50 Jahre Karl-Arnold- Stiftung

Fünf Jahrzehnte politische Bildung im Geiste von

1959-2009 2 Inhaltsverzeichnis

Vorwort von Dr. Bernhard Worms ...... 1 50 Jahre Gästebucheintragungen ...... 31

Mit Karl Arnold die Zukunft gestalten – Das Spezielle der KAB – ein persönlicher Rückblick ...... 33 Grußwort von Ministerpräsident Dr. Jürgen Rüttgers ...... 3 Politische Prominenz in der Karl-Arnold-Stiftung ...... 41 Grußwort des niedersächsischen Ministerpräsidenten ...... 6 Karl-Arnold-Stiftung: 50 Jahre politische Bildung im Wandel der Zeiten ...... 43 Grußwort von Ruth Hieronymi ...... 7 50 Jahre Gästebucheintragungen ...... 55 Gebäude der Karl-Arnold-Stiftung ...... 8 Karl-Arnold-Stiftung: Unser Weg zur zertifi zierten Einrichtung ...57 Vorsitzende der Karl-Arnold-Stiftung ...... 9

Interview mit Dr. Bert Even, Studienfahrten der Karl-Arnold-Stiftung ...... 65 Gründungsvorsitzender der Karl-Arnold-Stiftung ...... 11 Einblicke in die Arbeit der Karl-Arnold-Stiftung: Titelblätter des Jahresprogramms Europa vor Ort - Studienfahrten nach Straßburg, Brüssel der Karl-Arnold-Stifung im Wandel der Zeit ...... 16 und Luxemburg als Möglichkeit politischer Bildung ...... 67

Zeittafel der Karl-Arnold-Stiftung...... 17 Festveranstaltung anlässlich des 50. Todestages von Karl Arnold im Rathaus der Stadt Düsseldorf ...... 76 Erinnerungen von Alo Hauser aus den Anfangszeiten der Karl-Arnold-Bildungsstätte ...... 9 Einblicke in die Arbeit der Karl-Arnold-Stiftung: Werte und Glauben in einer älter werdenden Gesellschaft. Ein Werkseminar. .. 77 Die Anfänge der Karl-Arnold-Bildungsstätte – bevor sie in Stiftung umgetauft wurde ...... 23 Impressum ...... 83

3 Dr. Bernhard Worms, Vorsitzender der Vorwort Karl-Arnold-Stiftung

Die Karl-Arnold-Stiftung ist 50 Jahre alt ge- nommen und das politi- worden. Dieses Jubiläum ist ein Grund zur sche Einmaleins erlernt. Freude und ein Anlass zurückzuschauen auf Viele tausende Bürge- 50 erfolgreiche Jahre. rinnen und Bürger sind Als Vertreter der Jungen Union des Rhein- von nah und fern nach lands im Jahr 1959 die großartige Idee hatten, Bonn-Bad Godesberg für ihre politische Bildungsarbeit eine eigene gereist, um sich poli- Jugendbildungsstätte in Bonn-Bad Godesberg tisch weiterzubilden, um zu bauen und zu betreiben, hat keiner der miteinander und von- Gründerinnen und Gründer voraussehen kön- einander zu lernen und nen, dass die Karl-Arnold-Stiftung im Jahr um politische Ziele zu 2009 ihren 50. Geburtstag feiert. Sie haben formulieren und zu dis- trotz Widerständen und Widrigkeiten an ihrer kutieren. • von Anfang an hoch professionell politische Idee festgehalten und mit viel Enthusiasmus, Für viele Teilnehmerinnen und Teilnehmer Bildung vermittelt wurde. politischem Geschick und Beharrlichkeit die wurde die Karl-Arnold-Bildungsstätte im bes- Als demokratischer Schutzraum diente die Karl-Arnold-Bildungsstätte geschaffen und ten Sinne des Wortes „politische Heimat“, in Karl-Arnold-Bildungsstätte vielen Menschen, mit Leben erfüllt. der die in ihren Heimatländern wegen ihres Rund 40 Jahre war das Haus an der Venner • man für die Dauer eines politischen Semi- Kampfes für Freiheit und Demokratie politisch Straße in Bonn-Bad Godesberg Heimstatt für nars unter einem Dach lernte und lebte, verfolgt wurden. die Karl-Arnold-Stiftung. Hunderte Kommu- • man mit politisch Gleichgesinnten abseits Als die Karl-Arnold-Stiftung im Jahr 2002 nal-, Landes- und Bundespolitiker haben dort des täglichen Termindrucks Politik gestalten ihr Tagungshaus wegen des Umzugs von ihre ersten politischen Gehversuche unter- konnte, und Bundesregierung nach Berlin

1 wirtschaftlich bedingt aufgeben musste, sahen mich jung gehalten. Und die Karl-Arnold-Stif- viele schon das Ende der Stiftung gekommen. tung gehört noch lange nicht zum alten Eisen. >> Die Karl-Arnold-Stiftung hat mich ein Aber auch den Umzug nach Königswinter hat Politische Bildung ist heute wichtiger denn je. die Karl-Arnold-Stiftung, wie manche andere Ohne das große Engagement, ohne den enor- Großteil meines politischen Lebens begleitet. << Herausforderungen in ihrer 50-jährigen Exis- men Arbeitseinsatz und ohne die weit über Dr. Bernhard Worms tenz, schadlos überstanden. das Übliche hinausgehende Leistungsbereit- Trotz notwendiger Veränderungen und An- schaft der vielen hauptamtlichen, nebenberuf- passungen hat die Karl-Arnold-Stiftung ihr lichen und ehrenamtlichen Mitarbeiterinnen eng mit der Karl-Arnold-Stiftung und ihren Profi l immer bewahrt. In der geistigen und po- und Mitarbeiter, die in fünfzig Jahren den Bildungsangeboten verbunden ist. In einem litischen Tradition von Karl Arnold bilden wir Bildungsbetrieb der Karl-Arnold-Stiftung ge- Interview berichtet der Gründungsvorsitzende auch heute junge und erwachsene Menschen plant, organisiert, durchgeführt und auch in über die Beweggründe zur Gründung der Karl- politisch. Wir fördern durch unsere Bildungs- schwierigen Jahren aufrecht erhalten haben, Arnold-Stiftung und über die Aufbaujahre. angebote das Bewusstsein für Demokratie, für könnten wir den 50. Geburtstag der Karl-Ar- Ehemalige und heutige Mitarbeiterinnen und Frieden in Freiheit, für die Einheit Europas, nold-Stiftung nicht feiern. Dafür möchte ich Mitarbeiter geben persönliche Rück- und Ein- für Toleranz und gegenseitiges Verständnis allen ehemaligen und heutigen Mitarbeiterin- blicke aus fünf Jahrzehnten politischer Bil- und für die christlich-abendländische Werte- nen und Mitarbeitern ganz herzlich danken. dung in unserer Stiftung. ordnung. Diese Festschrift will einen Überblick über 50 Ich wünsche allen Leserinnern und Lesern der Die Karl-Arnold-Stiftung hat mich ein Groß- Jahre Karl-Arnold-Stiftung und ihre politi- Festschrift eine informative und angenehme teil meines politischen Lebens begleitet. Ge- sche Bildungsarbeit geben. Sie will erinnern, Lektüre. Der Karl-Arnold-Stiftung wünsche meinsam sind wir in die Jahre gekommen. Das informieren und zum Nachdenken anregen. ich viele weitere gute und erfolgreiche Jahre. Wort „alt“ vermeide ich bewusst. Denn die Ar- Sie lässt in Grußworten Politiker zu Wort beit in und für die Karl-Arnold-Stiftung hat kommen, deren politischer Werdegang ganz

2 Mit Karl Arnold die Zukunft gestalten – von Ministerpräsident Dr. Jürgen Rüttgers

Die Karl-Arnold-Stif- eingeleuchtet. Ihr Weltbild war mir zu einfach vor allem moralische Niederlage erlebt hat. tung hat meine politi- gestrickt. Vor allem störte mich der Anspruch Aber wir haben die Chance für einen Neuan- sche Entwicklung ganz ihrer Wortführer, erst mit ihnen habe die De- fang bekommen und genutzt. Wir haben zu wesentlich mit geprägt. mokratie in Deutschland Einzug gehalten. Das unseren kulturellen Grundlagen zurückgefun- Es ist mir deshalb ein war schon damals eine Legende. den: Zum christlich-jüdischen Menschenbild ganz besonderes Be- Wie falsch diese Ansicht war, zeigt nicht zu- und zu den Prinzipien der Aufklärung und der dürfnis, ihr zu fünfzig letzt der Blick auf Karl Arnold. Denn er war Freiheit. In diesem Jahr durften wir den 60. Jahren vorbildlicher es, der direkt nach dem Krieg die entschei- Geburtstag der Bundesrepublik Deutschland und zukunftsweisender dende Frage gestellt hatte: „Wie wollen wir feiern: 60 Jahre Freiheit. 60 Jahre Demokratie. politischer Bildungsar- eigentlich leben nach der Katastrophe?“ Die 60 Jahre solidarischer Sozialstaat. beit zu gratulieren. Ich Frage traf den Kern der Herausforderung. Diese Prinzipien hat Karl Arnold wie kaum ein habe die Seminare als Denn es ging um eine ganz elementare Neu- anderer Politiker vorgelebt. Für ihn stand fest: junger Erwachsener ordnung aller politischen und gesellschaft- Ein wie auch immer aussehendes Nachkriegs- noch gut in Erinne- lichen Verhältnisse. „Wir mussten alles neu deutschland wird entweder demokratisch, Dr. Jürgen Rüttgers, rung – heftige Diskussionen, die sich bis in machen“ – so lapidar hat es sozial, christlich und europäisch sein, oder Ministerpräsident die Nächte zogen, aber auch viel Spaß und damals gesagt. Und es war derselbe Konrad es wird keine Zukunft haben. Karl Arnold Nordrhein-Westfalen Ausgelassenheit. Auf jeden Fall waren es po- Adenauer, der am 8. Mai 1949 – dem Tag, als wusste: „Demokratie kann dem Volk nicht als litisch sehr bewegte Zeiten, die Anlass zu er- der Parlamentarische Rat das Grundgesetz an- Staatsgeschenk verordnet werden. Demokra- regten Debatten gaben. Ich bin kein 68er, son- nahm – sagte: „Für uns Deutsche ist es der tie ist letztlich eine politische Atmosphäre, die dern ein 69er. Meine Antwort auf die Proteste erste frohe Tag seit dem Jahre 1933.“ Wir soll- die Voraussetzung dafür schafft, dass aus der der Studenten war mein Eintritt in die CDU. ten uns heute daran erinnern, dass kein Land sittlichen und geistigen Substanz aller Volks- Denn die Ideologien der 68er haben mir nie jemals eine solche politische, physische und schichten Kräfte emporwachsen können, die

3 im Charakter und in ihrer Führungskraft befä- eine Politik, die Verantwortungs- und Gesin- ziale Gerechtigkeit die zwei Seiten derselben higt und entschlossen sind, Volksimpulse für nungsethik zu verbinden wusste. Er machte Medaille sind. Deshalb hat er immer dafür ge- die politische Lebenserneuerung zu wecken. immer eine Politik des Gewissens. Das machte kämpft, dass die Wirtschafts- und Sozialpoli- Demokratie ist keine mechanische Angele- ihn so glaubwürdig. Deshalb haben ihm die tik nicht getrennt werden dürften. genheit.“ Oder anders gesagt: Die freiheitlich- Menschen immer vertraut. Nicht umsonst steht das schon im „Ahlener demokratische Ordnung lebt von Werten, die Diese Politik des Gewissens hat er auch als Programm“ von 1947. Dort wird bereits die gelebt werden müssen, die vorgelebt werden politisches Programm für unser Nordrhein- Einheit von Wirtschafts- und Sozialpolitik müssen. Gerade deshalb ist auch politische Westfalen formuliert. Jeder kennt den Satz Bildung so elementar wichtig für das Gelin- aus der Regierungserklärung von 1950: „Das gen von Demokratie. Land Nordrhein-Westfalen will und wird das >> Das Land Nordrhein-Westfalen will und wird Karl Arnold ging es darum, wieder alle de- soziale Gewissen der Bundesrepublik sein.“ mokratischen Kräfte zusammenzuführen. Ihm Das war mehr als nur eine Behauptung, mehr das soziale Gewissen der Bundesrepublik sein. << ging es darum, die konfessionelle Spaltung zu als eine pathetische Beschwörung, mehr als Karl Arnold überwinden. Ihm ging es vor allem auch da- eine politische Formel. Es war ein Bekennt- rum, die sozialen und ideologischen Gräben nis. Bei uns in Nordrhein-Westfalen wurden zuzuschütten und Brücken zu bauen – um ge- die Mitbestimmung und viele andere soziale ausdrücklich formuliert. Ahlen war eben kein nau diese Atmosphäre zu schaffen, in der die Errungenschaften erkämpft. Bei uns liegen die Programm für Verstaatlichung und Planwirt- Werte der Demokratie gedeihen konnten. Karl Wurzeln der Sozialen Marktwirtschaft. Und schaft. Es war die Grundlage für die Soziale Arnold war ein Mann der Grundsätze. Aber Karl Arnold war einer ihrer wichtigsten Ar- Marktwirtschaft, wie sie dann in den Düs- er war niemals Ideologe. Sein Stil bestand chitekten. Er wusste, dass eine Ordnung, die seldorfer Leitsätzen weiter ausgebaut wurde. nicht in Polemik und Konfrontation, sondern nur der Marktlogik folgt, scheitern musste. Er Die Soziale Marktwirtschaft ist damit mehr in Kooperation und Integration. Er machte wusste, dass wirtschaftliche Vernunft und so- als eine ökonomische Ordnung, sie ist vor

4 allem eine moralische Ordnung. Sie ist mehr hat er die Herzen der Menschen erreicht und weil er ein versöhnender Politiker war; weil er als ein Wirtschaftssystem, sie ist ein Verspre- bewegt. Damit hat er Nordrhein-Westfalen tief daran glaubte, dass der Mensch zum Besseren chen für die Zukunft: Sie ist mehr als ein blo- geprägt. Und in diesem Geist arbeitet die Stif- strebt und dem auch näher kommen kann und ßes Nebeneinander, wo jeder nur seinen ei- tung, die seinen Namen trägt – und trägt ent- weil er von Werten geleitet war, die Vorausset- genen Nutzen sieht. Sie ist ein Miteinander, scheidend dazu bei, dass dieses Vermächtnis zung für die Einheit der Gesellschaft sind. Dies wo jeder begreift: Nur wenn es allen gut geht, weiterlebt. Denn Politik darf nicht nur danach sind für mich auch die wesentlichen Aufgaben kann es auch mir gut gehen. Deshalb geht es fragen, „was geht“. Politik muss auch Normen politischer Bildungsarbeit: Bei allem notwen- heute auch vor allem darum, die Einheit der setzen. Sie muss Werte verkörpern. Sie muss digen Streit immer auch den Dialog zu suchen Gesellschaft zu bewahren. statt zu spalten, optimistisch Wir dürfen nicht akzeptie- an einer besseren Zukunft ren, dass die Kluft zwischen >> Karl Arnold stand für eine Politik der Werte. << zu arbeiten statt sich fatalis- Arm und Reich, zwischen Dr. Jürgen Rüttgers tisch vom Tagesgeschehen Ausgebildeten und nicht treiben zu lassen, und dabei Ausgebildeten, zwischen immer sein tägliches Wirken Ar beitenden und Arbeitslosen, zwischen Ost eine Vision haben. Gerade darum ist es auch auf gemeinsame Werte aufzubauen. Karl Ar- und West, zwischen Einheimischen und Zu- so wichtig, dass junge Menschen politisch ak- nold hat das wie kaum jemand sonst vorge- wanderern immer weiter auseinander geht. tiv sind. Und dafür brauchen sie die politi- lebt. Die Stiftung, die seinen Namen trägt, hat Karl Arnold stand für eine Politik der Werte. sche Bildungsarbeit, wie sie seit Jahrzehnten dieses Vermächtnis angenommen und fortge- Er machte eine Politik der Gerechtigkeit. Er von der Karl-Arnold-Stiftung so vorbildlich führt. Wir alle sind aufgerufen, in diesem Sin- verkörperte die Werte des jüdisch-christlichen durchgeführt wird. ne gemeinsam die Zukunft zu gestalten. Abendlandes und der Aufklärung. Er lebte Karl Arnold bleibt Vorbild dafür, wie wir die diese Werte vor, als Christ, als Europäer. Damit Zukunft unseres Landes politisch gestalten –

5 Grußwort des niedersächsischen Ministerpräsidenten Christian Wulff

Gerne habe ich das Angebot wahrgenommen, einen persönlichen Beitrag zu der Festschrift >> Die Karl-Arnold-Stiftung ist trotz ihres 50-jährigen zum 50-jährigen Bestehen der Karl-Arnold- Stiftung e. V. leisten zu dürfen. Dies ist ein Bestehens „nicht in die Jahre gekommen!“ << willkommener Anlass für mich, die wichti- Christian Wulff ge politische Bildungsarbeit der Stiftung zu würdigen, da ich mich dem Wirken und den Wertvorstellungen von Karl Arnold sehr eng und zugleich Visionär war. Stets hat er sich ters und anderer Le- verbunden fühle. seinen „visionären“ Blick über den Regie- benserfahrung gibt. Der nach wie vor aktuelle und seit 2006 so- rungsalltag hinaus bewahrt und unserer Ge- Die Karl-Arnold-Stif- gar zertifi zierte Bildungsansatz der Stiftung sellschaft wertvolle Leitlinien an die Hand ge- tung ist trotz ihres ist durch den Namensgeber so stark geprägt, geben, die grundlegend für verantwortliches 50-jährigen Bestehens dass festgestellt werden kann: Der Name der politisches Handeln sind. „nicht in die Jahre ge- Stiftung ist zugleich Programm. Mit dem Na- Die Leitziele und die politische Bildung der kommen!“ Sie zeich- men und der politischen Arbeit von Karl Ar- Karl-Arnold-Stiftung haben mich insoweit net sich – basierend auf einem festen Wer- Christian Wulff, nold sind elementare christlich-soziale Wert- persönlich geprägt, als sie Motiv waren, selbst tefundament – durch ein zeitgerechtes und Ministerpräsident vorstellungen verbunden, die zeitlos und zu politische Verantwortung zu übernehmen und zukunftsorientiertes Bildungsprogramm aus. Niedersachsen Recht Grundlagen des Bildungsprogramms christliche Werte in den politischen Alltag Ich wünsche der Stiftung auch weiterhin viel der Stiftung sind. einzubringen. Nicht zu unterschätzen ist, dass Erfolg und hoffe, dass sie stets die für die Zu- Karl Arnold ist für mich und sicherlich auch die Stiftung im Rahmen ihrer Bildungsarbeit kunft unseres demokratischen Staatswesens für viele andere, die in politischer Verantwor- Zeit und Raum für persönliche Kontakte und wichtige Resonanz fi ndet und viele Menschen tung stehen, ein Vorbild, da er Pragmatiker Dialoge mit Menschen unterschiedlichen Al- für ihre Leitziele begeistert.

6 Grußwort von Ruth Hieronymi

Zum 50-jährigen Geburtstag der Karl-Arnold- Jahr mehrere Bildungsreisen für Bürgerinnen Stiftung übermittle ich Ihnen meine herzli- und Bürger zu den Arbeitsorten des Europä- chen Glückwünsche. ischen Parlaments in Straßburg oder Brüssel Auftrag der Karl-Arnold-Stiftung ist es nach in enger Kooperation mit der Karl-Arnold- ihrem Selbstverständnis, Bürgerinnen und Stiftung durchführen können. Bürger für die Demokratie in Deutschland und Die Arbeit der Stiftung hat im erheblichen Europa zu begeistern und zu motivieren, Ver- Maße dazu beigetragen, vielen Menschen in antwortung in Gesellschaft, Wirtschaft und unserer Region Europa und die europäische Staat zu übernehmen Politik näher zu bringen. Der Slogan „Einmal Diesem Auftrag ist die Karl-Arnold-Stiftung Europa live erleben ist besser als zehnmal da- in den letzten 50 Jahren in hervorragender rüber gelesen zu haben“ wurde durch die her- >> Die Arbeit der Stiftung hat im erheblichen Maße Weise nachgekommen. vorragende Arbeit der Stiftung in die Realität Der Einsatz der Stiftung in der politischen Bil- umgesetzt. dazu beigetragen, vielen Menschen in unserer Region Europa dungsarbeit war vorbildlich. Die Karl-Arnold- Ich bedanke mich bei allen Mitarbeiterinnen und die europäische Politik näher zu bringen. << Stiftung hat mit ihren Seminaren, Weiterbil- und Mitarbeitern der Karl-Arnold-Stiftung, dungsveranstaltungen und Studienfahrten dem Leiter Herrn Clausius und dem Vorsitzen- Ruth Hieronymi vor allem zahlreichen jungen Menschen Poli- den Herrn Dr. Worms für die ausgezeichnete tik begreifl ich und anschaulich gemacht. Zusammenarbeit in den letzten Jahren. Ich selbst arbeite seit vielen Jahren äußerst Für die Zukunft wünsche ich viel Erfolg und erfolgreich mit der Karl-Arnold-Stiftung zu- freue mich, vielleicht auch mal wieder als sammen. Als Mitglied des Europäischen Par- Teilnehmerin, an einer Studienfahrt der Stif- laments von 1999 bis 2009 habe ich in jedem tung mitwirken zu können.

7 Luftbild der Luftbild der Karl-Arnold- Karl-Arnold- Bildungsstätte Bildungsstätte April 1962 nach dem Anbau Anfang der 1980iger Jahre

Adam-Stegerwald- Haus Königswinter, Sitz der Karl-Arnold- Stiftung seit 2002

8 Vorsitzende der Karl-Arnold-Stiftung

Dr. Bert Even Prof. Dr. Winfried Pinger (19.10.1959 – 29.01.1970) (12.08.1980 – 20.05.1981) 1970 1960 1980 Heinrich Köppler 1950 (29.01.1970 – 20.04.1980) 9 Karl Lamers Dr. Bernhard Worms (Geschäftsführender Vorsitzender (01.12.1998 – heute) 20.05.1981 – 17.10.1986 und Vorsitzender 17.10.1986 – 14.10.1992) 2000 1990

Dr. Bernhard Worms Ronald Pofalla (20.05.1981 – 17.07.1984) (14.10.1992 – 01.12.1998)

1100 Interview mit Dr. Bert Even, Gründungsvorsitzender der Karl-Arnold-Stiftung

Karl-Arnold-Stiftung: Herr Dr. Even, Sie sind Ministerpräsidenten von Nordrhein-Westfalen einer der Gründungsväter der Karl-Arnold- und großen christlich-sozialen Politiker, wach Stiftung. Wie kam es zu deren Entstehung? zu halten. Denn es bestand die Gefahr, dass er Dr. Even: Die Initiative zur Gründung der in Vergessenheit geriet. Nach seinem plötzli- Karl-Arnold-Stiftung – ursprünglich „Karl- chen Tod 1958 verschwand er allmählich aus Arnold-Bildungsstätte e.V.“ - kam 1959 aus dem Gesichtsfeld wie so viele Politiker. Doch der Jungen Union Rheinland, deren Landes- dieses Schicksal sollte Karl Arnold nicht tei- vorsitzender ich zu jener Zeit war. Zu diesem len. Er war der erste gewählte Ministerprä- Kreis gehörten auch Alo Hauser, Mitglied des sident in Nordrhein-Westfalen. Er war auch Landtags und mein späterer Nachfolger bei der außenpolitisch sehr aktiv, vor allem in der Eu- Jungen Union, Konrad Grundmann, damals ropapolitik, und hoch angesehen in den Nach- Arbeits- und Sozialminister, , Mi- barländern, in den Niederlanden, Belgien und nisterpräsident von Nordrhein-Westfalen, und Luxemburg. Wilhelm Johnen, ein enger Freund von Karl Zudem sprach Karl Arnold junge Leute sehr Arnold und gleichzeitig Landesvorsitzender stark an und setzte sich sehr für sie ein. Er der CDU Rheinland und Landtagspräsident. hatte daher sehr viele Anhänger in der jun- gen Generation und verstand es, diese mit- Karl-Arnold-Stiftung: Was bewog Sie zur zureißen. Ich erinnere mich beispielsweise an Gründung und wieso sollte Karl Arnold als den Auftakt des Landtagswahlkampfs 1958. Namensgeber dienen? Damals fand die bisher größte gemeinsame Dr. Even: Unsere Absicht war es, die Erinne- Kundgebung der Jungen Union Rheinland rung an Karl Arnold, den so früh verstorbenen und Westfalen in Düsseldorf in einer Messe-

Dr. Bert Even, Gründungsvorsitzender der Karl-Arnold-Stiftung 1111 halle statt. Hauptredner waren Adenauer und es sich zur Aufgabe Veranstaltungen durch- tungen ermöglicht werden. Wir sahen die Arnold. Es waren über 10.000 Jungwähler aus zuführen, in denen junge Menschen mit ihren Bildungsstätte auch als eine Art Denkmal für ganz Nordrhein-Westfalen angereist und es Rechten und Pfl ichten in Gemeinschaft und Karl Arnold, dem es stets ein besonderes An- war ein unglaublicher Jubel. Staat vertraut gemacht und in christlich-sozi- liegen war, neben dem materiellen Wiederauf- Dazu kam die soziale Komponente von Karl aler Verantwortung staatsbürgerlich und po- bau nach dem Zweiten Weltkrieg vor allem die Arnold, die einfach unverzichtbar war. Er kam litisch gebildet werden. Dazu gehörten Semi- geistige Erneuerung der Jugend zu fördern. ja aus den Reihen der christlichen Gewerk- nare und Lehrgänge unterschiedlichster Dauer Was schwierig war, war die fi nanzielle Seite. schaften der Weimarer Zeit und hatte daher und Art. Ein besonderes Anliegen waren uns zahlreiche Anhänger in der Arbeitnehmer- aber auch Begegnungstreffen zwischen deut- schaft. schen und ausländischen Jugendlichen im >> Wir sahen die Bildungsstätte auch Ein solcher Mann durfte einfach nicht „ab- Sinne der Völkerverständigung. gelegt werden“ in der Geschichte. Der muss- als eine Art Denkmal für Karl Arnold. << te lebendige Kraft bleiben. Das war unser Karl-Arnold-Stiftung: Im Zuge der Grün- Dr. Bert Even Beweggrund für die Gründung des Vereins dung des Vereins beschlossen Sie auch den „Karl-Arnold-Bildungsstätte e.V.“, der späte- Bau einer eigenen Bildungsstätte in Bad Go- ren Karl-Arnold-Stiftung. desberg. Dabei hatten Sie allerdings anfangs Die Stadt Bad Godesberg hatte uns zur Errich- anscheinend mit ziemlichen Schwierigkeiten tung der Bildungsstätte ein Grundstück über- Karl-Arnold-Stiftung: Welche Zielsetzung zu kämpfen. lassen im Wege eines Erbbauvertrags. Doch hatte der Verein? Dr. Even: Die Bildungsstätte sollte dazu die- wir mussten von der Bebauung Abstand neh- Dr. Even: Er sollte im Geist Karl Arnolds wir- nen, die Ziele, die wir uns gesetzt hatten, zu men, da Anwohner dagegen protestierten. Wir ken und insbesondere junge Menschen an- erfüllen. Jungen Menschen sollte auf diese erhielten dann im Wechsel ein neues Grund- sprechen. Vor diesem Hintergrund machte er Weise die Teilnahme an unseren Veranstal- stück, das jedoch doppelt so groß war. Das wa-

1122 ren etwa 10.000 Quadratmeter. Dementspre- Karl-Arnold-Stiftung: Dennoch war es immer Bildung zu decken. Infolgedessen kam der Ge- chend waren fi nanzielle Mehraufwendungen das Ziel der Jungen Union Rheinland, eine ei- danke auf: Wir schlagen zwei Fliegen mit ei- erforderlich. Darüber hinaus ergab sich wäh- gene Bildungsstätte zu haben und nicht in an- ner Klappe. Wir bauen erstens eine Bildungs- rend der Bauphase Anfang der 1960er Jahre dere Häuser zu gehen und dort zu belegen. stätte und zweitens nennen wir die dann nach ein Bauboom mit explodierenden Baupreisen, Dr. Even: Ja, wir wollten für unsere Bildungs- Karl Arnold. Und auf diese Weise wurde 1959 so dass alle anfänglichen Kostenschätzungen arbeit immer ein eigenes Haus, eine gewisse der Verein „Karl-Arnold-Bildungsstätte“ ge- über Bord geworfen werden mussten. Zudem ‚Heimstatt’ haben. Entsprechende Überle- gründet. Ich war damals Landesvorsitzender gungen gab es schon seit 1958. Die Junge der Jungen Union Rheinland und da bot es Union Rheinland hatte eine breit gefächerte sich an, dass ich dann auch zum Gründungs- >> Wir wollten für unsere Bildungsarbeit immer Bildungsarbeit, aber diese Arbeit spielte sich vorsitzenden des Vereins gewählt wurde. verteilt über das ganze Rheinland ab. Genutzt ein eigenes Haus, eine gewisse ‚Heimstatt’ haben. << wurde beispielsweise der Jugendhof Rhein- Karl-Arnold-Stiftung: Gab es Gegner Ihres Bert Even land in Königswinter, aber auch Kolpinghäu- Vorhabens? ser, Gaststätten und Gasthöfe. Die Veranstal- Dr. Even: Im Gegenteil: Wir hatten starke tungen fanden teilweise in Hinterzimmern Unterstützung. Ich erwähne hier vor allem merkten wir schnell, dass wir für die Zukunft statt und überall waren wir nur zu Gast. Wir den Landtagspräsidenten und CDU-Landes- Ausbaureserven benötigen würden und auch hatten niemals Einfl uss auf die Leitung und vorsitzenden Wilhelm Johnen, die Landesre- räumliche Möglichkeiten für geselliges Bei- schon gar nicht auf den Geist des Hauses. Zu- gierung unter Franz Meyers mit Arbeits- und sammensein geschaffen werden mussten. Das dem reichten damals die im rheinisch-westfä- Sozialminister Konrad Grundmann sowie Alo alles kostete natürlich und bereitete uns daher lischen Raum vorhandenen Schulungsstätten Hauser. Aber ich erwähne auch dessen Na- ziemliche Probleme. nicht aus, um den wachsenden Bedarf und das mensvetter Hansheinz Hauser aus Krefeld, steigende Interesse junger Leute an politischer der auch Landtagsabgeordneter und zeitweise

1133 Schatzmeister war. Und dann Bundesfami- Auch die Stadt Bad Godesberg, damals noch oft wenig Zeit für eigene Bildungsarbeit; viele lien- und -jugendminister Wuermeling, der selbständig, sowie die Stadt und der Landkreis Seminare waren Gastveranstaltungen. von unserem Projekt ebenfalls ganz begeistert Bonn haben uns fi nanziell unterstützt. Zudem war. Auch Dr. , Landes- und war ich Mitglied des Bundestages und konn- Karl-Arnold-Stiftung: Hat sich an dieser an- Bundesschatzmeister der CDU und seit 1957 te erreichen, dass wir über Familienminister gespannten fi nanziellen Situation später et- so wie ich Mitglied des Bundestags, hat unser Wuermeling einen Bundeszuschuss bekamen. was geändert? Vorhaben tatkräftig unterstützt. Die CDU Rheinland stellte für den Bau der Dr. Even: Eine entscheidende Besserung der Bildungsstätte ebenfalls Mittel zur Verfügung. fi nanziellen Ausstattung trat erst 1966 ein. Karl-Arnold-Stiftung: Aus welchen Mitteln Außerdem warben wir Spenden ein. Trotzdem Damals beschloss die nordrhein-westfälische wurde die Karl-Arnold-Bildungsstätte und de- war die fi nanzielle Ausstattung immer sehr Landesregierung, Einrichtungen der poli- ren Arbeit damals fi nanziert? knapp. tischen Bildung wie den Verein „Karl-Ar- Dr. Even: Wir hatten die Möglichkeit, öffent- nold-Bildungsstätte“ massiv zu fördern. Dies liche Förderung in Anspruch zu nehmen. Karl Karl-Arnold-Stiftung: Welche Auswirkungen geschah insbesondere im Hinblick auf die Arnold hatte – insbesondere auch, weil er sich hatte dies? wachsende Zahl von NPD-Anhängern in der für die jüngere Generation einsetzte – als Mi- Dr. Even: Eine Folge war beispielsweise die jungen Generation. Die NPD hatte damals in nisterpräsident 1950 in Nordrhein-Westfalen sehr knappe Personaldecke. Anfangs gab es sieben von elf Landtagen eine Fraktion. Dage- als erstem Bundesland einen Landesjugendplan neben dem damaligen Leiter der Bildungs- gen ist das heute geradezu „kleines Gewürm“ aufgestellt. Das gab es bis dahin noch nicht stätte Jürgen Wahl keinen weiteren pädago- gegenüber dem, was in den 1960er Jahren in der Bundesrepublik. Das Land Nordrhein- gischen Mitarbeiter. Deshalb musste sich die passierte. Ziel war es, gerade in der jungen Westfalen wurde damit beispielhaft sowohl für Leitung neben der Bildungsarbeit auch um Generation Bildungsarbeit zu betreiben, um den Bund wie auch für die anderen Länder. die Instandhaltung des Hauses und um die einen Rückfall in die nationalsozialistische Aus diesem Topf konnten wir Geld bekommen. Finanzverwaltung kümmern. Dadurch blieb Ideologie zu verhindern.

1144 Karl-Arnold-Stiftung: Wie beurteilen Sie die zu treffen. Ich erinnere mich auch daran, da und es kamen nun zahlreiche Kreis- und Entwicklung der Karl-Arnold-Bildungsstätte dass in unserem Haus die Schüler Union, die Landesverbände aus Brandenburg, Sachsen- nach ihrer Gründung? Schülervereinigung der CDU, gegründet wur- Anhalt, Mecklenburg-Vorpommern, Thürin- Dr. Even: Wir hatten einen guten Start. Die de. Hier war Karl Lamers, der Nachfolger von gen, Sachsen und Ostberlin zu uns nach Bad Nachfrage war enorm, so dass wir – wie Sie Jürgen Wahl, sehr aktiv. Später wandelte sich Godesberg. Das war ein großer Erfolg. Dass wissen – später erweitern mussten. Da Bonn die Teilnehmerstruktur. Neben jungen Leu- unsere Bildungsstätte später infolge des Um- Bundeshauptstadt war, hatten wir die Mög- ten kamen mehr und mehr Senioren zu den zugs der Regierung nach Berlin aufgegeben lichkeit, zahlreiche Bundes- werden musste, war natürlich politiker für unsere Veran- schon bitter. Umso mehr freut staltungen heranzuholen. Als >> Ich erinnere mich auch daran, dass in unserem Haus es mich zu sehen, wie positiv einen der Höhepunkte habe sich die Karl-Arnold-Stiftung ich persönlich das Jahr 1965 die Schüler Union (...) gegründet wurde. << an ihrem neuen Standort in empfunden. Damals hatte Bert Even Königswinter weiterentwi- grandios die ckelt hat. Sie ist bis heute ein Wahlen gewonnen mit über Ort, an dem politische Bildung 47 Prozent. Mit ihm kam eine junge Mann- Veranstaltungen, vor allem über die Senioren im Geiste Karl Arnolds betrieben wird. Unsere schaft – über 20 Abgeordnete, die Mitglied Union der CDU, deren Landesvorsitzender Alo Absicht als Gründungsväter, durch diese Ins- der Jungen Union waren. Und die habe ich Hauser nachher war. titution die Erinnerung an ihn wach zu halten, dann in die Karl-Arnold-Bildungsstätte ein- Was mich jedoch besonders gefreut hat: Wir hat sich somit erfüllt. geladen – zum gemütlichen Beisammensein haben als Karl-Arnold-Bildungsstätte mit un- und natürlich um – wie heute auch damals serer Arbeit immer für die Einheit Deutsch- Karl-Arnold-Stiftung: Herr Dr. Even, wir in der politischen Arbeit üblich - Absprachen lands gekämpft. Plötzlich war die Einheit danken Ihnen für das Gespräch.

1155 Titelblätter des Jahresprogramms der Karl-Arnold-Stifung im Wandel der Zeit

Jahresprogramm 2010

Schwerpunkt:

Jahre friedliche Revolution und Deutsche Einheit

1166 Zeittafel der Karl-Arnold-Stiftung

22.03.1958 21.10.1958 19.10.1959 18.01.1960 Landestagung der JU Rheinland Vorstandssitzung der JU Rheinland Gründung des Vereins 1. Vorstandssitzung in Krefeld und erste Anregung und Bildung eines Ausschusses zur „Karl-Arnold- der „Karl-Arnold- zur Schaffung einer Bildungsstätte Besprechung der Fragen zur Grün- Bildungsstätte e.V.“ Bildungsstätte e.V.“ („Landesschulungsstätte“) der dung eines Schulungsheims der JU Rheinland JU Rheinland in Bad Godesberg

Juli 2009 01.01.2009 August 2006 31.12.2001 02.07.1997 Rezertifi zierung der Kooperationsvertrag Zertifi zierung der Karl- Umzug der Karl- Verkauf der Bildungs- Karl-Arnold-Stiftung mit der Jakob-Kaiser- Arnold-Stiftung durch Arnold-Stiftung nach stätte an die Konrad- durch den Gütesiegel- Stiftung e.V. und der den Gütesiegelverbund Königswinter Adenauer-Stiftung verbund Weiterbildung Stiftung Christlich- Weiterbildung Soziale Politik e.V.

1177 04.07.1961 01.09.1962 01.01.1965 erster Spatenstich auf dem Beginn des Bildungs- Veröffentlichung des ersten Grundstück Venner Straße betriebs in der Karl- eigenen Bildungsprogramms der durch Frau Liesel Arnold Arnold-Bildungsstätte Karl-Arnold-Bildungsstätte

03.03.1960 24.11.1961 26.10.1962 1975 Beschluss des Hauptausschusses Grundsteinlegung für die Einweihung der Karl- Anerkennung der Karl-Arnold- der Stadtvertretung Bad Godesberg Karl-Arnold-Bildungsstätte Arnold-Bildungsstätte Bildungsstätte als Einrichtung zur Überlassung eines städtischen durch Ministerpräsident der Weiterbildung mit Internats- Grundstücks im Wege eines Erb- Dr. Franz Meyers betrieb durch den Minister für bauvertrages zur Errichtung einer Wissenschaft und Forschung des Karl-Arnold-Bildungsstätte Landes NRW

26.11.1982 20.09.1982 06.12.1979 21.03.1979 01.01.1979 Namensgebung des Einweihung des Anerkennung des Bildungswer- Umbenennung der Aufteilung des Heinrich-Köppler-Saals Erweiterungsbaus der kes der Karl-Arnold-Stiftung als „Karl-Arnold-Bildungs- Bildungsbetriebs der Karl-Arnold-Stiftung Karl-Arnold-Stiftung Einrichtung der Weiterbildung stätte e.V.“ in „Karl- in „Bildungsstätte“ ohne Internatsbetrieb durch den Arnold-Stiftung e.V.“ und „Bildungswerk“ Regierungspräsidenten Köln

1188 Erinnerungen von Alo Hauser aus den Anfangs-

zeiten der Karl-Arnold-Bildungsstätte (aus dem Jahre 1981)

Mitte der 50er Jahre betrieb die Junge Union Unterstützung des Landtagsabgeordneten Rheinland eine sehr rege politische Bildungs- Konrad Grundmann, der damals im Alter der arbeit. Wirtschaftliche Grundlage dafür war JU in den Landesvorstand der JU Rheinland der von dem Ministerpräsidenten Karl Arnold kooptiert worden war. in Nordrhein-Westfalen als erstes deutsches Der Landesvorstand und sein damaliger Bundesland geschaffene Landesjugendplan. Schatzmeister Hansheinz Hauser untersuchten Die Bildungsveranstaltungen fanden in ver- zunächst die Möglichkeit der Übernahme ei- schiedenen Pensionen und Hotels des Rhein- nes bestehenden Objektes in Krefeld. Es wur- landes statt, so zum Beispiel im Kolpinghaus de jedoch festgestellt, dass dieses Objekt sich Düren und in Pensionen in Loope und Solin- nicht eignete. gen. Die dezentrale Durchführung hatte zwar Daraufhin schlug Alo Hauser dem Landes- einige Vorteile, die Nachteile überwogen je- vorstand die Erbpacht eines von der Stadt doch. Insbesondere wurde das Fehlen wirklich Bad Godesberg zur Verfügung zu stellenden geeigneter, störungsfreier Vortragsräume be- Grundstückes vor, auf dem eine Jugendbil- mängelt. dungsstätte errichtet werden könnte. Die JU Auf einer Tagung eines Arbeitskreises der JU hatte bei der Kommunalwahl am 28.10.1956 Rheinland, der sich mit Fragen der Bildungs- in Bad Godesberg einen großen Erfolg errun- arbeit der JU befasste, wurde daher auf An- gen und stellte dort acht von siebzehn CDU- trag von Alo Hauser beschlossen, den Lan- Ratsmitgliedern. Auch die SPD-Stadtrats- desvorstand zu bitten, für die JU Rheinland fraktion und die FDP-Stadtratsfraktion Bad eine Jugendbildungsstätte zu bauen oder zu Godesberg stimmten für den entsprechenden erwerben. Dieser Plan fand insbesondere die Antrag der CDU-Stadtratsfraktion. Das da-

Alo Hauser

1199 Alo Hauser zur Gründungszeit der Karl-Arnold-Stiftung

mals vorgesehene Grundstück lag in der Nähe Referenten des Bundesfamilienministers F. J. Als persönli- der heutigen Karl-Arnold-Bildungsstätte in Wuermeling, Dr. Fritz Brüse, und seinen Frak- cher Referent vorwiegend unbebautem Baugelände an der tionskollegen, Alo Hauser, dazu, dem Landes- von Bundes- Axenfeldstraße. Es erschien in dieser hervor- vorstand der JU die Übernahme des jetzigen familienmi- ragenden Lage dem Landesvorstand der JU Grundstücks der Karl-Arnold-Bildungsstätte, nister Wuer- bestens geeignet. Da die Stadt Bad Godesberg einige hundert Meter weiter am Stadtwald meling setzte auch in der Frage des Erbpachtzinses der JU gelegen, in Erbpacht vorzuschlagen. Dieses sich Dr. Fritz weit entgegenkam, wurden JU Rheinland und neue Grundstück war wesentlich größer als Brüse mit viel Stadt Bad Godesberg schnell handelseinig. das zuerst vorgesehene, aber bewaldet und Geschick und Die Nachricht, dass an der Axenfeldstraße eine lag außerhalb des Bebauungsplanes. Infolge- Erfolg für die Genehmigung der Bundesmittel Jugendbildungsstätte errichtet werden solle, dessen waren schwierige Verhandlungen mit aus dem Bundesministerium für Familie und erregte jedoch die Bevölkerung insbesonde- den zuständigen Behörden erforderlich, um Jugend zum Bau der Karl-Arnold-Bildungs- re im Bereich der Umgebung der Axenfeld- die Genehmigung zum Bau und Betrieb der stätte ein, ebenso wie sich Konrad Grundmann straße (Gebiet „Freier Weg“, „Am Stadtwald“, Karl-Arnold-Bildungsstätte zu erhalten. als jugendpolitischer Sprecher der CDU-Land- „Auf dem Brand“) sehr. Man befürchtete Lärm Die Stadt Bad Godesberg unterstützte die Be- tagsfraktion beim Arbeits- und Sozialminister und Störungen in einer bevorzugten ruhigen strebungen zum Bau der Bildungsstätte je- Nordrhein-Westfalen für die Mittel aus dem Wohngegend am Wald und verwies auf die doch nach besten Kräften, so dass die Schwie- Landesjugendplan verwandte. angeblich schlechten Erfahrungen mit der in rigkeiten überwunden werden konnten. Die Nachträglich betrachtet war der durch den der Nähe befi ndlichen Jugendherberge an der Stadtwerke Bad Godesberg und ihr damaliger Bürgerwiderstand erzwungene Geländetausch Vennerstraße. Direktor Kuhl dehnten ihr Anschlussnetz in ein Glück. Ohne ihn wäre die Erweiterung der Dies veranlasste den damaligen Vorsitzenden Richtung Karl-Arnold-Bildungsstätte aus und Karl-Arnold-Bildungsstätte nicht möglich ge- der CDU-Stadtratsfraktion und persönlichen trugen so zur Senkung der Baukosten bei. wesen. Die ruhige Lage am Stadtwald hat sich

2200 für die Tausende von Teilnehmern an den Ver- Einsatzes von Jürgen Wahl und seiner Ehefrau dass die AKP diese Räume gegen eine geringe anstaltungen der Karl-Arnold-Bildungsstätte stellte sich bald heraus, dass dies schon rein Miete als „Zeughaus“ zur Unterbringung ihrer bestens bezahlt gemacht. zeitlich eine Überforderung war. In der Person Dekorationsstücke und zur Arbeit an densel- Erster Leiter der Karl-Arnold-Bildungsstätte von Norbert Gintzburg, einem gelernten Buch- ben benutzen durfte. Auf diese Weise wurde wurde Herr Jürgen Wahl, der auch mit sei- halter aus der JU Bad Godesberg, der inzwi- die Karl-Arnold-Bildungsstätte für einige Jah- ner Familie in der Bildungsstätte Wohnung schen leider verstorben ist, erhielt Jürgen Wahl re zugleich „Zeughaus“ der AKP. Fräulein Klees nahm. Entlastung für den Bereich der Buchhaltung und Fräulein Schneider schlossen sich der „In- und der Führung des Hauspersonals. Zur Eröff- fanterie“ der AKP an. Fräulein Klees heirate- nung der Karl-Arnold-Bildungsstätte wurden te deren Mitglied Gerd Usadel und ist heute >> Erster Leiter der Karl-Arnold-Bildungsstätte sechs junge Damen für den hauswirtschaftli- glückliche Ehefrau und Mutter. chen Bereich eingestellt, darunter Frau Sester- Um die Jahreswende 1960/61 besuchte der wurde Herr Jürgen Wahl << henn als gelernte Hauswirtschaftsleiterin. Unter Landesvorstand der JU Rheinland Wien und Alo Hauser den jungen Damen befanden sich zwei Haus- das Burgenland. Der Besuch wurde ein vol- haltshilfen aus dem Saarland, namens Fräulein ler Erfolg. Insbesondere freundeten sich die Margot Klees und Fräulein Ilse Schneider. Rheinländer bei einem feucht-fröhlichen Jürgen Wahl war hauptamtlicher Mitarbeiter Die ausgebauten Kellerräume unter dem Bet- Abend in Oggau im Burgenland mit einer dort der Katholischen Jugend und im Bereich der JU tentrakt der Karl-Arnold-Bildungsstätte wur- beheimateten Gruppe der österreichischen Ju- Krefeld ehrenamtlich tätig. Wahl musste sich den in den Anfangsjahren nicht benötigt. gendbewegung an und luden sie zu einem Ge- damals nicht nur um den Schulungsbetrieb, Alo Hauser, der seit 1961 Vorsitzender der All- genbesuch in die Karl-Arnold-Bildungsstätte sondern auch um die abendliche Aufsicht im gemeinen Karnevalsgesellschaft Prinzengarde ein. Dieser Gegenbesuch war die erste interna- Heim und um Abrechnungen und Wirtschaft- (AKP) e.V. Bad Godesberg war, erhielt vom tionale Jugendbegegnungsveranstaltung in der lichkeitsfragen kümmern. Trotz des großen Vorstand der Bildungsstätte die Genehmigung, Karl-Arnold-Bildungsstätte.

2211 Satzung der Karl-Arnold-Bildungsstätte Protokoll über die erste Vorstandssitzung (Originaldokument von 1960) der Karl-Arnold-Bildungsstätte (Originaldokument vom 18. Januar 1960) 2222 Die Anfänge der Karl-Arnold-Bildungsstätte – bevor sie in Stiftung umgetauft wurde

von Jürgen Wahl, deutschen „Bildungshäuser“. Deshalb gelang wurde ich vom Vorstandsmitglied der Karl- Leiter des Hauses es, diese Verbindungen zu aktivieren und von Arnold-Bildungsstätte Alo Hauser, der lange von 1962 bis 1966 Anfang an gutes Personal nach Bad Godes- Jahre CDU-Chef in Bad Godesberg war. Er gab berg abzuwerben. Die Hauswirtschaft leitete viele hilfreiche Ratschläge und verstand am schon früh Anneliese Sesterhenn. Sie half bei besten die Sorgen, die bald eintraten. der Anschaffungsliste, was nicht leicht war, Als erste „fremde Gruppe“ kam eine Einheit weil nach dem Bau nur noch wenige Mittel der Bundeswehr „ins Haus“. Da (unter ande- für Anschaffungen zur Verfügung standen. rem!) die Betten für die Zimmer noch nicht Jedenfalls „eröffneten“ wir noch nach und geliefert worden waren, schliefen die Soldaten nach vor dem Sommer 1962. in Schlafsäcken auf den Zimmerböden. Ein Im Winter 1961/62 hatte mich der Vorstand Eine klare Perspektive für die Benutzung des Hubschrauber stand mir zur Verfügung, um des Trägervereins der Karl-Arnold-Bildungs- Hauses bot nur der Landesverband Rheinland das Haus von oben zu fotografi eren, und so stätte zum „Leiter“ des Hauses gewählt. Im der Jungen Union mit seinen Wochenend-Se- kann man bis heute sehen, wie zerfurcht noch Frühling 1962 zog ich mit Frau und Kindern minaren. Wie das Haus insgesamt wirtschaft- die Umgebung aussah. von Krefeld in das damals noch selbständige lich verplant wurde, blieb mir überlassen. Der Zu spät protestierte ich 1963 dagegen, dass Bad Godesberg um. Ich musste in einem Um- Vorstand beließ es bei dem Wunsch, „auch der Architekt zur Straße hin einen Bulldo- fang allein handeln, den ich nicht hatte ahnen anderen Gruppen und Verbänden das Haus können. Dabei half mir meine kurz zurück- anzubieten“. Das funktionierte relativ gut liegende Erfahrung als Referent für Politische durch meine Kontakte, die ich fünf Jahre lang Bildung im Jugendhaus Düsseldorf, der Zen- in meiner alten Stellung hatte erwerben kön- trale des Bundes der deutschen katholischen nen. Nur selten kam es zu Empfehlungen, die Jugend (BDKJ). Ich kannte einen Großteil der nicht von mir ausgingen. Hilfreich unterstützt

Hauswirtschaftliches Personal unter Leitung von Frau Sesterhenn (2. vl.) 2233 Luftbild der Karl-Arnold- Bildungsstätte April 1962

zer einsetzte, um einen Erdwall zu begradi- gen. Dieser milderte nämlich den Schall des Straßenverkehrs in Richtung Haus ab. Als der Wall weg war, „um das Gebäude besser hervorheben zu können“ (Architekt Horst Tenten), mussten die Fenster der Hörsäle oft geschlossen bleiben, zumal an sommerlichen Wochenenden. Eine weitere Belastung für den Bildungs betrieb war, dass es um das Haus herum weder Zäune noch Hecken gab. Nicht feierlich eingeweiht. Irreführend, denn wir hatte abgesagt. Er besuchte die Karl-Arnold- selten kamen neugierige Spaziergänger unge- waren ja nicht die „Katholische Arbeitneh- Bildungsstätte erst 1964 nach seinem Rück- fragt aufs Gelände. Manche drückten gar ihre mer-Bewegung“, die übrigens nie bei uns eine tritt als Bundeskanzler. Nasen an den Scheiben platt. Veranstaltung durchführte. Zu Beginn der Feier im vollbesetzten Speise- Nach der Bundeswehr kam eine CDA-Gruppe Der Vereinsvorsitzende Dr. Bert Even konnte saal übergab der Architekt an Dr. Even den aus dem Aachener Raum, freilich zum Ferien- neben Karl Arnolds Witwe Liesel und deren Schlüssel, Musik von Händel und Mozart er- machen „ohne Programm“. Um Einnahmen Kindern weitere Prominenz begrüßen – vom klang. Reden wurden gehalten. Später kreis- zum Betrieb des Hauses zu erzielen, nahm ich früheren Ministerpräsidenten Franz Meyers ten Platten mit Speisen, nach wenig Sekt fl oss jahrelang fast jede Gruppe auf, mit oder ohne und Landtagspräsident Wilhelm Johnen, über viel Bier. Das WDR-Fernsehen übertrug eine Seminarprogramm. Die „Auslastung“ blieb Josef Hermann Dufhues und Familienminister halbe Stunde lang Ausschnitte der Reden und oberstes Gebot. Franz Josef Wuermeling bis zu Bürgermeis- zeigte Teile des Hauses. Danach war ich mit Am 26. Oktober 1962 wurde die „KAB“, wie tern, Abgeordneten, Kirchenvertretern und unserem kleinen Team endgültig allein im sie die Leute bald leicht irreführend nannten, Verbandsrepräsentanten. Konrad Adenauer Planungs- und Finanzierungsalltag.

2244 Eine Sekretariatskraft gab es nicht. Auch ich Nachdem die Personalengpässe (zum Teil!) zen. Im Frühjahr 1962 hatten 45 Gruppen und selbst war der falschen Meinung gewesen, anerkannt waren, kam 1963 die vorzügliche Verbände Interesse an eigenen Tagungen an- meine Frau könne „dies und das neben dran Elisabeth Roos und wickelte unter anderem gemeldet. Dazu gehörten JU-Kreisverbände übernehmen“, wie sich ein Vorstandsmitglied als „Sekretärin an der Pforte“ kleine und grö- außerhalb des Rheinlands, Rotes Kreuz und hören ließ. An dieser Stelle gebührt des- ßere Probleme ab. Erst Ende 1964 konnte ich Malteser, Europa Union, konfessionelle Ver- halb größter Dank der unvergesslichen Hilde zum Beispiel den Einbau eines Münztelefons bände und auch einige Arbeitsgemeinschaften Zanona aus der Geschäftsstelle der JU Rhein- erreichen. Bis dahin herrschte Nahkampf um von Ausländern, besonders aus dem ostmit- land, die immer wieder zur Stelle war, um das „KAB“-Telefon. teleuropäischen Exil. Ziemlich früh beriet bei Seminare durchzuziehen. Sie kümmerte sich Trotz des bleibenden Improvisationsdrucks uns das Katholische Jugendferienwerk, mit nicht nur um die Organisation. Sie war auch gelangen uns einige selbst gestaltete Tagun- dessen Leitung ich befreundet war. eine anerkannte Streitschlichterin. gen, und sogar mein direkter Einfl uss auf die Die Karl-Arnold-Bildungsstätte war aus- so genannten „Gast-Belegungen“ nahm etwas drücklich als Jugendbildungsstätte genehmigt zu. Referenten wurden öfter vermittelt. Doch und gebaut worden. Folglich gab es nur ein- in der Regel mussten die „Gruppen“ vollkom- fache Doppelzimmer mit etwas mehr als Ju- men selbstständig ihre Seminare planen. Uns gendherbergskomfort, eine am Anfang ebenso blieben das Einquartieren und die Zuberei- schlichte wie lärmende Bestuhlung im Speise- tung der Mahlzeiten. Am schwierigsten wurde saal, nirgendwo schallschluckende Bodenbe- das „Schlüsselproblem“, denn der Architekt läge und dies alles auch in lauten „Hörsälen“. hatte kein System einbauen lassen, das eine Gruppen mit überwiegend älteren Teilneh- Schlüsselausgabe an Tagungsteilnehmer er- mern reagierten oft empfi ndlich auf „diesen laubte. Manche Gruppe weigerte sich, abends Jugendherbergsstil“, den sie nicht erwartet eine eigene „Concierge“ an die Pforte zu set- hatten. Ich aber durfte und wollte bei den Be-

Vlnr. Minister Wuermeling, Frau Liesel Arnold, Ministerpräsident Franz Meyers und Dr. Bert Even 2255 Tagung einer Gruppe der UNESCO im Jahr 1962

mühungen um Gasttagungen solche Negativa ten sogar mit an. In den Folgejahren nicht benennen, und so kam es immer wieder wurde die Karl-Arnold-Bildungsstätte zu Schwierigkeiten mit Gästen, die auch noch mehr und mehr angenommen. Rudolf außerhalb des Essens bedient werden wollten. Seiters, damals Bezirksvorsitzender Da meine Familie und ich in der Bildungsstät- der JU in Niedersachen (Oldenburg/ te wohnten, waren wir ständig für Wünsche Emsland), hat „bei uns“ die erste gro- und Beschwerden erreichbar. Auch nachts, ße JU-Mitgliederbefragung mit an- das war kein Vergnügen. Dass die Arbeit da- schließender Bildungsplanung aus- mals dennoch Freude machte und sogar Er- gewertet. diskutierte folge brachte, wird gern vermerkt. Denn die als „Bundesminister für Gesamtdeutschehe meisten Gäste hatten Verständnis, viele pack- Fragen“ mit Studenten über Deutschlandshlands bildungshaus“bildungshaus“ einer- Teilung und stiftete für den Clubraumm eieinene seitsseits undund AnspruchAnspruch aalsls AAkademiekademie Plastik, die den Bau der Berliner Mauer sym- andererseits schnell an seine Grenzen stoßen bolisierte. Die Bundeswehr schulte die ersten musste. „Jugendoffi ziere“, was uns stolz machte. Gern erinnere ich mich an ein Seminar im Die Hermann-Ehlers-Gesellschaft beriet über Winter 1963. Mitglieder der CDU aus dem die Zusammenarbeit von Politik und Diako- Kreis Rees befassten sich einige Tage lang mit nie. Dazu erschien als Referent auch Heinrich oppositioneller Literatur in der Sowjetunion. Krone, einer der treuesten Mitstreiter Konrad Heute denke ich gern daran zurück, welcher Adenauers. Die eindrucksvolle Ehlers-Tagung Studiereifer damals in der Partei Adenauers zeigte schnell, dass das Konzept des Hauses und Arnolds herrschte. Mit Freude begrüßte wegen der Widersprüche zwischen „Jugend- ich zum Beispiel im Juni 1964 die CDU-Frau-

Schlüsselübergabe von Architekt Tenten an Dr. Bert Even 2266 Weltkongress der Ungarischen Freiheitskämpfer

en meiner Heimatstadt Krefeld. Bei solchen Tagungen lieferte ich mehr als ein Grußwort und suchte zum Tagungsthema beizutragen. Besonders dann, wenn Europapolitik im Mit- telpunkt stand. Ich war seit 1951 in der Euro- pa-Bewegung. Das sorgte für Kontakte über die Grenzen hinweg. Es gelang daher früh, auch Freunde aus den Niederlanden nach Bad Godesberg zu holen. Eine der erschütterndsten Tagungen erlebten wir im Mai 1965. Es kamen Frauen und Män- Sie fertigten eine Liste mit ihrem Alter, ihren ist eine Lüge, dass „in der Ära Adenauer ge- ner der Vereinigung „Opfer des Stalinismus“ Verurteilungen und ihren Gefängnisjahren schwiegen wurde“, wie nicht nur Joschka Fi- zusammen, die zusammen 220 Jahre in den an. Es war eine sehr gemischte Generationen- scher daher redete. Ex-KZ-Häftlinge kamen in DDR-Zuchthäusern gesessen hatten, bis sie Gruppe, die ich nie vergaß, weil sie uns an- die Karl-Arnold-Bildungsstätte, Schulbücher von der Bundesrepublik „freigekauft“ wurden. spornte. Erschüttert hat uns, dass einige der wurden kritisch durchgesehen. Ex-Teilnehmer Teilnehmer früh an den Folgen der Häftlings- von Wochenendseminaren fuhren vor dem qualen starben. Sechstagekrieg unter meiner Leitung durch >> Es ist eine Lüge, dass „in der Ära Adenauer geschwiegen Hier möchte ich auch einschieben, dass wir den Libanon, Syrien, Jordanien und Ost-Jeru- uns immer wieder mit den Untaten des NS- salem. Bei einer der „NS-Tagungen“ kam es im wurde“, wie nicht nur Joschka Fischer daher redete. << Regimes befassten. Dabei war ich regelmäßig Speisesaal zu einem Zwischenfall. Ein älteres Jürgen Wahl Referent, denn entsprechende Programme hat- Mitglied der Bundeswehr (die zur JU parallel te ich schon ab 1957 im BDKJ entwickelt. Es im Hause tagte) bekannte sich dazu, 1943/44

2277 Ausstellung in der Karl-Arnold- Bildungsstätte über Polen

nahe Auschwitz in einer Flak-Stellung gele- Freundschaft mit György Graf Szécheny, dem gen zu haben. Er stieß hervor: „Wir haben nix ungarischen Chef der Godesberger Redoute. gerochen und von Massenmord nix gemerkt.“ An der Tagung nahm Ungarns General a.D. JU-Leute drohten dem Mann Prügel an. Ich Hennyey ebenso teil wie ungarische FORD- riet ihm mit Erfolg zur Abreise. Arbeiter aus Köln. Und ich musste einmalig Es gab – gottlob – auch andere politische das Haus bewachen lassen, da meine Gäste Kuriosa. Als Wolfgang Schäuble einmal ein nicht ohne Grund Anschläge „der anderen RCDS-Seminar zu Problemen des Verfas- Seite“ befürchteten. Doch abends fl oss unga- sungsschutzes leitete, nahm daran der Jura- rischer Wein der Sorte „Stierblut“ in Strömen. Student Hans-Christian Ströbele aus Berlin Ich wurde zum Ehren-Ungar befördert. Ein teil, der spätere RAF-Verteidiger und heutige Jahr später trugen einige der Ungarn zu dem von Jerusalem vor 1948. Er las abends aus Bundestagsabgeordnete der Grünen. (später wiederholten) Seminar „Vergessene seinem zuversichtlich gestimmten Lebensbe- Eines Tages kamen vier japanische Jugend- Kinder Europas“ bei, zu dem wir auch Polen, richt. Ich besuchte ihn zwei Jahre später im leiter zu Gesprächen mit Beamten des Fami- Esten, Tschechen, Slowaken, Kroaten und Ru- jordanisch besetzten Ramallah. Dort sagte er: lienministeriums ins Haus. Sie klagten nicht mänen begrüßen konnten. „Ich war und bleibe davon überzeugt, dass wir über „das laute Haus“. Sie sagten mir, dass sie Sehr eindrucksvoll war auch eine Tagung von uns mit den Juden in wenigen Stunden eini- „genau so eines bauen“ wollten. Palästinensern mit jungen Politikern der CDU gen könnten, wenn die Einmischungen großer Zu den Besonderheiten zählte auch eine große im Dezember 1964. Fast alle palästinensischen Staaten von außen aufhören würden, auch Tagung des Weltverbandes der Ungarischen Studentenorganisationen waren vertreten, die der arabischen Welt, von Moskau ganz zu Freiheitskämpfer. Fast alle hatten im Okto- auch die der in Gründung befi ndlichen PLO. schweigen.“ Aref el Aref starb zwei weitere ber 1956 am Aufstand teilgenommen. Der Ein älterer Herr imponierte uns in jenen Tagen Jahre später. Ich bin sicher, dass Gott ihn in Kontakt zu diesen Leuten entstand durch die besonders: Aref el Aref, letzter Bürgermeister Ehren aufnahm.

2288 1965 gelang endlich eine Verstärkung der Polen viel erfahren zu wollen. Die Ausstellung Zeitweise hatten wir „Rheinische Gespräche“, „Eigentagungen“, zum Beispiel mit Hilfe des widerlegte solche Einschätzungen. Die Regio- vor allem zu Themen wie Schule und Fort- Deutsch-Französischen Jugendwerks, das nalpresse lobte die Ausstellung. bildung. Sie schliefen leider wieder ein, wer meine Projekte „Wir entdecken Deutschland“ Natürlich sah das Haus eine Fülle von Tagun- weiß warum. Ich musste einsehen, dass wir förderte. Dabei gab es Vorträge, aber auch die gen, auch der Bundes-JU, zum großen The- für solche Tagungstypen nicht gerüstet wa- hautnahe Entdeckung Bonns und der Politik menkreis Kommunismus – DDR - Moskau. ren, auch dann nicht, als endlich eine weitere durch französisch-deutsche Interview-Teams, In diesen Seminaren hielt ich viele Vorträge. Kraft (Norbert Gintzburg) für die Verwaltung Exkursionen nach Köln und Journalisten-Ge- Es bleibt faszinierend, die Namen so vieler in und Buchführung angestellt wurde. spräche. den Gästebüchern der Karl-Arnold-Stiftung Leicht vergisst man „kleine“ Ereignisse. Da- Mein Polen-Engagement von heute hat 1965 in zu fi nden, die sich der damals herrschenden mit meine ich kleine fruchtbare (ungestörte!) der Karl-Arnold-Bildungsstätte begonnen. Wir Resignation in Sachen Deutscher Teilung wi- Gesprächkreise, die bei uns oft nur einen Tag luden am Anfang junge Polen aus Exil-Fami- dersetzten. lang zusammen kamen, etwa die Bundes- lien ein; leider konnte man nur so und mit zur Versöhnung bereiten Vertriebenen starten. Ei- nes Tages kam aber auch eine das ganze Haus mit Dokumenten und Bildern füllende Aus- stellung über Ostmitteleuropa – Schwerpunkt Polen – zustande. Sie war nicht leicht zu rea- lisieren, denn führende JUler standen damals auf dem Standpunkt, die Teilung Europas wer- de „noch mehr als Jahr-zehnte dauern“ und es sei Zeitverschwendung, ausgerechnet über

Deutsche und französische Jungendliche im Gespräch mit Bundeskanzler Adenauer 2299 führung des BDKJ mit meinem späteren Chef, Karl-Arnold-Bildungsstätte. Ich empfi ng ihn dem Jugendminister Dr. , oder die schon draußen und schlug einen Rundgang Beratung von Planern der heranwachsenden vor. Im Speisesaal wollte der „Alte“ später >> Es waren gute und lehrreiche Jahre, Bundeszentrale für Politische Bildung. mit CDU-Rentnern Kaffee trinken. Adenauer die ich nicht missen will. << Im Jahre 1964 besuchten wir mit einigen schwieg, als ich ihm die beiden Hörsäle, ein Jürgen Wahl Deutschen und Franzosen Konrad Adenauer. Gästezimmer und den Clubraum zeigte. Ab Er empfi ng uns in seinem Bundestagsbüro. und zu sagte er nur „Aha“ und fragte mich Die ziemlich unpolitischen jungen Franzosen schließlich. „Herr Wahl, nun sagen Sie mal CDU gewählt. Am gleichen Tag fragte er mich, irritierte er mit seiner Antwort auf die Frage, ehrlich: Wat machen Sie denn nun wirklich ob ich sein Persönlicher Referent und Leiter die der Leiter der französischen Gruppe, ange- hier?“ Ich war empört und schluckte: „Wie seines Parteibüros werden wollte. Wir kann- stiftet durch mich, Adenauer nach den Atom- ich schon ausführte, machen wir hier, vor al- ten uns seit 1958 durch die Zusammenarbeit waffen („Force de frappe“) der Grande Nation lem für die Junge Union, Politische Bildung.“ in BDKJ-Seminaren und später durch seine stellte. Die verblüffende Antwort des damals Der Alte sah mich länger an und fasste den Dienstbesuche in der Karl-Arnold-Bildungs- fast neunzigjährigen Altkanzlers: „Also, lie- Rundgang aus seiner Sicht zusammen. „Na stätte. Ich habe Bruno Heck nach Ostern und be Freunde, Jroßbritannien hat, Sie wissen schön, und Sie glauben, dass dat was hilft?“ einer Wanderung zugesagt und schied im dat, diese janzen Waffen. Warum sollen Sie Ich schwieg und brachte ihn zu den Rentnern. Sommer bei der „KAB“ aus. Vorher hatte ich se denn nicht haben!? „Hat er“, so fragte ein Heute verstehe ich Adenauers Abschlussfrage noch den Nahen Osten und, siehe oben, Aref Parisien, „fast nur einen Satz gesagt?“ „Ja“, besser als 1965. Seine Offenheit bleibt für el Aref besucht. Der Wechsel zu Bruno Heck erklärte ich ihm, „Adenauer hält das für genug mich unvergessen. führte nun auch noch zu einer ausreichenden und für richtig.“ Im Frühjahr 1966 wurde Bruno Heck auf ei- Wohnung und zu ungestörter Nachtruhe. Die Eines Tages kam der aktive Pensionär Konrad nem Bonner Bundesparteitag zum „Geschäfts- Bilanz hieß aber auch: Es waren gute und Adenauer doch noch, spätnachmittags, in die führenden Mitglied des Parteipräsidiums“ der lehrreiche Jahre, die ich nicht missen will.

3300 50 Jahre

3311 Gästebucheintragungen

3322 Das Spezielle der KAB – ein persönlicher Rückblick

von Michael Lingenthal, vorzüglich. Man kooperierte insbesondere in das Problem, dass an „Stiftung“ andere Anfor- Leiter der Karl-Arnold- der Förderung von jugendlichen Führungs- derungen, im Sinne von fi nanziellen Begehr- Bildungsstätte kräften, so speziell bei Bildungsangeboten lichkeiten, gestellt wurden, als bei der eher (1982 – 1988) für die „Schüler Union“ (SU), den RCDS und bescheidenen Bezeichnung „Bildungsstätte“. für „Junge Zeitungsmacher“. Die internatio- Ich verwende im Folgenden den Begriff „Bil- nale Arbeit der Karl-Arnold-Bildungsstätte dungsstätte“ bzw. „KAB“, weil meine Zeit als gab manchmal Anlass zu „Reibereien“ mit der Leiter der Bildungsstätte überwiegend nicht KAS, speziell im Falle der Unterstützung der dem Abschnitt „Stiftung“ zugeordnet werden spanischen Christdemokraten in der Phase des kann und weil mein Anliegen in erster Linie Demokratiebeginns nach Franco. In anderen die professionelle politische Bildungsarbeit Die Karl-Arnold-Bildungsstätte war in den Feldern, so zum Beispiel in den Programmen der Bildungsstätte war. Die Besonderheit der siebziger und achtziger Jahren ein Begriff für in Polen, nutzte die KAB die Verbindungen KAB war zweifellos der Aufbau eines the- die Arbeit der christlichen Demokratie im vor- der KAS in das Land. men- bzw. zielgruppenorientierten Netzwer- politischen Raum. Die Aufgabenteilung mit Die Karl-Arnold-Bildungsstätte war ein Be- kes. Lange bevor der Begriff „Netzwerke“ zum der Konrad-Adenauer-Stiftung (KAS) klappte griff. Mit ihrem Kürzel „KAB“ wurde sie oft- Standard der Arbeit im vorpolitischen Raum mals mit der „Katholischen Arbeitnehmer wurde, hatte ihn die KAB praktiziert. „Junge Bewegung“ verwechselt. Als der Vorstand die Zeitungsmacher“ und „schülerpresse aktuell“ >> Die Besonderheit der KAB war zweifellos der Aufbau Aktivitäten der Bildungsstätte vielfältiger ent- war die erfolgreichste Initiative einer politi- wickelte, rückte die Bildungsstätte durch die schen Bildungsinstitution in ihrer Zeit, un- eines themen- bzw. zielgruppenorientierten Netzwerkes. << Umbenennung in „…Stiftung“ etwas in den trennbar mit Günther Spaett und der engen Michael Lingenthal Hintergrund. Auch hatte man in der prakti- Kooperation mit der KAS verbunden. Sie war schen Zusammenarbeit mit Partnern oftmals ein Beispiel für die erfolgreiche Zielgruppen-

3333 Blick in ein Seminar für junge Zeitungsmacher

Wählerpotential war. Dr. Franz Schoser, heu- te Schatzmeister der KAS, hatte bei etlichen KAB-Tagungen aufgerufen, besonders die Nachfolgegenerationen der ersten „Gastar- beiter“ zu beachten, sie gut auszubilden und zu integrieren. Wenn man seinerzeit mit mehr Energie und fl ächendeckend seinem Rat ge- folgt wäre, hätten wir vermutlich heute weni- arbeit mit Jugendlichen, die eher Distanz zur „Rentnerband“ belächelt, hatte die KAB die ger „Migrantenprobleme“. Union und zu den Volksparteien hielten. zukünftigen demografi schen Entwicklungen Mit der entwicklungspolitischen Erfahrung Günther Spaett steht auch in besonderer Wei- Deutschlands richtig interpretiert und ein ent- von Bernd Lüken konnte dieser Themenkom- se für die Arbeit mit der „Schüler Union“. Der sprechendes Bildungsangebot präsentiert. plex in das Programm aufgenommen und heutige Ministerpräsident von Niedersachsen Unter Heinrich Köppler befassten sich die zusätzliche Finanzierungsmittel des BMZ er- Christian Wulff ist sicherlich der prominen- KAB und die CDU-Rheinland schon frühzeitig schlossen werden. teste Vertreter dieser Arbeit, der mit der KAB mit dem, was heute „Migrantenhintergrund“ Hansen und Theo Frings standen für die The- politische Bildungsarbeit gestaltete und orga- genannt wird. Bernd Lüken von der KAB und matik „Kultur und Politik“. Filmnächte, auch nisierte. Joachim Herudeck von der CDU-Rheinland zu sehr schwierigen Themen –wie zum Bei- Rudolf Dadder hatte lange bevor die Senio- begannen eine systematische Arbeit mit der spiel der Propagandafi lm im NS-Regime bzw. ren als organisierte Zielgruppe in der Union sogenannten „Gastarbeitergeneration“ und in der DDR-, hatten ihren Platz im Program- ihren Platz hatten, die zukünftige Bedeutung deren Kindern, weil man wusste, dass man mangebot der KAB, aber auch „Rock und Po- dieser Altersgruppe erkannt und die Senio- diesen Teil unserer Gesellschaft integrie- litik“. renarbeit aufgebaut. Damals von manchen als ren musste und es zudem ein interessantes

3344 Für die Reihen „Waren unsere Väter Verbre- Systemvergleich ein. Manchem Zuhörer war cher?“ und „Nationalsozialismus unter Ju- es unerträglich, über die Praxis der Verfol- >> Das (...) Thema „Wehrhafte Demokratie“ war gendlichen“ gab es manche Kritik, auch weil gung und der Demütigungen in den speziel- auch ständiges Element der Tagungen zur DDR etliche das „?“ nicht mitlasen und die not- len DDR-Gefängnissen zu hören. Man hatte wendigen Begriffsbestimmungen und -zu- sich doch sehr gut auf dieser Seite der Mauer und zum kommunistischen System. << ordnungen von (Kollektiv-)Schuld, Scham eingerichtet und wollte vor allem nicht ge- Michael Lingenthal und Verantwortung negierten. Es ging darum, stört werden. So wurde oftmals die KAB als die junge Generation eben genau nicht unter „Kalter Krieger“ diffamiert, obwohl sie nichts „Schuldzwang“ zu setzen, aber dennoch die weiter tat, als authentisch über die reale Lage politische, soziale und alltägliche Entwick- im Staatssozialismus der DDR und anderer lung des Nationalsozialismus zu erklären und Warschauer-Pakt-Staaten zu informieren. aufzuzeigen, welche Konsequenzen die junge Wenn Karl Lamers zu den „Sicherheits- Demokratie der Bundesrepublik für die Ab- politischen Tischrunden“ einlud, parkte vor wehr des Rechtsextremismus gezogen hatte. der Hörsaalfront der KAB regelmäßig ein Das damit verbundene Thema „Wehrhafte De- „auffällig-unauffälliger“ Opelkombi der sow- mokratie“ war auch ständiges Element der Ta- jetischen Botschaft mit verdunkelten Scheiben gungen zur DDR und zum kommunistischen – vermutlich nur, um die frische Luft in der System. Die KAB zeigte praktische Solidarität Venner Straße zu genießen. In dieser Tisch- mit freigekauften politischen Gefangenen. Sie runde gab es eine interessante Entwicklung. bot für diese Zielgruppe eigene Tagungen an Zunächst folgte die sowjetische Botschaft und setzte diese Menschen als Zeitzeugen und keiner Einladung. Dann sprachen Vertreter Referenten in den Bildungsmaßnahmen zum dieses Staates nur bei einem Exklusivauftritt.

vlnr. Karl Lamers, Bundespräsident Dr. , Michael Lingenthal 3355 Schließlich akzeptierten die Sowjets auch ein lischen Kirche Polens, mit den Jugendlichen Karl Lamers später außenpolitischer Sprecher gemeinsames Podium mit den USA. und Intellektuellen in der Partei „Znak“ und in der CDU/CSU-Bundestagsfraktion wurde, und Der „Arbeitskreis DDR-Literatur“, von Karl den „KIK“ (Klub der katholischen Intelligenz). er auch nach Ende seiner Mandate im Bundes- Lamers ins Leben gerufen und später von Dort überzeugte man mich, dass die Einheit tag ein geschätzter und gefragter Gesprächs- Hans-Joachim Gaudigs begleitet, hatte nicht Deutschlands unabdingbar für die Freiheit der partner der Medien ist, mag eine (zu) späte nur die Entwicklung von Literatur und Ger- „WP-Staaten“ sein würde. „Einheit“ natürlich Genugtuung und auch Anerkennung seiner manistik in beiden deutschen Staaten, vor al- unter Respektierung der aktuellen Grenzen, außenpolitischen Arbeit in der KAB sein. lem in der DDR, im Fokus, sondern bot immer also bei vollständigem Verbleib der ehemali- Gelegenheit, Hinweise zur internen Entwick- gen deutschen Ostprovinzen bei Polen. lung in der DDR zu erfahren. Studienfahrten Die politischen Kontakte, besonders von Karl >> Die politischen Kontakte, besonders von in die DDR ergänzten diese Arbeit. Lamers und mir, wurden von etlichen in der Bundespräsident Dr. Karl Carstens eröffne- Union kritisch gesehen. Noch hatte sich die Karl Lamers und mir, wurden von etlichen te mit einer Jugendtagung zur „Zukunft der Union nicht „vollinhaltlich“ zur Anerkennung in der Union kritisch gesehen. << deutschen Nation“ den Erweiterungsbau, um der sogenannten Ostverträge entschlossen, es Michael Lingenthal den sich besonders Dieter Behrenbruch ver- gab eher „Akzeptanz des Unvermeidlichen“ als dient gemacht hatte. Die KAB stritt mit und „überzeugte Anerkennung“. Die Instrumenta- vor Jugendlichen zur „Zukunft der deutschen lisierung dieser Kontakte sowie der entspre- Ein spezielles Kapitel der KAB sind die „Hilfs- Nation“ und gab den Wunsch an die Einheit chenden Arbeit der KAB im innerparteilichen transporte“. Seit 1973 habe ich jährlich mehr- nicht auf. Warum hatte ich selbst an diese Zu- Wettstreit um die Aufstellung als Bundestags- mals Polen bereist und die Kontakte zu Kirche kunft geglaubt bzw. den Glauben wieder ge- kandidat habe ich als kein Ruhmesblatt mei- und Klubs gehalten. Ende der siebziger Jah- funden? Es waren die Begegnungen mit der ner Partei empfunden, sondern eher als „Lehr- re, also noch vor der Solidarnoczbewegung, politischen Führung in Polen, mit der katho- stück“, wie man es nicht machen sollte. Dass war die schlechte Versorgungslage erkennbar.

3366 Die deutschen Kredite und Leistungen kamen Sortierfl äche umgewidmeten Tischtennisplat- KAB selbst stellte nicht nur Räume zur Verfü- bei der Bevölkerung, Ausnahme die Nomen- te und sortierten Medikamente. „Die guten ins gung. Sie erlaubte auch die Nutzung der kom- klatura, nicht wirklich an. Alten- und Behin- Töpfchen“ das war wichtig, weil ein Teil der pletten Bürozeiten und -infrastruktur für die dertenheime und „Randgruppen“ kämpften, um Sachspenden angefragten Ärzte und Apo- Organisation dieser Transporte. Dies bedeute- um „über die Runden zu kommen“. 1979 fuhr theker die Medikamentenhilfe für Polen mit te in der Praxis, dass zum Beispiel Sabine von ich daher den ersten Hilfstransport, auf rein „Medikamentenentsorgung“ verwechselten. Klösterlein in der Dienstzeit zum polnischen familiär-privater Basis organisiert, mit ei- Aber weitaus überwogen die guten und nutz- Generalkonsulat nach Köln fahren musste, um nem grauen LT 45 nach Polen. Speziell mit baren Sachspenden, die in Kartons verpackt Visa zu beschaffen, Transportlisten abstem- der Ausrufung des Kriegsrechtes im Winter in den Koffer-LKW Platz fanden, die nun oft peln zu lassen und „Stempel, Stempel, Stem- 1981 und mit der Verfolgung der polnischen vor der KAB beladen wurden. Alle halfen mit, pel…“ zu erhalten. Demokraten, war es ein „Muss“, diese Hilfe zu auch die „Küchenbrigade“ unter der Leitung erweitern. Aus der privaten Initiative grün- von Fräulein Sesterhenn. Anstecken ließen dete sich die „Initiative Hilfe für Polen e.V.“. sich Teilnehmende und Referenten, zum Bei- >> Die deutsch-polnischen Sie ist besonders mit den Namen Sabine von spiel durch Geldsammlungen am Ende von Klösterlein und Bettina und Rainer Deppe ver- Tagungen. Etliche von ihnen fuhren dann sel- Beziehungen hatten ihren attraktiven bunden. Doch bevor alles in Vereinsstruktu- ber Hilfstransporte. Die Bedingungen waren und besonderen Platz. << ren gesichert und gefestigt wurde, gab es die klar: Wer mitfahren wollte, musste einen voll- Michael Lingenthal große Hilfsaktion der „KABler“ selbst. Hörsaal getankten LKW organisieren oder mindestens und Aufenthaltsraum der KAB verwandelten 1.000 DM zusammenbringen. In dieser Aktion sich binnen Tagen in Materiallager und Sor- beteiligte sich insbesondere der RCDS, moti- In dieser Zeit wuchs die Gemeinschaft zum tierstationen. Die Appels und die Frings (Jose- viert und organisiert von seinem damaligen Kloster Maria Laach. Dort hatte in seiner Weih- fi ne, Theo und Dorothee) standen an der zur Bundesgeschäftsführer Norbert Kühne. Die nachtspredigt 1981 Abt Adalbert das Kloster

3377 Michael Lingenthal mit Gerhard Schröder

aufgerufen, praktische Hilfe zu leisten. Über Bruder Lukas Ruegenberg entwickelten sich die Kontakte zur Sozialinitiative „Kellerladen e.V.“ in Köln. So bewies sich wieder einmal die Stärke der KAB, die Netzwerkarbeit. Abt Adalbert übersetzte die Transportlisten, weil er als Oberschlesier auch polnisch sprach. An manchen Tagen konnte man die „Mitarbeiter- besprechung“ (MAB) der KAB eher in Maria Laach oder in Köln abhalten, als in der KAB selbst. Die so erworbene Praxis und Kompetenz aus Polen Emigrierten, der unermüdlich den reitungsreise mit ihm zum ersten Programm führte dazu, dass die KAB Ort des alljährli- unverfälschten und kompletten geschicht- seines Lehrstuhles in Polen zeichnete sich chen Erfahrungsaustausches und der Planung lichen und politischen Bezug herstellte. Aus besonders durch Nachtfahrten aus, um den von weiteren Hilfsorganisationen wurde. Das den Verbindungen unserer Gruppe zu Polen Tag für Kontakte und Gespräche zu nutzen. Haus war komplett mit „Polenfahrern“ aus- erwuchsen neue Partnerschaften mit interes- Im Schein der Taschenlampe erfolgten dann gebucht, wenn sich Johanniter und Malteser santen Multiplikatoren bzw. Institutionen. die Gesprächsnotizen. Unvergessen die Ant- trafen. Natürlich blieben diese Programme Einmal stellte die KAB ihre Kenntnisse in den wort einer jungen Solidaritätsfrau in Danzig nicht ohne Auswirkungen auf das Program- Dienst der Programmvorbereitungen für Po- auf die Frage, ob ihre Arbeit in der begin- mangebot der KAB. Die deutsch-polnischen lenreisen der Journalistenakademie der KAS. nenden Repression nicht gefährlich sei. Eine Beziehungen hatten ihren attraktiven und be- Andererseits begann eine Kooperation mit „typisch deutsche Frage“ sei dies, beschied sie sonderen Platz. Hubert Wohlan war einer der Prof. Werner Weidenfeld in Mainz. Die Vorbe- Werner Weidenfeld. Deutsche und Russen hät-

3388 ten dem größten Teil der Generation der Väter te, sie aber zu wenig umsetzte. „Wer tut etwas ihre Befähigung zur Selbstorganisation Ziel und Großväter „das Rückgrat gebrochen“. Die für die Gehörlosen? Auch sie haben Anspruch der Zusammenarbeit war. Ich denke, dies war junge polnische Generation sei anders, auch auf politische Bildung!“. Das stand dann so im weitgehend erfolgreich. Eine gute Anzahl von wenn es mit Sicherheit persönliche Konse- Raum. Es war die Zeit der Entwicklung des in der Gehörlosenbewegung an unterschiedli- quenzen geben würde, die Zukunft liege in Grundsatzprogramms der Union. „Stimme der chen Orten verantwortlich tätigen Menschen einem freien Polen in den Grenzen von 1945 zu sein, die keine Stimme in der Politik haben“, kommt aus diesem Kreis, diesem Netzwerk der und in der Integration in Europa – ein paar war eine der Maximen. Also begann die KAB KAB. Hermann Dreese aus Essen, das Ehepaar Wochen später war sie im Fries aus Hildesheim, die Ge- „Kriegswinter“ inhaftiert und hörlosenlehrer Jürgens aus von der Danziger Uni rele- >> Also begann die KAB eine systematische Arbeit Niedersachsen und Wloka aus giert. Berlin und natürlich der oben Selbst bei diesen Hilfstrans- mit Behinderten, insbesondere mit Gehörlosen. << genannte Rudi Bauschen wa- porten gab es die Beziehungen Michael Lingenthal ren die Motoren dieser ein- zu Gehörlosen. Pfarrer Czerny zigartigen Kooperation. Der aus Zabrze war mir genannt Erfolg der Arbeit lässt sich worden, weil er für seine Gehörlosengemeinde eine systematische Arbeit mit Behinderten, an zwei Anlässen deutlich machen. Der KAB dringend Unterstützung brauchte. Warum ge- insbesondere mit Gehörlosen, die nach mei- gelang es, dass die CDU als erste Partei die rade die Gruppe der Gehörlosen? 1978 stand nem Wechsel zur KAS Mitte 1988 dann von Gruppe der Gehörlosen zu einem Parteitag Rudi Bauschen, Unionsmitglied und Lehrer an Heide Höppner fortgeführt wurde. „Politische einlud und dass Dolmetscher und Gehörlose der Gehörlosenschule in Köln, plötzlich un- Bildung von und mit Gehörlosen“ war das für alle sichtbar ihren Platz im Zentrum des angemeldet vor meinem Schreibtisch und war Motto. Mit diesem Titel drückten wir aus, dass Saales hatten, also nicht in hinteren Reihen zornig, dass die Union groß von Werten rede- keine „Berieselung“ für Gehörlose, sondern versteckt wurden. Mit dem Bundesrat und von

3399 ihm fi nanziert wurde ein Video in Gebärden- Frau Dr. Wilms hatte dabei nicht zum ersten sprache zu den politischen Institutionen der Mal das notwenige Gespür und hohe Sensi- >> Die KAB hat den ersten Frauenkongress Bundesrepublik gedreht. Der Bundesrat war bilität für neue Themen und Entwicklungen, zudem die Institution des politischen Bonn, hier die Integration der Behinderten, gezeigt. im Unionsbereich organisiert. << die die Gehörlosenarbeit der KAB am kräf- Die KAB hatte mit ihr den ersten Frauenkon- Michael Lingenthal tigsten förderte. Mit der Bundesministerin gress im Unionsbereich organisiert, bei dem Dorothea Wilms gelang es, die Mittel für eine die Themen der Frauen ausschließlich im Mit- Produktion zur Realität der innerdeutschen telpunkt der Konferenz standen. Auch dies ist wortung in subsidiären Strukturen überneh- Grenze zur Verfügung zu bekommen. Wieder- ein Stück „Pionierarbeit“ der KAB. men konnten und damit einen wichtigen Teil um ein Lehrvideo in Gebärdensprache, mit der Sie merken schon, der Blick „verklärt“ sich der christdemokratischen Grundüberzeugun- Untertitelwerkstatt Münster produziert. Diese immer mehr. Denn nicht alles war so gelun- gen mit Leben erfüllten. Produktion war – Gott sei Dank – kurz nach gen und die täglichen organisatorischen und Einige Namen habe ich genannt. Sie stehen ihrer Fertigstellung im Herbst 1988 überholt. fi nanziellen Notwendigkeiten prägten den stellvertretend für alle diejenigen, die in und Die innerdeutsche Grenze war gefallen. Die Alltag mehr, als diese „Leuchttürme“ der po- mit der KAB politische Bildungsarbeit gestal- Kopien des Videos stauben wahrscheinlich in litischen Bildungsarbeit im vorpolitischen teten, nicht verwalteten. Aber auch die „Nicht- Archiven vor sich hin oder sind entsorgt. Den- Raum. Aber sie gehören auch zur Geschich- genannten“ sind vor dem inneren Auge präsent noch hatte auch diese Produktion ihre Bedeu- te der „Karl-Arnold-Bildungsstätte“, die ihre und allen, den „KABlern“ und dem Multiplika- tung für die Gehörlosen. Nicht nur wegen der Stärken in der Netzwerkarbeit hatte. Dieses toren- und Partnerkreis gebührt großer Dank, Sachinformationen in ihrer Sprache, sondern „von und mit“ war dabei das durchgehende der hiermit noch einmal ausdrücklich und aus vielmehr wegen der gesellschaftlichen und Element, um tatsächlich einen Beitrag zur vollem Herzen erklärt wird. politischen Aufmerksamkeit, die den Gehörlo- Stärkung der „Bürgergesellschaft“ zu leisten sen durch die Bundesministerin zu Teil wurde. und dazu, dass Menschen überhaupt Verant-

4400 Politische Prominenz in der Karl-Arnold-Stiftung

4411 4422 Karl-Arnold-Stiftung: 50 Jahre politische Bildung im Wandel der Zeiten

von Jürgen Clausius, des Grundgesetzes kannte und über 60 Pro- ein Instrument, das die politische Bildung jun- Leiter der zent Hitler noch für eine „gute Idee“ hielten ger Menschen förderte. In den Anfangsjahren Karl-Arnold-Stiftung – eine „gute Idee“, die „nur“ eben „schlecht war es das Hauptziel der politischen Bildung, (2000 - heute) ausgeführt“ worden sei. die junge Demokratie zu festigen und die Aus- Schon im Jahre 1946 hatte der spätere Mi- söhnung mit den europäischen Nachbarn zu nisterpräsident des Landes NRW, Karl Arnold, fördern. Diesen Zielen hat sich von Anfang erkannt, dass das Pfl änzchen Demokratie im an auch die Karl-Arnold-Stiftung verschrie- Nachkriegsdeutschland nur wachsen kann, ben. In der Gründungssatzung vom 19. Ok- wenn sie von „der politischen Gesinnung des tober 1959 war als Zweck der Karl-Arnold- einzelnen Staatsbürgers“ ausgeht und wächst. Bildungsstätte, wie die Karl-Arnold-Stiftung Als die Karl-Arnold-Stiftung im Jahre 1959 Es war seine feste Überzeugung, dass die bis zum Jahr 1979 hieß, festgeschrieben: gegründet wurde, bestand das Land Nord- Demokratie nur von unten aufgebaut wer- rhein-Westfalen 12 Jahre und die Bundes- den kann, und dass jeder einzelne Mensch „Veranstaltungen aller Art durchzuführen, republik Deutschland feierte ihren 10. Ge- für die Demokratie gewonnen werden muss. die geeignet sind, junge Menschen mit ih- burtstag. In frischer Erinnerung waren die Deshalb forderte Karl Arnold für alle Bevöl- ren Rechten und Pfl ichten in Gemeinschaft NS-Diktatur und das Leid und Elend, das kerungsschichten die Möglichkeit, sich an po- und Staat vertraut zu machen und sie in dieses Terror regime über Deutschland und die litischen Entscheidungsprozessen beteiligen christlich-sozialer Verantwortung staats- Welt gebracht hatte. Wie notwendig politische zu können. Er trat für das uneingeschränkte bürgerlich und politisch zu bilden.“ Bildung im Nachkriegsdeutschland war, zeigt Recht auf Bildung ein und machte es sich zur eine Umfrage 10 Jahre nach der Gründung der Aufgabe, gerade die junge Generation für die Mit Aufnahme des Bildungsbetriebes im ei- Bundesrepublik. Sie ergab, dass nicht einmal Demokratie zu begeistern. Mit dem Landes- genen Tagungshaus in Bonn-Bad Godesberg die Hälfte der Westdeutschen die Bedeutung jugendplan schuf er in Nordrhein-Westfalen im Jahre 1962 bildeten Seminare zur Demo-

4433 kratiebildung und zur Vermittlung von De- will junge und erwachsene Bürgerinnen und mokratiekompetenzen einen Schwerpunkt der Bürger für die Demokratie begeistern, sie mit politischen Bildungsarbeit der Karl-Arnold- ihren Rechten und Pfl ichten in Gesellschaft Stiftung. und Staat vertraut machen und sie umfassend Demokratie und politisches Handeln im ge- über Themen aus Politik, Wirtschaft und Ge- schützten Seminarraum lernen und einüben, sellschaft informieren. Ziel ist es, damit ei- politische Diskussionskultur entwickeln, für nen entscheidenden Beitrag zur Schaffung politische Überzeugungen eintreten und öf- eines aufgeklärten, stabilen politischen Kli- fentlich vertreten sowie die Vorbereitung auf mas in Deutschland zu leisten und sich so an ein politisches Amt und Mandat gehörten von der Wahrung der christlich-abendländischen Anfang an ebenso zu den Bildungsangeboten Werteordnung gemäß der freiheitlich-demo- der Karl-Arnold-Stiftung wie die Aufarbei- kratischen Grundordnung unseres Landes zu tung aktueller politischer Themen. beteiligen. Hinzu kamen schon sehr früh internationale Die Karl-Arnold-Stiftung hat sich immer den Seminare, in denen sich junge Menschen aus Wertvorstellungen und politischen Überzeu- Deutschland mit Jugendlichen aus anderen gungen Karl Arnolds eng verbunden gefühlt. europäischen Ländern trafen, um gemeinsame Das gilt auch heute noch. Ganz im Sinne Karl politische Themen zu diskutieren und vonein- Arnolds spricht die Karl-Arnold-Stiftung mit ander zu lernen. ihrem Bildungsprogramm eine breite Öffent- Menschen politische Orientierung geben, ist lichkeit an und will mit ihren niederschwel- heute noch genauso wichtig wie zu den Zei- ligen und methodisch differenzierten Semi- ten von Karl Arnold. Die Karl-Arnold-Stiftung narangeboten Bürgerinnen und Bürgern den

Karl Arnold

4444 Zugang zu politischer Bildung erleichtern und liegt heute bei knapp 30 Prozent. In der Al- noch 34 Prozent der Bürgerinnen und Bürger die Möglichkeit zu umfassender Meinungsbil- tersgruppe 18-29 Jahre interessiert sich in den den Parteien großes Vertrauen entgegen. Heu- dung geben. Für alle politischen Bildner ist es alten Bundesländern nur noch jeder fünfte für te genießen die Parteien nur noch bei jedem aber schwieriger geworden, die Menschen für Politik. Das zunehmende politische Desinteres- Sechsten Vertrauen (17 Prozent). politische Bildungsveranstaltungen zu gewin- se drückt sich auch in sinkenden Wahlbeteili- Diese Zahlen sind Warnsignale für die Demo- nen. Die Gründe dafür sind vielfältig: gungen und einem massiven Rückgang bei den kratie und ihre Akzeptanz bei den Bürgerin- Das politische Interesse der Bürgerinnen und Mitgliederzahlen der Parteien, Gewerkschaften nen und Bürgern. Im gemeinsamen Antrag Bürgern ist seit der Wiedervereinigung im und politischen Interessengruppen aus. der Bundestagsfraktionen von CDU/CSU und Jahre 1990 nach den Auswertungen des Da- Nach einer Forsa-Umfrage vom Juni 2009 sind SPD „Zur Lage der politischen Bildung in tenreports 2008 deutlich zurückgegangen. Es 54 Prozent der Deutschen mit dem Funktionie- Deutschland“ (Drs. 16/9766) heißt es deshalb ren der Demokratie in Deutschland eher oder zu Recht: sehr unzufrieden. Dieses Ergebnis bestätigt ARD-DeutschlandTREND: die Ergebnisse der ARD-Deutschlandtrend- „Demokratie ist so stark, wie die Bürge- Zufriedenheit mit Demokatie Umfrage vom Juni 2008. rinnen und Bürger demokratisch sind. Nach dieser Umfrage ist die Mehrheit der Eine Demokratie, die sich nicht um die Sind Sie mit der Art und Weise, wie die Demokratie Deutschen (52 Prozent) mit der Demokratie Förderung der demokratischen Kenntnisse in der Bundesrepublik funktioniert alles in allem… unzufrieden. Wichtige Institutionen, die für und Fähigkeiten kümmert, wird aufhören, das Funktionieren der Demokratie wichtig Demokratie zu sein.“ (±0) (+3) sind, wie die Bundesregierung, Gewerkschaf- 42 41 ten, Unternehmen und Parteien, verlieren Demokratie ist nicht gottgegeben. Sie belebt nach dieser Umfrage permanent an Vertrauen sich nicht von alleine. Deshalb braucht Demo- der Bürgerinnen und Bürger. 2001 brachten kratie politische Bildung. Politische Bildung (-2) (-1) 11 6

sehrhfid zufrieden zufriedenfid wenigerig gargiht nicht zufrieden zufrieden

Angaben in Klammern: Angaben in Prozent Vgl.4455 zu November 2006 Grundgesamtheit: Wahlberechtigte Juni 2008, Umfrageergebnis von infratest dimap Bevölkerung in Deutschland Auszug aus dem Antrag „Zur Lage der politischen Bildung in Deutschland“

ist kein Luxus, sondern sie gehört zur Demo- der Mensch ein eigenständiges Wesen, das kratie wie die Luft zum Atmen. In Sonntags- eine Persönlichkeit, Verstand, Erkenntnis und reden, Parteitags- und Grundsatzbeschlüssen damit die Fähigkeit zur Entscheidung besitzt. wird die Arbeit der politischen Bildung für Als eigenständiges Wesen ist der Mensch zur den Erhalt der Demokratie immer wieder ge- Freiheit berufen. Weil der Mensch selbststän- würdigt. Die wahre Wertschätzung der politi- dig handeln kann, kann er diese Freiheit auch schen Bildung zeigt sich aber erst in der Krise. missbrauchen. Im Bewusstsein seiner Unvoll- Wer sonntags das hohe Lied der politischen kommenheit ist der Mensch zur ständigen Bildung singt und montags der politischen Refl exion seines Verhaltens gefordert. Die Bildung die fi nanziellen Daumenschrauben Möglichkeit des Fehlens im Handeln erfordert anlegt, der legt die Axt an den Stamm der De- immer wieder Neubesinnung auf das Ziel und mokratie. Die Demokratie ist viel zu wertvoll, notwendige Umkehr. Politische Bildung kann kennen undd es auff sichi h nehmen,h um sie auf dem „Sparaltar“ zu opfern. Keinem und muss den Menschen dabei helfen, ihr po- diese Ordnung zu erhalten. Ein wesentliches Menschen wird das demokratische Bewusst- litisches Handeln zu überdenken, Irrtümer zu Ziel politischer Bildung muss es deshalb sein, sein in die Wiege gelegt. Jeder Mensch muss erkennen und die politische Identitätsfi ndung Fundamente zu legen und darüber aufzuklä- demokratisches Verhalten erlernen. Und die- zu fördern. ren, was Politik ist, in welchen Bahnen sie sich ser Lernprozess ist lebenslang und nie ganz Politische Bildung in Deutschland ist immer in unserer freiheitlichen Ordnung vollzieht abgeschlossen. Politische Bildung unterstützt Bildung im Zeichen des Grundgesetzes und und welchen Spielregeln sie unterliegt. die Menschen bei diesem Lernprozess. Sie vor dem Hintergrund der deutschen Geschich- Im Vergleich zu den Anfangsjahren der Bun- muss deshalb auch auf Dauerhaftigkeit ange- te. Bewahrt werden kann unsere freiheitliche desrepublik erscheinen die Themen politischer legt sein und kontinuierlich wirken. Ordnung auf Dauer nur dann, wenn die Bür- Bildungsarbeit heute in mancher Hinsicht Im Sinne des christlichen Menschenbildes ist gerinnen und Bürger es als eigene Aufgabe er- komplexer. Viele Fragen sind nicht mehr im

4466 Die Grundrechte: Grundlagen unserer Demokratie

Verbotbot deder Zwangsarbeit a (Art. 12) Rechtsschutzgarantiehutzgarantie GarantieGarantie rechtlichenrechtli Gehörs (Art. 10)

Berufsfreiheitfreiheit (Art(Art.. 112) VeVereinsfreiheit (Art. 9) Verfahrensrechte nationalen, oft selbst im europäischen Rahmen Eigentum, Erbrecht, allein nicht mehr zu lösen. Die Globalisierung Freizügigkeit (Art. 11) Eigentum (Art.( 14)) Enteignunggg (Art. 14) mit ihren wirtschaftlichen, politischen und Versammlungsfreiheit kulturellen Folgen weckt bei vielen die Sorge, ((Art. 8) Ehe und Familie – einem undurchschaubaren Gefl echt von wirt- Bürgerrechte uneheliche Kinder (Art. 6)) Institutionelle Garantien schaftlichen und politischen Machtstrukturen ausgeliefert zu sein, die sie selbst nicht be- einfl ussen können. Politische Bildungsarbeit UnverletzlUnverletzlichkeitetzlichkeit der Sozialisierungialisierung ((Art. 15) Wohnung (Art. 13) muss dem entgegenwirken und die Menschen GleichheitsbeGleichheitsberechtigung (Art. 3) Erbrechtechtt (Art. 1414) ermutigen, sich um das zu kümmern, was sie Grundrechte angeht. Unehelicheheliche KKinder (Art. 6) Gleichheitsgesetzitsgesetzg Viele Bürgerinnen und Bürger sind durchaus bereit, sich für konkrete und zeitlich begrenz- Eigentum,um, ErErbrecErbrecht,breccht, EEnteignung (Art. 14) DiskriminDiskriminierungsverbotungsvverbot ((Art.Art. 33)) te politische Projekte in ihrem Umfeld zu en- Menschenwürde ((Art. 1) gagieren. Darauf muss sich politische Bildung Kunstfreiheit ((Art.Art. 55)) HandlungsfreHandlungsfreiheitih (Art. 2) einstellen. Sie muss ihre Adressaten da an- sprechen, wo diese sich mit ihren Fragen und Menschenrechte Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheititt Freiheitsrechte Bedürfnissen tatsächlich hinwenden. Gleich- (Art. 2) zeitig muss sich politische Bildung aber da- GlaubeGlaubensfreiheitns (Art. 4) Postgeheimnis (Art. 10) vor hüten, nur noch Partikularinteressen oder MeMeinungsfreiheitungsfr (Art. 5) politische Modethemen zu bedienen und das Wissenschaftsfreiheit (Art. 5)) Rechtt auff LLebenb ((Art. 2) Informationsfreiheitf ih it (A(Art. 5) PressePressefreiheit (Art. 5) Große und Ganze aus dem Auge zu verlieren.

4477 Politische Bildung ist kein politischer Ad-hoc- als Korrekturinstrument gerufen. Finanzielle Wirkung hinterlassen. Sowie ein schöner Gar- Reparaturbetrieb. Jahrelange politische und Sondermittel werden kurzfristig bereitgestellt ten permanenter Pfl ege bedarf, so bedarf auch gesellschaftliche Fehlentwicklungen können und mit der Gießkanne über das Land verteilt. die Demokratie einer nachhaltigen und dauer- nicht von jetzt auf gleich durch die politische Meistens verpufft dieser Aktionismus aber ge- haften Pfl ege. In der Tagespolitik kommt diese Bildung korrigiert werden. Nur steter Tropfen nauso schnell wie Wasser auf einem heißen Pfl ege oft zu kurz. Deshalb müssen die Trä- höhlt den Stein. Langfristig gewachsene politi- Stein. ger der politischen Bildung diese Dauerpfl ege sche Überzeugungen und Vorurteile sind nicht Wer glaubt, die Schnelllebigkeit politischer übernehmen. durch ein Seminar oder einen VHS-Kurs kurz- Themen eins zu eins auf die politische Bil- fristig zu revidieren. Es kann Jahre dauern, ei- dung übertragen zu können, der irrt. Heute nen rechts- oder linksextrem eingestellten Ju- Wirtschaftskrise, morgen Klimawandel, über- gendlichen durch politische Bildung von den morgen „Weiß nicht was“: Die Zahl der poli- >> Politische Bildung und Demokratie sind Vorzügen des demokratischen Rechtsstaats zu tischen Themen, mit denen sich die politische zwei Seiten einer Medaille. << überzeugen. Bei manchen gelingt es nie. Bildung schwerpunktmäßig beschäftigen soll Jürgen Clausius Bisweilen hat man das Gefühl, dass politische und es auch gezwungenerweise tut, nimmt Bildung immer nur dann in den Fokus der po- infl ationär zu. So schnell wie die Mode auf litisch Verantwortlichen rückt, wenn ein po- den Modewochen in Mailand und Paris wech- Politische Bildung und Demokratie sind zwei litisches Ereignis passiert, das die Menschen selt, so schnell wechseln die von öffentlicher Seiten einer Medaille, weil Demokratiekompe- in unserem Land aufwühlt und zu politischen Hand geförderten Projekte und Inhalte poli- tenzen von Bürgerinnen und Bürgern in der Gegenreaktionen herausfordert, wie extre- tischer Bildung. Dabei weiß jeder, politische modernen und komplexen Gesellschaft nicht mistische Gewalttaten oder der Einzug ex- Bildungsprozesse sind langfristige Prozesse. einfach von selbst durch Prozesse ungelenk- tremistischer Parteien in ein Parlament. Dann Sie brauchen Zeit und stete Wiederholung bis ten Lernens entstehen. Demokratiekompeten- wird schnell nach der politischen Bildung sie in einer breiten Öffentlichkeit politische zen entstehen nur unter Anleitung und kön-

4488 nen sich nur im Rahmen institutionalisierter Sinn der Institutionen der Demokratie sowie • das Vermögen, einen Streit sachlich zu be- Bildung nachhaltig entwickeln. Hintergründe der Fähigkeit, das Handeln der politischen werten und sich selber ein Urteil zu bilden; besser durchschauen, Kritikfähigkeit entwi- Akteure kritisch zu beurteilen. Die Aufgabe • das Geschick, die Fülle der Medien effi zi- ckeln, weniger zu Vorurteilen neigen und ein der Wissensvermittlung in der politischen Bil- ent und mit dem nötigen kritischen Blick zu positives Selbstbild der eigenen politischen dung besteht wiederum darin, dem Einzelnen nutzen; Fähigkeiten besitzen, hängt wesentlich von ein sachgemäßes Urteilen als Bürger zu er- • die Fähigkeit, eigene Interessen zu defi nie- kognitiven Fähigkeiten ab, von politischem möglichen. Die Förderung dieses Denkens und ren, sie angemessen zu begründen und da- Wissen und eigener Urteilsfähigkeit. Politische Urteilens ist daher die besondere Aufgabe der für Zustimmung zu organisieren. Bildung bleibt ohne politisches Deutungswis- politischen Bildung. Sie muss auch die Fähig- Als vor 50 Jahren die Karl-Arnold-Stiftung sen und Urteilsfähigkeit blind. Der Bestand keiten fördern, die der mündige Bürger für die ihre politische Bildungsarbeit aufnahm, wa- der Demokratie ist eng verbunden mit der politische Teilhabe braucht, wie etwa: ren das politische System und die politischen Einsicht der Bürgerinnen und Bürger in den Institutionen für die Bürgerinnen und Bürger noch greifbarer und einfacher zu verstehen. Im Bundestag waren mit CDU/CSU, SPD und FDP nur drei Fraktionen vertreten. Es gab elf Bundesländer. Bezahlt wurde mit der D-Mark. Deutschland war geteilt. Die EU hieß noch EWG und bestand aus sechs Mitgliedstaaten. Die Menschen konnten mit dem „Ersten Deut- schen Fernsehen“ nur einen Fernsehkanal und mit der „Tagesschau“ nur eine Nachrichten- sendung sehen. Am Stammtisch und in der

Eine Studiengruppe der Karl-Arnold- Stiftung während einer Führung durch die Gedenkstätte Hohenschönhausen 4499 Vortrag im Bundesinnen- ministerium zu aktuellen innen- politischen Gesetzesvorhaben

schen Desinformation der Bürgerinnen und Bürger bei. Die Komplexität politischen Han- delns und politischer Entscheidungen und das zunehmende politische Expertentum schließen immer größere Bevölkerungsgruppen von der Familie ließ sich Politik nachvollziehen, man des Internets auf die Bürgerinnen und Bürger politischen Mitsprache aus und schaffen eine konnte auch ohne Experte zu sein über politi- einstürmt, sind auch die politische Welt, ihre immer größer werdende Distanz zwischen Po- sche Entscheidungen fachlich und kontrovers Zusammenhänge und Institutionen schwe- litik und Bürgerinnen und Bürgern. diskutieren. Man konnte im besten Sinne poli- rer für die Menschen zu begreifen und zu Durch politische Bildung muss diese Distanz tisch mitreden. In den politischen Bildungsse- durchschauen als vor 50 Jahren. Tatsächlich wieder verkleinert werden. Im Antrag von minaren und in der Parteiveranstaltung seiner können selbst Fachleute in unserem koopera- CDU/CSU und SPD „Zur Lage der politischen Ortspartei erfuhr man noch exklusiv und aus tiven, europäisch integrierten und internatio- Bildung in Deutschland“ heißt es dazu: erster Hand vom Abgeordneten, was politisch nal ausgerichteten Bundesstaat oft nur noch im Bundes- oder Landtag diskutiert wird und mit Mühe sagen, welche staatlichen Ebenen „Ziel der politischen Bildung muss sein, welche politischen Maßnahmen künftig ge- und welche internationalen Organisationen die aktive Wahrnehmung der bürgerli- plant sind. Politik und politische Entscheidun- eigentlich für was zuständig sind. Die längs- chen Rechte in unserem demokratischen gen wurden noch erklärt. tens 30-Sekunden-Statements von Politikern, Rechtsstaat zu fördern. Die Information Im Zuge der Einheit, der Europäisierung, der die von Fernsehsendern zwischen Waschmit- über Entscheidungs- und Verantwortungs- Globalisierung, der Schnelllebigkeit politi- tel- und Autowerbung in ihren Nachrichten- strukturen auf den verschiedenen Ebenen, scher Themen und der täglichen Informations- sendungen ausgestrahlt werden, haben kaum auf denen demokratische Willensbildung fl ut, die aus über 100 frei empfangbaren Fern- noch politischen Informationswert, sondern stattfi ndet, sowie über Mitwirkungs- und sehkanälen und aus den unendlichen Weiten tragen eher zur Verwirrung und zur politi- Teilhabechancen, die jedem Bürger mit

5500 verschlechtern sich aber die Rahmenbedin- bung zugunsten von kurzfristigen auf >> Seit Jahren verschlechtern sich aber die gungen für die politische Bildung. Auch die Unterrichtsstunden basierenden und die Karl-Arnold-Stiftung ist davon betroffen. Als Arbeitsfähigkeit fördernden Bildungspro- Rahmenbedingungen für die politische Bildung. << Veränderungen sind in erster Linie zu nen- jekte zulasten von mehrtägigen politischen Jürgen Clausius nen: Lehrveranstaltungen stattgefunden. • Das Lern- und Freizeitverhalten der Bevöl- • Die mehrfachen Kürzungen der öffentli- kerung hat sich verändert. Politische Bil- chen Mittel für die politische Bildung ha- gleicher Stimme zustehen, ist die Voraus- dungsmaßnahmen stehen im Wettbewerb ben zum Teil zur massiven Erhöhungen der setzung dafür, dass die Akzeptanz der De- mit anderen attraktiven Angeboten. Tagungsbeiträge und damit wirtschaftlich mokratie steigt, das zunehmende Gefühl • Das Interesse der Bürgerinnen und Bürger bedingt zum Ausschluss ganzer Bevölke- eigener Machtlosigkeit überwunden und an traditionellen Formen der politischen rungsgruppen von den Angeboten der po- eine höhere Beteiligung an Wahlen und Beteiligung nimmt ab. litischen Bildung geführt. politischer Willensbildung möglich wird.“ • Das Interesse und die Motivation, sich mit • Stärkere inhaltliche, methodische und ver- politischen Themen intensiv auseinander- waltungstechnische Reglementierungen der Damit die freien Träger der politischen Wei- zusetzen, sind stark zurückgegangen. Fördermittelgeber sowie eine politisch ge- terbildung die von der Politik übertragenen • Potentielle Teilnehmerinnen und Teilneh- wünschte Fokussierung der politischen Bil- Aufgaben bewältigen können, sind sie neben mer sind angesichts der wirtschaftlichen dung auf bestimmte Zielgruppen (Migran- einer auskömmlichen und stetigen fi nan- Probleme nicht mehr so leicht bereit, Zeit ten und bildungsferne Schichten) führen zu ziellen Grundförderung mit Rahmenbedin- und Geld für die eigene politische Weiter- mehr Verwaltungsaufwand und zu weniger gungen auszustatten, die den Trägern neue bildung zu investieren. Zeit und Ressourcen für die politische Bil- Formen der politischen Bildung und Ziel- • Durch politische Entscheidungen auf Bun- dungsarbeit mit „Otto-Normalbürger“. gruppenansprache ermöglichen. Seit Jahren des- und Landesebene hat eine Verschie-

5511 Im Reichstag informieren sich Teilnehmerin- Teilnehmerinnen und Teilnehmer einer Blick in eine POL&IS-Seminar nen und Teilnehmer der Karl-Arnold-Stiftung Tagung im Jahre 2001 über die politische Arbeit im Bundestag

Die Karl-Arnold-Stiftung sowie die Mehrheit kontrolle der politischen Bildungsangebote viel früher als Bildungsplaner in Behörden der anderen politischen Weiterbildungsein- gehören seit 50 Jahren zum Bildungskonzept und Ministerien gesellschaftliche und politi- richtungen stellen sich diesen grundlegenden der Karl-Arnold-Stiftung. Ohne das Gespür, sche Veränderungen in der Bevölkerung auf. und permanenten Veränderungen. Die politi- Veränderungen von gesellschaftlichen und Sie können deshalb schneller reagieren und sche Bildung ist moderner und innovationsfä- politischen Rahmenbedingungen frühzeitig sich auf neue Inhalte und Wünsche der Teil- higer als viele politisch Verantwortliche glau- zu erkennen, und ohne die Flexibilität, darauf nehmenden einstellen. Ohne Teilnehmerinnen ben. kurzfristig zu reagieren und einzugehen, wür- und Teilnehmer wäre die politische Bildung Das Werben um alte und neue Zielgruppen, de die Karl-Arnold-Stiftung in diesem Jahr nichts. Sie sind die Adressaten der politischen die stete Fortentwicklung bewährter Semi- nicht ihren 50. Geburtstag feiern. Bildungsarbeit. Sie fi nanzieren mit ihren Ta- narangebote, die Erarbeitung neuer Bildungs- Durch den unmittelbaren und täglichen Kon- gungsbeiträgen heute in der Regel den Haupt- formate, das Aufgreifen aktueller politischer takt mit den Seminarteilnehmerinnen und anteil der Seminarkosten. Ihre Wünsche an Themen sowie die Evaluation und Qualitäts- -teilnehmern spüren politische Bildner oft Seminarinhalt, -aufbau und -methodik sind

5522 persönlicher Vorteil verbindet oder gesell- >>> Seit ihrer Gründung vor 50 Jahren schaftliche Anerkennung daraus erwächst. Seit ihrer Gründung vor 50 Jahren hat die hat die Karl Arnold Stiftung immer Karl Arnold Stiftung immer auf einen hohen aufauf einen hohen Qualitätsanspruch in ihrer Qualitätsanspruch in ihrer Bildungsarbeit ge- achtet. Qualitativ gute Bildungsangebote und Bildungsarbeit geachtet. << die Einführung und konsequente Verfolgung Jürgen Clausius des Qualitätsgedankens in allen Bereichen unserer täglichen Arbeit waren und sind feste Bestandteile unserer Bildungsarbeit. mindestens genauso wichtig wie Förderricht- Die Karl-Arnold-Stiftung hat ihre Entschei- linien öffentlicher Zuwendungsgeber. dung für die Zertifi zierung nicht aufgrund Um mehr Bürgerinnen und Bürger zu bewe- politischen Drucks getroffen, sondern aus der gen, die Angebote der politischen Bildung Überzeugung heraus, dass es zu einer qua- wahrzunehmen, müssen diese so angelegt litativ hochwertigen Bildungsarbeit gehört, sein, dass sie für die Teilnehmerinnen und ständig die Qualität seiner eigenen Arbeit zu Teilnehmer einen konkret verwertbaren Mehr- hinterfragen, einen kontinuierlichen Verbes- wert besitzen. Dieser kann zum Beispiel darin serungsprozess in Gang zu setzen, und die liegen, dass das Erlernte sich einerseits direkt Ergebnisse dieses kontinuierlichen Verbes- für das politische und gesellschaftliche Enga- serungsprozesses regelmäßig von externen gement oder den Beruf verwerten lässt, oder Dritten überprüfen zu lassen. Für die Karl- anderseits sich mit der Seminarteilnahme ein Arnold-Stiftung war und ist die Zertifi zierung

5533 Informationsbesuch im Haus der Sorben in Bautzen während eines europa- politischen Seminars im Dreiländereck – Deutschland, Polen und Tschechien

ein guter und richtiger Weg. Wir gehen diesen eingeschlagenen Weg konsequent weiter und sind stolz darauf, dass wir im Jahr unseres 50. Geburtstages das Zertifi kat des Gütesiegelver- bundes Weiterbildung zum zweiten Mal ver- liehen bekommen haben. QM-Systeme und Zertifi zierungen kosten Geld, Zeit und Arbeit. Geld, Zeit und Arbeit wären noch besser investiert, wenn sich alle staatlichen, halbstaatlichen und privaten För- dermittelgeber darauf verständigen könnten, wandel hat die Karl-Arnold-Stiftung mit ihren send über Themen aus Politik, Wirtschaft und dass die Zertifi zierung durch eine anerkannte politischen Bildungsangeboten 50 Jahre er- Gesellschaft zu informieren. Die 50-jährige Zertifi zierungsstelle als Qualitätsnachweis für folgreich begleitet. Seit ihrer Gründung haben Geschichte der Karl-Arnold-Stiftung ist für die Arbeit der politischen Weiterbildungsein- an den über 8.000 Bildungsveranstaltungen den Vorstand und für alle Mitarbeiterinnen richtung ausreicht. der Karl-Arnold-Stiftung mehr als 200.000 und Mitarbeiter Anspruch, Maßstab und An- Hinter uns liegen 50 politisch spannende Jahre, Jugendliche und Erwachsene teilgenommen. sporn, die Stiftung in eine weiterhin positive in denen sich ein politischer und gesellschaft- Die Karl-Arnold-Stiftung hat mit ihrer Bil- Zukunft zu führen. Im Wandel der Zeit bleibt licher Wandel enormen Ausmaßes vollzogen dungsarbeit ein Stück dazu beigetragen, die auch in Zukunft die Karl-Arnold-Stiftung mit hat. Europa lebt heute in Frieden und Freiheit. Demokratie in Deutschland zu festigen, die ihren politischen Weiterbildungsangeboten Deutschland ist wiedervereinigt. Die Welt ist Bürgerinnen und Bürger in unserem Land mit eine feste Konstante. durch die neuen Medien und die Globalisie- ihren Rechten und Pfl ichten in Gesellschaft rung enger zusammengerückt. Diesen Zeiten- und Staat vertraut zu machen und sie umfas-

5544 50 Jahre

5555 Gästebucheintragungen

5656 Karl-Arnold-Stiftung: Unser Weg zur zertifi zierten Einrichtung

von Oliver Krauß, fortbildungsbereiter Menschen stießen und früher reguliert und durch zahlreiche Richtli- Qualitätsbeauftragter gleichzeitig genügend fi nanzielle Ressour- nien der Fördermittelgeber reglementiert. Auf und hauptamtlicher cen vorhanden und abrufbar waren, gehören dem Bildungsmarkt muss sich die politische pädagogischer der Vergangenheit an. Gesellschaftliche und Bildung gegenüber der momentan favorisier- Mitarbeiter wirtschaftliche Veränderungen führten vor ten und darum sehr viel stärker geförderten allem in den letzten Jahren zu stark sinken- berufl ichen Bildung behaupten und ihre An- den fi nanziellen Zuwendungen. Gleichzeitig gebote gegenüber stark beworbenen Freizeit- sehen sich weiterbildungswillige Teilnehmer angeboten zahlreicher privater Billiganbieter in ihrem täglichen Erwerbsleben einem immer geschickt platzieren. Daher werden Einrich- stärkeren Konkurrenzdruck ausgesetzt und die tungen der politischen Bildung zukünftig dar- In diesem Jahr dürfen wir stolz auf 50 Jahre Erwartungen der Arbeitgeber an gut ausgebil- auf angewiesen sein, den Teilnehmenden ihrer erfolgreiche Arbeit in der politischen Jugend- detes Fachpersonal steigen. Der Fokus ver- Veranstaltungen für ihren Tagungsbeitrag die und Erwachsenenbildung zurückblicken. 1959 schiebt sich zunehmend auf die betriebliche bestmögliche Qualität zu bieten. wurde unsere Stiftung mit dem Auftrag und oder berufl iche Weiterbildung, die Wichtigkeit „Qualität“ wird also zu einem wichtigen The- dem festen Willen gegründet, die damals der politischen Bildung hat damit aber zu kei- ma und gleichzeitig zu einer großen Heraus- noch junge Demokratie gegen antidemokrati- nem Zeitpunkt abgenommen. forderung an die Bildungseinrichtung und an sche Kräfte und Bestrebungen zu verteidigen. Angesichts der wirtschaftlichen Zwänge sind ihre Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Denn In den vergangenen Jahrzehnten hat sich die die politischen Bildner heute aufgefordert, sich es geht nicht weniger als um die Sicherung Karl-Arnold-Stiftung beständig neuen poli- vermehrt Gedanken über die Qualität ihrer Bil- der Qualität der Bildungsangebote und die tischen Themen und gesellschaftlichen Her- dungsangebote und ihrer täglichen Arbeit zu Einführung und konsequente Verfolgung des ausforderungen gestellt. Die Zeiten, in denen machen und diese zu optimieren. Der Bereich Qualitätsgedankens in allen Bereichen der Angebote zur politischen Bildung auf Scharen der politischen Bildung ist heute stärker als täglichen Arbeit.

5577 Die Karl-Arnold-Stiftung hat in ihrer Bil- gen stand die Entwicklung eines Fragebogens wurde mit der Einführung einer eigenen Aus- dungsarbeit immer auf einen hohen Quali- zur Auswertung unserer Veranstaltungen. Die- wertungssoftware durch eine der beteiligten tätsanspruch geachtet. Für uns ist das The- ser wurde anschließend optimiert, bis wir im Einrichtungen auf deren Wunsch hin beendet. ma nicht neu und wir haben es bereits sehr März 2003 mit der Kompletterhebung unse- 2004 übernahm der Qualitätszirkel noch eine frühzeitig aufgegriffen. So fasste der Vorstand rer durchgeführten Bildungsveranstaltungen weitere wichtige Aufgabe: die Entwicklung der Karl-Arnold-Stiftung bereits im Jahr 2000 begannen, die wir bis heute ohne Unterbre- unseres Leitbildes, in dem wir uns und unse- den Grundsatzbeschluss, die Arbeits- re Arbeit sowie unser Selbstverständnis abläufe und die Bildungsmaßnahmen als Einrichtung der politischen Bildung der Einrichtung zu evaluieren und ein beschreiben. Bildungscontrolling einzuführen. Einer Nachdem sich Ende der 1990er Jah- der beiden stellvertretenden Vorsitzen- re der Gedanke der Qualitätssicherung den der Karl-Arnold-Stiftung übernahm nach und nach auch am Bildungsmarkt verantwortlich die Aufgabe, gemeinsam durchzusetzen begann, entstanden erste mit der Leitung und den Mitarbeiterin- Zertifi zierungseinrichtungen. Dabei gab nen und Mitarbeitern erste Maßnah- es unterschiedliche Ansätze, angefan- men zur gezielten Qualitätsentwicklung gen von der sehr technisch geprägten durchzuführen. chung durchführen. Im Dezember 2004 ge- Normenreihe DIN EN ISO 9000 ff, die in der Im Jahr 2001 wurde zunächst ein Qualitätszir- lang es uns, zwei weitere politische Bildner zu Industrie zur Qualitätssicherung dient, hin zu kel eingerichtet. Hier wurden Erfahrungen aus überzeugen, gemeinsam mit uns in eine wis- eigens für Weiterbildungseinrichtungen ent- der täglichen Arbeit und Verbesserungsmög- senschaftlich begleitete Evaluation der durch- wickelten Qualitätsstandards. lichkeiten des Angebots gemeinsam diskutiert. geführten Bildungsmaßnahmen einzusteigen. Anfang des Jahres 2005 wurde die Karl-Ar- Ganz zu Anfang unserer Qualitätsbemühun- Diese Kooperation bestand drei Jahre und nold-Stiftung Mitglied im Gütesiegelverbund

5588 Ursula Schmidt-Bichler Ein weiterer Grund für die Wahl des Gütesie- -lenkung, -sicherung und -auswertung) wahr. vom Gütesiegelverbund gelverbunds Weiterbildung war die Flexibili- Zu seinem sehr umfangreichen Aufgabenge- überreicht dem tät des nicht statisch vorgegebenen Zertifi zie- biet gehören zum Beispiel Vorsitzenden der rungsmodells. Die Möglichkeit der Anpassung • der Aufbau, die Ausgestaltung, die Weiter- Karl-Arnold-Stiftung, an die eigenen Arbeitsbedingungen und die entwicklung und die ständige Verbesserung Dr. Bernhard Worms, permanente Weiterentwicklung und Verbes- des Qualitätsmanagement-Systems sowie das Zertifi kat serung des Modells sind überzeugende Argu- die kontinuierliche Dokumentation, mente, denn das System erfüllt damit für sich • die Organisation von Teamtreffen und Sit- selbst bereits einige wesentliche Anforderun- zungen, die Vorbereitung der jährlichen Be- gen, die es auch an die Weiterbildner stellt. wertung des Systems durch die Leitung, die Weiterbildung. Von Anfang an hat uns die Phi- Damit ist es insgesamt sehr überzeugend und Vorbereitung und Begleitung von internen losophie des Gütesiegelverbunds überzeugt. glaubhaft. Alle Mitgliedseinrichtungen ha- und externen Audits sowie das Verfassen Das Modell wurde von Menschen entwickelt, ben die Möglichkeit, an der Verbesserung und von Protokollen und Berichten, die aus der Weiterbildung kommen und somit Weiterentwicklung des Modells mitzuarbeiten • die Beratung und Schulung von Mitarbei- das tägliche Geschäft und die Anforderun- und sich untereinander auszutauschen. terinnen und Mitarbeitern in Fragen der gen sehr gut kennen. Wir konnten also davon Die erste Maßnahme, die nach der Entschei- Qualitätssicherung, das Sicherstellen eines ausgehen, dass das Qualitätsmanagement- dung für den Gütesiegelverbund Weiterbil- Beschwerdemanagements, die Dokumenten- System des Gütesiegelverbundes den an sich dung notwendig wurde, war die Bestellung ei- lenkung und die Koordination des fachli- aus der Wirtschaft stammenden Begriff des nes Qualitätsbeauftragten (QB). Dieser nimmt chen Austauschs mit anderen Einrichtungen Qualitätsmanagements um wichtige Elemente in der Organisation im Auftrag und in enger der Weiterbildung in Fragen der Qualitäts- erweitern würde, die für uns als Einrichtung Abstimmung mit der Leitung die Aufgaben entwicklung. der politischen Weiterbildung wesentlich sind. der Qualitätsentwicklung (Qualitätsplanung,

5599 Nach der sechstägigen Ausbildung des QB er- • Sie richtet die Planung ihres Programms an belegt, ist eines der Kernelemente des Systems. folgte dann am 1. Juni 2005 der entscheiden- den Interessen der Teilnehmenden und am Im Vorfeld sind aber wesentliche grundlegen- de Schritt: Die Anmeldung zum eigentlichen gesellschaftlichen Bedarf aus. de Dinge zu regeln. So müssen im Rahmen der Zertifi zierungsverfahren. Dieses konnte – trotz • Bei der Auswahl der Lehrenden wird auf de- Einführung eines Qualitätsmanagementpro- eines personell bedingten Wechsels – bereits ren fachliche und pädagogische Kompetenz zesses zunächst alle relevanten Arbeitsabläufe nach etwas mehr als einem Jahr im August geachtet. 2006 erfolgreich mit unserer Zertifi zierung • Die Einrichtung stellt sicher, dass für den abgeschlossen werden. In diese arbeitsinten- Lernerfolg geeignete Unterrichtsräume, Ma- >> Ziel war es dabei immer, die Qualität der in sive Zeit fi elen sehr viele einzelne Schritte, terialien und Medien zur Verfügung stehen. die zur Erlangung des Zertifi kats notwendig • Anregungen, Lob und Kritik werden aufge- der Stiftung ablaufenden Prozesse und ihres gemeinsamen waren. griffen, ihre Bearbeitung kommt den Teil- „Endproduktes“, nämlich unsere Bildungsarbeit, nehmenden zugute. Wie hoch ist der Aufwand? • Die Einrichtung hat sich verpfl ichtet, Quali- nachhaltig zu verbessern. << tät systematisch weiter zu entwickeln. Oliver Krauß Nach dem Verständnis des Gütesiegelverbunds Das Gütesiegelmodell ist in sieben Qualitäts- bedeutet Qualität: bereiche aufgeteilt, die speziell auf die Belan- • Die Zufriedenheit der Teilnehmerinnen und ge von Weiterbildungseinrichtungen zuge- und -prozesse der Einrichtung beschrieben, Teilnehmer steht im Mittelpunkt der Qua- schnitten sind. Jeder Qualitätsbereich ist in dokumentiert und hinterfragt werden. Ange- litätsbestrebungen der Weiterbildungsein- zahlreiche Standards unterteilt, die genauere fangen bei der Selbsteinschätzung aller Be- richtung. Anforderungen defi nieren. Die Beschreibung, schäftigten in Bezug auf ihre tägliche Arbeit • Die Einrichtung berät Interessentinnen und ob und wie eine Einrichtung diese Standards wurden im Verlauf des Zertifi zierungsverfah- Interessenten in Fragen der Weiterbildung. erfüllt und durch welche Nachweise sie dies rens mit allen Beteiligten mögliche Schwach-

6600 Nach seiner Fertigstellung Anfang März 2006 Dabei wurde vor allem der Kenntnisstand der >> Die wichtigsten Arbeitsprozesse wurden haben wir unser Handbuch und die darin in Bezug auf die im Handbuch beschriebenen festgeschriebenen und vereinbarten Arbeits- Prozesse geprüft. Parallel wurden in einem in einem Qualitätshandbuch zusammen gefasst. << prozesse, Formulare und Dokumente auf den umfangreichen Selbstreport alle Qualitäts- Oliver Krauß Prüfstand gestellt und auf ihre Praxistauglich- bereiche entsprechend den vom Gütesiegel- keit hin untersucht. Wo dies nötig war, haben verbund vorgegebenen einzelnen Standards wir die Prozesse dann erneut angepasst. beschrieben. Die Einhaltung jedes einzelnen stellen in den Arbeitsabläufen identifi ziert Anschließend fand mit allen Mitarbeiterinnen Standards ist dabei anhand von entsprechend und gemeinsam neue Lösungen erarbeitet. und Mitarbeitern ein erstes internes Audit statt. geeigneten Nachweisen zu dokumentieren. Ziel war es dabei immer, die Qualität der in der Stiftung ablaufenden Prozesse und ihres gemeinsamen „Endproduktes“, nämlich unse- re Bildungsarbeit, nachhaltig zu verbessern. Die wichtigsten Arbeitsprozesse wurden in einem Qualitätshandbuch zusammen gefasst, welches vom Zeitpunkt seiner Freigabe an zu- künftig die gemeinsame Arbeitsgrundlage und Orientierungshilfe für alle Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter darstellt. Im Handbuch sind auch die Qualitätspolitik der Stiftung und die daraus abgeleiteten Qualitätsziele beschrieben, deren Einhaltung wir kontinuierlich prüfen.

Das Qualitätshandbuch

6611 Nach intensiver Prüfung der eingereichten unseren „Lorbeeren“ allerdings nicht: das vom Welche Erfahrungen haben wir schriftlichen Unterlagen besuchten im Juli Gütesiegelverbund verliehene Zertifi kat gilt gemacht? 2006 zwei Auditoren des Gütesiegelverbun- immer nur für drei Jahre und muss dann in des die Karl-Arnold-Stiftung und überzeug- einem komplett neu zu durchlaufenden Zer- Seit dem Grundsatzbeschluss im Jahr 2000 ten sich vor Ort in einem rund sechsstündigen tifi zierungsverfahren erneut bestätigt werden. haben wir das Zertifi zierungsverfahren ins- Audit über die Einhaltung der Qualitätsstan- Diese drei Jahre haben wir zur Umsetzung der gesamt zweimal vollständig durchlaufen und dards. Hierzu führten sie mit mehreren Mitar- in unserem Selbstreport beschriebenen Ent- konnten dabei wertvolle Erfahrungen sam- beiterinnen und Mitarbeitern Gespräche und wicklungsvorhaben und zur weiteren Optimie- meln. Unsere wichtigsten Erkenntnisse sind: prüften die für den Nachweis erforderlichen rung unseres Qualitätsmanagementsystems Qualität lässt sich nicht per Dienstanweisung Dokumente. In einem Abschlussgespräch mit genutzt. So wurde das Qualitätshandbuch ins- der Leitung und dem QB stellten sie ihre aus gesamt zweimal überarbeitet und noch besser dem Audit gewonnenen Erkenntnisse dar. den Anforderungen an die tägliche Arbeit an- Auf Grundlage der positiven Empfehlung der gepasst. >> Nach den intensiven Bemühungen waren wir froh und Auditoren entschloss sich der Beirat des Gü- Ende Juni diesen Jahres war es dann wieder stolz, dass wir die Zertifizierung geschafft hatten. << tesiegelverbundes im August 2006, das Gü- soweit: Nach der Anmeldung zum Zertifi - Oliver Krauß tesiegelzertifi kat an die Karl-Arnold-Stiftung zierungsverfahren, der Einreichung des fort- zu vergeben. Wir waren damit die erste politi- geschriebenen Selbstreports mit allen Nach- sche Weiterbildungseinrichtung in Nordrhein- weisen erfolgte wieder ein eintägiger Besuch vom Vorstand oder von der Leitung verord- Westfalen, die dieses Zertifi kat erhielt. durch die Auditoren des Gütesiegelverbundes. nen. Die Einführung eines Qualitätsmanage- Nach den intensiven Bemühungen waren wir Seit dem 21. Juli 2009 sind wir „rezertifi ziert“, ments kann nur dann gelingen, wenn es kein froh und stolz, dass wir die Zertifi zierung ge- haben also erneut das Gütesiegel verliehen be- von oben verordnetes Verfahren ist, sondern schafft hatten. Ausruhen konnten wir uns auf kommen, das jetzt bis Ende August 2012 gilt. nur, wenn alle - Vorstand, Leitung, haupt-

6622 vlnr. Ulrike Steimann, Oliver Krauß, Heinrich Kottkamp, Jürgen Clausius, Ursula Schmidt-Bichler

nanzielle Situation im Weiterbildungsbereich, ständig steigende Anforderungen seitens der >> Die Qualität unserer Bildungsarbeit Fördermittelgeber an Dokumentationen und ist besser geworden. << zu beachtende Richtlinien sowie die deutlich Oliver Krauß veränderte Erwartungshaltung auf Seiten un- serer Teilnehmenden führten bereits seit 2001 bei allen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern zu amtliche und nebenamtliche Mitarbeiter/in- einer deutlich fühlbaren Mehrbelastung. Das nen - an einem Strang ziehen. Dies setzt bei Konzept des Qualitätsgedankens und des Qua- allen Beteiligten Neugierde, Einsichts- und litätsmanagements mutete manchen Beschäf- Kritikfähigkeit, Mut und Vertrauen voraus und tigten zunächst schwer verständlich und sehr verlangt von Leitung und QB viel Überzeu- theoretisch an. gungskraft, Geduld, Durchhaltevermögen und Diese Haltung änderte sich aber nach und wurde in gemeinsamen Gesprächen nach Lö- Arbeit. Qualität lässt sich in einer Bildungsein- nach mit der Erstellung der Tätigkeitsberichte sungsmöglichkeiten gesucht. Viele Mitarbeiter richtung nur gemeinsam mit allen Beteiligten und dem Bewusstmachen der eigenen Position erfuhren hier direkte Mitwirkungsmöglichkei- sichern und kontinuierlich verbessern. in der Einrichtung. ten und brachten sich und ihre Erfahrungen Wir haben nie verschwiegen, dass auch in unse- Noch deutlicher und für alle greifbarer wur- mit in das Handbuch ein. Die Einführung eines rer Einrichtung gerade zu Beginn des Prozesses de das Thema mit der Bildung von Teams und Qualitätsmanagementsystems sowie die beiden bei den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der der gemeinsamen Arbeit an der Erstellung des durchlaufenen Zertifi zierungsprozesse haben Karl-Arnold-Stiftung die Skepsis gegenüber Qualitätshandbuches. Jahrelang bekannte und sich für die Karl-Arnold-Stiftung nicht nur der Einführung des Qualitätsmanagementsys- immer wieder diskutierte Problembereiche aus Qualitätsgesichtspunkten, sondern auch tems überwog. Die teilweise bedrohliche fi - wurden jetzt schriftlich dokumentiert und es aus betriebswirtschaftlicher Sicht gelohnt.

6633 Die Qualität unserer Bildungsarbeit ist besser ist gestiegen. Das drückt sich in besseren Ar- geworden. Wir kennen heute genauer die Bil- beitsergebnissen und weniger Fehltagen aus. dungswünsche unserer Teilnehmenden und „Qualität“ ist heute kein Fremdwort mehr, >> Die Arbeitszufriedenheit und die Arbeitsmotivation können deshalb unseren Zielgruppen in Über- sondern fest in die tägliche Arbeit implemen- der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter ist gestiegen. << einstimmung mit den öffentlichen Förder- tiert. Die Arbeit und Arbeitszeit, die wir in Oliver Krauß kriterien passgenaue, qualitativ hochwertige die Einführung des Systems und die Zertifi - Bildungsangebote machen. Deshalb ist in den zierungsverfahren investiert haben, wird sich letzten Jahren die Kundenzufriedenheit stetig über die Jahre amortisieren. chen Verbesserungsprozess in Gang zu setzen gestiegen. Wir haben uns für die Einführung eines Qua- und die Ergebnisse unserer Arbeit regelmäßig Wir arbeiten heute effektiver. Viele Arbeits- litätsmanagementsystems bereits zu einem von externen Dritten überprüfen zu lassen. schritte wurden standardisiert, was zu Kosten- Zeitpunkt entschieden, als es noch nicht ab- Für die Karl-Arnold-Stiftung war und ist die und Arbeitszeiteinsparungen führte. Es gibt sehbar war, dass Fördermittelgeber, wie zum Zertifi zierung ein guter und richtiger Weg, weniger Reibungsverluste unter den Mitar- Beispiel das Land Nordrhein-Westfalen, die den wir auch anderen Weiterbildungseinrich- beiterinnen und Mitarbeitern. Man refl ektiert Vergabe öffentlicher Mittel künftig an die tungen empfehlen können. Wir werden den seine eigene Arbeit, man erkennt Fehler und Zertifi zierung des Bildungsträgers binden eingeschlagenen Weg konsequent weiter be- lernt daraus, man baut Doppel- und Mehrfach- wollen. Wir haben unsere Entscheidung für schreiten. arbeit ab, man strafft den Organisationsablauf die Zertifi zierung nachweislich nicht auf- und gewinnt dadurch mehr Ressourcen für grund politischen Drucks getroffen, sondern die Bildungsarbeit und die Beratung und Be- aus der eigenen Überzeugung heraus, dass es Zertifi ziert treuung der Teilnehmerinnen und Teilnehmer. zu einer qualitativ hochwertigen Bildungsar- durch Die Arbeitszufriedenheit und die Arbeitsmo- beit gehört, die Qualität seiner eigenen Arbeit tivation der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter ständig zu hinterfragen, einen kontinuierli-

1208 - 007

6644 Eine Studiengruppe der Karl-Arnold-Stiftung besucht Informationsgespräch im Landtag in Berlin das Bundesfi nanzministerium von Mecklenburg-Vorpommern

Studienfahrten der

Eine Studiengruppe der Karl-Arnold-Stiftung besucht das Schweriner Diskussion mit Dr. Markus Pieper, Dokumentationszentrum für die Opfer der Diktaturen in Deutschland Mitglied des Europäischen Parlaments 6655 An der Bernauer Straße erinnert Thomas Lukow Verhörraum im ehemaligen Stasi- an den Bau der Berliner Mauer Untersuchungsgefängnis Hohenschönhausen

Karl-Arnold-Stiftung

Teilnehmer eines Seminars lassen sich die technischen Feinheiten Der G8-Gipfel in Heiligendamm – des Biomasseheizkraftwerks in Ostritz erklären Diskussion vor Ort über die Gipfelergebnisse 6666 Einblicke in die Arbeit der Karl-Arnold-Stiftung: Europa vor Ort - Studienfahrten nach Straßburg, Brüssel und Luxemburg als Möglichkeit politischer Bildung

von Ulrike Steimann, Jahrzehnte darstellt? In der Europathematik werden müssen. Das lange Ringen um den Studienleiterin der zeigt sich sehr deutlich, dass politische Bil- Vertrag von Lissabon, die offi ziellen Reakti- Karl-Arnold-Stiftung dung, die im Abstrakten verweilt, nicht nach- onen führender europäischer Politiker auf die haltig wirken kann. Da europäische Politik im ablehnenden Voten in Frankreich, den Nie- Alltag kaum wahrgenommen wird, auch wenn derlanden und Irland sowie die Klage einiger sie de facto in das Leben eines jeden einzelnen Bundestagsabgeordneter vor dem Bundesver- EU-Bürgers tief eingreift, bleibt Europa für fassungsgericht haben der Diskussion um die viele Menschen eine bürokratische Konstruk- Bürgerferne der EU neue Nahrung gegeben. tion mit Kommissionen, Räten und Beamten, Viele Teilnehmer/innen unserer Europasemi- erfunden und gelebt von fernen Politikern und nare sehen hier den Kern der Krise der Euro- Die Kenntnisse in weiten Teilen der Bevölke- Technokraten. Schon geistert das Unwort von päischen Union. Sie haben das Gefühl, dass rung über Europa und die Europäische Uni- den „EU-Mandarinen“ durch die (virtuelle) Entscheidungen fernab der täglichen Realität on sind bescheiden, umso größer dagegen Welt. Nicht ganz grundlos sind viele Bürger über ihre Köpfe hinweg getroffen werden, Vorurteile und festgefügte Meinungen gegen zu der Überzeugung gelangt, Europa mische während sie selbst als betroffene Bürger nur „die“ in Brüssel oder Straßburg. Wie kann es sich in Dinge des alltäglichen Lebens ein, aus ein lästiger Störfaktor im politischen Prozess politische Bildung daher schaffen, in Zeiten, dem es sich besser heraushalten sollte. Selbst sind. Die Tatsache hingegen, dass fast alle in denen sich die Europäische Union in einer den europafreudigsten Menschen überkommt „Brüsseler“ Entscheidungen tatsächlich durch tiefen politischen Legitimationskrise befi ndet, zuweilen das Gefühl, dass das institutionali- die einzelnen Mitgliedsstaaten angeregt, zu- Sinn und Zweck der europäischen Einigung sierte Europa seine Bürgerinnen und Bürger mindest aber immer entschieden werden, ist verständlich zu machen und für ein Europa zu als unmündige Kinder begreift, die vor ihrer dabei den wenigsten bewusst. Diese Erkennt- werben, das – bei allen Mängeln - die größ- eigenen Dummheit durch die Weisheit und nis ist ein wichtiges Ergebnis der europapo- te friedensstiftende Leistung der vergangenen Klarsicht der Brüsseler Bürokraten beschützt litischen Studienfahrten und löst zumindest

6677 Informationsbesuch in Mons NATO Hauptquartier

bei dem einen oder anderen Teilnehmer einen kleinen AHA-Effekt aus. Studienfahrten oder besser gesagt Seminare vor Ort sind also eine gute Gelegenheit, dem uninformierten Zeitgenossen Einblicke in die Geheimnisse der Europäischen Union zu er- möglichen und festgefügte Meinungen und Urteile aufzubrechen. Unsere Zielorte sind die europäischen Hauptstädte Straßburg, Brüssel und Luxemburg. neten praktisch kennenzulernen und ihre Be- Politik. Theorie und Abstraktion werden er- Die Seminare bestehen aus thematisch mitein- fürchtungen und Erwartungen an die europäi- gänzt um die reale Anschauung, die unmittel- ander verbundenen Bildungsmodulen wie Be- sche Politik zu formulieren. Vor Ort in Brüssel bare Erfahrung und das persönliche Gespräch sichtigungen, Führungen, Erkundungen und oder Straßburg wird alles real und mit Händen mit unterschiedlichen Entscheidungsträgern. Gesprächen, die eingebunden sind in Vorbe- greifbar. Wer einmal das institutionalisierte In der konkreten Betrachtung können Erfah- reitungs- und Refl exionsphasen. Die einzelnen Europa mit eigenen Augen gesehen hat, fi ndet rungen und Kenntnisse erworben werden, die Module sind logisch aufeinander aufgebaut plötzlich Orientierung im Begriffsdschungel eine künstliche Form der Anschauung und und beziehen sich inhaltlich aufeinander, auch zwischen „Europäischer Rat“, „Europarat“ und Vermittlung – zum Beispiel durch Vorträge, wenn sich nicht jeder Programmpunkt immer „Rat der Europäischen Union“. Diskussionen, Schaubilder, aber auch durch zum gewünschten Termin realisieren lässt. Die Europapolitische Seminare vor Ort schaffen aktivierende Methoden wie Planspiele oder Teilnehmer/innen erhalten Gelegenheit, sich einen direkten erlebnisbezogenen Zugang Workshops - nicht ermöglicht. Begegnungen über aktuelle Fragen der europäischen Politik zur gesellschaftspolitischen Wirklichkeit und und Gespräche statt durch Massenmedien auszutauschen, den Arbeitsalltag der Abgeord- der Untersuchung tagesaktueller europäischer transportierte Bilder machen den Teilnehmen-

6688 den politische Gegebenheiten erfahrbar, die Kritik durchaus vorhandene Interesse an Eu- Erlebtes in geeigneter Form aufarbeiten und ihnen im Alltag verschlossen bleiben. Durch ropa für die politische Jugend- und Erwach- hinterfragen. Die konkreten Erfahrungen vor die Diskussion mit Experten und Beteiligten senenbildung nutzbar zu machen. Die posi- Ort müssen um theoretisches Wissen ergänzt werden Urteile und Einstellungen überprüft tiven Aspekte einer politischen Studienfahrt und gegebenenfalls auch relativiert werden. und fi ndet ein punktueller Perspektivenwech- sollten daher nicht unterschätzt werden, denn So sind zum Beispiel Kenntnisse über die Ar- sel statt. sie liefert Werbung und Teilnehmer/innen für beitsweise oder die Zuständigkeiten der Orga- Mit dieser Veranstaltungsform werden außer- die unter Rechtfertigungsdruck geratene po- ne und Institutionen der EU bei den meisten dem Menschen aktiviert und angesprochen, litische Bildung und fördert in vielen Fällen Teilnehmern nur in Ansätzen vorhanden oder deren Interesse an den „klassischen“ Metho- nachhaltige Bildungsprozesse. fehlen gleich völlig. Eine gründliche inhaltli- den politischer Bildung eher gering ist. Über Lernen vor Ort darf jedoch nicht nur Eindrü- che Einführung und die Klärung von Begrif- den Anreiz einer Reise gelingt es, das bei aller cke und Erlebnisse vermitteln, sondern muss fen zu Beginn und im Verlauf des Seminars sind also unbedingt notwendig, da ohne einen Gesamtüberblick über die Geschichte der eu- ropäischen Integration und die Organe der EU die Einzelaspekte des Programms nicht einge- ordnet werden können. Dies ist die Aufgabe der Tagungsleiter. Sie sind für die Vor- und Nachbereitung, für die Einordnung des Erleb- ten in den Gesamtzusammenhang und für die „Sinngebung“ im weitesten Sinne zuständig, indem sie Bezüge zum Vorwissen und zur Le- benserfahrung der Teilnehmenden herstellen.

Seminargruppe im Europäischen Parlament mit dem Europa- abgeordneten Dr. Markus Pieper 6699 Die angewandten Methoden sind dabei mög- Zusammenhänge europäischer Politik, Fakten lichst vielfältig, allerdings auch abhängig von zur europäischen Integration sowie zum Zu- der zur Verfügung stehenden Zeit und den sammenspiel der verschiedenen europäischen >> Inhaltliche Schwerpunkte der Veranstaltungen vorhandenen Räumlichkeiten. So kommen Institutionen. Auch die Darstellung der we- sind Informationen über die Grundlagen und abwechselnd Lehrgespräch, AV-Präsentation, sentlichen Aspekte des Reformvertrages von Feature oder auch Videos und Rätsel zum Lissabon, Akzeptanz und Relevanz der EU bei Zusammenhänge europäischer Politik, Fakten zur Einsatz. In „Keynote“ oder „Power-Point“ ge- den Bürgern, die Erweiterungsfähigkeit der EU europäischen Integration sowie zum Zusammenspiel stützten Vorträgen skizzieren die Tagungslei- und die Problematik eines Türkeibeitritts sind ter wichtige Daten der europäischen Einigung Dauerbrenner der Diskussion und damit wich- der verschiedenen europäischen Institutionen. << seit 1948, stellen die Institutionen im Über- tige Bestandteile des Seminarprogramms. Ulrike Steimann blick dar und erläutern ihr Zusammenwirken. Die Gespräche mit Fachreferenten aus den eu- Darüber hinaus wird auf die Zukunft der EU ropäischen Institutionen und mit Europaabge- im Hinblick auf die vorgesehenen Änderun- ordneten sowie die Möglichkeit, als Zuschauer stimmung und En-bloc-Abstimmungsverfah- gen im Vertrag von Lissabon eingegangen. an einer Debatte des Europäischen Parlaments ren. Den meisten Gesprächspartnern gelingt Zum Schluss werden das Seminarprogramm teilzunehmen, sind für die meisten Teilnehmer es, die Seminargruppe in die Problematik des und die notwendigen organisatorischen Rege- in vieler Hinsicht lehrreich. Als Zuschauer auf europapolitischen Alltags, in die Arbeit der lungen vorgestellt. Erst mit diesem Vorwissen der Parlamentstribüne erhalten sie zum Bei- Institutionen und in ihre vielfältigen Aufga- können ertragreiche Gespräche mit Fachre- spiel Einblicke in den Ablauf und die forma- ben einzuführen. Sie verzichten soweit wie ferenten aus den europäischen Institutionen len Grundlagen einer Parlamentsdebatte wie möglich auf jede Art von Institutionenkun- oder mit Abgeordneten geführt werden. Anwesenheitsübersicht, Statements der Ab- de, sondern erläutern anhand von Beispielen Inhaltliche Schwerpunkte der Veranstaltungen geordneten zur aktuellen Thematik, zeitliche aus der Praxis das aktuelle europapolitische sind Informationen über die Grundlagen und Beschränkung der Beiträge, namentliche Ab- Tagesgeschehen oder wichtige Prinzipien der

7700 Studiengruppe der Karl-Arnold-Stiftung aus Ibbenbüren vor dem Europarat

Neben dem Besuch von Institutionen und dem Meinungsaustausch mit Europaexperten sind die immer wieder eingebauten Exkursionen ein ganz wesentlicher Bestandteil der Semi- nare vor Ort. Sie erst machen das Seminar wirklich lebendig und sind häufi g der wich- tigste Anreiz, sich überhaupt zur Teilnahme zu melden. Stadtrundfahrten und Exkursionen ins Um- land des jeweiligen Tagungsortes sind eine gute Gelegenheit, politische und historische europäischen Verfasstheit wie zum Beispiel tiger Programmpunkt einer Seminarwoche. Bildung auf einmalige und hervorragende Art das Prinzip der Subsidiarität und die Möglich- Während des informativen Besuchs gehen die zu verbinden. Dieser Seminarbaustein spannt keiten der Regionen, wirkungsvoll Einfl uss Mitarbeiter/innen des Besucherdienstes und gekonnt den Bogen von der Europäischen nehmen zu können. Sie diskutieren mit den ausgewählte Fachreferenten besonders auf Union zur Geschichte und Politik des besuch- Teilnehmerinnen und Teilnehmern wichtige die Ursprünge des europäischen Einigungs- ten Landes sowie zu kulturellen Aspekten der Fragen und entwickeln Überlegungen, wie prozesses und aktuelle Fragen des Schutzes jeweiligen Hauptstadt. Die europäische Kom- das Interesse der Bürger Europas an der EU von Menschenrechten in den europäischen ponente von Geschichte und Gegenwart zu vergrößert werden kann. Staaten ein. Die Rolle des Europarates, seine beleuchten und neben historischen Bezügen Der Besuch des Europarates in Straßburg – ei- Geschichte und seine Möglichkeiten im Rah- immer wieder die politische Dimension der ner Institution, die nicht Bestandteil der Eu- men seiner Zielsetzung werden den meisten besuchten Orte sichtbar zu machen, ist ein ropäischen Union ist - ist ebenfalls ein wich- Teilnehmern hier zum ersten Mal deutlich. wesentliches Ziel dieser Exkursionen. Fahrten

7711 ins Elsass und Führungen durch Straßburg litische Situation in Belgien, das Verhältnis legene Orte besucht, die für die europäische thematisieren das über viele Jahrhunder- von Flamen und Wallonen oder die Arbeit des Einigung in der Vergangenheit und der Ge- te problematische Verhältnis der Deutschen königlichen Mediateurs und der Kommission genwart von besonderer Bedeutung waren und Franzosen. Hier wird das Phänomen der zur Verfassungsreform. bzw. sind oder exemplarisch einen Ausschnitt Feindschaft wie der Aussöhnung lokal „er- Während die Veranstaltungen in Straßburg europäischer Wirklichkeit repräsentieren. fahrbar“ und erschließt sich den Teilnehmern und Brüssel vor allem das institutionalisier- Die Seminare in Luxemburg eignen sich in auf der Ebene der konkreten politischen Ge- te Europa zum Thema haben, refl ektieren die erster Linie für Teilnehmer/innen, die schon staltung. Mit dem Europa-Viertel in Straßburg Seminare in Luxemburg an unterschiedlichen mit der europäischen Integration, der EU und lernen die Teilnehmenden die Stadt der eu- Orten die Frage „Europa woher, wohin?“ Hier ihren wichtigsten Institutionen wie Parla- ropäischen Einigung kennen, mit der Altstadt werden die Stadt Luxemburg und nahe ge- ment, Kommission und Ministerrat vertraut und dem Straßburger Münster sowie dem wil- helminischen Viertel aber auch die Stadt des über viele Jahrhunderte besonderen deutsch- französischen Verhältnisses. Was kann zum Beispiel die spannungsreiche und wechsel- volle deutsch-französische Geschichte besser symbolisieren als das Gefallenendenkmal in der Mitte der Place de la Republique, das eine Mutter mit einem deutschen und einem fran- zösischen Soldaten im Arm darstellt? Stadtrundfahrten durch Brüssel beleuchten immer auch die komplexe und schwierige po-

Studiengruppe der Karl-Arnold-Stiftung aus Willich am Kriegsgefallenendenkmal Place de la Republique in Straßburg 7722 sind, Brüssel oder Straßburg besucht haben gegangen, welche Bedeutung Karl der Große Krieges unmittelbar erahnt werden. Die kon- und nun ausgewählte speziellere Fragen der als „Vater Europas“ für die Kultur und das fl iktreiche deutsch-französische Geschichte Geschichte oder der aktuellen europäischen Selbstverständnis des Kontinents hat. In Trier können die Teilnehmer/innen in Metz nach- Politik vertiefen möchten. wird die Rolle des römischen Reiches als „ers- vollziehen, wo die Zeit des Reichslandes Elsaß- Die historische Perspektive, der Blick zurück, te Vereinigung Europas“ debattiert. Mit einer Lothringen thematisch im Vordergrund steht. wird in Aachen, Verdun, Metz oder Diekirch Besichtigung der Gedenkstätten von Verdun Die Ardennenoffensive im Winter 1944 kann in den Ardennen beleuchtet, die aktuellen wird den Seminarteilnehmern einer der Hö- anschaulich im nationalen Museum für Mili- Fragen der Europäischen Union werden in hepunkte der europäischen Konfl iktgeschich- tärgeschichte in Diekirch erfahren werden. Luxemburg, Schengen und in Saarbrücken te anschaulich vermittelt, und in den Gängen Das gegenwärtige Europa zeigt sich an den debattiert. In Aachen wird der Frage nach- der Festung Douaumont kann das Grauen des Europäische Institutionen in Luxemburg. Die Referenten im Europäischen Parlament, beim Europäischen Rechnungshof und beim Euro- päischen Gerichtshof geben Gelegenheit, die aktuellen Probleme der Union zu diskutieren und die Kenntnisse über die europäische Ko- operation besonders in den Bereichen Vertrag von Lissabon und Finanzen zu vertiefen. Ein Besuch im Landtag von Saarbrücken und das Gespräch mit Abgeordneten ist eine wich- tige inhaltliche Ergänzung, da hier Europapo- litik für die Bürger und die Kooperation im grenznahen Raum erörtert wird. Vielfältige

Ein Referent stellt Ziele und Aufgaben der Pontes-Agentur, einem Bildungsnetzwerk in der Euroregion Neisse, vor 7733 Diskussion mit einem Mitarbeiter des Europaparlaments

Maßnahmen der Zusammenarbeit im Rahmen der Region SaarLorLux (Saarland, Lorraine, Luxemburg) werden erörtert und so verdeut- licht, dass Europapolitik bei den Bürgern an- kommen und erlebt werden muss. Insgesamt wird interessierten Bürgern mit den Veranstaltungen in Luxemburg durch die Ex- kursionsorte, die Referenten und den Ablauf ein abwechslungsreiches Seminar geboten, das ausgetretene Pfade verlässt und daher für Teilnehmer, die schon in Straßburg oder Brüs- sel waren, etwas Neues, Unbekanntes bieten an. Doch stellen unrealistische Förderbedin- seen und Hotel, die Eingangskontrollen vor kann. gungen, die auf ein als Studienfahrt konzi- Ort, die notwendigen Erholungspausen und piertes Seminar nicht anwendbar sind, für Mahlzeiten und die zum Teil eingeschränkte Eine Bemerkung zum Schluss den Zuwendungsempfänger ein erhebliches Mobilität der Teilnehmenden benötigen Zeit. Problem dar. Die zeitlichen Vorgaben zur För- Eine Wegstrecke, die von Jugendlichen in fünf Politische Bildung in Form von Studienfahrten derung eines Seminartages – sechs oder sogar Minuten bewältigt wird, dauert bei älteren gehört zum selbstverständlichen Angebot vie- acht Unterrichtsstunden pro Tag - sind in ei- Teilnehmenden gern doppelt bis dreimal so ler politischer Bildner. Auch Zuwendungsge- ner Veranstaltung, die auf Fortbewegung im lange. Auch das Zurechtfi nden in fremden Ge- ber wie die Bundeszentrale für politische Bil- wahrsten Sinne des Wortes angelegt ist, häu- bäuden oder schlichte Selbstverständlichkei- dung (BpB) erkennen diese Vermittlungsform fi g nicht zu schaffen. Das Pendeln zwischen ten wie Toilettenpausen – außerhalb einer fes- politischer Bildung als „förderungswürdig“ Parlamenten, Ministerien, Gedenkstätten, Mu- ten Tagungsstätte - sind Faktoren, die bei der

7744 zeitlichen Planung des Programms einkalku- Programm absolvieren, von fünf Tagen Semi- der europapolitischen Seminare vor Ort lässt liert werden müssen, aber bei der Berechnung nardauer dann aber maximal zwei oder drei sich festhalten, dass die Akzeptanz der EU bei von Unterrichtseinheiten keine Rolle spielen. Tage als förderungswürdig anerkannt werden. den Teilnehmern zum Teil deutlich steigt, zu- Lehreinheiten im gemeinsamen Fortbewe- Der recht hohe Teilnehmerbeitrag erlaubt es mindest aber ihre Zielsetzungen erkannt wer- gungsmittel Bus sind ebenfalls von der För- zwar in der Regel, diese „Förderungslücken“ den. Viele bekunden, dass sie erst durch die derung ausgenommen, so dass die Forderung zu überbrücken. Jedoch sollte nicht übersehen Fahrt ein vertieftes Bild von Europa und von nach fachlichen Hinführungen zu besuchten werden, dass bei dieser Art der Förderung letzt- der europäischen Politik gewonnen haben und Orten (zum Beispiel bei Gedenkstätten, die auf lich nur eine fi nanzkräftige Klientel das Ange- motiviert wurden, das politische Geschehen in der Hin- und Rückfahrt angefahren werden), bot wahrnehmen kann. Andere Zielgruppen – Zukunft aufmerksamer zu verfolgen oder den irrelevant wird, wenn dazu durchgeführte Jugendliche und sozial benachteiligte Bürger/ europäischen Einigungsprozess aktiver und „Unterrichtseinheiten“ nicht anerkannt wer- innen – können von diesem Seminarangebot aufgeschlossener als vorher zu unterstützen. den, weil sie im Bus stattgefunden haben. immer weniger Gebrauch machen, da der ge- Die Nachhaltigkeit solcher Äußerungen und So kommt es, dass die Teilnehmer/innen zwar forderte Tagungsbeitrag ihre fi nanziellen Mög- ihre Umsetzung im Alltag der Teilnehmenden von morgens bis abends ein anstrengendes lichkeiten überschreitet. lassen sich natürlich nicht objektiv überprüfen, Studienfahrten stellen eine Ergänzung und doch sollte der Lern- und Multiplikatoreneffekt Bereicherung des vielfältigen Angebots außer- gerade bei den sperrigen Themen „Europa“ und schulischer politischer Jugend- und Erwachse- „Institutionenkunde“ nicht unterschätzt wer- nenbildung dar. Mit ihnen lassen sich Lernziele den. Nach einer Studienfahrt sind die meisten erreichen, die mit konventionellen Vermitt- Teilnehmer/innen außerdem von der Notwen- lungsformen nicht zu realisieren sind. Die Teil- digkeit und Sinnhaftigkeit politischer Bil- nehmerinnen und Teilnehmer denken nach ei- dungsarbeit – und deren Unterstützung durch ner Studienreise oft anders als zuvor. Als Fazit die öffentliche Hand – überzeugt.

Eine Studiengruppe der Karl-Arnold-Stiftung trifft in Berlin Bundeskanzlerin Angela Merkel 7755 Festveranstaltung anlässlich des 50. Todestages von Karl Arnold im Rathaus der Stadt Düsseldorf Karl Arnold

* 21. März 1901 + 29. Juni 1958

7766 Einblicke in die Arbeit der Karl-Arnold-Stiftung: Werte und Glauben in einer älter werdenden Gesellschaft. Ein Werkseminar.

von Dr. Barbara Hopmann, Anfang 2007 unter dem thematischen Schwer- einen glauben, eine „Renaissance der Wer- haupt amtliche punkt „Wertebildung in der älteren Generati- te“ feststellen zu können, sprechen andere päda go gische on“ durchgeführt wurde. von einer Werteverschiebung oder gar einem Mitarbeiterin Ziel dieses vom Ministerium für Schule und Werteverfall und fordern die Einführung eines Weiterbildung des Landes Nordrhein-West- Unterrichtsfachs „Werteerziehung“. In den De- falen geförderten Projekts war es zum einen, batten um die europäische Verfassung gehörte neue Veranstaltungsformen speziell für ältere die Diskussion um gemeinsame Grundwerte in Teilnehmerinnen und Teilnehmer zu entwi- Europa zu den Kernpunkten und ist – nicht ckeln, die sich inhaltlich mit den Themen Wer- zuletzt im Hinblick auf mögliche künftige Er- tebildung, ethische Fragen und Weltanschau- weiterungsrunden der Europäischen Union – Das schon lange virulente, in Deutschland je- ung beschäftigen. Dabei sollten sowohl die noch lange nicht abgeschlossen. Im Zuge der doch erst in den letzten Jahren verstärkt ins speziellen Bedürfnisse und Lerngewohnheiten Auseinandersetzung mit Islamismus und in- Bewusstsein der breiten Öffentlichkeit gerückte Älterer berücksichtigt werden als auch Frage- ternationalem Terrorismus werden die „west- Thema „Demographischer Wandel“ ist bereits stellungen, die diese im Zusammenhang mit lichen Werte“ beschworen, die es zu verteidi- seit langem inhaltlicher Bestandteil von Semi- Wertebildung und Wertevermittlung besonders gen gilt. naren der Karl-Arnold-Stiftung, beispielswei- interessieren. Zum anderen sollte untersucht Betrachtet man das Thema „Werte“ im Zusam- se im Bereich Familienpolitik oder „Recht im werden, wie Ältere an das Thema herangehen, menhang mit dem demographischen Wandel, Alter“. welche Lernziele für sie relevant sind und ob so sind es zunächst oft negative Aspekte, die So lag es nahe, sich an einem Pilotprojekt des für sie ein besonderes pädagogisches Konzept im Vordergrund zu stehen scheinen. Zu nen- Arbeitskreises der Bildungsstätten und Akade- mit eigener Methodik erforderlich ist. nen ist hier vor allem der viel beschworene mien (Heimvolkshochschulen) in Nordrhein- In der öffentlichen Diskussion ist das Thema „Krieg der Generationen“. Gerne werden Un- Westfalen (@ba) zu beteiligen, das Ende 2006, „Werte“ immer wieder präsent. Während die tersuchungen zitiert, wonach Ältere der jün-

7777 >> In der öffentlichen Diskussion ist das Thema „Werte“ immer wieder präsent. << Dr. Barbara Hopmann geren Generation schlechte Noten für deren Im Zuge des Kooperationsprojekts mit dem Werteorientierung erteilen. So wie beispiels- @ba wurde daraus ein Seminar speziell für weise eine Umfrage der Bertelsmann-Stiftung, die so genannte Generation 60 plus entwi- in der vermeintlich fehlender Fleiß und Ehr- ckelt, das Ende Januar 2007 unter dem Titel geiz sowie nicht vorhandener Respekt vor „Werte und Glauben in einer älter werdenden fremdem Eigentum und zu hohe Konsumori- Gesellschaft. Ein Werkseminar“ im Adam- entierung bei Jugendlichen kritisiert werden. Stegerwald-Haus in Königswinter stattfand. In den Hintergrund rücken demgegenüber An dem Seminar nahmen 25 Teilnehmerinnen Untersuchungen wie die Shell-Studie, die re- und Teilnehmer teil – alle über 60 und fast gelmäßig die Sehnsucht vieler junger Leute alle ehrenamtlich in konfessionell gebunde- nach verlässlichen Werten und Vorbildern, die nen Einrichtungen engagiert. Halt und Orientierung bieten, dokumentieren. Zielsetzung und Inhalte Das Seminar Ziel war es, wie bereits erwähnt, ein Seminar Die Karl-Arnold-Stiftung bietet seit einigen zu konzipieren, das sich inhaltlich, didaktisch Jahren regelmäßig ein Seminar zum Thema und methodisch speziell an den Bedürfnis- „Werte und Glauben in Alltag und Politik“ an. sen Älterer orientiert. Dabei sollten nicht nur Dieses wendet sich zwar nicht ausschließlich Informationen rund um das Thema „Werte“ an Ältere, wurde jedoch in der Vergangenheit vermittelt werden, sondern vor allem Mög- überwiegend von älteren Teilnehmerinnen lichkeiten zum Gedanken-, Meinungs- und und Teilnehmern besucht. Erfahrungsaustausch mit Experten und an-

Diskussion mit Referenten 7788 deren Teilnehmerinnen und Teilnehmern ge- boten werden. Zudem sollte die Gelegenheit bestehen, sich durch Erleben vor Ort und an- >> Den Auftakt des Seminars hand konkreter Fallbeispiele mit der Thematik bildete ein Vortrag über das christliche auseinanderzusetzen. Inhaltlich konzentrierte sich das vor diesem Menschenbild und daraus resultierende Hintergrund entwickelte dreitägige Seminar Werte und Wertvorstellungen. << insbesondere auf die Aspekte: Dr. Barbara Hopmann • Christliche Werte und Ethik in Gesellschaft und Politik; • Wertewandel und die Veränderung von Wer- Den Auftakt des Seminars bildete ein Vortrag ten in einer älter werdenden Gesellschaft; über das christliche Menschenbild und daraus • Wertvorstellungen und Werteverständnis im resultierende Werte und Wertvorstellungen. Vergleich der Generationen; Trotz der teilweise sehr theoretischen und tro- • Auseinandersetzung mit den Werten unter- ckenen Materie gelang es dem Referenten, die schiedlicher Kulturkreise vor dem Hinter- Teilnehmerinnen und Teilnehmer mit einzu- grund der sich verändernden gesellschaft- binden und ein angenehmes Gesprächsklima lichen Strukturen in der Bundesrepublik herzustellen. Bereichert wurde die Seminar- Deutschland; einheit zudem durch persönliche Erfahrungen • Beschäftigung mit Wertvorstellungen im und Beispiele aus dem konkreten Lebensum- Spiegel persönlicher Erfahrungen und Le- feld oder Berufsleben der Teilnehmerinnen bensabschnitte. und Teilnehmer.

Die Teilnehmer führen ein Gespräch zum Thema „Orientierung und Halt in der Religion? Was können christliche Kirchen mit ihrer Botschaft für unsere Zukunft leisten?“ 7799 Am zweiten Seminartag fanden sich diese zu- Vortrag, der mit themenbezogenen Gedichten, Methoden nächst in drei Arbeitsgruppen zusammen. Ziel Geschichten, Tagebuchauszügen, Bibelzitaten war es, mögliche Veränderungen oder Ver- und mit einer Bildinterpretation des Misereor Im Gegensatz zu früheren Seminaren zum The- schiebungen in der persönlichen Werteskala Hungertuchs angereichert war, setzte sich der menkomplex „Werte“, bei denen vorwiegend im Verlauf des eigenen Lebens zu beschrei- Referent mit christlichen Werten und der Fra- herkömmliche Methoden (Vortrag / Diskussi- ben und die Gründe dafür zu analysieren. ge auseinander, wie diese zu Visionen werden on) eingesetzt wurden und Gruppenarbeiten Die Ergebnisse der Arbeitsgruppen wurden können, die eine Gesellschaft und ein Volk am oder ähnliche Arbeitsformen eher weniger anschließend zusammengetragen, gemeinsam Leben erhalten. Er appellierte an die Teilneh- Raum einnahmen, war diesmal von vornher- ausgewertet und im Plenum diskutiert. merinnen und Teilnehmer, ihr Erfahrungswis- ein ein stärkerer „Methodenmix“ beabsichtigt. Nachmittags besuchten die Teilnehmerinnen sen als Ältere durch Erzählen an Kinder und Vor diesem Hintergrund wurde das Seminar, und Teilnehmer im Rahmen einer Exkursion Enkel weiterzugeben, da sich Werte, um an- wie beschrieben, auf einer Mischung aus das Palais Schaumburg und das Haus der Ge- genommen zu werden, auf Erfahrungen be- • Vorträgen mit und ohne Medieneinsatz, schichte der Bundesrepublik Deutschland. Die ziehen müssten. In der letzten Einheit vor der • Diskussionen, Reaktionen waren durchweg begeistert; beide abschließenden Seminarauswertung wurden Programmpunkte wurden als ideale Ergän- rückblickend die bisherigen Ergebnisse des zung zum übrigen Seminar gewertet. Seminars zusammengefasst. Anhand des Vor- Im Mittelpunkt des dritten und letzten Seminar- worts von Peter Frey aus der Publikation „77 tags stand ein Gespräch mit einem Theologen Wertsachen. Was gilt heute?“ diskutierten die zum Thema „Orientierung und Halt in der Re- Teilnehmerinnen und Teilnehmer unter der ligion? Was können christliche Kirchen mit Fragestellung „Alte Werte - neue Werte?“ den ihrer Botschaft für unsere Zukunft leisten?“. möglichen Beitrag Älterer für eine erfolgrei- In einem sehr persönlichen und besinnlichen che Zukunft unserer Gesellschaft.

Wertediskussion in der Gruppe 8800 • moderierter Gruppenarbeit und kursionen einbezogen. Besonderer Wert wur- Erfahrungen und • Gesprächskreisen de darüber hinaus auf eine großzügige zeit- Schluss folgerungen aufgebaut. liche Gestaltung mit ausreichenden Pausen, Da sich der Wechsel von „Lernorten“ bzw. Refl exions- und Gesprächsphasen gelegt. Die Die Reaktionen der Teilnehmerinnen und Teil- der „Lernumgebung“ auch bei anderen Se- eingeplanten Kaffeepausen und die gemein- nehmer auf das Seminar waren durchweg po- minaren stets bewährt und das Gruppen- samen Mahlzeiten boten weitere, von den sitiv, wobei in der Auswertung vor allem der klima positiv beeinfl usst hat, wurden mit Teilnehmerinnen und Teilnehmern intensiv stringente inhaltliche Aufbau und die groß- dem Besuch des Hauses der Geschichte der genutzte Gelegenheiten zum informellen Ge- zügige zeitliche Gestaltung mit ausreichend Bundesrepublik Deutschland und des Palais dankenaustausch und zur vertiefenden Dis- Pausen und Refl exionszeiten hervorgehoben Schaumburg zudem thematisch passende Ex- kussion. wurden. Die Mischung aus Arbeiten im Semi- nar- oder im Gruppenraum, aus Exkursionen und Zeiten zur Entspannung wurde von allen als wohltuend und lernfördernd empfunden. Die anfangs bei einigen Teilnehmerinnen und Teilnehmern vorhandene, auch sonst bei Älte- ren oft festzustellende Skepsis gegenüber Me- thoden wie Gruppenarbeiten oder Gesprächs- kreisen legte sich rasch. Stattdessen ließen sich die Mitwirkenden auf das Tagungsthema ein, beteiligten sich intensiv an den durchaus auch kontroversen Diskussionen und brachten ihre eigenen berufl ichen und persönlichen Erfah-

Gruppenarbeit

8811 rungen ein. Die im Kontext des Projekts eben- nen immer wichtiger. So ist es vielen Älteren herer Lebenserwartung, Kinderlosigkeit oder falls gestellte Frage, ob im Zusammenhang ein Anliegen, sich mit den Wertvorstellungen der Zunahme Alleinlebender, um nur einige zu mit dem Thema „Wertebildung – Wertewandel jüngerer Menschen auseinanderzusetzen und nennen – auseinandersetzen müssen. Eine be- – Wertevermittlung“ ein besonderes pädagogi- einen Zugang zu dem scheinbar oft gegensätz- sondere Herausforderung wird darin bestehen, sches Konzept mit eigener Methodik für Ältere lichen Werteverständnis zu erlangen. Vor dem Angebote für das „dritte“ oder auch das „vier- erforderlich sei, können wir nicht unbedingt Hintergrund der gesellschaftlichen Entwick- te“ Lebensalter zu entwickeln und dabei auch bejahen. Viele Angehörige der heutigen älteren lung gewinnt zudem die Auseinandersetzung lernphysiologische Erkenntnisse zu berück- Generation haben sich im Lau- sichtigen, denen das bisherige fe ihres Lebens, nicht zuletzt im Weiterbildungsangebot – nicht Zuge der Kindererziehung und >> Die Erwachsenenbildung könnte von dem wachsenden zuletzt vor dem Hintergrund – wieder neu - als Großeltern, Bedarf nach Weiterbildung bei Älteren profitieren. << förderrechtlicher Vorgaben – mit dem Thema „Werte“ in un- nicht genüge leistet oder leis- terschiedlichsten Ausprägun- Dr. Barbara Hopmann ten kann. Nur so kann Älteren gen auseinandergesetzt und ein chancengerechter Zugang verfügen meist über gefestigte zu lebenslangem Lernen er- Positionen in dieser Frage. Auch bestehende mit den Werten unterschiedlicher Kulturkreise möglicht werden, und nur so können deren kirchliche bzw. religiöse Bindungen spielen („Wertevergleich“), verbunden mit der Frage Kompetenzen und Erfahrungen unserer Ge- eine wichtige Rolle. Aufgrund des fortschrei- der interkulturellen Toleranz, immer größere sellschaft im erforderlichen Maße zugute kom- tenden demographischen Wandels und der Auf- Bedeutung. Die Erwachsenenbildung als solche men. Die Erwachsenenbildung könnte von dem lösung traditioneller familiärer Strukturen wird wird sich in Zukunft in wesentlich stärkerem wachsenden Bedarf nach Weiterbildung bei Äl- jedoch künftig die Möglichkeit zur Begegnung Maße als bisher mit der demographischen Ent- teren profi tieren. Der demographische Wandel und zum Austausch zwischen den Generatio- wicklung und deren Folgeerscheinungen – hö- stellt für sie somit gleichsam eine Chance dar.

8822 Impressum:

Eine Veröffentlichung der Karl-Arnold-Stiftung e.V. Hauptstraße 487 · 53639 Königswinter Telefon +49 (0) 22 23 -70 06-0 Telefax +49 (0) 22 23 -70 06-99 E-Mail: [email protected] www.Karl-Arnold-Stiftung.de

Zertifi ziert durch den Gütesiegelverbund Weiterbildung

Herausgeber: Jürgen Clausius

Gestaltung und Druck: Hötzel, RFS & Partner/ Gutenberghaus, Stadtlohn

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