eigenschaften ein und enthÛllte jene An- teile in ihm, die auf der Suche nach Wahrheit und Freiheit wir- kungsvoll nutzbar gemacht werden kÌnnen.

65

Einmal unterwies er die MÌnche, wie sie auf eine Reihe von Fragen antworten sollten, die von wandernden Asketen anderer Gruppen betreffend des Ursprungs, des Verhaltens und des Zwecks Çaller Dingeç gestellt werden kÌnnten.

Ç... Wenn ihr derart befragt werdet, ihr MÌnche, mÌgt ihr jenen wandernden Asketen folgendes antworten: ÇIm Wollen (oder In- teresse), Freunde, wurzeln alle Dinge; durch Aufmerksamkeit werden alle Dinge erzeugt; durch Kontakt entstehen alle Dinge; in den GefÛhlen laufen alle Dinge zusammen; angefÛhrt von Sammlung sind alle Dinge; durch Achtsamkeit werden alle Din- ge gemeistert; durch Weisheit werden alle Dinge Ûbertroffen; Be- freiung ist die Essenz aller Dinge; im Todlosen mÛnden alle Din- ge; in Nibbõna enden alle Dinge.ç Wenn ihr derart befragt wer- det, ihr MÌnche, mÌgt ihr jenen wandernden Asketen auf diese Weise antworten.ç 116

Hier verwendet der Buddha den Oberbegriff dhamma , der zweckdienlich als ÇDingeç wiedergegeben werden kann. Da÷ auf Gedanken und Vorstellungen Bezug genommen wird, zeigt sich jedoch offensichtlich durch die folgende Reihe von Fragen, die vom EhrwÛrdigen Sõriputta eingesetzt werden um die Vertraut- heit des EhrwÛrdigen Samiddhi mit der obigen Darlegung des Buddha zu prÛfen.

ÇWomit als Objekt, Samiddhi, entstehen Gedanken und Vorstel- lungen ( saΩkappavitakkõ ) in einem Menschen? Mit Name-und-Form als Objekt, ehrwÛrdiger Herr. Worin aber, Samiddhi, nehmen sie Mannigfaltigkeit an? In den Elementen, ehrwÛrdiger Herr. 117

116 A V, 106 (= A X, 58) 117 Die achtzehn Elemente: Die Elemente des Auges, der Form, des Sehbe- wu÷tseins; die Elemente des Ohrs, des Tons, des HÌrbewu÷tseins; die Ele- mente der Nase, des Geruches, des Riechbewu÷tseins; die Elemente der Zun- ge, des Geschmacks, des Schmeckbewu÷tseins; die Elemente des KÌrpers, des Tastbaren, des Tastbewu÷tseins; die Elemente des Denkens, der Gedanken, des Denkbewu÷tseins. Siehe S II, 101 (= S 14, 1)

66 Wodurch aber, Samiddhi, entstehen sie? Sie entstehen durch Kontakt, ehrwÛrdiger Herr. Worin aber, Samiddhi, laufen sie zusammen? Sie laufen in den GefÛhlen zusammen, ehrwÛrdiger Herr. Was aber, Samiddhi, fÛhrt sie an? Sie werden von Sammlung angefÛhrt, ehrwÛrdiger Herr. Wodurch aber, Samiddhi, werden sie gemeistert? Durch Achtsamkeit werden sie gemeistert, ehrwÛrdiger Herr. Wodurch aber, Samiddhi, werden sie transzendiert? Sie werden durch Weisheit transzendiert, ehrwÛrdiger Herr. Was aber, Samiddhi, bildet ihre Essenz? Sie haben Befreiung als ihre Essenz, ehrwÛrdiger Herr. Worin aber, Samiddhi, mÛnden sie? Sie mÛnden im Todlosen, ehrwÛrdiger Herr.ç 118

Aus der Erkl¤rung des Buddha bezÛglich des Ursprungs der ÇDingeç kann ihr ph¤nomenologischer Charakter leicht abgelei- tet werden. Wie es in den paarweisen ErÌffnungsversen des Dhammapada gesagt wird, haben Çalle Dinge den Geist als ihren Vorl¤ufer, der Geist ist ihr AnfÛhrer, sie sind vom Geist ge- machtç. 119 Der Weltling mit seiner objekt-orientierten Weltsicht mag es schwer finden, die Worte des Buddha zu verstehen, wenn er sagt, da÷ die Dinge im Wollen oder Interesse ( chanda ) wur- zeln, da÷ sie durch Aufmerksamkeit ( manasikõra ) erzeugt wer- den und da÷ sie durch Kontakt ( phassa) entstehen. Durch die Pro- jektion seiner WÛnsche hat sich der Weltling soweit entfremdet, da÷ er dazu neigt zu glauben, ÇWortç und ÇBedeutungç seien von Natur aus ewig verbunden, gleich dem gÌttlichen Paar. 120 Kon-

118 A IV, 385 (= A IX, 14) 119 Ç Mano pubba™gamõ dhammõ-manoseÆÆhõ manomayõ ç 120 Siehe beispielsweise Kõlidõsa: ÇIch verehre die Eltern der Welt, Põrvat¶ und Paramesvara , die vereint sind wie Wort und Bedeutung ( võgarthõviva sampôktõu ), so da÷ es zu einem Ein- klang zwischen Wort und Bedeutung beitragen mÌge.ç RaghuvaΩsa

67 sequente Reflektion ( yoniso manasikõra ) Ûber die Matrix des Be- griffs wÛrde jedoch enthÛllen, da÷ ÇBedeutungç - soweit es ihre Bedeutung betrifft - nicht sehr weit von den psychologischen Haupttriebfedern entfernt ist, aus denen alles Wollen, Interesse, BedÛrfnisse, Absichten und Vorhaben entspringen. 121 Es ist le- diglich die von menschlichem DÛnkel angetriebene Interes- sensgemeinschaft, die den Begriff absegnet, nachdem sie ihn mit einer Reihe von auf dem Ambo÷ der Logik ( takkapariyahata ) zu- rechtgeklopften Bedeutungen gefÛllt hat. Ist es erst einmal als Çfertiges Produktç vorhanden, ist man geneigt seinen zusammen- gesetzten und Çsynthetischenç Charakter zu vergessen. Diesen wiederzuentdecken ist die Aufgabe wurzeltiefer Reflektion. In der Matrix der Vorstellung isoliert ÇInteresseç das ÇDingç, der Strahl der Aufmerksamkeit vergrÌ÷ert es, w¤hrend Kontakt es definiert und umschreibt. In dem Ma÷e, in dem Vorstellungen Çbedeutendç werden, kann man von ihnen sagen, da÷ sie in den GefÛhlen konvergie- ren. Das Element der Sammlung, das sie fÛhrt, und die Kraft der Achtsamkeit, die sie dominiert, sind vom Standpunkt der Befrei- ung die versÌhnenden ZÛge der Vorstellungen. Der wirkliche Schnittpunkt ist ÇWeisheitç. Hier werden die Vorstellungen transzendiert, wenn durchdringende Weisheit, die das Entstehen und Vergehen sieht ( udayatthagõmin¶ paËËõ ), intuitiv die Vor- der- und RÛckseite dieses Çg¤ngigen Zahlungsmittelsç erkennt. So Çverausgabenç sie sich selbst, offenbaren Befreiung als ihre Essenz und mÛnden im Todlosen - Vollendung in Nibbõna errei- chend. (Siehe Diagramm)

Die Kontexttheorie der Bedeutung stellt einen Fortschritt gegenÛber dieser popul¤ren Ansicht dar, obwohl sie den Çpsychologischen Kontextç nicht vÌl- lig erforscht hat. Auch der moderne Pragmatiker hat mit dem Einrei÷en einiger uralter, das Verh¤ltnis zwischen Wort und Bedeutung betreffender Mythen gute Dienste geleistet. 121 Siehe Kapitel 3

68

Interesse Aufmerksamkeit Nibb õna Kontakt WEIS HEIT Todlosigkeit Gefühl Befreiung Sammlung Achtsamkeit

Mit der Ordnung der Begriffe fÛr den hÌheren Zweck der Ent- faltung von Weisheit, wodurch dann diese Begriffe selbst trans- zendiert werden, hat der Buddha eine via media der besonderen Art gew¤hlt. Vorstellungen, aus denen die Verdrehtheit des SaΩsõra besteht, werden in den Dienst genommen, um die spiri- tuellen F¤higkeiten zu entwickeln, immer jedoch mit angemesse- nen Sicherheitsvorkehrungen. Diese Tatsache wird in der Sa- tipaÆÆõna Sutta besonders deutlich, in der jedem Unterabschnitt, der eine spezielle Art der Kontemplation vorstellt, ein thematisch geformter Abschnitt folgt, der alle Fehlbewertungen neutralisiert, die durch eine zu wÌrtliche Interpretation leicht entstehen kÌn- nen. So ist zum Beispiel der Unterabschnitt Ûber die Kontempla- tion der vier KÌrperhaltungen folgenderma÷en angelegt:

ÇUnd weiter, ihr MÌnche, wenn er geht, wei÷ ein MÌnch: ÇIch geheç; wenn er steht, wei÷ er: ÇIch steheç; wenn er sitzt, wei÷ er: ÇIch sitzeç; wenn er liegt, wei÷ er: ÇIch liegeç. Wie auch immer seine KÌrperhaltung ist, so eben wei÷ er es.

69

So verweilt er bei sich selbst, den KÌrper als einen KÌrper be- trachtend, oder er verweilt nach au÷en, den KÌrper als einen KÌrper betrachtend, oder er verweilt bei sich selbst und nach au- ÷en, den KÌrper als einen KÌrper betrachtend. Oder er verweilt die Natur des Entstehens beim KÌrper betrachtend, oder er ver- weilt die Natur der AuflÌsung beim KÌrper betrachtend, oder er verweilt die Natur des Entstehens und der AuflÌsung beim KÌr- per betrachtend. Oder es ist in ihm die Achtsamkeit ÇDa ist ein KÌrperç gegenw¤rtig, eben nur soweit es der Erkenntnis dient, soweit es der Vergegenw¤rtigung dient, und er verweilt unab- h¤ngig und h¤ngt an nichts in der Welt.ç 122

Der Dogmatiker und der Zyniker, die beide durch eine zu wÌrtli- che Interpretation der AusdrÛcke ÇIch geheç, ÇIch steheç, ÇIch sitzeç, ÇIch liegeç in die Irre gehen kÌnnten, wÛrden gut daran tun, die Bedeutung der gegebenen praktischen Hinweise zu be- achten. Jede ungebÛhrliche Betonung auf dem ÇIchç wird wahr- scheinlich eine Besessenheit mit der Idee eines Selbst oder Egos aufkommen lassen, und der Zyniker seinerseits wird hier allzu schnell einen Widerspruch mit den Lehren Ûber anattõ (ÇNicht- Ichç) feststellen. Doch die Achtsamkeit auf den KÌrper sollte nicht als Beses- senheit mit dem KÌrper verstanden werden. Zum einen ist der Vorbehalt ihrer Anwendung sowohl auf andere als auch auf einen selbst ein Weg das der Praxis zugrundeliegende Prinzip zu uni- versalisieren, um dadurch aus dem Geist jede Neigung, sich mit dem Ego zu besch¤ftigen, zu entfernen. Zum anderen tr¤gt die Kontemplation der Natur des Entstehens, der Natur der AuflÌ- sung und der Natur des Entstehens und der AuflÌsung des KÌr- pers dazu bei, alle Vorstellungen von Substantialit¤t, die mit ihm verbunden sein kÌnnten, fernzuhalten und bereitet des weiteren den Geist auf die endgÛltige Durchdringung der KÌrper-Vor- stellung durch Weisheit vor. Und letztlich ist der Vorbehalt, da÷ das Gewahrsein ÇDa ist ein KÌrperç lediglich als Mittel zum Zweck betrachtet werden sollte - da sein Sinn im Sch¤rfen der

122 D II, 292 (= D 22) ; M I, 56 (= M 10)

70 spirituellen F¤higkeiten der Achtsamkeit und Weisheit besteht - eine Warnung an jene, die Çden Wald vor lauter B¤umen nicht sehenç. Ein MÌnch, der dem wahren Geist der Praxis treu bleibt, ist daher einer, der Çunabh¤ngig verweilt und an nichts in der Welt h¤ngtç.

Das st¤ndige Gewahrsein seiner bedingt entstandenen Natur fun- giert als Katalysator, immer wenn der Begriff im Dienste hÌherer Ziele nutzbar gemacht wird. Die Tatsache, da÷ er nur eine ÇBe- zeichnungç ( sankhõ ) in der Welt ist, wird nie aus den Augen ver- loren und seine zusammengesetzte Natur wird oft analytisch de- monstriert. FÛr diese losgelÌste Betrachtungsweise macht es we- nig aus, ob die Vorstellung die eines ÇHausesç oder die eines ÇKÌrpersç ist.

ÇGleichwie, Freunde, Raum mit Balken und Binsen und Gras und Lehm versehen als ÇHausç bezeichnet wird, ebenso wird ein mit Knochen und Sehnen und Fleisch und Haut versehener Raum als eine ÇFormç (d.h. ein ÇKÌrperç) bezeichnet.ç 123

Nicht nur in Bezug auf die KÌrperbetrachtung ( kõyõnupassanõ ) sondern auch im Falle der anderen drei Betrachtungen - der Ge- fÛhle ( vedanõnupassanõ ), des Geistes ( cittõnupassanõ ) und der Geistobjekte ( dhammõnupassanõ ) - wird man angewiesen, die selben praktischen Hinweise zu befolgen. Wenn im Fall dieser drei festgestellt wird, da÷ solche Achtsamkeit wie Çda sind Ge- fÛhleç, Çda ist Geistç oder Çda sind Geistobjekteç in ihm gegen- w¤rtig ist, eben nur soweit es der Erkenntnis dient, soweit es der Vergegenw¤rtigung dient, wird es offensichtlich, da÷ der Buddha den Fehler des Ontologen vermeidet, der solche Kategorien gern als absolut behandelt. Laut der ph¤nomenalistischen Herange- hensweise des Buddha enthalten nicht nur die verschiedenen Ar- ten von GefÛhlen und Geisteszust¤nden nichts, was Çdas Fest-

123 M I, 190 Mahõhatthipadopama Sutta (= M 28)

71 halten wertç 124 w¤re, sondern auch der gesamte Bereich der Lehr- kategorien, die im letzten Abschnitt (also der Kontemplation der Geistobjekte) zusammengefa÷t sind, enth¤lt nichts dergleichen. Sie alle kÌnnen unter dem Wort ÇVorstellungç eingeordnet wer- den, und das bedeutet, ihre bedingte Natur, die Natur des Entste- hens und Vergehens zu erkennen.

ÇFreunde, wenn ein Auge da ist und eine Form da ist und Sehbe- wu÷tsein da ist, ist es mÌglich eine Bestimmung von Kontakt (phassapaËËatti) aufzuzeigen. Wenn eine Bestimmung von Kon- takt da ist, ist es mÌglich eine Bestimmung von GefÛhl auf- zuzeigen. Wenn eine Bestimmung von GefÛhl da ist, ist es mÌg- lich eine Bestimmung von Wahrnehmung aufzuzeigen. Wenn ei- ne Bestimmung von Wahrnehmung da ist, ist es mÌglich eine Be- stimmung von Denken ( vitakkapaËËatti ) aufzuzeigen. Wenn eine Bestimmung von Denken da ist, ist es mÌglich eine Bestimmung des Bedr¤ngt-Werdens durch Vorstellungen, die aus der sich aus- breitenden Wahrnehmung entstammen ( papaËcasaËËõsa™khõsa- mudacara±apaËËatti ), aufzuzeigen. Wenn da ein Ohr ... Ton ... HÌrbewu÷tsein ... Wenn eine Nase ... Geruch ... Riechbewu÷tsein ... Wenn da eine Zunge ... Geschmack ... Schmeckbewu÷tsein ... Wenn ein KÌrper ... Tastbares ... Tastbewu÷tsein ... Wenn Geist ... Geist-Objekt ... Geistbewu÷tsein da ist, ist es mÌglich eine Be- stimmung des Bedr¤ngt-Werdens durch Vorstellungen, die aus der sich ausbreitenden Wahrnehmung entstammen, aufzuzeigen. Wenn, Freunde, kein Auge da ist und keine Form da ist und kein Sehbewu÷tsein da ist, ist es unmÌglich, eine Bestimmung von Kontakt aufzuzeigen. Wenn keine Bestimmung von Kontakt da ist, ist es unmÌglich eine Bestimmung von GefÛhl aufzuzeigen. Wenn keine Bestimmung von GefÛhl da ist, ist es unmÌglich eine Bestimmung von Wahrnehmung aufzuzeigen. Wenn keine Be- stimmung von Wahrnehmung da ist, ist es unmÌglich eine Be- stimmung von Denken aufzuzeigen. Wenn keine Bestimmung von Denken da ist, ist es unmÌglich eine Bestimmung des Be-

124 Ç Sabba dhammõ nõlaΩ abhinivesõya ç - ÇNichts ist wert daran zu h¤ngen.ç M I, 251 C≠lata±hõsaΩkhaya Sutta (= M 37)

72 dr¤ngt-Werdens durch Vorstellungen, die aus der sich ausbrei- tenden Wahrnehmung entstammen, aufzuzeigen. Wenn kein Ohr ... kein Ton ... kein HÌrbewu÷tsein ... Wenn kein Geist da ist und kein Geist-Objekt da ist und kein Geistbewu÷tsein da ist, ist es unmÌglich eine Bestimmung des Bedr¤ngt-Werdens durch Vor- stellungen, die aus der sich ausbreitenden Wahrnehmung ent- stammen, aufzuzeigen.ç 125

Es kÌnnte uns tats¤chlich seltsam erscheinen, da÷ in der buddhi- stischen Psychologie sogar Kontakt und GefÛhl, mit denen wir so vertraut sind, als ÇBestimmungenç behandelt werden. Wir kÌnn- ten dies als ein Eindringen der ÇBestimmungç in die streng be- wachten geheimen Winkel der Psyche empfinden. Dies ist jedoch nicht der Fall, denn gerade im Akt der Wahrnehmung werden Kontakt und GefÛhl auf der Grundlage unserer latenten Eigen- schaften 126 eingesch¤tzt, bewertet, definiert und bestimmt. Somit ist es kaum zu rechtfertigen, sie als Çgegebenç anzusehen, auch wenn wir es gewohnt sind, sie fÛr selbstverst¤ndlich zu halten. Mit anderen Worten, das, was wir gewohnheitsm¤÷ig als Çfixe Vorgabeç betrachten, stellt sich als Çsynthetischç und Çzusam- mengesetztç ( sankhata ) heraus.

Die Vorstellungen, auf denen die ÇVier Grundlagen der Acht- samkeitç ( cattõro satipaÆÆhõnõ ) beruhen, beinhalten nichts Çes- sentiellesç in einem ontologischen Sinn. Die gesamte Struktur ist ein blo÷es Netzwerk, das verwendet wird, um Achtsamkeit und

125 M I, 112 Madhupindika Sutta (= M18) 126 Ç YaΩ-kho bhikkhu anuseti, taΩ anum¶yati, yaΩ anum¶yati tena saΩkhaΩ gacchati. ... R≠paΩ ce bhikkhave anuseti taΩ anum¶yati, yaΩ anum¶yati tena saΩkhaΩ gaccati: VedanaΩ ce ... SaËËõΩ ce ... Sankhõre ce ... ViËËõnaΩ ce ...ç S III, 36 (= S 22, 36) ÇDas, was latent liegt (wozu man neigt), MÌnche, dadurch wird man gemessen und wodurch man gemessen wird, dadurch wird man bestimmt ... Wenn man zur Form neigt, dann wird man daran gemessen und woran man gemessen wird, dadurch wird man bestimmt. Wenn man zu GefÛhl ... Wenn man zu Wahrnehmung ... Wenn man zu Gestaltungen ... Wenn man zu Bewu÷tsein ...ç

73

Weisheit zu entfalten. Es ist ein Netz, das zum ÇDurchschauenç gedacht ist und daher schwingt sich das Bewu÷tsein, wenn durchdringende Weisheit voll entfaltet ist, ungehindert durch die viereckigen Maschen des Netzes empor.

ÇMÌnche, ich werde euch das Entstehen und Vergehen der Vier Grundlagen der Achtsamkeit lehren. HÌrt aufmerksam zu ... Was, ihr MÌnche, ist das Entstehen des KÌrpers? Mit dem Ent- stehen von Nahrung entsteht der KÌrper; Mit dem Vergehen von Nahrung vergeht der KÌrper. Mit dem Entstehen von Kontakt entsteht GefÛhl; mit dem Vergehen von Kontakt vergeht GefÛhl. Mit dem Entstehen von Name-und-Form entsteht der Geist; Mit dem Vergehen von Name-und-Form vergeht der Geist. Mit dem Entstehen von Aufmerksamkeit entstehen Geistobjekte; mit dem Vergehen von Aufmerksamkeit vergehen Geistobjekte.ç127

Die zu Beginn des Kapitels angefÛhrte Fragenreihe enthÛllt, da÷ das Objekt, von dem abh¤ngig Gedanken und Vorstellungen ent- stehen, Name-und-Form ist. Dieser umfassende Ausdruck ist, wie wir wissen, der Partner des Bewu÷tseins im wirbelnden Wechselspiel (Kapitel 5). Es ist bemerkenswert, da÷ Name-und- Form oft mit der Idee des ÇEindringens inç oder des ÇSichver- strickensç verbunden wird, w¤hrend Verblendung ausdrÛcklich als Netz bezeichnet wird.

I. ÇSieh diese Welt mit all ihren GÌttern, Ein Selbst w¤hnend, wo es keines gibt; In Name-und-Form eindringend Meint sie: ÇDies ist die Wahrheitç 128

II. ÇDen Zorn gib auf, den DÛnkel Ûberwinde, Streif´ alle Fesseln von Dir ab; Da÷ einen ungehemmt von Name-und-Form

127 S V, 184 Samudayo Sutta (= S 47,42) 128 Sn 756 Dvayatõnupassanõ Sutta

74 Und besitzlos kein Leid befalle.ç 129

III. ÇKein Feuer gibt es wie die Gier, Kein Griff ist fest so wie der Ha÷, Kein Netz verstrickt so wie Verblendung, Kein Strom flie÷t so wie Begehren.ç 130

Im Va™g¶sa Sutta des Sutta Nipõta wird gesagt, da÷ der EhrwÛr- dige Nigrodhakappa çdas Netz Maccus (ein Beiname Mõras) zer- schnitt - das Netz, das vom T¤uscher so tÛckisch ausgebreitet wurde.ç 131 Der Kommentar identifiziert das Netz mit Begehren, wahrscheinlich weil er es mit dem Bezug zu Begehren in Vers 355 in Verbindung bringt.

ÇEr schnitt Begehren ab nach Name-und-Formç - so sprach der Herr. ÇKa±has Strom, so lang zugrunde liegend...ç 132

Es ist jedoch wahrscheinlicher, da÷ das hier erw¤hnte ÇNetz Maccusç Name-und-Form ist. Verblendung wird im oben ge- nannten Vers des Dhammapada mit einem Netz 133 verglichen und au÷erdem ist das fÛr gewÌhnlich mit dem immer dynamischen Begehren verbundene Bild das eines Flusses ( nadi ) oder eines Stromes ( sota ), wie in den oben zitierten Versen.

Das Bewu÷tsein findet sich aufgrund von Begehren in Name- und-Form, sein Objekt ( õramma±a ), verstrickt. Alle auf Sinneser- fahrung beruhenden spekulativen Ansichten, wie Çlogischç sie

129 Dhp 221 Kodha Vagga 130 Dhp 251 Mala Vagga 131 Ç Acchidõ maccuno jõlaΩ - tataΩ mõyõvino dalhaΩ .ç Sn 357 132 Ka±ha : ÇSchwarzerç, ein weiterer Beiname Mõras. 133 Man beachte, da÷ die spekulativen Ansichten, die Verblendung repr¤sentie- ren, oft mit Netzen ( diÆÆhijõla ) verglichen werden. Siehe D I, 46 (= D 1)

75 auch erscheinen mÌgen, sind nur Spinnweben auf dem Netz. Wenn daher der dogmatische Philosoph an der Theorie festh¤lt, die er von seinem begrenzten Standpunkt aus gesponnen hat und behauptet: çIch wei÷, ich sehe, genauso ist es.ç 134 - so ist dem Buddha zufolge alles, was er sieht, das Netz von Name-und- Form.

ÇEinige sehen in dogmatischen Ansichten Reinheit und sagen: çIch wei÷, ich sehe, genauso ist es.ç Aber auch wenn er gesehen h¤tte, welchen Unterschied macht es fÛr ihn? Sie haben die Wahrheit verfehlt und verkÛnden mit anderen (fremden) Mitteln Reinheit. Ein sehender Mann mag Name-und-Form sehen, und nach- dem er sie gesehen hat, wird er nur diese allein kennen, la÷t ihn also viel oder wenig sehen, nicht dadurch erlangt man Reinheit, sagen die Kenner.ç 135

Alle Objekte der sechs Sinne locken das Bewu÷tsein in das Netz von Name-und-Form mit Begehren als KÌder. 136 Weltliches Be- wu÷tsein findet sich stets an diesem oder jenem Objekt klebend wieder, was zu Vernebelung seiner Einsicht in die Wirklichkeit fÛhrt. Diese Objekte, welche die Maschen des Netzes bilden, sind von t¤uschender Natur, 137 was es wiederum schwer macht, sie aus

134 Siehe oben Kõlakõrõma Sutta 135 Sn 908/909 Mahõviy≠ha Sutta 136 Begehren wird im folgenden Vers des Dhammapada (180) ÇUmgarnerç (jõlin¶ = Çeiner der ein Netz hatç) genannt. ÇYassa jõlin¶ visattikõ - ta±hõ natthi kuhiËci netave taΩ buddham ananta gocaraΩ - apadaΩ kena padena nessathõ .ç Auf welche Spur kÌnntet ihr jenen Erwachten, der spurlos ist, fÛhren und fÛr den es den netzartig-haftenden Umgarner ÇBegehrenç nicht mehr gibt?ç Ein anderer Name fÛr Begehren, das mit dieser Idee im Zusammenhang steht, ist Ç sibbani ç = ÇN¤herinç. Sn 1040 ; A III, 399 (= AVI, 61) 137 Siehe oben: ÇDouble-bindç

76 dem ganzen Schema bewu÷ten Lebens zu verbannen. Man kann sie nicht wegwÛnschen, denn sie sind da, solange die Sinne da sind. Gier, Ha÷ und Verblendung, fÛr welche diese Objekte als Zeichen stehen, werden nicht sprachlich oder kÌrperlich, sondern durch Weisheit Ûberwunden.

ÇWelche Dinge, ihr MÌnche, sind weder in Werken noch in Wor- ten zu Ûberwinden, sondern durch best¤ndiges Sehen mit Weis- heit? Gier, Ha÷ ... Verblendung ... Zorn ... usw.ç 138

Deshalb wird die Essenz des Begriffs êBefreiung- dann erlangt, wenn das Bewu÷tsein der Tendenz entwÌhnt wird, sich in das Netz von Name-und-Form zu verstricken. Dann wird man nicht l¤nger auf, sondern durch das Netz blicken, nicht l¤nger auf die ÇDingeç, sondern auf die Natur der ÇDingeç schauen. Und es wird ein Blick sein, der weder aufmerksam, noch nicht-aufmerk- sam, weder bewu÷t noch nicht-bewu÷t, weder fixiert, noch nicht- fixiert ist - ein Blick, der keinen Horizont kennt.

138 A V, 39 (= A X, 23)

77

10.10.10. NichtNicht- ---ManifestiertesManifestiertes Bewu÷tsein

ÇBewu÷tsein, das sich nicht manifestiert 139 - unendlich, alleuch- tend, Hier finden Erde und Wasser, Feuer und Luft keinen Halt, Hier sind lang und kurz, fein und grob, schÌn und unschÌn, Und Name-und-Form - alle ausnahmslos abgeschnitten. Wenn das Bewu÷tsein zum ErlÌschen kommt - sind all diese au- ÷er Kraft gesetzt.ç 140

Die illusorische Natur, die der Buddha dem Bewu÷tsein zu- schreibt, ist gewisserma÷en eine Erkenntnis seines reflexiven Charakters. Wie ein Spiegel 141 reflektiert es die fÛnf Gruppen, von denen die fÛnfte das Bewu÷tsein selbst ist. Das ist tats¤chlich eine magische Illusion. Wenn das Bewu÷tsein sich selbst spie- gelt, spiegelt es sich selbst als ÇSelbst-Bewu÷tseinç wieder. In der Tat ist jedes Bewu÷tsein, im normalen Wortsinn, Selbst-Be- wu÷tsein. Darin eingeschlossen ist eine seltsame Duplizit¤t - ein wahres Paradoxon. Wenn man sich selbst als mit dem im Spiegel des Bewu÷tseins Reflektierten identifiziert und sagt ÇIch binç oder ÇHier bin ichç, hat man, wenn auch unabsichtlich, bereits eine Dualit¤t als gegeben vorausgesetzt. Schon ist ein Spalt als Bruch in der Erfahrung geschaffen und in der Folge besteht die

139 Einige Aspekte dieses Themas sind bereits in meinen frÛheren Werken dis- kutiert worden: ÇConcept and Reality in Early Buddhist Thoughtç (: Buddhist Publication Society 1971), ÇSaΩyutta Nikõya: An Anthology, Part IIç (Wheel Nos. 183/185); ÇIdeal Solitude: An Exposition of the Bhaddekarat- ta Suttaç (Wheel No. 188). 140 D I, 223 Keva∞∞ha Sutta (= D 11) 141 Siehe Kapitel 5

78 MÌglichkeit des ÇMessensç in Form von DÛnkel ( mõna ). Anders formuliert ist es eine Abh¤ngigkeit oder vielmehr eine gegensei- tige Abh¤ngigkeit. Genauso wie jemand, der in einen Spiegel blickt, nicht nur seiner Form gewahr wird, sondern auch des zu- gehÌrigen GefÛhls, der Wahrnehmung, der Absicht, des Kontakts und der Aufmerksamkeit, so wird man auch beim Selbst-Be- wu÷t-Werden einer ¤hnlichen Reihe von ÇObjektenç gewahr, die zusammengenommen als Name-und-Form bezeichnet werden.

Wie in jeder Zaubershow spielt auch hier ÇFormç ( r≠pa ) eine wichtige Rolle. Die der Form eigene Tr¤gheit stellt die Grund- lage fÛr die elementarste Einsch¤tzung, die es im Leben aller Or- ganismen gibt, n¤mlich die Zweiteilung von Sein und Nicht-Sein. ÇSieht er Entstehen und Vergehen bei den materiellen Objekten, dann bildet sich der Mensch ein (Wert-) Urteilç 142 Materielle Objekte scheinen eine Weile zu bestehen, bevor sie zerstÌrt werden und so kann sich das Gesetz der Unbest¤ndigkeit mit ihnen tarnen. Es ist mÌglich, da÷ die pervertierte Vorstellung (vipallõsa ) von Best¤ndigkeit ursprÛnglich auf eine Fehleinsch¤t- zung bezÛglich materieller Objekte zurÛckzufÛhren ist. Der stets gegenw¤rtige Proze÷ des Wandels wurde Ûbersehen und die zwei extremen Ansichten von absolutem Sein und absolutem Nicht- Sein konnten sich durchsetzen.

Doch das ist nur ein Strang im ÇGeflechtç samsõrischen Lebens, das den ÇDouble-bindç (Doppelbindung) formt. 143 Es gibt eine weiteren. Es ist die Vorstellung der Sinnesreaktion oder des Wi- derstandes ( patigha ), der den genauen Gegensatz zur mit der Formwahrnehmung ( r≠pasaËËõ ) verbundenen Tr¤gheit darstellt. Er manifestiert sich als GefÛhl, Wahrnehmung, Absicht, Kontakt und Aufmerksamkeit, umschreibt den ÇNamenç in ÇName-und- Formç. Die eigentliche Situation, die Sinneskontakt genannt wird, entsteht, wenn ÇNameç und ÇFormç zusammenarbeiten.

142 Ç R≠pesu disvõ vithavaΩ bhavaËca - vinicchayaΩ kurute jantu loke ç Sn 867 Kalahavivõda Sutta 143 Siehe Kapitel 5

79

ÇDurch ÇNameç und ÇFormç bedingt entstehen die Kontakte.ç 144 Wenn ÇFormç aufhÌrt zu existieren, hÌren daher auch die Kon- takte auf zu funktionieren. 145 Das Problem l¤uft dann auf Folgen- des hinaus: ÇDem wie Beschaffenen hÌrt Form auf zu existie- ren?ç 146 Die Antwort auf diese Frage kommt in Form eines Parado- xons: ÇWeder nimmt er mit normaler Wahrnehmung wahr, noch ist seine Wahrnehmung abnorm. Er ist nicht nicht-wahrnehmend, noch hat er der Wahrnehmung ein Ende gemacht. Dem so Be- schaffenen hÌrt Form auf zu funktionieren, denn die durch be- griffliche Ausbreitung charakterisierten Benennungen haben Wahrnehmung als ihren Ursprung.ç 147

Hier haben wir es mit einer au÷ergewÌhnlichen Ebene der Wahr- nehmung zu tun, die sich vÌllig aus dem Besessensein mit Form, das so grundlegend fÛr die Struktur der Wahrnehmung ist, zu- rÛckgezogen hat. Die negative Formulierung zeigt an, da÷ diese Transzendierung nicht durch zeitweise oder andauernde Unter- drÛckung von Wahrnehmung geschieht. Sie deutet vielmehr an, da÷ hier ein Fall des Durchschauens der Wahrnehmung vorliegt. Und wenn ihn nun jemand gefragt h¤tte, ob er zu der Zeit, als er sich auf dieser Wahrnehmungsebene befand, sich irgendwelcher SinneseindrÛcke bewu÷t war oder ob er unbewu÷t oder nicht-

144 Ç NõmaËca r≠paËca paticca phassõ ç Sn 872 145 ÇR≠pe vibh≠te na phusanti phassõç Sn 872 146 Ç KathaΩ sametassa vibhoti r≠paΩ ç Sn 873 147 Ç Na saËËasaË˶ na visaËËasaË˶ no pi asaË˶na vibh≠tasaË˶ evaΩ saπetassa vibhoti r≠paΩ saËËõnidõnõ hi papaËcasaΩkhõ ç Sn 874 Eine freie ”bersetzung wÛrde allgemeinere AusdrÛcke wie Çbewu÷tç und Çunbewu÷tç erfordern. Es ist die ganze Zeit eine Frage der Wahrnehmung (saËËõ ) aber da bewu÷tes Erfassen in dem Wort saË˶ mitenthalten ist, vermit- telt es den Sinn von Çsich etwas bewu÷t seinç. Diese Wiedergabe wird auch im Folgenden verwendet.

80 bewu÷t oder vÌllig ohne Bewu÷tsein war, h¤tte er verneinend antworten mÛssen. Als der Buddha sich einmal in einer Scheune bei ötumõ auf- hielt, ging ein von Blitz und Donner begleiteter Gewittersturm nieder, in dessen Verlauf zwei Bauern und vier Stiere nahe der Scheune von Blitz erschlagen wurden. Eine gro÷e Menschen- menge hatte sich am Unfallort versammelt. Der Buddha trat aus der Scheune und ging vor ihrem Tor auf und ab. Ein Mann aus der Menge n¤herte sich ihm, begrÛ÷te ihn ehrerbietig und dann kam es zu diesem Dialog:

ÇFreund, warum hat sich diese gro÷e Menschenmenge hier ver- sammelt?ç ÇGerade eben, Herr, als es in StrÌmen regnete mit Blitzschl¤- gen und Donnergrollen, wurden zwei Bauern, BrÛder, und vier Stiere getÌtet. Darum hat sich diese gro÷e Menschenmenge hier versammelt. Doch wo wart ihr, Herr?ç ÇIch war genau hier, Freund.ç ÇWie denn, Herr, saht ihr nicht (was geschah)?ç ÇNein, Freund, ich sah es nicht.ç ÇAber Herr, habt ihr nicht den L¤rm gehÌrt?ç ÇNein, Freund, ich hÌrte den L¤rm nicht.ç ÇWie denn, Herr, schlieft ihr (zu der Zeit)?ç ÇNein, Freund, ich habe nicht geschlafen.ç ÇWie denn, Herr, wart ihr bewu÷t (in dem Moment)?ç ÇJa, Freund.ç ÇSo habt ihr denn, Herr, obwohl ihr bewu÷t wart ( saË˶ samõno ) und wach, dennoch nichts gesehen noch gehÌrt, obwohl es in StrÌmen regnete mit Blitzschl¤gen und Donnergrollen!ç ÇSo ist es, Freund.ç 148

Dieser Dialog mag dir nicht so seltsam erscheinen, da du bei der ÇZaubershowç einen Vorgeschmack davon erhalten hast. Trotz- dem erschien jener Zustand der Sammlung, der einen so parado- xen Charakter aufweist, nicht nur einem ÇMann aus der Mengeç

148 D II, 13 Mahõparinibbõna Sutta (= D 16)

81 seltsam, sondern sogar MÌnchen und Nonnen, die noch keine Arahants waren. Immer wieder finden wir sie, wie sie den Budd- ha oder die ¤lteren JÛnger Ûber die MÌglichkeit und Natur einer solchen Sammlung befragen. 149 Einmal stellte der EhrwÛrdige önanda dem Buddha folgende Frage:

ÇMag wohl, o Herr, ein MÌnch eine solche Sammlung erreichen, worin er angesichts der Erde ohne Bewu÷tsein der Erde ist ( na paÆhavismiΩ paÆhavisaË˶ ), da÷ er angesichts des Wassers - des Feuers - der Luft - des Gebietes der Raumunendlichkeit - der Be- wu÷tseinsunendlichkeit - der Nichtsheit - der Weder-Wahrneh- mung-noch-Nichtwahrnehmung - angesichts dieser Welt ê ange- sichts jener Welt ohne Bewu÷tsein von all diesem ist und er den- noch bewu÷t ist?ç

Der Buddha antwortet, da÷ es fÛr einen MÌnche einen solchen Zustand der Sammlung geben kÌnnte, und auf die Frage, wie das mÌglich sei, erkl¤rt er:

ÇDa, önanda, ist sich ein MÌnch solcherart bewu÷t (evaΩ saË˶ ): ÇDies ist der Friede, dies ist vorzÛglich, n¤mlich die Beruhigung aller Gestaltungen, das Aufgeben aller BezÛge (Daseinsgrundla- gen, upadhi ), die ZerstÌrung des Begehrens, LoslÌsung, Aufhe- bung, ErlÌschen, Nibbõna. Auf diese Weise, önanda mag ein MÌnch eine solche Sammlung erreichen.ç 150

Dieser Erkl¤rung nach scheint es, da÷ die Wahrnehmung hier nicht vÌllig aufgehoben ist, sie hat jetzt nur eine Art Quasi-Ob- jekt, anstelle der gewÌhnlichen Objekte wie Erde, Wasser, Feuer und Luft, gefunden, das der Aufmerksamkeit wÛrdig ist. Das ist nichts anderes als der Aspekt des ErlÌschens bei der Bedingten Entstehung. Bei der Kontemplation dieses Aspekts werden alle

149 A IV, 426 (= A IX, 36); A V, 7 (= A X, 6); A V, 318 (= A XI, 7-8); A V, 322 (= A XI, 9); A V, 353 (= A XI, 18) 150 A V, 7 (= A X, 6)

82 Gestaltungen, die zum Zusammenbrauen von ÇDingenç beitra- gen, vollst¤ndig zur Ruhe gebracht. In der Folge werden alle Be- zÛge aufgelÌst, das Begehren wird nicht l¤nger unterstÛtzt und hÌchste LoslÌsung wird als transzendentale Erfahrung der Auf- hebung allen Daseins schon hier und jetzt verwirklicht. Da÷ dies eine dynamische Sicht ist, in der alle Wahrnehmungsinhalte und Vorstellungen ihres Objekt-Status beraubt werden, wird durch die folgende Erkl¤rung deutlich, die der EhrwÛrdige Sõriputta dem EhrwÛrdigen önanda gab, als dieser ihm die selbe Frage wie dem Buddha stellte.

ÇDas ErlÌschen des Werdens ist Nibbõna, das ErlÌschen des Werdens ist Nibbõna: So, Freund, steigt eine Wahrnehmung in mir auf und eine andere erlischt. Gleichwie, Freund, bei einem Reisigfeuer eine Flamme aufleuchtet, eine andere aber ver- schwindet, gerade so, Freund, stieg eine Wahrnehmung - ÇDas ErlÌschen des Werdens ist Nibbõnaç - in mir auf und eine andere - ÇDas ErlÌschen des Werdens ist Nibbõnaç - erlosch in mir. Zu jener Zeit, Freund, war ich mir bewu÷t: ÇDas ErlÌschen des Wer- dens ist Nibbõnaç. 151

Hier gibt es also ein Bewu÷tsein der Aufhebung des Bewu÷t- seins. 152 Obwohl nahezu ein Widerspruch, ist es aufgrund der re- flexiven Natur des Bewu÷tseins dennoch mÌglich. Anstelle eines Bewu÷tseins von Objekten haben wir hier ein Bewu÷tsein, das ohne Objekt oder StÛtze ist. 153 W¤hrend das Bewu÷tsein unter normalen Umst¤nden etwas Çspiegeltç oder manifestiert, ist es in

151 A V, 7-9 (= A X, 7) 152 Vergleiche: Ç ÆhitaΩ cittaΩ vippamuttaΩ - vayaËcassõnupassati ç A II, 379 (= A VI, 55) ÇDer Geist standhaft und recht befreit -betrachtet er sein Vergehenç Und: ÇWenn das Bewu÷tsein zum ErlÌschen kommtç ( viËËõ±assa nirodhena ) im ErÌffnungsvers dieses Kapitels. 153 Also anõramma±aΩ . Es wird auch Çnicht-feststehendç ( appatiÆÆaΩ ) und Çnicht-fortgesetztç ( appavattam ) genannt. Siehe unten.

83 dieser Sammlung Çnicht-manifestierendç. Es ist, als ob man in einem Moment losgelÌster Betrachtung dort eines tobenden Feu- ers gewahr wird, wo man vorher nur einen Stapel Feuerholz be- merkt hat.

ÇDie Form, ihr MÌnche, steht in Flammen; das GefÛhl steht in Flammen; die Wahrnehmung steht in Flammen; die Gestaltungen stehen in Flammen; das Bewu÷tsein steht in Flammen. So sehend, ihr MÌnche, wird der erfahrene edle JÛnger der Form ÛberdrÛssig; wird des GefÛhls ÛberdrÛssig; wird der Wahr- nehmung ÛberdrÛssig; wird der Gestaltungen ÛberdrÛssig; wird des Bewu÷tseins ÛberdrÛssig. ”berdrÛssig geworden, wird er leidenschaftslos, durch Leidenschaftslosigkeit wird er befreit, und in der Befreiung entsteht das Wissen von der Befreiung. Zer- stÌrt ist Geburt, vollendet das heilige Leben, getan ist was zu tun war und er versteht: ÇEs gibt nichts darÛber hinaus (das als Be- stimmung) fÛr die Bedingungen dieser Existenz (dienen kÌnn- te).ç154

Da÷ hier ein radikaler Wandel der Einstellung stattfindet, der in einem Wechsel des Aufmerksamkeitsfokus vom Brennstoff zum Feuer oder von der Nahrung ( õhõra ) zu ihrer Bedeutung resul- tiert, wird durch eine Lehrrede des Buddha an den EhrwÛrdigen Sandha gut verdeutlicht. Hierin unterscheidet er zwischen der Gesinnung eines Wildpferdes und der eines Zuchtpferdes. Wenn ein ungeb¤ndigtes Pferd an den Futtertrog gebunden ist, denkt es nicht: ÇWelchen ”bungsschritt wird mich der Trainer heute durchfÛhren lassen? Wie kÌnnte ich ihm am besten gehorchen?ç Statt dessen denkt es nur: ÇFutter, Futter.ç Dem gegenÛber denkt ein hervorragendes Zuchtpferd nicht: ÇFutter, Futterç, auch wenn es an den Futtertrog gebunden ist, sondern es denkt: ÇWelchen ”bungsschritt wird mich der Trainer heute durchfÛhren lassen? Wie kÌnnte ich ihm am besten gehorchen?ç. So ein Pferd be- trachtet es als Schuld, als nicht erfÛllte Verpflichtung, als Un- glÛck oder als Niederlage, die Gerte zu spÛren. Mit diesem

154 S III, 71 öditta Sutta (= S 22, 61)

84 Gleichnis illustriert der Buddha den Unterschied zwischen der weltlichen Gesinnung eines ungeÛbten Menschen und der Ûber- weltlichen eines Çguten, edlen Menschenç. Wenn der erste in die Einsamkeit geht, versteht er nicht der Wahrheit gem¤÷, wie man aus der Sinnesgier, dem ”belwollen, der Mattheit und MÛdig- keit, der Aufgeregtheit und Unruhe und dem Zweifel Çheraus- trittç, sondern verweilt statt dessen mit einem von den fÛnf Hemmungen besetzten Geist und brÛtet Ûber sie. Und er sinnt nach Ûber die Erde, das Wasser, das Feuer, die Luft, das Gebiet der Raumunendlichkeit, das Gebiet der Bewu÷tseinsunendlich- keit, das Gebiet der Nichtsheit, das Gebiet der Weder-Wahrneh- mung-noch-Nichtwahrnehmung: Seine Gedanken stÛtzen sich auf diese Welt, auf die jenseitige Welt, auf alles, was auch immer gesehen, gehÌrt, empfunden, wahrgenommen, erreicht, erstrebt und im Geist erwogen wird - in Abh¤ngigkeit davon sinnt er. Ein guter, edler Mensch aber geht in die Einsamkeit und ver- weilt nicht mit einem von den Hemmungen besetzten Geist und brÛtet nicht Ûber ihnen, denn er versteht wie man aus ihnen Çhe- raustrittç. Und er sinnt nicht nach Ûber die Erde, das Wasser, das Feuer, die Luft und die anderen oben genannten ÇObjekteç. Aber dennoch wird gesagt Çsinnt erç ( jhõyati ca pana ). Von diesem Sinnen, das auf kein Objekt gestÛtzt ist, wird gesagt, es sei so sonderbar, da÷ sogar die GÌtter und Brahmas sich von ferne ver- neigen und sagen:

ÇWir verehren dich, Edler unter den Menschen, Wir verehren dich, VorzÛglichster der Menschen, Denn was es ist, worauf gestÛtzt Du sinnst, das kÌnnen wir nicht begreifen.ç 155

155 A V, 323 (= A XI, 10) Vergleiche auch avitakka-samõdhi - Çgedankenfreie Sammlungç Ud 71 (Ud 6.7); avitakka jhõy¶ - Çeiner, der frei von Gedanken meditiertç S I, 126 (= S 4, 25; jhõyati anupõdõno - Çeiner der ohne Brennstoff oder Ergreifen meditiertç Thag 846-861 ; avitakkaΩ samõpanno - Çeiner, der in die gedankenfreie Sammlung eingetreten istç Thag 999 .

85

ÇObjekteç spielen in dieser ÇWahrnehmungç genau deshalb keine Rolle, weil das ÇSubjektç fehlt. Diese Erfahrung der Aufhebung des Daseins ( bhavanirodho ), die nichts anderes ist als ÇNibbõna hier und jetztç, ist das Ergebnis der ZerstÌrung der ÇIch binç- DÛnkels. 156 Es ist das Element des ichbezogenen Messens und Benennens innerhalb einer Wahrnehmungssituation, das in voll ausgebreiteten Vorstellungen resultiert. ÇWas, ihr MÌnche, ist das Ergebnis der Wahrnehmung? MÌnche, ich sage, da÷ Wahrnehmung den Gebrauch (der Spra- che) als Ergebnis hat. Wie man wahrnimmt, so drÛckt man es aus und sagt: ÇSo habe ich wahrgenommen (d.h. war ich bewu÷t).ç 157 ÇDie durch begriffliche Ausbreitung charakterisierten Benen- nungen haben Wahrnehmung als ihren Ursprung.ç 158 Wenn Name-und-Form, das in einem ÇObjektç-Verh¤ltnis zu den Vorstellungen steht, transzendiert wird, verlieren letztere ih- ren Bezugspunkt, ihren StÛtzpunkt. Deshalb kÌnnen Erde, Was- ser, Feuer und Luft, zusammen mit so relativen Unterscheidun- gen wie lang und kurz, fein und grob, angenehm und unange- nehm in dem nicht-manifestierten Bewu÷tsein Çnicht Fu÷ fas- senç. Die schÌpferische Kraft der Vorstellungen, die sich in der normalen Wahrnehmung als ÇEssenzç oder ÇSubstanzç manife- stiert, wird dabei zerstÌrt.

ÇBewu÷tsein, das nicht-manifestiert ist, unendlich, alleuchtend: Es hat nicht Teil an der Festigkeit der Erde, dem Flie÷en des Wassers, der Hitze des Feuers, der Bewegung der Luft, der We- senheit der Wesen, der Gottheit der GÌtter, am Pajõpatitum des Pajõpati, am Brahmatum des Brahma, am Strahlen der Strahlen-

156 Siehe A IV, 358 (= A IX, 3) 157 Ç VohõravepakkõhaΩ bhikkhave saËËaΩ vadõmi, yathõ yathõ naΩ saËjõnõti, tathõ tathõ voharati evaΩsaËËi ahosint iç A III, 413 (= A VI, 63) 158 Sn 874

86 den, am Leuchten der Leuchtenden, am Vehapphalatum der Ve- happhala Brahmas, an der Allheit von Allem.ç 159

Nachdem die Vorstellungen im befreiten Geist ihre schÌpferische Kraft verloren haben, eignen sie sich nicht mehr zur Ausbreitung (papaËca ). Der Befreite, der die Leerheit der Vorstellungen durch hÌheres Wissen erkannt hat, unterh¤lt keine auf ihnen beruhen- den ichbezogenen Einbildungen mehr.

ÇUnd auch der Tathõgata, ihr MÌnche, der Arahant, der VÌllig Erwachte, versteht mit hÌherem Wissen Erde als Erde; hat er mit hÌherem Wissen Erde als Erde verstanden, dann w¤hnt er nicht Erde als Erde; er w¤hnt nicht: Çauf der Erdeç; er w¤hnt nicht: Çvon der Erdeç; er w¤hnt nicht: ÇErde ist meinç; er erfreut sich nicht an der Erde. Aus welchem Grund? Weil er sie vÌllig ver- standen hat, sage ich.ç 160 Wie es das Kõlakõrõma Sutta darstellt, w¤hnt der Tathõgata kein sichtbares Ding als getrennt vom Sehen und unterh¤lt keinen Wahn Ûber ein ÇDing wert zu sehenç oder einen ÇSeherç. Das ist das Ergebnis der ”berzeugung, die er durch sein transzendenta- les Erlebnis vom VerlÌschen aller Ph¤nomene in jenem nicht- manifestierten Bewu÷tsein gewann. Wenn das Bewu÷tsein am Brennpunkt der Aufmerksamkeit nicht von einem Objekt gefesselt wird, durchdringt es das Netz

159 ÇSabbassa sabbattena ananubh≠taΩ ç - ÇBewu÷tsein, das an der Allheit von Allem nicht teilhat.ç M I 329 Brahmanimantanika Sutta (= M 49) Vergleiche: ÇMÌnche, ich werde euch das ÇAllesç lehren. HÌrt gut zu ... Was, ihr MÌnche, ist das ÇAllesç? Auge und Formen; Ohr und Ger¤usche; Nase und GerÛche; Zunge und Geschm¤cker; KÌrper und Tastbares; Geist und Gedan- ken. Das, ihr MÌnche, nennt man ÇAllesç. Wer auch immer, ihr MÌnche, be- haupten wollte: ÇIch lehne dieses ÇAllesç ab und werde dafÛr ein anderes ÇAl- lesç aufzeigen.ç - Es w¤re nur leere Prahlerei von ihm und wÛrde man ihn be- fragen, w¤re er nicht in der Lage seine Behauptung zu untermauern. Und wa- rum? Weil das au÷erhalb seiner MÌglichkeiten ist.ç S IV, 15 (= S 35, 23) 160 M I 5 M≠lapariyõya Sutta (= M 1)

87 von Name-und-Form, hinaus in eine Unendlichkeit und ÇAn- sichtenç machen einer allumfassenden Einsicht Platz. Im Hin- blick darauf wird es als Çrundum leuchtendç ( sabbatopabhaΩ ) beschrieben und dieses Leuchten ist die Weisheit selbst. 161 Diese ÇErleuchtungç bringt ein ÇVerblassenç ( virõga ) aller Objekte mit sich, die ehedem, im bezaubernden Schimmer des Sinnesbewu÷t- seins, Çbedeutendç schienen. Folglich wird diese Erfahrung manchmal auch als ÇErlÌschen der sechs Sinnesgebieteç (saúõyatananirodha ) bezeichnet.

ÇDarum, ihr MÌnche, sollte man das Gebiet kennen, worin das Auge erlischt und die Wahrnehmung von Form verbla÷t; das Ohr erlischt und die Wahrnehmung von TÌnen verbla÷t; die Nase er- lischt und die Wahrnehmung von Geruch verbla÷t; die Zunge er- lischt und die Wahrnehmung von Geschm¤ckern verbla÷t; der KÌrper erlischt und die Wahrnehmung von Tastbarem verbla÷t; der Geist erlischt und die Wahrnehmung von Gedanken verbla÷t - das Gebiet sollte man kennen, das Gebiet sollte man kennen.ç 162

Den MÌnchen, die diese kurze Darlegung des Buddha dem Ehr- wÛrdigen önanda berichteten, damit er sie erkl¤re, wurde gesagt, sie betr¤fe das ErlÌschen der sechs Sinnesgebiete. Genauso wie das ErlÌschen des Bewu÷tseins, da es noch eine Ebene des Erle- bens 163 ist, Çnicht-manifestiertes Bewu÷tseinç genannt wird, so

161 Vergleiche: ÇMÌnche, es gibt vier Arten des Leuchtens ( pabhõ ). Welche vier? Das Leuchten des Mondes, das Leuchten der Sonne, das Leuchten des Feuers, das Leuchten der Weisheit ..... MÌnche, von diesen vier ist das Leuch- ten der Weisheit ( paËËpabhõ ) in der Tat das VorzÛglichste.ç A II, 139 (= A IV, 141-145) ÇKein Leuchten gleicht dem der Weisheit.ç S I, 6 (= S I, 13) 162 S IV Lokakõmagu±a (2) (= S 35, 117) 163 Vergleiche: Ç ... chando ca v≠pasanto hoti, vitakko ca v≠pasanto hoti, saËËõ ca v≠pasantõ honti tappaccayõpi vedayitaΩ ç ÇVerlangen ist zur Ruhe gekommen, Denken ist zur Ruhe gekommen, Wahr- nehmungen sind zur Ruhe gekommen, auch dadurch bedingt ist Erleben.ç S V, 13 (= S 45, 11)

88 wird auch das ErlÌschen der sechs Sinnesgebiete als ein Gebiet (õyatana ) beschrieben.

ÇEs gibt, ihr MÌnche, jenes Gebiet, worin es weder Erde gibt, noch Wasser, noch Feuer, noch Luft; worin es weder das Gebiet der Raumunendlichkeit gibt, noch das Gebiet der Bewu÷tseinsu- nendlichkeit, noch das Gebiet der Nichtsheit, noch das Gebiet der Weder-Wahrnehmung-noch-Nichtwahrnehmung, worin es weder diese Welt gibt, noch eine jenseitige Welt, noch Sonne und Mond. Da, ihr MÌnche, sage ich, gibt es kein Kommen, kein Ge- hen, kein Stehen, kein Abscheiden und kein Wiedererscheinen. Es steht nicht fest ( appatiÆÆhaΩ ), es bewegt sich nicht ( appa- vattaΩ ), es hat kein Objekt ( anõramma±aΩ ). Genau das ist das Ende des Leidens.ç 164 Die Welt der Sinneserfahrung, in der die Gesetze der Relati- vit¤t herrschen, wird auf diese Weise transzendiert - in einem ÇGebietç, das sich nicht irgendwo im Weltraum befindet, sondern in diesem klaftergro÷en KÌrper. 165 Zusammen mit jenen Sinnesobjekten, die konkret zu sein scheinen wie Erde, Wasser, Feuer, Wind, Sonne und Mond schwinden auch solche mit ihnen verbundene abstrakte Begriffe wie ÇKommenç, ÇGehenç, ÇSte- henç, ÇAbscheidenç und ÇWiedererscheinenç. Formen, TÌne, GerÛche, Geschm¤cker, Tastbares und Gedanken - die alle ÇZei- chenç sind 166 - haben nun ihre Bedeutung verloren. Sie bezeich- nen nicht l¤nger ÇDingeç, denn Gier, Ha÷ und Verblendung sind im Befreiten erloschen. Alles, was seine ÇZeichenlose Befreiung des Geistesç 167 nun bezeichnet, ist gerade die Abwesenheit von Gier, Ha÷ und Verblendung in ihm. Das ist schlie÷lich das Wis- sen von Nibbõna ( aËËõ ), das ErlÌschen oder die Aufhebung aller

164 Ud 80 (= Ud 8.1) 165 Vergleiche: Ç... In diesem klaftergro÷en mit Wahrnehmung und Denksinn ausgestatteten KÌrper tue ich kund die Welt und den Ursprung der Welt und die Aufhebung der Welt und den zur Aufhebung der Welt fÛhrenden Pfad:ç S I, 62 Rohatissa Sutta (= S 2, 26) 166 Siehe Kapitel 3 167 Ç Animittõ cetovimutti ç siehe M I, 298 Mahõvedalla Sutta (= M 43)

89

Nibbõna ( aËËõ ), das ErlÌschen oder die Aufhebung aller Geburt und allen Werdens und aller Gestaltungen, die mannigfaltiges Leid hervorbringen.

ÇMÌnche, es gibt ein Nicht-Geborenes, ein Nicht-Gewordenes, ein Nicht-Gemachtes, ein Nicht-Zusammengesetztes. MÌnche, wenn es dieses Nicht-Geborene, Nicht-Gewordene, Nicht-Ge- machte, Nicht-Zusammengesetzte nicht g¤be, dann g¤be es hier kein Heraustreten aus dem Geborenen, Gewordenen, Gemachten, Zusammengesetzten. Da es aber, ihr MÌnche, ein Nicht-Gebore- nes, ein Nicht-Gewordenes, ein Nicht-Gemachtes, ein Nicht-Zu- sammengesetztes gibt, deshalb gibt es ein Heraustreten aus dem Geborenen, Gewordenen, Gemachten, Zusammengesetzten.ç 168

ÇDie Welt, verstrickt in Verblendung t¤uscht dem Toren, gebunden an BezÛge, eine vielversprechende Erscheinung vor.

168 Ud 8,3 . In einem psychologischen Sinne kÌnnte ein Muster Çzunichte- gemachtç oder ÇaufgelÌstç werden, wenn man seine Aufmerksamkeit einem Detail des Musters zuwendet. Genauso verwandelt sich das ÇGeboreneç (jõtaΩ ), das ÇGewordeneç ( bh≠taΩ ), das ÇGemachteç ( kataΩ ) und das ÇZu- sammengesetzteç ( saΩkhataΩ ) durch eine durchdringende Einsicht in seine Ursachen und Bedingungen, in einen nicht-geborenen, nicht-gewordenen, nicht-gemachten, nicht-zusammengesetzten Zustand. Alle an der Zaubershow des Bewu÷tseins beteiligten ÇMusterç, die ja nur bedingt entstanden sind, werden mit der ZerstÌrung von Nicht-Wissen und Begehren ebenfalls aufge- hoben. Die oben genannten Beinamen von Nibbõna sind daher in ihrer Bedeutung psychologisch und nicht metaphysisch. Wo es kein ÇZusammensetzenç gibt, da gibt es kein ÇAuseinanderfallenç. Deshalb wird Nibbõna auch apalokitaΩ , das ÇNicht-Zerfallendeç genannt. UnglÛcklicherweise haben viele Gelehrte, Ìstliche wie westliche, die zwei hier zitierten Sutten aus dem Udõna metaphysisch interpretiert und Schlu÷folge- rungen gezogen, die mit den Lehren von Anattõ kaum vereinbar sind. Es be- steht die weitverbreitete Tendenz, in diesen zwei Stellen einen Hinweis auf ein mysteriÌses, unbeschreibbares Reich in einer anderen Dimension der Existenz zu sehen, obwohl der Buddha ausdrÛcklich betonte, da÷ alles Dasein dem Ge- setz der Verg¤nglichkeit unterworfen ist.

90 Er ist von Finsternis umhÛllt, darum erscheint sie ihm auch dauerhaft. Doch der, der sieht, er findet nichts.ç 169

ÇAll jene Formen, TÌne, S¤fte, DÛfte, BerÛhrungen, Gedanken, von denen sie glauben sie seien angenehme, erwÛnschte und er- freuliche Dinge, wovon sie behaupten Çes istç, soweit sie das behaupten kÌnnen, darin ist sich die Welt samt der GÌtter einig, Çdas ist GlÛckç. Und wenn sie schwinden, gilt es ihnen als Leid.

Die Edlen aber sehen das GlÛck im Zunichtewerden des Ichge- bildes. Seht, wie sehr ihre Sicht jener der ganzen Welt entgegensteht. Was GlÛck ist fÛr die anderen, leidig nennt´s der Heilige. Was leidig gilt den anderen, der Heilige wei÷ es als das GlÛck. Seht, diese Lehre, die so schwer erkennbar! Die Einsichtslosen sind hierbei verwirrt.

Wie Finsternis ist´s denen, deren Blick verschleiert, und Dunkelheit fÛr solche, die nicht sehen. Den Guten aber ist es offenbar, gleichwie den Sehenden das Licht. Obgleich so nah und doch sehen es die in der Lehre unerfahrenen Toren nicht.

Von jenen gefangen in der Daseinslust, von jenen fortgerissen vom Daseinsstrom, von jenen in Mõras Reich geraten, nicht leicht verstanden wird die Lehre.

Wer anders als die Edlen verdient vollst¤ndig zu dem Zustand zu erwachen, den sehend Triebbefreite Nibbõnas Stille erlangen.ç 170

169 Ud 79 (= Ud 7,10)

91

11.11.11. Friede ist GlÛck in Nibbõna --- ein Epilog

FÛhre mich von der Unwahrheit zur Wahrheit! FÛhre mich von der Finsternis zum Licht! FÛhre mich vom Tod zur Todlosigkeit!

Das war die Sehnsucht des indischen Geistes. Es war eine Sehn- sucht, die im Einklang mit den hÌchsten Bestrebungen der Menschheit stand. Die Kõlakõrõma Sutta wÛrde, wenn man sie im Licht der wesentlichen Lehren des Buddha verstÛnde, viel da- zu beitragen, uns zu zeigen, wie diese Sehnsucht erfÛllt werden kÌnnte.

Jedoch findet im Buddhismus eine radikale Abweichung hin- sichtlich des Zugangs zu diesen Problemen der Wahrheit, des Lichts und der Todlosigkeit statt. Bislang glaubte man, die Wahrheit, die der SchlÛssel zum R¤tsel des Daseins ist, l¤ge in den H¤nden einer Gottheit. Man dachte, da÷ das Licht, welches die Dunkelheit des GemÛts vertreibt, nur durch eine mystische Vereinigung mit dieser Gottheit erlangt werden kÌnnte. Man nahm an, Unsterblichkeit, die das Problem der unausweichlichen TragÌdie aller lebenden Wesen, des Todes, lÌsen wÛrde, sei nur in einer anderen Dimension gesichert, in der die unsterblichen GÌtter ( amarõ ) ewig im Genu÷ ihres Ambrosia ( amrta ) schwel- gen. Im Gegensatz zu dieser popul¤ren Psychologie, deren Naivit¤t die Metaphysiker vergeblich zu verbergen suchten, steht die Bot- schaft des Buddha. Er entdeckte die Wahrheit dort, wo man sie am wenigsten vermutete. Das Dasein und seine Aufhebung, das

170 Sn 759-765 Dvayatõnupassanõ Sutta

92 Problem und seine LÌsung, fanden sich verwoben in ein Ge- flecht, in dem wirbelnden Wechselspiel, dem Sammelpunkt jeg- licher Existenz. Wenn man dieses Geflecht nur entwirren kÌnnte! Und genau das tat er erfolgreich und enthÛllte der Menschheit auch den Weg, das in Angriff zu nehmen. Die Wahrheit befindet ihm zufolge in niemandes Obhut und hat nichts Esoterisches oder Mystisches an sich. Sie zu finden ist eine Frage des ÇSehens der Dinge wie sie sindç und wenn die nÌtige Klarheit der Einsicht einmal entfaltet ist, kann man sie in aller Deutlichkeit und Klar- heit in der Struktur aller Ph¤nome erkennen. Dhamma, als die Wahrheit, l¤dt ein Çzu kommen und zu sehenç ( ehipassiko ).

ÇGleichwie etwa, ihr MÌnche, wenn da am Ufer eines Bergsees von klarem, durchsichtigem, ungetrÛbtem Wasser ein scharf- sichtiger Mann st¤nde und hineinblickte auf die Muscheln und Schnecken, auf den Kies und den Sand und die Fische, wie sie dahingleiten und stillstehen; der sagte sich nun: ÇKlar ist diese Wasserfl¤che, durchsichtig, ungetrÛbt; ich sehe darunter die Mu- scheln und Schnecken, den Kies und den Sand und die Fische, wie sie dahingleiten und stillstehen.ç Ebenso nun auch, ihr MÌn- che, versteht der MÌnch der Wahrheit gem¤÷: ÇDas ist das Lei- denç; er versteht der Wahrheit gem¤÷: ÇDas ist die Entstehung des Leidensç; ... ÇDas ist die Aufhebung des Leidensç, ... ÇDas ist der zur Aufhebung des Leidens fÛhrende Pfadç; er versteht der Wahrheit gem¤÷: ÇDas sind die EinflÛsseç; er versteht der Wahr- heit gem¤÷: ÇDas ist die Entstehung der EinflÛsseç; ... ÇDas ist die Aufhebung der EinflÛsseç; ... ÇDas ist der zur Aufhebung der EinflÛsse fÛhrende Pfadç. Wenn er so erkennt und sieht, wird sein Geist befreit von den EinflÛssen sinnlichen Begehrens, von den EinflÛssen des Werdens, von den EinflÛssen des Nicht-Wis- sens. In der Befreiung entsteht das Wissen von der Befreiung und er versteht: ÇZerstÌrt ist Geburt, vollendet ist das heilige Leben, getan ist, was zu tun war, es gibt nichts darÛber hinaus (das als Bestimmung) fÛr die Bedingungen dieser Existenz (dienen kÌnn- te).ç 171

171 M I, 279 Mahõassapura Sutta (= M 39)

93

Die Dunkelheit, welche die Klarheit der Sicht in unserem geisti- gen Leben trÛbt, wurde von Buddha auf den verblendeten Ein- druck eines ÇSelbstç zurÛckgefÛhrt. Die Verblendung als ÇStandpunktç 172 schuf einen Hintergrund des Nicht-Wissens, um sich selbst aufrecht zu erhalten. Der Geist wurde aufgrund von Nicht-Wissen und Begehren festgelegt und begrenzt. Es handelt sich hier um den Fall einer ÇVereinnahmungç, die eine ÇVorein- genommenheitç erzeugt, um eine ÇBereicherungç, die ÇMangelç hervorruft. Das Wissen, angeh¤uft von den sechs Sinnesgebieten in den engen Grenzen, die das Ego fÛr sie abgesteckt hat, stellte sich so als nichts anderes als ÇNicht-Wissenç heraus. Es gab die unvermeidliche Spaltung zwischen einer Çinnerenç und einer Ǥu÷erenç Sinnesgrundlage, und das Bewu÷tsein wurde zwi- schen einem ÇHierç und einem ÇDortç eingezw¤ngt. 173 Das Pro- blem der Erleuchtung war deshalb nicht abh¤ngig von einer Ver- tiefung in oder einer Vereinigung mit einer Gottheit, was dem Verschmelzen einer Dunkelheit (ÇSelbstç) mit einer anderen Dunkelheit (ÇSELBSTç) gleichkommt. Es mu÷ten nur die Çselbstgeschaffenenç kÛnstlichen Grenzen mit einem durch- schlagenden Blitz der Weisheit niedergerissen werden, damit das Bewu÷tsein seine Kapazit¤t, unendlich und alleuchtend zu sein, entfalten konnte. Und die Entdeckung, da÷ diese Kapazit¤t be- reits im Geist vorhanden ist (wenn man sie nur entfalten kÌnnte!) stellt eine unerwartete EnthÛllung fÛr die Menschheit dar.

ÇDieser Geist, ihr MÌnche, ist leuchtend, doch wird er verunrei- nigt von hinzukommenden Befleckungen. Doch der unkundige Weltling versteht dies nicht der Wirklichkeit gem¤÷. Darum, sa- ge ich, gibt es fÛr den unkundigen Weltling keine Entfaltung des Geistes. Dieser Geist, ihr MÌnche, ist leuchtend und er ist frei von hinzu- kommenden Befleckungen. Der kundige, edle JÛnger aber ver-

172 Siehe Kapitel 6 173 Siehe Kapitel 5

94 steht dies der Wirklichkeit gem¤÷. Darum sage ich, gibt es fÛr den kundigen, edlen JÛnger eine Entfaltung des Geistes.ç 174

Der Buddha erkannte, da÷ ÇGeburtç und ÇTodç untrennbare Be- gleiterscheinungen des Wahns des Daseins sind. Das Gesetz der Verg¤nglichkeit, das sogar in den himmlischen Bereichen herrscht, wÛrde gegen jede Vorstellung einer unsterblichen Exi- stenz sprechen. ”berdies war die Suche nach unsterblichem Da- sein nur ein Symptom der tiefsitzenden Angst vor dem Tod. Wenn nur diese qu¤lende Angst beseitigt werden kÌnnte, g¤be es dieses Problem nicht mehr. Deshalb schlug er eine neue Art der LÌsung fÛr das Problem von Leben und Tod vor. Er zeigte auf, da÷ obwohl unsterbliche Existenz unmÌglich ist, man dennoch Çambrosische Todlosigkeitç erfahren kÌnnte - und das sogar hier und jetzt. 175 Man mÛ÷te nur die Wahrheiten der Verg¤nglichkeit, des Leidens und des Nicht-Selbst vÌllig verstehen, wodurch die ÇExistenzç, von der ÇGeburtç und ÇTodç abh¤ngen, aufgehoben wird. Das Gegenmittel scheint schon fast homÌopathischen Grunds¤tzen zu entsprechen, obwohl die verabreichte ÇDosisç Verg¤nglichkeit keineswegs gering war. Die Herangehensweise war so radikal, da÷ sie sogar das erstaunliche Paradoxon enthielt, da÷ die systematisch entfaltete Reflektion Ûber den Tod im Tod- losen ( amatogadhõ ) mÛnden wÛrde. 176 Anstatt den Tod durch himmlisches Ambrosia kÛnstlich zu unterdrÛcken, sorgte der Buddha also dafÛr, da÷ der Tod eines natÛrlichen Todes starb, in einem Bereich der Ûberweltlichen Erfahrung eines Todlosen, die bereits in dieser Çsterblichen Weltç erlangt werden konnte.

174 A I, 10 (= A I, 11) 175 Vergleiche: Ç Kõyena amataΩ dhõtuΩ phusayitvõ nir≠padhiΩ upadhipaÆinissagaΩ sacchikatvõ anõsavo deseti sammõsambuddho asokaΩ virajaΩ padaΩ ç ÇNachdem der vollkommen Erwachte, der von EinflÛssen freie, mit dem KÌr- per das Todlose Element, frei von BezÛgen, berÛhrt hat und das Aufgeben al- ler BezÛge verwirklicht hat, zeigt er die sorgenfreie, fleckenlose St¤tte.ç Itiv. 62 (= Itiv 51) 176 A V, 105 (= A X, 56-57)

95

ÇDiese ZerstÌrung (des Begehrens), diese LoslÌsung, diese vor- zÛgliche (ambrosische) Todlosigkeit, erreicht vom Sõkya-Wei- sen, innerlich gesammelt - nicht gibt es etwas, das diesem Dhamma gleicht ...ç 177

Die Vorgehensweise Buddhas - so darf wiederholt werden - war so radikal, da÷ sie sogar auf die flehende Einstellung hinter den Worten ÇfÛhre michç in der oben zitierten sehnsÛchtigen Bitte verzichtete. Der Dhamma als die Soheit aller Ph¤nomene 178 hat die ihm innewohnende F¤higkeit ÇweiterzufÛhrenç ( opanayiko ) und daher ist keine gÌttliche Gnade notwendig. Es ist nur eine Frage des Eintretens in den Strom des Dhamma ( dhammasoto ), der dem breiteren saΩsõrischen Strom entgegenl¤uft ( paÆisota- gõm¶ ). Die Verwirklichung des spirituellen Zieles hier und jetzt ( san- diÆÆhiko ), repr¤sentiert von Wahrheit, Licht und Todlosigkeit, l¤÷t den Befreiten nicht vÌllig au÷erhalb des WeltgefÛges stehen, was jede Vermittlung verhindern wÛrde. (Im Prinzip der Beding- ten Entstehung 179 hat er einen Schutz gegen die Konflikte gefun- den, die normalerweise durch eine unÛberbrÛckbare Kluft zwi- schen Erfahrungsebenen entstehen. Besonders die Kõlakõrõma Sutta veranschaulicht, wie vorsichtig der Buddha in dieser Hin- sicht war.) Noch ist es so, da÷ seine Verwirklichung eines transzenden- talen Erfahrungsbereichs seine Sinnesf¤higkeiten ver¤ndert h¤t- te, 180 mit Ausnahme der Tatsache, da÷ Gier, Ha÷ und Verblen- dung ihre Funktion nicht mehr beeinflussen. Sein Ûberblickendes

177 Sn 225 Ratana Sutta . Dieser Zustand ist auch als õnantarika samõdhi , Çun- mittelbare Sammlungç bekannt ( Sn 226 ). Hier wird die zeitlose ( akõliko ) Na- tur des Dhamma angedeutet. 178 Siehe Kapitel 8 179 Siehe Kapitel 4 180 Siehe Fu÷note 12

96 Verst¤ndnis der fÛnf Aspekte der sechs Sinnesgebiete 181 macht es ihm mÌglich in der Welt zu leben, obwohl er nicht von der Welt ist. 182 Es ist im Hinblick darauf, da÷ das ÇNibbõna-Element-mit- einem-Haftensrestç ( saupõdisesõnibbõnadhõtu ) seine Bedeutung erlangt.

Ç... Und was, ihr MÌnche, ist das Nibbõna-Element mit einem Haftensrest? Da ist, ihr MÌnche, ein MÌnch, ein Heiliger, dessen EinflÛsse zerstÌrt sind, der das Heilige Leben vollendet hat, getan hat, was zu tun war, die Last abgelegt hat, das Ziel erreicht hat, dessen Daseinsfesseln vÌllig zerstÌrt sind und der durch rechtes Wissen befreit ist. Seine fÛnf Sinnesf¤higkeiten bleiben erhalten und da sie unversehrt sind, hat er Teil am Angenehmen und Un- angenehmen und er erf¤hrt das Freudvolle und das Leidvolle.

181 ÇVom Tathõgata, ihr MÌnche, ist jene unvergleichliche hÌchste St¤tte des Friedens vÌllig verstanden worden, n¤mlich jene Befreiung ohne Aufgreifen, nachdem er das Entstehen, das Vergehen, den Vorteil, den Nachteil und das ÇHeraustretenç in Bezug auf die sechs Sinnesgebiete der Wahrheit gem¤÷ ver- standen hat.ç M II, 237 PaËcattaya Sutta (= M 102); siehe auch Brahmajõla Sutta . 182 Da seine Transzendenz endgÛltig und vollkommen ist, gibt es tats¤chlich kein ÇZurÛckkommenç. ÇAns andere Ufer gelangt, kommt der So-Seiende nicht mehr zurÛck (Ç põraΩgato na pacceti tõdiç Sn 803 ).ç Dennoch ist sein Wechsel zwischen den zwei Nibbõna-Elementen, Ç anupõdisesa ç (d.h. nir≠phadhiΩ ) und Ç saupõdisesa ç eine scheinbare ÇRÛckkehrç. ÇNa põraΩ digunam yanti-na idaΩ ekagunaΩ mutam ç ÇSie gehen nicht zweimal zum anderen Ufer Noch wird es als einmaliges Gehen gewertet.ç Sn 714 ÇAbgewandt, losgelÌst und befreit von zehn Dingen, Bõhuna, verweilt der Tathõgata unumschr¤nkten Geistes. Von welchen zehn? Abgewandt, losgelÌst und befreit von KÌrperlichkeit, von GefÛhl, von Wahrnehmung, von Gestal- tungen, von Bewu÷tsein, von Geburt, von Alter, von Tod, von Leiden, von Be- fleckungen, Bõhuna, verweilt der Tathõgata uneingeschr¤nkten Geistes. Gleichwie, Bõhuna, eine blaue, rote oder wei÷e LotusblÛte, im Wasser ent- standen, im Wasser aufgewachsen, sich Ûber den Wasserspiegel erhebt und dasteht unberÛhrt von Wasser, ebenso auch, Bõhuna, verweit der Tathõgata, abgewandt, losgelÌst und befreit von diesen zehn Dingen, unumschr¤nkten Geistes.ç A V, 152 (= A X, 81)

97

Das VerlÌschen von Gier, Ha÷ und Verblendung in ihm - das, ihr MÌnche, nennt man das ÇNibbõna-Element-mit-einem-Haftens- rest.ç 183

Auch wenn der Befreite scheinbar zur Welt der Sinneserfahrung çzurÛckkehrtç, so bleibt das GlÛck von Nibbõna doch der selbe Çinnere Friedeç ( ajjhatasanti ) oder das gleiche ÇGestilltseinç ( u- pasama ). Wie andere Aspekte des ”berweltlichen ist auch dies fÛr die Welt nicht leicht zu verstehen. Da÷ es eine Form von GlÛck in der Abwesenheit der Begierden geben kÌnnte ist in gleicher Weise paradox wie schon einiges, was vorher genannt wurde. Und doch kÌnnte wurzeltiefe Reflektion enthÛllen, da÷ es tats¤chlich nicht das Begehren ist, das glÛcklich macht, sondern seine Stillung. Begehren als eine Form von Stre÷ und Spannung ist ein Gebrechen wie Hunger und Durst und sogar in unserem Çnormalen Lebenç ist es nur seine ÇStillungç, die uns glÛcklich macht. Die TragÌdie dabei ist jedoch, da÷ die Stillung, die man um den Preis des begehrten Objektes erlangt, nur kurzlebig ist, denn einem Feuer gleich flackert das Begehren mit erneuter Kraft immer wieder auf. Aus diesem Grund erkannte der Buddha das nicht als wirkliche Stillung an. Er sah im Gegenteil darin einen vergeblichen Versuch, ein Feuer durch das ZufÛhren von mehr und mehr Brennstoff zu lÌschen. Und dennoch enthÛllt das Prin- zip, das dem Versuch, Begierden zu stillen, zugrunde liegt, da÷ in den Begierden kein GlÛck zu finden ist. Wenn nun aber die Stil- lung der Begierden wirklich glÛcklich macht, dann mÛ÷te ÇBe- gierdelosigkeitç als das Gestilltsein aller Begierden das HÌchste GlÛck sein und das ist tats¤chlich, was Nibbõna ist. 184

183 Itiv 38 (= Itiv 44) 184 Nibbõna ist auch die Stillung aller GefÛhle, denn: ÇWas immer auch gefÛhlt wird, ist vom Leiden betroffen.ç ( yaΩkiËci vedayitaΩ taΩ dukkhasmiΩ ) S II, 53 (= S 12, 32) Als der EhrwÛrdige Sõriputta erkl¤rte: ÇFreund, dieses Nibbõna ist GlÛck! Dieses Nibbõna ist GlÛck!ç, fragte ihn der EhrwÛrdige Udõyi: ÇWelches GlÛck gibt es dort, Freund, wo es kein GefÛhl gibt?ç. Die Antwort war: ÇDar-

98 UnglÛcklicherweise wurde der bekannteste Ausdruck fÛr das summum bonum des Buddhismus im Laufe der Zeit mit dem Stigma versehen, zu negativ in seinen Begriffsinhalten zu sein. Trotz offensichtlicher kanonischer Nachweise zÌgert man, die Tatsache anzuerkennen, da÷ Nibbõna im Wesentlichen auf ein ErlÌschen (wenn nicht sogar auf ein ÇAuslÌschenç - das ab- scheuliche Wort!) hindeutet. Es ist etwas traumatisches in unse- rer Reaktion auf die sogenannten Çnegativen Definitionenç, und daher lassen wir das Wort ÇNibbõnaç meist unÛbersetzt, w¤hrend es seinen Çgesellschaftsf¤higeren Begleiternç 185 in dieser Hin- sicht besser ergeht. Diese Tendenz wird noch markanter, wenn zum Beispiel in den Sutten Nibbõna klar als die ZerstÌrung von Gier, Ha÷ und Verblendung definiert ist 186 und der Kommentar (SA ) dazu dann doch ziemlich entschuldigend ist. Wenn, wie o- ben erw¤hnt, ÇBegierdelosigkeitç selbst das HÌchste GlÛck ist, dann kÌnnte Nibbõna vielleicht doch mÛhelos auf seine Rechte als Çpositives GlÛckç angesehen zu werden, Anspruch erheben. Da die Gesamtheit der Existenz durch das Gleichnis des Feuers illustriert wird, ist Nibbõna als sein ErlÌschen auch die Erfahrung von Gestilltsein und Beruhigung. Es ist daher mit der Idee des AbkÛhlens verbunden: ÇNachdem ich schon hier und jetzt frei von Hunger, erloschen und kÛhl geworden bin, verkÛnde ich Parinibbõna (vollkomme- nes ErlÌschen), das frei von Festhalten (oder Brennstoff) ist.ç 187 Dieses Çvollkommene ErlÌschenç oder ÇGestilltseinç ohne jegli- chen ÇBrennstoffç ist etwas, das man Çumsonstç genie÷en kann:

in, Freund, besteht ja gerade das GlÛck, da÷ es da kein GefÛhl mehr gibt.ç A IV, 414 (= A IX, 34) 185 In S IV, 368 (= S 43, 12-44) werden dreiunddrei÷ig Synonyme genannt. 186 Ç Yo kho õvuso rõgakkhayo dosakkhayo mohakkhayo idaΩ vuccati nibbõnaΩ ç ÇDie ZerstÌrung von Gier, die ZerstÌrung von Ha÷, die ZerstÌrung von Ver- blendung, das Freund, nennt man Nibbõna.ç S IV, 251 (= S 38,1) 187 A V, 65 (= A X, 29)

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ÇDie mit standhaftem Geist sich gem¤÷ der Weisung Gotamas richtig bemÛhen, haben frei von Begehren das Ziel erreicht und, in das Todlose eingetaucht ( amataΩ vigayha ), genie÷en sie die KÛhlung ( nibbuti ) die sie ganz umsonst ( mudhõ ) erlangt.ç 188

Mit der Stillung der Gestaltungen ( saΩkhõra≠pasama ) endet fÛr den Befreiten die ÇZaubervorstellungç des Bewu÷tseins. Und das noch weit vor ihrem planm¤÷igen Ende - dem Tod. Der Zauber hat fÛr ihn seinen Zauber verloren und nie mehr wird er seine ÇZeitç und sein ÇGeldç fÛr so hohle Shows hinauswerfen. Bevor er seinen ÇAbgangç macht, hat er die unerschÛtterliche Gewi÷- heit ( aËËõ ) von der Leerheit der Show gewonnen, jetzt da er die billigen Tricks des Zauberers durchschaut hat. Statt des GlÛcks des Nicht-Wissens, welches das verrÛckte, weltliche Publikum genie÷t, hat er umsonst das stille GlÛck der Befreiung genossen - Çdas HÌchste, Edle Gestilltseinç. 189 ÇKein GlÛck ist hÌher als der Frieden.ç 190

ÇIch durchirrte den Kreislauf der Wiedergeburt, Den Hausbauer suchte ich - Umsonst. Qualvoll ist wieder und wieder sein. Erkannt bist Hausbauer, du. Und nie mehr wirst ein Haus du bau´n. Deine Balken sind zerborsten, ZertrÛmmert liegt das Dach. Nicht-Gestaltung fand der Geist, Begehren fand ein Ende.ç 191

188 Sn 228 Ratana Sutta 189 Ç Paramo ariyo upasamo ç M III, 246 Dhõtuvibhanga Sutta (= M 140) 190 Ç Natthi santiparaΩ sukhaΩ ç Dhp 202 191 Dhp 153-154

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”ber den Autor

Der EhrwÛrdige Bhikkhu Katukurunde »õ±ananda ist buddhisti- scher MÌnch und wurde 1940 in Sri Lanka geboren. Dort lebt er gegenw¤rtig in einem Waldkloster bei Dewalegama. Vor seiner Ordination war er Lektor fÛr Põli an Sri Lankas renommierter Pe- radeniya University. Nachdem er 1967 der buddhistischen MÌnchsgemeinschaft beitrat, lebte er meistens in abgeschiedenen KlÌstern. Das vorliegende Buch mit dem Orginaltitel ÇThe Ma- gic of the Mindç erschien erstmals 1972.

Weitere Werke des Autors:

ñ ÇConcept and Reality in Early Buddhist Thoughtç (BPS) - ”bersetzung in Vorbereitung ñ SaΩyutta Nikõya Anthology (2) (BPS wh 183/185) ñ ÇIdeal Solitudeç (BPS wh 188) ñ ÇTowards Calm and Insightç (Dõna) - ”bersetzung in Vorbereitung ñ ÇFrom Topsy-turvydom to Wisdomç (Dõna) Essays fÛr ÇBeyond the Netç - ”bersetzung unter www.dhamma- dana.de: ÇStille und Einsichtç ñ ÇSeeing Through - A Guide to Insightç (Dõna) ñ ÇTowards a Better Worldç - ”bersetzung einer singhale- sischen Dichtung (Dõna) ñ ÇNibbõna - The Mind Stilledç (Dõna) - ”bersetzung in Vorbereitung ñ sowie zahlreiche singhalesische Werke

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