Oktober 2013

PRINTDas Magazin zum Westdeutschen Rundfunk

HEIMAT NRW Der WDR blickt tief in die Seele des Landes und spürt dem Herzensgefühl von Millionen Menschen in NRW nach, hier ganz zu Hause zu sein. Freuen Sie sich auf die große Sendereihe im Westdeutschen Fernsehen: »Heimatabend«. Fotos: WDR/Interfoto/mauritius Fotos:

/ Fernsehen / Radio / Fernsehen / Radio Ranga Yogeshwar 1LIVE-Chef Jochen Rausch Fußballfilm? Nein, Heimat- Hörspiel im Hollywood- über 20 Jahre »Quarks & Co« zur Zukunft des Radios film: „Wir die Wand“ Format: „Darknet“ WDR Welten

UUUUAAAAAHHH Foto: WDR/dpa Er wurde vor 100 Jahren von Autor Edgar Rice Burroughs erfunden. Aber heute würde der Dschungelheld – hier Johnny Weissmüller – wahrscheinlich komplett die Orientierung verlieren in dem Dickicht von unzähligen Tarzan-Büchern, Comics, Filmen und TV-Serien, die auf dem Markt sind. Die WDR-Doku „Mythos Tarzan“ (4.10., 23:15, WDR Fernsehen) zeigt, warum dieser aufrechte Naturbursche im Lederschurz immer noch modern wirkt.

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DAUER POWER Foto: WDR/ImagoFoto:

„Von der Wiege bis zur Urne, turne!“ lautet das Motto von Renate Recknagel (72), die im Alter von sieben Jahren mit diesem Sport begann. In der am 17. Oktober von Matthias Opdenhövel präsentierten „Show der unglaublichen Helden – Das Generationen-Duell“ tritt sie mit einer illustren Ü-60-Liga gegen zwei Promis an: Sängerin Fernanda Brandao (30) und Schauspieler Hardy Krüger jr. (45). Werden die Jungen eine Chance haben?

3 RUNDE Rubrik SACHE Foto: WDR/ Zanettini Hier schlägt das Herz der urbanen Metropolen: Die „Global Player“-Partys von Funkhaus Europa präsentieren internationale globale Sounds und DJs wie den „Germexikaner“ Daferwa. Groovy, ekstatisch und radikal! Immer samstags im Krefelder „Schlachthof“ (1. Sa./Monat), Kölner „Roxy“ (2. Sa.), Dortmunder „Domicil“ (3. Sa.) und in der Düsseldorfer KITBar (4. Sa.). Mixtapes der DJ-Sets laufen in „Global Player Selector“ (Sa., 24:00, FHE).

4 Rubrik

DICKE DINGER Foto: WDR/Jacobi Foto:

Walter Stratmanns Dinger sind dicker als die der übrigen 5 000 Hobbygärtner, die bei der Tomaten-Aktion von »daheim + unterwegs« mitgemacht haben. Seine Siegertomate der Sorte „Moneymaker“ hatte 34 Zentimeter Umfang. »d+u« verriet der Bochumer Rentner (77) sein Geheimrezept: Eine Erdmischung aus Kompost, normaler Blumenerde und etwas Kaffeesatz. Guano und Brennesseljauche als Dünger. Außerdem ab und zu ein Schlückchen alkoholfreies Bier – für die Tomaten.

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GESICHT WAHREN Foto: WDR/RBB Foto: Foto: WDR/Neuzeit Film Rukhsana ist eine von vielen pakistanischen Opfern eines Säure-Attentats von Männern, die glauben, ihr eigenes Gesicht wahren zu müssen. WDR Fernsehen zeigt den „Oscar“-prämierten Kurz-Dokumentarfilm „Saving Face“ (7.10., 22:00) über den plastischen Chirurgen Mohammad Jawad. Er lässt seinen lukrativen Job in London ruhen, um in seiner Heimat die Opfer von Säureattentaten zu versorgen.

6 Inhalt

Titel 8 Mit Porträts von zehn Städten zeichnet die Editorial TV-Reihe »Heimatabend« ein Bild von NRW. 12 »NRW von oben« zeigt das Land aus der Vogelperspektive Fernsehen 16 20 Jahre »Quarks & Co«: Ranga Yogeshwar erklärt den Erfolg der Wissenssendung Foto: WDR/DahmenFoto: Foto: WDR/Fußwinkel 20 Matthias Bongard über den Fußballheimatfilm„Wir die Wand“ 22 Schneller und virtueller: Liebe Leserinnen und Leser, Das neue Studio E des WDR Die Zukunft des TV Kompakt Heimat, was ist das eigentlich? Darauf hat wahr- 24 »WDR-Check« von WDR-Intendant scheinlich jeder seine eigene, ganz persönliche Tom Buhrow, Türkei-Doku „1001 Macht“ Antwort. Moderator Jürgen von der Lippe denkt Radios von Renan Demirkan und weitere Themen zum Beispiel an eine ganz bestimmte Frittenbude, Vor 90 Jahren wurde Radio wenn es um seine Heimatstadt geht, wie 30 Radio unsere Geschichte zu der zehnteilige TV-Serie erfunden. Wie verändert die digi- 26 Wie real können virtuelle Welten werden? »Heimatabend« ab S. 8 offenbart. tale Evolution dieses Massenme- Im Hörspiel „Darknet“ tötet eine Software Auch diese Ausgabe von WDR PRINT steckt voller dium? Ein Interview mit 1LIVE- 33 Weniger Prävention und Risikominimierung Heimat, und zwar auf vielfältigste Weise. Markus fordert die Hörspielreihe „Nur Mut“ Krczal, Reporter im Studio , legt Ihnen ab Wellenchef Jochen Rausch. Seite 38 seine Stadt Siegen wärmstens ans Herz. 34 Der menschlichste Komponist: 1LIVE-Wellenchef Jochen Rausch erklärt im Inter- 200 Jahre Giuseppe Verdi view auf S. 30, warum in global vernetzten Medi- Radio Kompakt enzeiten gerade in unserer Region die Zukunft der 36 »WDR 2 Die Möglichmacher« erfüllen Radiowellen des WDR liegt. Und die Wissensen- Hörerwünsche, Richard DeRosa wird neuer dung »Quarks & Co« bietet seit 20 Jahren einem MEINE STADT Dirigent der WDR Big Band und weitere der Erkenntnis und Aufklärung verpflichteten Themen Journalismus auch nichts anderes als – eine Heimat. Siegen Perspektiven Ich wünsche Ihnen viel Spaß beim Lesen, 40 „Siegen ist einfach liebens- 42 Neugier? Verantwortung? Hartnäckigkeit? Ihr Sascha Woltersdorf wert“, findet WDR-Reporter Was lernen WDR-Volontäre in 18 Monaten? Markus Krczal. WDR Panorama 44 Wie wichtig ist der WDR-Kinderrechtepreis? Was steckt hinter der kleinen weißen Tür oben am Brandenburger Tor? Berufsbilder 46 Jobporträt: Cutter Janis Tarut Medienmenschen 48 Gebhard Henke würdigt Otto Sander, Michael Houben bekommt den Wirtschaftsfilmpreis und weitere Themen

Im Gespräch 50 Auf einen Latte Macchiato mit der Paralympics-Schwimmerin Kirsten Bruhn, Foto: WDR/MaurerFoto: Patin der ARD-Themenwoche „Zum Glück“ 51 Service / Impressum

7 Titel Heimat NRW WO DAS HERZ ZU HAUSE IST

Heimat. Ein großes Wort, ein großes Gefühl, ein großes The- ma für Millionen Menschen in NRW. Mit der neuen zehntei- ligen Fernsehreihe »Heimat- abend« spürt der WDR dem Empfinden der Nordrhein-West- falen nach. Was bedeutet den Aachenern, Essenern, Kölnern und Münsteranern ihre Stadt? Welche Erinnerungen und Ge- schichten bleiben den Bonnern, Duisburgern und Dortmundern unvergessen? Was erfüllt Düssel- dorfer, Bochumer und Gelsenkir- chener mit Stolz oder Schmerz? Im Ganzen sind diese 450 Sen- deminuten voller Heimat nichts Die WDR-Serie weniger als eine Hommage an „Heimatabend“ im Netz unser Land.

8 Titel

In Aachen hat es 1958 eine der ersten Frit- tenbuden in Deutschland gegeben, was an der Nähe zu Belgien lag. Dort liebte man die krossen Kartoffelstreifen schon länger. Stammgast war der gebürtige Aachener Jürgen von der Lippe, erzählt er in der Folge „Heimatabend Aachen“. Doch die Mayo konnte er sich nicht leisten, sodass er die Fritten mit dem Gratis-Senf essen musste. Auch die ehemalige Bundesgesundheitsministerin Ulla Schmidt wuchs mit Geldsorgen in Aachen auf. Doch ihre Oma und sie wussten sich zu helfen, erinnert sie sich. Beide schmuggelten unter ihren Röcken Kaffee im Drei- ländereck. Süße Printen, metallisches Heilwasser, hohe Tiere beim Karlspreis und sportliche beim Reitturnier, das alles prägt das überschaubare und gemütliche Städtchen, schwärmen die meisten Aachener über ihre Heimat.

Warum ist man stolz auf seine Stadt? „Die zehn Filme zeigen, warum sich bei- spielsweise die Aachener so wohl fühlen im Dreiländereck, die Düsseldorfer stolz auf ihre Landeshauptstadt sind, die Essener überzeugt sind, in der heimlichen Hauptstadt zu leben, und die Münsteraner ihre Stadt als die schönste im ganzen Land sehen“, sagt Christiane Hinz, Programmgruppenleiterin Dokumentation und Gesellschaft. „Aber bei der Frage würden auch die Kölner sicher schnell den Finger heben.“ Unter die Haut gehen sollen die zehn 45-minütigen Folgen, für die die Autoren jeweils sechs bis zehn eingefleischte und begeisterte pro- minente oder stadtbekannte Bewohner gefunden haben, die ihre persönliche Geschichte erzählen und verraten, was sie an ihrer Geburtsstadt oder Wahlheimat anzieht und fesselt. „Hört man ihnen genau zu, steht Heimat für etwas Nostalgisches, ein sehnsuchtsvolles Gefühl“, sagt WDR-Redak-

Foto: MedienDesign teur Adrian Lehnigk. Ein Kölner würde das so ausdrücken: „Wenn ich aus dem Urlaub zurück- komme und den Dom sehe, weiß ich sofort, dass ich wieder zu Hause bin.“ Fortsetzung auf Seite 10

9 Titel

Fortsetzung von Seite 9 Natürlich würde man keine Was ist das Besondere an Ihrer Stadt? Zehn Promis über zehn Städte. Stadt „heruntermachen“, versichert der Wahlkölner Lehnigk, doch Kritik fließe auch ein, wenngleich Essen: liebevoll geäußert. In Köln sind es Marie-Luise Marjan die vielen Bausünden, über die man „Ich liebe Essen, weil ich sich gerne empört. dort das Licht der Welt erblickt habe. Unveröffentlichtes Material Durch mein Buch ‚Ruhr Neue Einblicke eröffnen die 2010’ habe ich meine alte Heimatabende, weil das Filmmate- Geburtsstadt Essen nach picture alliance/dpa Foto: rial größtenteils noch unveröffent- all den Jahren wieder neu entdeckt und als licht ist. Es sind teils private Filme modern erlebt.” von Karneval, Kirchenprozession Heimatabend Essen oder Sportturnier, aber auch offi- FR / 8. November / 20:15 zielle Aufnahmen der Städte, in denen wichtige Richtfeste, bedeu- tende Reden oder Ereignisse wie die Dortmund: Studentenunruhen dokumentiert Fritz Eckenga sind. „Duisburg war damals sehr „,Schön’ an und in Dort- wohlhabend und hat die Stadtge- mund sind vor allem schichte seit den 1920er Jahren in Foto: dpa meine Freunde. Durch Bewegtbildern festgehalten“, sagt die Bank blendend aus- Lehnigk. Die Filme zeigen, wie sehende Menschen, an man in der stolzen „Stadt Montan“ denen es absolut nichts zu verschönern gibt. Ohne die hätte ich auch Die »Heimat- keine Heimat.“ Heimatabend Dortmund abende« eröffnen ganz neue Einblicke, FR / 25. Oktober / 20:15 mit noch unveröffentlicht Filmmaterial, Duisburg: teils aus privaten Quellen Fritz Pleitgen „Ich liebe mein Duis- burg, weil Duisburg mit der Elektrischen zum Einkaufen fuhr, wie nicht gearbeitet, die Geschäfte waren geflaggt, ein eine Stadt der Kunst Foto: WDR sich Geschäft an Geschäft reihte und das kultu- riesiger Umzug.“ ist, zu erleben im relle Leben florierte. Selbst Thomas Mann hielt Lokalkolorit erhält jede Folge zusätzlich, Lehmbruck Museum, Lesungen in Duisburg. Daran erinnert sich die weil der Sprecher immer eine besondere Bezie- in der Küppersmühle, fast 100-jährige Emmi Pannenbecker, denn sie hung zur Stadt hat: Sportreporter Manni Breuck- im DKM, im Landschaftspark Nord und war dabei. mann zu Gelsenkirchen, Fernsehmoderatorin im Wedaustadion, wo der MSV Spiel für Auch in Gelsenkirchen wurde von 1952 bis Asli Sevindim zu Duisburg und Kabarettist Fritz Spiel die hohe Kunst der Duisburger zele- 1996 alles über Kohle, Stahl und den FC Schalke 04 Eckenga zu Dortmund. Und Überraschungen briert, nach Niederlagen und schweren gefilmt – bis der Stadt das Geld dafür ausging. Aus seien garantiert, verspricht Christiane Hinz. Jeder Rückschlägen unverdrossen wieder auf- solchen Gründen sind die Zeitspannen der Hei- könne neue Seiten seiner Heimatstadt erfahren. zustehen. Kunst und unverzagt – das ist matabende unterschiedlich. Einige beginnen vor Peter Reuter mein Duisburg.“ fast 100 Jahren, andere am Kriegsende oder später. Heimatabend Duisburg Der Bogen der ersten Folge über Bonn ist »Heimatabend« FR / 25. Oktober / 23:15 die große Geschichte der kleinen Stadt als Regie- zehn Folgen rungssitz von 1949 bis 1999. John F. Kennedy zog es dorthin, aber auch Charles de Gaulle. „Das war WDR Fernsehen das Absolute“, erinnert sich der Karnevalist Peter ab FR / 4. Oktober / Brust. „Die Schulen hatten frei, die Betriebe haben jeweils 20:15 – 21:00 oder 23:15 –0:00

10 Titel

Was ist das Besondere an Ihrer Stadt? Zehn Promis über zehn Städte.

Düsseldorf: Bonn: Aachen: Bettina Böttinger Rainer Pause Jürgen von der Lippe „Der Rhein und die Offen- „An Bonn mag ich eigent- „Ein Aachen-Besuch ist heit der Leute. Das ist für lich alles. Und eigentlich für mich immer eine

mich Düsseldorf. ImagoFoto: könnte in Bonn auch gut Zeitreise zurück in die ImagoFoto: Düsseldorf ist eben nicht alles anders werden! Kindheit. Und Erinne- nur die Stadt der Mode, des Aber ehrlich: was wäre Bonn rungen sind, wie wir von schönen Scheins und der ohne Skandale? Langweilig! Foto: Imago/Sven Simon Jean Paul wissen, das Eleganz. In Düsseldorf ist die Kunstakademie. Allerdings würde ich mich lieber über sehr einzige Paradies, aus dem wir nicht vertrie- Und das ist eine ganz alte, lange Tradition. Die großzügig ausgeschenkte Gelder im Kultur- ben werden können. In dem Zusammen- Kunst ist in Düsseldorf zu Hause und insofern ist bereich aufregen als über zig sinnlos versenkte hang: Ein Straßenschild ,Henger Herrjots immer eine Unruhe in der Stadt gewesen. Und es Millionen im WCCB!“ Fott’ wird man wohl kein zweites Mal in ist eine Stadt, in der viele Gedanken aufgegangen Heimatabend Bonn Deutschland finden und es spricht Bände. sind. Beuys hat da gelehrt beispielsweise, um mal FR / 4. Oktober / 20:15 Aachen hat in den letzten 40 Jahren wahn- einen großen Namen zu nennen.“ sinnig gewonnen, an Charme, an mediter- Heimatabend Düsseldorf ranem Flair, und dann musste ich sehen, FR / 11. Oktober / 20:15 Gelsenkirchen: dass gerade wieder ein Kino meiner Kind- Manni Breuckmann heit, das Gloria, und alles um St. Adalbert „Gelsenkirchen ist keine herum abgerissen wurde und es entsteht Bochum: Schönheit, aber Gelsen- vermutlich ein weiteres Einkaufszentrum Foto: dpa Elli Altegoer kirchen ist auch nicht die mit den immer gleichen Läden. Wie überall. „Man denkt an sein Hölle. Hier gibt es ein paar Ärm Hur!“ Bochum und sagt, da bin anheimelnde Fleckchen. Heimatabend Aachen

ich angekommen, da bin ich Foto: WDR Zum Beispiel den Consol- FR / 11. Oktober / 23:15 einfach zu Hause und ich Park auf dem Gelände der möchte gar nicht woanders ehemaligen Zeche Consolidation; oder den sein, möchte einfach nur in Nordstern-Park – wieder ein ehemaliger Pütt! –, Köln: Hartmut Bochum sein.“ wo 1997 die Bundesgartenschau stattfand. Ich Priess Heimatabend Bochum liebe besonders das Schloss Berge mit dem „Böll hat damals in die- FR / 18. Oktober / 23:15 hübschen Park drumherum und den Gelsen- sen Jahren gesagt, dass kirchener Zoo (jetzt ,Zoom Erlebniswelt’). die Stadt im Wiederauf-

Über die gigantische Fußball-Arena müssen bau eigentlich nachhal- WDR/KohrFoto: Münster: wir hier wohl nicht lange reden, oder? Weni- tiger zerstört wurde als Ingrid Klimke ger schön sind einige Problem-Stadtteile, auch durch den Krieg. „Schön an Münster ist die Schalke gehört dazu, und die Industriebra- Eine Stadt braucht Merkmale, die unverwech- gelebte Tradition und die chen entlang der A 42. Ich kenne viele Men- selbar sind, dass man weiß wo man hingehört,

herrliche Landschaft. Die ImagoFoto: schen, die gerne in Gelsenkirchen leben, und wo ein Heimatgefühl entstehen kann. Menschen sind ehrlich und zwar nicht nur wegen Schalke 04.“ Ich muss heute lachen, wenn ich an den ein Frühstück mit anschlie- Heimatabend Gelsenkirchen Straßen vorbei gehe, wo wir gespielt haben. ßendem Einkauf auf dem FR / 8. November / 23:15 Dann rief einer: Auto! Das hieß, das Spiel Wochenmarkt ist für mich persönlich ein wurde gestoppt, dann haben wir gewartet regelmäßiges Highlight. bis der Wagen vorbei war. Dann haben wir Münster ist meine Heimat und ich fühle mich weiter gespielt. Ist heute undenkbar.“ tief verwurzelt. Wenn ich über Negatives Heimatabend Köln nachdenken soll fällt mir nur das Wetter ein, FR / 18. Oktober / 20:15 was uns manchmal etwas im Stich lässt ;-))“ Heimatabend Münster FR / 1. November / 23:15

11 Titel Heimat NRW – von oben STADT, LAND, FLUSS

Abgehoben vom Alltag und mit dem richtigen Überblick sieht unser Land noch einmal ganz anders aus. Die vierteilige Serie „NRW von oben“ zeigt den Rhein und das Ruhrgebiet aus ei- ner ungewöhnlichen Perspektive.

12 Titel Heimat NRW – von oben STADT, LAND, FLUSS

13 Titel

WDR-Fernsehredakteur Thomas Kamp ist ein wenig verliebt. Sein Schwarm hat unglaublich Die Hubschrauberkamera holt viele Facetten. Er ist romantisch, fleißig, zuweilen krumm und wild und mag die Farbe Grün. Tho- Objekte aus 500 Metern Entfernung mas Kamps Zuneigung gehört dem Rhein, der sein Herz im Sturm erobert hat. Der Redakteur betreut messerscharf heran. die vierteilige Serie „NRW von oben“, die vom 29. November an im WDR Fernsehen ausgestrahlt Leute, die in irgendeiner Form am, wird und die Nordrhein-Westfalen, den Rhein und mit oder vom Rhein und im „Pott“ das Ruhrgebiet aus der Luft betrachtet. leben. Dann landete der Helikop- Regisseur Peter Bardehle hat bei seinen Auf- ter und Regisseur Peter Bardehle nahmen zur Sendereihe auf eine neue Perspektive ließ die Menschen ihre Lebensge- und Technik gesetzt: Mit dem Helikopter ging es schichten in die Kamera erzählen. in die Luft. Am Hubschrauberboden war eine so „Eine echte Entdeckung war für genannte Cineflex-Kamera befestigt. Sie ist eines mich der Rhein als Industriefluss. der besten Helikopter-Kamerasysteme, denn sie Es ist der Lauf ab Köln“, sagt Tho- erlaubt noch aus großer Entfernung sehr scharfe mas Kamp. „Verblüffend finde ich, Aufnahmen. „Diese Technik setzten bereits inter- dass der Betrachter erst von oben nationale Produktionen wie ,Die Erde von oben’ sieht, dass der Rhein auch in diesem oder ,Home’ ein“, weiß Kameramann Klaus Stuhl. Abschnitt trotz der ganzen Indus- Kostenpunkt übrigens: gut 500 000 Euro. trieanlagen durch riesige Grünflä- chen und Auen fließt. Der Rhein ist von der Quelle „NRW von oben – ein Fernsehspiel“ „Der Rhein ist ein Strom der Sehnsüchte“ bis zur Mündung ein rundum schöner Fluss.“ WDR Fernsehen Der Hubschrauber hebt ab, es ruckelt und Thomas Kamp ist gebürtiger Oberhausener. FR/ 29. November/20:15 wackelt, doch die Kamera fängt gestochen scharfe Und so war es ihm eine Herzensangelegenheit, Bilder ein, die der Regisseur direkt am Monitor im seine Heimat Ruhrgebiet mit der besonderen „Rhein von oben“ Cockpit des Helikopters verfolgt. Peter Bardehle: Kamera- und Aufnahmetechnik filmen zu lassen. WDR Fernsehen „Jedes Bild begeistert mich aufs Neue“. Besonders Und das „Ruhrgebiet von oben“ offenbart: Neben FR/ 6. und 13. Dezember/ 20:15 der Rhein hat es dem Regisseur ebenso wie Thomas dem ganzen Strukturwandel gibt es ihn noch – Kamp angetan: „Mit der Cineflex-Kameratechnik den Brieftaubenzüchter, der fest mit seiner Heimat „Das Ruhrgebiet von oben“ wollen wir das vielleicht ausführlichste Bild des verbunden und verwurzelt ist. Auch eine Liebe fürs WDR Fernsehen europäischen Stroms erstellen, das je dokumen- Leben. Tobias Zihn FR/ 20. Dezember / 20:15 tiert wurde“, sagt Peter Bardehle. „Der Rhein ist ein Die Altstadt von Münster aus der Strom der Sehnsüchte.“ Er verbindet oder trennt Vogelperspektive Foto: WDR von seiner Quelle bis zur Mündung sechs Länder: Österreich, Liechtenstein, die Schweiz, Deutsch- land, Frankreich und die Niederlande. Das macht den Rhein zu einem fantastischen Geschichtener- zähler. „Er ist ein wunderbarer Protagonist“, sagt Das Team um Pilot Dietmar Hill (u. Thomas Kamp. links) sowie die Producer Jörg Siep- Die Bilder vom Rhein und von den Städten mann und Harry Flöter (2Pilots) bei des Ruhrgebiets der „NRW von oben“-Reihe sind den Vorbereitungen für einen Flug. aus der Flugperspektive der Vögel gedreht. Tho- Fotos: WDR/Fußwinkel mas Kamp: „Das ist für den Zuschauer ein völlig neuer und ungewöhnlicher Blickwinkel. Es ist eine Erfahrung, die er nicht aus seinem Alltag kennt.“ Die ehemaligen Zechen im Ruhrgebiet sind in Szene gesetzt. Die Kamera umkreist überlebens- große Skulpturen, wie den Tetraeder auf der Halde in Bottrop, sie begibt sich auf Augenhöhe mit den Besuchern verschiedener Aussichtskunstwerke und zeigt atemberaubende Ausblicke auf die Sky- line von Duisburg, Essen und Dortmund. Aus der Luft entdeckten die Filmemacher

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„Die Sehnsucht nach

TIEFGANG” Ranga Yogeshwar im Studio. Foto: WDR/Langer

In zwanzig Jahren ist sehr viel passiert: Das Fernsehen ist immer bun- Seit zwei Jahrzehnten ist das ter und kommerzieller geworden und das Internet löst allmählich unsere Privatheit auf. Teenager und Manager sind gleichermaßen abhängig von WDR-Wissensformat »Quarks vibrierenden Smartphones. Wir wischen unsere Apps auf empfindlichen Bildschirmen hin und her, sind ständig verbunden mit Freunden und unru- & Co« auf Sendung. In WDR hige Eilmeldungen erreichen uns selbst an entferntesten Orten. Kaum vorstellbar, dass es einmal eine Zeit gab, in der Kinder einen PRINT erklärt Moderator ganzen Nachmittag mit ihren Freunden umherzogen, ohne dass ihre Eltern sie erreichen konnten – und niemand machte sich Sorgen! Vor zwanzig Ranga Yogeshwar diesen Jahren legte sich das Deutsche Fernsehen nachts mit einem verrauschten Erfolg mit der Haltung der Testbild schlafen. Das Geräusch elektrischer Schreibmaschinen hallte durch die Redaktionsflure. Kein Internet, kein Handy, keine Flachbildschirme. Die Sendungsmacher. „Wir behan- wenigen Fernsehsender leisteten sich Philosophiesendungen, übertrugen zur besten Sendezeit Schachpartien und in Redaktionskonferenzen teilte deln unsere Zuschauer nicht man sich einen Aschenbecher. Die Fernsehmacher kannten noch nicht den Unterschied zwischen als stumme Konsumenten, Zuschauerzahlen und Marktanteilen. Wissenschaftssendungen hatten damals einen professoralen Touch. Ältere Herren im Anzug hielten Monologe sondern als mündige Bürger, und nutzten Zeigestöcke, um die Flugbahnen neuer Satelliten nachzuzeich- nen. Manche Moderatoren ermunterten zum Selbermachen, andere hielten die in unserer komplexen flammende Appelle gegen das Waldsterben. Das Fernsehen war langsam und der Abspann wurde noch von Papierrollen abgefilmt. Und Kontakt zur Welt die Dinge auch kritisch Redaktion bekam der Zuschauer per Postkarte und über selbstfrankierte hinterfragen möchten.“ Rückumschläge. Als »Quarks & Co« 1993 an den Start ging, war „Quote“ ein Fremdwort Heute geht alles sofort: Per Mail, live, mit Twitter-Kanal und Facebook- Auftritt. Per Pushdienst und Cloud sind wir stets auf dem Laufenden. Unsere Kinder fliegen für den Preis eines besseren Abendessens um die halbe Welt und dank Skype bleiben sie doch immer noch zu Hause. Als »Quarks & Co« im Mai 1993 an den Start ging, war „Quote“ noch ein Fremdwort. Doch inzwischen werden die bunten Internetauftritte der Sendungen nach Pageviews optimiert und ihren Erfolg reduziert man auf eine Akzeptanzstatistik: „Super Quote – tolle Sendung! Leider habe ich sie noch nicht gesehen ...“ Das „Gefällt mir“ ist inzwischen zur harten Währung einer umkämpften Medienlandschaft geworden, die stets auf Audience-flow und Zielgruppen schielt. Sendungen sind zu Produkten verkommen und Zuschauer zu Kunden. Es klingt widersprüchlich, doch anfangs half die im WDR eingeführte Quote unserer neuen Sendung sogar auf die Sprünge: Die Programmver- antwortlichen waren überrascht vom messbaren Zuspruch, den das neue Format beim Zuschauer fand. Fortsetzung nächste Seite

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Fortsetzung von Seite 17 »Quarks« wurde zum Vorbild: Inhalt und Quote – geht doch! Die „Wissenschaft“ wurde salonfähig und selbst kommerzielle Sendeanstalten begaben sich mit „Wissensformaten“ und dunkelhäutigen Moderatoren auf Zuschauerfang. »Quarks & Co« blieb jedoch anders. Während sich die deutsche Fern- sehlandschaft in eine mediale Kirmes verwandelte mit Casting-Shows, Kochduellen, Dschungelcamps, überinszenierten Awards, allerlei Quiz- formaten und Talkshows, setzte »Quarks« weiterhin ganz unaufgeregt auf den mündigen Seher. Vielleicht ist das der unbestrittene Erfolg der Sendereihe: Wir behan- deln unsere Zuschauer nicht als stumme Konsumenten, sondern als mündige Bürger, die in unserer komplexen Welt die Dinge auch kritisch hinterfragen möchten. Sie können denken und nicht nur applaudieren. Sie wollen verste- hen, um mitzureden. Und sie haben Humor.

Recherche ist für uns mehr als das Übernehmen von Behauptungen Im Laufe der Zeit ist eine Beziehung zu unseren Zuschauern entstan- den, die geprägt ist von Vertrauen und gegenseitigem Respekt. Medien sollten nicht zum Zirkus der Beliebigkeiten verkommen, sondern ein wesentliches Element einer lebendigen Demokratie bleiben. Genau hierin liegt die so kostbare Idee des öffentlich-rechtlichen Systems, um das uns so viele andere Nationen beneiden: Wir orientieren uns nicht am vermeintlichen Zuschauer- geschmack, sondern bieten den Menschen Orientierungshilfen an. Wenn die Bildschirme immer flacher werden, dann muss sich das nicht zwingend auch auf das Programm auswirken. Recherche ist für uns mehr als das Übernehmen von Behauptungen. Und The- men werden nach Inhalten bestimmt und nicht nur des- Foto: WDR/AFP/Mauritius/dpa/Reuters Foto: halb, weil andere sie ebenfalls Ralph Caspers gehört zum »Quarks«-Team und machen. Mit kostenlosen moderiert unter anderem »Quarks & Caspers«. »Quarks«-Scripts, mit einem reichen Internetangebot, das zu den ersten überhaupt im deutschen Fernse- hen zählte, oder mit Podcasts, die auch auf den Smartphones junger Menschen laufen, erreichen wir viele auch außerhalb unserer Sendestrecke. Schulen nutzen unsere „Quarks-Box“ und »Quarks« hat einen festen Platz im Unter- richtsplan. Lehrer und Schüler schätzen unsere Sendungen, und wenn man sie nach dem „Warum ?“ fragt, heißt es: »Quarks« schafft es, komplexe Dinge Herzlichen Glückwunsch, »Quarks«! Seit 20 Jahren informieren und unterhalten Ranga Yogeshwar und die »Quarks«-Redaktion mit wissenschaftlichen Themen. Foto: WDR/Berner verständlich zu erklären, auf neue Erkenntnisse hinzuweisen, Zusammen- hänge genauer zu beleuchten, Relevantes von Überflüssigem zu unterschei- den, Inhalte korrekt auf eine unkonventionelle Art darzustellen oder mit zahllosen Experimente und Tests die Sachverhalte wirklich unabhängig zu überprüfen. Keine andere Sendung in Deutschland wurde hierfür von so vielen unterschiedlichen Fachgremien ausgezeichnet. Dieser warme Zuspruch macht uns auch stolz und erzeugt ein anregendes „Wir-Gefühl“. Vom Autor zum Redakteur, vom Szenenbildner bis zum Grafiker, vom Kameramann bis zum App-Programmierer – überall spürt man diese besondere Liebe zur Sendung. »Quarks« gefällt eben nicht nur unseren Zuschauern, sondern auch uns Machern. Wenn ich also hier von „Stolz“ spreche, so meine ich keines- falls Überheblichkeit, sondern Selbstbewusstsein für unser Anliegen. Wir

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sind überzeugt vom öffentlich-rechtlichen Grundgedanken und wir stehen dazu. Bei uns hat man nie gesehen, wie Starke sich auf Kosten Schwächerer profilieren. Bei uns treten keine „Opfer“ auf. Bei uns wird nicht gemutmaßt und nicht spekuliert. Als zum Beispiel vor dem Hintergrund einer Reaktor- katastrophe eine mediale Hysterie um sich griff, blieben wir ruhig und klar. „Fight the fear with the facts“ – „Bekämpfe die Angst durch einen Blick auf die Fakten“. Das mag altmodisch klingen in Zeiten griffiger Online-Schlagzeilen. Doch in solchen Momenten wurden wir zum „Lotsen im Nachrichtenstrom“. Der anhaltende Erfolg von »Quarks & Co« ist für mich ein wunder- barer Beleg dafür, dass unsere Medienlandschaft den Zuschauern mehr zutrauen sollte. Die allermeisten Menschen sind interessiert, wenn man sie ernst nimmt. Und trotz der grellen Leuchtreklamen sehnen sich viele nach Tiefgang und Weitblick. Auch nach zwanzig Jahren bleiben wir dieser Überzeugung treu und empfehlen sie weiter! Per Blog können sich »Quarks«-Zuschauer an der Entstehung eines Beitrags der Jubiläums- sendung beteiligen.

„Ranga und seine Gang sind seit zwanzig Jahren vorbildlich“

Der Physiker, Astronom und Autor Foto: WDR/Lesch Harald Lesch gratuliert »Quarks & Co« zum Jubiläum. Lesch moderiert unter anderem die Wissenschaftssendung »Abenteuer Forschung« im Fernseh- programm des ZDF. Heutzutage Wissenschaft in einem Unter- haltungsmedium zu präsentieren ist ein hartes Stück Brot. Schließlich sind die guten alten Zeiten längst vorbei, in denen das Medium Fernsehen das elektronische Fenster in die Welt der Forschung und Wissenschaft war. Auf dem Jahrmarkt der Eitelkeiten ist es deshalb wirklich schwierig, die an sich nüchterne wissenschaftliche Forschungstätigkeit so unter die Leute zu bringen, dass sie als „Appetitmacher“ einerseits und einer durchgängig richtigen Informationssendung andererseits entspricht. »Quarks & Co« macht das seit zwanzig Jahren vorbildlich. Mit ihrem hervorragenden Moderator Herzlichen Glückwunsch, »Quarks«! Seit 20 Jahren informieren und unterhalten Ranga Yogeshwar und die »Quarks«-Redaktion mit wissenschaftlichen Themen. Foto: WDR/Berner Ranga Yogeshwar und einer höchst kompetenten Redaktion schaffen sie es jede Woche in sehr bemerkenswerter Art und Weise, den „Menschen draußen im Lande“ auf äußerst originelle und unterhaltende Weise aus der Welt der Wissenschaft zu berichten. Ranga und seine Gang hissen einmal pro Woche die Fahne der Aufklärung und stellen schlicht fest, wir helfen euch, dem eigenen Verstand zu vertrauen. »Quarks & Co« schafft es immer, die verwickelten und manchmal auch verzwickten Zusammenhänge wissenschaftlicher Erkenntnisse so zu präsentieren, dass es für einen Kollegen einfach eine Freude ist – und für das Publikum offensichtlich ja auch. Ich gratuliere dir und deiner Redaktion herzlich. Bitte bleibt bei eurem Konzept und ich wünsche euch weitere 20 Jahre. Ich gratuliere dann gerne wieder. Harald Lesch

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„Wir die Wand“ ist eine ein- zigartige Dokumentation, die elf BVB-Fans während eines Bundesligaspiels auf der Dortmunder Südtribüne zeigt und ihre ganz persönlichen Geschichten erzählt. WDR PRINT-Autorin Ute Riechert Nicht nur Zuschauer, sondern Fan: Matthias Bongard vor dem Signal Iduna Park. Foto: WDR/Petzold sprach mit dem WDR-Moderator und bekennenden Borussia-Fan Matthias Bongard über die Doku. „Wir die Wand“ sei „kein Fußballfilm“, findet der. Fußballfilm – ein Heimatfilm?

WDR-Redakteur Klaus Martens bespricht im Stadion eine JAWOLL! Kamera-einstellung vor dem Dreh. Foto: WDR / Langer

„,Die Wand ist ein Heimatfilm“, sagt Mat- Professor bis zum Arbeitslosen Menschen für 90 thias Bongard. „Die Charaktere wird man auch in Minuten zusammenfinden. Nach dem Spiel gehen anderen Stadien finden, denn das sind Menschen, sie als Individuen wieder zurück in ihr Leben, um die ihre Identifikation im Fußball finden.“ Der sich dann zwei Wochen später beim Heimspiel Mann weiß, wovon er spricht. Er selbst ist seit wieder auf ,der Süd’ zu treffen.“ „ungefähr 30 Jahren“ BVB-Fan, inklusive Schal, verschiedener Trikots und dem BVB-Gründungs- Der Blick nur auf die Fans jahr „1909“ auf dem Autokennzeichen. „Da macht Die Idee für den Film hütete Autor Klaus Mar- man nichts dran. Wenn es einen erwischt hat, tens zehn Jahre lang in der Schublade. Sie klingt ein- dann ist das so“, erklärt er. Und selbstverständ- fach, erzeugt aber packende Eindrücke: 16 Kameras lich kennt er die Südtribüne in Dortmund. „Ich beobachteten am 20. April die Fans auf der Tribüne nenne das Stadion einen ‚Sozio-Zoo‘“, sagt er. „Die vom Eintreffen im Stadion bis nach Spielende. Es Südtribüne ist eine heterogene Menge, in der vom wird kein Tor vom Spiel gegen Mainz 05 gezeigt, es

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Die Südtribüne vereint 25 000 „Schwarz-Gelbe“ – mehr Menschen als in manchen kleinen Städten leben. Foto: WDR/Langer gibt keinen Blick aufs Spielfeld, nur die Originalaus- senphänomen nicht kritiklos sei, aber selbst als teristikum. Aber: „Diese bildgewaltige Opulenz sagen der Protagonisten auf „der Süd“. Die Vorzüge „Sitzplatz-Kanake“, wie die Südtribüne Leute wie funktioniert filmisch wahrscheinlich nur bei der des Films sind für Bongard, der unter anderem die ihn nennt, deren Gefühle nachempfinden könne. Dortmunder Südtribüne.“ Die Menschen der Dort- WDR-Kultursendung WestArt moderiert, schnell Was er an Martens Film schätzt: Er stellt seine munder Südtribüne seien geradezu exemplarisch zusammengefasst: Technisch perfekt, die Auswahl Akteure niemals bloß. auch für andere Stadien im Westen. Denn: „Das der Protagonisten, der Sinn fürs Wesentliche – und Ruhrgebiet ist als Melting-Pot historisch geübter als mit Raum für Erkenntnisgewinn. Oder für ein emo- Authentisch und liebevoll andere Regionen“, erläutert Bongard. Und stellt klar: tionales „Jawoll!“. „Es ist diese Machart, die mich „Die Dokumentation geht liebevoll mit den „Das hat nichts mit Ruhrgebietsromantik zu tun.“ 90 Minuten unterhält – ohne Kommentar und ohne Menschen um, die dort viel von sich preisgeben. Die Sondern schlicht mit Menschen, die ungeschminkt eine einzige Spielszene zu zeigen.“ machen sich nicht lächerlich, sondern die öffnen sagen dürfen, was sie wollen. Im Schutz der spezi- sich einfach.“ Auch das sei ein meisterhafter Coup ellen Situation eines Fußballspiels. Und mit einer Emotionales Ventil Südtribüne von Klaus Martens: Die abgefilmten Borussen-Fans schwarz-gelben Wand im Rücken. Ute Riechert Die Empfindungen der elf porträtierten auf der Südtribüne konnten die Kameras einfach Fans kann Bongard gut nachvollziehen. „Es gibt vergessen. „Diese Fans spielen nichts, sondern sie in unserem reglementierten Alltag immer weniger sind einfach sie selbst“, findet Bongard. „Der Film Trailer und viele Infos Räume, um seine Aggressionen, seine aufgestau- beschönigt nichts. Da sind so viele Aussagen drin, zu „Wir die Wand“ ten Gefühle loszuwerden.“ Die heftige Sprache, von denen man vermuten könnte, sie müssten „Wir die Wand“ das Gebrüll und die Sprechchöre zu verstehen, den Menschen peinlich sein. Sind sie aber nicht. bedeute ja nicht, sie zu akzeptieren, präzisiert Die sind so, und die meinen das so.“ Die Wand sei WDR Fernsehen er. Bongard sagt, dass er gegenüber diesem Mas- deshalb auch nicht allein ein Dortmunder Charak- DO / 3. Oktober / 21:45

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Das neue Herzstück des Aktuellen STUDIO E Am 14. Oktober nimmt das nahezu komplett erneuerte Studio E – das Herzstück der aktuellen Produktion – in der Kölner Innenstadt den Betrieb auf. Hier entstehen mehr als ein Dutzend Formate. Viele davon virtuell wie »Monitor«, »Ratgeber Internet«, »ttt«, »EinsWeiter«, »ARD Brennpunkt«, »PlusMinus«, »Weltspiegel« und ab

November auch die »Servicezeit«. Die 180 Quadratmeter große „Stanzecke“ liefert die grüne Fläche für viele virtuelle WDR-Produktionen.

Das neue Studio E sei ein echtes „Arbeits- Voraussetzung für die flexible Nutzung tier“, findet Christoph Augenstein, Leiter der ist die moderne, fast ausschließlich softwarege- Kölner Fernsehproduktion. Per „Knopfdruck“, steuerte Servertechnik sowie die offene Raum- genauer per Mausklick, lassen sich verschiedene struktur. Durch den Wegfall der zahlreichen „Settings“ laden, die für jeden Arbeitsplatz in der Trennwände und den Einsatz von großflächigen Regie die jeweils notwendigen sendungsrelevanten Glasschiebewänden entstand ein offener Raum, Funktionen bereitstellen. Der Vorteil: Flexibilität. in dem direkte, schnelle und unkomplizierte Augenstein: „Je nach redaktioneller Anforderung Kommunikation unter den Mitarbeiter/innen kann das Studio E von Teams in ganz unterschiedli- möglich wird. cher Größe gefahren werden – von klein und smart Die Teamstärke in der Regie des Studio E variiert je nach mit vier Personen bis zur aufwändigen Sondersen- Virtuell und schnell Anforderungen der Sendung. Fotos: WDR/Dahmen dung mit 18 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern „Ich wüsste kein Studio in Deutschland, aus Produktion und Redaktion. Früher folgten die in dem die Möglichkeiten der aktuellen Tech- Personalkonzepte primär der Technik – heute den nik so konsequent umgesetzt worden sind“, sagt redaktionellen Anforderungen.“ Hermann Stöters, Projektleiter des Umbaus. Für

22 Fernsehen Foto: WDR/DahmenFoto: Die 180 Quadratmeter große „Stanzecke“ liefert die grüne Fläche für viele virtuelle WDR-Produktionen.

virtuelle Produktionen bietet das „Arbeitstier“ so Markus Gerlach, Abteilungsleiter der AÜ und Seitenwand der Bildregie wurde übernommen jetzt mehr Möglichkeiten durch eine mit nun Studioproduktion. – nicht nur aus Kostengründen. Der Braunton 180 Quadratmetern wesentlich größere grüne der Buchenpaneele gibt dem Hightech-Raum mit „Stanzecke“. Bei virtuellen Produktionen ent- Kostenbewusst seinem Retro-Charme im Stil der 70er Jahre eine steht die Studioeinrichtung, die die Zuschauer Bei den Kosten blieb der WDR unter dem angenehm warme Atmosphäre. Und kostet – gar auf den TV-Bildschirmen sehen, mit Hilfe von vorgegebenen Rahmen, die EU-weit ausgeschrie- nichts. Computergrafik. Die virtuelle Kulisse wird dann bene Studiotechnik konnte etwa 30 Prozent Sascha Woltersdorf mit dem Realbild der Kameras ergänzt. Hierdurch günstiger eingekauft werden. Auch ein kosten- entsteht der Gesamteindruck des Szenenbilds. bewusster Umgang mit „alter“ Technik, die rund Dieses Verfahren macht ein serielles Produzie- 16 Jahre auf dem Buckel hat, trug dazu bei. Beim ren möglich. „Durch die Virtualität sind wir sehr Ton wurde zum Beispiel „alles Gute aus dem flexibel und sehr schnell, da lange Umbauzeiten alten Studio E bewahrt“, erklärt Manfred Lei- für die Dekorationen und Technik entfallen. Pro- nen, technischer Leiter AÜ+Studioproduktion. duktionen sehen damit immer gleich gut aus. Ein Erhalten blieb zum Beispiel der Akustikausbau in wichtiger Faktor im Punkt Qualitätssicherung“, der Sprecherkabine. Auch die gegenüberliegende

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Der „Lamp- cube“, eine Tatort aus Münster: Installation aus 120 großen, seidenen Auf den Spuren der chinesischen Lampions, chinesischen Mafia entstand für den Münster- Ein Mord geschieht in der Münsteraner Rechts- Tatort „Die chinesische medizin, dem Heiligtum von Professor Boerne. Prinzessin“. Hat er selbst etwas damit zu tun? Gerade erst Foto: WDR/privat wurde in Münster die Ausstellung von Songma (Huichi Chiu) eröffnet, einer international bekannten chinesischen Künstlerin, Dissiden- tin und Prinzessin – schon ist sie tot. Nachdem Boerne (Jan Josef Liefers) auf der Vernissage Der »Tatort« erschafft Kunstprojekt mit der Künstlerin geflirtet hatte, wird sie am nächsten Morgen mitten in der Münsteraner Im neuen »Tatort« „Die chinesische Prinzes- War eine besondere Vorbereitung oder Recher- Rechtsmedizin aufgefunden – ermordet mit sin“ sorgt die Ausstellung einer international che nötig? Woher kamen Ihre Ideen? einem Skalpell. Daneben der Ermittler, der bekannten chinesischen Künstlerin für große SCHERER: Die Ideen entwickelten sich aus den sich nicht mehr an die Ereignisse der letzten Aufregung. Für diese »Tatort«-Produktion verschiedensten Anforderungen. Eine wichtige Nacht erinnern kann. Offenbar haben Drogen wurde im Westfälischen Landesmuseum in Komponente waren die Räumlichkeiten. Glückli- eine große Rolle gespielt, die Boerne doch so Münster gedreht, wo die Installationen ausge- cherweise war es uns möglich in einem richtigen vehement ablehnt. stellt wurden. Dafür wurde der freie Szenen- Museum zu drehen, dem LWL Landesmuseum bildner Alexander Scherer zum Künstler und Münster. Eine ganz großartige Zusammenarbeit. entwarf die großformatigen Kunstwerke, die Als die Mitarbeiter nicht über meine Entwürfe im Film zu sehen sind. WDR PRINT lachten, wusste ich, dass ich auf einem sprach mit dem Teilzeit-Künstler guten Weg war. über die Herausforderungen seiner ersten eigenen Film-Ausstellung und Ist Ihnen die Aufgabe schwer gefal- die Reaktionen der Schauspieler. len oder sind Sie privat auch künst- lerisch tätig? Was bekommen die »Tatort«- SCHERER: Das war schon eine beson- Zuschauer in der Ausstellung zu dere Herausforderung. Ich interessiere sehen? Alexander Scherer mich zwar sehr für darstellende Kunst, ALEXANDER SCHERER: Drei Foto: WDR/Scherer Malerei und Fotografie. Mit Installa- Großinstallationen: Den „Lampcube“, eine Ins- tionen oder gar Rauminstallationen hatte ich Boerne (r.) und Thiel mit der chinesischen Künstlerin tallation aus 120 großen, seidenen chinesischen mich aber vorher noch nicht beschäftigt. Mein Songma Foto: WDR/Weber Lampions, den „Bambuswald“, eine 100 Quadrat- Anspruch war es, ein glaubhaftes Szenenbild Kollege Frank Thiel (Axel Prahl) soll gegen meter große Rauminstallation aus Bambusrohren zu entwerfen. Ich denke aber, dass man als Sze- ihn ermitteln. Doch der glaubt fest an Boer- und Verpackungsmaterialien, und eine dekonst- nenbildner natürlicherweise eine künstlerische nes Unschuld und verfolgt eine ganz andere ruktivistische Installation aus antiken chinesi- Neigung haben muss. Spur. Seine Vermutung: Die chinesische Mafia schen Schreibtischen. und der Geheimdienst haben ihre Finger im Und wie fanden die Schauspieler Ihre künst- Spiel. Thiel vermutet, dass alles mit den Video- Sie haben für den »Tatort« die Ausstellung der lerische Arbeit? Clips auf Songmas Laptop zusammenhängt, in chinesischen Künstlerin Songma entworfen. SCHERER: Axel Prahl war begeistert. Professor denen Mitglieder der Volksgruppe der Uiguren Wie waren die Vorgaben? Boerne ist ja immer ein wenig zurückhaltender, von Menschenrechtsverletzungen in China SCHERER: Beschrieben war die Ausstellung einer aber ich glaube, es hat ihm auch gefallen. berichten. EB chinesischen Installationskünstlerin, angelehnt an die modernen chinesischen Künstler wie zum Bei- Im Showdown wird die ganze schöne Ausstel- „Die chinesische Prinzessin“ spiel Ai Weiwei. Die Ausstellung musste natürlich lung kaputt gemacht. Ein bisschen schade? Tatort aus Münster einen großen Schauwert haben. Und es sollte nicht Oder hatten Sie Spaß an der Zerstörung? nur Boerne wehtun, wenn Kommissar Thiel mit sei- SCHERER: Mir hat das Herz geblutet! Das Erste ner robusten Art am Ende Recht und Gesetz wieder So / 20. Oktober / 20:15 herstellt und dabei die Kunstwerke zerstört werden. Mit Alexander Scherer sprach Laura Nagel.

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Wie frei ist die Türkei? „Loverboy“ – Horst Mit einer Mischung aus Doku und Roadmovie Zwischen diesen beiden Polen scheint sich auch Schimanskis 17. Fall lernt die türkischstämmige Renan Demir- die Türkei zu bewegen. kan viel über das Land, aus dem ihre Eltern Wer an die Türkei denkt, hat zurzeit vor allem Im aktuellen Fall „Loverboy“ steht Horst Schi- stammen. Erdogans umstrittene Politik und die heftigen manski erst einmal vor den Trümmern seiner Proteste rund um den Istanbuler Taksim-Platz eigenen Wohnung. Zwei Handlanger haben Er wird der „Vater aller Türken“ genannt. Aber vor Augen. Als die Idee für den Film vor einem sie im Auftrag von Gangsterboss Kaijewski welche Bedeutung hat Atatürk heute, wenn die Jahr entstand, war von den Unruhen noch nichts zerlegt, der zurzeit im Knast sitzt. Im Gefäng- türkische Republik am 29. Oktober ihren 90. zu spüren. Doch während der rund dreiwöchigen nis trifft Schimanski zu seinem Erstaunen Geburtstag feiert? In dem Film „1001 Macht“ setzt Dreharbeiten im Juli und August dieses Jahres auf einen verzweifelten Kaijewski, der ihn sich Renan Demirkan mit dem Übervater ausein- bekam das Filmteam das Misstrauen gegenüber für einen Auftrag gewinnen will. Schimmi ander, der seine Reformen zur Modernisierung des westlichen Journalisten, das Ministerpräsident soll seine verschwundene 14-jährige Tochter muslimischen Landes nicht ohne Druck durch- Erdogan im Land geschürt hatte, deutlich zu gesetzt hat und auf alte Traditionen und religiöse spüren. Lange im Voraus angefragte Drehgeneh- Gefühle wenig Rücksicht nahm. Gemeinsam mit migungen wurden zwar nicht verweigert, aber WDR-Autor Florian von Stetten begab sie sich auf schlicht ignoriert, eine Planung dadurch unmög- die Spuren des Staatsgründers in der Türkei. lich. Um kein großes Aufsehen zu erregen, filmte Die Schauspielerin und Autorin geht in dem das Team mit einer kleinen Kamera – und wurde Roadmovie auch ihrer eigenen Geschichte auf den trotzdem von einem öffentlichen Platz vertrieben, Grund. In der Türkei geboren, in Deutschland groß obwohl Filmaufnahmen dort eigentlich ohne geworden, musste sie vor einigen Jahren einem Genehmigung erlaubt sind. Kein schönes Gefühl, Journalisten gegenüber zugeben, nicht viel über beschreibt Florian von Stetten die Situation, zumal das Land ihrer Eltern zu wissen. bekannt sei, dass Journalisten in der Türkei ohne „Wir haben nach einem deutsch-türkischen besonderen Anlass in Untersuchungshaft festge- Götz George am Set von „Loverboy“ Foto: WDR/Stratmann Blick gesucht, nach einer prominenten Person, halten werden können. Dennoch hat die Reise, finden, die mit ihrem Freund abgehauen ist. die in Deutschland zu Hause ist und türkische die das Team mehrere hundert Kilometer durch Die Ermittlungen führen auf den Duisburger das Land geführt hat, ihm Straßenstrich, zu den „Loverboys“, die junge auch die Augen für die Mädchen erst dazu bringen, sich zu verlieben, Vielschichtigkeit des Lan- um sie dann für die Prostitution gefügig zu des geöffnet – und für die machen. Fehlbarkeit der westlichen In „Loverboy“ ist Götz George bereits zum Klischees. „Wir assoziieren 17. Mal als Horst Schimanski im Einsatz. An Atatürk mit Modernität, seiner Seite spielen unter anderem Chiem van Erdogan mit rückwärts- Houweninge, Julian Weigend, Denise Virieux, gewandter Islamisierung. Anna Loos, Nina Kronjäger und Marek Wlo- Doch das Verhältnis der darczyk. Gedreht wurde in Duisburg, Köln und Türken zu ihrem Land ist Rotterdam. geprägt von Widersprüch- Unter der Marke „Tatort“ stand George in die- lichkeit. Junge Türkinnen, Für „1001 Macht“ sprach Renan Demirkan (r.) auch mit Zeynep Cöloglu von den ser Rolle schon zum 46. Mal vor der Kamera. die froh sind, dank Erdogans antikapitalistischen Muslimen. Foto: WDR/Baum Wer nicht bis zur Ausstrahlung am 10.11. Beschluss in der Uni wieder (20:15, ARD) warten möchte, sollte zur 23. Wurzeln hat. Der das Land und seine Geschichte Kopftuch tragen zu dürfen, protestieren gegen die Conference kommen: Anlässlich eigentlich auch fremd sind, die es aber verstehen Politik des Ministerpräsidenten und berufen sich des 75. Geburtstags von Götz George wid- möchte und dabei unsere, die deutschen Fragen auf Atatürk.“ Wie viel Freiheit konnte sich in den men die Veranstalter des Filmfestivals dem stellt“, erklärt WDR-Redakteurin Gudrun Wolter. letzten 90 Jahren in der Türkei entwickeln – trotz großen Charakterdarsteller am 3.10. im Köl- Renan Demirkan passte da perfekt – der Vater ein oder wegen Mustafa Kemal Atatürk? Laura Nagel ner Kino „Residenz“ eine Kultnacht mit drei Kemalist, froh, dank Atatürk Ingenieur werden „Schimanski“-Filmen. Als Preview wird um und die westliche Philosophie kennen und lie- „1001 Macht. Ein türkisches Abenteuer“ 18:30 „Loverboy“gezeigt – mit George als ben lernen zu können. Die Mutter ein gläubiger Geschichte im Ersten Ehrengast. Mit dem Köln-Tatort „Franziska“ Mensch, verwurzelt in der alten orientalischen eröffnet ein weiterer Tatort am 29. September Türkei. Renan Demirkan sagt von sich selbst, sie Das Erste die Cologne Conference. CS sei „zwischen Kant und Koran“ groß geworden. DO / 28. Oktober / 23:30

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Die letzte Schlacht gegen den DA EMON DARKNET

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Regisseurin Petra Feldhoff im Studio

Mit dem Hörspiel „Darknet“ produziert der WDR großes Kino für den Kopf. Mit einer hochkarätigen Besetzung von 42 Schauspielern entstand ein Cyber-Thriller. Den opulenten Soundtrack zu „Darknet“ hat unter anderem das WDR Rund- funkorchester eingespielt. Und für zwei kleine Gastrollen stand sogar WDR-Intendant Tom Buhrow vor dem Mikrofon – unter anderem als Nachrichtensprecher. Die letzte Schlacht gegen den DA EMON

Der Darknet-Agent Major (Thomas Loibl) während einer Action-Szene. Wer sich der virtuellen Macht unterordnet, erlebt die Realität wie ein Com- puterspiel und wird mit unge- heuren Kräften ausgestattet. Fotos: WDR/Hattenberger 27 Radio

Der Schauspieler röchelt und stöhnt ins Mikrofon, dann ist sein Job erledigt. Sein letztes Wort in dieser Produktion ist ein lautes, lang 1. gezogens „Nein“.

„Könntest du nochmal etwas länger ster- ben?“ „Darknet“-Regisseurin Petra Feldhoff hat klare Vorstellungen davon, wie Schauspieler Flo- rian Seigerschmidt sein Leben aushauchen soll. Schön langsam, bevor er brutal dahingemetzelt wird. Und zwar von einem unbemannten Motor- rad. Der Schauspieler röchelt und stöhnt ins Mi- krofon, dann ist sein Job erledigt. Sein letztes Wort in dieser Produktion ist ein sehr lautes, lang gezogenes „Nein“. In dem WDR-Hörspiel „Darknet“ steckt viel Action, es ist eine Art „Cyber-Action- Thriller“. „Wie ,Terminator’ ohne Bild“, sagt Ton- ingenieur Jürgen Glosemeyer.

Fortsetzung des WDR-Hörspiels „Daemon“ Der Zweiteiler „Darknet“ ist die Fortsetzung des WDR-Hörspiels „Daemon“, das im Frühjahr 2013 in drei Teilen ausgestrahlt wurde. Beide Pro- duktionen basieren auf den 2006 und 2009 veröf- fentlichten gleichnamigen Science-Fiction-Roma- nen des ehemaligen Software-Entwicklers Daniel Suarez, für die auch eine Hollywood-Verfilmung geplant ist. In der von Andreas von Westphalen geschriebenen Hörspielfassung stirbt der geniale Computerspiele-Entwickler Matthew Sobol (Christian Redl) und hinterlässt ein gefährliches Programm: den Daemon, gewissermaßen Sobols virtueller Doppelgänger. Einmal aktiviert, über- nimmt der Daemon die Kontrolle über die digital vernetze Welt. Das Programm infiziert Unterneh- mensnetzwerke, spioniert Konsumentendaten und soziale Netzwerke aus und findet dadurch eigene Gefolgsleute, die Darknet-Agenten. Diese Agenten findet Sobol mit einem Computerspiel, das die Fähigkeiten der Gamer testet und sie rekrutiert. Für Hörspiel-Regisseurin Petra Feldhoff hat dieser Stoff etwas Visionäres. Zum Beispiel die sogenannten Head-Up-Displays, spezielle Brillen, über die das Daemon-Programm Informationen und Befehle vermittelt: „Jetzt gibt es diese Google- Brillen, im Buch werden sie bereits von allen getra- gen, die im ‚Darknet‘ tätig sind.“ Für die Agenten werde so die ganze Welt zu einem Computerspiel. Mit fatalen Folgen: Wer nicht mitspielt, muss ster-

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2. 1. Links.: Oliver Stritzel ben. „Wirtschaft, Geheimdienste, der Staat und spricht Boerner, eine der Daemon bekriegen sich zwar heftig“, erklärt Computerfigur aus dem Internetspiel. Regisseurin Feldhoff, „aber am Ende geht es um etwas ganz anderes: um Befreiung.“ Der Daemon 2. Motorrad-Stuntman hat nämlich das „Darknet“ erschaffen, das der Marc Reiter rast durch eine Tiefgarage. Tonaufnahmen Menschheit helfen soll, sie vom Raubtierkapita- für die Szenen mit einem lismus zu befreien. tödlichen Motorrad.

3. Shen verkörpert durch Handgemachte Musik als Soundtrack Sebastian Graf. „Darknet“ wird ebenso aufwändig produziert wie „Daemon“, für das beispielsweise Stuntmen 4. Philips (Lavinia Wilson) und Ross (Paul Herwig) für die Motorradszenen engagiert wurden. Auch verlieben sich ineinander, der für die ersten Folgen auf dem Studiogelände in als sie gegen das Compu- Köln-Bocklemünd extra aufgenommene Sound des tervirus kämpfen. fremdgesteuerten und mordlüsternen Geländewa- 5. Tobias Oertel (r.) gehört gens Hummer-H4 kommt wieder zum Einsatz. Die 3. 4. neben Dustin Semmel- vielen anderen Sounds hat das Produktionsteam rogge zum Cast der Hörspielproduktion. nicht nur aus dem Archiv geholt, sondern selbst am Computer hergestellt oder auf ganz analoge 6. Tom Buhrow übernahm Weise selbst gemacht: Für die Szenen, in denen unter anderem die Rolle eines Nachrichtenspre- Körperteile abgetrennt werden, hackten sie kur- chers. zerhand ein paar Melonen entzwei. Auch der Soundtrack ist zum großen Teil 7. Das WDR Rundfunkor- chester spielte die Aufnah- handgemacht und kommt nicht nur aus dem men für das Hörspiel im Computer. Denn die Profis wissen: Die Sounds in 5. Klaus-von-Bismarck-Saal Computerspielen klingen schon lange nicht mehr des WDR ein. Fotos: WDR/Hattenberger wie mit einem billigen Synthesizer gemacht. „Um diese Spielewelt herzustellen und das Soundde- 6. sign gegen die reale Welt abzugrenzen, brauchten wir auch ein großes Orchester und sind sehr froh, dass das WDR Rundfunkorchester mehrere Titel des von Felix Rösch komponierten Soundtracks eingespielt hat“, sagt Regisseurin Feldhoff. „Denn die Spieleproduzenten arbeiten heutzutage alle mit großem Hollywoodorchester.“ Der Aufwand hat sich gelohnt: „Daemon“ ist inzwischen für den europäischen Radiopreis „Prix Europa 2013“ nominiert worden. Christian Gottschalk 7.

„Darknet“

1LIVE Teil 1 DO /17. Oktober /23:00 Teil 2 DO /24. Oktober /23:00

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Jochen Rausch im 1LIVE-Haus Foto: WDR/Dahmen

30 Radio WELCHE ZUKUNFT

Seit 90 Jahren gibt es Radio. Das klingt nach Konstanz. Aber in Wirklich- keit verändert sich die Medienwelt derzeit rasant. Wie hört sich Radio in HAT DAS zehn Jahren an? JOCHEN RAUSCH: Zehn Jahre sind in der digitalen Welt eine Ewigkeit. Des- halb kann niemand seriös vorhersagen, wie es sein wird. Sicher aber ist das Radio stärker in Gefahr, als manch einer es wahrhaben möchte. Noch hat das Radio seinen exklusiven Verbreitungsweg UKW. Aber längst nutzen die RADIO? Jüngeren ihre Smartphones für jeglichen Medienkonsum. Und dort muss das gute alte Radio sich gegen Videos, Spiele und soziale Netzwerke behaupten.

Wie wird das Radio der Zukunft klingen? 90 Jahre Radio. Das sind 90 Jah- RAUSCH: Zunächst einmal steht es vor einer tiefgreifenden Zäsur. Wir müssen unsere Radiosender zu starken multimedialen Marken entwickeln. Wichtig re Kultur- und Mediengeschich- ist dabei, dass wir uns nicht von digitalen Verbreitungswegen und Plattfor- men abkoppeln lassen. Medienkonzerne wie Apple oder Facebook nehmen te. In der Welt der Apples und uns sonst das Geschäft aus der Hand. Und wir Radioleute dürfen nicht dem Irrtum verfallen, die digitale Evolution gehe schon irgendwie an uns vorüber. Googles stellt sich aber nun mit Wir sind davon genauso betroffen wie alle anderen klassischen Medien auch. Macht die Zukunftsfrage. Nur Schon jetzt hören junge Menschen viel weniger Radio als ältere. soviel ist sicher: Radio muss Müssen die Sender weg von linearen Programmen, die einem vorgege- benen Ablauf folgen? mit Internet und Bewegtbild zu RAUSCH: Wir haben nach wie vor ein sehr großes Publikum, das so Radio hören will, wie es das seit Jahrzehnten gewohnt ist. 1LIVE beispielsweise einer radiogetriebenen Medien- erreicht in NRW trotz der Radiomüdigkeit der Jungen mehr junges Publikum als etwa Pro7 oder RTL und ist auch im europaweiten Vergleich der stärkste marke verschmelzen, die das junge öffentlich-rechtliche Radiosender. Aber so wird es nicht bleiben: wir müssen uns doppelt anstrengen, indem wir klassisches Radio machen und Publikum mit in die digitale uns gleichzeitig auf die digitale Welt einstellen. Es reicht nicht aus, im Inter- net analoges Radio zu senden und auf der Internetseite ein paar begleitende Welt nimmt. Sagt 1LIVE-Chef Informationen zu veröffentlichen. Wir müssen Radio, Internet und Bewegtbild Jochen Rausch. Und: „Wir sind zu radiogetriebenen Medienmarken zusammenbringen. Was heißt das konkret? super aufgestellt.” Das WDR- RAUSCH: Etwa die sozialen Netzwerke nutzen und uns stärker mit den Hörern verbinden. Wir sind nicht mehr nur Sender, wir werden zum Empfänger. Wir Radio habe das Potenzial, in der müssen uns als ein Medium verstehen, das permanent im Internet präsent ist. Am Ende treffen sich alle Medien im Internet. Dafür brauchen wir vor allem Digitalität zu überleben. auch Bewegtbild. Audio allein ist im Netz nicht attraktiv. Das WDR Fernsehen und die ARD haben zwar sehr viel anzubieten, was beispielsweise zu WDR 2 oder zu WDR 5 passt, aber wir haben nicht genug junges Fernsehprogramm, mit dem sich 1LIVE vernetzen könnte. Da lassen wir sehr viel Potenzial liegen. Wir haben fast 300 000 überwiegend sehr junge Follower auf Facebook, können sie aber kaum mit WDR-Inhalten verlinken, weil diese Inhalte sich an ein älteres Publikum richten. Die Jungen wollen von uns Pop, Comedy, Musik, Stars, das haben wir aber kaum im Angebot. Natürlich erhöht all das den Aufwand. Aber wenn wir nicht handeln, spielen wir bald nicht mehr mit beim jungen Publikum. Fortsetzung nächste Seite

31 Radio

Fortsetzung von Seite 31 wesentlichen Anteil an einer funktionierenden Demokratie und an der kul- Schon jetzt machen Comedystars wie Y-Titti einen Bogen um die klassischen turellen Entwicklung Nordrhein-Westfalens. Das alles unterscheidet uns von Medien und erreichen im Internet ein Millionenpublikum – das muss uns den Apples und Googles dieser Welt, denen es in allererster Linie um Milli- alarmieren. ardengewinne geht. Es kommt allerdings darauf an, dass unsere Hörer die Unterschiede auch im Programm hören und sich für uns entscheiden. Aber es gibt doch auch noch die klassischen Hörsituationen, zum Beispiel beim Autofahren. Das könnte aber auch heißen, öffentlich-rechtliches Radio macht ein gutes RAUSCH: Auch das Auto wird digitalisiert werden. Über kurz oder lang gibt Angebot, es bekommt nur in Zukunft keiner mit. es internetfähige Empfangsgeräte im Auto. Dies eröffnet den Automobilher- RAUSCH: So schwarz sehe ich nicht. Die Hörer wissen, was sie an uns haben. stellern vollkommen neue Möglichkeiten zur direkten Kommunikation mit Wir haben es ja auch geschafft, mit einem öffentlich-rechtlichen Programm wie den Kunden. Man kann Fragen 1LIVE junges Publikum zu ziehen. zum Auto stellen oder den Kunden Junge Leute sind also nicht gene- schöne Hörbücher liefern, Wetter- 90 Jahre Radio – im Radio rell gegen den WDR. Im Gegenteil: vorhersagen und Verkehrsfunk Vor 90 Jahren entstand ein Massenmedium, als unser Publikum findet es gut, dass sowieso. Das klassische Radio ist in Berlin die „Deutsche Stunde, Gesellschaft für wir nicht ständig etwas verkaufen in diesen Geräten nur noch ein drahtlose Belehrung und Unterhaltung mbH“ wollen. Trotzdem müssen wir auf- Angebot unter vielen. auf Sendung ging. Aus diesem Anlass blicken die passen, nicht in die Nischen abge- WDR-Hörfunkwellen am 29. Oktober mit vielen drängt zu werden, wo uns kommerzi- Das hört sich düster an. Wie sähe Sendungen zurück auf 90 Jahre Radio. Aber sie elle Anbieter gerne sähen. Nur wenn denn eine digitale Strategie fürs schauen auch nach vorn und wagen Prognosen wir auf den Massenmärkten bleiben, Radio aus? für die Zukunft des Mediums. Unter anderem können wir als öffentlich-rechtliche

RAUSCH: Wir werden für unab- Foto: WDR/Mediendesign widmet sich das »WDR 5 Morgenecho« (6:05- Radios unsere Existenz auf Dauer sehbare Zeit das Alte und das Neue 9:00) der Digitalisierung des Radios und ihren sichern. Sonst laufen wir Gefahr, zu parallel anbieten müssen. Das ist Folgen. Wie beeinflussen etwa Nischenradios im einer im öffentlichen Diskurs eher eine große Herausforderung und Netz die politische Meinungsbildung? Auch im WDR 5-Kulturmagazin »Scala« bedeutungslosen Institution zu wer- Belastung. Noch ist der Zug nicht (12:05-13:00) wird – ausgehend von der Kulturgeschichte des Rundfunks – über den, wie es beispielsweise das Public abgefahren. Es gibt ein Zeitfens- die Perspektiven des Radios in digitalen Zeiten nachgedacht. Funkhaus Europa Radio in den USA ist. ter, von dem wir nicht wissen, wie schaut über den Tellerrand und diskutiert die Bedeutung des Radios in Ländern, lange es noch offen ist, in dem wir in denen gravierende gesellschaftliche Veränderungen stattfinden, wie derzeit Wie wollen Sie sich auf dem Mas- die Chance haben, einen Großteil im arabischen Raum. EB senmarkt halten, auf den alle Kon- unseres Publikums mit in die digi- kurrenten abzielen? tale Welt zu nehmen. Die Menschen in NRW mögen ja die WDR-Radios: jeder RAUSCH: Wir müssen aufhören in Kategorien wie Radio, Fernsehen und Zweite hört täglich zu. Das schafft einen Vorsprung in einer Welt, in der wir Internet zu denken. Wir müssen uns als großes Ganzes verstehen. Wir sind jetzt schon mit tausenden Webradios und Musikchanneln konkurrieren. in NRW der ideale Rundumversorger für Unterhaltung, Information, Kultur, Regionalität. Viele private Radios wären doch froh, wenn sie mit der Tagesschau Wie begegnet man dieser Konkurrenzsituation? oder dem WDR-Fernsehen kooperieren könnten. RAUSCH: Wir müssen konsequent unsere Vorteile ausspielen. Radio ist ja vor allem ein sinnliches Medium. Dass wir seriös und schnell journalistisch Welche Rolle spielt in der digitalen Welt die Vor-Ort-Präsenz? informieren ist ohnehin gesetzt. Aber es geht im Radio nun mal vor allem RAUSCH: Der WDR-Hörfunk ist ja jetzt schon der größte Kulturproduzent um Emotionen. Die Freude an Popmusik, Jazz oder Klassik, an der Kultur, an in NRW. Ohne den WDR wäre das kulturelle Leben in diesem Land sehr viel Comedy, an intelligenter Unterhaltung, das steht für viele Radiohörer im Vor- ärmer. Alle Radios sind mit hochklassigen Events im Land unterwegs. Das ist dergrund. Und sie hören gerne kompetente und unterhaltsame Moderatoren. auch zur Absicherung der Marken unerlässlich. Wir schaffen hier eine spürbare Bei 1LIVE versuchen wir schon seit Jahren, Radiostars aufzubauen, das ist ja Nähe, die außer uns keiner schafft – das ist im Zeitalter der digitalen Evolution auch beispielsweise mit Sabine Heinrich oder Briesch/Imhof gelungen. Und fast noch wichtiger als je zuvor. nicht zuletzt sind wir den Menschen in NRW nahe, das ist ein klarer Vorteil gegenüber Sendern, die im Silicon Valley oder in China gemacht werden. Macht das Radiomachen demnächst weniger Spaß? RAUSCH: Ich denke, es wird anstrengender. Wir können nicht vor uns hinsen- Wie kann man gegen große Player wie Apple oder Spotify bestehen, die den und alle paar Jahre einen Relaunch machen. Relaunch ist jeden Tag. Und in den deutschen Radiomarkt drängen? es hilft auch nicht, in den Rückspiegel zu sehen und den guten alten Zeiten des RAUSCH: Wir sind unabhängig von kommerziellen Interessen. Wir haben Dampfradios nachzutrauern. Oder zu hoffen, dass das Internet wieder abge- einen hohen journalistischen Qualitätsstandard. Wir Öffentlich-Rechtlichen schafft wird. Wir sind super aufgestellt, wir haben viele tolle Moderatorinnen stehen nicht unter Verdacht, zur Musik- oder Spieleindustrie zu gehören, wir und Moderatoren und Reporter und Redakteure, wir haben das Potenzial, sind nicht Teil von Vermarktungsstrategien internationaler Konzerne, wir dass das WDR-Radio in NRW die meistgehörte Stimme bleibt und wir in der haben einen unvoreingenommenen Blick auf die Dinge, wir haben einen Digitalität überleben. Mit Jochen Rausch sprach Sascha Woltersdorf

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Mit sieben Hörspielen der Reihe »Nur Mut.« Neue Hörspielreihe setzen die WDR- Hörfunkprogramme »NUR MUT.« einen besonderen greifen die Themen also Schwerpunkt und sozusagen aus dieser künst- lerisch verdichteten Luft.“ plädieren für mehr Da der WDR Hör- spiele auf drei Wellen sen- Courage und mehr det, decken die Stücke der Reihe eine gewisse Vielfalt Experimente. ab. Auf dem Sendeplatz „Bühne Radio“ bei WDR 3 läuft beispielsweise am Mut bedeutet nicht unbedingt, etwas 27. Oktober ein Klassiker Gefährliches zu tun. Mut steht dafür, Angst zu aus den Archiven: Georg überwinden – aber auch für Optimismus und Zivil- Büchners Revolutions- courage. Der WDR widmet dieser inneren Haltung Drama „Dantons Tod“ eine Hörspielreihe. Denn: „Definitiv brauchen wir in einer Produktion des mehr Mut!“, findet WDR-Hörspielchefin Martina BR von 1948 (20:05). Die Georg Büchner auf einem Stich um 1835 Foto: WDR/AKG Müller-Wallraf. „Im Moment befinden wir uns in Inszenierung mit Schau- einer Zeit, in der die Hauptstrategie Prävention In dem Hörspiel des österreichischen spielerlegenden wie Fritz Kortner und Elfriede und Risikominimierung zu sein scheint. In Regisseurs Petschinka liefert sich eine Megafon- Kuzmany besitze gerade in ihrem historischen der alle nur darauf schielen, was die anderen Anarchistentruppe ein Schrei- & Crash-Duell mit Sound großen Reiz, sagt Müller-Wallraf. machen: Womit war jemand schon mal erfolg- dem Direktor des „Circus Maximus“. Und zwar Besonders angetan hat es ihr aber ein Hör- reich?“ Das aber führe zu ewigen Wiederholun- am 26. Oktober in WDR 3 (15:05). Den Mut der spiel aus einem völlig anderen Genre. Nämlich gen, sagt Müller-Wallraf. „Also ist »Nur Mut.« ein Verzweiflung beweist der arbeitslose Held aus eine Science-Fiction-Story des deutschen Autors Plädoyer für das Unkalkulierbare, das Wagnis, das der Ruhrgebiets-Tragikomödie „Jimi Bowatski Matthias Schamp, die am 14. Oktober auf WDR 3 Experiment.“ Mut und gute Ideen zeichneten die hat kein Schamgefühl“ am 15. Oktober in WDR 5 (23:05) und am 15. Oktober auf 1LIVE (23:00) läuft. in diesem Schwerpunkt versammelten Hörspiele (20:05). Jimi fährt zur Villa seines Ex-Chefs, Allein schon der Titel hat die WDR-Redakteurin aus, sagt Müller-Wallraf. Vielleicht auch Wagemut, um sich seinen Job zurückzuholen – mit einem überzeugt: „Der Aufstand in den Sinnscheiße- Irrsinns-Mut, unsinniger Mut. „Aber eins ist die Schweinebolzenschussgerät … Bergwerken.“ Barbara Buchholz Reihe bestimmt nicht: erwartbar, austauschbar, Solche aktuellen Stücke zeigten, dass poli- statistisch vorhersehbar.“ tische oder gesellschaftsrelevante Themen wie in diesem Fall der Mut in der Luft liegen und von Mehr Infor- mationen zu Das Monster im Flur den Künstlern und Radiomachern aufgenommen Beiträgen der Hörspielreihe Unter den Beiträgen, die vom 14. bis 27. Okto- werden, sagt Hörspielchefin Müller-Wallraf. „Wir »Nur Mut.« ber im Programm von 1LIVE, WDR 3 und WDR 5 laufen, sind einige brandneue WDR-Produktionen wie „Monster“. Das Stück erzählt am 21. Oktober in Bild links: Dirk Laucke, WDR 3 (23:05) und am 22. Oktober in 1LIVE (23:00) der Dramaturg hat die Ruhrgebiets- Tragiko- von Duck Macatarsney. Die 16-Jährige will einfach mödie „Jimi Bowatski“ ein normales Leben führen – aber dafür muss sie umgesetzt. nicht nur die Monster in ihrem Flur bändigen. Foto: WDR/ddp

Duck lebt allein mit ihrem kranken Vater, einem Eberhard Petschinka, Ex-Biker, der seine MS-Schübe mit Joints zu lindern Regisseur von „Circus versucht und die Nächte vor dem Computer ver- Maximus" Foto: Hummel, ORF bringt. Dann kündigt sich eine Dame vom Jugend- amt an – und Duck muss etwas unternehmen.

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immer um Wahrheit und das ist viel mehr als nur schöne Töne.“ Melodien der Im Mittelpunkt der Geburtstags-Rezep- tion steht einmal mehr die gigantische Rivalität zwischen Verdi und seinem deutschen Widersa- cher Richard Wagner – beide 1813 im Jahr der Völ- kerschlacht zu Leipzig geboren. Der eine suchte WAHRHEIT in der Musik die Tiefen des Menschlichen; der andere die mystischen Weihen elitärer Weltsicht. Am 10. Oktober, wenngleich das Datum Dieser „Kontrapunkt“ ist so essentiell, dass er in der Verdi-Ehrung auf WDR 3 immer wieder umstritten ist, feiert die Welt den 200. thematisiert wird. Hildburg Heider spürt ihm zum Geburtstags-Auftakt im „WDR 3 Musikporträt/ Geburtstag des italienischen Komponisten Das Wahre erfinden ist besser!“ nach (Donnerstag, 3. 10., ab 15:05). Verdi wird in diesem Report bio- Giuseppe Verdi (1813 – 1901). In Deutschland graphisch genau verortet. Die Autorin reiste nach Le Roncole und Busseto in Oberitalien, nicht um ist die Begeisterung besonders groß, denn glänzende Opernpaläste in den Fokus zu rücken, sondern um die einfach-schlichte Herkunft des hierzulande zählen Opern wie „Aida“, Opernklassikers auszuloten. Allerdings, Gius- eppe, genannt Peppino, wuchs weder in Armut „La Traviata“ oder „Nabucco“ zu den noch in bildungsfeindlichem Milieu auf. Schon früh schenkte ihm der Vater, Gast- und Landwirt, beliebtesten Werken klassischer Musik. ein Spinett, eine Frühform des Cembalo, und för- derte sein offenkundiges musikalisches Talent. Heider sieht den Maestro einerseits im Fahrwas- ser großer Vorbilder wie Bellini, Donizetti und Eine Opernsaison Rossini, andererseits aber schon früh auf ganz ohne das Genie aus Le eigenen Wegen, „indem er sich dem Wahren des Roncole bei Parma scheint Menschen öffnete – klar, echt, leidenschaftlich so undenkbar wie Pasta und höchst intuitiv“. ohne Parmesan oder Bühne ohne Shakespeare. Richard Historische Fassung der Oper „Attila“ Lorber, Musik-Redakteur In die musikalische Vielfalt des Maestro und gestandener E-Musik- kann man förmlich im »WDR 3 Klassik Forum« Kenner beim WDR, bringt versinken (Samstag, 5. 10., ab 9:05). Drei Stunden die Verdi-Begeisterung auf lang mischt Moderator Kalle Burmester typische den Punkt: „Verdi ist der Verdi-Cocktails vom frechen Salonlied bis zur menschliche Komponist, großen Chorszene, von den ersten Ouvertüren vielleicht der mensch- bis zum Fugen-Finale des späten „Falstaff“ – bis lichste von allen, Ausnahme der ganze Verdi-Kosmos sichtbar wird. Weitere Mozart. Mit seinen Figuren Höhepunkte: Das »WDR 3 Sonntagskonzert« (6. – etwa Falstaff, Othello oder 10., ab 10:05), das ausschließlich Verdi-Eigenpro- Rigoletto – kann man, ja duktionen der WDR-Klangkörper und der Kam- muss man sich identifizie- mermusik-Redaktion präsentiert sowie »WDR ren. Verdi adelt sie nicht, 3 Bühne: Radio« (6. 10., ab 20:05), das mit einer aber er verleiht ihnen den historischen Fassung der selten gespielten Oper Adel des Ausdrucks, wie es „Attila“ aufwartet, einstudiert 1972 an der Londo- Oben: Die Fotografie zeigt Giu- der Dirigent Riccardo Muti sah.“ »West.Art-Talk«- ner Oper mit dem Royal Philharmonic Orchestra seppe Verdi im Jahr 1889 – zwei Jahre vor seinem Tod. Moderator Holger Noltze, der das faszinierende unter Dirigent Lamberto Gardelli. Foto: WDR/AKG/Pietro Baguzzi Buch „Liebestod“ über die Opern-Heroen des Reiner Brückner 19. Jahrhunderts schrieb, legt nach: „Verdi hat Rechts: Diese Postkarte zeigt die Silhouette Giuseppe Verdis. nicht nur schöne Melodien komponiert, sondern Foto: WDR/Lebrecht Music & Arts den Menschen auf den Grund geschaut: Es geht

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Richard DeRosa wird neuer Chefdirigent der WDR Big Band

Richard DeRosa wird zur Spielzeit zensemble zu werden – der WDR Big 2014/15 neuer Chefdirigent der WDR Band. Meine bisherigen Erfahrungen Big Band. DeRosa, 1955 in New York mit diesen wahrhaftig herausragen- geboren, verfügt neben seinen Fähig- den Musikern waren außerordentlich keiten als Dirigent und versierter fruchtbar“, sagt Rich DeRosa. Seine sowie einfallsreicher Arrangeur über Arran-gements und Kompositionen eine breite musikalische Stilistik, die sind in nahezu allen Bereichen der gut zum vielfältigen Repertoire der Musik gefragt – vom Jazz über Musi- WDR Big Band passt. cals bis zu Film-Soundtracks und „Ich freue mich sehr darüber, dass Videoclips. Auch große Solisten wie der Dirigent und Arrangeur Rich Toots Thielemans, Norah Jones oder DeRosa die Stelle als Chefdirigent der Cassandra Wilson schätzen seine WDR Big Band ab der Saison 14/15 kreative Arbeit. DeRosa spielte als übernehmen wird. DeRosa schreibt Arrangeur, Dirigent und Schlagzeuger für die Großen des Jazz und seine zudem umfangreiche Aufnahmen für Orchesterarbeit ist überragend. Seine zahlreiche Labels ein, unter anderem Mit DeRosa bekommt die WDR Big Band einen stilistisch vielfältigen Chef. Foto: WDR/Kaiser stilistische Vielfalt zeugt von einem mit Susannah McCorkle und Gerry weiten musikalischen Horizont. Das entspricht Wolfgang Schmitz. „Ich bin voller Dankbarkeit Mulligan. An der University of North Texas leitet genau der Ausrichtung, die wir mit der WDR und Begeisterung darüber, neuer Chefdirigent DeRosa den Studiengang Jazzkomposition/Arran- Big Band verfolgen“, sagt WDR-Hörfunkdirektor und Arrangeur von Europas erfolgreichstem Jaz- gieren. EB

Was wurde aus den „Uni-Stürmern“?

Durch die Schulreform drängen Serie über Monate begleitet hat, konnte inzwi- dieses Jahr zwei Jahrgänge an die schen den erhofften Studienplatz bekommen. Der Universitäten. Zu Semesterbe- Einser-Abiturient beginnt ein Medizinstudium in ginn werden rund 40 000 zusätz- Köln und ist dabei, sich so langsam in die neue liche Studienanfänger erwartet. Lebenswirklichkeit als Studi einzufinden: „Ich Das Wissenschaftsmagazin »Leo- habe vor Semesterbeginn Vorkurse in Chemie, nardo« hatte in einer Serie über Physik und Mathe besucht“, sagt er. Auch, um den „Sturm auf die Unis“ berich- neue Leute kennen zu lernen. Himmelrath berich- tet. Nun zieht WDR 5 mit einem tet, dass alle Protagonisten seiner Serie einen Stu- Thementag Bilanz. dienplatz erhalten haben. Und auch die Unis, lobt Was sagen die Neu-Studenten? der Journalist, „haben enorm viel geleistet“. uri Welche Erfahrungen haben die Unis gemacht? Und was bedeu- tet der Ansturm für die Lehre Da war Abiturient Alexander vom Stein noch auf der Suche. Foto: WDR/Brill an den Hochschulen, fragt zum Beispiel die Sendung »Neugier genügt« sucht, weshalb es so schwer zu sein scheint, genau (Mo.-Sa., 10:05-12:00). Das »Morgenecho« vorauszusagen, wann zum Beispiel wie viele Thementag „Abi-Jahrgang XXL – (Mo.-Sa. 6:05-9:00) schickt Kandidaten in Absolventen für Fachlehrer benötigt werden. Und Sturm auf die Unis“ einen Testlauf, um herauszufinden, wie gut die am Ende wird alles gut – zumindest humorvoll. NRW-Hochschulen die Studieninteressenten »WDR 5 Spezial« überträgt einen „Science Slam“ beraten. »LebensArt« (Mo.-Do. 15:05-16:00) will aus Münster, bei dem Nachwuchsforscher und WDR 5 überprüfen, welche Unterstützung die Unis, ein Professor mit ihren Forschungsergebnissen in DI / 15. Oktober / von 6:05 – 23:30 Fachschaften, ASten und Hochschulradios den Form eines Wettkampfs um die Gunst des Publi- „gestrandeten Erstis“ bieten, die nicht mehr wei- kums kämpfen. Lachen ist dabei erlaubt. Die Beiträge ter wissen. Und das Wirtschaftsmagazin »Profit« Was wurde aus Alexander? der »Leonardo«- Reihe „Abijahr- (Mo.-Sa., 18:05-18:30) nimmt den „Schweinezyklus Der 19-jährige Alexander vom Stein, den der Jour- gang XXL“ Akademikerschwemme“ ins Visier und unter- nalist Armin Himmelrath für die »Leonardo«-

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Wünsche erfüllen in 72 Stunden

Die WDR 2-Möglichmacher lassen bis Ende zufliegen. Auch damit ist er Oktober die Träume der WDR 2-Hörerinnen bei den Möglichmachern und -Hörer Wirklichkeit werden. WDR PRINT an der richtigen Adresse. sprach mit WDR 2-Redakteur Julian Rochlitzer über große und kleine Wünsche. Gibt es Wünsche, bei de- nen die WDR 2-Möglich- Welche Wünsche erfüllen die WDR 2-Mög- macher passen müssen? lichmacher? ROCHLITZER: Wir kau- JULIAN ROCHLITZER: Der Fantasie sind dabei fen jetzt keine Autos, zah- keine Grenzen gesetzt. Je kreativer die Idee ist, len Bares aus oder schicken desto besser. Und wenn der jeweilige Wunsch die Hörerinnen oder Hörer erfüllt wird, ist WDR 2 mit Reporter Peter Schultz einfach in den Urlaub. live vor Ort und lässt die Hörerinnen und Hörer Hinter dem jeweiligen vor dem Radio mitfiebern. Wir haben den Mög- Wunsch muss schon eine lichmachern beim Ein neuer Kinderspielplatz? Das wäre ein Job für die WDR 2-Möglichmacher. Foto: Mauritius Geschichte stecken. Wünscheerfüllen aber ein zeitliches Limit künste aufweisen, damit die Projekt umgesetzt Wie erfährt WDR 2 von den Wünschen seiner gesetzt. Innerhalb von werden können. Hörerinnen und Hörer? 72 Stunden sollen die ROCHLITZER: Die Hörerinnen und Hörer kön- Träume Wirklichkeit Konkrete Beispiele? nen sich vom 30. September bis Ende Oktober auf Foto: WDR/Fußwinkel werden. In dieser Zeit ROCHLITZER: Die Wünsche können einen unserer Homepage wdr2.de mit ihren Wünschen glühen dann die Tele- gemeinnützigen Charakter haben oder einfach und Träumen bewerben. Die Redaktion wählt fondrähte der Redak- nur Spaß machen: Beispielsweise würden sich die dann die originellsten Ideen aus, über die Umset- tion und die Möglich- Möglichmacher um den Spielplatz in der Wohn- zung entscheidet am Ende das Los. Bis Ende Okto- macher müssen sicher siedlung kümmern, der schon seit langer Zeit ein ber werden wir ungefähr sechs Wünsche erfüllen Organisationstalent trauriges Bild abgibt. Ein anderer hat vielleicht den und Träume Wirklichkeit werden lassen. Julian Rochlitzer und Überredungs- Lebenstraum, einmal im Cockpit eines Jets mit- Mit Julian Rochlitzer sprach Tobias Zihn

ARD-HÖRSPIELPREIS Paul Plampers „Der Kauf“ ist nominiert – jetzt online abstimmen

Die WDR 3-Produktion Paul Plampers Stück entschie- „Der Kauf“ des Hörspielautors den. Eine Fachjury vergibt den und Regisseurs Paul Plamper Deutschen Hörspielpreis der ist für den Deutschen Hör- ARD, der mit 5 000 Euro ver- spielpreis der ARD nominiert. bunden ist. Die eingereichten Die Auszeichnung wird am 9. Beiträge werden außerdem im November während der ARD- Internet hochgeladen, Nut- Hörspieltage verliehen. Dieses zerinnen und Nutzer können Festival findet vom 5. bis 10. ihren Favoriten wählen. November in Karlsruhe statt Der Gewinner dieses und wird von der ARD und Publikumspreises ARD Online Deutschlandradio veranstaltet. Award erhält 2 500 Euro. Ab Für den Wettbewerb Anfang Oktober beginnt die reicht jede Hörspielredaktion Abstimmung unter hoerspie der zehn Landesrundfunkan- tage.ard.de. BaB

stalten eine Produktion ein – Hörspiele von Paul Plamper wurden bereits u. a. mit dem Hörspielpreis der Kriegsblinden das Team des WDR hat sich für ausgezeichnet. Foto: WDR/Kierok

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Meine Stadt SIEGEN

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Markus Krczal: Meine Stadt SIEGEN Eine Frage, die ich mir als Siegerländer ziem- Sieben Berge und ein „Krönchen“. lich früh gestellt habe, ist, ob das Krönchen auf der Nikolaikirche aus purem Gold ist. Denn passen Warum Siegen einfach liebens- würde es! Fürst Johann Moritz hat es der Stadt geschenkt, als er in den Fürstenstand erhoben wert ist, beschreibt Reporter wurde, es ziert den Turm der Nikolaikirche und ist das Wahrzeichen Siegens. Markus Krcal. Er lebt gerne in Über den immer wieder zitierten Spruch:„Was ist schlimmer als verlieren? Sie- seiner Heimatstadt und zeigt, gen!“ hätte Johann Moritz deshalb wahrschein- dass die Siegener gesprächiger lich laut gelacht und ich kann ihn ehrlich gesagt auch nicht mehr hören. Ich lebe und arbeite gern und geselliger sind als ihr Ruf. unterm Krönchen und Fakt ist: Die Stadt ist besser als ihr Ruf. Vor allem dort, wo sie sich erst entde- cken lassen muss. Wer nach Siegen kommt, der sieht es dann auch zuerst: das Krönchen. Auf den zweiten Blick im Moment aber auch eine riesige Baustelle. Zuge- geben, nicht gerade einladend, aber notwendig, denn das Zentrum der Stadt bekommt ein neues Gesicht. Dort, wo bis vor wenigen Monaten noch ein riesiger Parkplatz war, ist heute der Blick frei auf das Gewässer, das der Stadt den Namen gibt: die Sieg. Früher zubetoniert, heute wieder geöffnet, um das Zentrum attraktiver zu machen. Das neue Herzstück ist noch nicht fertig, aber trotzdem lässt sich erahnen, dass es schön wird, mit Sitzplätzen, Cafés und Geschäften. Hier in der „Unterstadt“ liegt auch unser WDR-Studio. Und wenn wir einmal im Jahr unsere Türen für Besucher öffnen, dann gibt’s hier Festivalstimmung. Dicht an dicht drängeln sich die Gäste durch die Straßen mit unseren Info- und Aktionsständen, bis zur Bühne direkt vor dem Theater. Genau: ein Theater hat Siegen auch. Das Apollotheater überzeugt unter anderem mit einem guten Kinderprogramm und eigener Biennale.

Blick auf zwei Schlösser Die „Oberstadt“ hat’s da schon schwerer, denn wie der Name schon sagt, muss man sie erst „erklimmen“. Aber es lohnt sich: Wer’s schafft, wird mit einem Blick auf die beiden Schlösser belohnt. Fortsetzung nächste Seite

39 Sendeplätze

1.

Und wer’s nicht zu Fuß schafft, der steigt in den „Hübbelbummler“ und lässt sich fahren. Aber Siegen ist städtisch und ländlich – auch bei genug von touristischen Anziehungspunkten, die erfahren Sie auch, wenn Sie in einem Stadtführer den journalistischen 2. blättern oder wenn sie einen waschechten Sieger- länder fragen. Ja, wir sind gesprächiger als viele Themen. denken! Ich verrate Ihnen aber jetzt, warum Siegen schon immer meine Heimat war und nach einem Stündchen querfeldein. Von hier aus kann ich Abstecher nach Köln sogar wieder geworden ist. nämlich auch auf die Stadt gucken. Und der Blick Es sind mit Sicherheit nicht die oben aufgezählten von weit oben aus der Ferne ist manchmal einfach Dinge. Das Gesamtpaket muss stimmen, und das dringend nötig! Danach ist der Kopf frei und der ist allein mit der Innenstadt noch nicht geschnürt! Körper erfrischt. Ein gutes Gefühl! Und während In der Tat habe ich meinen Lebensmittelpunkt an ich das hier schreibe fällt mir ein, es wäre mal den Stadtrand verlegt. Getreu dem Motto: in fünf wieder an der Zeit, die Turnschuhe zu schnüren. Minuten im Zentrum, in weniger als fünf Minuten Der goldene Oktober muss genutzt werden! schmeißen hauptsächlich die Frauen den Laden: auf dem Land. Quirlige Betriebsamkeit gibt’s ein paar Petra und Sonja, die Töchter des Hauses, haben Kilometer weiter. Ganz in der Nähe im Wald liegt das Geschäft übernommen und zwar mit Herzblut! Die waldreichste Region in NRW der Biohof Ohrndorf. Ein Geheimtipp. Für eine Da wird auch mal im Bikini das Heu eingefahren, Das Siegerland ist grün. Südwestfalen ist Reportage habe ich ihn entdeckt und der Kon- während sich die Altersgenossinnen im Freibad die waldreichste Region im Land und die Trup- takt ist geblieben. Einmal in der Woche packe tummeln. In der Landwirtschaft gibt’s eben keinen bacher Heide habe ich fast vor der Haustür – hier ich meine Familie ein und fahre dort hin. Jeden Urlaub, aber das merke ich den beiden Powerfrauen ist meine Lieblings-Laufstrecke, ob mit Turnschu- Freitag und Samstag öffnet hier der Hofladen, überhaupt nicht an. Ich glaube, sie haben es noch hen oder mit Gummistiefeln , Frau und drei Kin- mit selbstgezogenem Gemüse, frischer Milch und nie bereut, einen Bauernhof zu bewirtschaften. dern im Gepäck. Und wenn wie jetzt im Herbst viel frischer Landluft. Hier werden die Kartoffeln Und die Leidenschaft für Tiere und Natur ist anste- die Sonne schon so tief steht, dann ist das Licht noch mit der Hand geerntet und glauben Sie mir: ckend. Die Kinder füttern die Pferde, streicheln dort einfach einmalig. Ich bin hier auch selten man schmeckt das! Alle packen mit an, wenn die die Kaninchen und fahren Trecker. Und ich habe allein – Spaziergänger, Naturliebhaber, Sportler Ernte eingefahren wird und anschließend gibt’s das Gefühl, dass hier die Welt noch in Ordnung zieht es hierher. Ab und zu gönne ich mir ein frisch Gebackenes und ein Schnäpschen. Dabei ist und ich kann meine Gedanken erden. Egal ob

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3.

1. Markus Krczal fühlt sich in seiner Hei- mat Siegen pudelwohl. Für ihn stimmt hier einfach das Gesamtpaket.

2. Um den Kopf frei zu bekommen, joggt Markus Krczal oft durch die Trupbacher Heide.

3. Markus Krczal setzt für eine Reportage Petra und Sonja in Szene, die einen Bio- hof von ihren Eltern übernommen haben.

4. Für Markus Krczal ist der Biohof Ohrndorf ein Stück Siegen. Fotos: WDR/Maurer

meinen Streifzügen mit der Kamera begegnet Sie haben bestimmt schon bemerkt, ich bin 4. man sich auf Augenhöhe, ein offenes Gespräch ein Gourmet, und wie versprochen jetzt noch eine ist hier kein Reporterglück, sondern entsteht Sünde zum Schluss: Ab und an muss es bei mir automatisch. auch mal heiß und fettig sein. Und da verspreche Bevor ich Ihnen zum Schluss verrate, wo ich Ihnen: das weltbeste Gyros gibt’s in Siegen bei ich dann abends auch essenstechnisch mal Chris und seinen Kollegen. Der Imbiss hört auf sündige, zuerst eine kleine Neuentdeckung. den Namen „Esperos“, liegt ziemlich versteckt, Seit kurzem gibt es fast vor meiner Haustür aber wer zu angesagten Zeiten kommt (Sonntags die „Wiesenraute“. Eine Gärtnerei, die sich abends zum Beispiel), der muss sich in eine lange auf Stauden spezialisiert hat und zusätzlich zu Schlange einreihen. Hier genieße ich dann, auch prachtvollen Gewächsen auch noch ein kleines mal mit Kamerateam nach einem Dreh, Gyros Schmankerl parat hat. Denn während meine Frau Pommes Mayo mit extra viel Zwiebeln und der Sonne oder Regen, wenn wir abends nach „Stall“ sich die neuesten Exemplare für unseren Garten Garantie, dass der Laden Qualität bietet. Also: duftend nach Hause kommen, geht’s uns einfach anschaut, kann ich den Tag hier bei einer guten Wer nach Siegen kommt, der kann nur gewinnen. gut. Und wenn dann noch ein erntefrischer Salat Tasse Kaffee und einem ausgiebigen Frühstück Und zum Thema Krönchen: das ist zwar nicht aus auf den Tisch kommt ist der Tag perfekt. beginnen. In der Wiesenraute bekommt der purem Gold, sondern inzwischen aus vergolde- Hobbygärtner, oder eben auch jeder, der gern tem Edelstahl, aber es soll eben auch lange halten, Gar nicht bio: Gyros, Pommes, Mayo in der Natur is(s)t, jeden Freitag ein liebevoll denn über Siegen steht es zu Recht. Gutes und gesundes Essen ist mir wich- zusammengestelltes Frühstück. Mit duftenden tig. Und nirgendwo sonst gelingt das bewusste Brötchen, selbst gemachter Marmelade und Kochen und Genießen so gut wie hier, davon Obst. Hier im Wiesenrauten-Café sitzt man wie bin ich überzeugt! Denn weil wir ringsherum in einem schwedischen Sommerhaus, kann die Landwirtschaft haben, viele Biobetriebe und frische Luft genießen und Kunsthandwerk aus kleinere Erzeuger, wissen wir immer, woher der Region bestaunen. Und sich nebenbei übers Markus Krczal (40) arbeitet seit 1996 als freier unsere Lebensmittel kommen. Ein Hof mit 50 Gärtnern austauschen. Und wenn die Wiesen- Reporter und Autor hauptsächlich für die »Lokal- Milchkühen statt 500 ist eben selten in einen raute zum „Mittsommerfest“ einlädt oder zum zeit Südwestfalen«. Nach ein paar Jahren in Köln Skandal verwickelt. Und: man kennt sich hier „Rosenzauber“, dann trauen sich ziemlich viele arbeitet und lebt er mit seiner Frau und seinen und hat Vertrauen, das nicht ausgenutzt wird. Siegerländer hierher, denn auch Neues kann gut drei Kindern wieder in seiner Heimat Siegen. Das wiederum spüre ich auch bei der Arbeit: bei sein!

41 Perspektiven Was habt ihr gelernt beim WDR? Tschüss. Und herz- lich will- kommen! Die Programm- volontäre 2012/13 haben sich Ende September verabschiedet. Der neue Jahrgang ist seit April 2013 im Sender. Jungvolontärin Anna Neifer befragte für WDR PRINT drei ihrer Vorgänger zu ihrer jour- nalistischen Ausbildung im WDR.

Anna Maria Neifer (27) ist seit einigen Monaten Programmvolontärin beim WDR. Sie hat an der Essener Uni Spanisch sowie Wirtschaftswissenschaften, Literatur und Medienpraxis studiert und als Journalistin für lokale Zeitungen gearbeitet. Fotos: WDR/Heisch

42 Perspektiven

Was habt ihr Martha Wilczynski: Tina Srowig: Jonas Wixforth: „Kann ich nicht „Ich kann mich noch gut erinnern, dass ich Auch Jonas Wix- gibt’s nicht – das vor einem Jahr nervös meinen ersten O-Ton forth findet die hab ich direkt in für das Studio Bielefeld geholt habe. Jetzt laufe erste Seminar- gelernt meinen ersten ich schon wie selbstverständlich durch das phase des Volon- Tagen als Volo ARD-Hauptstadtstudio“, sagt Tina Srowig tariats „äußerst bemerkt. Wenn durchaus stolz. Dass die Ausbildung beim wichtig“. Alle zehn beim WDR? man Lust hat, neue WDR trimedial ist, empfand sie als Berei- Programmvolon- Sachen auszupro- cherung. Ebenso das Vertrauen in sie als täre hätten ganz bieren, dann bietet Volontärin: In Bielefeld durfte sie als Sende- unterschiedliche der wdr sehr viel redakteurin für die »Lokalzeit OWL« ran. Sie Voraussetzungen Raum dafür.“ Auch war dafür zuständig, die Beiträge der Autoren mitgebracht aus wenn journalisti- abzunehmen und zu kontrollieren, ob alle den Bereichen sche Praktika und Sendungselemente auf dem Server vorliegen. Fernsehen, Hör- freie Mitarbeit „Da schoss mir ordentlich Adrenalin in die funk, Print und Vor ausset z u ng Adern – auf einmal war ich mitverantwortlich Online. „Deswe- sind, um überhaupt für ein Volontariat in dafür, was live auf dem Sender passiert.“ gen war es wichtig, noch mal die Grundlagen Frage zu kommen, wurde Martha Wilczynski Beim WDR die Möglichkeit zu bekommen, ihr des Fernseh- und Radiomachens im Schnell- schnell klar, dass ihr in einigen Bereichen das Volontariat zu machen, bedeutet für sie aber tempo durchzugehen. Hörfunk-Schalten, Basiswissen fehlt. Ihr Wissen vor dem Volonta- auch, nicht zur Einzelkämpferin, sondern zur Ü-Wagen-Technik, Sendungen planen, Nach- riat hatte sie durch „Learning-by-Doing“ selbst Teamworkerin ausgebildet zu werden. „Man richtenfilme, Fernsehreportage und so weiter.“ herausgefunden. Die Seminare des Volontariats darf auch mal Kri- Auch Online spielt eine große Rolle und wird bescherten ihr so manches Aha-Erlebnis. „Ich tik äußern – vor noch eine größere Rolle in der Zukunft spielen. wusste zum Beispiel schon, dass ich lieber frei allem, wenn man Das „Ausprobieren“ danach sei ebenfalls „sehr spreche, als mit einem ausformulierten Skript als Neuling einen bereichernd“ gewesen. „Ich durfte sehr schnell vors Mikrofon zu treten. Aber erst im Seminar etwas nüchternen schon meinen ersten eigenen Fernsehbeitrag habe ich gelernt, wie ich meine Stichpunkte Blick von außen für die >Lokalzeit Düsseldorf< planen und hatte richtig sortiere. So bin ich zwar immer noch mitbringt.“ Ihr wirklich Bammel davor.“ Es ging um den kör- frei, aber komme trotzdem auf den Punkt und Volo-Highlight: perlich anstrengenden Job eines 60-jährigen vergesse nichts Wichtiges.“ Außerdem gaben 10 Tage mit der Mitarbeiters einer Gießerei. Die Programmvo- ihr die TV-Seminare „Storytelling“, „Selbst Sportredaktion lontäre kämen in anderthalb Jahren, so Jonas drehen und schneiden“, „In Bildern erzählen“ beim weltweit Wixforth, „ganz schön rum“. Sie arbeiten in bis und „Texten zum Bild“ „die richtigen Bausteine größten Reittur- zu zehn Redaktionen mit, zum Beispiel »Lokal- in die Hand“. Den Volontären, die nun in der nier, dem CHIO in zeit«, »Monitor«, 1LIVE, WDR 5 oder wdr.de. In ersten Phase sind, rät sie, sich auch mal „Under- Aachen. Tina Sro- den Redaktionen müsse man sich ganz schön dog-Stationen“ anzusehen, also bewusst auch wig kennt sich gut schnell Routine aneignen für die „tagesaktuelle in Redaktionen zu schnuppern, die bei den mit Pferden aus. Ein dickes Plus! Sie konnte Hektik, die so entsteht“. Besonders gereizt hat Neu-Volontären meist nicht so begehrt sind. eine „Hinter den Kulissen“-Reportage, einige ihn, „dass man von Anfang an Verantwortung Von der Ausbildung ist Martha Wilczynski Teaser und ein Live-Interview nach dem Na- übernimmt, da man als Redakteur ausgebildet begeistert. „Uns wurde immer wieder Mut tionenpreis machen. Für Tina Srowig geht es wird und nicht den Bezug zum Gesamtpro- gemacht, Neues auszuprobieren und einen ab dem 1. Oktober weiter in der Programm- dukt verliert“. Insgesamt sei der WDR lange eigenen Stil zu entwickeln. Das ist das, was ich gruppe Dokumentation und Gesellschaft für nicht so „angestaubt“, wie es manchmal nach am meisten geschätzt habe.“ Für Martha Wil- das Wissensmagazin »xenius« auf ARTE. „Das außen wirke, sagt Jonas Wixforth. Für junge czynski geht es ab Anfang Oktober ins Funk- Spektrum da ist super breit und man kann Volontäre sei es ein Vorteil, auch unkonven- haus Europa. „Das freut mich total, weil mir sehr viel einbringen.“ tionelle Ideen einzubringen. Deswegen rät er dort die Mischung sehr gefällt: Es gibt junge den neuen Volontären, mutig zu bleiben und zu und internationale Themen, die aber trotzdem neuen Ideen zu stehen. Für ihn persönlich geht sehr seriös vermittelt werden.“ es ab Oktober zur »Aktuellen Stunde«, »WDR aktuell« und »WDR extra«.

43 WDR Panorama

»WDR-Check« KINDERRECHTE WDR-Intendant „Es bleibt noch viel zu tun”

Buhrow diskutiert Seit 1996 zeichnet der WDR-Preis für die FESENFELD: Die Kinderrechte sind zwar Rechte des Kindes Einzelpersonen (Erwach- immer noch nicht ausreichend umgesetzt, aber live mit Publikum sene und Kinder), Gruppen, Organisationen es hat sich schon viel getan. Es gibt mehr Anlauf- sowie Institutionen aus Nordrhein-Westfalen stellen wie zum Beispiel Kinderbüros oder Kin- und Kritikern aus, die sich vorbildlich und unkonventionell derparlamente oder es gibt wichtige Gesetzesän- für Kinderrechte in Deutschland oder im Aus- derungen, etwa die zur gewaltfreien Erziehung. land einsetzen. Im Interview spricht Preis- Dennoch bleibt viel zu tun. Interessant ist auch: gründerin und Organisatorin Bergit Fesenfeld Bei jeder Auslobungsrunde zeichnen sich The- über Kinderrechte, Journalismus und die Sicht- men ab, mit denen sich besonders viele Projekte weisen der Kinder, die zur Preisjury gehören. befassen. Am Anfang war es der sexuelle Miss- brauch und aktuell ist es die Lage der Kinder mit Welche Kriterien legt die Jury des Kinderrech- Behinderung, die Kinderarmut und die Situation tepreises bei der Auswahl der Preisträger an? der Flüchtlingskinder. BERGIT FESENFELD: Die Projekte sollten besonders engagiert, nachhaltig, strukturell Trägt der WDR Kinderrechtepreis dazu bei, wirksam und glaubwürdig sein. Sie sollten wich- dass das Thema stärker in der öffentlichen tige kinderpolitische Themen betreffen, gut Wahrnehmung verankert wird? dokumentiert und kreativ sein. Natürlich wird FESENFELD: Ja, ganz sicher. Die Preisträger wer- immer berücksichtigt, ob Einzelne da etwas den umfassend in einer Broschüre vorgestellt und Tom Buhrow Foto:WDR/Sachs Tolles auf die Beine gestellt haben oder ob eine ich mache auch aus sehr vielen der Bewerbungen Was macht der WDR mit den Einnahmen aus Organisation dahinter steht, ob Kinder selbst gezielte Themenvorschläge für das Programm.. dem Rundfunkbeitrag? Warum laufen so viele aktiv waren oder Erwachsene sich für Kinder Der WDR arbeitet außerdem mit einschlägigen Talkshows? Und wieso kann man nicht alle einsetzen. Gremien, bietet Seminare zum Umgang mit Beiträge im Internet sehen? Solche und viele Beim WDR Kindern vor Mi-krofon und Kamera an und hat andere Fragen beantwortet WDR-Intendant Kinder- das Thema „Kinderrechte“ in mehreren großen Tom Buhrow in der neuen Live-Sendung rechtepreis Schwerpunktwochen aufgegriffen. Natürlich »WDR-Check«. gibt es eine kommt auch die aktuelle Berichterstattung nicht Erwachse- zu kurz, ob es nun um den Ausbau der Kinderbe- „Wir machen unsere Programme für die Men- nen- und eine treuung geht oder um eine internationale Kinder- schen, sie bezahlen dafür jeden Monat den Rund- Kinderjury. rechtekonferenz bei der UNO. funkbeitrag. Sie haben deshalb ein Recht darauf Gehen Kin- zu erfahren, wie wir mit ihrem Geld umgehen der anders Wie kamen Sie auf die Idee für den WDR Kin- und was wir dafür bieten“, so Buhrow. „Gleich- an das Thema derrechtepreis? zeitig wollen wir natürlich von ihnen wissen, was heran? FESENFELD: Ich habe 1995 aus Genf von der wir besser machen sollen. Die erste, von Bettina FESENFELD: Bergit Fesenfeld Foto:WDR/Kost UNO-Konferenz zur deutschen Kinderpolitik Böttinger moderierte Ausgabe des »WDR-Check« Die Jury-Kin- berichtet. Die UN-Kinderrechte-Konvention, die wird am 30. Oktober aus dem Mönchengladba- der sind sehr engagiert, kompetent und sehr Deutschland 1992 unterzeichnet hat, schreibt cher „Kunstwerk“ gesendet. 200 Zuschauer, Hörer oft pragmatisch, fragen etwa „Wer braucht am nämlich vor, dass jedes Land regelmäßig über und prominente Gäste sind live dabei. Außerdem nötigsten die öffentliche Aufmerksamkeit oder die Fortschritte berichten muss. Ein UNO- berichten WDR-Redakteure und Autoren über das Preisgeld?“. Die Erwachsenen denken eher Ausschuss prüft dies. Deutschland hat damals ihre Arbeit, zeigen Ausschnitte aus ihren Sen- in den langfristigen, grundsätzlichen Dimensio- nur sehr mittelmäßig abgeschnitten, es wurde dungen und erlauben so einen Blick hinter die nen. Beide Sichtweisen sind wichtig. Die gleich- deutlich: hier muss viel mehr passieren, auch die Kulissen des Senders. EB berechtigte Diskussion zwischen den Kindern Öffentlichkeit muss mehr darüber informiert und den Erwachsenen in der Jury ist daher sehr werden, was Kinderrechte bedeuten. Ein Preis, spannend und für mich immer ein Höhepunkt der besonders gelungene Aktivitäten bekannt WDR Fernsehen der jeweiligen Auslobungsrunde. macht, kann hier viel bewegen – deshalb hat der Mi / 30. Oktober / 20:15 Sie haben den WDR Kinderrechtepreis 1996 WDR den Kinderrechtepreis ins Leben gerufen. gegründet. Wie hat sich die Situation für Kin- (Informationen zur Bewerbung um den Kinderrech- derrechte in Deutschland seitdem entwickelt? tepreis auf der nächsten Seite)

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„EHRENVOLL UND WICHTIG” TÜRÖFFNER-TAG 10. WDR Kinder- Die Maus schaut ins Brandenburger Tor rechtepreis: Jetzt Beim Türöffner-Tag der Maus öffnen am 3. Oktober rund 400 Einrichtun- bewerben gen in ganz Deutschland für Kinder und Familien ihre Türen, die sonst Mit dem WDR Kinderrechtepreis ehrt der West- verschlossen sind. Die Maus durfte deutsche Rundfunk herausragende Projekte, die im Rahmen des Türöffner-Tags schon sich um den Schutz von Kindern verdient und im September eine ganz besondere für die Durchsetzung ihrer Rechte stark machen. Tür öffnen – die vom Brandenburger Tor. Ausgezeichnet werden Einzelpersonen (Erwach- Für Sachgeschichten-Macher Armin sene und Kinder), Gruppen, Organisationen Maiwald hatte man eine Ausnahme sowie Institutionen aus Nordrhein-Westfalen. gemacht. Hinter dem eher unschein- Der Preis ist mit 5 500 Euro dotiert. Als Schirm- baren Seitentürchen unterhalb der herrin der zehnten Auslobungsrunde beschreibt Quadriga befindet sich die sogenannte NRW-Ministerpräsidentin Hannelore Kraft Soldatenkammer. Der Raum, der mit den WDR-Preis für die Rechte des Kindes als einer Länge von rund 60 Metern die ehrenvoll und wichtig. „Selbst in einem sozialen ganze Breite des Bauwerks einnimmt, Rechtsstaat wie dem unseren ist dies zu tun viel scheint auf den ersten Blick leer zu sein. wichtiger, als manche glauben wollen“. Was niemand ahnt: In dem schlichten Neben der Minis- Holzfußboden der Soldatenkammer terpräsidentin um- sind Klappen eingelassen, die es in sich fasst die Preis- haben: Sie verbergen armdicke lange Jury Vertreter von Stahlnägel, die das historische Gebäude Organisationen bis ins Erdreich hinein verankern. Dass wie UNICEF, Deut- Schaut ins Tor und wieder raus: die Maus Foto: WDR/Meyer dieser Halt notwendig ist, zeigt der scher Kinderschutz- Umstand, dass die Nägel mittlerweile Sonderausgabe mit „Tür-auf!“- Sachgeschich-

Foto: picture-alliance/Sven Simon bund, Deutsches schon verbogen sind. Dafür sorgt die Kraft des ten geben. Auf dem gewohnten Sendeplatz am Kinderhilfswerk, Windes, der gegen das Gebäude peitscht. Sonntag, den 6. Oktober um 11:30, präsentiert das terre des hommes, Am Türöffner-Tag, dem 3. Oktober, ist die »Sen- Maus-Team eine Auswahl der Sachgeschichten Kindernothilfe, dung mit der Maus« ausnahmsweise am Donners- des „Türöffner“-Tages im Ersten und bei KiKa. EB National Coalition Schirmherrin Hannelore Kraft, tag zu sehen. Ab 9:25 wird es eine halbstündige NRW-Ministerpräsidentin für die Umsetzung der Kinderrechte sowie der WDR-Hörfunkdirektion. Die Bewer- bungsfrist startete anlässlich des Weltkindertages Trauer um Marcel Reich-Ranicki am 20. September und endet am 31. März 2014. Die Preisträgerinnen und Preisträger werden im Am 18. September 2013 starb der September 2014 beim Kölner Weltkindertagsfest große Publizist und Literaturkritiker geehrt. Marcel Reich-Ranicki in Frankfurt am Nähere Informationen zum Wettbewerb sowie Main. Seine außergewöhnliche und kostenlose Faltblätter mit den Details gibt es bewegende Lebensgeschichte wurde beim WDR unter Telefon 0221 56789 555 oder in dem vom WDR für Das Erste pro- per E-Mail an [email protected] oder duzierten Fernsehfilm „Mein Leben – im Internet kinderrechtepreis.wdr.de. EB Marcel Reich-Ranicki“ (Erstsendung 10.4. 2009, ARTE) einem großen Pub- (Lesen Sie bitte das Interview auf der linken Seite) likum nahe gebracht. WDR-Intendant Tom Buhrow: „Der Tod von Marcel Bericht über den Reich-Ranicki stimmt uns sehr trau- Kinderrechte- preis auf der rig. Nicht zuletzt verlieren wir einen WDR-Unterneh- menseite der großartigsten Literaturkritiker Marcel Reich-Ranicki mit Regisseur Dror Zahavi (Mitte) und Matthias Deutschlands.“ EB Schweighöfer bei der Präsentation von „Mein Leben“. Foto: WDR/Sachs

45 Berufsbilder Einer von uns: JANIS TARUT

Schnipp – Cutter Janis Tarut schneidet Filme. Wenn man das gut macht, werden die Szenen dramatischer, die Emotionen stärker, die Aussagen klarer. Foto: WDR/Anneck

46 Berufsbilder

Eine Szene am Tisch. Kinder und Dramaturgie eines Films, verstärkt Aussa- ihre Eltern sitzen um ein Brettspiel, „Irgendwas mit Medien“, gen, weckt Emotionen. Doch hat sie auch sanftes Licht fällt von der Seite durch das einen unübersehbar großen technischen Fenster. Die Kamera zoomt heran, zeigt antworten viele Jugend- Aspekt. Wo früher am Schneidetisch mit Gesichter und Spiel in Nahaufnahme. Zelluloidband gearbeitet wurde, standen Würfel klackern. „Sehr schönes Mate- liche auf die Frage nach später Bandmaschinen. Sie funktionierten rial“, sagt Janis Tarut. Der 29-Jährige ist ähnlich wie Kassettenrecorder und ermög- Cutter und sichtet an einem Rechner ihrem Berufswunsch. lichten, einen Zusammenschnitt mehrer Filmmaterial für eine Dokumentation. Bänder auf einem Band zu speichern. „Ich lasse 20 Sekunden dieser Szene als Hier stellen wir sie vor, Intro. Musik würde ich gar nicht unterle- die Jobs im WDR. Ruf eines Technik-Nerds gen, denn das Geräusch vom Spiel ist ein Heute geschieht alles am Rechner, schöner Akzent, das weckt Interesse.“ Janis Tarut ist Cutter. mit Software wie Avid oder Quantel. Die Nach 20 Sekunden fährt Tarut dann die Programme bieten viele Feinheiten, in die „Atmo“, also die Hintergrundgeräusche, sich Cutter einarbeiten müssen. Daher herunter und blendet Musik ein. Wenn schult Tarut regelmäßig die Medienge- die Gitarre einsetzt, schneidet er – auf den Vater, der jetzt etwas erzählt. stalter des zweiten Lehrjahres. Auch die Hardware, die Struktur der Server, Tarut hört sich die Originaltöne an, die Sätze, die der Mann sagt. Störende spielt eine entscheidende Rolle. Tarut zeigt zum Beispiel, wie Videoclips Füllwörter wie „äh“ sind zwar gar nicht dabei. Aber an einer Stelle fallen benannt und wo sie gespeichert werden müssen, damit die Redaktion sie die Worte „hatte ich mir so gedacht“. „Das kann weg“, sagt Tarut. Mit einem im System finden kann. speziellen Stift tippt er auf sein Grafiktablett, das die gleichen Dimensionen „Ich hatte in der Schule schon den Ruf eines Technik-Nerds“, sagt wie der Bildschirm hat und ähnlich wie ein Touchscreen auf Berührung der Kölner, der so gar nichts von einem einzelgängerischen Sonderling reagiert. Tarut markiert eine Stelle auf der „Timeline“ des Films – das Mate- hat. Doch Technik interessiert ihn und seit ersten Experimenten mit einer rial ist in Abschnitte von fünfundzwanzigstel Sekunden unterteilt – und Videokamera wollte er wissen, wie man Filme schneidet. So ließ er sich macht einen Cut, direkt vor der Stelle des „hatte ich mir so gedacht“. Mit dem zum Mediengestalter Bild und Ton beim WDR ausbilden. Seit 2007 gehört Stift zieht er die nachfolgenden Bilder, ein Blick auf die Szene am Tisch, ein er nun zum Team der festen Cutter und schneidet Beiträge für alle Bereiche Stückchen nach vorne. Dann ein Testlauf: Die störenden Worte sind spurlos des Programms – für die »Sportschau«, für »WestART«, für andere Maga- verschwunden. „Wir würden nie eine Aussage verändern, aber wir raffen zinsendungen. Gerne darf es aufwändiger sein, Tarut macht es Freude, Sätze, damit sie klarer werden“, sagt der Cutter. Damit ein Schnitt nicht an Effekten zu tüfteln. Auch die Software auf Herz und Nieren zu prüfen, abrupt wirkt, setzt Tarut Blenden ein: Mit flinken Bewegungen auf dem Fehler zu finden und sie – gemeinsam mit der Herstellerfirma – auszumerzen Grafiktablett veranlasst er die Software, kleine Wunder zu wirken, die das macht ihm Spaß. Doch ohne das Gestalterische würde ihm bei seiner Arbeit Auge gar nicht bewusst wahrnimmt, die aber sanfte Übergänge schaffen. etwas fehlen: „Am Schönsten ist es, wenn ich aus gut gedrehtem Material eine tolle Geschichte erzählen kann.“ Ina Sperl Ein guter Schnitt macht einen guten Film Meist sitzt neben dem Cutter Autor oder Autorin, die das Konzept für den Beitrag geschrieben hat. Gemeinsam bringen sie das Rohmaterial, das die Kameraleute gedreht haben, in die Form eines Films. Manchmal muss das schnell gehen, für die »Lokalzeit« oder die »Tagesschau« binnen weniger Stun- den. Je mehr Rohmaterial da ist, desto länger dauert alleine das Sichten. Heute Wie werde ich Cutter? sitzt neben Tarut allerdings Florian Böttger, ein angehender Mediengestalter, Wer Cutter werden möchte, braucht eine abge- den er in die Geheimnisse der Schnitt-Software Quantel einweist. Denn schlossene Ausbildung zum Mediengestalter Bild die Arbeit des Cutters ist zwar gestalterisch – ein guter Schnitt schafft die und Ton. Auch das Cutter-Volontariat, das es vor Einführung des Ausbildungsgangs Medienge- stalter gab, wird noch anerkannt. „Cutter ist ein Beruf mit hohem technischen und gestalterischen Anspruch“, sagt Gabriele Unverdross, Leiterin der Abteilung Nachbearbeitung in der HA Produktion Gabriele Unverdross Köln Fernsehen. „Da manchmal bis kurz vor der Foto: privat Sendung geschnitten wird, muss man unter hohem Zeitdruck arbeiten und kreativ sein können.“ Um diesem Stress standzuhalten braucht es Nervenstärke und die Fähigkeit, Prioritäten zu setzen. Auch eine Janis Tarut im Video- hohe Sozialkompetenz ist gefragt, da Cutter jeden Tag mit anderen porträt Autoren und Redakteuren zu tun haben. isp

47 Medienmenschen

Der . OTTO SANDER † Zum Tode eines Freundes

Am 12. September starb Otto nes Schaffens zweifeln, alles in Sander in Berlin. WDR-Fern- Frage stellen, mit dem Schick- sehfilmchef Gebhard Henke sal hadern. Allemal zu später würdigt den Schauspieler Stunde, wenn er an der Theke und Regisseur, der in zahl- der Berliner „Paris Bar“ bis zum reichen WDR-Produktionen Schluss durchhielt und durch- mitwirkte. trank. Er hat sich und seinen Körper wirklich nicht geschont, Otto Sander war ein Freund. wenn auch dabei die Stimme Ein Freund der Sprache, der veredelnd aufgeraut. guten und knappen Pointe Sein Schalk, sein spitzbübischer und ein Meister des Timings. und ansatzlos trockener Witz Niemand konnte beim Gehen verdankt sich seiner nieder- so beeindruckend schlurfen sächsischen Herkunft. Er ist im wie er. Selbst, wenn jemand niedersächsischen Peine aufge- nicht weiß, wie er aussah, so wachsen. Eine Gegend, in der würde er doch seine markante man lernt, aus dem Inneren zu und knarzige Stimme sofort schöpfen. Da wir beide aus Nie- erkennen. dersachsen stammen und die 1978 lernte ich ihn kennen. Ich Konversation in diesem Dialekt Otto Sander, hier bei einer Hörspielproduktion im Jahr 2011, stand für den WDR bei „Nikolaikirche”, war Student und Statist in dem „Himmel über Berlin”, „Rosa Luxemburg” und „Das Boot” vor der Kamera. Foto: WDR/Lippmann pflegten, redete er mich nie mit WDR-Film „Plastikfieber“, in meinem Namen, sondern stets dem Otto Sander als Wurstgriller dem Travestie- er einen Termin in Köln hatte und der Rückflug mit „Peine“ an. Star Romy Haag mit Hormonen angereicherte nach Berlin spät war, so rief er flugs im Hörfunk Er perfektionierte den niedersächsischen Würstchen servierte. Sander war damals einer an, ob es nicht „etwas zum Sprechen“ gab. Und es Slang, in dem man „ei“ als „a“ und „a“ als „o“ der gefeierten Stars an Peter Steins legendärer gab meistens noch vor dem Abflug etwas „zum ausspricht. Sein Lieblingswitz: Geht ein Mann Westberliner Schaubühne am Halleschen Ufer Sprechen“ im WDR. in Peine (sprich „Paane“) ins Fischgeschäft und er machte zugleich begeistert bei derartig Sehr gern spielte er zusammen mit seinen Stief- und sagt zu dem Verkäufer: „Haben Sie Aale“ schönem Trash mit. Wir sahen ihn als Offizier kindern Meret und Ben Becker: das war dann („Eile“)? „Nein“, sagt der Fischverkäufer, „ich zur See im „Boot“, als Engel Cassiel in Wim ein Familienausflug, am besten, wenn auch noch habe Zaat.“ („Zeit“). Wenders „Himmel über Berlin“, als Blinden in Ehefrau Monika Hansen mitwirkte. Wir werden ihn in vielen alten Filmen wieder- „Amaurose“. Und wir hörten und liebten ihn in So sehr uns diese Stimme trug und diese Sprach- sehen und auf vielen CDs und im Radio wieder vielen Sprechrollen. Diese Wahnsinnsstimme gewalt Urvertrauen einflößte, so sehr konnte hören und ihn und seine Stimme genießen. Aber war sein Markenzeichen und sein Kapital. Wenn Otto Sander an seiner Arbeit, an dem Wert sei- das bleibt leider nur ein kleiner Trost.

PHILIPP MENN Neuer Korrespondent für die die NRW-Landesprogramme

Seit Oktober ist Philipp Menn neuer Korrespon- Der gebürtige Wuppertaler Menn löst Andrea dent des WDR Fernsehens im ARD-Hauptstadt- Kathage-Miosga ab, die nach Düsseldorf zurück- studio Berlin. Der 34-Jährige berichtet für die kehrt und als Redakteurin wieder die landespo- NRW-Landesprogramme des WDR aus Berlin litische Redaktion Fernsehen verstärkt. über die Bundespolitik. Dabei hat er die NRW- Philipp Menn ist seit 2011 beim Westdeutschen Perspektive und die Auswirkung der politischen Rundfunk und arbeitete vor seinem Wechsel Entscheidungen auf die Menschen in Nordrhein- nach Berlin im Funkhaus Düsseldorf zunächst Westfalen im Blick. Unter anderem für die Sen- als Redakteur der »Lokalzeit« aus Düsseldorf dungen »WDR aktuell« und »Aktuelle Stunde« und danach bei der »Aktuellen Stunde«. EB erläutert er die Hintergründe. Philipp Menn Foto: Jacobi

48 Medienmenschen

Der . MICHAEL HOUBEN Wirtschaftsfilmpreis für einen „Erklärbären“

Werden die Fernsehzuschauer zu oft Houben hat 2011 schon einmal den unterschätzt? Ja, glaubt WDR-Fern- Deutschen Wirtschaftsfilmpreis sehautor Michael Houben. „Wenn gewonnen, mit einem »Plusminus«- wir zu sehr vereinfachen, macht das Beitrag über die Eurokrise. Die Aus- die Sache langweilig. Nur wenn wir ein zeichnung ein zweites Mal zu ergat- bisschen geistiges Futter bieten wird tern, das ist bisher noch keinem ande- es auch interessant.“ Deshalb stelle er ren Autor gelungen – immerhin wird sich stets die Frage: Wie macht man sie seit 1968 vom Wirtschaftsministe- das Komplexe schmackhaft? rium verliehen. Mit einem Beitrag für das ARD-Wirt- „Ich weiß nicht, ob es Zufall ist, in schaftsmagazin »Plusminus« ist ihm beiden Filmen agiere ich als Presenter das einmal mehr gelungen Das fand mit im Bild.“ Er sei „dann so eine Art auch die Jury des 46. Deutschen Wirt- TV-Autor Michael Houben mit Check-Reporterin Edith Dietrich beim Preisvergleich in ,Erklärbär’“ und könne das Publikum einem Elektronikmarkt. Foto: WDR/Görgen schaftsfilmpreises. Sie verlieh Houben gleichzeitig die eigene Verwunde- für seinen Beitrag „Schattenbanken“ den ersten Preis in der Kategorie „Kurz- rung über das spüren lassen, was er erzähle. „Es existieren ja in dieser Art von film“. Geschichten keine handelnden Personen, an die man emotional gebunden ist. „Schattenbanken“ erklärt für Laien verständlich, wie es den Banken gelingt, Dafür haben wir dann in einem gewissen Maße mich ,benutzt’.“ In dem Beitrag sich einer wirksamen Kontrolle zu entziehen. Die dreizehn Fachjuroren lob- über Schattenbanken erzählt der preisgekrönte Autor am Anfang, wie schwierig ten neben der „präzisen Recherche des Beitrags“ auch die „verständliche und das Thema doch sei. Lange habe er überlegt, wie er das erklären könne, bis er einfallsreiche Umsetzung“ des Themas . An dieser hatte Grafiker Goetz Maxi- bei der Deutschen Bank auf ein 37-seitiges Papier stieß, das präzise beschreibe, milian Wegelin einen nicht unwesentlichen Anteil. Die von ihm gestalteten wie eine Bank die Regulierungen umgehen kann. Das hielt er in die Kamera. Elemente haben in Houbens Beitrag viel mehr als eine erklärende Funktion: Unterzeichnet hatte unter anderem der damalige Top-Manager Josef Ackermann. „Die Grafik hat eine eigene Ästhetik und schafft eindrucksvolle emotionale „Für den Film war das sicherlich auch ein dramaturgischer Kniff. Das Papier Bilder“, sagt der Fernsehautor. ersetzt ja die Erklärung nicht. Aber es war ein schlagender Beweis.“ ChG

MEINHARD ZANGER Der Intendant, der die Nachrichten spricht

Beim WDR-Hörfunk spricht der Intendant die im Grunde eins aus dem anderen erwachsen. Ich Nachrichten. Denn Sprecher Meinhard Zanger habe mit 15 Jahren im Redaktions-Volontariat ange- ist Intendant des Wolfgang Borchert Theaters in fangen, mit Texten umzugehen.“ Auch Schauspie- Münster. Und Regisseur. Und Schauspieler. Und ler und Regisseure arbeiteten ja mit Sprache, so Dozent. Und Moderator. Und Student im zarten Zanger. Mit einem wesentlichen Unterschied: „Im Alter von 58 Jahren. Gerade schließt er sein Stu- Journalismus ist vieles möglich. In der Kunst ist dium in Theater-, Film- und Fernsehwissenschaft, alles möglich. Da dürfen und da müssen sie werten.“ Germanistik und Philosophie an der Uni Köln ab. Auf die Frage, wie er all seine Jobs unter einen Hut Thema der Magisterarbeit ist Max Reinhardt. bringt, antwortet der Wahl-Münsteraner zunächst In diesem Monat feiert Zanger sein 25-jähriges lapidar, man könne ja auch gleichzeitig Fahrrad fah- Meinhard Zanger Foto: WDR/Langer Jubiläum als WDR-Sprecher. Seit 1994 ist er Teil ren und klingeln. Sein ernsthafter Tipp: Eins nach des Sprecherensembles Köln. Zu seinem Job gehört ich einfach nicht weiterlesen.“ So etwas dürfe bei dem anderen tun und dann die anderen Baustellen mehr als Nachrichten zu lesen. Das bisherige High- den Radio-Nachrichten natürlich nicht passieren. abarbeiten. Nur eine Doppelbelastung brachte den light seiner Karriere bescherte ihm zum Beispiel Deshalb blieb Zanger in einem Fall auch ganz ernst bekennenden Workaholic einmal an seine körper- eine „Literarische Sommernacht“ von WDR 5 im und korrigierte sich schnell, nachdem er die Hörer lichen Grenzen: Als seine Tochter klein war, hatte Juli mit dem Titel „Die 7 Arten des Lachens“. Das darüber informiert hatte, Joschka Fischer habe sich er nach einer unruhigen Nacht Frühschicht beim Thema wurde zum Programm: „Schon bei der nicht zu einer Hungerkatastrophe, sonder zu einer WDR – und schlief in dem Moment ein, als das ersten Pointe sind die Leute so vor Lachen zusam- „Hummerkatastrophe“ geäußert. Rotlicht anging. Sein aufmerksamer Redakteur mengebrochen, dass ich auch zusammengebro- Angefangen hat Multitaskler Zanger „wie viele weckte ihn. „Und dann habe ich ganz normal die chen bin“, erinnert sich Zanger. „Teilweise konnte WDR-Intendanten ja auch“ als Journalist. „Es ist Nachrichten gelesen.“ ChG

49 Im Gespräch

schon vor meinem Unfall Leistungs- Auf einen Latte macchiato mit schwimmerin war, habe ich gemerkt, wie gut es sich anfühlt und dass ich immer noch besser bin als andere. Das Kirsten Bruhn hat mir Mut und Energie gegeben. Zehn Jahre nach meinem Unfall habe ich dann 2002 den ersten Wettkampf gemacht Frau Bruhn, sind Sie glücklich im und auch gleich gewonnen. Das war ein Moment? großer und wichtiger Moment. Auf einer Skala mit dem Optimum von 10 würde ich mich momentan bei sechs Wie war das damals auf dem Sieger- bis sieben einstufen. Ich habe eine podest? Operation vor mir und muss außerdem Das war ein intensiver Glücksmoment, vieles in den nächsten Tagen erledigen. ich spürte aber auch Wut, Genugtuung Wenn man so ungeduldig ist wie ich, und Arroganz. Das gehört für mich ist ein Berg vor mir, den ich abarbeiten irgendwie zusammen. So nach dem muss, nicht gerade ein Genuss. Motto: Ich hab‘s gezeigt, ich kann’s doch, in mir leuchtet ein Feuer und ich Ihre Erfolgsliste als Sportlerin ist möchte, dass alle es sehen. Das war so lang. Welcher Erfolg überragt? ein Moment, den ich für mich immer als Etwas herauszupicken ist schwer. Toll Glück definiere. Es ist schwer in Worte war immer, wenn ich Welt- und Euro- zu fassen, aber das ist so die Macht einer parekorde geschwommen bin. Sieger- gewissen Emotionalität, das ist dann ehrungen bei den Paralympics sind halt für mich der Glücksmoment. immer was Besonderes. Wenn man die Goldmedaille bekommt, die Hymne In Ihrem künftigen Job geht es unter gespielt wird und auch noch medial Foto:WDR/ Maurer anderem um Inklusion. Macht es Sie präsent ist, dann ist das grandios. Es glücklich, wenn Sie damit anderen ist aber auch immer etwas traurig, weil helfen können? es so schnell wieder vorbei ist. „Zum Glück“ heißt das Motto der Ganz bestimmt. Von dem Glück, das man sich erarbeitet hat und erleben Nach der Schwimmkarriere wech- diesjährigen ARD-Themenwoche durfte, auch abgeben zu können. Diese seln Sie in die Öffentlichkeitsarbeit Möglichkeit ist für mich ein ganz gro- am Unfallkrankenhaus Berlin. Wel- vom 16. bis 22. November. Feder- ßes Geschenk. Und wenn andere dann che Erwartungen haben Sie? davon was abnehmen möchten und Für eine norddeutsche Deern vom führer: der WDR. Die paraolympi- können, dann wäre das ein noch viel Land ist Berlin eine Herausforderung. größeres Glück und Geschenk für mich. Ich erklimme eine weitere Hürde und sche Goldschwimmerin Kirsten komme meinen auferlegten Zielen Was ist ihr Ziel als Patin der ARD- näher. Zur beruflichen Herausforde- Bruhn, 43, ist eine der Paten. Seit Themenwoche Glück? rung gehört dann, dass ich mich um Ich glaube viele Menschen sind, was Inklusion und Integration kümmere. einem Motorradunfall vor über Wohlstand, Dankbarkeit und Wert- Ich helfe gern anderen Behinderten. schätzung angeht, nicht mehr geer- Das liegt mir sehr am Herzen und 20 Jahren ist sie querschnittsge- det. Wir müssten viel bewusster sein, macht mich auch glücklich. um glücklich zu sein, weil es keinen lähmt. Zum Thema Glück hat sie Grund gibt zu klagen. Um sich besser Was gehört zu diesen Zielen? zu fühlen, vergleichen sich Menschen Ich möchte, dass andere nach ihrem ein ganz besonderes Verhältnis. gern mit anderen, denen es schlechter Schicksalsschlag oder Unfall nicht geht. Wenn diese Leute sehen, wie ich so lange leiden wie ich. Ich habe zehn Jahre damit sie schneller den Weitblick bekommen, der mit meiner Situation klarkomme und ebenfalls gebraucht, um mit der Querschnittslähmung klar mir so lange gefehlt hat. glücklich und zufrieden bin, dann könnte sich zu kommen. Nur zu sehen, was nicht mehr geht, Was war Ihr Schlüsselerlebnis? dadurch das vermeintliche Unglück dieser Men- macht unglücklich und depressiv. Ich möchte Während der Rehabilitation machten wir Balan- schen relativieren. anderen einen Weg zum eigenen Glück aufzeigen, ceübungen im Kajak. Ich fiel ins Wasser. Weil ich Mit Kirsten Bruhn sprach Wolfram Stahl

50 Service

Hotlines

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WDR 4 Hörertelefon + 49 (0) 221 567 89 444 Besucherservice + 49 (0) 221 220 67 44 Faxline + 49 (0) 221 567 89 440 [email protected] Maus & Co. Der Laden + 49 (0) 221 257 21 34 (Shop WDR-Arkaden) WDR 5 Hotline + 49 (0) 221 567 89 555 Faxline + 49 (0) 221 567 89 550 WDR im Internet www.wdr.de [email protected]

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