Wortlaut der Fernsehdebatte zur Landtagswahl in Nordrhein-Westfalen am 13. Mai 2012

Jürgen Maier Carolin Jansen

Nr. 33/2013 Arbeitspapiere und Dokumentationen des Forschungsschwerpunkts „Kommunikation, Medien und Politik“

ISSN (Online): 2195-6030

Die Arbeitspapiere und Dokumentationen des Forschungsschwerpunkts „Kommunikation, Medien und Politik“ dienen der Darstellung vorläufiger Ergebnisse, die in der Regel noch für spätere Veröffentlichungen überarbeitet werden. Alle Rechte vorbehalten, insbesondere die der Übersetzung, des Nachdruckes, des Vortrags, der Entnahme von Abbildungen und Tabellen – auch bei nur auszugsweiser Verwertung.

Herausgeber/Editors Mitglieder des Steering Committees des Forschungsschwerpunkts „Kommunikation, Medien und Politik“: Prof. Dr. Rüdiger Grimm (Fachbereich 4: Informatik) Prof. Dr. Jürgen Maier (Fachbereich 6: Kultur- und Sozialwissenschaften) Prof. Dr. Michaela Maier (Fachbereich 8: Psychologie) Prof. Dr. Ulrich Sarcinelli (Fachbereich 6: Kultur- und Sozialwissenschaften) Prof. Dr. Manfred Schmitt (Fachbereich 8: Psychologie)

Wortlaut der Fernsehdebatte zur Landtagswahl in Nordrhein-Westfalen am 13. Mai 2012

Jürgen Maier Carolin Jansen

Nr. 33/2013

Kontaktdaten der Verfasser: Abteilung Politikwissenschaft Institut für Sozialwissenschaften Fachbereich 6: Kultur- und Sozialwissenschaften Universität Koblenz-Landau, Campus Landau Kaufhausgasse 9 76829 Landau E-Mail: [email protected], [email protected] Wortlaut der Fernsehdebatte zur Landtagswahl in Nordrhein-Westfalen am 13. Mai 2012

Jürgen Maier Carolin Jansen

Zur Fernsehdebatte Am 30. April 2012 wurde das einzige TV-Duell im Landtagswahlkampf 20121 zwischen den beiden Ministerpräsidentschaftskandidaten, Amtsinhaberin Hannelore Kraft (SPD) und Her- ausforderer Norbert Röttgen (CDU), ausgestrahlt. Die rund 60-minütige Diskussionssendung begann um 20.15 Uhr und wurde vom öffentlich-rechtlichen Sender WDR übertragen. Unter Ausschluss von Publikum befragten die zwei Moderatoren Jörg Schönenborn und Gabi Lud- wig (beide WDR) die beiden Kandidaten.

Vorbemerkung Der Wortlaut der Debatte wird exakt dokumentiert. Die Aussagen der zwei Kandidaten sowie der zwei Moderatoren werden in 30-Sekunden-Blöcken eingeteilt. Darüber hinaus werden folgende parasprachliche Besonderheiten der Redebeiträge erfasst:2

(uv) unverständliche Rede

^ parasprachlicher Einschublaut (äh, öh, ömm usw.)

- kurze Pause

-- längere Pause

[ simultanes Sprechen

„…“ nachprüfbares wörtliches Zitat

‚…‘ sinngemäßes Zitat

1 Zusätzlich wurde im WDR am 2. Mai 2012 eine Elefantenrunde mit allen zur Wahl stehenden Kandi- daten ausgestrahlt. Teilnehmer an diesem Abend waren Hannelore Kraft (SPD), Norbert Röttgen (CDU), Sylvia Löhrmann (Bündnis90/Die Grünen), Christian Lindner (FDP), Katharina Schwabedissen (Die Linke) und Joachim Paul (Die Piraten). 2 Die Erfassung der parasprachlichen Elemente erfolgt unter Anlehnung der in Josef Klein (1990): Elefantenrunden „Drei Tage vor der Wahl“: Die ARD-ZDF-Gemeinschaftssendung 1972-1987, Baden- Baden, Teil II: Texte, S. I, entwickelten Systematik. Maier/Jansen: Wortlaut der Fernsehdebatte zur Landtagswahl in Nordrhein-Westfalen am 13. Mai 2012

Transkript Zeit Kraft Röttgen Moderatoren AUS DEM OFF: 00:00:00 Live aus der Vulkanhalle in Köln: Das Duell. Mit Hannelore Kraft und Nor- bert Röttgen. Ihre Gastgeber sind: Jörg Schönenborn und Gabi Ludwig.

LUDWIG: Guten Abend und Herzlich willkommen zum TV-Duell. In genau 13 Tagen wird in 00:00:30 Nordrhein-Westfalen gewählt. Heute Abend haben Sie die Gelegenheit, sich ein Bild von den beiden Kandidaten zu machen, die NRW in den nächsten fünf Jahren regieren wollen. Die amtierende Minis- terpräsidentin Hannelore Kraft, SPD und ihr Herausfor- derer Norbert Röttgen, CDU stehen uns eine Stunde lang Rede und Antwort. Zeitgleich können Sie zu Hause mit an- deren Zuschauern im Internet über das Duell diskutieren. Ab jetzt auf wdr.de.

SCHÖNENBORN: Wir fangen gleich mit einem aktuellen Streitthema an. Die 00:01:00 Bundesregierung will allen Eltern, die ihre kleinen Kinder unter drei Jahre vom nächs- ten Jahr an nicht in einer KiTa betreuen lassen, ein soge- nanntes Betreuungsgeld zah- len. Bis zu 150 Euro im Mo- nat. Herr Röttgen, in der Frak- tion ist das durchaus umstrit- ten, Sie selbst haben gesagt, das ist ein Beschluss, den ich nicht in Frage stelle. das klingt nicht gerade nach Begeisterung. Sie haben für Ihr Schattenkabinett eine Fa- milienministerin nominiert, die 00:01:30 klar gesagt hat, ich bin dage- gen. Jetzt mal jenseits aller Koalitionsabsprachen: was denken Sie denn persönlich darüber? 2

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Hab' ich ja gesagt, Sie haben mich auch richtig zitiert, ich stelle das nicht infrage, wir haben das beschlossen. Aber ich finde auch völlig richtig, dass über die Ausgestaltung diskutiert wird: Wie soll es geleistet werden, wie soll es gezahlt werden? Darüber muss diskutiert werden. Wir sind uns aber auch über eines völlig einig und das ist dann ein Unterschied, der jetzt auch deutlich geworden ist am Wochenende wir wollen die Wahlfreiheit der Eltern gewährleisten. Staatli- che Betreuung ist dann Recht. Jeder darf es in An- spruch nehmen, jeder, der es möchte. Aber keiner muss sich rechtfertigen, der es nicht in Anspruch nimmt. Und Frau Kraft war jetzt am Wochenen- de so zu verstehen, dass sie eine KiTa-Pflicht will. Sie hat 00:02:00 gesagt, 'Wir müssen dann auch sicherstellen, dass alle da sind' Das ist nicht Wahl- freiheit, das ist staatliche Be- vormundung. Wie die Eltern ihr Elternrecht wahrnehmen, das ist allein ihre Sache. Und wenn Eltern sagen, 'Unser Einjähriges soll nicht in die KiTa', dann ist es ihr gutes Recht Und staatliche Bevormundung lehnen wir ab. LUDWIG: Frau Kraft, Sie sagen, 'Gute Bildung muss in der KiTa be- ginnen', darum müsse man

auch sicherstellen, dass ^ Zitat "Alle Kinder da sind", so haben Sie es am Wochenen- de gesagt. Klingt wie ein Vor- 00:02:30 schlag zur KiTa-Pflicht, auch schon für die ganz Kleinen.

Nein, wir sind nicht für eine KiTa-Pflicht, das haben wir auch ausdrücklich genau so in unseren ^Inhalten festge- legt. Sie waren die Partei, die auf dem letzten Parteitag ein verpflichtendes Betreuungs- 3

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jahr vor der Schule vorgeschlagen haben. Und ich erinnere mich noch gut an die Debatte im Landtag, da ging es um die Frage aus Ihrer Fraktion, ob ein KiTa- Pflichtjahr eingeführt wird. Wir sind der Auffassung, dass das Betreuungsgeld falsch ist und zwar grundlegend falsch. Es gibt die falschen Anreize! Ei- 00:03:00 ne Prämie dafür zu zahlen, dass Kinder nicht in die KiTa gehen, ist nicht sachgerecht, weil in der Tat in der KiTa Bildung beginnt und es ist gut, wenn möglichst alle da sind Vielleicht darf ich dazu was sagen um das auch klarzu- stellen. In der CDU wird tat- sächlich diskutiert und auch als Ziel ausgegeben, dass das Vorschuljahr, also für fünf- oder sechsjährige Kin- der, bevor sie in die Schule kommen, verpflichtend sein soll. Das ist in der Tat bei uns eine Diskussion, aber wir re- den nicht über KiTa-Pflicht, wie Sie das getan haben, für [Das hab ich nicht getan, das die Einjährigen und Zweijähri- haben Sie gerade gehört. gen. 00:03:30 Ja, aber Sie haben sich ganz klar ausgedrückt, übrigens auch wiederholt, Sie haben gesagt, 'Dann müssen wir sicherstellen, dass alle Kinder da sind'. Es geht um die KiTa- Kinder, das sind die unter drei Jährigen. Und wenn Sie sa- gen, 'Alle Kinder', dann sind es eben alle. Und sicherstel- len, der Staat dann heißt das, dass Ihre Auffassung ist, dass der Staat das gewährleisten soll und nicht die Eltern entscheiden, wie sie ihr Recht wahrneh- men. Das ist ein fundamenta- 00:04:00 ler gesellschaftspolitischer Unterschied, Sie haben das ja auch schon mehrfach gesagt. Ich finde gut, dass jetzt end- lich mal ein Inhalt deutlich wird, wo wir unterschiedlicher

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Auffassung sind. Wir wollen Wahlfreiheit ermöglichen. Sie muss auch lebbar sein, darum auch Betreuungsangebote, die in Nordrhein-Westfalen hier weit vom Angebot ent- fernt sind. Wir haben viel zu wenige, da ist nichts passiert, so gut wie nichts passiert. Es werden tausende von Kindern zurückgelassen. Und dann wollen Sie mit einer bevor- mundenden Pflicht kommen. Wir wollen Wahlfreiheit lebbar machen. Das ist der Unterschied. Wenn ich KiTa-Pflicht gemeint hätte, dann hätte ich KiTa- Pflicht gesagt. Es geht darum, dass wir in der Tat genug Plätze schaffen, damit mög- [Ja. lichst alle Kinder in die KiTa [Ja. können! 00:04:30 Und hier haben wir immens aufholen müssen, nach der Regierung Rüttgers. Denn wir haben eine Situation vorge- funden, wo nur das Bundes- geld durchgeleitet worden ist und das Land selbst keinerlei Mittel in die Hand genommen hat. Wir nehmen jetzt 400 Millionen jährlich in die Hand, um mehr KiTa-Plätze zu bau- en. Und wir haben jetzt schon in diesem Jahr 16.000 neue Plätze mit den Kommunen auf die Beine gestellt. Wir werden den Rechtsanspruch schaffen im nächsten Jahr, insofern gibt's da keinen Verzug, son- [Ja. dern der Verzug lag in der Vorgängerregierung aus CDU 00:05:00 und FDP. Und KiTa-Pflicht ist Unsinn, das wissen Sie auch. Und eine KiTa-Pflicht können Sie eh', könnten Sie von der Verfassungsseite gar nicht [Ja. einführen. Also ich muss zwei Dinge rich^also erst mal glaub' ich, versuchen Sie jetzt, aus Ih- rem klaren Wortlaut, den Sie ja mehrfach ausgesprochen 00:05:30 [Das Wort 'Pflicht' haben Sie haben, zu fliehen, wenn…

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von mir nie gehört. Nein, das ist richtig, aber Sie haben das umschrieben. Wir, "Wir" ist der Staat, "müssen sicherstellen, dass alle da sind", das haben Sie mehr- fach gesagt, ich interpretiere es so. Ich glaube, Sie haben jetzt bemerkt, dass Sie was angerichtet haben und jetzt versuchen Sie da zurück zu rudern. Nun aber zu dem An- gebot an KiTa-Plätzen. ^ Es ist in der Amtszeit von als Familienminister das enorm aufgebaut worden. Der Rechtsanspruch ist ja auch durch die CDU begrün- det worden auf Bundesebene. Als Armin Laschet ins Amt kam, gab es 10.000 Plätze. Als er das Amt verließ, waren es 90.000 Plätze. Der Bund hat dafür vier Milliarden Euro zur Verfügung gestellt. In Ih- rer knapp zweijährigen Amts- zeit sind gerade mal 10.000 Plätze geschaffen worden, 00:06:00 100.000 sind es. Das Land [Das ist falsch. braucht 144.000 Plätze. Sie haben noch, hätten noch 15 Monate Zeit, wenn Sie weiter regierten. Sie haben in zwei Jahren 10.000 geschaffen. Ich sehe nicht, wie Sie in 15 Monaten 44.000 schaffen wollen. Nordrhein-Westfalen ist unter Ihrer Verantwortung auf den letzten Platz bei der Kindertagesbetreuung zu- rückgefallen. Neuverschul- dung Platz 1, Kinderbetreu- ung letzter Platz - es muss genau anders herum sein. Den letzten Platz haben wir 2009 erreicht! Ich würd das 00:06:30 gern noch mal gerade stellen, weil hier Zahlen genannt wer- den, die nicht stimmen. SCHÖNENBORN: Frau Kraft, wenn ich einfach versuchen darf, ein biss- chen... Sie sind gleich dran. Wir haben auch vorher re- cherchiert, weil wir geahnt haben, dass Zahlen genannt

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werden. Wir kommen zu et- was anderen Zahlen. Wir kommen zu dem Schluss, dass die Regierung Rüttgers in ihrem letzten beiden Jahren ungefähr genauso viele Plät- ze geschaffen hat wie die Regierung Kraft in den ersten beiden Jahren. Nämlich [(uv). jeweils 30.000. ^ Mal unter- stellt, dass unsere Zahlen richtig sind. Frau Kraft, warum [Ich kann das auch aufklären. waren Sie nicht schneller? Ich kann das aufklären! Sie haben die letzte Statistik des Bundes, die basiert sozusa- gen auf dem letzten KiTa- Jahr. Wir haben aber jetzt schon wieder die Vereinba- 00:07:00 rungen mit den Kommunen geschlossen und ab Herbst werden 16.000 neue Plätze allein in diesem Jahr zur Ver- fügung stehen. Das heißt, es bleibt noch eine Lücke von 27.000 und die werden wir gemeinsam mit den Kommu- nen schaffen, darüber sind wir in guten Gesprächen. Also vielleicht darf ich mal feststellen, wir sind jetzt je- denfalls, also es gibt eine Sta^ eine offizielle Stas^Statistik von März, die weist 71.000 Stellen ^ Plätze aus. Die ^ auf die berufe ich mich gar nicht, sondern ich lasse mich auf Ihre Zahlen von 100.000 ein. Auf die ha- ben Sie sich gerade auch 00:07:30 [Nein, hab ich nicht. eingelassen. also in den Zah- len sind wir uns einig. Das [Nein, sind wir uns nicht. sind 100.000, haben Sie ge- rade gesagt. Und dann kündi- gen Sie für den Herbst etwas an. Ich finde, eine Regierung muss sich an ihren Taten messen lassen, an ihren Er- gebnissen und nicht an ihren Ankündigungen. Und ich möchte wissen, wie viel ist jetzt da am 30. April, denn heute stehen wir hier, 00:08:00 heute müssen wir Rechen- schaft ablegen. Und das sind

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in Ihrer Amtszeit 10.000, gut 10.000 geschaffen worden, das ist viel, viel weniger als in den Jahren zuvor. [Ganz eindeutig. Aber die Plätze sind mit den Kommunen vereinbart, die Verträge sind da und die El- [Das ist Zukunftsmusik. tern melden jetzt ihre Kinder an, das ist keine Zukunftsmu- sik. Sondern die Kommunen [Doch, ernste Zukunftsmusik. haben die Plätze mit unserer Unterstützung geschaffen und [„Hilfe". wir haben dafür 400 Millionen mehr in die Hand genommen. [Nein. Sie haben nie eigenes Lan- desgeld in die Hand genom- Das ist auch richtig, dass wir men, sondern nur Bundesgeld es in Anspruch nehmen. Sie durchgeleitet. haben im letzten Jahr 38 Millionen Euro in Berlin liegen gelassen, anstatt sie nach NRW zu holen und hier zu bauen. Wenn wir sie liegengelassen wir lassen kein Geld in Berlin [Ja! liegen Da seien Sie mal ganz sicher. Die 38, die Sie nen- nen, die sind deshalb noch [Doch, leider ja! dort, weil die Projekte noch nicht fertiggestellt sind von [Doch, ist so! den Kommunen, sie sind den Einzelprojekten zugewiesen. 00:08:30 Und Sie wissen, wie das mit der Projektfinanzierung ist: Erst, wenn das Projekt been- det ist, bekommt man die Restsumme ausgezahlt. Die- ses Geld bleibt und davon können Sie ausgehen, nicht in Berlin liegen, wir lassen kein [Ja? Geld liegen. [(uv) Konjunkturpaket [Nein, nein. Aber das ist liegen geblieben. LUDWIG: An dieser Stelle konnten Sie Ihre Argumente austauschen. Vielleicht gehen wir einen Schritt weiter. Frau Kraft, Sie haben das gebührenfreie drit- te Kindergartenjahr einge-

führt. Das kostet ungefähr

00:09:00 142 Millionen Euro im Jahr.

Hätten Sie das nicht in den

Ausbau der U3-Tagesplätze

stecken können?

Nein, beides ist wichtig. Auch 8

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ein klares Signal, dass wir Familien finanziell entlasten wollen. Und das sind zum weit überwiegenden Teil die Familien, die mit mittleren Einkommen ihre Kinder in der KiTa haben. Das sind 85 Pro- zent aller Familien, die da positiv betroffen sind. Ich be- komme eine Menge positiver Rückmeldungen dafür denn die KiTa-Beiträge waren ja, dank der Vorgängerregie- rung, unterschiedlich im Land geworden. Es gab Kommu- nen, da waren sie Null und Nachbarkommunen, da liegen sie bei fast 500 Euro. Und diese Diskrepanz ist nicht in Ordnung. Deshalb ist es wich- 00:09:30 tig, klare Signale pro Familie zu setzen und Familien auch finanziell zu entlasten.

Haben Sie damit nicht die starken Schultern entlastet? Also wenn man das nach- rechnet, das dritte Kindergar- tenjahr ^ war oder ^ Kinder- garten^tagesplätze sind frei, wenn ich nicht genügend Geld verdiene. Wenn ich aber gut verdiene, dann zahle ich und so entlaste ich eine Fami- [(uv) nur wenn ich gut verdie- lie in Bonn, wenn ich gut ver- ne. diene, dann entlasten Sie eine Familie in Bonn mit 4.600 Euro im Jahr. Ist das

Politik für Reiche?

Es geht nicht nur um die 00:10:00 Sehrgutverdiener, sondern wir reden über, über diejenigen, die den ganzen Tag arbeiten gehen, sehr fleißig sind und knapp oberhalb von Hartz IV verdienen. Die werden nicht entlastet! Die müssen Beiträ- ge zahlen und für die ist das viel Geld. Nochmal, das sind 85 Prozent aller Familien, die KiTa-Gebühren für's letzte Jahr gezahlt haben. Und es ist richtig, die zu ent- 00:10:30 lasten. SCHÖNENBORN: Herr Röttgen, ich ^ hab' eben 9

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beim Betreuungsgeld ge- merkt, wie schnell Sie auf die Kindergartenplätze gekom- men sind. Ich würd da gern im [KiTa-Plätze, nicht Kindergar- gleichen Sinne ten. …auf die KiTa-Plätze ge- kommen sind. ^ Ich würd' da gern im gleichen Sinne nochmal nachfragen. Der Staat kann sich ja eigentlich die Gelddusche für alle nicht mehr leisten. Warum soll das Betreuungsgeld gezahlt wer- den für die Millionärsgattin, die dann noch 150 Euro Ta- schengeld obendrauf kriegt so wie das dritte Kindergarten- jahr auch für den Gutverdienenden nicht frei ist? Also ers^ erstens glaube ich, von Gelddusche kann wirklich keine Rede sein. Zweitens diskutieren wir es ja noch, es ist nicht entschieden. Es ist übrigens drittens keine Ent- scheidung, der die im Landtag fällt, sondern im . 00:11:00 Wir haben ja jetzt immerhin Landtagswahlen. ^Aber ich kann Ihnen den Grund der Diskussion sagen: Wir wollen die Bedingungen für echte Wahlfreiheit schaffen. Das heißt erstens: Diejenigen, die ein staatliches Betreuungsan- gebot in Anspruch nehmen wollen, die sollen das Ange- bot bekommen! Viel zu wenig geschehen! Und die sollen das Recht in Anspruch nehmen. Aber die- jenigen, die sich dafür nicht entscheiden, die sollen sich nicht rechtfertigen müssen dafür, dass sie das privat ma- 00:11:30 chen und kein staatliches An- gebot in Anspruch nehmen. Und sie sollen auch dafür, das ist der Gedanke, dafür einen finanziellen Ausgleich erhalten dafür, dass sie staat- liche Leistungen nicht in An- spruch nehmen. Das ist vom

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Gedanken her auch richtig. Man muss nur bei der Ausge- staltung darauf achten, dass es keine Fehler^ Fehlanreize gibt. Und darum ist das eine laufende Diskussion. LUDWIG: Frau Kraft, Sie sind gegen das Betreuungsgesetz. Aber ^ fehlen da nicht die Möglich- keiten der freien Wahl für die hunderttausenden von Eltern, die ihre Kinder eben nicht in der... Exakt! Die echte Wahlfreiheit haben wir doch erst dann, 00:12:00 wenn es genug Plätze gibt! Und wenn wir das Geld, was [Allerdings. Das ist meine Sie für's Betreuungsgeld jetzt Kritik! im Haushalt zurückgelegt ha- ben, wenn wir den Anteil, der auf Nordrhein-Westfalen ent- fallen würde, wenn wir den nehmen könnten und darauf zusätzliche KiTa-Plätze schaf- fen könnten, wären das 25.000 zusätzliche Plätze. Und dann gäb's schon den Hauch einer Möglichkeit mehr, echte Wahlfreiheit wirk- lich zu erleben. Ich zahl' doch auch niemandem eine Prämie dafür, dass er das Museum oder das Theater nicht be- sucht! Ich versteh' den gan- zen Ansatz dieser Politikrich- 00:12:30 tung überhaupt nicht. Son- dern es ist in der Tat wirklich schlecht für unsere Kinder. [Gut. Kinder… Sie sagen, Sie wollen aus den Augen der Kinder Politik ma- [(uv) chen. Von der Kinderseite her ist es wichtig, dass Kinder in die KiTa können, wenn sie [Ja. wollen, wenn die Eltern es gerne möchten, und diese Bedingungen müs- sen wir erst mal schaffen. Und dann kann man über weitere Maßnahmen nachdenken. 00:13:00 Aber das ist familienpolitisch der reine Wahnsinn. Die Frage ist halt eben nur, wer darüber entscheidet. Sie dürfen ja gern eine Meinung

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haben. Ich hab auch eine Meinung. Ich bin nur der Auf- fassung, dass am Ende Er- ziehung Elternrecht ist! Und da haben wir nicht reinzure- den. Wir haben auch keine Präferenzen zu haben als Politiker, sondern das ist al- lein Sache der Eltern. Und [Das tu ich auch nicht. wie ^für welchen Weg auch immer sie sich entscheiden, verdienen sie allen und den gleichen Respekt des Staa- tes. Darum geht es mir. Am Geld hängt der KiTa-Ausbau nicht, Sie haben es eben sel- ber gesagt, darum ist Ihre Argumentation gerade widersprüchlich. Es ist kein Geldmangel, der dazu führt, dass wir zu wenig KiTa- Plätze in NRW haben! Es ist nicht Geldmangel, der uns auf den letzten Platz gebracht hat. Sie haben ja selber ge- sagt, 38 Millionen sind da, weil die Projekte noch nicht fertig waren. Es liegt nicht am Geld! Das Geld ist da. Es war 00:13:30 mangelnder Wille, mangeln- des Herzblut, dass jetzt in NRW auch zu schaffen. Das ist kein Geldmangel, der uns davon absehen lässt, KiTa- Plätze zu bauen. [Aber da gab's den Investiti- In anderen Ländern ist er da. onsstau... [...in den Kommunen! Die [Nein. Vorgängerregierung von Herrn Rüttgers, CDU/FDP hat dafür eine Schlappe vor dem Verfassungsgericht kassiert, weil sie beim Thema Konnexität die Kommunen nicht entsprechend bedacht hat. Das heißt, sie hat den Kommunen zu wenig Geld gegeben, damit die Plätze [Dann hätten Sie mehr geben 00:14:00 überhaupt geschaffen werden sollen. konnten. Wir geben 400 Millionen zu- [Dann hätten Sie mehr geben sätzlich jedes Jahr. Sie haben sollen. Null eigenes Landesgeld in die Hand genommen. Das ist [Ja aber… der Unterschied? [Aber Frau Kraft SCHÖNENBORN:

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Was ist Konnexität, Frau Kraft? [Bitte? Aber warum, warum, wenn ich mal fragen darf, sind wir denn auf der letzten Stelle? Was ist Konnexität? Das heißt, wenn das Land eine Aufgabe an die Kommu- nen weiter gibt, dann muss das Land dafür auch bezah- len. Damit nicht die Kommunen immer die letzten in der Schlange sind, die es dann treffen. Und des…hier [Aber, darf ich? gab’s ein Urteil. Das war klipp und klar. Dieses Geld müssen wir jetzt nachlegen und den Kommunen finanzieren. [(uv) Aber Frau Kraft, die anderen machen’s doch. Wir sind auf [Seit 2009, Herr Röttgen. Platz 16 von 16 Ländern. Bayern, Bayern hat 100 Pro- 00:14:30 zent Mittel schon bewilligt bekommen. Andere haben es geschafft. Wir haben 73 Pro- zent der Mittel verbaut, ^ et- was über 80 Prozent be^beantragt und bewilligt bekommen. Andere haben 100 Prozent, da ist einfach wenig passiert. Und Sie müs- sen sich ^ schon damit abfin- den, dass Sie an den Fakten und Ergebnissen gemessen werden, nicht an den Progno- sen und dem, was Sie gerne wollen. Ich habe verstanden, dass Sie beide zumindest enga- [Ah ja. giert für das Ziel kämpfen, dass die Eltern von unter Dreijährigen tatsächlich vom nächsten Sommer an die [Das werden wir sicherstellen. Plätze bekommen, die sie 00:15:00 auch haben möchten. Herr Röttgen, als Frau Kraft das dritte Kindergartenjahr bei- tragsfrei gestellt hat, haben Sie gesagt ‚Das ist ein Wahl- geschenk und das werden wir rückgängig machen.‘ Inzwi- schen haben Sie ‘ne Kehrt- wende gemacht, Sie sagen jetzt ‚Politik muss verlässlich sein‘,

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Sie möchten das dritte Kin- dergartenjahr kostenfrei las- [Richtig. sen. Auch für Gut- und Bes- serverdienende. ^ Kommen Sie da auf Ihren Konsolidie- rungskurs? Ja klar, weil wir sagen, wir haben Prioritäten. Und die Prioritäten in der Haushalts- 00:15:30 und Finanzpolitik sind: Fami- lie, Bildung, Kultur und Kom- mune. Und im Übrigen kön- nen wir dann eben die Spen- dierhosen nicht anziehen. Sie haben recht, ^ wir kritisieren bis auf den heutigen Tag, dass das einfach nur abge- schafft wurde und die Bei- tragsfreiheit eingeführt wurde ohne ein Konzept zu haben. Und das hat die Folge, dass in der frü- heren Zeit ja die ^ 30 Prozent eines Jahrganges gar keine Beiträge bezahlt haben. Das waren die 30 Prozent schwä- cheren Einkommen. Die ha- ben nie Beiträge, Kindergar- tenbeiträge, bezahlt. Jetzt 00:16:00 werden die Besserverdienen- den entlastet, das hätte man intelligenter, gerechter ma- chen können. Und jetzt sagen [Das können Sie möglicher- wir aber wie bei den Studien- weise ändern. gebühren, wir haben das kriti- siert, wir wollen und halten einen Wechsel in Nordrhein- Westfalen, im Interesse des Landes, für notwendig, gera- de in der Haushalts- und Finanzpolitik. Aber es wird keinen Wechsel geben auf Kosten des Ver- trauens ^, der Verlässlichkeit von Familien in getroffene Entscheidungen. Die Regie- rung von Frau Kraft hat - alles 00:16:30 rückgängig gemacht, was vorher beschlossen worden ist. Das war geradezu ^ gera- dezu ein Furor, dass nicht, es durfte nichts übrig bleiben, was die CDU beschlossen hat. Das werden wir nicht tun, sondern wir werden da anset-

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zen, wo die Regierung aufge- hört hat und alle können sich darauf verlassen, dass ge- troffene Entscheidungen Be- stand haben, Entscheidun- gen, die für die Lebenspla- nung von Familien elementar waren. LUDWIG: Ist das für Sie jetzt im Nach- hinein noch ein kleiner Tri- umph? Naja. Nein, nein, ein Triumph ist das nicht, sondern es geht uns darum, eine gute, vor- beugende Politik in Nordrhein-Westfalen zu ma- chen. Wir wissen, Vorbeugen ist wesentlich besser als hin- 00:17:00 terher teuer reparieren. Und das bedeutet, man muss in- vestieren in frühe Hilfen für Eltern, aber auch in Be- treuungsplätze und in Bil- dung. Und hier müssen alle Hürden aus dem Weg ge- räumt werden. Bildung muss gebührenfrei sein, das ist eine unserer Grundpositionen. Und wir haben bei den Studienge- bühren das Geld den Hoch- schulen erstattet und zwar [Nein eins zu eins, können Sie ger- ne im Haushalt nachlesen. [Nein. Hier haben wir die richtigen [Kann ich nicht. Schritte eingeleitet. Und es wird dazu führen, dass mehr Kinder bessere Abschlüsse machen. Und das muss unser Ziel sein, das ist die Über- schrift. Wir lassen kein Kind zurück in Nordrhein- 00:17:30 Westfalen. SCHÖNENBORN: Wir sind mittendrin in der Dis- kussion über das Geld. Das ist die Brücke zu unserem nächsten Kapitel in dieser Sendung, Thema: Haushalt. Seit 1974 baut das Land Nordrhein-Westfalen jedes Jahr neue Schulden auf. Wir sind pi mal Daumen bei 130 Milliarden Euro, die das Land an Schul- 00:18:00 den hat. Im vergangenen

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Jahr, Frau Kraft, sprudelten die Steuerquellen, die Wirt- schaft ist deutlich gewachsen. Und trotzdem waren am Ende wieder drei Milliarden zusätz- liche Schulden. Die Men- schen erwarten, dass das Land mit dem Geld aus- kommt, das da reinkommt, gerade in so guten Zeiten. Warum geht das nicht? Naja, geplant waren für das Jahr 6,5 Milliarden. Und zwar von der Regierung Rüttgers! Wir sind auf drei Milliarden [(uv) Rüttgers. runter, wir haben es aber ge- schafft, jeden Cent der Steuermehreinnahmen in den Schuldenabbau zu stecken. Aber es gibt eben noch zwei Entwicklungen, die wir kaum beeinflussen können. Das eine sind, wir haben Steige- rungsraten. Beispielsweise bei den Pensionslasten von Beamten. Gott sei Dank wer- den die immer älter. Das heißt, wir haben hier eine 00:18:30 große Steigerung, die wir im- mer wieder ^ sozusagen her- ausarbeiten müssen aus dem Haushalt. Wir haben Aufga- ben, die uns vom Bund über- tragen werden oder von Ge- richten. Ich nenne nur die neue Einrichtung, Therapie- unterbringungsgesetz in Oberhausen. Da sitzt ein ein- zelner Mensch drin! Wir mussten ‘ne neue Einrichtung schaffen. Und wir haben Steuermindereinnahmen zu verkraften gehabt, die Sie mit zu verantworten hatten auf der Bundesebene. Ich nenne das Wachstumsbeschleuni- gungsgesetz. Die Geschenke 00:19:00 an die reichen Erben und die Hoteliers. Das hat bei uns einige hundert Millionen Euro Minderei^einnahmen hervor- gerufen. Die mussten wir erst mal verpacken. Und das ist keine gute Politik, wenn man sich dann hier hin stellt und 16

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sagt, ‚naja, das hätte man alles anders machen können‘. Sie haben diese Minderein- nahmen mit zu verantworten gehabt. Also zwei Kommentare dazu: Erstens, das Land Nordrhein- Westfalen hat bezogen auf das Jahr 2011 und jetzt die Planung in dem Haushalt, der im Landtag gescheitert ist, fünf Milliarden Euro mehr Steuereinnahmen. Es gibt keine Mindereinnahmen, son- dern die Kasse ist, war in der Geschichte des Landes noch nie so prall gefüllt wie in die- 00:19:30 sem Jahr, wie im letzten Jahr. Fünf Milliarden Euro Steuer- mehreinnahmen. Sie machen nun aber in Ihrem Haushalts- entwurf nun wieder vier Milli- arden neue Schulden! Das heißt, Sie haben nicht wie Sie gerade gesagt haben, jeden Cent der Mehreinnahmen, der Steuermehreinnahmen, in den Abbau der Steuerneuverschuldung ge- steckt. Sondern Sie haben lediglich ein Viertel, ein knap- pes Viertel der Steuermehr- einnahmen in den Abbau der Neuverschuldung gesteckt. Sie machen jetzt, obwohl wir fünf Milliarden Euro mehr in der Steuerkasse haben, er- neut vier Milliarden Schulden. Sie machen immer, immer 00:20:00 mehr Schulden. Der Haushalt wächst und wächst und wächst. Von Konsolidierung keine Spur und das in den Zeiten, in denen die Steuer- einnahmen nur so sprießen. Was wird überhaupt erst Ihre Finanzpolitik sein, was wäre Ihre Finanzpolitik, wenn wir mal wieder schlechte Jahre haben? Wir müssen in den guten Jah- ren vorsorge machen! Das 00:20:30 betonen Sie doch immer. In der Haushaltspolitik ist davon nichts zu sehen. Es ist ein

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reiner Verschuldungsetat, mit dem Sie ja nun auch ein- drucksvoll, sofort nachdem Sie die Regierung übernom- men haben, vor dem Landes- verfassungsgericht geschei- tert sind, Sie haben Rechts- geschichte geschrieben: Noch nie ist ein Landesgesetz in einem einstweiligen Verfahren von einem Landesverfas- sungsgericht kassiert worden. Das haben Sie erreicht, das ist ein Desaster gewesen. LUDWIG: Frau Kraft, Ihre Erwiderung. Ja seien Sie vorsichtig, also [Naja, war ich ja. auch Ihre Regierung Rüttgers hat einen Haushalt vom Ver- fassungsgericht zerschossen bekommen. Und auch der 2010er Haus- halt war nicht verfassungs- [Das kann noch keiner ge- konform. schafft, was Sie geschafft Wenn man jetzt die Neuver- haben. schuldung betrachtet, dann schauen wir doch mal, wie steht denn Nordrhein- Westfalen im Gefüge der an- deren Bundesländer und im Vergleich zum Bund da? Und da nehmen wir nicht die abso- lute Verschuldung, weil abso- 00:21:00 lut hat Deutschland auch mehr Schulden als Griechen- [Nein. land. Also muss ich das pro Kopf umrechnen, wenn Sie einverstanden sind. Natürlich [Nein. muss man das machen. So und dann haben wir pro Kopf in Nordrhein-Westfalen eine Neuverschuldung von 165 Euro. Der Bund bürdet den Bürgerinnen und Bürgern über 200 Euro pro Kopf auf. Zusätzliche Neuverschuldung. Und wir liegen im Vergleich der Bundesländer im guten Mittelfeld. Das ist die Realität. Und wenn das alles so 00:21:30 schlecht wäre, was wir hier tun, dann müssen Sie mir erklären, warum Nordrhein- Westfalen im ersten Quartal erstmals, nachdem es zur Zeit von Herrn Rüttgers Nehmer-

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land geworden ist, erstmals wieder Geberland im Länder- finanzausgleich ist und dann müssten Sie auch erklären, warum die Rating-Agenturen uns gerade wieder hervorra- gende Ratings gegeben ha- ben. Das heißt, die sind mit dem wie wir hier Finanzpolitik betreiben, durch und und durch zufrieden. [Nein. Natürlich… Herr Röttgen, wenn Frau Kraft Ihre Schuldenkönigin ist, wie [Ja. Natürlich. Sie immer sagen, die trotz guter Wirtschaftslage hohe Schulden macht, ist dann Ihre Schulden- kaiserin? Wer den Bundeshaushalt mit dem Landeshaushalt ver- gleicht, ^ der, glaub ich, muss 00:22:00 sich wirklich mal mit den Grundlagen von Finanzpolitik beschäftigen. Die kann man einfach nicht miteinander ver- gleichen, die sind völlig ande- rer Natur. Allein der, der Haushalt von Frau von der Leyen ist doppelt so groß wie der Landeshaushalt insge- samt ausmacht. Das sind völ- lig andere Strukturen, die wir [Aber bei uns hier haben… liegen 50 Prozent fast über Personalkosten fest, das ist [Ja, ich sag‘ doch, es ist eine beim Bund nicht so! Wir ge- völlig.. ben viel mehr Förderung und eine völlig… Förderprogrammen aus als eine völlig andere Struktur wir. und die Rettungspolitik, die wir machen, zum Wohle am Ende der Stabilität der Wäh- rung und unserer Wirtschaft, davon partizipiert, daran par- 00:22:30 tizipiert und davon profitiert natürlich auch das Industrie- land in Deutschland, dass wir deutschlandweit in der Bun- despolitik eine sehr gute Poli- tik machen. ^ Darum kann man die Haushalte nicht ver- gleichen miteinander. Sie sind einfach völlig unterschiedlich ^. Und insbesondere profitiert 00:23:00 Nordrhein-Westfalen von der

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guten Bundespolitik, die wir machen. Und im Übrigen, [Dann nehmen Sie doch den den, den Länderver… Ländervergleich. Den nehm‘ ich gerne an. Ja, gerne. Wir haben in Nordrhein- Westfalen eine pro-Kopf- Verschuldung von 7.600 Eu- ro, etwas mehr sogar noch. Im Schnitt der Länder sind es 6.500 Euro. Es kommt auch jedes Jahr etwas mehr dazu! Sie wollen ja jetzt wieder vier Milliarden neue Schulden ma- chen. Das heißt, die Ver- schuldungsspirale geht ja immer weiter! Vier Länder in Deutschland, nicht nur Bay- ern, sondern auch Sachsen und Mecklenburg- Vorpommern, insgesamt vier Länder zahlen jetzt in dieser Zeit Altschulden zurück. Die meisten Länder haben jetzt ausgeglichene Haushalte! Und Sie wollen erneut vier Milliarden neue Schulden machen! Die Spira- le geht immer weiter. Der Sachverständigenrat hat Sie gemahnt, wenn Sie nicht end- lich, wenn Nordrhein- Westfalen nicht endlich an- 00:23:30 fängt, Konsolidierungspolitik zu machen, dann werden wir die Schuldengrenze 2020 nicht erreichen. Das steht doch fest, das weiß jeder! Sie werden auch von Ihren Kolle- gen gemahnt und darum muss endlich mit dieser Ver- schuldungspolitik beendet werden, denn sie geht auf Kosten der Zukunft. [Frau Kraft, warum gelingt es nicht, zu sparen. Warum ge- lingt es Ihnen nicht ^ runterzukommen [Weil der Wille fehlt. von den Schulden. Wir sparen, wir haben 750 Millionen im letzten Haushalt eingespart, in diesem sind 00:24:00 eine Milliarde Einsparungen vorgesehen. Sie wollen laut Ihrem eigenen Wahlpro- gramm 800 Millionen einspa- ren. Also wir liegen darüber.

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Es ist doch so, natürlich, an Ihrer Stelle würde ich auch den Vergleich mit dem Bund scheuen. Aber der Bund hat viel mehr Flexibilitäten! Bei uns liegt viel Geld fest, das kann man überhaupt nicht bewegen! Und wir haben eine Situation, wenn Sie dann auf [Mmh. ^ Sachsen und Mecklenburg- Vorpommern abzielen, dass die natürlich noch profi- tieren von den Zahlungen des Soli. Wir sind ja mitverant- [Ach. wortlich für die Städte und Gemeinden in diesem Land. [(uv) Bayern. Und deshalb sind diese Ver- gleiche auch schief! Das ist ja [Nein. genau das, was die Bürgerin- nen und Bürger ärgert! Dass dort, ein^ eine Situation ent- 00:24:30 steht, die wir hier in Bezug auf Städte und Gemeinden noch [Ja, aber nicht vom Soli. lange nicht haben. Und eins würde ich gerne noch sagen, nur eine Zahl: Wenn alles so schrecklich ist wie Sie es sa- [Mmh. gen, warum haben wir dann im Ländervergleich die ge- [(uv). ringsten - Ausgaben pro Kopf für die Verwaltung? Wir sind die effizienteste Ver- waltung in ganz Deutschland im Vergleich der Länder, auch [Also… das gehört zur Realität dazu. SCHÖNENBORN: [Frau Kraft, Herr Röttgen, erlauben Sie mir eine Nach- frage. Sie haben vorhin ge- sagt, fast die Hälfte des Lan- [Ja. deshaushaltes ist durch Per- sonalkosten gebunden. Wir 00:25:00 haben mal nachgesehen: Fast 300.000 Menschen ar- beiten als Beschäftigte des Landes Nordrhein-Westfalen. ^ Im letzten Wahlkampf ging’s um die Frage, ob die CDU- Regierung so viele Stellen abgebaut hat wie sie am En- de versprochen hatte. Es wa- ren dann effektiv etwa 2.000. Im letzten Haushalt haben Sie 32 Stellen abge- 00:25:30 baut. ^ Sehen Sie da Ver- säumnisse, wenn das ein so 21

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gravierender Anteil des Lan- deshaushaltes ist? Nein, das ist verantwortungs- volle Politik mit Blick auf die Zukunft. Wir haben nämlich in Bildung investiert, wir haben über 2.000 Stellen bei den Lehrerinnen und Lehrern auf- gestockt, die wir dringend brauchen. Wir haben 200 Stellen geschaffen in der Fi- nanzverwaltung, das sind die Betriebsprüfer, damit endlich mehr Steuergerechtigkeit in Deutschland herrscht. Und wir mussten bei der Umweltver- waltung drauflegen, aufgrund der Fehlentscheidung der Vorgängerregierung. Ich stehe zu jeder einzelnen dieser Stellen. Übrigens auch im Justizbereich haben wir Stellen aufgebaut, weil wir endlich diese Kettenverträge mal in reguläre Stellen um- wandeln wollen. Wir haben im Justizbereich begonnen, da waren Leute, die haben sechs, sieben, acht Ketten- 00:26:00 verträge hintereinander ge- habt, die sind fest angestellt beim Land und denen gehört auch eine Stelle. Wir wissen bei der Polizei, dass wir zu- laufen auf eine schwierige Situation, weil jetzt ein großer Schub in Ren^ in Pension gehen wird. Das heißt, wir müssen unten nachladen. Wir stehen dazu, dass wir 1.400 Kommissaranwärterinnen und -anwärter mehr einstellen in [Ja. diesem Jahr. Sie sprechen doch immer von sicher, inne- [Ja. Ich werd‘ da… rer Sicherheit. Wenn Sie da [Werd‘ da was… mitgehen, dann frag‘ ich mich, 00:26:30 wo Sie denn dann die Stellen kürzen wollen. Dann sagen [Ja. Sie das hier und heute. [Kann ich Ihnen sagen, möcht‘ ich sagen. Ich möchte drei Punkte sa- gen. Erstens, Sie haben ge- sagt, Sie haben gespart. Nein, Sie haben noch über-

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haupt gar nicht gespart. Sie haben noch nicht, Sie haben ein bisschen die Neuver- schuldung im Verhältnis zu 2010 reduziert. Von sparen kann erst die Rede sein, wenn man keine neuen Schulden mehr macht. Aber Sie haben eben viel zu wenig selbst die Neu- [Das schaffen Sie doch auf verschuldung reduziert. der Bundesebene auch nicht! [Sie haben… Nein, Frau Kraft, Sie haben eben gesagt, Sie [Schafft doch kein Bundes- haben gespart… land! Ja, Sie haben aber gesagt, ‚Wir haben gespart‘. Sie ha- ben nicht gespart. Sie ma- chen noch viel zu ^, Sie ma- chen zu viele neue Schulden. [Der Bundesfinanzminister Der Bund… 00:27:00 bedient sich aus den Kassen Darf ich was zum..? Ja natür- der Versicherten, um seinen lich. Der Bund ^ Der Bund Haushalt in Ordnung zu brin- muss im Jahre 2016 die gen. Ja. Schuldenbremse einhalten, weil der Bund im Grundgesetz eine Schuldenbremse hat. Wir werden sie im Bund im Jahre 2014 einhalten, weil wir bes- ser sind als das Recht und das Grundgesetz von uns [Ja, auf Kosten der Versicher- verlangt. ten. Sie werden Schwierigkeiten haben, wenn Sie so weiter machen, werden Sie sie 2020 [Die werden wir einhalten. nicht erreichen. Und Sie leh- nen ja auch ab, die Schul- denbremse in Nordrhein- [Das ist falsch. Und das wis- Westfalen einzuführen. Wahr- sen Sie auch, da müssen Sie scheinlich wissen Sie, warum. die Debatte im Landtag ver- Drittens zu den Stell… Natür- folgen. lich hab‘ ich die verfolgt. Es 00:27:30 gibt in der Landesverfassung [Also.. keine Schuldenbremse, weil Sie es ablehnen. Nun zu den Stellen. Jürgen Rüttgers hat über 8.000 Lehrerstellen ge- [(uv) schaffen und über 14.000 Stellen sind weggefallen in der allgemeinen Verwaltung! In der Amtszeit von Frau Kraft sind über 2.000 Stellen netto dazu gekommen. Sie 00:28:00 haben nicht den politischen Mut aufgebracht, auch Stellen

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abzubauen, obwohl künftig wegfallende Stellen im Haus- LUDWIG: halt ausgewiesen sind. Das [Herr… heißt, das Potential ist da. Es ist gekennzeichnet, aber es gehört dann auch Mut dazu, es zu realisieren, der hat Ih- nen gefehlt. [Herr Röttgen, Sie haben jetzt [Bitte. viel verteidigt. Aber gucken wir doch nach vorn: Wo wol- len Sie sparen, ganz konkret? Wo sind Ihre Stellen, die weg- fallen sollen, wo sind die För- derprogramme, die gestrichen werden sollen?

Wir werden erstens kein neu- es Förderprogramm, das nicht selbst und solide finanziert ist. [Ja aber damit sparen Sie ja Das geht eben nicht mehr. noch nicht. Ja, aber wir machen keine neuen Schulden. Wo kommen denn Ihre neuen Schulden her? Weil Sie immer neue Programme machen! [Aber Ihre Schattenminister Weil der Staat immer mehr fordern doch auch mehr Poli- machen muss. Wir haben jetzt zisten! mal einen Schluss… Nein, wir haben jetzt… ich bin jetzt bei den Förderprogrammen. Es [Ganz konkret, was würden gibt kein neues Förderpro- Sie streichen? gramm, das nicht finanziert ist. Zweitens werden wir an- 00:28:30 knüpfen an die Haushaltspoli- tik, die wir gemacht haben. Denn im Jahre 2008 war seit Jahrzehnten erstmalig nach sozialdemokratischer Ver- schuldungspolitik unter CDU- Führung der Haushalt mit mehr Einnahmen als Ausga- ben, weil an ganz, ganz vielen Stellen in diesem Haushalt, der anders ist als der Bun- deshaushalt, konsequent gespart wurde. Bei der Be- schaffung, bei der ^ bei den sächlichen Verwaltungsaus- gaben, bei den Förderpro- grammen, bei den Subventio- 00:29:00 nen. Wenn man überall mit drei Prozent, vier Prozent oder auch mal mit sechs Pro- zent daran geht, dann kom- men, das haben wir schriftlich

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vorgelegt, 1,6 Milliarden Euro zusammen. Wir würden das deutsch-schweizerische Steuerabkommen sofort, ich würde sofort unterzeichnen, das bringt der Landeskasse zwei Milliarden Euro Mehrein- SCHÖNENBORN: nahmen, darauf zu verzich- [Glau^, warum glauben Sie ten, ist falsch. das? Ja das sind die realistischen [Nein. Angaben, die keine Glau- benssache sind, sondern das sind realistische Annahmen, die von der Bundesseite gemacht werden und das wird auch realisiert werden. [Ja. Also wir haben heute mit ei- [Ja. nem Finanzwissenschaftler über dieses Thema gespro- [Ja. chen, weil wir das verstehen wollten. Der hat uns erklärt, dass so je nach Verhandlung 370 Millionen garantiert sind [Nein. und der Rest allein davon 00:29:30 [Also wir haben eine abhänge, ob die Steuersün- [Ja. Nein. der ihr Geld in der Schweiz lassen oder es rechtzeitig zum Beispiel nach Indonesien bringen. Danach sei hochun- gewiss, wie viel Geld da zu- sammen kommt. Wir haben eine solide. Also erst mal ist das Abkommen deshalb richtig, weil für die Zukunft ab Abschluss des Abkommens es völlig egal ist, ob das Vermögen in Deutschland oder in der Schweiz ist. Das heißt, ab da ist das Kapitel sowieso been- det und es gibt gleiche Be- LUDWIG: steuerung für alle. Das ist [Ja, aber die zwei Milliarden schon mal…das ist mal schon kommen nicht (uv). mal der Grund für sich. Und 00:30 wir gehen davon aus, dass für das Land Nordrhein- Westfalen in einem, in dem ersten Akt zwei Milliarden Euro dabei herauskommen. Das sind solide, valide Be- rechnungen. Da kann man jetzt nicht mit irgendeinem Finanzwissenschaftler kom- men, der sagt, ‚Es ist aber

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noch ungewiss‘. Natürlich ist es noch nicht da, aber das ist die seriöse, belastbare Schät- zung, die auch nicht in Zweifel gezogen wird, sondern da gehen alle davon aus. Und bis 2020 wird übrigens eine weitere Milliarde kommen. Das sind glaube ich eher noch konservative, zurückhal- tende Schätzungen. Dann sollten wir es jedenfalls ma- chen, denn dem Land wird es jedenfalls gut tun, verbunden mit einem Konsolidierungs- 00:30:30 programm, das wir als Oppo- sition beziffert haben: 1,6 Mil- liarden Euro. [Wir wollen sparen. Frau Kraft, Sie haben Effizi- enz^teams rumgeschickt, ein Effizienzteam. Das ist im Ja- nuar losgeschickt, sollte im März berichten. Wir haben noch nix gehört. Halten die bis nach der Wahl geheim? Zum einen würde ich gern erst noch auf einige Punkte eingehen. Einmal, wir werden die Nullschuldenbremse 2020 einhalten. Zum Zweiten: Wir [Da muss man sich vorberei- wollten die Schuldenbremse ten drauf. in die Verfassung bringen. Allerdings, bei der Formulie- rung müssen wir sicherstellen, dass dabei die Kommunen 00:31:00 am Ende nicht die Dummen sind. Und das wollte die CDU nicht mitmachen. Warum [Nein, nein, nein, nein, das ist nicht? Das Jahr 2008, was Rausreden. Sie genannt haben, das Jahr 2008, was Sie genannt ha- ben, was ist denn passiert in den fünf Jahren? Die Vorgän- gerregierung CDU-FDP hat den Kommunen drei Milliarden Euro abge- nommen. Drei Milliarden Eu- [Das ist verkehrt. ro! Diese Zahl ist definitiv, fragen Sie Ihre Bürgermeister und Oberbürgermeister! 00:31:30 Und wir müssen mühsam [Das ist ja Schnee von ges- dieses Geld wieder zurückge- tern. ben. Nein, ist nicht Schnee von gestern! Deshalb wollen [Nein, wir haben die… wir eine Schuldenbremse, wo [Wir haben die Schulden-

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sicher steht, dass das Geld bremse vorgeschlagen, ne? eben nicht bei den Kommu- nen geholt wird, [Nett, davon ist gar keine Re- weil die die letzten im Glied in de. der Kette sind. Und zum Zweiten ist, [Wir wollten die, die Rhein- wenn Sie sagen, 1,6 Milliar- land-Pfalz hat, das kann ja den Förderprogramme: gar nicht so falsch sein. Ich habe Ihnen das oder Ihrer [Mmh. In der Summe. Partei schon mehrfach und Fraktion schon mehrfach dar- [Und Verwaltungsaufgaben zu gelegt. Wenn Sie auf 1,6 Mil- schaffen. liarden kommen wollen, [Ja?! dann können Sie das nur, indem Sie auch die Förderung für die Kommunen miteinberechnen und das [Nein! Überhaupt nicht. hieße, bei denen müssen 350 [Nein. Millionen Euro gekürzt wer- [Im Gegenteil. den. Das heißt, der Stärkungspakt wäre weg! Und auch die Hil- fen, die Sie ja auch vorgese- hen haben, nachdem Sie er- 00:32:00 kannt haben, dass die Politik [Ist unzureichend, was Sie da gegenüber den Kommunen machen. Weil wir das Doppel- falsch war, insofern ist das… te tun. Nein, Sie diffamieren, Nee, das ist. Frau Kraft, Sie diffamieren Nein, Sie… jeden Vorschlag des Sparens. Nein Sie kürzen doch an die- Nein, so werden, darum spa- ser Stelle! Ich würd‘ das ger- ren Sie nicht, weil Sie alles ne zu Ende führen. Sie haben diffamieren, was gespart ist. zur Schweiz geredet. Lassen Sie uns über die Schweiz re- den. Die Schweiz, das Abkommen mit der Schweiz führt dazu, dass diejenigen, die am Fis- kus vorbei ihr Schwarzgeld oder sogar Geld aus Verbre- chen in die Schweiz gebracht haben, dass die weiterhin anonym bleiben, einen gerin- geren Steuersatz zahlen. Und [Nein. dass am Ende bei Leibe nicht 00:32:30 die Beträge herauskommen, die Sie hier in den Raum stel- [Nein, überhaupt nicht. len. Das wissen Sie, weil es gibt keine Rückwirkung! Das heißt, wenn heute das^ der Vertrag geschlossen wird, haben diejenigen, die dort das Geld liegen haben, sechs Monate oder gar noch mehr, [Jetzt wird’s aber (uv) Zeit, das Geld in andere

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Steueroasen zu schaffen. Machen Sie eine redliche Politik für dieses Land und setzen Sie nicht auf Einnahmen, die in dieser Größenordnung nie- mals kommen würden. SCHÖNENBORN: Also der… [Frau Kraft, Herr Röttgen, die Regie hat mich gebeten, für Sie und unsere Zuschauer einen kurzen Blick auf unsere Uhr zu werfen. Wir haben vereinbart, für ungefähr glei- 00:33:00 che Wortanteile zu sorgen. Im Moment, Herr Röttgen, haben Sie einen deutlichen Vor- sprung von gut einer Minute. Wir haben zwölf Minuten 42 bei Ihnen und elf Minuten 20 bei Frau Kraft. Frau Kraft…

LUDWIG: Wollen wir die Effizienzteams gerade noch mal…

SCHÖNENBORN: Unsere Frage von Gabi Lud- wig, genau. Ja, die Frage wollte ich ja noch beantworten. Wir haben die Effizienzteams losge- schickt, weil’s in der Tat da- rum geht, man kann nicht mehr mit dem Rasenmäher kürzen. Wir haben Bezirksre- gierungen übernommen, die haben ‘ne Stellenbesetzungs- quote nur noch von 70 Pro- 33:30:00 zent gehabt. Und da kann nicht der Eine die Arbeit vom Anderen mit übernehmen, weil das hochqualifizierte Leu- te sind. Eine solche Situation kann man nicht weiterführen. Das heißt, wir müssen aufga- benkritisch vorgehen. Wir müssen sehen, von welchen Aufgaben kann das Land sich trennen? Was soll das Land nicht mehr machen? Und wir kann man grundsätzliche Strukturen verändern? Wir haben einen konkreten 00:34:00 Vorschlag dazu schon ge- macht. Nämlich die Förderung

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für die Unternehmen umzu- stellen. Hier gibt es ‘ne Men- ge Förderprogramme, wo wir das Geld sozusagen einmal geben und dann nichts mehr zurückbekommen. Wir wollen daraus revolvierende Fonds machen, das heißt, die Unter- nehmen, wenn’s ihnen dann gut geht, sollen das Geld wie- der zurückzahlen. Es kann für die nächsten Unternehmen zur Verfügung gestellt wer- den. Das würde dem Land [Also… sehr viel Geld sparen und auf diesen Weg wollen wir uns machen. LUDWIG: Das ist der einzige Vorschlag, den das Effizienzteam hat? Nein, es gibt noch mehrere und die werden wir in Ruhe miteinander bewerten. Dazu sind wir ja nicht mehr ge- kommen, weil der Landtag aufgelöst wurde. SCHÖNENBORN: Aber die Wahrheit ist doch: [Herr Röttgen … Es ist nichts dabei herausge- [Ja was ist denn Ihr Vor- kommen, Frau Kraft. Aber ein schlag, Herr Röttgen? revolvierender… Ja, Sie, Sie waren nun mal jetzt in der Regierung. Sie hatten ‘ne Chance, Sie haben die Effizienzteams eingesetzt und das Ergebnis ist Null! Absolut Null! Ja, die sollten ja auch jetzt erst berichten, wie soll das [Ja, die haben doch… 00:34:30 denn jetzt, der Haushalt ist [Entschuldigung.. doch gar nicht mehr entschie- [Ich sag‘ nochmal, Sie hatten den worden! zwei Jahre Zeit, knapp zwei Jahre, [Wir haben eine Milliarde Ein- Ich sag‘ ja nur, das Ergebnis sparungen im Haushalt drin! ist Null, das stelle ich fest. [Das ist doch Quatsch. Im Interesse unserer Zu- schauer, Sie haben jetzt Ihre gegenseitigen Haushaltsüber- legungen und Sparvorschläge kritisiert. Das ist politisch red- lich. Aber es sitzen ja Menschen zu Hause, die sich fragen: 00:35:00 ‚Wenn dieser Norbert Rötttgen Ministerpräsident, der hat was von Förderpro-

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[Ja. grammen und 1,6 Milliarden [Mmh. erzählt‘ – die wollen wissen: ‚Trifft mich das? Hab‘ ich we- niger Polizei? Ist meine Schu- [Ja. le schlechter ausgestattet? [Gut. Muss ich bei Gericht länger warten? Wo tut mir persönlich als Wähler das weh, wenn ich mein Kreuz bei Ihnen ma- che?‘ Das tut nicht weh! Und wir müssen auch mal von der Diffamierung in unserem wohlhabenden Land weg- kommen, dass bei höchsten Steuereinnahmen ein ver- nünftiger, verantwortlicher Umgang mit dem Steuergeld gleich ein Schmerzprogramm ist. Das ist nicht so! Bei fünf Milliarden Euro Mehrkosten. Darum set- zen wir Prioritäten, von denen ich eben gesprochen habe, die für die Menschen ganz wichtig sind. Das ist Familie, das ist Bildung, das ist Kultur und das sind die Kommunen, 00:35:30 die wir nachhaltig stärken müssen. Die Kulturpolitik wird überhaupt wieder beginnen müssen. Das sind die Berei- che, die für die allermeisten Menschen ganz, ganz wichtig sind. Und das, wovon ich ge- sprochen habe, das ist die Verwaltung selber. Wie be- schaffen wir Material? Wie hoch sind die sächlichen Verwaltungsauf- gaben? Kann man das nicht wirklich mal effizienter ma- chen? Kann man die Baukos- ten nicht ein bisschen besser in den Griff kriegen? Und kann man nicht die ein oder 00:36:00 andere Förderung auch mal mit drei Prozent weniger aus- fallen lassen? Das geht doch! Das sind jetzt, das sind Sub- ventionen, wo man auch ‘ne kritische Prüfung machen kann und bei dem ^ ganzen ^ ganzen Positionen, es sind an die 100 Positionen, wenn man

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da konsequent den Sparwillen hat! Der Punkt ist doch, Sie haben keinen Sparwillen, da- rum funktioniert es nicht. Dann kann man erfolgreich sein, denn wir waren ja mit diesem Ansatz erfolgreich in der Legislaturperiode zuvor. Das ist ja erwiesen! LUDWIG: Aber Sie haben jetzt das dritte Kindergartenjahr auch ^ wei- ter als beitragsfrei ^ und die [Ja. Studiengebühren wollen Sie [Völlig richtig. lassen. Ist das konsequente Sparpolitik? Darum, ^ wir hatten einen 00:36:30 Konsolidierungsvorschlag gemacht, der zwei Milliarden Euro umfasst. Und ^ beide Positionen machen insgesamt 400 Millionen aus und darum haben dies ganz transparen- ter, nachvollziehbarerweise nunmehr aus unserem Kon- solidierungsprogramm her- ausgenommen, darum hab ich nicht zwei Milliarden, son- dern 1,6 Milliarden Euro gesagt. SCHÖNENBORN: Für uns ist… [Wir kommen von großen ich würd‘ gern da noch mal Zahlen… einmal weiter machen, ist mir [Gerne und dann springen wir ganz wichtiges Thema. Ich zum nächsten Thema. Frau habe vorhin angedeutet, dass Kraft. wir eine vorbeugende Politik [Naja. machen. Es handelt sich um einen übergreifenden Ansatz, [Mmh. Mmh. der dazu führen wird, dass 00:37:00 wir, wenn wir vorne gut inves- tieren, am Ende Reparatur- kosten werden einsparen können. Daraus ergeben sich neue Möglichkeiten für Ein- sparungen. Wenn wir nicht mehr Kinder aus Familien holen müssen in der Zahl, in der wir das heute tun, das kostet 1,2 Milliarden Euro im Jahr, den Kommunen in unse- rem Land. Wenn wir hier bes- ser sind, früher mit den Eltern [Mmh. 00:37:30 arbeiten, hier eine Brücke bauen, Hilfen besser, konzen- trierter in die Familie bringen, dann können wir ‘ne Menge

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dieses Geldes einsparen. Wenn wir dafür sorgen, dass Kinder ‘nen Schulabschluss machen. 20 Prozent machen keinen Schulabschluss und oder keine Ausbildung! Wenn wir mehr Kinder zu besseren Abschlüssen führen, dann werden die nicht langzeitar- beitslos, sondern sie zahlen Steuern und Sozialversiche- rungen und wir müssen keine teuren Maßnahmen bezahlen um den Abschluss nachzuho- len oder um dafür zu sorgen, dass sie in sogenannten War- teschleifen beschult werden, bis sie denn eine Ausbildung bekommen. Hier steckt ‘ne Menge Potential, um die Fi- nanzen des Landes auf lange Sicht und auf mittlere Sicht schon in Ordnung zu bringen. [Ja. Wir wissen, jeder KiTa-Platz 00:38:00 rechnet sich, weil viele Frau- en heute nicht arbeiten gehen können, weil sie nicht genug Plätze haben. Und wenn sie dann nicht mehr Hartz IV be- ziehen, sondern gleichzeitig Steuern und Sozialversiche- rung bezahlen, dann zeigt [Genau… Ja. das, das ist der richtige An- satz in Vorbeugung, Kinder und in die Kommunen zu investieren. Weil auf der kommunalen Ebene diese vorbeugenden Strukturen verändert werden müssen. Und das sind unsere Schwerpunkte. Ich bin sehr dankbar für diese Ausführung, weil sie ^ die Sendung dient ja auch dazu, 00:38:30 die Unterschiede deutlich zu machen. Ich hab‘ eben unse- re Prioritäten genannt. Und dass Prävention immer bes- ser ist als Reparatur, das wis- sen wir alle, das ist ein Allge- meinplatz. Aber Sie haben gerade ja wieder die Philoso- phie des Schuldenmachens vertreten. Dann ist ja auch

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kein Wunder, dass wir in Nordrhein-Westfalen immer mehr Schulden machen. Ja weil Sie gesagt haben, ‚Wenn wir jetzt Schulden ma- chen, dann erwachsen daraus ja die Steuereinnahmen in der Zukunft‘, das ist ja die Philo- [Nein, das ist doch gar nicht sophie, die Sie vertreten, die so, die hab‘ ich doch gar nicht haben Sie gerade gemeint. Verschuldung, doch, so ver- treten Sie das. Verschuldung als präventive Politik. Ver- schuldung ist Sozialpolitik.‘ Und ich sage Ihnen, Ver- schuldung ist die unsozialste Politik, die es gibt, weil sie mit der Handlungsunfähigkeit am 00:39:00 Ende des Staates endet. Das ist doch die Griechenland- und die Euro-Krise, die wir gerade sehen. Und das geht immer auf Kosten des Schwächeren, des schwäche- ren Kindes, der schwächeren Familie, der schwächeren Kommune. Und es geht ge- gen die nächste Generation, der wir einen Schuldenberg hinterlassen, der ihnen die Spielräume zum Leben und zum eigenen Gestalten nimmt. Das ist der [Aber wir dürfen doch nicht fundamentale Unterschied... sparen zu Lasten der Kinder! [Wenn ich das noch mit ei- nem…Nein, das hab‘ ich auch eben ausgeführt, dass wir das [Das ist der Unterschied… nicht tun. Aber Sie machen [Ach, ist doch Quatsch. eine Verschuldungsphiloso- phie aus Ihrer Politik, die be- deutet, die Verschuldung so- zusagen mit dem Mäntelchen versieht, dass das generell 00:39:30 gute Zukunftspolitik ist. Und ich sag‘ Ihnen, Verschuldung ist nicht die Lösung, sondern das Problem in unserem Land, gerade in Nordrhein- Westfalen, weil wir die Zu- kunftschancen unserer Kinder heute verzehren. Übrigens finanziell, ökologisch und auch sozial. Und das ist der entscheidende Punkt, wo Po- litik anders werden muss in

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Deutschland und in [Für eine gute, vorbeugende Nordrhein-Westfalen. Politik muss man sich nicht in dem Maße verschulden wie Sie das hier heute ausführen. Ich rede davon, dass wir bei- spielsweise ein Programm [Aber das ist ja, was alle (uv) gemacht haben ‚Kein Ab- [Ach. schluss ohne Anschluss‘, mit [Das will ja jeder. der Wirtschaft zusammen. Was dazu führt, dass wir demnächst weniger Warte- schleifen finanzieren müssen. [Nein. Ich rede davon, dass wir Ki- 00:40:00 Ta-Plätze schaffen, damit es [Tun Sie aber nicht. sich finanziell auswirkt... Na- türlich, das hab‘ ich ja eben ausgeführt. Vieles von dem, was Sie sagen, tun wir. Nur Sie versuchen, sich davon [Frau Kraft, … abzusetzen und zu sagen dass ohne, dass man Geld in die Hand nimmt. Mehr Kinder mit besseren Abschlüssen geht nur, wenn man in Bil- dung und Kinder investiert. Sie legitimieren Verschul- dungs- durch Zukunftspolitik. Frau Kraft, Herr Rüttgers, ich glaube, Ihre Positionen sind deutlich geworden. Ich würde [Ja, das stimmt. gerne von den großen Zah- len, nämlich dem Haushalt, zu den kleinen Zahlen kommen. Etwa 1,7 Millionen Menschen in Nordrhein-Westfalen wer- den dem Niedriglohnbereich 00:40:30 zugerechnet. In den letzten beiden Jahren ist die Zahl der Leiharbeiter weiter gestiegen, auch der sogenannten Aufstocker, der Menschen also, die so wenig verdienen, dass sie Hartz IV-Leistungen dazu bekommen und auch die Zahl der befristeten Arbeits- verträge hat weiter zuge- nommen. Frau Kraft, als wir vor zwei Jahren hier standen haben wir über diese Probleme auch gesprochen. 00:41:00 Sie gehen zum guten Teil auf die Entscheidungen der Agenda 2010 zurück. Sie ha- ben damals gesagt, ‚Da muss

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man Korrekturen ansetzen‘. Wenn Sie auf die Entwicklun- gen der letzten zwei Jahre gucken, reichen da Korrektu- ren oder müssen Sie da nicht sagen, ‚Besser das Rad zu- rück drehen‘? Also besser wäre es, wenn die Bundesregierung hier un- seren Vorschlägen im Bun- desrat gefolgt wäre, denn wir haben ja entsprechende An- träge gestellt zur Einführung eines richtigen Mindestlohns. Und wir brau- chen einen richtigen, nicht die Mogelpackung, die Sie vor- schlagen. Ein richtiger ^ Min- destlohn ist flächendeckend und gesetzlich. Und da blei- ben eben keine Türen offen für Tariflöhne, bei fünf oder sechs Euro. Das ist mir ganz wichtig, der Niedriglohnsektor, der liegt schon in diesem Be- reich. Die Menschen können von ihrer Hände Arbeit nicht mehr leben! Und das macht mir große Sorgen. Hier brau- 00:41:30 chen wir große Veränderun- gen. Bei der Leih- und Zeitar- beit haben wir unsere Vor- schläge vorgelegt, um hier wieder zurück zu führen, was aus dem Ruder gelaufen ist. Es war gut gedacht damals, wir wollten Langzeitarbeitslo- sen über eine Leiharbeit die Möglichkeit geben, sich Un- ternehmen vorzustellen und dann eine fes^feste Anstel- lung zu bekommen. Wir ha- ben aber festgestellt, dass leider viele Unternehmen, zu viele Unternehmen das Instrument missbrauchen. Dass sie näm- lich ihre eigene Belegschaft nach Hause schicken, entlas- sen und ihnen dann die Mög- 00:42:00 lichkeit geben, als Leiharbei- ter, zu 20, 40 Prozent weniger Gehalt wiederzukommen. Das darf so nicht bleiben, hier brauchen wir eine klare Politik

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gegen die Auswüchse bei der Leih- und Zeitarbeit für Min- destlöhne und wir brauchen ganz dringend auch eine Ausbildungsgarantie für junge Menschen. Die Möglichkeiten werden in den nächsten Jah- ren steigen und ich bin zuver- sichtlich, dass wir das in den nächsten fünf Jahren hier hinbekommen. Also erstens, das sind ^ das ist das Ergebnis sozialdemo- kratischer Politik, Ihres Kanz- lers: Herr Hartz, Herr Schrö- der, alles Sozialdemokraten, [Hätten Sie doch schon längst die das gemacht haben. Und zurückdrehen können, haben darum.. Ja, Sie hatten jetzt Sie doch nicht gemacht! auch Regierungsverantwor- [Ja mit der FDP kriegen Sie’s tung und Sie haben nichts doch nicht hin! gemacht. Und wir haben jetzt eine Initiative unternommen [Ja ich kann das nicht ändern! und beschlossen. Doch, Sie können das än- dern, auch in der SDP, haben [Was? In der SPD haben wir Sie aber nicht getan. Wir ha- das geändert! ben das jetzt geändert in der CDU, wir sind für eine Lohn- untergrenze, aber ordnungs- politisch anders als Sie. Wir sagen nicht, ‚Der Staat [Das sagen wir auch nicht. schreibt alles vor‘, doch, Sie [Ach, seien Sie doch nicht sagen, ‚Der Staat schreibt dumm. Eile vor‘ und ignoriert dabei die Abschlüsse von Tarifver- tragsparteien, von Gewerk- schafen, Arbeitgeberverbän- den, das tun wir nicht. Son- 00:42:30 dern wir sagen ^ lassen den Vorrang von Tarifverträgen, wenn sich Gewerkschaften mit Arbeitgebern verständi- gen, dann gilt das. Aber nach- rangig gilt dann ein allgemei- ner Lohn und ^ eine allgemei- ne Lohnuntergrenze in Deutschland. Das ist durch die CDA, durch Klaus-Josef Laumann, durch die CDU in Nordrhein-Westfalen durch- gesetzt worden. Unsere Bun- destagsfraktion übernimmt das, aber ordnungspolitisch sauber 00:43:00 und nicht wieder mit dem

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Bevormundungsan^anspruch, ‚Wir, der Staat, setzt fest, was ein guter Lohn ist für alle Branchen, für alle Regionen‘. LUDWIG: Aber Herr Röttgen, eine Lohnuntergrenze heißt, dass es keine Grenze, keine ver- bindliche Grenze nach unten [Doch. gibt. Das heißt, es wird nach [Nein. wie vor ^ genügend Arbeiter geben, die nicht von ihrer Lohnarbeit leben können. Doch, es^es heißt es wohl. Die Lohnuntergrenze, darum heißt sie ja so, ist eine… [Sie ist nicht verbindlich! Sie [Doch, natürlich ist sie ver- lässt… bindlich, sonst macht sie ja keinen Sinn. Es ist eine ver- bindliche, darauf haben wir [Sie lässt… Wert gelegt, ist ja auch klar, sonst wäre es eine Mogelpa- ckung! Es ist eine verbindli- che Lohnuntergrenze in all den Fällen, in denen es kei- nen Tarifvertrag gibt, weil der Vorrang der Gewerkschaften, der Arbeitgeberverbände für die Tarifvertragsbildung natür- lich gilt. Das heißt, es ist richtig, dass es Tarifabschlüsse gibt, die unter sieben Euro die Stunde [Ach, viele! Hier auch in NRW! [Das heißt, das ist, das ist ‘ne liegen? berechtigte Frage natürlich! Wir sagen, wenn die Gewerk- [Ja. schaften und die Arbeitgeber in einer Region, in einer Branche zu dem Vertrag kommen, ist es dann an dem Staat, klüger zu sein, als die Gewerkschaften, als die Ar- 00:43:30 beitnehmervertreter? Ich glaube nein. Das ist unsere Vorstellung von Vorrang der Gesellschaft, da haben wir eben zu Anfangs ja auch drü- ber gesprochen; Vorrang der Familie, Vorrang der Eltern. Jetzt hier Vorrang der Tarif- vertragsautonomie, die im Grundgesetz festgeregelt ist. Die Gesellschaft, wenn sie sich selber regelt, kann es besser, da gibt es Miss- brauchskontrolle. Und wo die

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Gesellschaft das nicht hinbe- kommt, da muss der Staat eingreifen, das ist unse- re Vorstellung von Ordnungs- politik und von Verhältnis zwi- schen Gesellschaft und Staat. SCHÖNENBORN: Herr Röttgen, wir haben Bei- spiele nachgeguckt aus Nordrhein-Westfalen. Tarifver- träge Gartenbau: 6 Euro 40. ^ Verkäufer im Fleischerei- handwerk 6 Euro 42, Garten- bau 6 Euro 76. Wenn man das auf ‘nen Vollzeitarbeits- platz umrechnet, kommt man 00:44:00 [Ja. auf 900 Euro netto, pi mal Daumen. Das ist dann die Konsequenz. Nein, das ist nicht, ja, das ist die Konsequenz. Wenn man das so geschehen lässt. Und deshalb habe ich, ganz aus- drücklich, aber auch andere, Friedrich Merz zum Beispiel, gesagt, dass das eine Frage der…ich sage das übrigens nicht inflationär, aber das ist eine Frage der Gerechtigkeit unserer Wirt- schaftsordnung, der Glaub- würdigkeit von sozialer Marktwirtschaft, dass man von anständiger Arbeit auch ordentlich und anständig, nicht in Saus und Braus, aber ordentlich und anständig, würdevoll leben können muss. Das ist dann staatliche Gewährleistung, wenn Ge- werkschaft und Arbeitgeber es nicht hinbekommen. Ge- 00:44:30 nau darum geht es, das ist ein Gerechtigkeitsanspruch in einer wohlhabenden Gesell- schaft. Dafür stehen wir, das haben wir in der CDU so durchgesetzt. Genau da liegt ein großer Unterschied. Bei uns steht der Mensch im Mittelpunkt. Und [Mmh. Genau. ich sehe das vom Menschen her. Diejenigen, die Tariflöhne [Ja klar. von fünf, sechs Euro haben, die können davon ihre Familie nicht ernähren. Und im Übri-

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gen: Wir wollen einen Min- destlohn nicht staatlich vor- geben, sondern wir wollen eine Kommission einsetzen, das steht auch in unseren Beschlüssen, bestehend aus [Aber, ja.. Wirtschaft, aus Gewerkschaf- ten, denn wir wollen das nicht politisch entscheiden. Aber fest steht, dass wir eine Reiß- leine nach unten brauchen, damit die Löhne nicht immer weiter in der Spirale sich nach unten entwickeln. So kann eine Gesellschaft sich nicht weiterentwickeln! Mit immer mehr unsicherer Beschäfti- 00:45:00 gung, mit immer mehr niedri- geren Löhnen. Die Stärke unseres Standortes ist doch, dass wir hochqualifiziert, gut produktiv arbeiten. Heute wa- ren genau die neuen Zahlen in der Zeitung, wie sich die Produktivität entwickelt hat, [Genau. wie toll unsere Arbeitskräfte ihre Leistungen erbringen. Dann muss sich das auch in den Löhnen wiederspiegeln. Und dann muss sich das auch in einem Stückchen Sicher- heit wiederspiegeln, gerade für junge Menschen. Denn [Genau. diejenigen, die da von Zeitar- beit, von Leiharbeit und von ^ Zeitverträgen betroffen sind, die von Praktika zu Praktika geschickt werden, sind meis- [Mmh. tens junge Menschen. Das sind die gleichen jungen Menschen, von denen wir [Ja. gerne mehr Kinder hätten, 45:30:00 damit wir endlich mal aus die- [Aber die Gewerkschaften ser demographischen Falle können die auch vertreten. herauskämen. LUDWIG: Aber die Arbeitgeber lehnen einen Mindestlohn strikt ab, befürchten Arbeitsplätzevernichtung oder nicht mehr die ^ die Erneue- [Aber da braucht man ja nur rung… mal in die anderen europäi- schen Länder zu schauen, dass eine solche Entwicklung dort nie stattgefunden hat!

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Warum soll das dann ausge- rechnet in Deutschland statt- finden? Das ist ^ Panikmache und davon [Also… lässt sich die CDU beeindru- cken. Also jetzt wirklich mal dazu, wenn Sie die anderen europä- ischen Länder ansprechen, ich hätte sie ja noch nicht mal hier eingeführt. Die anderen europäischen Länder haben hohe Mindestlöhne, staatlich 00:46:00 festgesetzt und haben eine Arbeitslosigkeit von 20 Pro- zent, Jugendarbeitslosigkeit in [Das hat aber doch nichts mit Frankreich: 25 Prozent! In dem Mindestlohn zu tun! Spanien: 45 Prozent! Wir ha- ben, wir haben extreme Erfol- ge im Abbau der Arbeitslosig- keit, weil wir auch Eintritts- schwellen ins Berufsleben abgesenkt haben, damit man in den Beruf reinkommt, die Chance hat, überhaupt zu zeigen, was man kann. Wir sind auf dem Gebiet gerade mit unserem Ansatz viel, viel erfolgreicher als diejenigen, die mit großer Rhetorik arbei- ten, aber am Ende Arbeitslo- sigkeit produzieren. Den Ver- 00:46:30 gleich brauchen wir wirklich mit keinem europäischen Land, das Ihrem Ansatz folgt, zu scheuen. Ihr Ansatz war in Europa bislang ein Desaster, in jedem einzigen Land. Und darum ist es richtig, dass wir auch Vertrauen in Gewerk- schaften haben, dass sie ihre Branche ken- nen, dass sie ihre Betriebe kennen und wissen, was sie tun. Da muss, und kann und ist der Staat nicht klüger als Gewerkschaften und Wirt- [Und warum sind die Gewerk- schaftsvertreter der Branche. 00:47:00 schaften dann nicht auf Ihrer Seite, sondern auf unserer? Das ist doch dann ganz spannend, wenn das für die Gewerkschaften alles so toll wäre! Das sag‘ ich auch gar nicht!

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Wir werden eine Kommission^ wir respektieren den Ab- schluss von Gewerkschaften [Nein, Sie haben nicht den in Tarifverträgen. Mut, einen flächendeckenden, gesetzlichen Mindestlohn zu [Nein. machen! Das ist das Problem, [Nein, den halten wir für Sie haben nicht den Mut. falsch. Nein, den halten wir für falsch, weil flächendeckend kann er ja nicht sein, weil un- sere Regionen völlig unter- [Bei uns. schiedlich sind, strukturell [Das ist der Unterschied: Bei völlig unterschiedlich und die uns steht der Mensch im Mit- Branchen sind völlig unter- telpunkt, bei Ihnen steht der schiedlich... Ja. Mann im Mittelpunkt. Aber der Mensch, der dann keine Arbeit findet, der muss im Mittelpunkt stehen und darum müssen wir für ihn die Bedingungen so machen, dass sie für ihn passen und nicht, dass sie der Ideologie der Gleichmacherei passen. SCHÖNENBORN: Ich erinnere mich an Äuße- 00:47:30 rungen in diesem Wahlkampf, man müsse die Unterschiede zwischen Ihnen mit der Lupe suchen. Für die letzten Run- den gilt das sicher nicht. Wir machen wieder ‘ne kleine Zwischenbilanz, was die Zeit angeht. Es ist auf hohem Ni- veau fast ausgeglichen, gut 19 Minuten für Norbert Röttgen, 17- einhalb Minuten für Hannelore Kraft. Wir gehen in die nächs- te Runde, Gabi.

LUDWIG: Genau. Die Mehrheit der Deutschen war ganz klar für den Atomausstieg. Gleichzei- 00:48:00 [(uv) tig erleben wir aber, dass… [Wie bitte? Sie ist es immer noch. [Sie ist es, ja. Gleichzeitig erleben wir, wie die Strom- preise immer weiter steigen. Strom wird zu einem Luxus- gut. Wie wollen Sie das ver- hindern, dass das so wird, dass Strom unbezahlbar wird? Vielleicht Sie als erster,

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Herr Röttgen, als Bundesum- weltminister? Also das liegt jedenfalls defi- nitiv nicht an der Energiewende. Das ist auch inzwischen... bislang jedenfalls nicht. Das ist auch inzwischen unbestritten. Ich hab da ja auch meine Kämpfe ausgefochten mit denjenigen, die das aus der Stromwirt- schaft anders behauptet ha- ben. Das ist inzwischen völlig 00:48:30 klar, dass das an der Ener- giewende nicht liegt, wenn- gleich die Energiewende na- türlich ein großes Investiti- onsvorhaben ist, ein Moderni- sierungsvorhaben, wo wir von den alten, großen, konventio- nellen, zentralen Energien auf neue Technologien, auf erneuerbare, auf Effizienz- technologien umsteigen. Das kostet also Geld. Und darum muss man die Kosten im Blick und unter der Kontrolle ha- ben. Und darum haben wir jetzt im Bundestag beschlos- sen eine Änderung zum Bei- spiel wieder des erneuerba- ren Energiengesetzes, das muss man tun, wenn man die 00:49:00 erneuerbaren Energien halten will. Sowohl technologisch, wie auch von der Akzeptanz der Bevölkerung. Die Preise sind nämlich in der Photovol- taik um 30 Prozent im letzten Jahr gefallen. Darum muss man auch die Einspeisevergütung, die den ganz normalen Stromver- brauch, den Verbraucher bezahlen, anpassen. Sonst würden eini- ge wenige bezahlt von den normalen Stromverbrauchern horrende Renditen machen. 00:49:30 Darum hab‘ ich das vorge- schlagen, eine vernünftige Veränderung, die auf den Widerstand von SPD und Grünen stößt, weil sie eben wieder nicht den Mut haben,

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wenn es konkret um Subven- tionsabbau geht, dann auch Farbe zu bekennen. Abstrakt sind alle dafür, jetzt wird’s konkret. Darum hab‘ ich’s gemacht und das ist ein Bei- trag dazu, dass die Kosten der Energiewende unter Kon- trolle bleiben. Ich glaub‘, Sie reden sich die Welt schön. Wir haben doch alle miterlebt, wie Sie sich mit dem Wirt- schaftsminister des Bundes darüber gestritten haben. Und wie Sie nachgeben mussten [Überhaupt nicht, wir streiten und dass EEG in einer Weise uns gar nicht. Keine Spur. absenken mussten, dass es jetzt auch Unternehmen in Nordrhein-Westfalen gefähr- det. Ich hab‘ ein Gespräch mit den Unternehmen der 00:50:00 Photovoltaikbranche geführt. Und die machen sich große Sorgen! Nicht, weil es grund- sätzlich abgesenkt wird. Das ist vereinbart. Sondern, weil es jetzt wieder eine Situation gibt, wo Sie nicht ein verläss- [(uv). licher Partner sind für die Wirtschaft. Das haben wir [Nein, nein. jetzt an mehreren Stellen er- lebt und Unternehmen brau- chen eins: Sie brauchen Planungssi- cherheit! Und deshalb ist die Energiewende ein ganz wich- tiger Faktor. Wir sind der größte Industriestandort und wir sind davon abhängig, dass diese Energiewende so funktioniert, dass die Energie- versorgung sicher bleibt und [Ja. dass die Preise bezahlbar 00:50:30 bleiben für die Bürgerinnen [So ist es. und Bürger, aber auch für die [Darum haben wir’s ange- Unternehmen! Und wir haben passt! keine Planungssicherheit, weil es gar keinen Plan gibt! Weil Sie es nicht schaffen, alle [(uv). diejenigen, die mitwirken müssen an dieser Energie- wende, an einen Tisch zu holen und mit ihnen einen Masterplan zu

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vereinbaren. Wir warten im- mer noch auf die Planungen, was die Netzstrukturen an- geht. Wir haben unsere Hausaufgaben gemacht! Wir [Also… haben ‘ne Situation, dass es schon Spannungen gibt, dass es, der Strom nicht mehr si- cher fließt, sondern dass es dort Brüche gibt. Die Alu- Unternehmen in unserer Re- 00:51:00 gion werden regelmäßig dafür in Anspruch genommen dafür zu sorgen, dass es gleichmä- ßig Stromversorgung in Deutschland gibt! Hier haben Sie dringenden Nachholbe- darf und hier haben Sie Ihre Hausaufgaben nicht gemacht. Überhaupt, also ich darf ja nichts sagen. Sie haben ja von den Kosten gesprochen und jetzt ging es um eine ganz konkre- te Entscheidung, die wesent- lich dazu beiträgt, dass die Kosten unter Kontrolle blei- ben. Und da machen Sie, wenn es konkret wird, eben nicht mit! Wir sitzen übrigens permanent, gerade in der letz- ten Woche, wieder mit allen Akteuren zusammen. Das kriegen Sie nicht mit oder Sie [Ja das Land Nordrhein- machen den Vorwurf, obwohl 00:51:30 Westfalen ist doch kein klei- Sie es mitbekommen. Ich sa- ner Akteur, da waren wir nicht ge Ihnen, nein, nein. Sie sind geladen! gar kein Akteur, das ist die [Ach, wir sind gar kein Akteur! Wahrheit der Energiewende. Die Wahrheit der Energie- wende ist, dass es eine Re- gierung in Deutschland gibt, die die Energiewende nach Strich und Faden verschlafen hat. Das sind Sie! Wir haben in Deutschland 20 Prozent grünen Strom erreicht. In Nordrhein-Westfalen: sechs Prozent. In Nordrhein- Westfalen ist diese Energie- wende nach Strich und Faden SCHÖNENBORN: 00:52:00 verschlafen worden, es gibt [Ein Blick auf die Uhr, mit [Nein. nichts. Wir haben den Mas- Blick auf die Uhr, auch auf Ihr terplan, Sie haben ihn nicht. Zeitkonto, Ihre Erwiderung, Frau Kraft?

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Die Energiewende hat Nordrhein-Westfalen nun wahrlich nicht verschlafen, [Doch. sondern Herr Rüttgers hat mit CDU und FDP die Windener- [Nein, (uv) vorbei. gie, den Ausbau, bekämpft. Wir haben die Schotten wie- der geöffnet, wir haben es wieder möglich gemacht. Wir [Es ist nichts passiert. lagen vorher, 2005, an der Spitze der erneuerbaren Energien mit in Deutschland. Sie haben das verbaselt und wir müssen's jetzt wieder reinho- len. LUDWIG: Also der Anteil der Erneuer- baren Energien liegt in NRW [So ist es. bei schlappen sechs Prozent, bundesweit sind es 20 Pro- [Sagt alles. zent. Das liegt auch daran, dass die SPD an den ^ Koh- lekraftwerken festhält und das wird sich doch auch gar nicht so schnell ändern, wenn man [Ja, das ist so. so weiter CO² (uv). 00:52:30 Das liegt daran, dass wir in den fünf Jahren ‘ne Menge Zeit verloren haben bei den Erneuerbaren Energien, in den fünf Jahren CDU-FDP- Regierung in Nordrhein- Westfalen. Und wir brauchen auch in Zukunft neue Kraft- werke, auch neue fossile Kraftwerke. Denn sonst wer- den wir keine stabile, sichere Energieversorgung bekommen. Das zeichnet sich [Also… ab. Hier muss man auch den Mut haben, das klar auszu- sprechen. Die alten Schätz- chen müssen dringend vom Netz, die neuen müssen her [Ja. und dafür wollen wir auch alles in Nordrhein-Westfalen 00:53:00 unternehmen. Die Energiewende fällt in Ihre Amtszeit. Sie können nicht [Wär jetzt bei mir Chefsache, immer auf die fünf Jahre vor- keine Bange. her. Ja, das findet aber nicht statt. Sie können jetzt nicht auf die Vorgängerregierung abstellen. Die Energiewende fällt in Ihre Amtszeit und bei

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Ihnen ist einfach im Ergebnis [Aber Sie können doch nicht wieder nichts passiert! Sie auf die Haushaltsdinge der wollen die Fakten nehmen. Vorgängerregierung Und jetzt nehm‘ ich die Fossi- rekurieren und bei der Ener- len, doch… giewende sagen Sie, ‚Da hab‘ ich aber nichts mit zu tun!‘ Das passt nicht. [Nein, die Energiewende ist vor einem drei Viertel Jahr beschlossen worden. Ich las- se mich auch an dem letzten drei Viertel Jahr messen. In [Ja aber die Aus.. Wir haben NRW ist nichts passiert! Sie, 150 Prozent mehr Photovolta- Sie könnten…ja, ik in den letzten 20 Monaten. …ja, 150 Prozent, so schnell kön- …nein, das ist…sechs Pro- nen wir das nicht aufholen. zent sagt alles, 20 Prozent [Achso. Ja. Sie haben gegen bundesweit, 6 Prozent in 00:53:30 die Verspargelung der Land- NRW, die Zahl sagt, sagt al- schaft mobil gemacht in les. Sie haben’s nicht geän- Nordrhein-Westfalen. dert und wenn Sie die fossilen Kraftwerke ansprechen, ha- [Wir haben’s geändert, wir ben Sie völlig recht, wir brau- haben den Windenergieerlass chen… gemacht, wir haben die Mög- [Darf ich…darf ich auch mal lichkeit der Windenergie auch ausführen… im Wald geschaffen, das ist ja [Ja, es ist nur am Ende völlig unrichtig. nichts… ja, Sie haben, es ist nur nichts passiert am Ende. Sie haben immer alles ge- [150 Prozent mehr als Photo- schaffen, aber es gibt keine voltaik. Bei Photovoltaik ist Ergebnisse! nichts… Das ist ein Kinderspiel, die ist [Achso. in Deutschland um 7.500 Me- gawatt pro Jahr, 15.000 Me- gawatt in Deutschland, da kommen Sie mit. Das ist wirk- SCHÖNENBORN: lich nichts, da brauchen Sie [Frau… sich zu rühmen. Und die fos- silen Kraftwerke 00:54:00 bra^brauchen wir auch nicht irgendwelche. Es steht in Nordrhein-Westfalen das mo- dernste Kohlekraftwerk Euro- pas, das effizienteste, das CO²-effizienteste, das flexi- [Ja. belste, nämlich Datteln. Da sagen Sie, das sollen die Ge- richte machen und kümmern sich als Politik nicht. Sie las- sen die alten am Netz und bei den neuen tun sie nichts. Das ist auch ein Feh- 00:54:30 ler. Sowohl bei den konventi- onellen Kraftwerken ist nichts

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passiert, eine Investitionsrui- ne von einer Milliarde Euro und bei den erneuerbaren passiert einfach nichts! [(uv) über 5 Milliarden, wir Energiepolitik… [Mit Blick auf Ihr Zeitkonto… bauen gerade für 6,5 Milliar- den neue fossile Kraftwerke in NRW, in Datteln hat die Vor- gängerregierung Planungs- fehler gemacht, die sind vom Gericht einkassiert worden. [Aber was haben Sie getan? Und am Ende werden die Gerichte entscheiden! Wir [Herr Röttgen… rollen das Verfahren wieder [Sie (uv) anders tun. neu auf, das müssen wir tun. [Frau Kraft, Herr Röttgen, fast eine Stunde haben Sie sehr kontrovers vier wichtige The- men, die für die Wähler in Nordrhein- Westfalen ganz oben auf der Agenda stehen, diskutiert. Zum Schluss wüssten wir von Ihnen eigentlich gern, es kann ja sein, dass Sie nach der

Wahl in dieser oder jener

Form auch aufeinander an-

gewiesen sind. Frau Kraft,

Herr Röttgen, was mögen Sie

eigentlich, was schätzen Sie

00:55:00 aneinander? Was schätzen

Sie an Herrn Röttgen?

Na wir haben gemeinsam den Schulkonsens verhandelt, das war ‘ne vertrauensvolle Zu- sammenarbeit. Und da haben wir uns auch, was Verhand- lung angeht und Inhalte an- geht, auch schätzen gelernt. Auch wenn das hier nicht im- mer so deutlich geworden ist. LUDWIG: Herr Röttgen, was schätzen Sie an Frau Kraft? Ich schätze, dass Frau Kraft unsere Initiative zum Schul- konsens aufgenommen hat und dann auch erkannt hat, 00:55:30 dass unsere Inhalte besser waren, darum trägt unsere Initiative auch unsere Hand- schrift und so sind wir zu ei- nem guten Ergebnis gekom- men. Das heißt, Landespolitik kann auch zu guten Ergeb- nissen führen, wenn die CDU 47

Maier/Jansen: Wortlaut der Fernsehdebatte zur Landtagswahl in Nordrhein-Westfalen am 13. Mai 2012

dabei ist und Frau Kraft hat sich nicht verschlossen, ob- wohl sie an der Regierung war. Eine große Koalition könnte ja am Schluss die einzige Machtoption sein. Wär‘ es nicht sogar besser für das Land nach zwei Jahren Min- derheitsregierung, Frau Kraft? Nein, wir haben zwanzig Mo- nate lang rot-grün dieses Land gut vo- rangebracht und das wollen wir gerne auch weiter tun. Und die Umfragen zeigen, dass die Menschen uns das auch zutrauen und dafür kämpfen wir. Mit einer starken SCHÖNENBORN: SPD. [Und was machen Sie… Und was machen Sie mit Frau Lörmann? Verstehen Sie sich gut? Und was machen Sie, wenn’s am Ende doch nicht reicht und Sie noch ‘nen Part- 00:56:00 ner brauchen? Wie ist Ihr Verhältnis zu Christian Lind-

ner? Ist dann die Ampel

denkbar?

Ich wird‘ jetzt nicht zu den einzelnen Koalitionsoptionen hier was sagen ^, im Moment ist es so, dass es für rot-grün reicht in den Umfragen. Ich bin zuversichtlich, dass wir das schaffen werden. Und sollte es nicht der Fall sein, werden wir nach der Wahl sehen, wie wir damit umgehen. Aber darüber mach‘ ich mir heute keine Gedanken. LUDWIG: Herr Röttgen, falls die Wahl verloren gehen sollte. Wo können Sie dem Land mehr dienen? Als Bundesumwelt- minister in Berlin oder als Op- 00:56:30 positionsführer in Düsseldorf? Es sind ja keine zwei Wochen mehr. Und die zwei Wochen, die nutze ich mit voller Kon- zentration dafür, dass wir die Regierungsverantwortung übernehmen. Weil wir glau- ben, dass wir diesem Land 48

Arbeitspapiere und Dokumentationen des Forschungsschwerpunkts „Kommunikation, Medien und Politik“

besser dienen können. Und mit mir als Ministerpräsident. Darauf bin ich konzentriert, das wollen wir, das ist das Gewinnenwollen von uns. Dann müssen aber die Bürger entscheiden, das ist völlig richtig. Und wenn sie das nicht wollen, dann werden wir uns zusammensetzen in der CDU und werden gemeinsam entscheiden. Ich bin innerlich völlig frei ^, was wir tun. Das werden wir gemeinsam ent- scheiden, so wie wir für die CDU, dann geht es ja um die Partei, dass wir den besseren Weg halten. SCHÖNENBORN: 00:57:00 Falls Sie, Frau Kraft, die Wahl verlieren sollten, bisher hat noch nie ein Ministerpräsident die Rolle des Oppositionsfüh- rers übernommen. Tun Sie das dann?

Mein Platz ist hier in Nordrhein-Westfalen, ich wer- de hier weiter Politik machen und an welcher Stelle wird dann meine Partei und meine Fraktion entscheiden. LUDWIG: Zum Abschluss dieser Runde sollen Sie beide nochmal die Gelegenheit bekommen, Ihre Argumente vorzutragen, nochmal zusammenzufassen, warum die Wählerinnen Ihnen ihre Stimme geben sollten. Norbert Röttgen beginnt. Liebe Bürgerinnen und Bür- 00:57:30 ger, die rot-grüne Regierung hatte fast zwei Jahre die Chance, sich zu beweisen und das Land voranzubrin- gen. Die Bilanz ist eindeutig: Eine Negativbilanz. Die höchsten Schulden aller Bun- desländer, die geringste Kin- derbetreuung aller Bundes- länder, die Energiewende verschlafen, aktive Industriepolitik hat nicht stattgefunden. Rot-Grün hatte 00:58:00 eine Chance, hat sie nicht genutzt. Und ich glaube, dass das keine Basis ist für eine 49

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Verlängerung. Die CDU möchte dem Land dienen und wir glauben, dass wir besser regieren können, dass man besser regieren kann in Nordrhein-Westfalen. Dass man solide Finanzpolitik ma- chen kann, das ist kein He- xenwerk. Wenn man das will, schafft man das. Wir werden mit Herzblut für Familien und für die Wahlfreiheit von Eltern eintreten. Ich werde die Energiewende nach Nordrhein-Westfalen bringen, damit das Potential hier ge- nutzt wird und wir werden aktive Industrie- und Wirt- schaftspolitik machen, weil wir ein wirtschaftsstarkes, mo- dernes Land sein wollen. Da- für, dies tun zu können, bitte ich, bitten wir um Ihr Vertrau- en. SCHÖNENBORN: Frau Kraft. Liebe Mitbürgerinnen und Mitbürger, am 13. Mai geht es, das haben wir heute ge- sehen, um eine Richtungs- entscheidung. Ich stehe für ein wirtschaftlich starkes und sozialgerechtes Nordrhein- Westfalen. Auf diesem Weg 00:58:30 haben wir in den letzten 20 Monaten einiges vorange- bracht. Die Studiengebühren und die KiTa-Gebühren für’s letzte Jahr abgeschafft, den Kommunen finanziell geholfen und auch die Mitbestimmung wieder gestärkt. Auf diesem Weg müssen wir weiter ma- chen. Und ein Thema liegt mir besonders am Herzen: Wir dürfen kein Kind mehr in Nordrhein-Westfalen zurück- lassen. Deswegen investieren wir in Vorbeugung, in Kinder und in Bildung. Und diesen Weg würden wir gerne weiter gehen. Es liegen ‘ne Menge Herausforderungen vor uns, einiges haben wir geschafft, einiges ist noch zu tun. 00:59:00 Das Thema Energiewende

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haben wir gerade bespro- chen. Hier gilt es, diese Ener- giewende sicher zu schaffen, verlässlich und bezahlbar für die Bürgerinnen und Bürger und für die Unternehmen in unserem Land. Es geht um den Industriestandort. Also einige Aufgaben liegen noch vor uns. Mein Platz ist hier in Nordrhein-Westfalen. Ein starkes Land. Ein Land mit vielen engagierten Bürgerin- nen und Bürgern, im Beruf oder auch im Ehrenamt. Die- ses Land lebt vom Zusam- menhalt und von Der Vielfalt. Hier möchte ich gerne ansetzen. Bei uns steht der Mensch im Mittelpunkt. Das ist Kern unserer Politik. Und wenn Sie diese Richtung unterstützen, dann bitte ich Sie, gehen Sie am 13. Mai wählen und wählen Sie mit zwei Stimmen SPD.

00:59:30 Sie haben heute Abend die beiden kennengelernt und mit ihren Argumenten hören kön- nen, die sich darum bewer- ben, das Land Nordrhein- Westfalen in den nächsten fünf Jahren zu führen, zu- gleich die Spitzenkandidaten von SPD und CDU. Es gibt vier weitere Parteien, die Chancen haben, in den Landtag einzuziehen. Am Mittwochabend im WDR- Fernsehen, in der Wahlarena sind sie alle zusammen. Da können Sie sich dann den zweiten Teil Ihres Bildes für die Wahlentscheidung ma- chen. Für heute herzlichen Dank. In der Mediathek, bei 01:00:00 wdr.de, können Sie, wenn Sie später reingekommen sind, das Ganze nochmal in Ruhe ansehen. Wir sagen Danke.

LUDWIG: Vielen Dank!

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Maier/Jansen: Wortlaut der Fernsehdebatte zur Landtagswahl in Nordrhein-Westfalen am 13. Mai 2012

Und guten Abend aus Köln.

LUDWIG:

Und guten Abend.

Danke sehr.

Dankeschön.

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