2 / 2018

Auto Vol. 9 motive

S. 6

Die Spielregeln für langfristigen Erfolg am Zug im Auto-Business im Reich der Mitte

S. 4 S. 14 S. 18

Dr. Christian Malorny, Bitte nicht ablenken! Adel verpflichtet Head Global Automotive, A.T. Kearney Intelligente Autos überfordern Goodwood – Treffpunkt für „Neues ist immer spannend” den Menschen Petticoats und historische Rennwagen Impressum

HERAUSGEBER FOTOGRAFIE, BILDNACHWEIS A.T. Kearney GmbH Audio Mobil Elektronik (S. 17) Dreischeibenhaus 1 (S. 22) 40211 Düsseldorf (S. 22) Dr. Arno Lamminger (S. 17) KONTAKT Gudrun Muschalla (S. 2, 18, 19) A.T. Kearney GmbH Nio (S. 2 – 3, 21) Sendlinger Straße 8 plainpicture / Arne Landwehr (S. 2, 9) 80331 München Shutterstock (S. 6 – 7, 9, 10, 12, 15, 16, 20, 21, 23) Toyota (S. 24) Telefon: + 49 (0) 89 51 56 80 00 (S. 8) Telefax: + 49 (0) 89 51 56 89 99 [email protected] www.atkearney.com DRUCK Himmer GmbH Druckerei & Verlag, Augsburg KONZEPT, TEXT UND REDAKTION Printed in Redaktionsbüro Automotive Press Tina Rumpelt, Germering

DESIGNKONZEPTION, Diese Publikation und alle in ihr enthaltenen LAYOUT UND REALISATION Beiträge und Abbildungen sind urheber­­- Stilmanöver Designprojekte, Mainz recht­lich geschützt. Jede Verwertung bedarf www.stilmanoever.de der Zu­stimmung von A.T. Kearney, Inc.

KORREKTORAT © 2018, A.T. Kearney, Inc. Textpertise Heike Virchow, Hamburg Alle Rechte vorbehalten Automotive Vol. 9 A.T. Kearney

A. T. Kearney’s Global Partner Team Automotive

Eugenio Prieto Stephan Krubasik EMEA EMEA

Nils Kuhlwein Dr. Christian Malorny von Rathenow Global Ole Kahrs EMEA EMEA

Manish Mathur Doug Mehl Asia Americas Marcus Weber EMEA

» The true strength of this firm, Frederic Ramioulle Americas as in any organization, lies in the Rick Kozole fact that we are all different. « Americas

Violetka Dirlea Andrew Thomas Kearney (1892 – 1962) Americas

Dr. Wulf Stolle EMEA

Masahiro Kishida Asia

Jian Xu Asia

Vinod Kumar Asia

Michael Römer Ram Kidambi EMEA Asia

Thomas Luk Mark Essle EMEA / China Americas

… and more to come Andreas Form EMEA 1 A. T. Kearney’s Global Partner Team Automotive A.T. Kearney Automotive Vol. 9

18 Adel verpflichtet

Goodwood: Treffpunkt für Petticoats und historische Rennwagen

2 Inhalt Automotive Vol. 9 A.T. Kearney

Die Neuen kommen Inhalt Chinas e-Auto-Startups 20 nehmen Fahrt auf

TALKING WITH … 4 „Neues ist immer spannend” Dr. Christian Malorny, Head Global Automotive, A.T. Kearney

TITELSTORY 6 China am Zug Die Spielregeln für langfristigen Erfolg im Auto-Business im Reich der Mitte

FAKTEN & MEINUNG 12 A.T. Kearney global

STRATEGIE 14 Bitte nicht ablenken! Intelligente Autos überfordern den Menschen

SEITENSPIEGEL 18 Adel verpflichtet Goodwood: Treffpunkt für Petticoats und historische Rennwagen

MARKT 20 Die Neuen kommen Chinas E-Auto-Start-ups nehmen Fahrt auf

SCHLUSSPUNKT 24 Kraftstoff Wasser Mit Wasser und Wind um die Welt 6 China am Zug

Die Spielregeln für langfristigen Erfolg im Auto-Business im Reich der Mitte

3 Inhalt A.T. Kearney Automotive Vol. 9

TALKING WITH … „Neues ist immer spannend”

Seit seinen Schultagen faszinieren ihn Sport- und Kleinwagen aus den 50er und 60er Jahren, die er sammelt, hegt und pflegt. Privat fährt er einen XL1 – das Einliter-Auto von VW. Seine Autoleidenschaft fließt auch immer wieder ein, wenn es um das große Ganze der globalen Auto­ industrie geht, denn er ist überzeugt: „Die Faszination für das Produkt ist alles.“ Dr. Christian Malorny leitet seit 1. April 2018 das weltweite Automotive-Geschäft von A. T. Kearney. Turbulenzen wertet er als Chance zur Veränderung, Umbruch als Aufbruch zu Neuem, denn „Neues ist immer spannend“.

Was macht die Automobilindustrie für Sie spannend? Die Branche bewegt sich in unzählig vielen Fachdisziplinen mit einem hohen Innovationsgrad. Sie beschäftigt Menschen verschiedenster Herkunft, Handwerker, Ingenieure, Manager bis hin zu Wissenschaftlern, die alle gemeinsam an einem Produkt arbeiten. Für mich als Deutscher ist es außerdem spannend zu verfolgen, wie unsere Autoindustrie ihre ausgesprochen hohe Reputation weltweit aufrecht- erhält. Wir haben hier eine echte Leitindustrie mit weltweiter Deutungshoheit. Beim Auto schaut die Welt auf uns!

Einige Autokonzerne leben gut von ihrem Premiumanspruch, den sie sich teuer bezahlen lassen. Ist Premium auch in Zukunft eine sichere Bank? Ein Drittel der Wertschöpfung der deutschen Automobilindustrie – 2017 waren es 150 Milliarden Dollar – entfällt auf das Premiumsegment. Der Premiumanteil könnte sich nach unseren Analysen bis 2035 mehr als verdreifachen. Die Treiber sind vor allem digitale Services.

Was ist das Premium der Zukunft? Premium definiert sich heute zu je 30 Prozent durch Marke und Design, zu 25 Pro- zent durch Dynamik, wie Beschleunigung und Fahrverhalten, sowie zu 15 Prozent durch Wertanmutung. Der Anteil der Dynamik wird zurückgehen. Auch Reichweite und Ladegeschwindigkeit werden zu Schlüsselkriterien, über die Premium künftig definiert wird.

Manche sagen, OEMs, die am „neuen Premium“ scheitern, werden sich künftig als Auftragsfertiger verdingen müssen. Pure Schwarzmalerei? Um die künftigen Herausforderungen zu bewältigen, brauchen die Unternehmen ein cleveres Partnering, bei dem sie sich an andere starke Marken anlehnen können, ohne die eigenständige Markenidentität und ihre Markenattribute zu ver- lieren. OEMs, denen das nicht gelingt, droht in der Tat die Gefahr, dass ihre Marke abrutscht und ihre Produkte an Attraktivität verlieren.

4 „Neues ist immer spannend” Automotive Vol. 9 A.T. Kearney

Dr. Christian Malorny, Head Global Automotive, A.T. Kearney: „Die Auto­mobilindustrie wird lernen müssen, in Öko­systemen zu leben und dort auch wechselnde Führungs- rollen zu akzeptieren.“

Ist Fremdfertigung ein Geschäft, das die traditionellen Automobilhersteller im Auge behalten sollten? Wir erwarten eine Verlagerung vom heute noch sehr ausgeprägten B2C-Geschäft zu immer mehr B2B-Aktivitäten. Zum Beispiel werden neue Mobilitätsanbieter ihre Flotten mit für sie eigens designten und konzipierten Fahrzeugen bestücken wollen, ohne selbst in die Autoproduktion einzusteigen. Warum das nicht als neues, lukratives Geschäftsmodell zumindest erwägen?

Wie erfolgreich sind die Autohersteller bislang beim Partnering mit der Tech-Industrie? Autoindustrie und Tech-Welt stecken noch in der Phase des gegenseitigen Beschnup- perns. Sie eruieren gerade, wie Fähigkeiten kombiniert werden können. Es werden diverse Formen der Partnerschaft entstehen: bezogen auf die Automarke, auf das Produkt oder digitale Services. So unterschiedlich die Inhalte sind, so unterschiedlich werden die Laufzeiten sein. Die Autoindustrie wird lernen müssen, in solchen Ökosystemen zu leben und dort auch wechselnde Führungsrollen zu akzeptieren. Für die Tech-Industrie ist das kein Problem: Ökosysteme sind ihr tägliches Brot.

Wo liegen die Fallstricke für solche Partnerschaften? Wenn einer der Partner feststellt, dass der andere einen besseren Zugang zu End- kunden hat und damit eine höhere Profitabilität generiert. Die heikle Frage, die sich dann stellt, ist: Wer erhält welche Margen aus dem Endkundengeschäft? Hier muss es den OEMs gelingen, den Zugang der digitalen Services zum Autofahrer zu be- preisen. Ganz ähnlich wie es Apple mit den Apps macht. Ein Teil des Profits landet immer bei Apple, egal, wer die Apps und damit den digitalen Service anbietet.

Was sollte die Autoindustrie von der Tech-Welt lernen? Deren Umgang mit Technologieplattformen, Algorithmen und Big Data: aus Daten Information zu gewinnen, aus Information Wissen zu generieren und daraus eine Handlung abzuleiten im Sinne eines digitalen Erlebnisses. Lernen kann man aber auch von der enormen Agilität der Organisation und der Abläufe. Auto-OEMs hingegen sind echte Monolithen, die in ihren herkömmlichen Strukturen so nicht überleben werden.

Wo sehen Sie die Stärken der traditionellen Autoindustrie in diesem Szenario? Die Stärke der traditionellen Automobilindustrie ist die exzellente Qualität und hohe Zuverlässigkeit ihrer Produkte. Diese Zuverlässigkeit auf die neuen digitalen Themen zu übertragen, ist eine immense große und wichtige Aufgabe. Und: Der Automobilindustrie ist es über 100 Jahre lang gelungen, über ihre Innovationsfähig- keit das Auto begehrenswert zu halten. Wir haben noch immer Lust, es zu kaufen und zu benutzen. Das ist ein echtes Asset, das überall in der Welt Gold wert ist.

Interview: Tina Rumpelt

5 „Neues ist immer spannend” A.T. Kearney Automotive Vol. 9

TITELSTORY Ch na am

6 ZugChina am Zug Automotive Vol. 9 A.T. Kearney

Fall einen Anstieg der Pkw-Verkäufe um jährlich 7,7 Prozent auf rund 35 Millionen Pkw. „Unser optimistischer Forecast basiert auf der Auswertung des A. T. Kearney China Auto Monitors, kombiniert mit neuesten Analyse-Tools, mit dem wir Absatzprognosen und künftige Szenarien erstmals auf Basis moderner Maschine-Learning-Algorithmen entwickeln können“, erklärt Thomas Luk, Partner bei A. T. Kearney (siehe auch S. 12, „China Auto Monitor: Immer am Puls des Mobilitäts­ marktes der Zukunft“).

Chinas Autoindustrie wird selbstbewusster China sieht den ehrgeizigen Wachstumsplänen der ausländi- schen Automobilhersteller im Land längst nicht mehr tatenlos zu. Der Staat fördert und fordert die heimische Autoindustrie, um deren internationale Wettbewerbsfähigkeit zu steigern – auch mit Blick auf zukünftige Exportgeschäfte. Der Fort- schritt und Einfluss zeigen sich im lokalen Markt: Bei den „New Energy Vehicles“ sind die lokalen Hersteller mit 96 Pro- Ch naWer im Autogeschäft in China künftig zent Marktanteil unangefochten führend. Über alle Fahrzeug- erfolg­reich sein will, muss sich auf viele segmente hinweg erreichten laut der China Association of Automobile Manufacturers CAAM chinesische Marken 2017 Veränderungen einstellen – und das einen Marktanteil von fast 44 Prozent, bei SUVs waren es schnell. Neue Heraus­-for­derungen und über 60 Prozent und bei Vans und MPVs sogar mehr als 83 Risiken bedrohen nicht nur den Erfolg Pro­zent – Tendenz weiter steigend.

in diesem Markt, sondern möglicherweise Der Boom im Neuwagengeschäft geht zu Ende sogar das Unternehmen selbst. Dass in Der chinesische Automarkt brodelt also erstmal weiter, wenn China andere Spielregeln gelten als in auch auf kleinerer Flamme. Denn es zeigen sich erste Sät­ti­ gungstendenzen.­ In den großen Megacitys sind Neuzulas- Europa und in den USA, ist bekannt. Manche sungen beschränkt. Außerhalb der chinesischen Großstädte davon sind heute nicht mehr ziel­führend ist die Kaufkraft gering. Zudem nimmt der Gebrauchtwagen- markt zunehmend Fahrt auf. Wie der US-Nachrichtendienst beziehungsweise waren es nie. Jetzt gilt es, Bloomberg berichtete, könnte der chinesische Gebraucht- alte Regeln zu brechen und sich für den wagenmarkt bis 2020 ein Volumen von 20 Millionen Fahr- langfristigen Erfolg aufzustellen. zeugen erreichen. 2017 wechselten in China zwölf Millionen Gebrauchtwagen den Besitzer, zugleich fanden 29 Millionen Neuwagen einen Käufer. Zum Vergleich: In den USA wurden 2017 rund 39 Millionen gebrauchte Fahrzeuge verkauft – und ie Chefs der global agierenden Automobilkonzerne nur 17 Millionen Neuwagen. zeigen sich unisono sehr stolz auf ihre Erfolge in D China. Der riesige Markt, der dank einer Pkw-Dichte von gerade mal 79 Fahrzeugen pro 1.000 Einwohner (2017) » Bis 2035 genießt der noch reichlich Wachstumspotenzial verspricht, hat viele Jahre lang gutes Geld in die Kassen gespült und war der Garant chinesische Standard für konstante Absatzsteigerungen und Umsatzzuwächse. für intelligente Fahr- Die weltweite Pkw-Nachfrage wuchs durch China von 2000 bis 2017 von 50 auf 85 Millionen Neufahrzeuge. Im vergan- zeuge Weltruhm. « genen Jahr wurde jeder dritte Pkw, SUV, Minivan und MPV

in China verkauft, insgesamt 24,8 Millionen Fahrzeuge. Bis aus: Agenda zum Auto der Zukunft der National Development 2022 erwarten die Experten von A. T. Kearney im günstigsten and Reform Commission, Peking, 2018

7 China am Zug A.T. Kearney Automotive Vol. 9

» China hat viel erreicht, aber hat auch noch viel vor. Da können wir mithelfen. «

Volkswagen-Chef Dr. Herbert Diess

Die Abhängigkeit von China wächst Sehr wichtig sei, so Luk, „dass die westliche Industrie erkennt, „China kommt in ruhigeres Fahrwasser“, sagt Luk. Die chine- dass sie in China nicht mit einzelnen Unternehmen konkur- sische Wirtschaft werde aber insgesamt weiter wachsen und riert, sondern in und mit dem Gesamtsystem China.“ Diese mit ihr der Automobilmarkt. „Durch das anhaltende Wachstum Erkenntnis sei grundlegend und spiegele sich teilweise wird die wirtschaftliche Bedeutung der Automobilindustrie auch in den folgenden acht Handlungsfeldern für den chi- in den kommenden Jahren aber dennoch weiter zunehmen. nesischen Markt wider. Diese gibt Luk den bereits im Land Damit steigt auch die wirtschaftliche Abhängigkeit vom chi- operierenden Unternehmen, aber ebenso China-Neuein- nesischen Markt – für OEMs wie für ihre Zulieferer“, so der steigern an die Hand. Luk ist globaler Partner und China- China-Experte. Luk sieht China zudem auf dem Weg, „bei Experte im Automotive-Team von A. T. Kearney. Er studierte der Elektromobilität, beim autonomen Fahren und insbeson- technische Betriebswirtschaftslehre in sowie Invest- dere im Bereich Connectivity eine weltweite Führungsposition ment Management in New York und ist insbesondere in China einzunehmen.“ für internationale Klienten im Bereich strategische Koopera- tionen und Performance Transformations tätig. Die neuen Geschäftsfelder sind außerordentlich wichtige Säulen des künftigen Erfolgs im Reich der Mitte. „Mit der Handlungsfeld 1: „Sondersituation China“ Kompetenz, die Fahrzeuge mit nahtlos integrierten Services ist keine akzeptable Erklärung auszustatten, werden in Zukunft die Gewinne generiert“, Häufig wird in den Firmenzentralen und lokal vor Ort bei erläutert­ Luk und er führt aus: „Wer diese Kompetenz aus der besonders langwierigen Prozessen mit einer Sondersituation Hand gibt – hinsichtlich Technologie-Know-how und Erfah- in China argumentiert. Die „Sondersituation China“ wird aber rungswerte – oder nicht über Möglichkeiten verfügt, am auch gerne als Erklärung dafür benutzt, wenn ehrgeizige Kunden erprobte Systeme und Lösungen aufzubauen, über- Performance-Ziele bei Weitem nicht so rigoros wie in ande- lässt China dieses profitable Feld.“ ren Märkten verfolgt werden. Oft wurde auch nicht so genau nachgefragt, denn viele Jahre wurden im Reich der Mitte Wie gelingt nachhaltiger Erfolg in China? gute Gewinne geschöpft. Eine solche Sonderbehandlung Was sich derzeit ganz deutlich abzeichnet: „Business as usual“ sollten sich Unternehmen mit Blick auf die zukünftigen funktioniert in China nicht mehr. Nicht nur die sich verändern- Herausforderungen nicht länger leisten. Eine Bewertung den Marktbedingungen erfordern ein Umdenken. Luk rät den Chinas als „Investment Case“ ist nicht adäquat und führt in Unternehmen, ihre bisherigen China-Strategien und deren Ziel­ Verbindung mit nicht konkret definierten Zielvorgaben zu setzungen auf den Prüfstand zu stellen. „Wir sehen in vielen nachweislich schwächeren Performance-Resultaten. Viel zu Unternehmen Bedarf, tiefgreifende Korrekturen vorzunehmen, selten ist es der Fall, dass das Label „Sondersituation China“ um den Erfolg im chinesischen Automobilmarkt nachhaltig im positiven Sinne verwendet wird. Nämlich dann, wenn hohe abzusichern.“ Der A. T. Kearney-Partner hat acht Handlungs- lokale Unabhängigkeit in Kombination mit schnellen Ent- felder sondiert, bei denen die strategischen Ansätze und scheidungsprozessen zu herausragenden Ergebnissen führen. Zielsetzungen neu bewertet und gegebenenfalls neue „Spiel- regeln“ definiert werden sollten. Sein Aktionsplan räumt Handlungsfeld 2: Verhandeln auf Chinesisch auch auf mit „den Mythen und angeblichen Besonderheiten Wer mit potenziellen Geschäftspartnern in China verhandelt, im China-Geschäft, die es als mögliche Fallen beziehungs- ist gut beraten, sich in Geduld zu üben, eine langfristig weise unnötige Hürden zu erkennen und zu umgehen gilt.“ orientierte Strategie zu verfolgen und keine kurzfristigen

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Pkw-Absatz 2013 – 2017: NAFTA und USA rückläufig Handlungsfeld 3: Performance-Management in China Im Westen sind die wesentlichen Elemente eines Perfor- Region Durchschnittliche jährliche Wachstumsrate mance-Management-Systems bekannt und werden mehr China + 10,4 % oder weniger stringent angewendet: Systematische KPI- EU + 6,2 % Erfassung, transparente, konkrete Zielbeschreibungen und Deutschland + 3,9 % -verfolgung, regelmäßige Performance-Meetings und Ziel- Japan – 0,8 % diskussionen. Häufig finden sich diese Elemente nicht oder NAFTA – 3,8 % nur in angedeuteter Form in China wieder. Es gibt jedoch USA – 5,1 % keinen Grund, diese Erfolgsrezepte in China nicht ebenso systematisch anzuwenden. Das Performance-Management- Je schwächer die Absatzmärkte in Amerika und mittlerweile auch System in China muss den globalen Standards entsprechen in einigen europäischen Ländern werden, desto größer wird und ebenso stringent wie im Rest der Welt verfolgt werden. die Bedeutung des chinesischen Marktes für die internationale Performance-Lücken an einer Stelle können gegebenenfalls Automobilindustrie. an anderer Stelle kompensiert werden. Wo Lücken identifi- Quellen: A.T. Kearney, IHS Markit ziert werden, sollten diese nicht mit „China-Effekt“, sondern als „Underperformance“ deklariert werden. Jetzt können Sie

Gedrosseltes Wachstum: Für 2018 prognos­tiziert der chinesische Automobil- verband China Association of Auto- mobile Manufacturers (CAAM) für Pkw ein Absatzplus von drei Prozent.

Kompromisse einzugehen. Das Ziel muss sein, einen nachhaltigen Wett- bewerbsvorteil zu erzielen, der Ihre ge- samthafte Marktstrategie unterstützt. Wenn Sie einen kurzfristigen, nur scheinbar profitablen Deal eingehen, laufen Sie eventuell Gefahr, Ihre Zukunft zu verschenken. Auch die Argumenta- tion „Wir müssen das tun, um überhaupt am Markt mitspielen zu dürfen“ ist ein Eingeständnis der schwächeren Posi- tion und damit ein „Geschenk“ für den chinesischen Verhandlungspartner. Machen Sie deutlich, auf was es Ihnen ankommt, und dass Sie nichts zu ver- schenken haben. natürlich mit persönlichem Gesichtsverlust argumentieren, Chinesische Geschäftspartner verlassen gern auch mal der in jedem China-Ratgeber mehrfach genannt und sich bei demonstrativ den Verhandlungstisch, um ihre westlichen Ihnen eingeprägt hat. Unsere Erfahrungen zeigen jedoch, Partner in Zugzwang zu bringen. Stehen auch Sie auf und dass Offenheit und Transparenz auch in China umsetzbar beenden Sie vorerst die Verhandlung, wenn sich keine Eini- sind und zu besseren Ergebnissen führen. gung in Ihrem Sinne abzeichnet. Nehmen Sie diese wieder auf, wenn es Ihnen passt. Handeln Sie nicht überstürzt und Handlungsfeld 4: Keine „Schatten-Organisationen“ zulassen emotional, weil Sie Verhandlungsfortschritte gegenüber der In der Zusammenarbeit mit lokalen Partnern werden oft Unternehmenszentrale ausweisen müssen. Sie erleiden sonst „Schatten-Positionen“ aufgebaut – mit der Zielsetzung, die in den meisten Fällen „den Tod durch 1.000 Schnitte“, wie Machtbalance der Partner auszugleichen. Tatsächlich führt es in China heißt. ein solches Vorgehen nicht nur zur Doppelung einzelner

9 China am Zug A.T. Kearney Automotive Vol. 9

» Wichtig ist, dass die westliche Indus- trie erkennt, dass Handlungsfeld 7: Werden Sie nicht chinesisch Es wird viel darüber geschrieben und berichtet, wie man sie in China nicht mit sich der chinesischen Kultur und den Gepflogenheiten des Landes und seiner Menschen annähern kann. Respektieren Sie diese, aber bitte versuchen Sie nicht, sich in China wie einzelnen Unter­ ein Chinese zu benehmen. Kein Chinese erwartet oder ver- langt das von Ihnen. Und was in einschlägigen Ratgebern nehmen konkurriert, oft als „zwingend erforderlich“ dargestellt wird, wirkt sich in den meisten Fällen als eher unvorteilhaft aus. Sobald Sie sich sondern im und selbst einschränken und bei Verhandlungen oder Geschäfts- terminen nicht mehr frei und entsprechend Ihrer eigenen Erfahrungen agieren, werden Sie mit schlechteren Verhand- mit dem Gesamt- lungsergebnissen zurückkehren. system China. « Handlungsfeld 8: China ist nur ein Teil des großen Spiels China ist heute der größte Automobilmarkt der Welt und Thomas Luk, Partner A. T. Kearney seine globale wirtschaftliche Bedeutung wird auch weiterhin wachsen. Dennoch: Setzen Sie nicht alles auf diese Karte! Die aktuelle Entwicklung des Automobilsektors eröffnet viele neue und spannende Möglichkeiten, auch in innovativen Funktionen, sondern oft auch zu eigenständigen, parallelen Ökosystemen außerhalb Chinas, rund um die Themen „Schatten-Organisationen“, deren Vorgänge tatsächlich ver- Elektro­mobilität, autonomes Fahren und vor allem bei digi- borgen bleiben. Um dies zu vermeiden, ist es wichtig, vom Start talen Services. Mit der Kompetenz, die Fahrzeuge mit naht- weg das gleiche Verständnis und Engagement für ein gemein- los integrierten Services auszustatten, werden in Zukunft sames, globales Team mit klar umrissenem Arbeitsauftrag hohe Profite generiert. Diese Kompetenz wird über die und Verantwortlichkeiten für das China-Geschäft zu bilden. künftige Wettbewerbsfähigkeit vieler Automotive-Unter- nehmen entscheiden. Handlungsfeld 5: Die Regelwerke mitgestalten Die formalen Prozesse, in denen neue Regelwerke in China Aber Vorsicht: Auf keinen Fall sollte man die eigene Techno- aufgestellt und erlassen werden, sind seit Jahrzehnten nahezu logieführerschaft und die eigenen Kernkompetenzen anderen unverändert. Erfolgsbeispiele zeigen, dass sich ausländische überlassen, nur um an einem Markt partizipieren zu dürfen, Unternehmen nicht nur mit der Rolle als passive Empfänger zum Beispiel bei Partnerschaften zum Thema autonomes zufriedengeben sollten. Sich aktiv in Branchen- und lokalen Fahren. Wie bisher gilt: Wem es gelingt, neue Chancen und Interessenverbänden zu engagieren und sich bei Reformen Möglichkeiten frühzeitig für sich zu identifizieren von Richtlinien und Gesetzen einzubringen wird in China und schnell marktreife Produkte am Kunden zu längst nicht nur akzeptiert, sondern sogar oft gutgeheißen. entwickeln, schafft ein stabiles Fundament für China setzt auch auf ausländische Unterstützung und einen nachhaltigen Erfolg im Auto-Business – in Erfahrungswerte, um seine ehrgeizigen Ziele gerade in der China und weltweit. Schlüsselindustrie Automobil zu erreichen.

Handlungsfeld 6: Die Welt vor Augen haben Wer China nur als Produktionsstandort für den chinesischen Automobilmarkt betrachtet, denkt zu kurz. Die Perspektiven und Chancen, die sich einem Unternehmen im Reich der Mitte bieten, sind viel größer und vielfältiger. Schöpfen Sie die Innovationsmöglichkeiten in China aus und investieren Sie intensiv im Spielfeld der Digitalisierung. Sie werden hier die Möglichkeit haben, Produkte und Services in einer hohen Geschwindigkeit am Kunden zu erproben und zu validieren und somit Innovationen auch für andere Märkte entdecken und vorantreiben können. Text: Thomas Luk / Tina Rumpelt

10 China am Zug Automotive Vol. 9 A.T. Kearney

» Profitabilität entsteht in den Ökosystemen «

A. T. Kearney-Partner Thomas angrenzenden Technologiebereichen erken- nen, zum Beispiel beim bargeldlosen Luk über die wachsende Zahlungsverkehr, bei Kommunikationsplatt- Abhängigkeit des Westen formen, im E-Commerce. Nicht-chinesische­ OEMs kamen bisher in der Regel nur mit vom chinesischen Auto­ einem chinesischen Partner zum Zug, sei es mobilmarkt und das Risiko, bei Produktionslizenzen oder wenn es um Lizenzen für die Erprobung automatisierter den technologischen Autos im realen Verkehr geht. Das kann Vorsprung zu verlieren. marktentscheidend sein. Wie könnten Lösungsansätze aussehen? Thomas Luk, Partner und China-Experte In diesem Umfeld sollten sich die OEMs neu im Automotive Team von A. T. Kearney orientieren und positionieren, um unabhängig Wie sehen Sie die Ziele der chinesischen zu bleiben. Dies gilt bezüglich zukünftiger Regierung für die Automobilindustrie Regionen, zum Beispiel Indien oder even- und welche Anforderungen ergeben sich tuell auch Afrika, aber auch in Bezug auf keit ihrer Produkte. Davon sind die meisten dadurch für westliche Automobilunter- Technologien und Innovationen, um hier chinesischen Hersteller noch weit entfernt. nehmen im Wachstumsmarkt China? eine wirtschaftlich stabilere Balance zu er- Aber diese Werte werden weniger bedeu- Chinas Regierung hat die Autoindustrie als zielen. Bestehende und neue Kooperations- tend, wenn die Mobilität sich in Zukunft Schlüsselindustrie für sich identifiziert und modelle sollten unter dem Aspekt bewertet immer stärker zur Commodity mit ganz an- Rahmenbedingungen sowie umfangreiche werden, dass die Unternehmen ihre Innova- deren Anforderungen entwickelt. Dann wird Förderinitiativen geschaffen, um zu den füh- tionsführerschaft nicht aufgeben. Die Politik der direkte Zugang zum Kunden zum ent- renden Automobilnationen aufzuschließen. kann die Unternehmen unterstützen: Welches scheidenden Wert und den gilt es heute und Die Ergebnisse der langjährigen Bemühungen Umfeld, welche Rahmenbedingungen in Zukunft im Fokus zu haben. verbunden mit sehr ambitionierten Zielen braucht eine erfolgreiche nationale Schlüssel­ sind nun im Markt erkennbar und das Erfolgs­ industrie wie die Automobilindustrie, um Welche Ansätze sehen Sie, um Innovatio- modell wird weiter fortgeführt. Die aktuellen auch künftig hochinnovativ sein zu können? nen in China noch stärker zu fördern? technologischen und soziologischen Disrup- Chinesische Unternehmen sind jetzt schon tionen wirken verstärkend auf den Wandel. Kann das nicht auch in Partnerschaft mit innovationsstark und sollten ermutigt werden, Führende Automobilhersteller zollen dieser chinesischen Unternehmen gelingen? verstärkt in den internationalen Wettbewerb Entwicklung Respekt und haben verstanden, Die meisten westlichen OEMs arbeiten be- einzusteigen und somit zu wirklich globalen dass sie am meisten profitieren, wenn sie reits mit Chinas Tech-Konzernen zusammen, Unternehmen zu werden. Ich bin überzeugt, bereit sind, zur weiteren Entwicklung bei- um ihre Fahrzeuge mit den Schnittstellen zu dass sie dadurch einen wesentlichen Beitrag zutragen. deren Plattformen auszustatten. Diesen Zu- zum Gesamtfortschritt in unserer Weltwirt- gang fordert der Kunde. Jedoch sind die schaft leisten können. Dies erfordert jedoch Wo lauern die Gefahren? OEMs nicht immer Teil der Ökosysteme, die auch, dass chinesische Unternehmen sich Bislang war der chinesische Automobil- Alibaba, Baidu, Tencent oder auch Didi auf- nicht auf den lokalen Markt fokussieren, son- markt ein Garant für stabiles Wachstum und gebaut haben. Die vielversprechenden dern globale Strategien entwickeln. Dazu Profitabilität. Bei den klassischen Automotive- künftigen Geschäftsmodelle sind vor allem bedarf es der Bereitschaft, globale Füh- Themen konnten sich vor allem die europä­ in diesen Ökosystemen zu finden. rungsteams zu bilden, eine neue Unterneh- ischen Premiumhersteller auf ihren techno­ menskultur zu entwickeln, internationale logischen­ Vorsprung stützen. Bei den Wo sehen Sie die Stärken der westlichen Talente zu gewinnen und erfolgreich zu Zukunftsthemen­ existiert ein solcher Vor- Automobilhersteller im Wettbewerb mit integrieren. Ich bin der festen Überzeugung, sprung nicht. Chinas Internet-Unternehmen China? dass sich das lohnen wird. sind bei digitalen Themen und vor allem bei Hier gibt es viele Aspekte, unter anderem der User Experience dem Westen schon hochwertiges Design, erstklassige Qualität, vielfach voraus. Das lässt sich sehr gut in exzellente Fahrdynamik und die Langlebig- Interview: Tina Rumpelt

11 China am Zug A.T. Kearney Automotive Vol. 9

FAKTEN & MEINUNG A.T. Kearney global

News

China Auto Monitor: Immer am Puls des Mobilitätsmarktes der Zukunft

„China ist der wichtigste Automobilabsatzmarkt­ der moderner Machine-Learning-Algorithmen ent- Welt und zugleich der innovativste Mobilitäts- wickelt. Neben den proprietären Analyse- markt der Zukunft. Dessen Entwicklung zeit- methoden und Datenbanken führen die nah (!) zu verfolgen und zu verstehen ist A. T. Kearney-Experten Detail­analysen erfolgskritisch für alle, die sich in China und Expertengespräche vor Ort engagiert haben und auch in Zukunft durch, um hier die neuesten Inno- noch am Markt partizipieren wollen“, vationen zu identifizieren und de- sagt Thomas Luk, A. T. Kearney-Partner ren Implikationen zu bewerten. und China-Experte. Mit dem China Auto Der China Auto Monitor steht den Monitor hat A. T. Kearney ein Instrument A. T. Kearney-Klienten und ausge- geschaffen, das nicht nur Marktverände- wählten Interessenten zur Verfü- rungen in den unterschiedlichen Fahr- gung – als Basis für weitreichende zeugsegmenten detailliert analysiert, son- strategische und taktische Entschei- dern auch Implikationen und zukünftige dungen im größten Automobilmarkt Entwicklungen aufzeigt. Unter anderem werden der Welt. Mehr zum China Auto Monitor: hierzu Absatzprognosen und Szenarien auf Basis [email protected]

Volumenentwicklung (in 1.000 Einheiten) Preisentwicklung (Index)

111 Mini +3 % Sub- Fullsize 115 Compact Compact Midsize Fullsize Plus Total 1.596 Sub-Compact + 8% 1.718 Premium 4,02 4,03 3,40 7.225 3,36 Compact + 3% 7.437 3,13 3,12 1.863 Basic Midsize + 7% 1.992 2,63 2,64 2,53 630 2,43 2,50 Fullsize + 17% 2,35 740 Economy 69 Fullsize Plus – 7% 64 Januar – Juni 2017 Januar – Juni 2018 11.494 Total + 5% 12.067 Den Automobilmarkt China detailliert im Blick, zum Beispiel Volumen- Januar – Juni 2017 Januar – Juni 2018 und Preisentwicklung Pkw Januar bis Juni im Jahresvergleich 2017 und 2018. Ein sechsköpfiges Team aus A.T. Kearney-Experten betreut den China Auto Monitor: Qiannan Gao, Jun Ge, Thomas Luk, Astrid Peine, Florian Schirk und Ruben Tessmann. Quellen: A.T. Kearney, EMIS, LMCA, diverse Quellen

12 A.T. Kearney global Automotive Vol. 9 A.T. Kearney

Gehört … » Die Autobranche steht vor einem ganzen Universum an Möglichkeiten. Um diese auch zu nutzen, müssen wir unser bisheriges Geschäftsmodell immer wieder hinterfragen und daraus die richtigen Schlüsse ziehen – bevor es andere tun. « Dr. Dieter Zetsche, CEO Daimler AG

… wir meinen

„Die Automobilindustrie ist mit mehr als 100 Jahre alten Geschäftsmodellen eine sehr reife Branche. Doch nun ist die Zeit gekommen, sich neu zu erfinden. Die Entwicklung vom Auto zur Plattform eröffnet unzählige Möglichkeiten für neue Geschäftsmodelle rund um Mobilität und darüber hinaus. Bei der Suche nach den richtigen Ideen bieten benachbarte Branchen mit kürzeren Innovationszyklen spannende Analogien für zu erwartende Kundenbedürfnisse. Die größte Heraus- forderung ist jedoch nicht die Generierung von Ideen, sondern deren Umsetzung. Hier gilt es Kontrollpunkte intelligent zu nutzen, in Ökosystemen zu denken und die passende Organisationsform zu finden.“ Andreas Form, Partner, A. T. Kearney

Zahl 3.000.000.000 Kilometer oder 75.000 Mal um die Welt müsse man mit Intel-Tochter Mobileye.­ Der Mathematik-Professor hat sechs autonom fahrenden Testautos fahren, um die künstliche Millionen reale Unfälle analysiert: „99,4 Prozent davon fallen Intelligenz mit ausreichend empirischen Daten so zu vervoll- in eines von 37 typischen Szenarien.“ Die restlichen 0,6 Pro- kommnen, dass Unfälle so gut wie ausgeschlossen werden zent dürften noch zu vielen Diskussionen – und Tausenden können. Diese Zahl nannte Amnon Shashua, Senior Vice von Testkilometern – führen. President bei Intel sowie Co-Gründer, CEO und CTO bei der

13 A.T. Kearney global A.T. Kearney Automotive Vol. 9

STRATEGIE Bitte nicht ablenken!

Unsere Autos werden immer raffinierter Der Fahrer hat alle Hände voll zu tun und intelligenter. Aber: Je komplexer und Er bedient Wippen und Hebel, drückt Schalter, bewegt Dreh- drückkippregler, wischt übers Touch-Display und ruft per viel­fältiger die Bedienoberfläche im Auto Voice Control dem Cockpit zu, was er gerne hätte. Apropos wird, desto mehr Zeit verwendet der Fahrer Spracheingabe: Schon durch Gespräche mit Mitpassagieren darauf – Zeit, die er nicht damit ver­ verdoppelt sich die kognitive Belastung eines autofahrenden Menschen, bei einer Menü-Eingabe während der Fahrt ver- bringt, auf das Fahren und das Verkehrs- dreifacht sie sich. Diese Zahlen veröffentlichte dieAAA Foun- geschehen zu achten. In Österreich ist dation for Traffic Safety in Washington (siehe Grafik). An der jetzt ein Testverfahren zur Bestimmung Gestensteuerung wird mit Vollgas gearbeitet, unter anderem BMW und VW bieten diese schon in der Serie an. Ob die visueller Ablenkung im Auto genormt Geste tatsächlich auch das gewünschte Ergebnis liefert, worden. Es soll Gesetz werden. Vielleicht muss der Fahrer meist auf dem Display kontrollieren. nicht nur dort. Je vielfältiger und komplexer das Infotainment-Angebot im Auto und dessen Bedienung sind, desto länger beschäftigt sich der Fahrer damit, desto mehr wird er abgelenkt und umso gefährlicher wird es. „Die menschliche Fähigkeit, mit tto Normalautofahrer setzt rund zehn Prozent seiner Komplexität umzugehen, ist begrenzt; übersteigt die Aufgabe Gehirnleistung ein, nur um das Auto zu lenken und diese Fähigkeit, so erhöht sich der Zeitbedarf enorm – in O zu fahren. Wenn er dies in einer Highend-Maschine einer schwierigen fahrtechnischen Situation eine womöglich à la neue Mercedes-Benz S-Klasse oder A8 tut, muss er fatale Konstellation“, erkannte der kanadische Computerwis- mehr von seiner Gehirnleistung investieren. Denn er ist Be- senschaftler William „Bill“ Buxton. Seine Erkenntnisse zu diener von bis zu 120 Cockpit-Funktionen und Diensten: vom Komplexität von Bedienoberflächen, menschlicher Kapazität einfachen Setzen des Blinkers über die Aktivierung diverser und Zeitbedarf sind als „Buxton’s Law“ in die Wissenschaft Infotainment- und Assistenzsysteme bis hin zum Durchforsten eingegangen. der HMI-Untermenüs, um die Sitzbelüftung zu justieren oder nach der Echtzeit-Wetter-App zu suchen. Die visuelle Kontrolle Längst sind nicht mehr zu schnelles Fahren oder mangelnder über sein Fahrzeug behält er – Beispiel neuer Audi A8 – mittels Sicherheitsabstand die Hauptunfallursachen im Verkehr, 134 grüner, gelber, roter und blauer Informations- und Warn- sondern Unachtsamkeit und Ablenkung des Fahrers. Vier von leuchten im Cockpit. zehn Autounfällen geschehen, weil der Autolenker mit etwas

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Kognitive Belastung durch Spracheingabe: 1,0 steht für die einfache Fahraufgabe; 5,0 ist die völ­lige mentale Ab­lenkung, die durch den OSPAN-Test simuliert wird und bei der nichts mehr fürs 5,0 Fahren überbleibt. Völ­lige mentale Ab­lenkung 4,2 Siri: Zuhören, Texten, Twitter … 3,8 Menü-Eingabe (Durchschnitt) 3,1 Speech-to-Text 2,8 Menü-Eingabe (Benchmark) 2,4 Telefonieren mit Mobiltelefon MENTAL WORKLOAD MENTAL 2,3 Gespräch mit Beifahrer 2,2 Telefonieren mit Freisprech­ einrichtung 2,1 Radiohören

Quelle: AAA Foundation 1,0 for Traffic Safety / Fahren Audio Mobil Elektronik

anderem beschäftigt ist, als das Straßengeschehen zu be- stimmte Aufgaben: zum Beispiel einen Anruf aus dem Telefon­ obachten. Möglicherweise mit fatalen Folgen. Wer bei speicher im Auto starten oder eine Adresse in das Navigations­ 120 km / h nur eine Sekunde lang den Blick von der Straße system eingeben. Dafür sollen sie nur eine begrenzte Zeit nimmt, legt 33 Meter im Blindflug hin. Bei 40 km / h, also bei auf das Display blicken, bei den genannten Aufgaben jeweils gemütlichem City-Speed, sind es immerhin noch 11 Meter. nicht mehr als insgesamt zwölf Sekunden.

Ob und wie stark Autofahrer durch verschiedene Zusatzauf- Die US-Regierungsbehörde empfiehlt ein System als „ver- gaben abgelenkt werden, prüft und erforscht unter anderem kehrssicher“, wenn 22 der für den Test vorgeschriebenen 24 die National Highway Traffic Safety Administration (NHTSA). Probanden die Aufgabe lösen. Die „Empfehlung“ der NHTSA Im Simulator erfüllen Probanden während der Fahrt be- ist von erheblicher Bedeutung für die Automobilhersteller –

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und die Kunden. Nach NHTSA-Vorgaben arbeiten Automobil­ beschäftigt sich mit Informations- und Kommunikations- entwickler. Und auch Assekuranzen in den USA greifen mittler­ technologien im Fahrzeug: vom Design über die Entwicklung weile auf die Ergebnisse zurück. Fällt ein Test negativ aus, und das Testing bis hin zum Prototypenbau und zur Klein­ können sie das System als „nicht verkehrssicher“ einstufen serien­fertigung. Akzeptanz und einfache Bedienung sind und für das entsprechende Auto die Versicherung verwei- sein Credo. Das Thema Ablenkung im Auto treibt ihn schon gern. An der Sinnhaftigkeit solcher Bewertungen ist nicht zu viele Jahre um. Der Unfalltod von zwei Schulkameraden seiner rütteln. Kinder war der Auslöser. Seitdem hat er sich diesem Thema verschrieben und engagiert sich heute in zahlreichen Orga- Fahrversuche, die zu denken geben nisationen und Arbeitskreisen für einfache und sichere Be- Fahrversuche in Österreich, bei denen die als Beispiele ge- dienkonzepte im Auto und arbeitet mit wissenschaftlichen nannten NHTSA-Aufgaben während einer realen Fahrt auf Instituten, Verkehrsverbänden sowie dem Bundesministerium einer Kreisbahn gelöst werden sollten, lieferten Ergebnisse, für Verkehr, Innovation und Verkehr (bmvit) in Wien zusammen. die zu denken geben: Mehr als die Hälfte der Probanden Im Auftrag des deutschen Verkehrsministeriums wirkt der schaute beim Anruf aus dem Telefonbuch länger als die von Österreicher im „Fachkreis zur Nutzung von digitalen Test- der NHTSA empfohlenen 12 Sekunden auf das Display, zum feldern für auto­nomes und vernetztes Fahren“ mit. Teil doppelt so lange. Bei der Eingabe eines Navigationsziels benötigten die Tester einen Blickkontakt mit dem Display von Es geht auch anders insgesamt zwischen 46 und 78 Sekunden. Zum Einsatz kamen Stottan ist überzeugt, dass auch Over-Engineering zur aus- Testautos der Marken Audi, BMW, Ford, Mercedes-Benz, ufernden Komplexität im Fahrzeug und damit zu mehr Ab- und VW. Wissenschaftlich begleitet wurden die Testfahrten lenkung des Fahrers beiträgt. Die Bedienung eines mit weit vom Christian-Doppler-Labor Contextual Interfaces der Uni- über 100 Funktionen ausgestatteten Autos verlange Zeit, versität Salzburg. Manfred Tscheligi, Leiter Center for Human- sich damit auseinanderzusetzen – auch während der Fahrt. Computer Interaction an der Uni Salzburg, attestierte den Und das oft mit allen Sinnen: Schauen, Hören, Sprechen, Bediensystemen mit Blick auf die Ergonomie „erhebliches Handeln. Laut einer Untersuchung des IT-Dienstleisters CSC Aufwärtspotenzial“. Und das war sehr freundlich formuliert. fühlen sich 61 Prozent der Deutschen inzwischen durch das Infotainment im Auto überfordert und wünschen sich eine Der, der diese Fahrversuche initiierte und zusammen mit einfachere und sichere Bedienung. Stottan plädiert für Wissenschaftlern der Universität Salzburg durchführte, ist „weniger ist mehr“ und zeigt das in seinem Unternehmen Thomas Stottan, Geschäftsführer der Audio Mobil Elektronik entwickelte „Interactive Communication Steering Wheel“. GmbH im österreichischen Braunau. Sein Unternehmen Eine kompakte Bedieneinheit mit kleinem Display wurde ins

Langer Blindflug Bis zu 78 Sekunden lang nahmen die Probanden bei einem Fahrversuch die Augen von der Fahrbahn, um im Navigations­ system eine Adresse einzugeben. Unter 20 Sekunden emp- fiehlt die neue österreichische Norm als „verkehrssicher“.

0 Sekunden 12 Sekunden 25 Sekunden 50 Sekunden 75 Sekunden ➝ Empfehlung NHTSA

Quelle: Christian-Doppler-Labor Contextual Interfaces, Universität Salzburg / Audio Mobil Elektronik

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Thomas Stottan, Geschäftsführer Audio Mobil Elektronik: „Das oberste Ziel muss die Humanisierung der Technik sein und nicht die Technisie- rung des Menschen.“

Ass. Prof. Dr. Alexander Meschtscherjakov, „ Lab“ Universität Salzburg: „Man muss den Menschen und seine Bedürfnisse verstehen, um interaktive Systeme zu ent­ wickeln, die die gesamte User Experience positiv gestalten.“

Versicherungskonzerne für eine gesetzliche Handhabe. Stottan arbeitet seit Jahren eng auch mit Ass. Prof. Dr. Alexander Meschtscherjakov zusammen. Der Computerwis- senschaftler leitet das „Car Lab“ der Universität Salzburg. Er hat Stottans Testreihen begleitet, gemeinsam haben sie auch das fast 170 Seiten starke Kompendium „Car User Expe- Lenkrad integriert, alle Funktionen des Fahrzeugs können rience Pattern“ erstellt. Die insgesamt 50 Gestaltungsemp- mittels zwei Wippen, zwei Drehrädern und einem Dutzend fehlungen für sichere und ergonomische Bedienkonzepte im Tasten bedient werden – auf Augenhöhe des Fahrers. Es geht Auto werden kontinuierlich aktualisiert und fortgeschrieben. also auch anders. Werden in 20, 30 Jahren Menschen noch Autos fahren dürfen? „Es muss uns gelingen, die Fähigkeiten des Menschen opti- Meschtscherjakov stellt eine provokante These auf: „In 20, mal im Auto einzusetzen“, fordert Stottan und macht Nägel 30 Jahren ist Autofahren vielleicht gar nicht mehr erlaubt.“ mit Köpfen. Ein Arbeitskreis, besetzt unter anderem mit Ver- Weil das Sicherheitsrisiko durch den Menschen zu groß ist. tretern von Automobilindustrie, Universitäten, verschiedenen Die emotionale Bindung der Menschen an das Auto schwinde österreichischen Ministerien, der öffentlichen Hand sowie schon heute. „Für die Smartphone-Generation ist es vor allem Autoclubs brachte die ÖNorm V 5090 auf den Weg. Stottan wichtig, dass das Auto Strom und WLAN bereit hält“, sagt leitet den Arbeitskreis. Das Kürzel steht für ein genormtes der Computerwissenschaftler. Er ist überzeugt, dass das all- Prüfverfahren zur Messung der visuellen Fahrerablenkung gegenwärtige Smartphone im Auto künftig viele Funktionen durch Interaktion mit Fahrerinformations- und Assistenzsys- übernehmen kann, auf die die Automobilingenieure heute temen im Fahrzeug. „Wir nutzen das Verfahren auch zur Be- so stolz sind, sie ins Auto gebracht zu haben: Telefon- und stimmung, welche Grenzwerte für die Blickdauer weg von Messenger-Dienste, Informations- und Entertainment-Ange- der Straße sinnvoll sind“, erläutert Stottan. Der Arbeitskreis bote zum Beispiel. Echtzeitnavigation kann Google heute orientierte sich bei den Vorgaben und der Testauslegung an schon, aber noch nicht viele Autos mit derselben Genauigkeit. den NHTSA-Prüfverfahren, wobei Stottan wichtig ist: „Bei unseren Tests sitzen die Probanden nicht wie in den USA im Apple und Google sind besser Simulator, sondern sind mit 20 km / h auf einer Kreisbahn Aktuelle Tests des US-Automobilclubs AAA haben den Vor- unterwegs, was permanent Lenkmanöver und die Konzen­ sprung von Apple und Google nun auch belegt: Wie das Fach- tration auf die Fahrbahn verlangt.“ magazin Automobil Industrie berichtete, lenken Apple Carplay und Android Auto demnach den Fahrer deutlich weniger ÖNorm V 5090 soll Gesetz werden lange vom Verkehr ab als bordeigene Systeme. Verschiedene Automobilhersteller unterstützen den Öster- reicher, der die Prüfnorm so schnell wie möglich in eine Gesetzesvorlage überführt sehen will. „Wir sind dazu in Ge- sprächen, übrigens auch mit deutschen Behörden“, mehr verrät er noch nicht. „Die Autoindustrie befürwortet eine gesetzliche Grundlage, um nach einheitlichen Vorgaben testen, prüfen und vergleichen zu können“, erklärt Stottan. Und wie in den USA interessieren sich auch hierzulande die Text: Tina Rumpelt

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SEITENSPIEGEL

Adel verpflichtet Wenn Nahtstrümpfe und Pettycoats ausgeführt werden, Herren in Knicker­ bocker Chrom­teile polieren und ohrenbetäubender Motorenlärm die Hügel­land­schaft der südenglischen Grafschaft Sussex erschüttert, dann gibt auch Charles Gordon-Lennox, elfter Duke of Richmond, Vollgas – als Schöpfer, Haus­herr und Manager des Goodwood Revival Festivals.

uch am Wochenende vom 7. bis 9. September 2018 wie Zuschauer er- brach der Verkehr rund um Goodwood Estate nahe leben echte Renn- A dem Städtchen Chichester zusammen. Das Goodwood atmosphäre und Revival Festival findet wie alle Jahre im September statt und ein Party-Wochen­ kein Stau ist schöner! Vor, hinter und neben einem stehen ende wie in den auf Hochglanz polierte Youngtimer, Oldtimer, Ur-Oldtimer. An 50er und 60er jeder Kreuzung, in jedem Kreisverkehr kommen neue auto­ Jahren. mobile Schätzchen dazu. Und wie schön sie klingen: Die einen blubbern, andere kreischen, so mancher knattert und spotzt. Mittendrin im Tru- bel, zwischen Tee­ Zum guten Ton beim Goodwood Revival gehört es, in zeit- tassen und Ab­ genössischer Kleidung zu kommen. Und die überwältigende gasen, zwischen Mehrheit der mittlerweile mehr als 150.000 Besucher hält Sand­wiches und sich daran. So kann man schon auf dem Besucherparkplatz­ Motorengebrüll: Immer für einen Benzin-Plausch zu haben: mit Hut, Handschuhen und Nahtstrümpfen gewandete Ladies Charles Gordon- Charles Gordon-Lennox, Duke of Richmond. beobachten, die Kaffee auf dem ausladenden Trittbrett eines Lennox, bis Herbst luxuriösen Oldtimers servieren. Der Champagner steht im letzten Jahres Eisbad kalt, auf einem Campingtisch warten sechsarmige besser bekannt als Sterling-Silver-Kerzenleuchter auf das Five-o’clock-Teatime- Earl of March and Kinrara, seit dem Tod seines Vaters Anfang Picknick. Goodwood live. September 2017 nun der elfte Duke of Richmond. Er hat den Rennzirkus wiederbelebt, er managt ihn und es ist ihm an- Wo einst Piloten um die Wette fuhren zusehen, dass er es mit Leidenschaft tut. Es waren wohl die All das entstand, weil während des Zweiten Weltkriegs Piloten Gene des Großvaters, die sich bei seinem Enkel Charles der Royal Air Force gerne private Wettrennen fuhren und durchsetzten. Frederick „Freddie“ Gordon-Lennox, Baujahr dies auch rund um den Militärflughafen auf dem Areal des 1904, war ein talentierter Rennfahrer, zeitlebens Technik-Fan, Goodwood Estates taten. Aus dem „perimeter track“ rund und er entwarf Automobilkarosserien. Nach dem Krieg baute um das Flugfeld entstand 1948 eine offizielle Rennstrecke,­ er die Rennstrecke auf seinem Anwesen auf. auf der auch Formel-1-Rennen ausgetragen wurden. Nach knapp 20 Jahren genügte der Goodwood Race Circuit den Goodwood – ein florierendes Unternehmen Sicherheitsstandards­ nicht mehr, 1966 wurde der Renn­ Heute ist Goodwood ein florierendes Wirtschaftsunter­ betrieb eingestellt. Er lebte 1998 wieder auf – im Stil seiner nehmen mit Pferderennbahn, Bio-Landwirtschaft, Flugplatz besten Zeiten. Beim Goodwood Revival gehen ausschließlich samt Flugschule, zwei Golfplätzen, Vier-Sterne-Hotel, dem Oldtimer-Rennwagen von 1948 bis 1966 an den Start. Akteure Goodwood Circuit, auf dem nicht nur das Goodwood Revival

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Startaufstellung der auto­mobilen Legenden: Das im September in Süd­england statt­ findende Goodwood Revival Festival zieht alljährlich mehr als 150.000 Besucher an.

Fotograf. Als Hobby pflegt er die Foto- grafie nach wie vor. In den vergangenen Jahren wurden seine Naturaufnahmen, die er mit „Charles March“ signiert, unter anderem in London, Moskau und New York gezeigt. Seit 1991 ist er in zweiter Ehe verheiratet und heute Vater von fünf Kindern.

Hier die Liebe zur Natur, die er mit der Kamera auslebt, und dort Benzindunst und qualmende Pneus – wie passt das zusammen? Dem geschäftstüchtigen stattfindet, sondern auch alljährlich Anfang Juli das Goodwood Gordon-Lennox gelingt das. Sein Meisterwerk­ diesbezüglich Festival of Speed. Die weiß gestrichene Zuschauertribüne, lieferte er bei der Ansiedlung von Rolls-Royce auf seinem die Boxengasse, der 3,8 Kilometer lange Rundkurs: alles Estate ab. Nachdem BMW die Markenrechte an Rolls-Royce Originale, bestens erhalten. Gut betuchte Rennwagenbesitzer übernommen und das Werk in Crewe an Volkswagen verkauft aus aller Welt und berühmte Rennfahrer, darunter als Stamm- hatte, waren die Münchner auf der Suche nach einem neuen gäste Stirling Moss, Jack Brabham, David Coulthard und Standort für die Produktion der luxuriösen Limousinen. Jackie Ickx, bilden eine eingeschworene Truppe im Fahrer­ lager, wo die edlen Raritäten unter ausgeblichenen, aber Rolls-Royce duckt sich ins herzögliche Land stilechten Zeltplanen parken und auf ihren Renneinsatz vor- Für rund 65 Millionen britische Pfund wurden sich BMW und bereitet werden. der Herzog einig. BMW baute eine komplette Autofabrik samt neuem Rolls-Royce-Headquarter auf des Herzogs Land, Autorennen vor der Haustür und zwar so, dass man glauben könnte, der naturliebende Mit zwölf Jahren zog der junge Charles mit seinen Eltern ins Adelige habe die Pläne gezeichnet. Tatsächlich entwarf Sir Goodwood House, den Ort, den er von Ferien beim Groß­ Nicholas Grimshaw das Gebäude. Er hatte sich mit dem vater kannte und mochte. Dieser hatte seinen Enkel oft mit „Eden Project”, einem futuristischen botanischen Garten in zu den Autorennen vor der Haustür genommen. Die Benzin- Cornwall, einen Namen gemacht. Zwei Meter tief wurde der Karriere des heute 63-jährigen Herzogs startete ein paar Jahre Baugrund abgetragen, damit sich die Autofabrik in die Land- später mit einem betagten Morgan Threewheeler, einem schaft ducken kann. Ein über 30.000 Quadratmeter großes Roadster mit zwei Vorder­rädern, nur einem Hinterrad und begrüntes Dach spannt sich über die Fabrik, die 2003 eröff- Zweizylinder-Frontmotor. Das „schreckliche Ding“, so sagt net wurde. Tausende von Pflanzen und 120 verschiedene er heute, hatte er bei seinen Eltern durchgesetzt, nachdem Baumarten wurden gepflanzt, um die Industriearchitektur sie ihm verboten hatten, Motorrad zu fahren. Sie waren ent- auf dem herzöglichen Landsitz, übrigens eine offiziell ge- sprechend wenig erbaut, als der Junior bei forscher Fahrt schützte „Area of Outstanding Natural Beauty“, so unsichtbar das Hinterrad verlor. Das nächste Auto war ein Datsun Cherry. wie möglich zu machen. Adel verpflichtet.

Und er wollte zum Film. Was ihm schnell gelang: Mit 17 Jah- ren arbeitete er als Film-Student für Stanley Kubrick, be- rühmt geworden für seine kineastischen Klassiker 2001: Odyssee im Weltraum und Clockwork Orange. Mit 21 Jahren heiratete er die Tänzerin Sally Clayton. Er arbeitete nun als Text: Tina Rumpelt

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MARKT

Sie haben keine Scheu, ihre Autos gleich vom Start weg „“ zu nennen. Das Selbstbewusstsein ist ausgeprägt, der Ehrgeiz groß, die kapitalkräftigen Inves­ toren nicht knausrig. Eine Reihe chinesischer Start- ups lehrt die etablierten OEMs das Fürchten. Oder doch nicht? Wer sind diese „Neuen“ und was haben sie vor?

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Schnelle Brüter: Das erst 2014 gegründete Unternehmen Nio will bis 2020 ein auto­nomes BEV in den USA auf die Straße bringen (Foto: Siebensitzer-Crossover ES8).

ie Newcomer, wie Byton, Nio und Xpeng, setzen auf Elektro- D antrieb und haben kapitalkräfti- ge Investoren im Rücken: chinesische Selfmade-Milliardäre, aber auch Indus- trie-Schwergewichte wie Alibaba, Ten- cent und Foxconn. Mit ihren großzügi- gen Investments in die heimische Automobilindustrie unterstützen diese Pekings ambitionierte „Made in China Xu weiter: „In diesem Szenario geht es 2025“-Pläne. Schon allein deshalb sollte darum, eine starke Marke aufzubauen. man die „Neuen“ nicht unterschätzen. Sie investieren in die Markenentwick- lung und in ein innovatives Produkt mit Was die chinesischen Newcomer derzeit neuartigen User Cases. Die Produktion auf die Bühne stellen, sind High-End überlassen sie erfahrenen Auftragsferti- BEVs: voll vernetzt, via Cloud ge- gern oder Partnern, zumindest vorerst.“ wartet, weitgehend sprach- und gesten­ gesteuert und möglichst autonom. „Sie Geknausert wird nicht nutzen die Intelligenz des Fahrzeugs als Das spart auch Zeit, die Neuen sind ‚core selling point‘”, erläutert Jian Xu, schnell: Xpeng beispielsweise zeigte A. T. Kearney-Partner in Shanghai. Hinzu sein erstes Modell, den E-SUV Xpeng kommen klar fokussierte Kundenorientie- G3, Anfang 2018 auf der CES, schon rung, schlanke Administration und inno- 2019 soll er verfügbar sein. Hinter vative Vertriebs- und Servicestrukturen. Xpeng stehen unter anderem der chine- sische Amazon-Zwilling Alibaba und Tech-Industrie als Vorbild iPhone-Produzent Foxconn; das Unter- Vieles, was die Newcomer auf die Räder nehmen aus Guangzhou hat mit seinem stellen, mag in den Augen der traditio- Börsengang 350 Millionen Dollar einge- nellen Hersteller etwas zu forsch, tech- nommen. Geknausert wird nicht. nologisch noch nicht ausgereift, zu sehr vom Ehrgeiz beflügelt sein. Für die Das gilt auch für Nio, früher NextEV, „Neuen“ kein Problem. Sie sehen ihre 2014 vom chinesischen Selfmade- Vorbilder in der Tech-Industrie und Milliardär­ William Li gemeinsam mit nicht in der traditionellen Autowelt. Lihong Qin von Roland Berger und dem „Viele Newcomer verzichten bewusst Taiwanesen Jack Cheng von Fiat Chrysler darauf, die komplette Wertschöpfungs- gegründet. Li ist mit der Internetplatt- kette darzustellen. Sie reduzieren so form bitauto.com reich geworden. den Kapitaleinsatz, vor allem beim Ver- Jüngster Coup von Nio: eine strategi- zicht auf eine kapitalintensive Eigen- sche Kooperation mit Bosch mit Fokus produktion“, erläutert Xu. Komponen- auf Sensorik, automatisiertes Fahren, ten werden in großem Stil zugekauft. Elektromotorsteuerung und intelligente

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Blitzlichtgewitter bei der Premiere des Byton M-Byte auf der CES 2018 in Las Vegas. Auf das SUV sollen bald weitere Modelle folgen.

Durchgestartet: Dr. Philip Koehn, erst im Mai 2018 als Technik-Vorstand zur gewechselt, übernahm Anfang Juli 2018 zusätzlich den Posten des CEO. Der 49-Jährige kam von Rolls- Royce. Dort leitete er die Entwicklung.

Transportsysteme. Nio verkauft seit » Ende 2017 den Elektro-Siebensitzer- Wir werden das für den Automarkt Crossover ES8 bislang nur in China, beschäftigt nach eigenen Angaben sein, was das iPhone für den Mobil- jedoch weltweit 4.000 Mitarbeiter an funk war: ein Game Changer. « 20 Standorten. Byton-Chef Carsten Breitfeld Expertise kaufen die Newcomer gerne im „alten“ Autoland Deutschland ein. So steuert der ehemaligen BMW-Manager Carsten Breitfeld die Marke Byton, von liefert Bosch – gehört zur Future Mobility ein weiteres Modell wird spekuliert. der er sagt: „Wir sehen uns als Konkur- Corporation (FMC). Auch dort agieren Eine mit dem deutschen Engineering- renz zu BMW, Mercedes und Audi.“ Mit finanzkräftige Investoren, darunter Dienstleister­ Edag entwickelte modulare ihm im Führungsteam arbeiten neben Harmony Motor, Suning, FAW und Bat- Plattform soll trotz Modellvielfalt schnell einigen weiteren Ex-BMWlern unter an- teriezellenhersteller CATL. große Stückzahlen ermöglichen: „Bis derem Daniel Kirchert, der zuvor BMW- zu 300.000 Einheiten pro Jahr“, ver- Vertriebschef in China war und dann die Vielfalt dank Plattformen – kündete jüngst der Byton-Chef, der -Nobelmarke in Asien auf­ von Lieferanten einst den BMW i8 verantwortete. Die baute, sowie der Belgier Mark Duchesne, Das Byton-SUV namens M-Byte, ein Idee des Plattform-Einkaufs überzeugte der bei Toyota und Tesla die Produktion „Smart Device auf Rädern“, so Breitfeld, übrigens auch BAIC, Muttergesellschaft managte. Die auf Infotainment und Pre- soll ab Ende 2019 zunächst in China, der Beijing Electric Vehicle Company, mium zum Discountpreis setzende dann aber auch in Europa und in den bei der sich Daimler im März mit knapp Marke – das Bordnetz interagiert mit USA auf den Markt kommen. Eine Limou­ vier Prozent einkaufte: Magna wird für Amazons Alexa-App, die Antriebsstränge sine ist für 2021 angekündigt, über BJEV E-Auto-Plattformen entwickeln,

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die ab 2020 serienreif sein sollen. den Schweden zieht ein einflussreicher Borgward, einst ein Aushängeschild der Ebenfalls auf europäische Partner setzt Chinese die Strippen: Li Shufu, Gründer deutschen Autoindustrie der Nachkriegs- E-Auto-Aspirant Thunder Power. Das der Volvo-Muttergesellschaft zeit, hofft nach dem Verkauf der Marken­ taiwanesische Start-up überlässt das Group und Daimler-Großaktionär. Er ist rechte an den Nutzfahrzeughersteller Engineering dem norditalienischen zudem bestens vernetzt mit Chinas Foton auf ein erfolgreiches Revival. Die Rennwagen-Konstruktionsbüro­ Dallara. politischer Führung. Verkaufszahlen der SUV-Modelle in Der Kopf hinter dem Thunder Power ist China steigen, die Rückkehr der Marke Dr. Peter Tutzer, der während seiner Doch auch bei den Neuen läuft nicht nach Europa ist beschlossene Sache. 35-jährigen Karriere bei Lotus, alles reibungslos: Die Marken Seit gut zwei Monaten wirkt nun auch und Bugatti gearbeitet hat. Fürs Kapital und Borgward hatten keinen einfachen noch ein neuer Chef: Technik-Vorstand sorgt der chinesische Venture-Capital- Start, sie drohten zu straucheln. Qoros, Dr. Philip Koehn, zuvor Entwicklungs- Akteur und CEO Wellen Sham. 2007 als Joint Venture zwischen dem chef bei Rolls-Royce, löste zum 1. Juli israelischen Mischkonzern Israel Corpo- 2018 Ulrich Walker als CEO ab und führt Für das erste Serienmodell, eine E- ration und dem chinesischen Automobil­ in Personalunion das Technik-Ressort Limousine,­ gestylt von Zagato, hat hersteller Automobile gegründet, weiter. Thunder Power 390 Patente angemel- hat mittlerweile der Immobilientycoon det. Es soll induktiv in Rekordzeit auf- Yao Zhenhua übernommen, einer der laden können und ab Ende 2018 produ- reichsten Männer Chinas. Text: Matthias Pfannmüller ziert werden. Recht voll­mundig auch die Ankündigungen der WM Motor Techno- logy Company, die mit dem „Weltmeis- ter“ getauften E-SUV an den Start geht. 600 Kilometer Reichweite soll es haben. WM-Boss ist der Ex-Geely-Manager „Der Kunde ist der Gewinner“ Freeman Shen, der 2014 erfolglos für den insolven­ ten­­ deutschen Kleinserien- produzenten geboten hatte. Die E-Auto-Newcomer à la Byton, Nio Finanziell unter­stützt wird er von taiwa- und Xpeng versprechen viel, gezeigt nesischen Fonds. haben sie erst wenig. Werden sie ihre Versprechen halten? Bestimmt nicht alle. Aber einen erheb­ Vollausstattung und keine Lieferzeiten lichen bis großen Teil davon werden sie Lynk & Co wiederum ist ein Beispiel für einhalten. Tesla liefert das beste Beispiel. die Gruppe von Start-ups, die für wohl- kalkulierte Ausgründungen traditioneller Was können die etablierten Auto­ Automobilunternehmen stehen. Sie mobil­hersteller den „Neuen“ ent­ gegensetzen? wollen auf noch wenig bekanntem Ter- In einem Markt, der sich technologisch rain kein unnötiges Risiko eingehen. so schnell und einschneidend weiter- Jian Xu, Partner A. T. Kearney, Dafür sind sie umso mutiger: Die Volvo- entwickelt wie derzeit die Autoindustrie, Shanghai Tochter Lynk & Co verkauft ausschließlich müssen alle Unternehmen sich und Auto-Abos: Wer sein Auto gerade nicht ihre Marken auf den Prüfstand stellen: Wie definieren wir unsere Wertvor­ Können die Newcomer ihre Kapital- braucht, stellt es anderen Lynk & Co- stellung und unser Leistungsversprechen verflechtungen mit der Tech-Industrie Nutzern zur Verfügung. Die Fahrzeuge mit Blick auf eine „seamless consumer offensiv nutzen, um die „seamless werden ab Werk voll ausgestattet, ledig- experience“? Es ist unabdingbar – keines­ consumer experience“ sehr schnell zu lich sechs Farben stehen zur Wahl. wegs nur eine Option – unter dieser realisieren? „Dadurch haben wir keine Lieferzeiten“, Prämisse smarte Autos zu entwickeln, die Es wird sicher nicht allen Newcomern die Kunden wirklich begeistern. Ob gelingen, aber einige werden bestimmt so Marken-Chef Alain Visser in AutoBild. nun Newcomer oder die traditionellen schneller und innovativer die „seamless Jeder, der bestelle, bekomme schon am OEMs in diesem Wettbewerb vorn dabei user experience“ verwirklichen können, nächsten Tag sein Fahrzeug geliefert. sind, letztlich wird der Kunde der Ge- als das den etablierten Branchenver­ Statt teure Showrooms zu unterhalten, winner sein. tretern gelingen wird. tourt Lynk & Co mit Pop-up-Stores durch Europas Hauptstädte. Auch bei

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SCHLUSSPUNKT

Davon träumen Autofahrer: mit Wasser als Victorien Erussard, Kapitän der „Energy Kraftstoff unterwegs zu sein. Dass es Observer“, sieht „Wasserstoff als Schlüs- sel zur Beschleunigung der Energie- funktioniert, beweist die „Energy Observer“, wende. Eine Vision, die wir zu den die als erstes Wasserstoffschiff mit Brenn- Olympischen Spielen in Tokio tragen“. stoffzellen-Technologie von Toyota jetzt die Dort soll das Schiff 2020 ankommen. Aktuell ist es im Mittelmeer unterwegs, Welt umrundet. 2019 in Nordeuropa. Neben der Brenn­ stoffzelle hat der Katamaran zwei Elektro­ Das über 30 Meter lange und fast 13 motoren, Solarpaneele sowie zwei Wind­ Meter breite Zweirumpfschiff nutzt, was ­räder an Bord. Beim Segeln arbeiten die auf dem Meer im Überfluss vorhanden E-Motoren als Generatoren. Sie erzeugen ist: Solar- und Windenergie sowie Meer- Strom, der in Akkus gespeichert wird. wasser, aus dem an Bord Wasserstoff für die Brennstoffzelle gewonnen wird. „Die Toyota unterstützt das Projekt mit Tech- Energy Observer ist mehr als ein Boot. nologie-Know-how und Hardware. Die Sie liefert Inspiration und Lösungen, Weltumrundung des 1983 in Kanada als wie Energie aus der Natur nachhaltig und Rennboot gebauten Katamarans „zeigt verträglich gewonnen werden kann“, einmal mehr die vielen praktischen Ein- schreibt Toyota in einer Mitteilung. satzmöglichkeiten auf dem Weg in eine Wasserstoff-Gesellschaft“, so Matt Für die Umwandlung des „Kraftstoffs Harrison, VP Sales and Marketing bei Wasser“ in Wasserstoff sorgt ein chemi- Toyota Motor Europe. Bei der Brenn- scher Prozess: die Elektrolyse. Zunächst stoffzellentechnologie im Auto zählt wird das Meerwasser entsalzt und Ionen das Unternehmen zu den Pionieren: Die entzogen. Die Elektrolyse bewirkt die Mittelklasselimousine Toyota Mirai mit Trennung von Wasserstoff und Sauer- Brennstoffzellenantrieb ist seit Ende stoff. Der kohlenstofffreie Wasserstoff 2014 im Markt. Bis Ende 2017 wurden wird verdichtet und in Tanks gespei- weltweit etwa 5.300 Mirai verkauft. In chert. Im Vergleich zu einer alleinigen den USA testen die Japaner aktuell Batteriespeicherlösung bietet die Wasser­ auch Brennstoffzellen-Trucks. stofftechnologie einen deutlichen Ge-

Wasser wichtsvorteil. Text: Tina Rumpelt Kraftstoff

24 Kraftstoff Wasser A. T. Kearney is a leading global management consulting firm with offices in more than 40 countries. Since 1926, we have been trusted advisors to the world’s foremost organizations. A. T. Kearney is a partner-owned firm, committed to helping clients achieve immediate impact and growing advantage on their most mission-critical issues. For more information, visit www.atkearney.com.

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