SÜDWESTRUNDFUNK SWR2 Interview der Woche – Manuskript

Autor: Evi Seibert Gesprächspartner: , SPD Redaktion: Stephan Ueberbach SWR Studio Berlin Sendung: Samstag, 30.09.2017, 18.30 – 18.40 Uhr, SWR

SWR Interview der Woche vom 30.09.2017

SWR: Herr Schneider, Ihr neuer Job ist einer der wenigen, die in der Opposition zu vergeben sind, also der wenigen wichtigen: parlamentarischer Geschäftsführer. Viele bekommen das aber gar nicht mit, weil manche den Job so geräuschlos machen, dass sie sozusagen unterhalb der Wahrnehmungsgrenze segeln. So ein bisschen war das in den letzten vier Jahren so. Andere, wie Thomas Oppermann, die haben damit so viel Wirbel gemacht, dass sie danach dann Fraktionschef wurden und während dieser Jobausübung als „Neben-Generalsekretär“ galten. Das sind die zwei Alternativen. Wie wollen Sie den Job machen?

C. Sch.: Einer der Vorgänger auf CDU-Seite hat mir eine SMS geschickt und mich beglückwünscht. Und hat gesagt, wer das im Übrigen schon war, , Thomas Oppermann, Wolfgang Schäuble, - und dass das eine gute Ahnenreihe sei. Ok, sehe ich auch so. Es ist ein Unterschied, ob sie das in der Opposition ausführen, dieses Amt oder in der Regierungszeit. In der Regierungszeit ist es im Parlament so, da müssen sie schauen, dass sie es gut organisiert bekommen, dass sie Mehrheiten für kluge Entscheidungen möglichst auch erhalten –und nicht so sehr die Öffentlichkeitsarbeit. In der Oppositionszeit ist es eine der Kernpositionen innerhalb einer Fraktion um zum einen die Fraktion zu führen, auf der anderen Seite auch in der Öffentlichkeit zu wirken. Mein Ziel ist schon, da wo die Regierung schlecht arbeitet, wo sie angreifbar ist, dann auch den Angriff zu führen, zu koordinieren. Aber auch die SPD-Fraktion strukturell so aufzustellen, dass wir eine kluge und auch schnelle Truppe sind.

SWR: Das hätten Sie auch als Fraktionschef sagen können. Was ist jetzt der Unterschied zwischen Fraktionschefin, in dem Fall, und parlamentarischem Geschäftsführer?

C. Sch.: Ich halte der Fraktionschefin den „Rücken frei“. Und sie gibt die politischen Leitlinien vor, sie ist dafür auch gewählt. Und ich werde, das ist das Ziel, und das wird auch klappen, dass zwischen und mir da wirklich kein „Blatt Papier passt“. Und das ist kein Spruch, sondern das muss so sein. Das sind zwei Vertrauensfunktionen innerhalb einer Fraktion. Das ist entscheidend, dass es funktioniert. Und ich kenne Andrea Nahles schon über zwanzig Jahre, ich bin mir sicher, dass es gut klappt.

SWR: Was schätzen Sie denn an Andrea Nahles?

C.Sch.: Ja, sie ist ehrlich. Sie ist bodenständig. Sie ist schlau und sie ist angriffslustig. Das ist was wir diese Woche auch in der Fraktion gemerkt haben, sie hat sofort umgeschaltet, von Regierung auf Opposition. Der Fraktion auch das Selbstbewusstsein gegeben, jetzt diese Rolle anzunehmen.

SWR: Und was unterscheidet Sie von Andrea Nahles? Interview der Woche :  2

C.Sch.: Ja, mein Temperament ist sicherlich ein bisschen ruhiger. Ich angle gern, ich kann mich auch aufregen. Aber grundsätzlich versuche ich, die Sachen cool anzugehen und mich nicht provozieren zu lassen. Ich sage nicht, dass Andrea Nahles sich provozieren lässt. Aber sie ist glaube ich impulsiver als ich das bin.

SWR: Nun kommen die alten SPD-Granden, wie zum Beispiel Gerhard Schröder und kritisieren, dass die SPD sich direkt in die Opposition verkrümelt hat und nicht wenigstens mal länger nachgedacht hat über eine mögliche weitere Große Koalition. Was ist Ihre Antwort?

S.Sch.: Wir haben einen klaren Oppositionsauftrag. Wir sind nicht gewählt worden, wir sind abgewählt worden als Regierung und es wäre ein Hohn für die Bevölkerung, dass sie die Regierung wiederbekommt, die sie hatte, wo beide Parteien verloren haben. Wir können keine Mehrheit bilden aber die CDU kann es, mit der FDP, den Grünen und der CSU und dann sollen sie es auch machen. Die SPD wird die Opposition anführen, das ist jetzt glaube ich unsere Aufgabe.

SWR: Was wetten Sie, dass Sie im Februar immer noch in der Opposition sind?

C.Sch.: Eine Kiste Bier

SWR: O.K., wie lange darf es denn Ihrer Meinung nach dauern, bis die sich zusammengerauft haben? Es ist ja so, dass wir jetzt eine Zeit haben, in der eben keine wirklich wichtigen Entscheidungen getroffen werden können für das Land, weil wir keine richtige Regierung haben, jedenfalls nicht die die neu gewählt worden ist. Angesichts der Lage in der Welt, mit den ganzen Trumps und Erdogans ist das natürlich kein Zustand in dem man sehr lange bleiben möchte. Was sagen Sie, wie lange darf das dauern? Wann muss die neue Regierung stehen?

C.Sch.: Die müssen bis Weihnachten fertig sein. Das würde ich jetzt mal als Zeitplan sehen. Ich glaube das geht auch. Diese Regierung, oder diese potenzielle neue Regierung hat einen wahnsinnigen Vorteil gegenüber einer anderen, sie hat ein Übermaß an Geld. Sie haben fast 40 Milliarden Euro Spielraum in den nächsten vier Jahren, über diese Regierung entscheiden kann wofür sie es ausgibt und das ist dann glaube ich ein Argument, was eben nicht ein Sparpaket ist, das meistens am Anfang in der Regierungsbildung steht, sondern ein Luxusproblem. Wofür gebe ich es aus? Wir würden das vor allen Dingen für die Investitionen in Deutschland ausgeben, für die Senkung der Steuern und Abgaben der unteren und mittleren Einkommen, damit die mehr Geld in der Tasche haben. Die FDP wird wahrscheinlich eher im oberen Bereich senken wollen. Aber das können sie jetzt entscheiden, und deswegen glaube ich die werden das schon hinbekommen und sie müssen es auch hinbekommen.

SWR: Sie waren ja schon mal vier Jahre in der Opposition unter Schwarz/Gelb. Wie haben Sie denn diese Zeit in Erinnerung, was fällt Ihnen ein, wenn Sie an diese Jahre zurückdenken?

C. Sch.: Das war frei. Man ist als Abgeordneter wahnsinnig frei. Man hat dann größeren Spielraum, weil nicht Gesetze oder Vorgaben aus irgendwelchen Koalitionsausschüssen kommen, gegen die Sie dann an arbeiten oder verbessern wollen, sondern Sie können sich in weiten Teilen auf die Gesellschaft einlassen und Dinge, Ideen mit aufgreifen und auch selbst in den einbringen, wo es in der Regierungsfraktion schwieriger ist.

SWR: Andere, wie Alt-SPD-Chef Müntefering, kritisieren, dass die SPD jetzt sozusagen zwei Machtzentren hat, einmal in der Parteizentrale, im Willy-Brandt-Haus mit und dann im Bundestag mit der neuen Fraktionschefin Andrea Nahles. Er meint, das gehört zusammen, das gehört in eine Hand. Was meinen Sie?

Interview der Woche :  3

C.Sch.: Das kann Franz Müntefering so sehen, ich glaube, dass die SPD zu sehr auf eine Person fixiert war, wir hatten noch nie eine Frau an der Spitze der Fraktion und das ist jetzt eine kluge Ämterteilung. Beide haben genügend Zeit und Kraft auch für eine sehr schwierige Aufgabe, das auch wahrzunehmen. Und wie ich sie wahrgenommen habe und wie ich die beiden auch kenne, Martin Schulz und Andrea Nahles, wird das auch im Team sehr gut funktionieren.

SWR: Die ZEIT schreibt zu dieser Machtverteilung: Schulz darf noch mitmachen, aber Nahles bestimmt. Ist das richtig eingeschätzt?

C. Sch.: Nee, das ist falsch, weil Nahles gar nicht allein bestimmen kann, genauso wie ich nicht alleine bestimmen kann, sondern diese Fraktion und auch diese Partei, auch in der Partei gilt das, ist sehr munter, sie wird diese Diskussion immer suchen, das hängt nicht an einzelnen Personen . Im Endeffekt, muss das einfach klug sein und natürlich muss es loyal funktionieren. Ich bin mir sicher, dass es auch loyal funktioniert.

SWR: Nahles, wir haben eben schon drüber gesprochen, übernimmt natürlich auch den Part der Angriffslustigen und hat sich diese Woche natürlich mit ihrem Spaß, als sie sich von den Ex- Ministerkollegen verabschiedet hat, hat sie ja gesagt, „ich gönn mir jetzt noch einen Moment der Wehmut, aber dann gibt’s auf die Fresse“, für heftige Diskussionen gesorgt. Selbst in der SPD ist man sich nicht ganz einig, wie man das beurteilen soll, ob das jetzt zu derb, zu respektlos ist, ob es trotzdem nur ein Spaß war, weil es eben als Spaß gemeint war, und die anderen ja auch gelacht haben… Ich Glaube, diese beiden Ansichten bekommt man sicher nicht unter einen Hut. Wie sehen Sie das?

C. Sch.: Ich war ja in der Fraktion, als sie es gesagt hat und es war ein Gag. Sie hat den Gag zitiert, um damit deutlich zu machen, dass sie ab sofort die Oppositionsführerin ist. Und dass sie das natürlich nicht im Bundestag in einer Rede so sagen würde ist klar. Also wenn Sie und die Hörer wollen, dass es eine lebendige Sprache gibt, von Politikern noch, dann muss man auch mal über den ein oder anderen Spruch hinweggucken, der ironisch gemeint war und als Spaß und nicht als Kampfansage.

SWR: Trotzdem können Sie sicher die Diskussion verstehen, dass grade eben angesichts der Tatsache, dass man permanent auf die Sprache der AfD achtet und es gab ja schon eine Riesen - Diskussion, weil dort gesagt wurde.“ Wir wollen die Regierung jagen“, weil „jagen“ so martialisch klingt. Also „auf die Fresse kriegen“ klingt nicht weniger martialisch, da muss man sich fragen, wo ist da jetzt die Grenze? Wenn wir schon sagen, man muss respektvolles Vokabular benutzen, wo ist da die Grenze, wo wollen sie das einordnen?

C.Sch.: Da wo es persönlich beleidigend ist.

SWR: Aber jagen, „die Regierung jagen“ ist ja nicht persönlich beleidigend.

C.Sch.: Man muss gucken, was steckt tatsächlich dahinter. Sie können ein Wort so oder so verwenden, von daher muss man aufpassen, dass man die politische Auseinandersetzung sucht, sie auch hart sucht, auch mal über das Ziel hinausschießt, dass gehört auch dazu, ansonsten sind wir hier alle nur noch so aseptische Personen und kein Mensch will uns mehr zuhören.

SWR: Also wird der Ton rauer werden im Bundestag, jetzt mit sechs Fraktionen die da kämpfen?

C.Sch.: Das ist auch gar nicht schlimm. Bin ganz ehrlich, die letzten vier Jahren im Bundestag, als ich dort debattiert hab, und ich bin gern ein Debattenredner, ich habe mich auch zum Teil gelangweilt.

Interview der Woche :  4

SWR: Da muss man sich ja auch überlegen, wie ist die Strategie, wie wollen Sie mit der AfD im Deutschen Parlament umgehen, damit eben letzten Endes nicht immer nur über deren Provokation geredet wird. Das ist ja grade eben auch ein Vorwurf, der überall aufkommt, dass man zu viel über die AfD redet, weil man über alle Stöckchen springt die sie einem hinhalten. Das ist ja auch eine Gefahr die in den Debatten droht…

C. Sch.:.. Ja, da darf man sich nicht provozieren lassen. Die AfD hat ja sowohl in Thüringen, wo ich es gut beobachten kann, immer wieder die Provokation gesucht und die Debatten auch geprägt. Wir werden die AfD wie eine ganz normale andere Fraktion mit ihren Parlamentsrechten behandeln, das heißt sie haben Anspruch auf die gleiche Redenzeit, auf die Plätze, auf die anderen Dinge die auch wir haben.

SWR: Da haben Sie ja eh kein Einfluss drauf. Es geht ja darum wie Sie als Partei im Plenum mit der anderen Partei umgehen.

C.Sch.: Wir werden die Auseinandersetzung mit der Regierung suchen, das ist unsere Aufgabe als größte Oppositionspartei. Ich werde mich da mit der AfD auseinandersetzen, wenn sie politische Vorschläge macht, die haben wir bisher zu wenig debattiert. Also nehmen sie die ganze Sozialpolitik, alle gucken nur aufs Asyl, aber die Sozialpolitik der AfD ist in weiten Teilen archaisch, die ist schlimmer noch als die FDP, also es geht auch darum sie zu entzaubern da wo sie gar keine Konzepte haben, um diese Protestwähler auch wieder zurückzuholen.

SWR: Vielen Dank an den neuen parlamentarischen Geschäftsführer der SPD Carsten Schneider im Interview der Woche.