Missbrauchsdebatte Der neue Frauenberg Die schockierenden Unter- Vieles hat sich verändert, suchungsberichte über das und viel ist los: Durch Ausmaß des sexuellen die Kooperation zwischen Missbrauchs­ sind Anlass für Franziskanern und der uns, den Präventionsbeauf­­­ ­ Bürger­stiftung antonius – tragten der Deutschen Netzwerk Mensch ist ein Franziskanerprovinz, Prof. deutschlandweit wohl Dr. Udo Schmälzle OFM, um einzigartiges Projekt ent- seine Einschätzung zu standen. Wie funktioniert bitten. das? Seite 15 Seite 28

Herbst 2018 Zeitschrift der Deutschen Franziskaner

4 Kultur 2 8 International Anregungen und mehr Menschenrechte gelten für alle!

6 Create your Life 2 9 Kommentar • Jugendliche Lebenswelten Wider die politische Sprachverrohung • Interview mit dem Vorsitzenden des Bundes der Deutschen Katholischen Jugend (BDKJ) 3 0 Auszüge aus den Kursprogrammen 1 5 Aktuelle Debatte Missbrauchsskandal und katholische Kirche: 3 1 Franziskaner sein Die Nerven liegen blank Helmut Schlegel OFM

Spiritualität 1 7 Franziskanische Familie Geistlicher Wegbegleiter 2 2 100 Jahre Franziskaner in Ohrbeck 2 1 Elemente franziskanischer Spiritualität Eine leidenschaftlich-liebeswunde Grundhaltung 31 Nachrichten und Bücher

2 2 Zum Beispiel Bruder Germanicus Frischer Wind auf dem Frauenberg 3 5

2 6  Franziskanische Familie 3 6 Franziskanerklöster in Deutschland Unser Mann in Rom: Interview mit Jürgen Neitzert OFM © bild mitte: arnulf müller | bild oben rechts: picture alliance/akg-images/erich lessing alliance/akg-images/erich picture | bild oben rechts: arnulf müller © bild mitte:

Die Zeitschrift »Franziskaner« … … erscheint viermal im Jahr … wird klimaneutral auf Recyclingpapier gedruckt … liegt in allen franziskanischen Häusern aus …

… können Sie sich kostenlos nach Hause liefern lassen: … wird zu großen Teilen über Spenden finanziert: Provinzialat der Deutschen Franziskanerprovinz­ Spenden zur Finanzierung dieser Zeitschrift erbitten wir Frau Ingeborg Röckenwagner unter Angabe des Verwendungszweckes »Spende Zeitschrift« Sankt-Anna-Straße 19, 80538 München auf das Konto der Deutschen Franziskanerprovinz [email protected] IBAN DE40 5109 1700 0080 8888 80 Tel.: 0 89 2 11 26-150, Fax: 0 89 2 11 26-111 BIC VRBUDE51 bei der Bank für Orden und Mission Create your Life Die Jugend ist anders … das war zur Zeit des heiligen Franziskus so, der versuchte, sich durch auf- fällige Gewänder hervorzutun und ebenso beim alten Sokrates,­ der sich über die schlechten Manieren der Jugend aufregte. Bruder Andreas Brands erkundet ganz unaufgeregt, wie die heu- tige Jugend »tickt« … Seite 6

eure alten haben träume und die jungen visionen … Im neuen FRANZISKANER dreht sich vieles um die »Jugend«. Dabei, so vermute ich, werden nur wenige Jugendliche dieses Heft lesen. Und damit wären wir schon beim Thema.

Es kann problematisch werden, wenn sich die Alten über die Jungen Gedanken machen. Leicht besteht die Gefahr, dabei in Klischees und Projektionen abzugleiten. Stellen die jungen Leute die große Hoffnung für morgen dar? Tatsächlich sind sie die Zukunft. Aber ob sie deswegen schon alles besser machen? Und unbeschwert ist die Jugend wohl erst im Rückblick der Alten. Schließlich gibt es immer den kritischen Blick auf die Jungen, die scheinbar die guten alten Werte nicht mehr kennen.

»Die jungen Leute heute kommen aus einer völlig anderen Welt, sie haben eine andere Sprache, sie ticken anders«, so kürzlich der Tenor in einer Runde (älterer) Ordensleute. Und darum werden auch nur wenige Jugendliche so ein Printmedium wie den FRANZISKANER lesen. »Die Kirche ist jung!«, hieß es im August im Rückblick auf das große Ministrantentreffen in Rom. Für uns in Deutschland stimmt das leider nicht. Hier hat die Kirche vielerorts den Kontakt zu Jugendlichen ganz verloren.

Ebenfalls in Rom startet im Herbst die Jugendsynode. Der Papst und die Bischöfe wollen auf die jungen Menschen hören. Nicht nur die Regel des hl. Benedikt rechnet damit, dass der Geist Gottes oft gerade durch die Jungen spricht. Aber natürlich spricht er auch durch die Alten. »Eure Alten werden Träume haben und eure jungen Männer Visionen«, so der Prophet Joel (3,1). Darum ist es gut, wenn Jung und Alt aufeinander hören und miteinander sprechen.

Kirche und Jugend – das darf kein Binnenthema sein. Es geht nicht um die Rekrutierung von jungen Menschen für die Kirche. Es geht nicht einmal nur um die Zukunft der Kirche. Es geht um die Zu­ kunft unserer Welt: Werden Menschen nach uns noch sauberes Wasser zum Leben haben? Wird es in Zukunft noch so etwas wie Wahrheit und einen Raum zur persönlichen Entscheidung geben, oder wird der gläserne Mensch im Dschungel von Fake News allein durch unsichtbare Meinungsmacher © picture alliance © picture bestimmt? Werden Menschen mit Handicap, Schwache und Arme einen Platz zum Leben finden? Letztlich lautet die Frage: Erfahren Menschen in Zukunft noch die Kraft des Evangeliums?

Ich freue mich über Ihr Interesse an unserer Zeitschrift und wünsche Ihnen eine anregende Lektüre!

Cornelius Bohl OFM (Provinzialminister)

editorial 3 klostergärten entdecken Der Klostergarten in Rheda-Wiedenbrück hat gewiss seit seiner Anlage im 17. Jahrhundert manche Neuaufteilung erfahren, ist aber in der Grundstruktur erhalten geblieben und daher – wie das ganze Kloster – heute denkmalge- schützt. Laubengänge entlang der Klostermauer, buchsbaum­ umgrenzte Wege und verschieden genutzte Areale zeigen die schlichte Schönheit und funktionale Aufteilung eines klöster­lichen Gemüse- und Obstgartens. Kloster­gärten entstanden ursprünglich als Nutzgärten zum Zweck der Selbstversorgung. Der Garten war aber immer auch ein Ort der Kontemplation. Die enge, spirituelle Beziehung zum Garten und zum Gärtnern bildete eine der Grundlagen des christlichen Klosterlebens. Im November vergangenen Jahres starb der »Bruder Gärtner« des Klosters Wiedenbrück im Alter von 87 Jahren, seitdem sind acht ehrenamtliche Helfer im Garten aktiv. Sie und die Brüder bearbeiten in Absprache verschiedene Teile des Gartens.

Öffnungszeiten: Der Garten kann nach Absprache besucht Kontakt: Korbinian Klinger OFM werden. Bei gelegentlichen Veranstaltungen, die an christ­ Tel.: 0 52 42 92 89 11, [email protected] liche Traditionen anknüpfen und Achtsamkeit für das Leben Adresse: Franziskanerkloster Wiedenbrück fördern, ist der Garten geöffnet. So waren am Samstag Mönchstraße 19, 33378 Rheda-Wiedenbrück nach Maria Aufnahme in den Himmel über 90 Besucher im Parcour der Weitere Informationen: Garten zu Gast, genossen den Parcour der Sinne, tranken

Sinne beim Gartenfest 33 www. franziskaner-wiedenbrueck.de Kaffee, kauften Samen und Setzlinge, bestaunten die Bienen … dieter fernandez wiedenbrück : fotos ralf neumann, istockphoto nielsen, © istockphoto/inga apfelzweige:

Die Beschäftigung mit der Umweltenzyklika lohnt … »Das große Ziel muss immer wieder sein, ihnen (den Armen) mittels sche Agrarprodukte zu schließen und auf die einheimischen Klein- Arbeit ein würdiges Leben zu ermöglichen. Damit es weiterhin mög- bauern zu setzen. Gut gemeinte Hilfslieferungen oder die »Ent- lich ist, Arbeitsplätze anzubieten, ist es dringend, eine Wirtschaft zu sorgung« von Lebensmitteln, die in der ersten Welt keine Abneh- fördern, welche die Produktionsvielfalt und Unternehmerkreativität mer finden, zerstören die Märkte der afrikanischen Landwirtschaft begünstigt. Es gibt zum Beispiel eine große Mannigfaltigkeit an und rauben den Bauern ihre Lebensgrundlage. Auf demselben kleinbäuerlichen Systemen für die Erzeugung von Lebensmitteln, Podium saß ein Naturland-Landwirt, der seinen »Mikrobetrieb« die weiterhin den Großteil der Weltbevölkerung ernährt, während gegen die Großen des Agrarsektors verteidigt. Auch auf diesen sie einen verhältnismäßig niedrigen Anteil des Bodens und des Was- Missstand weist der Papst in der Enzyklika hin, denn im eingangs sers braucht und weniger Abfälle produziert …« (Papst Franziskus, zitierten Absatz heißt es weiter: »Die Größenvorteile, besonders im Enzyklika »Laudato si'« 128f.) Hilfe für die Armen, sie ist not-wen- Agrarsektor, führen schließlich dazu, dass die kleinen Landwirte ge- dig, wenn sie Notlagen überbrückt oder Menschen dabei unter- zwungen sind, ihr Land zu verkaufen.« Natürlich kann ich nach dem stützt, ein eigenständiges Leben aufzubauen. Doch wenn land- Gesetzgeber rufen, doch manches habe ich selbst in der Hand. Es wirtschaftliche Überschüsse der ersten Welt exportiert werden, gibt viele Versuche, kleinbäuerlicher Landwirtschaft einen Zugang ist das bestenfalls Gewissensberuhigung. »Afrika kann sich selbst zum Markt zu ermöglichen, ob das Hofläden sind oder Eine- ernähren!«, so ein Frank Ademba vom Tanzania National Commit- Welt-Initiativen. Sie alle verbindet: Die Rechnung geht nur auf, tee for Family Farming, auf einem Podium des Katholikentages in wenn wir Konsumenten mitmachen und bereit sind, eventuell Münster. Bedingung wäre, den afrikanischen Markt für europäi- höhere, aber dafür gerechte Preise zu zahlen. thomas abrell ofm Bruder Rangel backt im Kirchenjahr Angebot für junge Erwachsene Infos und Anmeldung: [email protected] Pascal Sommerstorfer OFM, Tel.: 06 61 10 95-41, Mobil: 01 51 40 25 79 09, 33 www.projekt.sandamiano.de Aufwind – Wie Abraham und Paulus den Aufbruch leben 16. bis 18. November Herzliche Einladung zum gemeinsamen Wochenende mit uns und anderen Interessierten, zu einer Zeit mit Gott und dir selbst, Herzhafte Snacks zum Franziskusfest zu Gespräch und Begegnung, zu Stille und Austausch. Wer kennt das nicht, man bekommt Besuch und möchte ihn Gemeinsam können wir uns auf den Weg machen, unserer gerne bewirten. Für die Zubereitung oder den Verzehr einer je ganz eigenen Berufung nachzuspüren. ganzen Mahlzeit fehlt die Zeit, und lediglich Kekse hinzustellen, kommt auch nicht in Betracht. Bruder Rangel tischt bei solchen Leitung: Pascal Sommerstorfer OFM und Johannes Roth OFM Ge­legenheiten gerne seine herzhaften Snacks auf. Wahlweise Ort: Franziskanerkloster Frauenberg in Fulda mit Fleisch oder vegetarisch zubereitet, sind sie bei den Gästen Teilnahmekosten: 30 € sehr willkommen. Gerade Anfang des Herbstes, wenn noch frisches Basilikum und ein paar letzte Tomaten und Zwiebeln aus dem Garten vorhanden sind, ist das eine leckere Sache. Mitleben im Kloster In Absprache mit Bruder Pascal kannst Zutaten: du eine Zeit im Konvent der Franziskaner 1 Zwiebel in Fulda mitleben und mitarbeiten. 1 Bund Basilikum (ca. 15 g) Unser (klösterlicher) Lebensrhythmus 250 g Kirschtomaten 120 g Feta-Schafskäse kann dir helfen, ein wenig Abstand zu 2 Zehen Knoblauch 10 Scheiben Blätterteig finden und dein eigenes Leben aus einem 80 g Pinienkerne 1 EL Sonnenblumenöl neuen Blickwinkel­ zu sehen.  200 g Rinderhack oder Salz, Pfeffer Geistliche Auszeiten und Begleitung durch einen Seelsorger, wahlweise Gehacktes aus Soja Mitleben im Konvent (Gebets- und Mahlzeiten), Wohnen im Konvent oder im Tagungshaus auf dem Frauenberg (je nach Zimmerbelegung), Mittragen der Aufgaben und Dienste der Brüder, soweit es den eigenen inneren Weg unterstützt, Zubereitung: Kostenbeitrag je nach Möglichkeit. Ofen auf 180 °C vorheizen. Tomaten vierteln, Basilikum zerkleinern, Fetakäse in kleine Würfel schneiden und alles zusammen mit etwas Salz und Pfeffer in einer Schüssel vermengen. Zwiebeln und Knoblauch schälen und klein schnei- ? den. Öl in einer Pfanne erhitzen und Zwiebel, Knoblauch und echt jetzt Pinienkerne unter Rühren leicht anbräunen. Das Gehackte an- braten und alles zusammen in eine Schüssel geben und gut Leichen im Keller vermengen. Ofenblech mit Backpapier auslegen. Blätterteig­ Gelegentlich hört man ja von Leuten, die Leichen im Keller scheiben dia­gonal halbieren. Je ca. 1 EL der Füllung in die Mitte haben, aber hätten Sie dies von Franziskanern gedacht? des Teigs ­platzieren. Ecken einklappen und so eine kleine, Wer die Kapuziner in Rom besucht, merkt schnell, dass es in geschlossene Tasche formen. 20 Minuten bei 180 °C im Ofen dem Fall nicht darum geht, dass hier jemand »ein dunkles backen. Warm oder abgekühlt servieren. Geheimnis hütet« oder »Dreck am Stecken hat«. In der Krypta Guten Appetit! der Kirche Santa Maria Immacolata in der Via Veneto ruhen tatsächlich Tote. Zwischen 1500 und 1800 lagerten die Kapuzi- ner ihre verstorbenen Mitbrüder und auch die Überreste von bruder rangel geerman­ ofm armen Gläubigen entlang der Wände der Krypta. Ab 1750 wurde auf Aruba (Niederländische Antillen) fingen sie an, aus den Knochen der Skelette nach und nach ein geboren und lebt in Den Bosch in den Niederlanden. Gesamtkunstwerk in der Gruft zu schaffen. Wer die fünf Von Beruf ist er Krankenpfleger. Er bekocht die Brüder Räume und den Verbindungsgang durchschreitet, muss schon und die Gäste des Klosters und engagiert sich in der Jugendarbeit. genau hinsehen, denn auf den ersten Blick wirken die kunst- voll angeordneten Gebeine an Decken und Wänden wie Stuck- verziehrung. Für schwache Nerven ist das nichts! create your life Jugendliche Lebenswelten

Für den Herbst dieses Jahres hat Papst Franziskus eine Synode zum Thema »Die Jugendlichen, der Glaube und die Berufungsunterscheidung« einberufen. Die Ordentliche Versammlung der Bischofs­ synode tagt vom 3.–28. Oktober 2018 in Rom. Vom 19.–24. März 2018 waren bereits junge Menschen aus der ganzen Welt – katholische wie nichtkatholische und auch nichtchristliche – zu einer Vor­ synode eingeladen. Für uns ist die Jugendsynode Anlass hinzuschauen, wer die Jugendlichen von heute sind, was sie denken und fühlen, was sie als Sorge und Aufgabe benennen, welche Lebens­welten sie bewohnen und was sie sich von der Kirche erhoffen. »Franziskaner«-Redakteur Andreas Brands OFM machte sich auf zu einer Erkundungstour.

jugend – wer bist du? Das Problem zeigt sich gleich zu Anfang: Wie kann ich als forderung, eine Einladung, eine Pflicht. Junge Menschen erfahren 51-jähriger Mann – noch dazu als Franziskaner, der nicht eine große Freiheit, ihr Leben in vielfältiger Hinsicht kreativ und die Erfahrung hat, Vater zu sein – angemessen über Ju­ individuell gestalten zu können: in allen Freizeitvollzügen, in der gendliche von heute schreiben? Ich bin längst dem Alter Berufswahl, im gesamten Lebensentwurf, viele von ihnen mit be­ Jugendlicher entwachsen, begegne ihnen bei Schulveran­ trächtlichen finanziellen Möglichkeiten. Gleichzeitig ist diese Freiheit staltungen oder bei Besuchen in der Suppenküche und auch Bürde: Lebensgestaltung erfordert Energie, Entschiedenheit, finde nicht sofort die Schnittmengen, in denen sich ihre Wahl, Orientierung und vieles mehr. »Create your Life« steht im und meine Themen treffen. Braucht es einen anderen Spannungsfeld zwischen Möglichkeiten und Erfolgsdruck. Das war Zugang? Etwa diesen: Ich bin an ihnen interessiert, möch­ in meiner Jugendzeit noch nicht so stark ausgeprägt. Sicher, es gab te wissen, wie sie ticken, was sie beschäftigt, worauf sie auch schon Möglichkeiten, dem Leben einen eigenen Stempel auf­ hoffen, woran sie glauben, was sie von mir unterscheidet. zudrücken, aber die Vorgaben waren klarer, der Rahmen enger. Ein Ich suche den Kontakt mit einer Reihe Jugendlicher und Auslandsjahr während oder nach der Schulzeit war noch nicht im frage: »Jugend – wer bist du?« Schnell wird deutlich: nicht Blick, zwei Wochen Sprachkurs waren das gängige Format. Internet einheitlich. DIE Jugend gibt es nicht. Nur unterschiedliche und digitale Kommunikation gab es nicht, die eigene Welt gestalte­ Jugendliche und verschiedene Trends und Lifestyles. Ein te sich kleiner und übersichtlicher. Die Anforderungen heute sind Lebensgefühl, das sich nach außen zeigt. Von Sarah höre größer, weil es auch immer anders, besonders und vor allem indivi­ ich dazu: »In meinem Kopf assoziiere ich Jugend mit ›in­ duell sein soll. dividueller Freiheit‹, frei von Sorgen und Ballast.« jugend als lebensphase create your life Die Altersspanne für »Jugend« wird unterschiedlich definiert. In den Frei von Sorgen und Ballast ist das Leben Jugendlicher Jugendstudien werden junge Menschen zwischen 12 und 25 befragt, nicht. Die individuell gesuchte, errungene und gelebte nach deutschem Recht gilt der Mensch zwischen 14 bis 18 als ju­ Freiheit atmet jedoch aus jeder Lebensgeschichte. Auf gendlich. Die Sinus-Studie bezieht sich auf Jugendliche im Alter

meiner Erkundungstour begegne ich sehr unterschied­ zwischen 14 und 17 Jahren. fotolia/pattadis © farbfläche: lichen Jugendlichen, doch decken sie sicher nicht alle bei uns vorhandenen sozialen Milieus ab. Re­ präsentativ ist das nicht, aber ich bekomme gute sarah, 21, studentin Einblicke. Trotz recht unterschiedlicher Zugangs­ Ich bin mir zwar meiner selbst bewusst, jedoch nicht unbedingt möglichkeiten zum »prallen Leben« teilen die meiner Jugend. Ich weiß von meiner Freiheit, schon allein, weil jungen Menschen, die ich treffe, ein Lebens­ sich mein Verantwortungsbereich derzeit fast nur auf mich be- gefühl, das für mich in diesen drei Worten schränkt. Es gibt natürlich Menschen, die in emotionaler Verbin- zusammengefasst ist: Gestalte Dein Leben! dung zu mir stehen, aber niemanden, der essenziell anhängig Create your Life! Ein Imperativ, eine Heraus­ von mir ist wie Kinder oder kranke Eltern. Jedoch bin ich mit meinem Kopf so weit in der Zukunft, dass ich diese Freiheit und Jugend an manchen Tagen nicht spüre. In meinem Kopf assoziiere ich die Jugend mit »individueller Freiheit«, frei von Sorgen und Ballast. Und an manchen Tagen schwebe ich tatsächlich himmelhoch, vom Wind getragen jugend 6 wie eine Feder, voller Freude. Klar ist: Jugend ist eine Durchgangsstation auf dem Weg ins Erwach­ die erste Generation der »digitalen Ureinwohner«, die senwerden. Am Beginn der Jugendphase steht die körperliche Ge­ seit ihrer Kindheit den Umgang mit digitalen Techniken schlechtsreife, am Ende das Erreichen von finanzieller und emotio­ und Medien gewohnt sind. Wichtige Themen der Gene­ naler Unabhängigkeit. In die Jugendzeit fallen die Pubertät, das Ende ration Y sind: Selbstverwirklichung, Vernetzung, Vermi­ der Schulzeit, der Beginn der Berufsausbildung, die Abnabelung vom schung von Privat- und Berufsleben. Oliver Jeges schreibt Elternhaus und die eigene Identitätsfindung. Viele Prozesse finden in der ZEIT: »Sie gieren (…) nach Anerkennung und Wert­ gleichzeitig statt und machen die Jugendzeit zu keiner einfachen. Um schätzung, nach Lob und Liebe. Sie schlafwandeln durch diese Passage zu durchlaufen, sind eine Reihe von Entwicklungsauf­ eine Zeit der Extreme: Ukraine, ›Islamischer Staat‹, Euro­ gaben zu bewältigen, die von den Soziologen Hurrelmann und Quen­ krise (…), Flüchtlinge auf Heimatsuche. Doch nichts scheint zel als »sich bilden und qualifizieren«, »sich ablösen und neu binden«, die geschichtsvergessenen Ypsiloner aus der Fassung zu »konsumieren und regenerieren« und »Wertorientierung und Partizi­ bringen.« Nach X und Y kommt Z wie Zukunft. Das sind pation« bezeichnet werden (vgl. Klaus Hurrelmann, Gudrun Quenzel: die Kinder meiner Freunde. Der Wissenschaftler Michael Lebensphase Jugend, 2013). In den Jugendstudien wird unterschieden Haller schreibt in seinem Buch »Was wollt ihr eigentlich?« zwischen verschiedenen Milieus, das heißt zwischen Lebenswelten, über die Generation Z: »Sie lernte bereits während der in denen Jugendliche »zu Hause« sind. Diese Unterscheidung gibt Grundschulzeit die Social Media, vor allem YouTube, In­ Auskunft über Herkunft und Bildung, Lebensstil und nicht zuletzt stagram und Facebook, kennen.« Nicht Nachrichtenspre­ über die wirtschaftlichen Hintergründe junger Menschen. Diese ent­ cher des öffentlich-rechtlichen Rundfunks wie Claus Kle­ scheiden letztendlich darüber, wie und inwieweit junge Menschen ber und Caren Miosga erklären ihnen die Welt. Im Gegen­ überhaupt im großen Wettbewerb des »Create your Life« mithalten teil: Die Jugendlichen setzen sich auf YouTube mit dem können. Wer nicht finanzstark ist, bleibt in vielen Bereichen auf der Weltgeschehen auseinander. Die Generation Z legt großen Strecke. Wert auf die Trennung zwischen Arbeit und Privatleben und sucht klare Grenzen. »Life-Work-Balance« steht hoch x,y, z oder was? im Kurs. Zwischen der virtuellen und der realen Welt wird Soziologen kennzeichnen die Jugendgenerationen mit verschiede­ hingegen kaum eine Grenze gezogen, sodass die Welten

© oneinchpunch – stock.adobe.com | farbfläche: fotolia/pattadis | farbfläche: © oneinchpunch – stock.adobe.com nen Buchstaben. Den heutigen Jugendgenerationen Y und Z geht X miteinander verschmelzen. Internet und Smartphone voraus. Dazu gehöre ich. Was unterscheidet uns? werden privat wie auch beruflich als selbstverständlich angesehen und genutzt. Weitere Themen der Generation Meine Generation X (Geburtenjahrgänge 1965–1980) ist die ›Ge­ Z sind: Selbstentfaltung und das Ausprobieren vieler ver­ neration Golf‹, die in den soziologischen Studien mit den Stichwor­ schiedener Wege. Hinzu kommt: »Der Ausbildungs- und ten ›Kindheit ohne Computer‹, ›Fernsehzeitalter‹ und ›hohes Bil­ der Arbeitsmarkt haben sich deutlich verändert. Die jun­ dungsniveau‹ charakterisiert wird. Die folgende Generation Y (aus­ gen Leute müssen nicht mehr wie ihre Vorgänger als Bitt­ gesprochen wie das Fragewort »Why?« – »Warum?«) – umfasst die steller auftreten, sondern können wählen.« Die demogra­ bis 1995 Geborenen. Manche Wissenschaftler ziehen mit der Jahr­ fische Entwicklung spielt ihnen in die Hände. Sie spüren tausendwende die Grenze. Beschrieben wird die Generation Y als sehr genau, dass sie gebraucht werden. Die Generation Z

jugend 7 Für ältere Menschen schwer nachvollziehbar: die mediale Vermittlung in den sozialen Netzwerken scheint manchmal wichtiger als der reale Moment.

hat ein ziemlich ausgeprägtes Selbstbewusstsein, das – so in Sekundenschnelle rund um den Erdball möglich. Das Auf­ heißt es – Gefahr läuft, in Überheblichkeit und Arroganz ab­ treten der jungen Menschen ist tough, sie sind ungezwunge­ zugleiten. ner, selbstsicherer, wissender … oder wirken zumindest so. Fast als würde eine Reifestufe übersprungen. Ebenso irritie­ Was mich fasziniert und ein wenig neidisch auf diese Gene­ rend finde ich diese Erfahrungen mit Jugendlichen: Sie pro­ ration blicken lässt: die Vielzahl der Möglichkeiten, die sich bieren viel aus, aber es fehlt an Orientierung, die Berufswahl heute für junge Menschen bietet. Und das in (fast) allen Be­ fällt deutlich schwerer als früher, Entscheidungen werden reichen des Lebens: Die Welt ist klein geworden, auch entle­ nach hinten verschoben. Sich festzulegen ist für junge Men­ gene Orte und Traumziele können leicht erreicht werden. schen ungemein schwierig geworden, weil es so viele Alter­ Schullaufbahn und Berufsleben werden durch Auszeiten nativen gibt. Das trifft ebenso den Bereich der Freundschaften unterbrochen, durch die Welt des Internets ist Kommunikation­ und der Partnerschaft. Die Qual der Wahl überfordert viele.

Was genau zeichnet die Lebenswelt junger Menschen aus? Einige Beispiele:

Multimedia: WhatsApp? Sprache: »Alter!« Technik ist zum ständigen Begleiter nicht nur der jungen Während sich das Wort »cool« seit vielen Jahren als Wort der Menschen geworden. Die Nutzung des Handys mit all seinen deutschen Alltagssprache etabliert hat, gibt es immer wieder Möglichkeiten führt bereits zu einer »unerträglichen Erreich­ neue Worte aus der Jugendszene, die die Alltagssprache er­ barkeit des Seins«. Für jüngere Menschen kommt eine noch­ gänzen. »Alter« hat sich als Ausdruck des Erstaunens, der mals ganz anders vernetzte Lebenswirklichkeit hinzu: von Erregung oder der persönlichen Ansprache durchgesetzt, Social Media bis Gaming. WhatsApp, Instagram und YouTube »I bims« wurde zum Jugendwort des Jahres 2017. Bleibt mir und Facebook sind Angebote der digitalen Welt, die als neuer irgendwie fremd. Für mich vollkommen neu »yolo«, was so ›Kontinent‹ mit einer eigenen Sprache und Kultur gesehen viel bedeutet wie: »You only live once« – »Du lebst nur ein­ werden kann. Ein Leben ohne Smartphone und Internet ist mal«. Jede Generation erarbeitet neue Worte und Stilmittel, für die meisten Jugendlichen kaum noch vorstellbar. Die um sich auszudrücken. Ich muss mich dem nicht anpassen,

selbstkritische Sicht auf die Umgangsformen im Netz finde möchte aber davon wissen. fotolia/pattadis | farbfläche: © oneinchpunch - stock.adobe.com ich bei Mirjam wieder: »Wie auf Facebook oder bei WhatsApp miteinander umgegangen wird – finde ich sehr heftig.« Hier mirjam, 21, bürokauffrau wäre ein Rahmen nötig, der Umgangsformen kontrolliert. Die Zukunft sehe ich nicht so gut. Ich finde, unsere Gesellschaft ist ganz schön krass geworden! Also wie wir miteinander umgehen – finde ich heftig ungut. Da hat sich viel verändert im Vergleich zu früher. Insgesamt fehlt der Respekt voreinander. Viele sind sehr respektlos zu anderen. Das hat wohl auch mit den Medien zu tun, wie zum Beispiel auf Facebook oder bei WhatsApp miteinander umgegangen wird – finde ich sehr heftig. 8 jugend ella, 18, schule gerade fertig, geht jetzt zur bundeswehr

Bezogen auf mich würde ich gerne verändern, dass ich mich mehr Musik: »Ohne Mucke läuft nix …« auf mich konzentrieren kann und einmal alles vergessen kann, was Musik hat eine enorme Bedeutung im Leben Jugend­ mir immer im Kopf rumgeht. Ich habe immer sehr viel Leistungs­ licher und gehört zu den beliebtesten Freizeitbeschäf­ sport gemacht. Da konnte ich nicht jung sein beziehungsweise das Jungsein nie richtig ausleben. Es gab immer nur den Sport. tigungen. Das war in den vergangenen Generationen Ich möchte mal alle Gedanken abstellen können, mal eine Pause nicht anders. Musik bot schon früher den Raum, Ge­ haben und den Schalter im Gehirn umlegen. Allgemein würde fühle und Sehnsüchte zu artikulieren und darüber hi­ ich gern schauen, dass die Flüchtlingskrise bewältigt wird und da naus Identifikation mit dem Hier und Jetzt zu schaffen. bessere Lösungen gefunden werden. Sehr vieles wird national Bedingt durch die Medien und das ständige Online-Leben und international bald »einknicken«, weil die Schere zwischen Arm und Reich immer weiter auseinandergeht. Mit Religion und Kirche kann hat sich das Musikhörverhalten jedoch verändert. Mit Musik ich mich nicht identifizieren. Sie haben keine Bedeutung für mich. kann man sich in der Gesellschaft verorten oder abzuschal­ ten. Was Ella treffend formuliert: »Ich möchte mal alle Ge­ danken abstellen können, mal eine Pause haben und den Schalter im Gehirn umlegen.« felix, 21, versicherungskaufmann

Als junger Mensch bin ich dabei, das zu erreichen, was Glaube: Die Kirche spielt keine Rolle ich will, und versuche dabei, nicht mein inneres Kind Dass Jugendliche ein Bedürfnis nach Sinnfindung haben, zu verlieren. Ich würde gerne nach meiner jetzigen ist überhaupt nicht infrage gestellt. Jugendliche finden den Ausbildung etwas in Richtung Modedesign machen. gesuchten Sinn heute jedoch nicht mehr zwingend in einer Die bisherige kaufmännische Ausbildung ist eine gute Religion oder Kirche, sondern sie entwickeln aus verschie­ Grundlage für mich. Dann muss ich entscheiden, wie ich weitermache. Da bin ich noch in der Selbstfindungsphase. denen Richtungen einen individuellen Glauben, mit dem Jetzt mach ich halt mal das Aktuelle erst fertig. sie als »religiöse Touristen« unterwegs sind. So wie es Felix Ich selber bin nicht getauft. Ich akzeptiere jede Religion und selber halte beschreibt: »Ich selber bin nicht getauft. Ich akzeptiere jede ich an keiner Religion fest. Das ist so wie bei uns im Tuner-Club. Da fährt Religion und selber halte ich an keiner Religion fest.« Die­ jeder ein anderes Auto. Der eine Peugeot, der andere Toyota. So sehe ich das ser Patchwork-Glaube ist für Jugendliche veränderbar und bei Christen und Moslems. Man sollte sich nicht anfeinden, nur weil jeder individuell, während Religion und Kirche eher als institu­ was anderes hat, sondern den gemeinsamen Willen sehen, die gemeinsame tionell und damit unbeweglich wahrgenommen werden. Leidenschaft und sich gegenseitig respektieren. Die Mehrheit junger Menschen in Deutschland gehört je­ doch weiterhin einer Glaubensgemeinschaft oder Kirche an, während 23 % der jungen Menschen zwischen 12 und 15 Jahren konfessionslos sind. Mattia hält für sich daniel, 23, bürokaufmann fest: »Kirche und Religion sind für mich zwei verschiedene Sachen.« Darüber hinaus gibt Ich finde, mein Leben ist in Ordnung, so wie es jetzt ist. Ich muss sparen, damit ich am Jahresende die Rechnungen bezahlen kann, die dann alle es eine Erwartungshaltung an die Kirche, kommen. Also, ich möchte meinen Lebensstandard verbessern. Sonst bin die Daniel so beschreibt: »Was die Kirche ich wunschlos glücklich. Außer die Gesundheit könnte besser sein. angeht: Sie müsste sich der Jugend anpas­ Ich hab schon viel durchgemacht, mehrere Operationen, und musste sen. Dass man zum Beispiel eine Ehe von danach jedes Mal neu gehen lernen. Ich bin nicht der typische Jugendliche, zwei Männern oder zwei Frauen akzeptiert.« der jedes Wochenende feiern geht. Ich beschäftige mich gerne mit Nach­ richten und lese sehr viel. Was die Kirche angeht: Sie müsste sich der Jugend Ich finde es mutig, dass junge Menschen mit anpassen. Dass man zum Beispiel eine Ehe von zwei Männern ihrem Empfinden und ihren Erwartungen so an die Insti­ oder zwei Frauen akzeptiert. tution Kirche herantreten.

Kirche – Jugend – Glaube: ein Feld widersprüchlicher Zahlen. Auf der einen Seite stehen 60.000 junge Menschen aus Deutschland, die an der Ministrantenwallfahrt nach Rom in © bild rechts unten: bistum limburg/felicia schuld limburg/felicia bistum unten: © bild rechts diesem Jahr teilnahmen. Viele von ihnen besuchten auch Assisi, so zum Beispiel die Messdiener des Bistums Limburg, die hier in der Oberkirche der Basilika San Francesco darauf warten, etwas über den heiligen Franziskus zu erfahren. Auf der anderen Seite spricht zum Beispiel die aktuelle Shell- Jugendstudie davon, dass nur ein Drittel der 12–25-Jährigen in Deutschland an Gott glaubt. Der evangelische Theologe Friedrich Schweizer kommt in einer neuen Studie der Uni Tübingen hingegen zu dem Schluss, dass die große Mehrheit der Jugendlichen sich nicht als »religiös« bezeichnet, weil sie bei dem Begriff an Kirche denkt und damit wenig anfangen kann. Sich selbst sehen Viele aber durchaus als »gläubig« an, weil es in ihrem Verständnis dabei um ihre Sinnfragen und einen Halt im Leben geht. antje, 19, studentin Partnerschaft: Ich bin sehr zufrieden mit meinem Leben, und mir fehlt es an nichts, da ich eine tolle Familie und »So weit bin ich jetzt noch nicht.« einen tollen Freund habe, mit denen ich sehr So unterschiedlich die Milieus von Jugendlichen sind, so un­ glücklich bin!! Ich sehe mich selbst auf der Suche terschiedlich gehen sie auch an das Thema Beziehung, Part­ nach meinem Platz in der Gesellschaft. Allerdings nerschaft, Liebe und Sexualität heran. Erste Erfahrungen des habe ich das Gefühl, dass dies auf Grund der vielen Zusammenseins mit einem anderen Menschen finden in der Möglich­­keiten eine große Herausforderung darstellt. Nach Regel in der Zeit zwischen 14 und 17 Jahren statt. Je nach der Schule wird man ins kalte Wasser geschmissen, und gefühlt erwarten alle, dass man seinen Weg kennt und persönlicher Situation werden die ersten Freundschaften ent­ weiß, was man möchte. Mich beschäftigt das Miteinander weder auf »Sparflamme« gestaltet, weil sie mit dem Bedürfnis unter den Völkern. Es wird viel geredet, aber häufig mangelt der Freiheits- und Persönlichkeitsentwicklung in Konflikt es an einem ehrlichen, kooperativen Miteinander, um die stehen, oder aber im Sinne eines »Füreinander-Daseins« als Herausforderungen, vor denen wir stehen, zu bewältigen. stabilisierend erlebt und gestaltet. Ich sorge mich vor einer weiteren Zuspitzung und drohenden Eskalation der bestehenden Konflikte. Die Kirche spielt in meinem Leben keine große Rolle. Vertrauen, Ehrlichkeit, Verlässlichkeit sind Werte, auf die junge Menschen nicht verzichten möchten. »Viele der Jünge­ ren, aber auch einige der Älteren, fühlen sich (…) noch nicht reif genug für eine ›echte Beziehung‹, denn diese ›echte Be­ ziehung‹ ist für die meisten Jugendlichen etwas Großes, Schö­ Beruf: »Ich möchte ganz viel lernen« nes, Exklusives, aber auch Forderndes und ›Verletzlich-Ma­ Antje formuliert aus ihrer Erfahrung: »Nach der Schule wird chendes‹. Länger dauernde, stabile Partnerschaften sind für man ins kalte Wasser geschmissen, und gefühlt erwarten Jugendliche ein wichtiges Ziel und ein zentraler Aspekt für alle, dass man seinen Weg kennt und weiß, was man möch­ persönliches Glück.« (vgl. Wie Jugendliche ticken, herausge­ te.« In der Realität wissen viele noch gar nicht, was nach der geben vom afj/BDKJ 2016). Schule dran ist. Ausbildung und Beruf stehen allerdings hoch im Kurs. Jugendliche wollen sich Wissen aneignen, mit diesem umgehen und sich in der Welt zurechtzufinden. Neben schulischem Lernen und beruflichem Ehrgeiz wird mattia, 27, aus bologna, assistenzarzt der Wunsch beschrieben, die eigenen Fähigkeiten zu erwei­ tern, zum Beispiel durch das Erlernen eines Musikinstru­ In meinem Leben sind mir meine Beziehung mentes oder von Sprachen. Spürbar ist schon fast eine Gier, mit Gott und meine Beziehungen mit den das Leben auf allen Ebenen zu vertiefen und Erfahrungen Leuten, die ich liebe, wichtig. Und mein Beruf, die Medizin, das ist meine Berufung. Wenn ich zu sammeln. Nach dem Abitur beginnen junge Menschen Zeit habe, schreibe ich Postkarten. Das macht so nicht sofort mit dem Studium, sondern interessieren sich eine Freude, wenn man einem einfach mal für ein Jahr in Brasilien, Japan, Israel oder in Osttimor, zum schreibt, und es hat eine Wirkung auf die Leute. Ich Beispiel als Freiwilliges Soziales Jahr. Das Erlernen einer sehe mich sehr beschenkt, weil ich viel reisen durfte, viel anderen Sprache und das Kennenlernen einer anderen Kul­ Schönes in der Welt gesehen habe und viele Möglichkeiten im Leben hatte. Ich finde, die Kirche in Deutschland ist viel zu reich, tur ermöglichen ein Lernen, das Denken, Wissen und Fühlen das schafft Probleme. Sie ist viel zu bürokratisiert und dadurch bereichert. Die Lebenseinstellung von Felix dazu lautet: »Mir kann sie nicht die Sehnsucht beantworten, die jeder hat – gefällt das Leben generell … Ich will es in vollen Zügen aus­ besonders junge Leute. kosten.«

felix, 21, freiwilligendienstleistender

Ich fühle mich noch viel zu jung für das Studium. Deswegen mache ich erst mal eine Ausbildung als Zimmermann. Studieren möchte ich danach etwas, was darauf aufbaut. Als Jugendlicher gehöre ich wohl nicht zur »Quote«, vieles geht da bei mir überhaupt nicht. Da gehöre ich eher zur alten Generation, bin also »old school«, zum Beispiel eher bei Beatles und Johnny Cash. Mit 14 oder 15 hat das schon bei mir angefangen, dass ich auf gar keinen Fall erwachsen werden wollte. Dafür wollte ich immer jugendlich und verrückt bleiben. Die Zukunft sehe ich spannend. Mir gefällt das Leben generell. Man sollte es nutzen, wenn man lebt. Das ist schon ein Thema für mich! Ich will es in vollen Zügen auskosten. Ich bin schon nicht so römisch- katholisch. Meine Religion ist die Natur. Ich hatte damals ein Erlebnis bei einer Initiationsreise, die auf alten indianischen Traditionen beruhte. Ich war da drei Tage und drei Nächte in der Wildnis. Deswegen kann ich sagen, dass die Natur meine Religion ist. Diese Reise hat mich also wahnsinnig geprägt und inspiriert. Wir hatten bei dieser Reise jeden Tag eine Aufgabe, zum Beispiel sich eine Sterbehütte zu bauen und sich da hinzulegen. Da hab ich lange drin verbracht, und ich bin dann als neuer Mensch aufgestanden. Lebensstil: »Ich möchte verrückt bleiben!« In der Jugendstudie von 2016 wird deutlich, dass Konsum in der Identitätsentwicklung junger Menschen eine zentrale Rolle spielt, da sich über Kleidung, Smartphones und andere Konsumgegenstän­ de Zugehörigkeit und Abgrenzung zu jugendlichen Lebenswelten herstellen lassen. Modeketten haben die jungen Menschen daher fest als Zielgruppe im Blick. Das Gleiche gilt für die bekannten Fast-Food-Anbieter. Ob Jugendliche beim Konsum auch Kriterien der Herstellung berücksichtigen wollen und können, ist fraglich. Angesichts der globalen und großen Herausforderungen fühlen sich die meisten junge Menschen überfordert und sehen nicht, wo und wie sie an den Lösungen mitwirken können. Die Selbstaussage »Ich möchte verrückt bleiben« bezeichnet daher weniger »unangepasstes Rebellentum«, sondern mehr den Wunsch nach Freiraum für Krea­ tives und Ungeplantes. Hier die klare Ansage von Tom: »Mein Leben ist echt okay, ich bin voller Spontaneität.«

tom, 21, koch

Mein Leben ist echt okay, ich bin voller Spontani- tät und freue mich, dass ich die Freunde hab, die dabei mitziehen. Ich wohne allein, damit stehe ich schon viel mehr in der Verantwortung und bin selbstständiger. Manchmal fühle ich mich aber trotzdem von vielen nicht ernst genommen und als kleines Kind betrachtet. Das ärgert mich. Es wär mir lieber, ich würde voll ernst genommen werden. Mich beschäftigt viel meine Zukunft. Es macht mich richtig wütend, wenn ich daran denke, dass meine Generation einmal fast keine Rente mehr bekommen wird und dass wir als einzelner Bürger der Politik fast egal sind. Ich würde das Gemeinschaftliche in der Gesellschaft mehr fördern wollen. Viele hängen ja nur noch vor dem PC rum und machen sonst nichts mehr. Zur Kirche gehe ich maximal nur an Weihnachten, nach der Konfir- mation habe ich abgeschlossen. Ich hab sonst nichts gegen die Kirche, nur die Themen haben nichts mit meinem Leben zu tun. Das ist das Problem. © farbfläche nebenseite: fotolia/ pattadis | foto oben rechts: istock.com/fotografixx oben rechts: | foto pattadis fotolia/ nebenseite: © farbfläche

Mehrheit glücklich ohne Gott, Auto und Kinder

In Deutschland gaben 80 % der 18- bis 34-Jährigen an, ohne ­Glauben an Gott glücklich sein zu können, 70 % können sich ein Leben ohne Auto und 52 % ein Leben ohne Kinder vorstellen. Aber 52 % können sich nicht vorstellen, ein Leben ohne Internet zu führen. Die Ergebnisse basieren auf Befragungen 2016/2017 52 % im Internet. An der europaweiten Studie nahmen eine Million Personen aus 35 Ländern teil. In Deutschland beteiligten sich das 80 % Sinus-Institut und mehrere öffentlich-rechtliche Sender an dem Projekt. Von allen abgefragten Institutionen ist das Vertrauen in die religiösen Institutionen bei Jugendlichen am geringsten. 83 Prozent haben kein oder sehr wenig Vertrauen. Selbst unter den Gläubigen steht noch die Hälfte der Befragten den ­kirchlichen 70 % Institutionen misstrauisch gegenüber. www.generation-what.de 52 %

jugend 11 vladi, 21, aus moskau, auszubildender

Ich bin seit zwei Jahren in Deutschland und mache eine Ausbildung zum Altenpfleger. Später will ich studieren. Im Zukunft: »Ich sorge mich …« Leben gibt es Positives und Negatives. Es gibt mit den Kardinal Woelki beschreibt in einem seiner wöchent­ Kollegen schon manchmal Missverständnisse zum Beispiel lichen Statements im Dom-Radio, dass es weniger als wegen der Sprache oder wegen der Kultur. Geld ist nicht 20 % der jungen Menschen sind, die positiv nach vorne wichtig, steht auf Platz 2. Für mich ist Liebe wichtig. Und Familie – aber so weit bin ich jetzt noch nicht – … und der deutsche Ausweis. schauen. Jugendliche haben wenig Vertrauen, sind Meine Zukunft ist in Deutschland. Jetzt habe ich einen Freundeskries, einen nicht hoffnungsfroh, obwohl Frieden und Wohlstand Kumpel, Kollegen und eine gute Arbeit. Ich bin kein Flüchtling, sondern ich in Deutschland vorherrschen und wir von Naturkata­ habe mir das ganz allein organisiert und aufgebaut. In der katholischen strophen weitgehend verschont bleiben. Mit Blick auf Kirche liebe ich die Atmosphäre von Weihnachten. Mir gefällt diese »Wunder­ die Weltlage, den Klimawandel, auf Terror und Kriege magie«, und die Weihnachtszeit ist mir die liebste Zeit im Jahr. Mein letztes Weihnachtswunder war, dass ich kurz danach erfahren habe, dass ich in und den sich verschärfenden Rassismus in Deutsch­ Deutschland bleiben darf. land, die Verrohung der Sprache und viele große Zu­ kunftsfragen ist es nicht verwunderlich, dass sich eine eher skeptische, wenn auch nicht negative Haltung einstellt. Alle Themen führen zu einem Gefühl der Beklommenheit und der Befürchtung, dass sich etwas zuspitzt und vielleicht künftig nicht mehr zu kontrol­ lieren sein könnte. Hoffnungsfroh macht mich in dem Zusammenhang die Aussage von Vladi, der sich bei uns beheimatet fühlt und sein Leben in die Hand neh­ men möchte: »Meine Zukunft ist in Deutschland.«

Franziskaner: »Ihr seid echt cool, aber …« Und letztlich: Warum nicht Franziskaner werden? Die Frage eines Franziskaner an die jungen Männer »Wäre das nichts für dich? Franziskaner?« wird beantwortet mit: »Ey, Alter, Ihr seid echt cool. Aber meine Selbst­ bestimmung gebe ich nicht auf.« Ehrliche Antwort, okay. Das sagt eine Menge aus über das Lebensgefühl junger Menschen. Ja, nachvollziehbar. Der Fokus des 60.000 Jugendliche aus Deutschland reisten Ende Juli zur eigenen Lebens liegt auf der Selbstbestimmung. Das internationalen Ministrantenwallfahrt nach Rom. ist Möglichkeit und Herausforderung. Das ist Freiheit Der Franziskaner Pascal Sommerstorfer gestaltete mit und Wahl. Vielleicht fasst Lea es für die heutige Jugend 17 weiteren jungen Ordensleuten in der Kirche Santa Maria gut zusammen, wenn sie von sich selber sagt: »Ich mag dell’Anima ein spirituelles Zentrum für die jungen Wallfahrer. Sein Fazit: »Wenn Jugendliche sagen ›Da spüre ich Sinn die Freiheit, die ich habe.« in der Sache‹, dann meinen sie häufig: ›Da spüre ich mich!‹ Auf die tiefe Sehnsucht nach Gemeinschaft und danach, sich selbst intensiv zu erleben, reagieren unsere Und ich? kirchlichen Angebote oftmals zu wenig.« »Create your Life!« Ich weiß nicht, ob ich noch einmal so jung sein wollte, um alles noch einmal zu entschei­ lea, 19, studentin den und zu gestalten. Sicher, das eine oder andere würde auch ich anders machen, das Leben hier und Ich würde mich als Heranwachsende beschreiben, dort abenteuerlicher gestalten, Verrücktes ausprobie­ die gerade in einer Phase des Entdeckens steckt. ren, mich nicht so früh binden. Ob ich mich in der Fülle Bei mir persönlich hat es wenig mit Party und Alkohol zu tun, der Möglichkeiten zurechtfände? Wählen könnte? »Das sondern viel mehr mit Gedanken wie: Was möchte ich in meinem Leben Meine« finden würde? Ich schwanke zwischen Lust erreichen? Welche Arbeit macht mich glücklich? … Ich glaube, ich bin recht privilegiert aufgewachsen – in Deutschland, in keiner »armen« Familie. Das und Last. Was ich auf jeden Fall merke: Es macht Spaß, muss ich mir manchmal zurück ins Gedächtnis rufen, um wertschätzen zu mit jungen Menschen in Kontakt zu sein, ihre Gedan­ können, wie wenige Möglichkeiten mir verwehrt geblieben sind. Ich mag die ken mitzubekommen, von ihren Hoffnungen zu erfah­ Freiheit, die ich habe. Ich habe wenig zu meckern, mein Leben ist stark in ren, zu wissen, wie sie Gott und die Welt sehen. n Ordnung oder, wie wir Jugendlichen zu sagen pflegen, mein Leben ist alles in allem ziemlich nice. In der Zukunft werde ich an ein paar Wegkreuzungen andreas brands ofm stehen, an denen ich mich entscheiden muss, welches der für mich ist verantwortlich für die Öffentlichkeitsarbeit der Suppen­ momentan »richtige« Weg ist. Vor allem aber werde ich nun einen für mich küche der Franziskaner in Berlin-Pankow, Ausbildungs­ ­ neuen Lebensabschnitt beginnen und zu Hause ausziehen und mit dem leiter für die jüngeren Brüder nach ihrer zeitlichen Profess pattadis fotolia/ | farbfläche: vechta/hörnemann offizialat bischöflich münstersches land: petrus/oldenburger st. lastrup © messdienerinnen aus Studium beginnen, das wird sicher spannend. Die Kirche an sich ist für mich und Redakteur der Zeitschrift »Franziskaner« ein Ort, an dem ich runterfahren kann und Ruhe erfahre, die mich sein lässt, wie ich bin, ohne mich für andere verstellen zu »müssen«. Die Religion ist wenig12 in meinenjugend Alltag integriert, doch sie gehört doch irgendwie mit in mein Leben. Gottes Wege sind b r e i t!

Interview mit Thomas Andonie, Bundesvorsitzender des Bundes der Deutschen Katholischen Jugend (BDKJ), der Dachorganisation der katholischen Jugendverbände in Deutschland

»über« Jugendliche geredet wird, sondern zu reflektieren. Auch den Skandal um »mit« Jugendlichen. Was Jugendliche den Missbrauch in der Kirche bewerten heute bewegt, müssen sie mit eigenen junge Christinnen und Christen und Worten ausdrücken dürfen. Das Span­ wenden sich vielfach von der Institution nende an der Vorsynode war für mich: ab, wenn sie nicht aufarbeitet, sondern Es waren auch nichtkatholische Jugend­ nur unter den Teppich kehrt. Glaubwür­ liche und Andersgläubige eingeladen digkeit ist deswegen so wichtig, weil mitzudiskutieren, und junge Menschen Personen, die Jugendliche begleiten, von überallher konnten sich per Internet immer auch eine Vorbildfunktion haben. an den Diskussionen beteiligen. Was bleibt übrig, wenn sich die, denen man vertraut, nicht als die Menschen Haben Sie Hoffnung, dass die Kirche erweisen, die sie vorgeben zu sein? die Antworten der Jugendlichen hört, Thomas Andonie (27) ist Mitglied darauf reagiert und sie für das kirch- Welche weiteren Themen kamen in der Kolpingjugend im Bistum liche Handeln berücksichtigt? Rom zur Sprache? Regensburg und seit 2017 Die Lebenswelten von Jugendlichen Themen, die Jugendliche in Bezug auf hauptamtlicher Bundesvor­ sitzender des Bundes der sind sehr unterschiedlich. Nicht nur in Kirche beschäftigen, sind Partizipation, Deutschen Katholischen Jugend Deutschland, wo es ja »die Jugend« ge­ Freiraum, Spiritualität, Begleitung, po­ (BDKJ). Zuvor war er im Baye­ nauso wenig gibt wie in Brasilien oder litisches Engagement, Lebensgestaltung, rischen Staatsministerium für Arbeit und Soziales, Familie Thailand. Die Lebenswelt Jugendlicher Beziehungen und dazu auch Fragen nach und Integration tätig. in Simbabwe unterscheidet sich von der dem Weiheamt für Frauen und der An­ in Mecklenburg-Vorpommern, und Ju­ erkennung gleichgeschlechtlicher Le­ gendliche auf den Philippinen leben bensformen. Gerade bei den beiden Herr Andonie, Papst Franziskus hat anders als Jugendliche in München. Das letzten Themen haben Jugendliche große für Oktober dieses Jahrs eine Ju- muss man zunächst einmal wahrnehmen Probleme mit den kirchlichen Positio­ gendsynode nach Rom einberufen. und vor allem auch berücksichtigen. Da nen. Jugendliche wollen verstehen, Als Vorsitzender des BDKJ waren Sie hat die Synode eine Menge zu leisten: warum etwas ist, wie es ist, und brauchen einer der beiden deutschen Vertre- vor allem zuhören, was Jugendliche Argumente. Sie wollen verstehen und ter bei der sogenannten Vorsynode, weltweit beschäftigt und wo der Schuh sich als Diskussionspartner auf Augen­ die im Frühjahr in Rom stattfand. drückt. höhe verstanden wissen. Kirche muss Welche Eindrücke bringen Sie von sich an diesem Punkt verändern, muss dort mit? Für Jugendliche generell ist Authentizi­ sich argumentativ neu aufstellen. Es war eine sehr gute und eindrückliche tät und Glaubwürdigkeit ein großes Erfahrung – mit 300 Delegierten aus Thema, ja ein Anspruch. Man kann nicht Wie leben Sie diesen Anspruch in fast allen Ländern der Welt. Papst Fran­ Wasser predigen und Wein trinken. Das den katholischen Jugendverbänden? ziskus hat von Anfang an unterstrichen, haben die Verantwortlichen gerade für Wir versuchen dialogisch und partizipa­

© porträt: bdkj-bundesstelle/christian schnaubelt| farbfläche: getty images/istockphoto farbfläche: schnaubelt| bdkj-bundesstelle/christian © porträt: dass es keine Synode sein kann, bei der die Jugendpastoral in besonderer Weise tiv zu arbeiten. Das heißt, man muss sich

jugend 13 Magdalena Hartmann (Mitte l., Schön­ statt-Bewegung) und Thomas Andonie (Mitte, 2. v. l., BDKJ) bei der Vorsynode der Jugendlichen in Rom

100-prozentigen Glaubens. Nur deswe­ gen, weil du DU bist und Gott dich so gewollt und geschaffen hat. Wenn das die Grunderfahrung wird, die wir in der Begleitung von jungen Menschen leisten können, dann haben wir eine gute Arbeit gemacht. Und dazu gehört dann auch, Jugendlichen zu vermitteln, dass sie mal auf die Nase fallen können, scheitern dürfen, dass nicht sofort alles gelingen muss oder nach jedem Tun ein Erfolg zu verzeichnen ist. Scheitern und Miss­ erfolg sind Anteile im Leben, und sie dürfen sein. Jungen Menschen zu ver­ mitteln, dass sie deswegen nicht bewer­ tet werden und dass Scheitern nicht ihr Ansehen und ihren Wert beeinflusst, das ist christliche Jugendarbeit. auseinandersetzen und diskutieren. Das Gibt es darüber hinaus ein prägnantes gilt für die Hauptamtlichen wie für die Thema, das für junge Menschen von heute Was muss man wissen, um die Le- Jugendlichen. Wir müssen nicht alle die zentral ist? benswelt heutiger Jugendlicher zu gleiche Meinung haben, aber wir müssen Ja, Jugendliche heute suchen vor allem Ant­ verstehen? über das, was wir denken, fühlen und worten auf die Frage nach dem Sinn. Und sie Ein Kennzeichen der heutigen Genera­ empfinden, sprechen und um gemein­ wollen keine allgemeinen, abstrakten oder tion ist, dass sie wahrgenommen werden same Lösungen ringen. Dabei ist es wich­ vorgefertigten Antworten. Sinn will gefunden will. Natürlich möchte das jeder Mensch, tig, uns in unserer Unterschiedlichkeit werden im Gehen eines Weges, und dafür aber es hat doch eine zunehmende Ich-­ gegenseitig zu akzeptieren. Und das ist braucht es Begleiter, Geistliche, Laien, Jugend­ Zentrierung stattgefunden, und für viele der Knackpunkt und keineswegs immer liche selbst, die andere Jugendliche an die Hand ist nichts schlimmer, als nicht gesehen, leicht. Jugendliche können dabei lernen: nehmen und im besten Sinne Vorbild sind. gehört, beachtet zu werden. Ich denke, Es muss nicht alles Mainstream sein, dass das auch ein Grund dafür ist, warum nicht alles gleich. Wir müssen nicht uni­ Was brauchen Jugendliche aus Ihrer Sicht soziale Medien eine solche Sogwirkung form denken, aber uns austauschen und heute an erster Stelle? auf junge Menschen haben. Dort mischt einander gelten lassen. Das ist eine blei­ Freiräume, Erfahrungsräume, Gestaltungsräu­ man mit, ist dabei, kann sich beteiligen, bende Aufgabe in unserer pluralen Welt me. Jugendliche stehen heute sehr stark unter wird geteilt, angestupst, beglückwünscht. und auch in einer pluralen Kirche. Bei Leistungsdruck, und zwar von allen Seiten. In einer Welt, die sich individualisiert der Vorsynode in Rom wurde dies an Durch die Schule, ein ausdifferenziertes Bil­ und auch anonymisiert, sind die Medi­ einer Stelle besonders deutlich: Über dungssystem, Eltern mit hohen Erwartungen en die Möglichkeit der Teilhabe. Facebook wurde sich zu verschiedenen und der Angst, nicht alles für ihr Kind getan Themen miteinander ausgetauscht, und zu haben, und einer Gesellschaft, die sugge­ Was lässt sich für die kirchliche Ju- jeder hat seine Kommentare dazu abge­ riert, man könne und müsse überall die oder gendarbeit daraus ableiten? geben. Dann gab es aber einige, die sofort der Beste sein. Da sieht der Terminkalender Das digitale Zeitalter macht vor den unter bestimmte Beiträge schrieben: Das von Kindern mit Musik-, Sport- und Bildungs­ Kirchentüren nicht halt. Kirche kann ist doch gar nicht katholisch. Mit solchen stunden aus wie der von Managern. Kinder hier eine Bewegung aufgreifen, die schon absoluten Aussagen kann man jede Dis­ und Jugendliche aber brauchen Freiräume, in da ist. Nennen wir es projekthaft »Kirche kussion sofort im Keim ersticken. Und denen sie sich ausprobieren können. digital« – Kirche als Netzwerk, und zwar da sage ich: Die Wege zum Glauben – weltweit. Wir müssen weiter denken als auch innerhalb der katholischen Kirche Die wichtigste Erfahrung, die junge Menschen über die Jugendarbeit hier in Deutsch­ – sind vielfältig. Gottes Wege sind breit. machen sollten, ist: Du bist um deiner selbst land, wir müssen miteinander im Kon­ Und junge Menschen müssen die Erfah­ willen angenommen, nicht wegen deiner Leis­ bleiben, mit den Jugendlichen der rung machen können, dass sie das auch tungen, nicht wegen deines Bildungsstandes, Welt, um voneinander zu wissen, zu aussprechen können, was sie denken nicht wegen deiner vielen Fähigkeiten, nicht hören, zu erfahren – und zu lernen. n und erfahren haben, ohne sogleich regle­ wegen deines Aussehens, nicht wegen deiner

mentiert zu werden. sexuellen Orientierung, nicht wegen deines Das Gespräch führte Andreas Brands OFM siciliani pozzolo/romano dal © kna – stefano

14 jugend Missbrauchsskandal und katholische Kirche: Die Nerven liegen blank

Sie kocht wieder hoch in diesen Wochen: Vieles deutet darauf hin, dass es trotz aller kirchlichen Präventionsmaß­ nahmen noch immer sexuellen Missbrauch in katholischen Einrichtun­ die öffentliche Debatte um sexuellen gen in Deutschland gibt. Im August dieses Jahres hatte bereits ein Bericht Missbrauch in der katholischen Kirche. des Generalstaats­anwaltes des US-Bundes­staates Pennsylvania die Öf­ »Kirche als Hölle« titelte die Frankfurter fentlichkeit schockiert, in dem mehr als 300 Priester be­schul­digt werden, Rundschau am 13. September auf Seite 1. mindestens 1000 Kinder und Jugendliche vergewaltigt, gequält und gedemütigt zu haben – und dies zum Teil mit Wissen ihrer Kirchen­ Sie bezog sich dabei auf die Ergebnisse oberen! Zeitgleich warf der Missbrauchsbeauftragte der Bundesregie­ der Studie »Sexueller Missbrauch an rung, Johannes-Wilhelm Rörig, der katholischen Kirche in Deutschland Minder­jährigen durch katholische Priester, vor, immer noch nicht ausreichend aufzuklären, und vermutete, dass Dia­kone und männliche Ordens­ange­ bei einigen Bistümern Aufarbeitung nach wie vor zu sehr als Gefahr für die eigene Institution gesehen werde. Zudem handele es sich beim hörige im Bereich der Deutschen Bischofs­ Thema Missbrauch in der Kirche – so Rörig – nicht um Einzelfälle, son­ konferenz«. Die Zahlen sind erschütternd: dern es seien strukturelle Probleme ursächlich, die weiterhin bestünden Mindestens 3677 Kinder und Jugendliche und die sexuelle Gewalt an Kindern und Jugendlichen ermöglichten. waren Opfer sexuellen Missbrauchs durch Eine »Kultur der Gegenwehr« hatte Marie Collins Behörden der römi­ mindestens 1670 Täter zwischen 1946 schen Kurie bereits 2017 vorgeworfen. Die Irin, die als Jugendliche von und 2014. Die tatsächlichen Zahlen, so einem Priester missbraucht worden war, verließ unter Protest die von vermuten die Forscher, dürften noch Papst Franziskus gegründete Kinderschutzkommission. »Das größte Problem war der Widerwille einiger Mitglieder der vatikanischen Kurie, erheblich höher liegen. Opfer und Täter in die Empfehlungen der Kommission umzusetzen, trotz der Zustimmung Ordensschulen wurden dabei noch gar durch den Papst«, kritisierte Collins. Sie empfinde es als »unmöglich, nicht erfasst. öffentlichen Aussagen der Kirche über die tiefe Sorge über jene, deren Leben durch Missbrauch zerstört wur­ den, zuzuhören und gleichzeitig persön­ lich zu erleben, wie die Kongregation im Vatikan sich weigert, auch nur ihre Briefe zu lesen!«

Ende August griff dann der pensionier­ te Erzbischof und ehemalige Nuntius in den USA, Carlo Maria Vigano, Papst Franziskus persönlich an und forderte ihn zum Rücktritt auf. In einem »Brand­ brief« warf er dem Papst vor, von zahl­ reichen sexuellen Missbrauchstaten des ehemaligen US-amerikanischen Kardi­ nals Theodore McCarrick gewusst und lange nichts dagegen getan zu haben. Während einige erzkonservative US-Bi­ schöfe und Kardinal Burke Erzbischof Vigano unverzüglich zur Seite sprangen, erklärten andere US-Bischöfe wie der Franziskaner-Bischof von San Diego,

© gerhard mester © gerhard mester Robert McElroy: »Erzbischof Vigano

aktuelle debatte 15 ordnet das Streben nach umfassender Wahrheit konsequent Par­ teilichkeit, Spaltung und Verdrehungen unter.« Prof. Dr. Udo Schmälzle OFM, Insbesondere die Behauptung Viganos, hinter den massiven Präventions­beauftragter der Missbrauchsfällen stünden »homosexuelle Netzwerke« in der Deutschen Franziskanerprovinz Kirche, die es auszumerzen gelte, war für viele Kirchenvertreter und Journalisten ein Indiz dafür, dass die Missbrauchsdebatte für einen kirchlichen Machtkampf gegen den Papst benutzt werde. So schrieb der Jesuit Klaus Mertes, der 2010 durch seine Öffent­ Und die Franziskaner? lichmachung der Missbrauchsfälle am Berliner Canisius-Kolleg die Missbrauchsdebatte in Deutschland wesentlich in Gang ge­ Hat die katholische Kirche wirklich verstanden, um wie viel es beim Thema Missbrauch geht? bracht hatte, in einem Kommentar am 29. August auf der Web­ Udo Schmälzle OFM: Wenn es die Kirche nicht verstanden site katholisch.de: »›Homosexuelle Netzwerke‹ ist ein diffamie­ hätte, würde es weder diese offene Debatte in den render Kampfbegriff des homophoben Sumpfes, der bis in die ­Ordensgemeinschaften, Diözesen und kirchlichen Ein- höchsten Spitzen der Hierarchie reicht (…). Gesucht und gefunden richtungen geben, noch gäbe es – wie auch in der werden soll ein Sündenbock: die Schwulen! Genau damit wird Deutschen Franziskanerprovinz praktiziert – das Einfor- dern von erweiterten Führungszeugnissen, die Konfron- die notwendige Strukturdebatte vermieden …« Und der renom­ tation eines jeden Einzelnen mit einem Verhaltenskodex mierte Wiener Pastoraltheologe Paul Zulehner stellt klar: »Diese und die Erarbeitung von Verlaufsplänen für den Kon- Vermengung von Homosexualität und Missbrauch teile ich aus fliktfall. Hier sind die Kirchen sogar Vorreiter im Vergleich wissenschaftlicher Sicht nicht.« Es sei keine Frage der sexuellen zu ­anderen gesellschaftlichen Gruppen. Dies wird auch vom Missbrauchsbeauftragten der Bundesregierung, Orientierung, sondern der sexuellen Reife. Und das gelte sowohl Johannes-­Wilhelm Rörig, anerkannt. Was die Kirche noch für homo- wie heterosexuell Lebende. »95 Prozent des Missbrauchs nicht verstanden hat, ist die Tatsache, dass sie in der geschieht im familiären Umkreis«, so Zulehner. Deutlich wird Sexualmoral abrüsten muss. Sie hat in der Vergangen- immer wieder, dass es bei sexuellem Missbrauch immer vor allem heit aus dem SECHSTEN Gebot das ERSTE gemacht und dabei an Glaubwürdigkeit verloren. auch um Machtmissbrauch geht, indem bestehende Machtunter­ schiede ausgenutzt werden, um andere zu demütigen und zu Sexueller Missbrauch betrifft alle gesellschaftlichen missbrauchen. Dies gilt für Institutionen wie Unternehmen, Be­ Institutionen und Lebensbereiche – vor allem auch die hörden, Kirche, Schule, Sport, Film …, aber auch innerhalb von Familie. Was wäre nötig, um auch im Bereich der Familie Kinder- oder Jugendgruppen gegenüber schwächeren Jungen insbesondere Prävention und Opferschutz zu stärken? oder Mädchen und ganz besonders auch in der Familie. Udo Schmälzle OFM: In der Tat, die meisten Missbrauchs- fälle passieren im familiären Raum. Die Dunkelziffer ist groß, aber nicht nur in der Familie. Missbrauch und sexu- Der Münsteraner Bischof Genn erklärte bei einer Pressekonferenz elle Belästigung unter Gleichaltrigen in der Peergroup am 5. September: »Papst Franziskus hat zu Recht beklagt, dass sind ein weiteres offenes Feld. Von zentraler Bedeutung sexueller Missbrauch in der Kirche durch die Haltung des Kleri­ in der Präventionsarbeit in diesen Feldern sind die Befähi­gung zum Umgang mit Nähe und Distanz auch in kalismus begünstigt und gedeckt wird«, und forderte, die Kirche der Familie, neue Formen der Alphabetisierung beim müsse sich vom Klerikalismus verabschieden. Dies werde dazu Sprechen über Sexualität und die Stärkung des Selbst­ führen, dass Priester und Bischöfe »an vielen Stellen Macht und bewusstseins von Kindern und Jugendlichen im Blick auf Einfluss abgeben« müssten und ein neues Verhältnis von Laien Zugriffe auf ihren eigenen Körper. Die »#MeToo-Debatte« hilft da weiter. Wir müssen alle voneinander lernen. und Priestern, Haupt- und Ehrenamtlichen, Männern und Frau­ en in der Kirche entstehen müsse. Wie ist der Stand bezüglich Aufklärung und Präventions- maßnahmen beim Thema sexueller Missbrauch in der In Bezug auf die Präventionsarbeit scheint sich in katholischen Deutschen Franziskanerprovinz? Einrichtungen in Deutschland seit 2010 vieles verbessert zu Udo Schmälzle OFM: Bei der letzten Einforderung der haben. Wie weit die katholische Kirche in Bezug auf die Aufklä­ ­erweiterten Führungszeugnisse von den Mitbrüdern gab rung von sexuellem Missbrauch und die notwendigen Verände­ es keinen Fall mit einer Eintragung. Damit sind natürlich noch nicht alle Probleme gelöst. Wenn Vermutungen rungen kirchlicher Strukturen ist, bleibt allerdings durchaus und Verdächtigungen der Provinzleitung bekannt umstritten. Denn: Die Forscher der jetzt vorgelegten Studie er­ werden, geht sie gemeinsam mit anwaltlicher Beglei- hielten von den Bistümern keine unabhängige Akteneinsicht, tung diesen Meldungen nach und scheut sich auch und die jahrzehntelange extreme Milde von Kirchenoberen ge­ nicht, vor Gericht zu gehen, um dort zu einer Klärung zu kommen. Eine große Hilfe dabei sind unabhängige genüber Tätern zerstreut nicht gerade alle Zweifel. Ob struktu­ Opfer- und Täteranwälte. Nicht nur Opfer sind zu schüt- relle Veränderungen erfolgen, wie sie Bischof Genn gefordert hat, zen, auch nicht zutreffende Beschuldigungen gegenüber und wie sie konkret aussehen, müssen die deutschen Bischöfe angeblichen Tätern sind anwaltlich zu klären. Viele Mit- möglichst rasch erläutern. Worte des tiefen Bedauerns alleine brüder sind verängstigt und tun alles, um ja nicht ver- n dächtigt werden zu können. Darunter kann die pastorale sind nicht ausreichend! Arbeit leiden. Auch das ist ein Problem, an dem wir thomas meinhardt ­arbeiten müssen.

16 aktuelle debatte geistlicher wegbegleiter – herbst 2018 vom guten umgang mit gefühlen

Die Farben meiner Seele Wie unsere Gefühle das gesellschaftliche Leben gestalten © floriana – istock.com © floriana

Liebe Leserinnen und Leser,

meine Gefühle gehören mir!? – Stimmt. Und doch: Ist dies aber ein Thema für einen Geistlichen Weg­ ­Gefühle sind wie Steine, die ich ins Wasser werfe. begleiter? Ja, unbedingt. Es geht doch darum, dass wir Sie ziehen Kreise, nicht nur bis zu meinen »Nächsten« – fähig werden, die Geister zu unterscheiden, dass wir zur Familie, zu Freundinnen und Freunden, Arbeits­ spüren, woher (und wohin) der Wind weht. Jesus kolleginnen und Mitbewohnern – meine Gefühle warnt ausdrücklich davor, dass die »Kinder des Lichtes« haben Auswirkungen auf meine gesamte Mitwelt. die Welt den »Wölfen im Schafspelz« überlassen. Es sind auch meine Gefühle, die das gesellschaftliche Es ist gerade heute gut zu beobachten, dass sich unsere Leben prägen in meiner Stadt, in meinem Land, ja in Gesellschaft in einem Spannungsfeld der Gefühle der ganzen Welt. Alle Menschen bestimmen das bewegt – zwischen Missgunst und Mitgefühl, Scham »Gefühlsklima« unseres Planeten mit. Auch da ist ein und Überheblichkeit, zwischen Zugehörigkeit und ­»Klimawandel« deutlich zu spüren, denken Sie nur an ­Ausgrenzung. Es liegt an uns allen, die Weichen zu die »Wutbürger«, an die stillen Verweigerer, an die stellen. Hüter der nationalistischen Ressentiments, an die Stimmungsmacher in den sozialen Medien … Doch Wir hoffen, dass sich auch heute Christinnen und es gibt auch die guten und starken Gefühle, die das Christen in die gesellschaftlichen Debatten einmischen, Leben in unserer Gesellschaft bestimmen. Sie prägen um im Geist einer heiligen Klara und eines heiligen unsere Werte, unser Sozialverhalten, unser Demo­ Franz von Assisi unser gesellschaftliches Klima zu kratie­verhalten und unser Engagement. ­beeinflussen.

Ricarda Moufang und Helmut Schlegel OFM

Ricarda Moufang ist Referentin im Zentrum für christliche Meditation und Spiritualität des Bistums Limburg. Helmut Schlegel OFM ist Leiter des Zentrums für christliche Meditation und Spiritualität des Bistums Limburg in .

17 geistlicher wegbegleiter – herbst 2018 – oktober vom guten umgang mit gefühlen

ZwischenMitgefühl Missgunst und Mitgefühl

1 nachdenken 2 still werden

»Die Ausländer kriegen alles, ich kriege nichts«, sagt eine Rent­ die angst nerin mit knapp 500 Euro im Monat. – »Wenn ich helfen möchte, dass du mir alles wegnimmst erlebe ich heute oft Zurückweisung«, erzählt mir ein langjähriges ist ein spuk Gemeindemitglied. – »Wir können die flüchtenden Menschen doch nicht einfach ertrinken lassen«, schreibt ein engagierter auch ich junger Christ. habe alles empfangen alles Solidarität und Missgunst sind starke und weit verbreitete Gefühle in unserer schon bald Gesellschaft. Zwischen »Wir können bin ich es, die bittet doch nicht allen auf diesem Plane­ ten helfen« und »Als Christen lehre du mich dann sind wir zur Hilfe verpflichtet« barmherzigkeit fühlen sich viele hin- und herge­ rissen. Hinter solchen sehr unter­ schiedlichen Einstellungen ste­ cken meist tiefe – offene und verborgene – Gefühle. u schritte tun

An Jesus fällt mir die Stärke seines Es ist hilfreich, meine Kritik und Vorurteile be­ Mitgefühls auf. Ja, er konnte auch stimmten Menschen oder auch bestimmten nicht allen helfen. Niemand kann das, Menschengruppen gegenüber abzuklopfen auch heute nicht. Aber welche Haltung und zu fragen, ob dahinter nicht auch Gefühle steckt hinter meinem Verhalten als Christ? Und von Neid und Missgunst stecken. was bewegt mich in meiner tiefsten Seele? Wut? Ärger? Begeiste­ rung? Mitgefühl? Jesu Mitgefühl mit den Armen und Ausgegrenz­ Es tut gut, wenn ich mich in die Lage anderer ten galt immer und ohne Vorbedingung. Da gab es kein »Ja, aber«. Menschen hineinfühle. Das verändert meine Sicht. Wie ginge es mir, wenn ich mich aus Mitgefühl und Solidarität bedeuten weder ein Sich-ausnutzen-­ meinem zerbombten Dorf in ein fremdes Land lassen noch ein Alle-Welt-retten-wollen. Ich möchte mich solida­ retten könnte und die Familie zurücklassen risch zeigen mit denen, die in Not sind. Gleichzeitig möchte ich müsste? auch gerecht behandelt werden, ich möchte Hilfe bekommen, wenn ich sie nötig habe. Diese Gerechtigkeit erwarte ich vor Das Wort Solidarität kommt von dem lateini­ allem von der Politik. Und zugleich weiß ich, dass meine Stimme schen »solidus«, das bedeutet »echt, gefestigt, mitentscheidet über die solidarische Kraft dieser Gesellschaft. stark verbunden«. Solidarität braucht starke, Braucht sie nicht vor allem die Basis der Menschenrechte und gesunde Gefühle, feste Überzeugungen, die der »christlichen« Werte? sich nicht von Meinungsschwankungen um­ werfen lassen.

3 meditieren Die Bibel erzählt, wie Missgunst zum ersten Mord führt: Kain bringt seinen Bruder Abel um, »Wenn ich sie hungrig nach Hause schicke, werden sie auf dem weil er nicht aushalten kann, dass dessen Opfer Weg zusammenbrechen; denn einige von ihnen sind von weit von Gott angenommen wird. Im Angesicht her gekommen.« (Markus 8, 3) Gottes können aber Neid und Missgunst auch Mitgefühl war für Jesus etwas anderes als mitleidiges Bedauern. heilen und sich in Mitgefühl wandeln. Die Menschen der Antike wussten, dass Mitgefühl und Barm­ herzigkeit körperlich empfunden werden. In der Mitte des Lei­ Kann ich annehmen und fest glauben, dass bes – da, wo auch das Kind im Mutterleib wächst. Engagement Gott mir die Fülle des Lebens gönnt – ohne und Solidarität sind mehr als rationales Tun, sie wachsen aus jegliche Missgunst? Kann ich aus ganzem Her­ © khaligo – stock.adobe.com, der Mitte unserer Gefühlswelt. zen mein Glück annehmen? Dafür danken? – stock.adobe.com © baranov 18 geistlicher wegbegleiter – herbst 2018 – november vom guten umgang mit gefühlen

Zwischenüberheblich Scham und Überheblichkeit

1 nachdenken 2 still werden

Die Aussage »Ich schäme mich« zieht zwei Fragen nach sich: Ers­ erröten tens: vor wem? Und zweitens: für was? Gewiss – ich kann mich im erdboden versinken auch vor mir selbst schämen. Vielleicht ist das sogar der größte ohnmacht und spott Teil unserer Scham. Ich schäme mich im stillen Kämmerlein. Aber auch da habe ich meist andere Gesichter vor mir. Ich schäme mich, euch werd’ ich’s zeigen weil mich die Eltern so erzogen haben. Weil ich nicht möchte, dass ich rüste auf meine Kolleginnen das wissen. Weil meine Nachbarn mich ver­ und meine seele ein spotten würden … befrei das kind behutsam Und schon sind wir auf gesellschaftlichem Terrain. Ich schäme aus dem panzer mich, weil ich aus einem kleinen Dorf komme und einen so komi­ und zeige ihm schen Dialekt spreche. Ich schäme mich, weil meine die achillessehne der welt Fußballmannschaft so kläglich untergegan­ gen ist. Ich schäme mich, weil mein Un­ ternehmen einen Skandal am Hals hat. Ich schäme mich für so manch Politiker, Wirtschaftsfunktionär und Kirchen­ oberer. »Fremdschämen« nennt sich u schritte tun das. Gerade bei Schamgefühlen hilft die Ist es verwunderlich, dass ich in mei­ »Unterscheidung der Geister«: Was ner Scham sozusagen »einen großen ist es genau, wofür ich mich schä­ Satz ans andere Ufer mache«? Tat­ me? Ist es eine anerzogene Marotte, sächlich wird das Gegenteil der Scham, oder sollte ich meine Scham als Re­ die Überheblichkeit, oft aus Scham ge­ gung meines Gewissens ernst nehmen? boren. Grausame Diktatoren wurden oft in kleinen Verhältnissen groß. Die Kränkun­ Was hilft mir, mit meiner Scham erwachsen gen, die ihnen zugefügt wurden, ließen in ihren umzugehen? Kann ich über alle falsche Scham Gehirnen Allmachtsfantasien wachsen. Im Grunde gilt das hinweg autonom werden und zu mir selbst für jeden Menschen: Wer kleingemacht wird, versucht auf seine stehen? Weise, groß rauszukommen. Beides – Scham und Überheblichkeit – sollte uns zur Wachsamkeit mahnen. Ein gutes Gleichgewicht im Zur Kunst des »Dazwischen« zwischen Scham »Dazwischen« macht nicht nur zufrieden, es trägt auch bei zu und Überheblichkeit gehört auch die Kunst des einer solidarischen Gesellschaft. Scheiterns. Mit Humor eine Niederlage zuge­ ben. Selbstkritisch prüfen, ob sich in meinen Einstellungen auch Tendenzen von Nationalis­ mus, Sexismus, Rassismus verbergen.

3 meditieren Manche schwören auf ihr Bauchgefühl, andere auf ihre klare Vernunft. Gut leben kann, wer Ihr wisst, dass die, die als Herrscher gelten, ihre Völker unterdrü­ beide miteinander ins Gespräch bringen kann. cken und die Mächtigen ihre Macht über die Menschen miss­ brauchen. Bei euch aber soll es nicht so sein, sondern wer bei »Prüft alles und behaltet das Gute!« (1 Brief an euch groß sein will, der soll euer Diener sein. (Markus 10, 42f.) die Thessalonicher 5, 21), ruft uns der Apostel Paulus zu. Es gilt, auch im gesellschaftlichen Ja, jeder Mensch will groß sein. Wir dürfen dieses Gefühl haben, Leben mit Herz und Verstand zu unterscheiden denn wir sind groß vor Gott. Gerade darum können wir auch zwischen Populismus und ehrlichem Suchen, »klein werden«. Wir brauchen uns dieses Kleinseins nicht zu zwischen Wahlkampfgetöse und dem Mut zur schämen, denn es ist unsere Größe, auch anderen ihre Würde Wahrheit.

© baranov – stock.adobe.com © baranov zuzusprechen. 19 geistlicher wegbegleiter – herbst 2018 – dezember vom guten umgang mit gefühlen

ZwischenZugehörigkeit Zugehörigkeit und Ausgrenzung

1 nachdenken 2 still werden

Ohne Beziehungen kann niemand (über)leben. Auch wenn es wer ist drin? immer mehr Alleinwohnende gibt, so leben wir doch niemals wer ist draußen? allein. Die Geborgenheit in einer Gemeinschaft – in Familie, wer gehört dazu? Freundeskreis,­ Stadt, Dorf, Kirche und Gemeinde – ist lebenswich­ wer nicht? tig. In unserem Land gehören wir politisch und kulturell zur Groß­ gemeinschaft der Bundesrepublik Deutschland. Viele Menschen und wer legt das fest? empfinden derzeit eine Spaltung unserer Ge­ sellschaft. Verschiedene Milieus und wer bestimmt die grenzen? Gruppierungen – und das sind kei­ wer überschreitet sie? nesfalls nur Menschen mit auslän­ dischen Wurzeln! – schotten sich wie hoch ist die mauer voneinander ab. Ausgrenzung in meinem herzen? nimmt zu, oft nach dem Motto: »Mia san mia!« Ja, das Wir-Ge­ fühl – das Bewusstsein tiefer Zugehörigkeit – ist etwas Gutes und Schönes. Nicht je­ u schritte tun doch, wenn es Ausgrenzung zur Folge hat. Wer selbst schon Welche Gedanken kommen mir, wenn ich einmal Ausgrenzung erfahren »wir« sage? Welche Menschen tauchen vor musste – in der Schule, an einem meinem geistigen Auge auf? neuen Wohnort, in einer Hausge­ meinschaft oder sogar in der eigenen Meine Sprache, meine Herkunft, mein Alter, meine Herkunftsfamilie –, weiß, wie schrecklich dieses Möglichkeiten – alles ist irgendwie begrenzt. Wie Gefühl ist. Ich möchte wie alle Menschen zu einer Gemeinschaft mag es anderen mit meinen Grenzen gehen? dazugehören. Ich möchte vertrauen und Vertrauen genießen. Ich Und wie geht es mir, wenn ich immer wieder in möchte wählen, wem ich mich anvertraue, ich kann ja nicht allen meine Grenzen verwiesen werde? Menschen mein Herz öffnen. Ich muss es auch nicht. Aber auch jene, die mir fremd oder sogar unsympathisch sind, haben meine Leben ist ein Spiel mit Grenzen: Eltern setzen Höflichkeit und meinen Respekt verdient. Auch hier gilt es, meine ihren Kindern Grenzen – und lockern sie. Ich be­ Gefühle auf den Prüfstand zu stellen. Für uns Christen macht die grenze meine Besuchszeit bei einem Freund und Haltung den wesentlichen Unterschied – ganz im Sinn Jesu, der erweitere sie dann aus gutem Grund. Wo helfen sagt, dass alle Menschen Kinder des einen Gottes sind. mir Grenzen, wo behindern sie mich?

Ich denke an Erfahrungen, wo Grenzen gesprengt 3 meditieren wurden: Ich denke zum Beispiel an den Augen­ blick, wo mir jemand das »Du« angeboten hat. Da gibt es nicht mehr Griechen oder Juden, Beschnittene oder Oder ich erinnere mich an den Fall der Berliner Unbeschnittene, Fremde, Skythen, Sklaven oder Freie, sondern Mauer. Oder … Christus ist alles und in allen (Brief an die Kolosser 3, 11) Setzt mir Gott Grenzen? Wenn ja, wo und warum? Gewiss gibt es auch weiterhin die verschiedensten Menschen – Kenne ich die Erfahrung, dass mein Glaube an und zum Glück dürfen wir ja auch unsere persönliche Lebensform Gott Grenzen aufbricht? Die Grenzen der Angst, ausgestalten. Was Paulus meint, ist, dass es bei unseren Unter­ der Selbstverurteilung, des Todes …? scheidungen oft um ein Unten und ein Oben geht. Das ist spätes­

tens seit Christus nicht möglich, weil er »alles in allen ist«. – istock.com © peopleimages

20 Elemente franziskanischer Spiritualität Eine leidenschaftlich-liebeswunde Grundhaltung

ie Liebe wird nicht geliebt«, klagt der hei­ dein heiliges Kreuz hast du die Welt erlöst« lige Franziskus. Franz von Assisi hatte eine sollen die Brüder beten, wenn sie einem Kreuz Dleidenschaftliche Liebe zu dem Gott, der begegnen. Und immer wieder im »Buch des sich seiner Hoheit und Herrlichkeit entäußert und Kreuzes lesen«. Daran erinnert sie sowohl ihr Or­ Mensch wird. Der Bericht über die Weihnachtsfeier densgewand, der Habit, der in Kreuzesform ge­ in Greccio beginnt damit, dass es nicht nur die schnitten ist, als auch das Passionsoffizium, das Demut der Menschwerdung Jesu war, die Franziskus Franziskus aus den Psalmen und anderen biblischen faszinierte, sondern ebenso »die durch sein Leiden Worten zusammengestellt hat für das gemeinsame bewiesene Liebe, die seine Gedanken derart be­ Gebet der Brüder. schäftigte, dass er kaum an etwas anderes denken wollte«. Diese intensive Beschäftigung mit dem In dem Wort [Satz] »Ich mag dich leiden« wird deutlich, leidenden Jesus führte letztlich zur Stigmatisation dass es Liebe nicht ohne Leid gibt. »Liebe ist eine Lei­ von Franziskus auf dem Berg La Verna am 17. Sep­ denschaft, die Leiden schafft«, weiß der Volksmund. tember 1224 – sicherlich nicht zufällig drei Tage Eine leidenschaftliche Liebe nimmt als Konsequenz die nach dem Fest Kreuzerhöhung. Seitdem trug er die Folge auf sich, mit dem anderen und ggf. auch für den Wundmale Jesu an seinem Leib. In ihnen trat nach anderen zu leiden. Eine leidenschaftliche Liebe bedeu­ außen, was er seit der Begegnung mit Christus vor tet Verletzbarkeit und Verwundbarkeit. Die Passion Jesu dem Kreuzbild von San Damiano in seinem Inners­ wurde für Franziskus Grund, die »Compassion« zu leben, ten hatte brennen fühlen: die Liebe zu seiner Liebe. die Passion der Liebe und das Mitleiden mit allem Ge­ Die Stigmata sind die tiefste Konsequenz seiner schaffenen. Eine Mystik der offenen Augen macht lie­ Christusnachfolge: »Du wirst in das verwandelt, beswund. Aus der Solidarität Gottes mit uns Menschen was du liebst.« (Angelus Silesius) Seine eigene Ge­ in Krippe, Kreuz und Eucharistie nährte sich für Franzis­ brochenheit wird für Franziskus zum Ort der be­ kus die leidenschaftliche Liebe mit den Entrechteten sonderen Gotteserfahrung. Für seine engsten Ge­ und an den Rand Gedrängten dieser Welt. Das war seine fährten sind dies nur das äußere Zeichen und die Passion. Bestätigung dessen, was bereits mit der Umarmung des Aussätzigen und mit dem Auftrag Christi vor Franziskanische Spiritualität ist daher alles andere als dem Kreuzbild von San Damiano begonnen hat. eine Wellness-Spiritualität. In der Weltzugewandheit »Von jener Stunde an war sein Herz verwundet und hat sie die leidenden Menschen im Blick und erkennt zerschmolzen im Gedächtnis des Leidens des Herrn, in ihnen den leidenden Christus wieder. »Was ihr den weil er immer, solange er lebte, die Wundmale des geringsten Schwestern und Brüdern getan habt, das Herrn Jesus in seinem Herzen getragen hat.« habt ihr mir getan.«

Das Kreuz wurde zum Zeichen eines radikal für Viele werden sich heute schwertun mit einer Spiri­ andere, für uns Menschen gelebten Lebens Gottes. tualität, die bei Kreuz und Leid ansetzt. Angesichts Der eingefleischte Gott erweist sich in Jesus als der Gebrochenheit unserer Welt und nicht selten Retter und Erlöser. In diese leidenschaftliche Liebe unserer menschlichen Beziehungen dürften die eines sym-pathischen (= mitleidenden) Gottes Ansatzpunkte von Leiden-schaftlichkeit und stimmt Franziskus ein. »In San Damiano hatte er Liebes-wundheit Zugänge bilden, die auch das Kreuz vor sich, auf La Verna trägt er es in sich.« Menschen von heute berühren. Nachfolge (Leonhard Lehmann) Seitdem war das Kreuz das Christi ist leidenschaftlich und macht lie­ Zeichen, das er tief verwurzelt im Herzen trug und beswund. n

© bild oben und zweites von unten: © sylvia vandermeer © sylvia unten: von © bild oben und zweites das er besonders verehrt wissen wollte. »Durch stefan federbusch ofm ist Redaktionsleiter der Zeitschrift »Franziskaner« und Leiter des Exerzitienhauses in Hofheim

21 Frischer Wind auf dem Frauenberg Kooperation von Franziskanern und antonius – Netzwerk Mensch

Das Franziskanerkloster auf dem Frauenberg ist von weitem sichtbar und aus dem Stadtbild Fuldas nicht wegzudenken. Das imposante Gebäude auf einem der sieben Hügel der Barockstadt ist seit Jahrhunderten ein Ort der Spiritualität. Seit 1623 leben Franziskaner in dem einst von Benediktinern gegründeten Kloster. Lange Zeit wohnten die Brüder allein dort oben und öffneten die Türen für Glaubende und Suchende. Seit Beginn der Kooperation mit der Fuldaer Bürgerstiftung antonius – Netzwerk Mensch, einer Einrichtung für Menschen mit Behinderungen, hat sich die Situation verändert: Jetzt leben Franziskaner und Menschen von antonius gemeinsam auf dem Frauenberg.

gemeinsam zukunft schaffen Da es in den letzten Jahren auf Grund fehlenden Nachwuch­ Sippel, zu. Der war sofort von der Idee angetan und sicherte seine ses und der Altersstruktur der Ordensgemeinschaft immer Unterstützung zu. In den darauffolgenden eineinhalb Jahren schwieriger wurde, alle Häuser und Werke zu halten, verab­ wurde viel diskutiert, entwickelt, kritisch betrachtet und wieder schiedeten sich die Brüder an einigen Orten, an denen sie verworfen, bevor ein erstes Konzept stand und Verträge unter­ zum Teil seit Jahrhunderten ansässig waren. Wie alle Häuser schrieben wurden. Entstanden ist ein wohl deutschlandweit ein­ der Provinz wurde auch das Kloster Frauenberg in den Blick zigartiges Projekt. Mitte 2016 wurde mit der Umsetzung begonnen, genommen und auf Zukunftsfähigkeit hin überprüft. Im Jahr im Januar 2017 zog die erste Wohnemeinschaft von antonius mit 2014 entstand die Idee, die bestehenden Kontakte mit der in 19 Menschen im Alter zwischen 20 und 75 Jahren ein. Fulda ansässigen Bürgerstiftung antonius auszubauen. Bereits seit den Anfängen im Jahr 1908 stellten die Franziskaner auf zwei jahre Bitten von Maria Rang, der Gründerin des damaligen Anto­ »frauenberg franziskaner & antonius« niusheims, einen Priester zur Seelsorge in der Einrichtung. Seit Beginn der Kooperation ist einige Zeit vergangen, und es hat Provinzial Cornelius Bohl, der selbst aus Fulda stammt, ging sich viel in den altehrwürdigen Mauern getan. Schon beim Be­ mit dem Vorschlag, das Kloster für eine Kooperation mit an­ treten der Klosteranlage fallen die neuen Schilder auf, die Besu­ bilder: © arnulf müller, viktor wall viktor © arnulf müller, bilder: tonius zu öffnen, auf den Geschäftsführer von antonius, ­Rainer chern und Gästen eine Orientierung auf dem weitläufigen ­Gelände © opium effect bild:

22 zum beispiel bieten. An der neu besetzten Rezeption findet man Infomateri­ alien über die von antonius geführten Inklusionsbetriebe »Ta­ gungsKloster« und »FLORA klostercafé«. Rein optisch ist die Wandlung sofort sichtbar, aber wie sieht es inhaltlich mit der Kooperation und dem Alltag am Frauenberg aus?

Im Zentrum des gesamten Projekts stand immer das Bestreben, miteinander und nicht nebeneinander auf dem Frauenberg zu leben und zu arbeiten. Eine bloßes Nebeneinander war für keine der beiden Parteien erstrebenswert. Um genau diese Entwicklung zu vermeiden, wurde auf eine ständige und offene Kommunika­ tion Wert gelegt, die sich bis heute wie ein roter Faden durch den gesamten Prozess zieht. Jede Woche treffen sich die antonius-­ Leiter der einzelnen Bereiche mit den Brüdern zu einer Bespre­ chung, in der sowohl gelungene und freudige Aspekte, jedoch auch kritische Punkte und Probleme gemeinsam bearbeitet und geklärt werden. Alle Beteiligten beschreiben die Zusammenarbeit als offen und kooperativ. »Und wenn Unstimmigkeiten und Kon­ flikte auftreten – wie es bei jedem Projekt dieser Größe normal ist –, werden sie respektvoll angegangen, um gute Kompromisse zu erarbeiten«, berichtet Bruder Othmar Brüggemann, der als St. Antonius-Stiftung Guar­dian das Kloster leitet. Der heilige Antonius von Padua, ein Franziskaner und Zeitge- nosse seines Ordensgründers, bewegte die Menschen Jede der zwei Parteien hat eigene Schwerpunkte innerhalb des seiner Zeit dazu, sozial und gerecht miteinander zu leben. Projektes »Frauenberg – Franziskaner & antonius« und es gibt Die St. Antonius-Stiftung in Fulda fördert seit bereits zwei einen gemeinsamen Bereich. Deshalb wurden nun im Sommer Jahrzehnten Projekte, um die Start- und Lebensbedingungen 2018 noch einmal sieben Leitsätze festgehalten, die von beiden von Menschen mit Behinderung zu verbessern. Sie ist nicht Seiten Anfang August unterzeichnet wurden und die Grundsätze nur ein wichtiger Dialogpartner für antonius zur Entwicklung der Zusammenarbeit beinhalten. innovativer Projekte, sondern bildet auch die Brücke in die ­Bürgerschaft. Mit dem zukunftsweisenden Projekt »Zukunft Frauenberg« fördert die St. Antonius-Stiftung Inklusion und neu, anders, vielseitig Kultur auf dem Frauenberg. Gemeinsam mit den Franziska- Durch den Einzug von antonius haben sich große bauliche Verän­ nern wird Menschen mit Vermittlungsschwierigkeiten in den derungen ergeben. Das TagungsKloster mit 24 Übernachtungs­ allgemeinen Arbeitsmarkt eine Lebensperspektive gegeben zimmern und Konferenzräumen, die Wohngemeinschaft und das und dabei die Zukunft eines historischen Ortes in Fulda gesi- »FLORA klostercafé« sind die drei Inklusionsprojekte, die jeweils chert. mit einer eigenen Leitung geführt und organisiert werden. Die Franziskaner waren damit einverstanden, sich auf ungefähr ein Drittel der vorherigen räumlichen Fläche zurückzuziehen, um Platz für die Tagungsräume und Übernachtungszimmer zu schaffen. Die ehemaligen Speisesäle und Beratungsräume werden heute für Tagungen verschiedenster Art genutzt. Zurzeit stehen fünf Räume zur Vermietung zur Verfügung, die Platz für acht bis 100 Personen bieten. Die Einzel- und Doppelzimmer, die meist mit eigenem Badezimmer ausgestattet sind, wurden bereits zuvor renoviert, als das Haus noch allein von Franziskanern geführt wurde. Der Frau­ enberg bietet seinen Gästen einen angenehmen Aufenthalt in einem historischen Gebäude mit einer wunderschönen Sicht über die Fuldaer Kernstadt und das Umland.

Die im letzten Jahr eingezogene Wohngemeinschaft von antoni­ us besteht zurzeit aus 18 Personen, die in antonius-Betrieben auf dem Frauenberg, in Fulda und Umgebung arbeiten. Eingebunden sind die neuen Mitbewohner aber auch ins Kloster, zum Beispiel Die »Hoch oben Gottesdienste« werden von antonius indem sie Veranstaltung wie den »Hoch oben Gottesdienst« mit mitorganisiert und finden großes Anklang in der bilder: © arnulf müller, viktor wall viktor © arnulf müller, bilder: vorbereiten, an anderen Veranstaltungen auf dem Frauenberg Fuldarer Bevölkerung

zum beispiel 23 teilnehmen und natürlich auch beim monatlichen Kaffeetrin­ kung und den Tod seines Vorgängers Pater Claudius Groß. »Das ken und im Alltag mit Mitarbeitern und den Brüdern in Kon­ war sehr schmerzlich. Er war eine feste Größe in dem Konzept takt treten. Zusätzlich leben zwei Asylsuchende vorüberge­ des neuen Frauenbergs und in der Kooperation mit antonius. Er hend in der inklusiven Wohngemeinschaft, die von antonius hat eine große Lücke hinterlassen und fehlt uns!« Neben der unterstützt werden, und von den Franziskanern vor allem in Beichtseelsorge­ und den normalen Gottesdiensten früherer Tage seelsorglichen Belangen Beistand erhalten. ist eben eine ganze Menge Neues auf dem Frauenberg entstan­ den, was die Brüder fordert. So gibt es zum Beispiel einmal im Monat am zweiten Dienstag des Monats einen besonderen Got­ tesdienst, der als »Hoch Oben« beworben wird. Die Idee des Gottesdienstes kam von den Franziskanern als ein Ausdruck der Kooperation. Er wird zusammen mit Mitarbeitern und Bewoh­ nern von antonius zu einem jeweils eigenen Thema gestaltet. Dieses Angebot stößt auch auf großes Interesse seitens der Fuldaer Bevölkerung. Auch die Gesprächsangebote nach den Gottes­ diensten werden von vielen Besuchern freudig angenommen.

das netzwerk: f lexibel und jung Zur Klosteranlage gehört seit Jahrzehnten die Schneiderei von Bruder Gerhard Busche, der seit 30 Jahren auf dem Frauenberg lebt und heute die Ordensgewänder für die Provinz herstellt. »Die Produktion der Habite erfordert jahrelange Erfahrung und eine Ausbildung als Herrenschneider«, erklärt Bruder Gerhard, der auch Maßanzüge schneidert und dafür vor einigen Jahren den begehrtesten Preis für Maßschneider in Deutschland, die »Goldene Schere«, gewonnen hat. Ursprünglich war geplant, mit Provinzial Cornelius Bohl OFM und Rainer Sippel, Hilfe von Bruder Gerhard eine Ausbildungsstätte für Schneider Geschäftsführer von antonius, bei der Unterzeichnung ins Leben zu rufen, was sich aber schnell als schwierig herausge­ der Kooperationsverträge stellt hat. »Ich habe weder die Zeit noch die pädagogischen Kennt­ nisse, die es braucht, um junge Menschen in diesem Beruf aus­ zubilden«, gibt Bruder Gerhard ganz selbstkritisch zu. Aus diesem kein aufbruch ohne abschied Grund entschieden sich die Kooperationspartner, die angestreb­ Die wohl einschneidendste Veränderung für die Brüder auf ten Ziele herunterzuschrauben und eine Änderungsschneiderei dem Frauenberg war der Wegfall der Krankenstation. Nach mit der Unterstützung von Mitarbeitern von antonius zu gründen, umfänglicher Sanierung entstand in diesen Räumen das die parallel zur Schneiderei von Bruder Gerhard läuft. Dennoch »FLORA klostercafé«. Die Krankenstation war bis September steht er jederzeit mit Rat und Tat zur Seite und genießt die Ab­ 2016 ein wichtiger Bestandteil des Klosters und für alte und wechslung und den Kontakt. »Es ist gut, wenn Kooperationspart­ kranke Brüder aus der gesamten Ordensprovinz ein guter ner flexibel sind und auf veränderte Bedingungen reagieren

Lebensort in unmittelbarer Nähe ihrer gesunden Mitbrüder. können«, lobt Bruder Gerhard die Zusammenarbeit. seidel marzena © photoebene bilder: bilder © arnulf müller Doch es war unübersehbar, dass die Kosten für die notwen­ dige Renovierung und das fehlende Personal für die Betreu­ ung eine gute Versorgung auf Dauer unmöglich machen würden. Glücklicherweise konnten die Brüder, die einer stän­ digen Betreuung bedürfen, in das sanierte Theresienheim, einem Altenheim für Ordensmitglieder der barmherzigen Schwestern am Stadtrand Fuldas ziehen. Die Brüder bewoh­ nen eine eigene Etage, zurzeit leben dort 16 Franziskaner. Mit ihnen stehen die Brüder vom Frauenberg im regen Kontakt.

Bedenken gab es bei den Franziskanern anfänglich auch be­ züglich ihrer Aufgaben im Bereich Beichte, Seelsorge und Messfeiern. Würde die Kooperation ihre Arbeit beeinträchti­ gen? »Das ist nicht so«, beteuert Bruder Othmar Brüggemann. »Im Gegenteil! Aufgrund der größeren Gemeinschaft haben wir in dem Bereich sogar eher mehr zu tun.« Und er erinnert Der Frauenberg birgt viele Schätze: Bruder Florian Reith in dem Zusammenhang an die für alle überraschende Erkran­ führt Besucher durch Kirche und Konventsgebäude

24 zum beispiel Das »FLORA klostercafé« zieht Fuldaer und Touristen an, die gerade in den Sommermonaten den unvergleichbaren Ausblick genießen

Natürlich kamen auch in früheren Zeiten jungen Menschen auf geleitet. »Die Aufgabe mit den beeinträchtigten Menschen den Frauenberg, aber durch antonius hat sich das durchschnitt­ erlebe ich als bereichernd und der historisch bedeutsame Ort liche Lebensalter der auf dem Frauenberg Lebenden und der beflügelt mich«, so die erste Bilanz des Betriebswirts, und Besucher deutlich verjüngt. Mit Beginn des neuen Konzeptes zog man spürt, dass er mit großer Freude an die Arbeit geht. Die zudem Bruder Pascal Sommerstorfer, ein junger Franziskaner, spirituellen und religiösen Einflüsse, die durch die Brüder auf den Frauenberg. Er ist für die Arbeit mit jungen Erwachsenen ins Café dringen, erzeugen ein ganz anderes Arbeitsklima, so im Orden zuständig und freut sich, dass durch die Zusammen­ Moritz Schneider. »Die Distanz zu den Franziskanern auf dem arbeit mit antonius die Jugendarbeit der Franziskaner eine prak­ Frauenberg und die Distanz zu ihrer Spiritualität wurde auf­ tische Unterstützung bekommen hat. Ein von weitem sichtbarer gebrochen, die Brüder leben nun wieder mehr unter den Ausdruck dieser Veränderung ist eine große schwarze Pfadfin­ Menschen in Fulda«, vermutet er.

bilder © arnulf müller der-Jurte im Klostergarten, in der auch schon mal Gottesdienste mit Lagerfeuer in der Mitte abgehalten werden. Die vielen Ver­ was bringt die zukunft? anstaltungen für junge Menschen bringen zusätzlich frischen Es fällt auf, dass zwei Jahre ein kurzer Zeitraum sind, wenn Wind hinter die Klostermauern. »Das können wir hier oben gut man die Komplexität des Projekts betrachtet. Es gibt immer gebrauchen«, lacht Bruder Pascal, der auch Angebote für dieje­ wieder neue Stellen, an denen Probleme auftreten. Es gilt Ent­ nigen anbietet, die ein Freiwilliges Soziales Jahr in einer der vie­ täuschungen zu überwinden, Kompromisse zu finden und len Einrichtungen von antonius leisten. personelle Wechsel zu verkraften … Dennoch spürt und sieht man, dass bei allen die Überzeugung überwiegt, dass es sich flora klostercafé – lohnt, mit voller Kraft weiter zu machen. Zum jetzigen Zeit­ highlight für fuldaer und touristen punkt geht es vor allem darum, die vielen Erneuerungen in Für die Fuldaer ist das »FLORA klostercafé« die vielleicht alltags­ und um Fulda herum zu etablieren und die täglichen Abläufe wirksamste Veränderung in Zuge der Kooperation von Franzis­ im Haus zu festigen. Den Elan und die Energie, die auf dem kanern und antonius. Nach dem großen Umbau konnte vor einem Frauenberg zu spüren sind, lassen die Zuversicht wachsen, dass Jahr im September 2017 der Betrieb eröffnen und wird seither auch weiterhin Hürden – wenn sie denn auftauchen sollten – als beliebtes Ausflugsziel gut angenommen. »Die Räume sind mit gemeinsamer Kraft gemeistert werden können. n toll geworden und die Atmosphäre stimmt einfach«, berichten lukas neu Besucher. Nach anfänglichen personellen Schwierigkeiten wird Der in lebende Mediengestalter stammt aus Fulda der Betrieb nun von Moritz Schneider mit großem Engagement und arbeitet für die Agentur meinhardt in Idstein

zum beispiel 25 Unser Mann in Rom Im September 2017 wurde Jürgen Neitzert OFM aus der Deutschen Generalsekretariate für »Mission und Franziskanerprovinz als sogenannter Generaldefinitor in die General­ Evangelisierung«, für »Ausbildung und leitung des Franziskanerordens gewählt. Generaldefinitoren beraten den Studien« und das Generalbüro für »Ge­ rechtigkeit, Frieden und Bewahrung der Generalminister, also den gewählten Leiter auf oberster Ebene, in allen Schöpfung« der Generalleitung zu und Angelegenheiten des Weltordens und sind jeweils für einen regionalen koordinieren weltweit die Aufgaben in Zusammenschluss von Franziskanerprovinzen zuständig. FRANZISKANER ihrem jeweiligen Bereich, geben Anre­ besuchte Bruder Jürgen am Sitz der Ordensleitung in Rom. gungen für die Provinzen und den Ge­ samtorden. Bruder Jürgen, von wem sind Sie ge- Frankreichs, Deutschlands, Österreichs, Süd­ Alle neu gewählten Provinzialminister wählt worden? tirols, der Schweiz, Ungarns und Rumäniens erhalten hier eine 10-tägige Fortbildung Grundsätzlich wählt das Generalkapitel, zusammengeschlossen. Da wir Franziskaner zu juristischen sowie zu Leitungs- und bestehend aus den Vertretern aller Fran­ eine sehr föderale Struktur haben, werden al­ Strukturfragen. Bei massiveren Konflik­ ziskanerprovinzen, alle sechs Jahre die lerdings die meisten Angelegenheiten von den ten in Provinzen kann ein Delegat des Ordensleitung. Wenn jemand während Provinzleitungen selbst geregelt. Die General­ Generalministers eingesetzt werden. der Wahlperiode ausscheidet, findet eine leitung hat grundsätzlich eher eine koordinie­ Und bei allen Themen zwischen Vatikan Nachwahl durch die Generalleitung statt. rende, unterstützende und impulsgebende und Orden ist die Generalleitung der Da der vorherige Definitor für die Kon­ Funktion für die Provinzen. Ansprechpartner. ferenz der mitteleuropäischen Franzis­ kanerprovinzen zurückgetreten war, Also haben der Generalminister und das Ge- Wie übt der Generalminister die spiri- wurde in unserer Region ein Nachfolger neraldefinitorium eher repräsentative Auf- tuelle Leitung einer weltweiten Or- gesucht. Und so wurde ich angefragt gaben? densgemeinschaft aus? und als Generaldefinitor bis zum nächs­ Auch, aber nicht nur. Der Generalminister, der Er reist häufig, um möglichst viele Pro­ ten Generalkapitel 2021 gewählt. für maximal zwei jeweils 6-jährige Amtsperio­ vinzen zu besuchen und sich mit den den gewählt wird, ist der Nachfolger des heili­ Mitbrüdern auszutauschen, und schreibt Worin bestehen Ihre Aufgaben in der gen Franziskus und repräsentiert den Orden beispielsweise zu Weihnachten und Generalleitung des Ordens? nach innen und außen. Einige Missionsgebie­ ­Ostern Briefe an alle Brüder. Wir im Ge­ Ich bin zunächst zuständig für die mit­ te und die beiden Konvente in der Türkei sowie neraldefinitorium veröffentlichen alle teleuropäische Konferenz COTAF (Con­ einige Konvente mit speziellen Aufgaben für zwei Jahre Inspirationsthemen für den ference of Trans-Alpine Franciscans). den Gesamtorden und das »Antonianum«, die Gesamtorden. Das waren in den letzten Hier sind die Franziskanerprovinzen auf franziskanische Universität, sind direkt der Jahren »Gerechtigkeit und Frieden« und dem Gebiet der Niederlande, Belgiens, Generalkurie unterstellt. Zudem arbeiten die »Werke der Barmherzigkeit«. 2019 wird

26 franziskanische familie Jürgen Neitzert OFM hat Islamwissenschaften studiert und leitete als ausgebildeter Krankenpfleger dern nehmen wir zu. Das wirft auch Finanzie­ samten franziskanischen Familie getra­ mehrere Jahre die Alten- und Pflegestation des Ordens in Mönchengladbach. rungsfragen auf. Bisher leben viele Provinzen gen und verantwortet. Er engagiert sich seit Jahrzehnten für in den Ländern des Südens – besonders in »Gerechtigkeit, Frieden und Bewahrung Afrika – stark von Spenden und Zuwendungen Gibt es ein spezielles Projekt, das Sie der Schöpfung« und leitete seit 1994 aus Europa und Nordamerika. Dies wird in einen interkulturellen Jugendtreff mit als Definitor besonders vorantreiben vorwiegend muslimischen Jugendlichen Zukunft so kaum noch möglich sein. möchten? in Köln-Vingst. Ich bin Laienbruder, kein Priester, und Wie können Provinzen in finanziell sehr die Laienbrüder sind heute im Orden armen Regionen zukünftig mehr auf eigenen eine Minderheit von vielleicht 15 Pro­ das Jahresthema dann »Dialog« sein; Beinen stehen? zent. Ich möchte das Bewusstsein für die insbesondere der Dialog mit dem Islam. In vielen Ländern Lateinamerikas, zum Beispiel Bedeutung von Laienbrüdern für unse­ 1219 – vor 800 Jahren – hat Franziskus in Brasilien, ist dies schon gelungen. Doch das re Ordensgemeinschaft lebendig halten den Sultan in Ägypten getroffen und wird sicher von Region zu Region etwas anders und setze mich dafür ein, dass ihr Cha­ damit einen wichtigen Impuls für eine aussehen. Wir müssen gemeinsam und solida­ risma respektiert und sie gut begleitet Begegnung auf Augenhöhe gegeben. Zu risch schauen, welche Möglichkeiten jeweils werden. Es ist ein wichtiges Zeichen für den Jahresthemen werden jeweils Ar­ vorhanden sind. In Europa und Nordamerika die Kirche, dass Priester und Laien ge­ beitsmaterialien erstellt und in die drei besteht die Herausforderung darin zu entschei­ meinsam in einem Orden zusammen Ordenssprachen Italienisch, Spanisch den, welche Aufgaben und welche Akzente wir leben, beten und arbeiten. und Englisch übersetzt. mit deutlich weniger und älteren Mitbrüdern Andere Themen, die ich gerne voran­ zukünftig setzen wollen und was wir aufgeben bringen möchte, sind eine konsequen­ Welche besonderen Aufgaben haben müssen. Durch die weltweite Perspektive kön­ tere ökologische Lebensweise in den Sie als Generaldefinitor? nen wir den Provinzen Als Kontaktperson für die COTAF-Regi­ Impulse geben bezie­ on bin ich zuständig für alle Themen, hungsweise sie auf Erfah­ die zwischen den betroffenen Provinzen rungen anderer verwei­ und der Generalleitung anfallen, nehme sen. an den halbjährigen COTAF-Treffen teil und halte regelmäßigen Kontakt zu den Gibt es eine Zusammen- Provinzialministern. Zudem engagiere arbeit mit den anderen ich mich in Themenbereichen, in denen Gemeinschaften aus der ich schon seit langem aktiv bin: Das sind Franziskanischen Fami- insbesondere der interreligiöse Dialog lie? sowie unser zentrales Anliegen »Gerech­ Die Generalminister der tigkeit, Frieden und Bewahrung der vier franziskanischen Schöpfung«. Und nicht zuletzt bin ich Männerorden und auch weiterhin zum Thema »Migration und die jeweiligen Definitori­ Flüchtlinge« aktiv, zu dem ich mich en treffen sich regelmä­ ebenfalls bereits 30 Jahre engagiere. Bei ßig. Unter anderem haben diesen Themen halte ich engen Kontakt wir im letzten Oktober Die Generalleitung des weltweiten Ordens mit dem Generalminister mit den zuständigen Büros des Ordens drei intensive geistliche Michael Perry OFM (Mitte sitzend) und plane mit ihnen gemeinsam Initi­ Tage auf La Verna miteinander verbracht. Das Häusern des Ordens und das Zusam­ ativen für die nächsten Jahre – jetzt war ein gutes Miteinander und eine gute Ge­ menleben mit Geflüchteten in geeigne­ stärker mit einer weltweiten Perspektive. meinschaft. Einige träumen schon von mehr, ten Konventen. Und natürlich engagie­ also einer Wiedervereinigung der männlichen re ich mich für Dialogprojekte besonders Wo sehen Sie die größten internen franziskanischen Orden, aber das ist noch ein im Rahmen des 800-jährigen Jubiläums Herausforderungen für die Ordens­­ Traum. Im Augenblick gehen wir erst mal viele des Treffens zwischen Franziskus und gemeinschaft? gemeinsame Schritte auch in vielen Provinzen. dem Sultan 1219. Wir wollen die Gele­ In Europa und Nordamerika sind wir Hier in Rom planen wir eine gemeinsame Uni­ genheit nutzen, weltweit auf Franziskus überaltert, und die Anzahl der Brüder versität der franziskanischen Orden. In einigen als Vorbild für den Dialog zwischen schrumpft massiv. In Lateinamerika Provinzen gibt es schon gemeinsame Novizia­ unterschiedlichen Religionen zu verwei­ stagnieren wir, in Asien und Afrika te. Die oben erwähnten Sekretariate arbeiten sen, und im interreligiösen Dialog wei­ wächst der Orden noch. Insgesamt ver­ regelmäßig zusammen und starten gemeinsa­ tere Schritte gehen, auch in Zusammen­ schieben sich auch bei uns Franziskanern me Projekte. Und ganz besonders Franciscans arbeit mit dem Vatikan. n die Gewichte: In den reicheren Ländern International, unsere Vertretung bei den Ver­ interview werden wir weniger, in den armen Län­ einten Nationen wird gemeinsam von der ge­ thomas und kerstin meinhardt

franziskanische familie 27 Franciscans International (FI) hat als Nichtregierungsorganisation einen Beraterstatus Durch die direkte Zusammenarbeit von bei den Vereinten Nationen und Zugang zu allen wichtigen UN-Gremien. Die gemeinsame Franciscans International mit zahlreichen Organisation der weltweiten Franziskanischen Familie mit Büros in Genf und New York bringt franziskanischen Initiativen und Projekten als Anwalt für ­Menschenrechte Anträge ein und unterstützt insbesondere Angehörige benach­ für Flüchtlinge und Migranten konnten teiligter Gruppen, ihre Anliegen direkt vor den zuständigen UN-Gremien zu vertreten. wir Informationen aus erster Hand in diese Verhandlungen einbringen und die Stim­ men der Betroffenen zu Gehör bringen.

Der »Globale Pakt für Flüchtlinge« – eine Einschätzung von Franciscans Am 13. Juli dieses Jahres wurde der Text International des »Globalen Paktes« fertiggestellt. Zu be­ grüßen ist, dass die Nationen hiermit ihre Erinnern Sie sich noch an das Bild des toten syrischen Jungen, der an gemeinsame Verantwortung zum Aus­ einem türkischen Strand aufgefunden wurde? 2015 ging dieses Foto durch druck bringen. Allerdings wurden die ur­ die gesamte Weltpresse und wurde zum Symbol der sogenannten Flücht­ sprünglichen Erwartungen und Ziele bei lingskrise. Es bewegte zahlreiche Menschen auch in Deutschland, wo 2015 Weitem nicht erreicht. Die Unterschei­ über 890.000 Flüchtlinge registriert wurden. Die Bundeskanzlerin sagte dung zwischen legaler und illegaler Migra­ »Wir schaffen das«, und unzählige Bürgerinnen und Bürger leisteten spon­ tion wurde verstärkt und der Zugang zu tan Hilfe. öffentlicher Hilfe wird den sogenannten illegalen Flüchtlingen verwehrt. Weiterhin Heute, drei Jahre später, hält Bundesinnenminister Seehofer Flucht und wurde die Kriminalisierung von Migran­ Migration für die »Mutter aller Probleme«. Mit solch vereinfachenden Sprü­ ten nicht untersagt und wesentliche Men­ chen werden in Deutschland und anderen europäischen Ländern neue na­ schenrechte in den Verhandlungen wur­ tionalistische Bewegungen und rassistisches Gedankengut befeuert. den preisgegeben wie etwa die Ausbeu­ tung Schutzbedürftiger durch Unterneh­ Unbestritten gehören Migration und Flucht zu den großen globalen Her­ men. ausforderungen unserer Zeit. Während in Deutschland die Zahl der neu ankommenden Schutzsuchenden lediglich im Jahr 2015 diese Höchstmar­ Franciscans International wird bei der ke erreichte – in den Jahren zuvor und danach waren es lediglich zwischen Umsetzung dieses »Globalen Paktes« vor 118.000 und 280.000 –, gab es weltweit eine stetige Zunahme. Im Jahr allem die Einhaltung der Menschenrechte 2017 registrierte das UN-Flüchtlingshilfswerk UNHCR fast 70 Millionen einfordern. Gleichzeitig ist es von großer Menschen, die sich gezwungen sahen, ihre Heimat zu verlassen. 85 Pro­ Bedeutung, dass die Kirchen vor Ort und zent dieser Menschen fanden in sogenannten Entwicklungsländern Auf­ damit auch wir als Christinnen und Chris­ nahme. ten gegen Diskriminierung von Einwande­ rern und Flüchtlingen Stellung beziehen. Globale Probleme können nur gemeinsam gelöst werden. Darum versu­ Strukturelle und gesetzliche Veränderun­ chen die Vereinten Nationen im sogenannten »Globalen Pakt für Flüchtlin­ gen müssen Hand in Hand gehen mit der ge« eine Antwort auf diese Herausforderung zu geben. Anerkennung aller Menschenrechte ohne Unterschied und Ausnahme. Es ist an uns Die vier zentralen Ziele dieses internationalen Paktes sind: allen, an einer Kultur des Respekts und der 1. Den Druck auf die Aufnahmeländer mindern. gegenseitigen Toleranz mitzubauen, so­ 2. Die Eigenständigkeit und Widerstandsfähigkeit von Flüchtlingen dass Populismus, Rassismus und Nationa­ fördern. lismus bei uns keine Chance haben. n 3. Den Zugang zu Resettlement (der dauerhaften Aufnahme besonders markus heinze ofm Schutzbedürftiger) und anderen humanitären Aufnahmeprogram­ Geschäftsführer von Franciscans men in Drittstaaten ausweiten. International mit Sitz in Genf 4. Die Bedingungen fördern, die eine Rückkehr in das Heimatland in

Menschenrechte gelten für alle! gelten Menschenrechte Sicherheit und Würde ermöglichen. © picture alliance/nilüfer demir alliance/nilüfer © picture

28 © picture alliance / laurin schmid / sos mediterranee Wider die politische Sprachverrohung rechts« (Horst Seehofer) bezeichneterechts« (Horst eralsinakzeptabel, da »HerrschaftUn in der Asyldebatte des Den Begriff gerügt. gerichts, AndreasVoßkuhle, hatinallerSchärfe dieSprache Flüchtlingen deutlich. DerPräsident desBundesverfassungs Aktuell wird mit über dies den in Umgang der Debatte Umgekehrt trägt Sprache zurBewusstseinsbildung bei. auch Sprache handeln. istAusdruck unseres Bewusstseins. Sprache drückt aus,wie wir denken, fühlenundletztlich schen Dauerstreit istunerträglich! abspielt, Welt aufnehmen können. Doch was sich derzeit impoliti wird niemandbestreiten, dass wir nicht alleFlüchtlinge dieser Flüchtlingswelle im Sommer 2015 Fehler gemacht. Ebenso Gewiss, rückblickend demHöhepunkt der wurden auf strafbar. Hier würden die Verhältnisse umgekehrt. werden.lisiert InDeutschland seiunterlassene Hilfeleistung unterbundenrettung im Mittelmeer und die Helfer krimina und moralisch schuldig machen, wenn diezivile Seenot­ lichen Zynismus, mitdemdieEuropäer sich völkerrechtlich bezeichnete ist, esalsunerträgKirche inDeutschland (EKD) Kammer fürMigration undIntegration derEvangelischen Rheinland, Manfred Rekowski,Vorsitzender der zugleich der Der Präsestung bemühen. der evangelischen Kirche im ihren Tod sonderndie,diesich nehmen, inKauf umihre Ret Doch angeklagt werden undkriminalisiert nicht etwa die,die Realität dürften dieZahlennoch umeinigeshöhersein. das Opfer. sindnurdieoffiziell bestätigten linge. Und Inder 5.143toteBootsflücht inGenf für Migration mitSitz (IOM) ums Leben. 2016registrierte dieInternationaleOrganisation nach Europa 2017kamen zugelangen. 3.116Flüchtlinge in diesem Jahr rund Versuch,1.400 Menschen beim per Boot istzumMassengrabDas Mittelmeer geworden. Bislang starben ­ ­ ­ ­ ­ ­ ­

griff »Anti-­ griff [möchte], die völlig er den Be Ebenso kritisierte abwegig sind«. Gebrauch »AssoziationenzumNS-Unrechtsstaat wecken dessen Werten fürsich beansprucht.« Demistnichts hinzuzufügen. Politik anchristlichen zutun habensoll,dieeineOrientierung Manfred Rekowski. »Ich verstehe nicht, was das noch mit einer BeitragVerwahrlosung zurmentalen »einen meint imLand«, fehle Derartige esanRationalität. irrationale leisteten Debatten schen Grenze« diskutiere über das statt Weltproblem Flucht, dem Wer odervier Flüchtlinge über»drei anderbayerisch-österreichi verständnis, das einesich christlich-sozial nennendePartei zeigt. stellt wurde), sondernmitdemMenschenbild unddemPolitik (wie zumTeil umdieKreuzaufhängung inder Debatte unter tur. DieseKritik hatnichts mitantibayerischen Affekten zutun bietetabsolutkeinVorbildtet, füreineangemesseneStreitkul mehr als beschämend. Wer mitDrohung undErpressung arbei sich dieC-Parteien wie dieKesselflicker ist haben, gestritten Monaten immermassiver und DieArt gezeigthat. Weise, inder verrohung einstimmenwird, diesich indenletzten Wochen und renz dass sienicht vor der Sommerpausebetont, indieSprach wenn dieBundeskanzlerin inihrer obligatorischen Pressekonfe förder mindest einemfriedlichen Zusammenleben allesandere als sicheren Hafen Massenquartiere, dieeinerIntegration oderzu ßen dann plötzlich »Ankerzentren«. Doch einem diebietenstatt negativen Assoziationenzubeschönigen. »Abschiebelager« hei versucht wird, mitpositiv klingenden dieeigentlich Begriffen Söder sprach vom »Asyl- nicht beschimpfen Bayerns lassen.« Ministerpräsident Markus rechtsstaatliche Garantien inAnspruch musssich nimmt, dafür ­lich sind.Esmussschon ziemlich weit gekommen sein, Abschiebe (Alexander-Industrie« Dobrindt).»Wer Tourismus«. Auffällig dass häufig ist, stefan ofm federbusch kommentar n ­ ­ ­ ­ ­ ­ ­ ­ ­ ­ 29 Auszug aus dem Kursangebot unserer Bildungshäuser Weitere Angebote unserer Bildungs- und Exerzitienhäuser­ erhalten Sie bei den genannten Adressen. Auch Konvente unserer Pro­ vinz und einzelne Brüder bieten Kurse und Fahrten an. Informationen dazu finden Sie auf unserer Website www.franziskaner.de.

exerzitienhaus – franziskanisches zentrum für stille und begegnung Kreuzweg 23, 65719 Hofheim, Tel.: 0 61 92 99 04-0, Fax: -39, E-Mail: [email protected], www.exerzitienhaus-hofheim.de

29. 10.- »Ich hörte auf die Stille« Stille Tage mit spirituellen Impulsen Stefan Federbusch, Franziskaner, Erwachsenenbildner 1. 11. 2018 31. 10.- Tage der politischen Spiritualität Exerzitien für Gerechtigkeit, Frieden und Ute Zeilmann, Theologin, Pastoralreferentin; Peter 4. 11. 2018 Bewahrung der Schöpfung Schönhöffer, Lehrer, Aktivist; Martin Herndlhofer, Mitglied der pax christi-Kommission »Globalisierung und soziale Gerechtigkeit«; Stefan Federbusch, Franziskaner, Erwachsenenbildner 9. 11.- Pure Präsenz Friedensmeditation mit Texten von Dr. Thomas Wagner, Theologe, Meditationsbegleiter 11. 11. 2018 Richard Rohr 16. 11.- Und immer bleiben die Spuren Trauerseminar für Trauernde, deren Verlust Christine Walter-Klix, Klinikseelsorgerin, Exerzitienbegleiterin; 18. 11. 2018 des Lebens mindestens acht Wochen zurückliegt Stefan Federbusch, Erwachsenenbildner Franziskaner 16. 11.- Die Kraft meiner Stimme Stimmtraining Kathleen Fritz, Diplom-Sozialpädagogin, Natural-­Voice- 18. 11. 2018 Trainerin/ganzheitliche Stimmbildung 16. 11.- Unterwegs im Land der Bibel Egli-Werkstatt mit Herstellung von Marita Max, Egli-Werkleiterin 18. 11. 2018 zwei Egli-Figuren 3. 12.- Du sollst dich selbst unterbrechen Zeit für die Zeit – Stefan Federbusch, Franziskaner, Erwachsenenbildner 7. 12. 2018 Auszeit im Advent 6. 12.- Time-out für Männer im Advent Den Jahresausklang für eine Re-Vision der Dr. Hans Prömper, Theologe, Erwachsenenbildner 8. 12. 2018 Work-Life-Balance nutzen 7. 12.- Dem Licht entgegengehen Besinnliches Adventswochenende Norbert Lammers, Franziskaner, Exerzitienbegleiter; 9. 12. 2018 Jutta Schlier, Exerzitienbegleiterin 15. 12.- »Ganz nah – der Himmel!« Geistlicher dritter Advent Stefan Herok, Pastoralreferent; 16. 12. 2018 Stefan Federbusch, Franziskaner, Erwachsenenbildner 21. 12.- »Du bringst ihn zur Welt« Weihnachtliche Besinnungstage Maria Hansmann, Lehrerin für Rhythmus – Atem – Bewegung;­ 26. 12. 2018 Norbert Lammers, Franziskaner, Exerzitienbegleiter 21. 12.- Weihnachten für Einzelgäste Mitlebezeit mit Möglichkeit zum Ruth Walker, Franziskanerin, Exerzitienbegleiterin 26. 12. 2018 Einzel­gespräch 21. 12.- Vom Himmel hoch, da kommt nix mehr Zugänge zu Weihnachten heute Stefan Federbusch, Franziskaner, Erwachsenenbildner; 26. 12. 2018 Gertrud Smitmans, Franziskanerin

haus ohrbeck – katholische bildungsstätte Am Boberg 10, 49124 Georgsmarienhütte, Tel.: 0 54 01 33 6-0, Fax: -66, E-Mail: [email protected], www.haus-ohrbeck.de

19. 10.- Textwerkstatt: Fortbildung für alle, die Gottesdienste Andrea Schwarz, Bibliolog-Trainerin; 21. 10. 2018 vom Bibeltext zum eigenen Wort vorbereiten und leiten Thomas Abrell, Franziskaner, Erwachsenenbildner

25. 10.- … weil jede/-r etwas zu sagen hat Zweiteiliger Grundkurs Bibliolog, Teil 1 Andrea Schwarz, Bibliolog-Trainerin; 27. 10. 2018 Dr. Uta Zwingenberger, Theologin 26. 10.- Übergänge Zwischen »nicht mehr« und »noch nicht«: Ulla und Rainer Peffermann-Fincke, Enneagramm-­ 28. 10. 2018 Umbrüche im Leben gestalten Trainer; Aadel Maximilian Anuth, Theologe 8. 11. 2018 Studientag: Vergeben Sich von der Macht der Kränkung befreien Dr. Melanie Wolfers, Theologin, Autorin; und von Neuem vorwärts leben Franz Richardt, Franziskaner, Theologe, Coach 9. 11.- Zeit nehmen, Zeit geben – da sein Feldenkrais-Methode und Musik Romy Bronner, Feldenkrais-Pädagogin; 11. 11. 2018 Thomas Abrell, Franziskaner, Theologe 16. 11.- »Ich bin …« Mein Bild von mir selbst: Sandra Spielmann, Kunsttherapeutin 18. 11. 2018 kunsttherapeutisches Wochenende 7. 12.- Außenräume – Kirche(n) im Kontext Tagung mit Architekten und Künstlern Ralf Schlüter, Diözesanbaumeister Bistum Osnabrück; 8. 12. 2018 Franz Richardt, Franziskaner, Theologe, Coach 7. 12.- »Suche Frieden und jage ihm nach!« Adventsseminar für Familien mit Kindern Ingrid Großmann, Supervisorin; 9. 12. 2018 (Ps 34,15) von 3 bis 14 Jahren Thomas Abrell, Franziskaner, Erwachsenenbildner

kloster und meditationshaus im altmühltal – franziskanerkloster dietfurt Klostergasse 8, 92345 Dietfurt, Tel.: 0 84 64 65 2-0, Fax: -22, E-Mail: [email protected], www.meditationshaus-dietfurt.de

8. 10.- T'ai Chi Ch'uan Aufbaukurs Petra Kobayashi und Sunyata Kobayashi, 14. 10. 2018 T'ai-Chi-Ch'uan-Lehrende 15. 10.- Nuad Phaen Boran Körperlicher und seelischer Ausgleich durch Heike Pfletschinger, Nuad-Phaen-Boran-Lehrerin 21. 10. 2018 Berührung 22. 10.- Kontemplation Meditation Rolf Fleiter, Franziskaner, Exerzitienbegleiter 28. 10. 2018

30 programm Franziskaner sein heißt Franziskaner werden

»Worüber schreibst du lieber«, wurde ich gefragt, so deutlich ins Stammbuch geschrieben wie Franzis­ »Franziskaner werden oder Franziskaner sein?« kus selbst. Steine klopfen, eine kaputte Kirche Letzteres, war meine spontane Antwort. renovieren, Aussätzige pflegen … Ich muss aner w Einmal davon abgesehen, dass die Zeit isk e nicht lange fragen, wo die Ausgesetzten z rd des Franziskaner-Werdens eine halbe n e heute sind und an welchen Verwundun­ a n Ewigkeit zurückliegt, gab es bei mir r gen sie leiden. weder ein Berufungsevent noch eine f himmlische Erleuchtung. Ich bin in Ich muss auch nicht lange fragen, woran diesen Beruf eher sachte und geräusch­ die Kirche heute krankt. »Franziskus, los hineingewachsen. Seit der Erst­ baue meine Kirche auf, siehst du nicht, kommunion war ich Messdiener, und f wie sie zerfällt!«, hört der junge Franz der Ortspfarrer hat immer wieder ge­ ra in Christus sagen. Aber es ist nicht die Ar­ n se schwärmt, wie schön sein Beruf ist. Der ziskaner chitektur, nicht die Struktur. Die Krankheit Franziskanerbruder, der im Dorf Kartoffeln greift tiefer: Substanzverlust. Verursacht durch sammelte und bei uns zu Mittag aß, schaute Mangel an Bewegung. Christus hat damals nicht mich zehnjährigen Jungen an und meinte: Hast du zur Restauration gerufen und tut es heute auch nicht. keine Lust, zu uns ins Internat zu kommen? Warum nicht? Wer glaubt, die ewigen Gewissheiten müssten an die alten Damit war die franziskanische Berufung schon mal einge­ Stellen gerückt werden, täuscht sich. Haben wir immer noch fädelt … Angst vor den Erkenntnissen der Aufklärung und der Wissen­ schaften? Sind wir immer noch in der Defensive? Ich wün­ Später habe ich mich hin und wieder gefragt, ob ich nicht sche mir eine Kirche, die den Menschen ermutigt, selbst­ sozusagen in dieses Franziskaner-Sein hineingestolpert ständig zu denken und in freier Gewissensentscheidung bin. Das hat mich nicht selten aufgeschreckt. Meine Antwort Verantwortung zu übernehmen. heute: Aufs Ganze gesehen, passt es schon, so wie es ist. Das, was man Berufung nennt, war bei mir halt kein Donner­ Franziskaner sein – Franziskaner werden: Ich sehe hall, sondern eher ein leises Säuseln. Der Prophet Elija in zum Beispiel die Herausforderung, den Sonnen­ 1 Könige 19 ist mir deshalb recht sympathisch. Und ehrlich gesang vor dem Hintergrund der modernen gesagt: Es entlastet mich auch, dass die »Initialzündung« Astrophysik und Evolutionsbiologie neu für mein Franziskaner-Sein von anderswo herkam. zu buchstabieren und in der Konse­ quenz eine franziskanische Offen­ Bin ich Franziskaner? Durchdrungen von Gott? Begeistert sive zum Schutz unseres ge­ von Franziskus und von allem, was ihm heilig war? Oje! – stressten Planeten zu starten. Die Latte ist doch sehr hoch. Ich bin ja noch nicht mal rich­ Papst Franziskus hat uns mit tig Christ, und auch noch nicht ganz Mensch. Wie oft habe seiner Enzyklika »Laudato si’« ich an Weihnachten schon gepredigt, dass wir Menschen eine Lektion erteilt – auch mir sind, wenn wir Menschen werden. als Franziskaner. n

Also doch lieber das Thema Franziskaner werden? Oder helmut schlegel ofm vielleicht so: Franziskaner sein, weil es ein Werden ist – eine ist Leiter des Zentrums für christliche Meditation und Weggeschichte. Dieser Franziskus hat mich nicht zuletzt Spiritualität des Bistums deswegen fasziniert, weil er nicht im Kloster war, sondern Limburg in Frankfurt und auf dem Weg – auf den Füßen. Ich für meinen Teil fühle lebt im Franziskaner­ konvent in Hofheim am mich immer noch auf wackeligen Füßen und am Anfang Taunus. dieses Weges. Wie gut, dass ich nicht allein gehe.

Franziskaner sein mit Hand und Fuß. Ja, die Hände gehören auch dazu. Das Sein ist auch ein Tun. Niemand hat uns das

Helmut Schlegel OFM franziskaner werden 31 100 Jahre Franziskaner in Ohrbeck

Seelsorge, Exerzitien und Bildungsarbeit

Nach der Machtergreifung durch die auf das Wort Gottes, getragen von Ehr­ Nationalsozialisten wurde Leben und furcht und Höflichkeit, mit Demut und Arbeiten für die Franziskaner zuneh­ Bereitschaft, Verantwortung zu teilen, mend schwieriger. Schon sehr früh wurde Räume entstehen können, in denen sich In den Wirren des Ersten Weltkrieges die Bibliothek des Klosters durchsucht, Menschen von Gott her angesprochen baten die Bürger aus Holzhausen den und die Brüder wurden streng beobach­ fühlen können. Er schloss seine Predigt Osnabrücker Bischof Berning, eine Seel­ tet. 1941 schließlich wurden Kloster und mit dem franziskanischen Gruß »Pace e sorgeeinheit in ihrem Ort zu gründen. Exerzitienhaus enteignet, und die Brüder bene« – Friede und Gutes – und dankte Er stimmte zu, aber mit der Auflage, dass kamen bei Gemeindemitgliedern unter. den Brüdern sowie allen, die sich haupt- sie sich selbst um das Personal kümmern Nachdem beide Gebäude ein Jahr leer und ehrenamtlich in Bildungshaus und müssten. Also schrieben die Holzhauser standen, wurden sie nach der Bombar­ Pfarrgemeinde engagieren. an die Franziskanerprovinz, und da sich dierung des Osnabrücker Stadtkranken­ diese dazu bereit erklärte, wurde am 8. hauses als Lazarett genutzt. Nach Kriegs­ Beim Empfang im Pfarrheim wurde Dezember 1917 durch den Bischof juris­ ende konnten die Franziskaner zurück­ spürbar, was die Menschen in der Region tisch der Franziskanerkonvent errichtet. kehren und Seelsorge und Exerzitienar­ an den Brüdern besonders schätzen: Am 18. Juni 1918 kamen dann zunächst beit wieder aufnehmen. 1971 wurde »Unsere Franziskaner sind immer mit­ drei Brüder nach Holzhausen. Sie wohn­ dann das Exerzitienhaus in die heutige tendrin und dabei. Sie sind ein Gewinn ten erst mal in der Dienstwohnung einer Bildungsstätte Haus Ohrbeck umgewan­ für Holzhausen und ganz Georgsmarien­ Lehrerin, bevor sie zwei Monate später delt und als Heimvolkshochschule an­ hütte, weil sie ein Teil unseres Lebens in eine einfache Holzbaracke umzogen. erkannt. Und die Brüder arbeiten bis sind.« Da es noch keine neue Kirche gab, muss­ heute sowohl im Bildungshaus als auch ten sie sich mit einer kleinen Holzkirche in der Pfarrei. Am 18. Juni 2018, dem eigentlichen Jubi­ begnügen. Für ihre Arbeit in der Seel­ läumstag des Einzugs der Brüder, waren sorge bekamen die Brüder zudem die Den Höhepunkt der Jubiläumsfeiern dann alle Helferinnen und Helfer und Auflage, alle ihre Tätigkeiten mit dem bildete am 16. Juni 2018 der Festgottes­ die Nachbarn zu einem Dankeschön-­ Pfarrer in St. Johann/Osnabrück, zu deren dienst mit einem anschließenden Fest Abend eingeladen. Denn ohne die Mit­ Pfarrgebiet sie gehörten, abzusprechen. der Begegnung. Viele waren gekommen, arbeit der vielen Ehrenamtlichen wären Die Pfarreiarbeit ist also der originäre um mit den Franzikanern zu feiern und weder die festliche Gestaltung des Jubi­ Grund, warum die Franziskaner nach für die hundert Jahre gemeinsamen Wir­ läums noch die vielfältigen Aktivitäten Holzhausen kamen, denn erst im Septem­ kens zu danken. In seiner Predigt wür­ der Franziskaner in dieser Weise möglich ber 1926 wurde das Exerzitienhaus er­ digte der Osnabrücker Weihbischof gewesen. n öffnet. Ein Jahr zuvor zogen die Brüder Wübbe die franziskanische Präsenz in johannes roth ofm in das neu gebaute Kloster ein, und drei Holzhausen. Die Arbeit der Franziskaner, lebt im Konvent in Ohrbeck. Jahre später, im September 1929, wurde so der Weihbischof, zeichne sich dadurch Der Diplom-Pädagoge und -Theologe ist Redakteur der Zeitschrift Franziskaner und die neu erbaute Kirche von Bischof Ber­ aus, dass im Zusammenleben mit den promoviert derzeit in katholischer

ning eingeweiht. Menschen, im Hören auf ihr Wort und Theologie. osterfeld ©thomas

32 historisches franziskaneraktuell weitere informationen 33 www.franziskaner.de

Udo Friedrich Schmälzle OFM Vivere bewegt! Wissen, Bildung und Schule neu denken Fulda: Zu ihrem diesjährigen Jahrestref­ fen kamen die Mitglieder der franziska­ Echter-Verlag, 2018, 96 Seiten, gebunden, 9,90 Euro, nischen Vivere-Bewegung, zu der neben ISBN 978-3-429-05324-6 franziskanisch inspirierten Laien auch Bildung soll heute nicht nur Wissen ver­ einige Franziskaner gehören, vom 29. mitteln und fachlich qualifizieren. Was Juni bis zum 1. Juli 2018 auf dem Frau­ junge Menschen brauchen, sind vor allem enberg in Fulda zusammen. soziale Kompetenzen und die Fähigkeit, Seit drei Jahren gibt es die Vivere-Bewe­ eine humane und schöpfungsgerechte gung. Einige Regionalgruppen haben Zukunft zu gestalten. sich zwischenzeitlich gebildet, in denen Das hier vorgestellte franziskanische Bil­ die franziskanische Spiritualität geteilt dungskonzept ist durch die Praxiserfah­ und gelebt wird. Und ein­mal im Jahr rung des Autors im Schulalltag und in der wird ein bundesweites Treffen ausgeru­ Bildungsarbeit geprägt. fen, zu dem alle eingeladen sind. Für das gesamte Wochenende war ein vielfältiges Programm vorgesehen. So wurde unter anderem in einer aufsehe­ Franz Lackner OFM/Clemens Sedmak nerregenden Aktion das Thema »Aus­ Kaum zu glauben sendung und Verkündigung des Evan­ geliums« in Szene gesetzt. Gemeinschaftlich wurden hierfür auf dem Tyrolia Verlag, 2018, 176 Seiten, gebunden, Kirchplatz St. Blasius in Fulda am Samstagnachmittag drei Bereiche 17,95 Euro, ISBN: 978-3-7022-3678-6 gestaltet, die sich mit einzelnen Aspekten der Themen Armut, Frieden Der Franziskaner Franz Lackner, Erz­ und Schöpfung befassten. bischof von Salzburg, und Clemens Um vorbeigehende Menschen mit diesen franziskanischen Ansätzen Sedmak, Professor für Sozialethik an zu berühren, wurden verschiedene Mitmachaktionen angeboten. Hier der University of Notre Dame (USA), gab es die Möglichkeit, eine Papiertaube im Origamistil zu falten. Ver­ haben ein Buch über Grundworte sehen mit einem persönlichen Friedenswunsch, ließ man die Taube christlichen Lebens geschrieben. Die dann an einen Ballon gebunden in den Himmel steigen. In weiteren 22 Grundworte – darunter auch Franz von Aktionen konnte das interessierte Publikum Blumen aussäen oder mit­ Assisi! – verstehen sich im Sinne eines spirituellen geführte Plastiktüten gegen Papiertaschen umtauschen. Dabei ergaben Wörterbuches als »Kuraufenthalt für die Seele«. sich viele gute Gelegenheiten, insbesondere über Frieden und den Erhalt der Schöpfung zu sprechen. 33 www.vivere-leben.de Christina Mülling OSF/Paul Zahner OFM (Hg.) Franziskanische Gebetsschule Thomas Dienberg OFMCap Verlag Eos, 2018, 160 Seiten, gebunden, 19,95 Euro, Einmal zu Dir selbst und zurück ISBN: 978-3-8306-7909-7

Die »Franziskanische Gebetsschule« Katholisches Bibelwerk, 2018, 144 Seiten, Paperback, 16,95 Euro, möchte einen Weg aufzeigen, der Schritt ISBN 978-3-96157-029-4 für Schritt in das Gebet hineinführt und Der Kapuziner Thomas Dienberg hat einen Übungsweg ent­ auf aktuelle Weise die Tiefe und die wickelt, um der inneren Ruhe, sich selbst und Gott näher­ Tradition der franziskanischen Kontem­ zukommen. »Es gibt so viele kostbare Momente in meinem plation zu vermitteln sucht. Alltag. Ich will sie wieder genießen können!«

Susanne Roll Leonhard Lehmann OFMCap Antonio und der Wolf von Gubbio Vom Beten zur Kontemplation

Neukirchener Verlag, 2018, Echter-Verlag, 2018, 100 Seiten, gebunden, 9,90 Euro, ISBN 978-3-429-05323-9 220 Seiten, gebunden, 12,99 Euro, ISBN 978-3-7615-6489-9 Kontemplation als Erfahrung des Einsseins mit der göttlichen Die Autorin Susanne Roll nutzt Wesenheit spricht Menschen unterschiedlicher Weltanschauun­ die Legende vom Wolf von gen und spiritueller Ausrichtungen an. Aber was ist Kontempla­ Gubbio, um »Franz von Assisi für tion? Und vor allem: Wie wird sie praktiziert? junge Leser« attraktiv zu machen. Der Autor zeigt, wie bei Franziskus alles darauf hinausläuft, das Beworben wird das Buch für die Wort Gottes im Herzen und das Herz bei Gott zu haben – ob in Altersgruppe ab 10 Jahren. der Stille einer Kirche oder im Lärm der Welt.

nachrichten 33 buchverlosung In der letzten Ausgabe fragten wir nach einem Ort, den unser reisefreudiger deutsche Bruder Germanicus besucht hatte. Die richtige Antwort lautete: Paris. franziskanerprovinz Leider gab es etliche falsche Antworten. Unter den 26 richtigen Einsendungen haben wir drei Buchpakete mit zwei Titeln der Reihe »Franziskanische Adressänderung und Bestellungen Akzente« aus dem Echter-Verlag verlost. Provinzialat der Deutschen Franziskanerprovinz­ Zeitschrift Franziskaner Frau Ingeborg Röckenwagner Sankt-Anna-Straße 19, 80538 München Dieses Mal verlosen wir unter allen Teilnehmenden, die die folgende Frage richtig [email protected] beantworten, drei Exemplare des unten vorgestellten Buches von Richard Rohr OFM. Tel.: 0 89 2 11 26-150, Fax: 0 89 2 11 26-111 Impressum Bruder Germanikus war wiederum in einem Nachbarland unterwegs. Franziskaner – Magazin für franziskanische Kultur und Lebensart Bei diesem Besuch wandelte er Zeitschrift der Deutschen Franziskaner auf den Spuren einer berühmten ISSN 1869-9847 – Zeitungskennziffer 50876 Kaiserin. Das Foto zeigt ihn in Provinzialat der Deutschen ❏ Herausgeber Wien Franziskaner, Sankt-Anna-Straße 19, ❏ Petersburg 80538 München Redaktionsanschrift Stefan Federbusch OFM, ❏ London Exerzitienhaus, Kreuzweg 23, 65719 Hofheim Antwort und Ihre Adresse an: Tel.: 0 61 92 99 04-0, meinhardt Verlag und Agentur, E-Mail: [email protected] Magdeburgstraße 11, 65510 Idstein, Redaktion Andreas Brands OFM, Stefan Feder- Stichwort: Franziskaner busch OFM (Redak­tions­leiter), Natanael Ganter OFM, Kerstin Meinhardt, Thomas Meinhardt, Einsendeschluss: 1. Nov. 2018 Désirée Neff (Redaktionsassistenz), Johannes Es gilt das Datum des Poststempels. Roth OFM, Pascal Sommerstorfer OFM Der Rechtsweg ist ausgeschlossen. Namentlich gekennzeichnete Artikel geben nicht in jedem Fall die Meinung der Redaktion wieder. Die Rechte an den Artikeln liegen bei den je­ Richard Rohr OFM weiligen Autoren. Eine ­Wiedergabe – auch aus- Ganz da – Einfach und kontemplativ leben zugsweise – ist nur mit vorheriger Genehmigung gestattet. Claudius Verlag, 2018, 136 Seiten, Paperback, 15,00 Euro, ISBN 978-3-532-62823-2 Weitere Mitarbeitende dieser Ausgabe »Ganz da« ist eine Sammlung von kurzen Meditationen und Thomas Abrell OFM, Michael Blasek OFM, Übungen. Sie laden uns ein, die Schönheit des Augenblicks in seiner Cornelius Bohl OFM, Markus Heinze OFM, Ricarda wunderbaren Alltäglichkeit zu erfahren und darin zu verweilen. Moufang, Lukas Neu, Helmut Schlegel OFM Der amerikanische Franziskaner Richard Rohr leitet dazu an, Bildnachweise Titel: © Getty Images/iStockpho- die Räume unseres Herzens offen zu halten, damit der Verstand neue, to/Motortion. Alle anderen Nachweise stehen bisher verborgene Gefühle wahrnehmen kann. Er ermutigt, auf den Seiten, ungekennzeichnete Bilder ent­ stammen dem Archiv­ der Franziskaner oder dem die Kontemplation immer mehr zur Quelle unseres Lebens werden der Firma meinhardt. zu lassen. Layout Kerstin Meinhardt (art-dir.), Désirée Neff, Lukas Neu Verlag, Gestaltung und Anzeigenverwaltung meinhardt Verlag und Agentur Big Data – Von Digitalisierung bis Datenschutz Magdeburgstraße 11, 65510 Idstein E-Mail: [email protected] Die jüngste Ausgabe von »Tauwetter« beschäftigt sich mit dem Thema www.meinhardt.info »Big Data«. Die »Franziskanische­ Zeitschrift für Gerechtigkeit, Frieden Bankverbindung Die Zeitschrift Franziskaner und ­Bewahrung der Schöpfung« (ISSN 1618-0550) kann kostenfrei unter ­erscheint quartalsweise. Spenden zur tauwetter@franzis­kaner.de bestellt werden. Finanzierung dieser Zeitschrift erbitten wir unter Download-Alternative: www.franziskaner.net/tauwetter Angabe des Verwendungszweckes »Spende Zeit- schrift« auf das Konto der Deutschen Franziskanerprovinz IBAN DE40 5109 1700 0080 8888 80 BIC VRBUDE51 bei der Bank für Orden und Mission. Franziskaner Mission Druck und Versand Bonifatius GmbH, Paderborn Die Herbstausgabe unseres Schwestermagazins­ beschäftigt sich ebenfalls mit dem Thema Jugend. Sie können das Heft kostenfrei Klimaneutral gedruckt und versendet Gedruckt auf 80 % Recyclingpapier und bestellen bei Franziskaner Mission, 20 % aus nachhaltiger Waldwirtschaft (FSC) Tel.: 02 31 17 63 37-65, E-Mail: [email protected], bzw. in Bayern unter Tel.: 0 89 21 12 61 10, E-Mail: [email protected]. Germanicus und die drei Knoten

Germanicus band seinen Strick um den Habit und grinste: »Gestern hat einer ganz mitleidig auf meine drei Knoten gezeigt und gesagt: »Sei nicht traurig, ich mache mir auch immer Knoten ins Taschentuch, weil ich so vergesslich bin.« – »Und, du hast ihn dann aufgeklärt?«, fragte Franz. – »Ich habe gesagt: ›Die Knoten, das sind die drei Haltungen eines guten Franziskaners: Maß halten, Mahl halten, Maul halten!‹« – Franziskus war empört: »So kannst du nicht über unsere Gelübde reden!« – »Ich weiß schon: Armut, Keuschheit, Gehorsam – aber das klingt nach Askese, und damit habe ich es nicht so.« Und nach einer Pause: »Wir sollten die drei Gelübde neu übersetzen, so dass alle Menschen sie verstehen und leben können.« – »Hast du eine Idee?«, fragte Franz. – Germanicus holte tief Luft: »Armut heißt, dass auch die Dinge Geschöpfe sind. Sie gehören nicht uns, sie sind uns nur auf Zeit geliehen. Keusch bin ich, wenn ich jedem Menschen seine Würde zuspreche. Niemand, ob Frau oder Mann oder Kind, darf als Besitz oder Objekt der Lust gesehen werden. Und wenn ich im Sinn des Evangeliums gehorsam bin, dann horche ich auf meine innerste Stimme und lebe frei. So will es Gott.« – Franz blieb der Mund offen stehen: »Mensch, Germanicus, solche Einsichten hätte ich dir gar nicht zugetraut!«

text helmut schlegel ofm illustration michael blasek ofm Arnold Hoheisel und Tobias Ewald (auf Nelskamp) der Abbildung fehlt Hubert Dominikus Wershofen, Thomas Maria Folger, Lutwin Krämer, Paulus Lammers, Franz Eine von 34 Gemeinschaften der Franziskaner in in Dorsten Deutschland (v.lebt Dorsten www.franziskaner.de

l.):

- Josef Mohn, Franziskaner in

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