FIDES EXERCITVVM Die Rolle der Legionen an Rhein und Donau in den Jahren 68/69 n. Chr.

Masterarbeit Zur Erlangung des akademischen Grades Master of Arts An der Philosophisch-Historischen Fakultät der Leopold-Franzens-Universität Innsbruck

Eingereicht von: Ing. Stefan Pircher, BA MA

Eingereicht bei: assoz. Prof.in Dr.in Kordula Schnegg Institut für Alte Geschichte und Altorientalistik

Innsbruck, Oktober 2018

Vorwort Bereits in den ersten Semestern meines Bachelorstudiums Classica et Orientalia wurde mein Interesse an der frühen römischen Kaiserzeit geweckt. Hervorheben möchte an dieser Stelle meine Betreuerin assoz. Prof.in Dr.in Kordula Schnegg, die mir in einem Seminar über die Transformationsprozesse in der späten römischen Republik den Anstoß für die Beschäftigung mit dieser Thematik gegeben hat. Zudem möchte ich Prof.in Schnegg dafür danken, dass sie die Betreuung dieser Arbeit übernommen, mir unzählige Tipps gegeben und mir die nötige Geduld entgegengebracht hat. Vertieft wurde dieses anfängliche Interesse durch Dr. Markus Handy, der mir in einer Lehrveranstaltung über die Grundlagen der lateinischen Epigraphik das römische Heer als Forschungsgebiet näherbrachte. Einen ersten Einblick in die Thematik des Vier-Kaiserjahres erhielt ich während der Recherche für meine Bachelorarbeit, die durch Prof. Mag. Dr. Christoph Ulf betreut wurde. Besonders möchte ich Prof. Ulf für seine kritischen Anregungen danken, die sich im Verlauf meines weiteren Studiums als elementar erwiesen haben. Speziell zu Beginn meines Masterstudiums prägten mich die Lehrveranstaltungen von Ass.-Prof.in Dr.in Mag.a Irene Madreiter, Prof.in Dr.in Sabine Müller und Dr.in Sabine Fick, in denen ich besonders mit der Methode der Quellenkritik vertraut gemacht wurde. In den Seminaren von assoz. Prof.in Mag.a Dr.in Brigitte Truschnegg und Mag. Dr. Sebastian Fink wurde mir die Möglichkeit gegeben meine Begeisterung für die römische Armee noch zu vertiefen, wofür ich den Angesprochenen sehr danke. Für seine hilfreichen Kommentare und Anekdoten, die mich stets zum Nachdenken angeregt haben, möchte apl. Prof. Dr. Christian Mileta danken. Einen besondern Dank richte ich an Mag.a Alissa Drussnitzer und Dipl.-Päd.in Christa Drussnitzer, die zahlreiche Stunden in das Lesen meiner Arbeiten investiert haben sowie Dolores Dollnig, Julia Mitteregger, MA, Mag. Tarek Elthanaihi, BA, Mag. Jack Schropp und Mag.a Sabrina Buchebner, die mich das ganze Studium über begleiteten. Zu guter Letzt bin ich Mag.a Simone Pittl zu besonderem Dank verpflichtet, denn ohne Mag.a Pittl hätte ich nie den Mut aufgebracht, mich für dieses Studium zu begeistern.

Innsbruck, im Oktober 2018

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Inhaltsverzeichnis 1.) Einleitung ...... 5 2.) Forschungsgeschichte ...... 8 3.) Die soziale Stellung der Soldaten ...... 12 3.1) Beweggründe für den Eintritt in die Legion ...... 12 3.2) Sold ...... 15 3.2.1) Entwicklung der Soldzahlungen von der mittleren Republik bis Domitian ...... 16 3.2.2) Die „neronische“ Münzreform ...... 18 3.2.3) viaticum, Entlassungsgeld und Soldabzüge ...... 19 3.2.4) Soldkürzungen als Bestrafung ...... 20 3.3) Donativ ...... 21 3.3.1) Die Entwicklung des „kaiserlichen Geldgeschenks“ von bis Claudius .. 21 3.3.2) Kaisereid und ...... 24 3.3.3) Die „Zahltage“ des Donativs im 1. Jh. n. Chr...... 25 3.3.4) Außerordentliche donativa von Augustus bis Vespasian ...... 26 3.3.5) Die Geldgeschenke der römischen Generalität in der Prinzipatszeit ...... 27 3.3.6) Das Geldgeschenk als Medium im Vier-Kaiser-Jahr ...... 27 3.4) Beute ...... 30 3.4.1) Beuteausgleichszahlungen ...... 30 3.4.2) Woher stammte die Kriegsbeute? ...... 31 3.4.3) Der Plünderungsvorgang ...... 31 3.5) Korruption und Glücksspiel ...... 33 3.5.1) Bestechung, Erpressung und Korruption ...... 33 3.5.3) Glücksspiel ...... 34 3.6) „Finanzielle Gründe“ für die Unterstützung eines Machthabers im 1. Jh. n. Chr...... 35 4.) Die Usurpation als „Staatsform“ und die Folgen für die unterlegenen Legionäre ...... 37 4.1) Dezimierung ...... 38 4.2) Todesstrafe ...... 40 4.3) Strafversetzung, Degradierung bzw. Demütigung ...... 41 4.4) Der Status der Legionäre bei der Entlassung ...... 43 4.4.1) Die ehrenhafte Entlassung ...... 44 4.4.2) missio ignominiosa ...... 45 4.5) Begnadigung ...... 47 5.) Der Aufstand der germanischen Legionen ...... 49 5.1) Die Ausgangslage der germanischen Legionen 68 n. Chr...... 49 5.2) Die Erhebung des Vindex und das Handeln der Mainzer Legionen ...... 51 5.3) Die Geschehnisse nach der Schlacht von Vesontio bis zur Kaiserernennung Galbas ... 54

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5.4) Vitellius übernimmt den militärischen Oberbefehl im niedergermanischen Militärbezirk ...... 56 5.4.1) Die Vermögenswerte des Vitellius ...... 57 5.4.2) Die Machtergreifung des Vitellius ...... 59 5.5) Gründe für das Handeln der Zentralverwaltung unter Galba ...... 60 6.) Die Situation an der Donau 69 n. Chr...... 63 6.1) Der Umgang des Vitellius mit dem exercitus Romanus ...... 63 6.1.1) Die Reorganisation der Prätorianergarde ...... 63 6.1.2) Die Sanktionierung der Streitkräfte des Otho ...... 64 6.1.3) Die Konsequenz aus den vitellianischen „Heeresreformen“ ...... 66 6.2) Vespasian erhebt sich gegen Vitellius ...... 68 6.2.1) Die Vereidigungen der Ostlegionen auf Galba, Otho und Vitellius ...... 69 6.2.2) Der Abfall der östlichen Streitkräfte von Vitellius ...... 70 6.3) Die Lage zwischen den beiden Schlachten bei Bedriacum ...... 71 7.) Die gescheiterten Usurpationen des Scribonianus und des Clodius Macer ...... 74 7.1) Die Erhebung des Scribonianus in Dalmatien ...... 74 7.2) Die Erhebung des Clodius Macer in Afrika ...... 77 7.3) Die Folgen der Umsturzversuche des Scribonianus und des Clodius Macer ...... 80 8.) Fazit ...... 82 9.) Abkürzungsverzeichnis ...... 86 10.) Literaturverzeichnis: ...... 87 10.1) Quellen ...... 87 10.2) Sekundärliteratur ...... 89

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1.) Einleitung Bereits der antike Autor Tacitus war sich der Bedeutung der finanziellen Mittel im Streit um die Macht in Rom bewusst, als er in den Historien schreibt, die Finanzen wären wichtiger als die Schwerter der Soldaten (hist. 2,32,2). Besonders in der Zeit der ersten großen Krise im frühen Prinzipat (68/69 n. Chr.) lässt sich beobachten, dass die entscheidende Rolle im Machtkampf zunehmend den Provinzheeren zufiel und die Reichsverwaltung in Rom mehr und mehr dezentralisiert wurde. Dadurch wird ersichtlich, dass die breite Masse der Reichsbewohner in das periphere Zentrum rückte und wesentlich für die aus den oberen Gesellschaftsschichten stammenden Machthaber Partei ergriff. Untersuchungen zur kaiserzeitlichen Gesellschaftsordnung widmen sich jedoch weniger den cives, als den an der Spitze des Römischen Imperium stehenden Gruppen – dem Senat und dem ordo equester. In erster Linie ist diese verstärkte Konzentration auf die zwei oberen ordines der Quellenlage geschuldet, die aufgrund literarischer, numismatischer und epigraphischer Evidenzen den Senatoren- und Ritterstand sowie die ordines decurionum1 der Kaiserzeit besser fassbar macht als andere soziale Gruppen des Reiches. Zum Ausdruck gebracht wird dies durch Modellentwürfe einer „römischen Gesellschaft“, wie jene von G. Alföldy oder A. Winterling, die einen pyramidalen bzw. kegelstumpfartigen Aufbau vertreten. Nach Alföldy gliedert sich die Herrschaftspyramide wie folgt: Die oberste Position nimmt der princeps ein, darunter positioniert Alföldy den Senat, gefolgt von den Rittern und den Reichseinwohnern mit oder ohne Bürgerrecht2. Greifbarer werden diese in den Quellen marginalisierte Gruppen, wenn man das römische Heer als gesamtgesellschaftlichen Nukleus näher betrachtet, da es dort zu einer Interaktion zwischen Senatoren, Rittern und cives Romanorum kam. Dadurch rückt der einfache Soldat ins Zentrum der Aufmerksamkeit. Erste Rückschlüsse auf diese Gruppe gibt z. B. die Gliederung der militärischen Ränge, welche die soziale Stratifizierung der zivilen Gesellschaft in einem gewissen Ausmaß widerspiegeln: An der Spitze einer Legion stand ein legatus legionis, der wie sein Stellvertreter, der tribunus laticlavius, dem Senat angehörte. Ihnen folgten in der Rangordnung die fünf tribuni angusticlavii, welche dem ordo equester entstammten; den breiten Unterbau bildeten schließlich die das römische Bürgerrecht besitzenden rund 4.500

1 Siehe dazu Alföldy 2011, S. 138–175; vgl. Christ 2001, S. 61–67. K. Christ verwendet als Bezeichnung für die oberen sozialen Schichten in der römischen Kaiserzeit Senatoren, Ritter und Municipalaristokratie. 2 Ausführlich dazu Winterling 1998, S. 5–10; 12-15. Winterling 2001, S. 99–103; 106–108. A. Winterling gibt an, dass eine Gesellschaftsordnung im frühen Prinzipat nicht eindeutig feststellbar ist. Winterling skizziert anhand der lex de imperio Vespasiani und zweier Briefe des Plinius, dass eine Rangordnung in der frühen römischen Kaiserzeit zwar existierte, aber auch vom princeps ausgesetzt werden konnte. Siehe dazu Alföldy 2011, S. 196–202. In der Darstellung der „römischen Gesellschaft“ als Pyramide deutet G. Alföldy zwar einen Stände-ähnlichen Aufbau an, doch definiert Alföldy keine eindeutigen Grenzen zwischen den Rängen. 5

milites3. Zudem können durch Grabsteine und Militärdiplome Rückschlüsse auf das Leben der unteren Heeres-Chargen in der Zeit des frühen Prinzipats gezogen werden. Eingang in die literarischen Quellen fanden römische Soldaten besonders in Krisensituationen des Imperium Romanum. Im Speziellen ist hier der Zeitraum zwischen 68 und 69 n. Chr. zu nennen, wo große Teile der Provinzheere das erste Mal drei Feldherren zum Kaiser ausriefen, welche nicht in Rom durch den Senat akklamiert wurden. Ihre Unterstützung sicherten sich die einzelnen Machthaber durch die Auszahlung eines Donativ im Rahmen ihrer Kaiserausrufung. Seit Augustus hatte sich das Geldgeschenk als entscheidendes Element etabliert, durch das sich die Kaiser einerseits die Unterstützung der Armee sicherten und andererseits ein loyales Abhängigkeitsverhältnis zwischen princeps und exercitus Romanus erzeugten. In Anbetracht dieser Tatsachen verwundert es umso mehr, dass Galba es 68 n. Chr. unterließ, an die Rheinlegionen ein entsprechendes donativum zu bezahlen. Im Gegensatz dazu konnte der von ihm im niedergermanischen Militärbezirk als Oberbefehlshaber eingesetzte Vitellius durch ein derartiges Geldgeschenk Ende 68 n. Chr. die Legionen an sich binden und in der Folge die Herrschaft von Galba und später Otho erfolgreich usurpieren. Es stellt sich nun die Frage, ob Galba das Antrittsdonativ nicht gewährte, da er es als Sanktionierung gegenüber der ihm anfänglich nicht loyalen Truppen ansah oder aufgrund der angespannten finanziellen Lage nicht vergüten konnte. Ausgehend von dieser Fragestellung muss zuerst die soziale Stellung der Soldaten sowie die Entwicklung des Donativs von Augustus bis Galba aufgezeigt werden, um feststellen zu können, inwiefern sich die Bindung zwischen Kaiser und Soldaten in der Zeit des frühen Prinzipats dadurch verändert hatte. In einem weiteren Schritt werden die im 1. Jh. n. Chr. angewandten Militärstrafen dargestellt4, um darzulegen, welche Konsequenzen die Legionäre zu erwarten hatten, wenn sie dem princeps ihre Loyalität verweigerten. Dadurch wird es möglich, die Ereignisse im Vier-Kaiser-Jahr besser verstehen zu können, was am Beispiel der legiones IV. Macedonica et XXII. Primigenia aus Mogontiacum skizziert werden soll. Abschließend wird anhand der gescheiterten Usurpationen des Scribonianus in Dalmatien und des Clodius Macer in der Provinz Africa Proconsularis sowie der Handlungsweise der

3 Alföldy 2000, S. 34–35. 4 In Bezug auf die im 1. Jh. n. Chr. angewandten Militärstrafen wird bei der Quellenanalyse auf die Rechtssammlungen des Codex Theodosius II. bzw. Valentinian III. sowie des Iustinianus I. verzichtet, da diese Schriften erst im 5. bzw. 6. Jh. zusammengestellt wurden und dem Zitiergesetz von Theodosius II./Valentinian III. unterlagen. Nach dem Codex Theodosianus sind lediglich die Rechtsmeinungen von Caius, Papinian, Ulpian, Iulius Paulus und Herennius Modestinus heranzuziehen, welche im 2. bzw. 3. Jh. n. Chr. wirkten (Cod. Theod. 1,4,3). Für die Arbeit werden hauptsächlich Werke von Autoren verwendet, die im 1. Jh. n. Chr. als Zeitzeugen herangezogen werden können. 6

Donaulegionen nach der ersten Schlacht von Bedriacum dargetan, dass die Provinzheere ihr politisches Machtpotential erkannt hatten und dieses zu ihren Gunsten einsetzten.

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2.) Forschungsgeschichte R. Syme initiierte 1957 mit seinen Beobachtungen in „The Friend of Tacitus“ eine Forschungskontroverse in Bezug auf die militärische Obrigkeit im Imperium Romanum, die bis heute ihre Fortsetzung findet5. Durch die vita des Fabius Iustus, welche in den Briefen des in traianischer Zeit als Konsul eingesetzten Plinius beschrieben wird, erkennt Syme ein speziell vom Kaiser begünstigtes militärisches Klientel6. Syme stützt sich bei seinen Ausführungen auf die Untersuchungen von E. Birley, der 1953 diese militärische Elite von der römischen Generalität separierte, ohne diese dem terminus technicus „viri militares“ unterzuordnen7. Diesen Aspekt greifen G. Alföldy 1969 und W. Eck 1974 auf und identifizieren Regeln nach denen die politischen Ämter in Rom besetzt wurden. Diese Organisation der Posten soll bereits unter Augustus ausgearbeitet worden sein, so Alföldy und Eck8. Alföldy bezieht sich hier auf den zu Beginn des 3. Jh. n. Chr. wirkenden Senator Cassius Dio, der von einem Gespräch zwischen Augustus, Agrippa und Maecenas erfahren haben soll, in dessen Rahmen die Frage nach den geeignetsten Männern für die oberste Heeresführung thematisiert wurde9. Dem gegenüber steht B. Campbell: In seinen Ausführungen von 1975 erörtert Campbell die viri militares anhand von vier Textstellen aus Werken (Historien, Annalen und Agricola) des gegen Ende des 1. Jh. bzw. im beginnenden 2. Jh. n. Chr. wirkenden Senators Tacitus. In allen exempla ist von viri militares die Rede, aber nicht im Sinne einer eigenen Gruppierung. Vielmehr verwendet Tacitus den besagten terminus als Epitheton, um die Fähigkeiten der in den Texten beschriebenen römischen Generäle zu erläutern. Mit keinem Wort spricht der Senator von einer separaten Heereselite10. Im Verlauf seines Aufsatzes präsentiert Campbell eine prosopographische Liste von 73 bekannten Karrieren, die im Zeitraum von Vespasian bis Severus Alexander ein oder mehrere militärische Ämter bekleideten. Auf diese Aufzählung basierend zeigt Campbell auf, dass die von Syme erarbeiteten Charakteristika für die viri

5 Syme 1957, S. 132. 6 Plin. 1,11. Vgl. dazu die Interpretation bei Syme 1957, S. 132. Zwischen Dezember 96 und Oktober 97 n. Chr. hatte Fabius Iustus das Kommando über eine Legion inne, trat aber bis zum Ende des 1. Dakerkrieges nicht weiter politisch in Erscheinung. Nach 101/102 n. Chr. erhielt Iustus das Konsulat, was für Syme aufzeigt, dass Fabius Iustus durch militärisches Geschick in der ersten traianischen Konfrontation mit Decebalus hohes Ansehen beim Kaiser gewonnen haben musste. Dadurch ist es nach Syme möglich, dass Iustus beinahe den gesamten cursus honorum überspringen und ohne je Ädil bzw. Prätor gewesen zu sein die Konsulatswürde antreten konnte. Als Bestätigung für seine Behauptung führt Syme noch die Karrieren des A. Cornelius Palma und Q. Sosius Senecio an, die so wie Fabius Iustus durch militärische Erfolge möglicherweise die Ämterlaufbahn übersprungen haben. Syme geht hier von einer lückenlosen Lebensbeschreibung aller drei hier genannten römischen Männer aus, lässt dabei aber die fragmentarische Überlieferung seiner Beispiele außer Acht. 7 Birley 1953, S. 204–205. 8 Ausführlich bei Alföldy 1969, S. 233–235. Aufzeigen der Beförderungskriterien bei Eck 1974, S. 172–200. 9 Dio 52,8,4. 10 Campbell 1975, S. 11–12. 8

militares nur für neun curriculae vitae der uns bekannten Senatoren bzw. Ritter anwendbar sind. Durch diese Analyse widerlegt Campbell die von Birley und Syme prolongierte speziell vom Kaiser geförderte Gruppe elitärer römischer Militärs11. Auf der Untersuchung von Campbell aufbauend sprechen sich Eck und Alföldy in der Folge – beide Forscher schließen sich zu großen Teilen der Meinung Campbells an – gegen die viri militares aus, die E. Flaig 1992 in seiner Habilitationsschrift entschieden ablehnt12. Eine neue Perspektive bietet A. R. Birley mit seinem Aufsatz „Locus virtutibus patefactus“, in dem er den von Campbell erarbeiteten Listen Ungenauigkeit vorwirft und weitere senatorische Laufbahnen darlegt, die für A. Birley als Beleg für die viri militares gelten13. In Summe legt A. Birley 81 Karrieren vor, von denen 30 eine „schnellen“ Aufstieg erfuhren. Darunter versteht A. Birley ein Kommando über eine Legion und maximal ein weiteres Amt vor dem Konsulat, erachtet aber die Statthalterschaft einer prätorischen Provinz nicht mehr als notwendiges Kriterium14. Die unterschiedlichen Resultate von Campbell und Birley führt J. Geisthardt auf die veränderten Charakteristika von A. Birley zurück. Die Aufzählungen Campbells beruhen im Gegensatz zu jenen von A. Birley auf der viri militares-Definition von Syme15. Die von A. Birley erarbeiteten Merkmale beziehen sich zwar auf Erwähnungen von viri militares in den literarischen und epigraphischen Quellen, doch bemerkt Geisthardt, dass es sich dabei lediglich um Charaktereigenschaften der beschriebenen Protagonisten handelt16. Geisthardt lehnt die Argumentation von A. Birley zwar ab, räumt aber ein, dass ohne die loyal zum römischen Kaiser stehende Generalität dieselbe eine ernsthafte Bedrohung für den princeps dargestellt hätte17. Durch diesen seit 1953/1957 andauernden Forschungsdisput wird die eingeschränkte Perspektive auf die militärische Führung in der römischen Armee eindrucksvoll zum Ausdruck gebracht.

11 Campbell 1975, S. 12–17. Speziell bei Campbell 1975, S. 17 zeigt dieser auf, dass das von Syme postulierte frühe Konsulat ein Hauptmerkmal für einen vir militaris wäre, lediglich die Ausnahme darstellte und nichtzutreffend ist. Syme verwendet Agricola, Larcius Priscus, Iulius Proculus, Pompeius Flaco, Quadratus Bassuns und L. Minicius Natalis für seine Argumentation. Campbell sieht als Grund für das frühe Konsulat der oben genannten, entweder deren noble Abstammung – wie beispielsweise im Fall von Galba, Vitellius, Traian oder Hadrian – oder die guten Beziehungen zum Kaiser, die u. a. Q. Veranius mit Claudius pflegte. 12 Zuletzt dazu Eck 2015a, S. 626-630. Besonders bei Eck 2015a, S. 628 spricht sich der Autor für eine Regelmäßigkeit in der Vergabe der politischen bzw. militärischen Ämter aus und deutet eine Affinität zu Ordnungsschemata wie den Kriterien für die Zugehörigkeit zu den viri militares an. Flaig 1992, S. 569–573. 13 Birley 1992, S. 31–40. 14 Birley 1992, S. 39. 15 Geisthardt 2013, S. 41–42. Geisthardt 2015, S. 14. 16 Geisthardt 2013, S. 42. Der Autor nennt hier exemplarisch Vespasian und Corbulo, die von Tacitus (Tac. hist. 2,75,1 bzw. ann. 15,26,3) nicht einer eigenen Gruppierung zugerechnet, sondern vielmehr als militärisch fähige Männer angesehen werden. 17 Geisthardt 2015, S. 18–20. 9

Eine andere Sichtweise auf das römische Heer präsentieren G. Wesch-Klein, B. Campbell, P. Southern und S. Phang. Alle genannten AutorInnen skizzieren eine Entwicklung des römischen Heereswesens von der Republik bis in die Spätantike mit dem Fokus auf den Soldaten und versuchen dabei Aspekte wie Rekrutierung, Besoldung, soziale Situation und Bestrafung zu berücksichtigen18. Dazu verwenden die ForscherInnen eine Gliederung des Betrachtungszeitraums in späte Republik, Frühes Prinzipat und 2./3. Jh. n. Chr. Besonders differenziert betrachtet werden müssen ihre Ansichten in Bezug auf Militärstrafen, da die Ausführungen der WissenschaftlerInnen überwiegend auf den Textstellen der antiken Autoren Caius, Papinian, Ulpian, Iulius Paulus und Herennius Modestinus sowie dem Codex Theodosianus bzw. Iustinianus beruhen: Als Hilfspersonal der Gerichtsbarkeit bei Vergehen gegen die disciplina militaris benennt G. Wesch-Klein ab severischer Zeit die principales und beruft sich dabei auf eine Quellenstelle in den Digesten (Dig. 48,20,6)19. Die Digesten stützen sich auf die Rechtsschrift des Theodosius II. bzw. Valentinian III. und unterlagen dem Zitiergesetz der beiden genannten Kaiser, wonach nur die Rechtsmeinungen von Caius, Papinian, Ulpian, Iulius Paulus und Herennius Modestinus galten (Cod. Theod. 1,4,3). Zwar wirkten besagte Literaten im 2. bzw. 3. Jh. n. Chr., doch liegt zwischen dem Verfassen des Codex Iustinianus und der severischen Herrschaft ein Zeitraum von rund 300 Jahren. Eine auf den Digesten basierende Argumentation für den Einsatz der principales in Bezug auf den Strafvollzug ab severischer Zeit ist daher nicht nachvollziehbar. Bei der Beschreibung der öffentlichen Demütigung als Bestrafung für Soldaten skizziert S. Phang die Situation zu Beginn 69 n. Chr. im nieder- und obergermanischen Militärbezirk, wo Vitellius die ihm illoyalen Legionäre degradierte, deren Sold reduzierte oder sie zu Hilfseinheiten versetzen ließ (Tac. hist. 1,52. Suet. Vit. 8,1). Phang verwendet als Nachweis für diese Art der Bestrafung ein Zitat aus den Digesten (Dig. 49,16,3,1), was aufgrund der zeitlichen Distanz kritisch zu sehen ist20. Durch diese exempla wird einerseits verdeutlicht, wie schwierig die Gruppe der Soldaten selbst in den antiken Quellen und andererseits die soziale Situation der milites im Verlauf der römischen Kaiserzeit fassbar ist. Trotz der ungenügenden Quellensituation soll in dieser Arbeit versucht werden, auf Überlieferungen nach der severischen Zeit zu verzichten. Der Fokus bei der Quellenanalyse liegt auf jenen Zeugnissen, die aus dem 1. Jh. n. Chr. stammen oder von Akteuren verfasst

18 Wesch-Klein 1998. Phang 2001. Campbell 2002. Southern 2007. Phang 2008. 19 Wesch-Klein 1998, S. 148. 20 Phang 2008, S. 144. 10

wurden, die in den Dekaden nach Christi Geburt gewirkt haben. Dadurch wird es möglich sein die Situation der römischen Legionäre im 1. Jh. n. Chr. nachvollziehbar darzustellen.

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3.) Die soziale Stellung der Soldaten Die römischen Legionäre werden in den antiken Quellen als eigene Gruppe beschrieben und unterhalb der senatores et equites aber oberhalb der Auxiliare und Unfreien positioniert21. Vergleicht man die Strukturierung der römischen Armee mit jener der römischen Zivilgesellschaft, so nehmen nach Tacitus die Soldaten einen mit der plebs in Rom vergleichbaren Platz ein22. Zusätzlich wird die Rangordnung bzw. soziale Abstufung im Heer durch entsprechende Besoldung, Auszeichnungen, abgeleistete Dienstjahre und der Größe der Unterkünfte verdeutlicht23. Diese Gesichtspunkte lassen sich verstärkt seit der Regentschaft des Augustus beobachten24. Spätestens ab severischer Zeit kann eine Zunahme dieser Situation skizziert werden, wie uns durch den unter Severus Alexander zum zweiten Mal Konsul gewesene Senator Cassius Dio überliefert ist. In den einzelnen Truppengattungen war die hierarchische Gliederung im Übergang vom 2. ins 3. Jh. n. Chr. so stark ausgeprägt, dass beispielsweise die Versetzung der Soldaten in Einheiten mit „niedrigerem Rang“ (mutatio militae) als Bestrafung für fehlbare Soldaten angewandt wurde25.

3.1) Beweggründe für den Eintritt in die Legion In der Regierungszeit des Augustus begannen die Militärs ihren Dienst in der Armee entsprechend ihrer sozialen Ränge in der Gesellschaft: Die cives Romani als Legionäre, Angehörige einer Municipalaristokratie als Centuriones bzw. eques als tribuni oder praefecti26. Diese durch die Armeezusammensetzung ersichtliche Gliederung der Gesellschaft beschränkte sich nicht nur auf Rom, sondern lässt sich im gesamten Imperium Romanum verfolgen: Die Einwohner Italiens und der römischen Kolonien dienten in den Legionen bzw. den stadtrömischen Eliteeinheiten, wohingegen die männliche Provinzbevölkerung den größten Teil der Flottensoldaten bzw. Hilfstruppen stellte27. Durch den Militärdienst hatte ein römischer Bürger die Möglichkeit sozialen Aufstiegs und daran gekoppelt das römische Bürgerrecht, das ius conubium, und mit der honesta missio eine Gratifikation und Landerwerb zu erlangen. Das römische Heer stellte die einzige Möglichkeit dar, von der Basis der sozialen

21 Alföldy 2000, S. 35. 22 Tac. Ann. 1,16–18. 23 Alföldy 2000, S. 38. 24 Speidel 2000, S. 68. In Rom gliederte sich die Stellung nach Sold in cohortes praetoriae, cohortes urbanae und cohortes vigilum und in den Provinzen nach legiones, alae, cohortes, classes und nationes/numeri 25 Dio 80,3,5. 26 Dahlheim 2000, S. 201. Die höheren Offiziere und Kommandeure rekrutierten sich aus dem Senatoren- bzw. Ritterstand. Sie waren keine Berufssoldaten und kehrten nach wenigen Jahren wieder in ihr ziviles Leben bzw. in ihre politische Laufbahn zurück. 27 Dahlheim 2000, S. 201. 12

Gesellschaftspyramide in die Führungsriege zu gelangen, wobei sich der Aufstieg immer daran orientierte, mit welchem Status man in die Armee eintrat28. Zudem bot die römische Armee einem Soldaten über einen längeren Zeitraum eine finanzielle Sicherheit bzw. ausreichend Versorgung durch Lebensmittel und Kleidung. Trotz des Risikos im Kriegsfall getötet zu werden, konnte kein Zivilberuf einem Reichsbewohner eine derartige Sicherung der eigenen Existenz bieten29. Einhergehend mit der Verbesserung der eigenen Lebensumstände stellte die Solderhöhung einen zusätzlichen Anreiz für die römischen Bürger dar in die Legion einzutreten. So beinhaltete die Beförderung eines einfachen Legionärs unter Augustus z. B. in den Rang der principales eine Verdopplung des Soldes. Wie stark differenziert sich die soziale Gliederung im Heer durch das Einkommen der Soldaten ausdrückte, zeigt der Unterschied im Jahresgehalt zwischen einem Legionär der untersten Besoldungsklasse und dem eines Offiziers, der die erste Zenturie der ersten Kohorte befehligte: Der einfache miles gregarius erhielt ein stipendium von 12.000 Sesterze und im Gegensatz dazu ein primus pilus 600.000 Sesterze30. Der soziale Aufstieg war stark hierarchisch gegliedert, wie die folgenden exempla verdeutlichen: So stellte das Bürgerrecht den höchsten erreichbaren sozialen Aufstieg für Auxiliare dar, das sie (spätestens seit Claudius) nach 25 Jahren Dienstzeit erhielten. Legionäre konnten bis in den Rang eines Zenturios aufsteigen, centuriones hatten die Möglichkeit in den ordo equester aufgenommen zu werden und Angehörige der Ritterschaft war es möglich mittels militärischer Leistungen und mit der Gunst des princeps in den Senatorenstand erhoben zu werden. Dieser Umstand hebt einerseits die Darstellungsform der römischen Armeehierarchie als pyramidalen Aufbau und andererseits die größten Aufstiegsmöglichkeiten für die untersten Stufen, die cives Romanos et peregrinos, hervor31. Das exercitus Romanus setzte sich aus verschiedenen sozialen Schichten zusammen und fungierte aufgrund der unterschiedlichen ethnischen Zusammensetzung auch als Bindeglied zwischen den unterschiedlichen Reichsteilen32. Spätestens die Bürgerkriege der ausgehenden Republik haben verdeutlicht, dass die Loyalität der römischen Soldaten nicht nur auf die Bindung zu ihrem jeweiligen Feldherrn zurück zu führen war. In erster Linie ergriffen die Legionäre wohl aufgrund finanzieller Vorteile Partei für eine Seite33. Im Laufe der römischen

28 Alföldy 2000, S. 39. Campbell 2002, S. 34. Zumindest bestand während der römischen Kaiserzeit die theoretische Möglichkeit bis in das Amt des princeps aufzusteigen. Als Beispiel für einen Aufstieg aus dem Ritterstand bis hin zum Kaiser kann hier Macrinus angeführt werden. 29 Pollard/Berry 2013, S. 17. 30 Speidel 2000, S. 71. 31 Dahlheim 2000, S. 201. Vgl. Alföldy 2000, S. 40. 32 Alföldy 2000, S. 43. Dahlheim 2000, S. 200. Dieser schnelle soziale Aufstieg für derart viele Reichseinwohner war im zivilen Leben auf einer so breiten Ebene nicht möglich. 33 Speidel 2000, S. 65 bei App. civ. 3,40-45. 13

Kaiserzeit wurde mit dem Selbstmord Neros verdeutlicht, dass der Machtanspruch eines Usurpators in erster Linie durch die Stärke der ihn unterstützenden Heeresteile begründet wurde. Diese Unterstützung sicherten sich die jeweiligen Machthaber durch Versprechungen an ihr Heer, wie angemessene Versorgung, Beute oder Solderhöhungen34. Aufgrund dieser Tatsache musste sich ein Kaiser bzw. Usurpator immer darüber bewusst sein, wer ihm die Position des princeps sicherte und keinesfalls die Kontrolle über die Armee verlieren35. Welche Macht von den Soldaten ausging musste Tiberius 14 n. Chr. erfahren, als die pannonischen Legionen aufgrund der Verzögerung anstehender Soldzahlungen bzw. Entlassungen meuterten. In diesem Zuge forderten die Legionäre Solderhöhungen, Dienstzeitverkürzungen und die Einhaltung von Verträgen. Tiberius gewährte zwar die Forderungen zur Beendigung der Meuterei, nahm die Zugeständnisse aber bereits 15 n. Chr. wieder zurück36. Neben den Soldzahlungen erhielten die Soldaten seit Augustus weitere Zahlungen, wie donativa oder Naturalleistungen (annonae)37. Unter einem Donativ wurden Geldgeschenke verstanden, die in regelmäßigen Abständen vom Kaiser an die milites bezahlt wurden. Die Höhe des Geldgeschenkes war an die Heereshierarchie gekoppelt, sodass sich die Höhe des Geldgeschenkes am entsprechenden Dienstgrad orientierte38. Das Donativ stellt neben dem Sold eine weitere Möglichkeit dar, den sozialen Status innerhalb der Armee auszudrücken. Zusätzlich ergaben sich für die Soldaten in kriegerischen Auseinandersetzungen Möglichkeiten ihre Einkünfte durch Beuteerträge aufzubessern39. Die Feldzugsbeute fiel zwar rechtlich dem römischen Staat/dem kaiserlichen Fiskus zu, doch konnte der Kaiser als Oberbefehlshaber des Heeres Beute an die Soldaten verteilen bzw. das Plündern erlauben40. Zur Zeit der römischen Republik erfuhr die Armee keine wirtschaftliche Versorgung während der Kriegseinsätze oder Zuwendung im Ablebensfall durch den Staat. Mit Beginn der Kaiserzeit änderte sich diese Situation. Seit Augustus hatten Legionäre Anspruch auf eine praemia41. Diese einer Altersvorsorge ähnliche Zahlung setzte sich aus einem Anteil des Soldes zusammen, der eine Art Rentenversicherung bzw. Begräbniskasse enthielt. In beiden Fällen wurden die Gelder durch den signifer verwaltet. Verschied der Soldat im Laufe seiner Dienstzeit, so wurden die Begräbniskosten und der Nachruf aus der Begräbniskasse bezahlt.

34 Dahlheim 2000, S. 202. 35 Dahlheim 2000, S. 214. Dazu mussten die Soldaten auch wieder aus der Politik zurückgedrängt werden. 36 Tac. ann. 1,17; 26; 31;35–39; 78. Suet. Tib. 24,48. 37 Wesch-Klein 1998, S. 48. 38 Jahn 1984, S. 54. 39 Ios. bell. Iud. 1,7,1,3. 40 Schmetterer 2012, S. 37. Der Plünderungsvorgang war rechtlich nicht verankert und entsprach mehr einer Tradition. 41 Sander 1958b, S. 180. Phang 2008, S. 153. 14

Außerdem hatte ein Soldat, sofern er durch die honesta missio nach Ablauf seiner Dienstzeit aus der Legion verabschiedet wurde, Anspruch auf dieses beim signum deponierte Geld42. Zudem erhielt der Legionär neben der finanziellen Sicherheit durch den Sold eine Reihe weiterer Einnahmequellen, wie die Zollbefreiung auf bestimmte Güter. Von der Verzollung ausgenommen war alles, was der Soldat zu seiner eigenen Ernährung und zu seinem eigenen Gebrauch mit sich führte43. Der Militärdienst in der Legion bedeutete für die Söhne auch eine gewisse finanzielle Unabhängigkeit von ihren Familien. Sie konnten über das peculium castrense frei verfügen44. Durch die feste Bindung von Rang, Sold, Dienstzeit, Zuwendungen und Gratifikationen war das römische Heer, in dem jeder Soldat durch seine Truppenzugehörigkeit und seinen Rang eine klar definierte Stellung einnahm, in seiner Gesamtheit transparent45.

3.2) Sold Das römische Heer bestand in republikanischer Zeit aus einem Milizkorpus, der sich in Kavallerie und Infanterie gliederte. Der Verfasser der Doppelbiographen, Plutarch, gibt in seinen Beschreibungen über Romulus an, dass es bereits in der Frühzeit Roms eine Armee von 3.000 Fußsoldaten und 300 Reitern gegeben haben soll. Plutarch überliefert, dass Romulus die Soldaten selbst einteilte, nachdem er sie einzeln unter seinen Männern ausgewählt hatte46. Der antike Autor hebt hier nicht nur die mythische Gestalt des Romgründers hervor, sondern beschreibt die erste Armee Roms als reinen Milizkorpus. Bis ins 2. Jh. v. Chr. blieb der milizartige Charakter des römischen Heeresverbandes bestehen, bis das Militärwesen durch die Reformen des C. Marius (um 100 v. Chr.) eine strukturelle Adaption erfuhr. Marius wird in wissenschaftlichen Schriften über die römische Armee als Begründer des römischen Berufsheeres angesehen47. Als wesentliche Neuerung führte der sieben Mal Konsul gewesene Marius ein regelmäßiges stipendium für die Legionäre ein und initiierte damit diese Zahlung als Grundlage für die spätere Besoldung in der römischen Kaiserzeit48. Zudem bedeutete die Reorganisation des exercitus Romanus, dass sowohl Ausrüstung und Verpflegung der milites als auch deren Sold aus öffentlicher Hand finanziert wurden. Die Rekrutierungskosten für die Legionen konnten im Laufe des 1. Jh. n. Chr. durch die Vielzahl der Kriegszüge nicht mehr von

42 Sander 1958b, S. 181–182. 43 Wesch-Klein 1998, S. 45. 44 Wesch-Klein 1998, S. 47. Zum peculium castrense gehörten: Sold, Donativ, Entlassungsgeld, Erbschaften von ex castris noti und Beute. 45 Speidel 2000, S. 71. 46 Woraus sich der Begriff legio für Legion ableiten lässt. Plut. Rom. 13,1. 47 Exemplarisch dazu Pollard/Berry 2013, S. 19–20 oder Fischer 2012, S. 16. 48 Southern 2007, S. 94–95. 15

der Staatskasse aufgebracht werden, sodass die Promagistrate und Feldherrn die Legionäre aus eigener Hand versorgen mussten49. Durch diesen Prozess erhielten die Generäle der späten Republik einerseits ein entsprechendes Machtpotential und andererseits generierten die Machthaber ein Abhängigkeitsverhältnis zwischen ihnen und ihren Truppen. Dies hatte zur Folge, dass sich die Legionäre beispielsweise bei der Sicherung ihrer Ansprüche an „ihren“ Befehlshaber wenden konnten. Als Nachweis kann hier die lex de agro Campano genannt werden, die 59 v. Chr. von Caesar mit der Unterstützung des Pompeius im Senat durchgesetzt wurde50. Durch diese lex erhielten die Veteranen von Pompeius Land in Kampanien, das ihnen von der Zentralverwaltung in Rom bis dato nicht gewährt worden war51. Für K. Christ erkannten die Soldaten der späten Republik, dass die öffentlichen Einrichtungen in Rom wie Senat, Volkstribunat oder consilium plebis nicht mehr in der Lage waren ihre Interessen zu wahren und dass ihre materielle Existenz untrennbar mit Erfolg bzw. Niederlage ihres Feldherrn verbunden war52.

3.2.1) Entwicklung der Soldzahlungen von der mittleren Republik bis Domitian Betrachtet man die Entwicklung der römischen Armee von ihren Anfängen in der Frühzeit Roms bis zum Zusammenbruch des weströmischen Reichs im 5. Jh. n. Chr., so fällt auf, dass sich das Heer zu Beginn aus Miliztruppen und Söldnern rekrutierte. Unter diesem Gesichtspunkt erweisen sich besonders die Schilderungen von Polybios bezüglich des römischen Militärs im 3./2. Jh. v. Chr. als interessant. Der im 2. Jh. v. Chr. schreibende Autor berichtet uns, dass römische Bürger für ihren Armeedienst entsprechend entlohnt wurden: Fußsoldaten erhielten täglich zwei Obolen, die Centurionen das Doppelte und die Reiter eine Drachme53. Diese Quelle lässt den Charakter eines rein aus Milizionären bestehenden römisches Heeres in der mittleren Republik stark anzweifeln; vielmehr ist diese von Polybios erwähnte Passage als eine der ersten Belege für eine Besoldung des exercitus Romanus zu werten. Speziell der Aspekt der täglichen finanziellen Entschädigung deutet eine wiederkehrende Regelmäßigkeit an, was als Charakteristikum einer Besoldung anzusehen ist. Einen weiteren Schritt zur Etablierung eines stipendium als Soldzahlung setzte C. Gracchus in der ausgehenden mittleren Republik mit der lex militaris, mit der Gracchus versuchte sich als Fürsprecher der Soldaten zu präsentieren: Mit dieser lex erwirkte der

49 Plut. Crass. 10. 50 Christ 2000, S. 297. 51 Vell. 2,44,4. 52 Christ 2001, S. 12. Phang 2008, S. 153. 53 Polyb. 6,39,12–14. Der antike Autor erwähnt auch die unterschiedliche Gliederung der Nahrungsrationen der einzelnen Truppengattungen und die Differenzierung zwischen römischen Bürgern und Bundesgenossen. 16

Volkstribun der Jahre 123 und 122 v. Chr., dass die Kosten der Soldatenkleidung mit öffentlichen Geldern bezahlt wurden. Bereits nach 14 Jahren wurde diese Bestimmung wieder außer Kraft gesetzt54. Nach der endgültigen Etablierung eines Berufsheeres unter Marius und der damit verbundenen Institutionalisierung eines Besoldungssystems war es Caesar, der das stipendium verdoppelte55, wie uns der antike Autor Sueton überliefert56. Wie die anderen Machthaber im 1. Jh. v. Chr. hatte Caesar die Wirkungsmächtigkeit „seiner“ Legionen erkannt und verstärkte diese Korrelation mit seinen Truppen durch die Erhöhung von deren Zuwendungen57. Zu Beginn der römischen Kaiserzeit blieb die Höhe des Soldes unverändert. Augustus führte lediglich die regelmäßige Auszahlung an seine Legionäre am 1. Jänner, 1. Mai und 1. September zu je 300 Sesterzen (75 Denaren) ein58. Von diesen Geldern wurden den Soldaten noch die Kosten für Bekleidung, Waffen und Unterkunft (vestimentis) abgezogen. Diese Abzüge vom stipendium waren eine der Gründe für die pannonischen Legionen nach dem Tod des Augustus gegen dessen Nachfolger Tiberius zu revoltieren. Die Geschehnisse nach dem Ableben des primus inter pares sind uns durch die Aufzeichnungen des römischen Senators Tacitus überliefert, der angibt, dass die Legionäre lediglich zehn Asse pro Tag verdienen würden59. Aufgrund dieser Angaben errechnete M. A. Speidel ein Jahreseinkommen der Legionäre von 912,5 Sesterzen, wodurch Speidel die von mehreren antiken Autoren der römischen Kaiserzeit erwähnte Summe von 900 Sesterzen Jahressalär als glaubwürdig erachtet60. Im Vergleich dazu verbuchte ein Handwerker der späten Republik in Rom drei Sesterze an Tageslohn61 – mehr als ein Legionär des Caesars bzw. Augustus, der mit 2,5 Sesterzen pro Tag entlohnt wurde. Zwar erzielten Handwerker in Rom einen höheren Ertrag als Berufssoldaten, jedoch muss darauf hingewiesen werden, dass Handwerker immer von ihrer Auftragslage abhängig waren62. Im Gegensatz dazu konnten Angehörige eines Truppenverbandes über die Dauer ihrer Dienstzeit mit fixen jährlichen Zahlungen rechnen. Dadurch wird die angespannte Finanzlage der Legionäre während des frühen Prinzipats

54 Jung 1982, S. 917. 55 Alston 1994, S. 114. 56 Suet. Div. Iul. 26,3. 57 Jung 1982, S. 917. 58 Wesch-Klein 1998, S. 50. Schmetterer 2012, S. 35. 59 Tac. ann. 1,17,4. 60 Speidel 2000, S. 85. 61 Cic. Pro Q. Rosc. com. 28. Zusätzlich zum Tageslohn wurden die Arbeiter auch noch mit Nahrungsmitteln versorgt. 62 Es sind uns keine Angaben bekannt, wie viel die Handwerker im restlichen Imperium Romanum pro Tag verdienten. Möglicherweise war aufgrund der Kaufkraft in Rom der Handwerkerlohn dort höher. 17

verdeutlicht und macht deren Handeln um 14 n. Chr. in Pannonien nachvollziehbar63. Ein weiterer Grund gegen den princeps zu rebellieren war die fehlende Transparenz im Soldgefüge der Armee: Das stipendum der Prätorianer in Rom war deutlich höher als jenes der Legionäre, wie uns die antiken Autoren Tacitus, Sueton und Cassius Dio berichten64. Tiberius ging zwar zuerst auf die Forderungen seiner in Pannonien stehenden Legionen ein, machte die Zugeständnisse aber spätestens 15 n. Chr. wieder rückgängig65. Erst unter Domitian wurde der Sold dauerhaft erhöht. Zu diesem Zweck führte der letzte Kaiser der flavischen Dynastie einen zusätzlichen vierten Zahltag mit weiteren 300 Sesterzen ein66. Diese Erhöhung des Soldateneinkommens soll um das Jahr 84 n. Chr. durchgeführt worden sein67. Die nächste Erhöhung ihres Lohns erfuhren die Soldaten erst wieder unter Septimius Severus, der den Sold verdoppelte68 und unter seinem Sohn , der die Soldzahlungen abermals um 50% anhob69.

3.2.2) Die „neronische“ Münzreform Nun stellt sich die Frage, warum der Sold ab ca. 84 n. Chr. um ein Drittel erhöht wurde. Neben der Sicherung der Loyalität der Armee durch die Anhebung ihres Einkommens, kann in der Entwertung des Geldes wohl eine weitere Ursache ausgemacht werden70. Eine erste Inflation setzte nach 64 n. Chr. ein71, da Nero den Silbergehalt des denarius zwischen 15 – 20% herabsetzen lies72. Im Gegensatz dazu konnte bei Untersuchungen für Denare der iulisch- claudischen Periode bis 64 n. Chr. ein Silbergehalt von nahezu 100% (ca. 98%) festgestellt werden73. Der verminderte Silberanteil von ca. 80% wurde über die Bürgerkriegsjahre 68/69 n. Chr. bis zum Beginn der Regentschaft des Traian beibehalten74. Eine der Hauptrezipienten der Gold- und Silbermünzen waren die römischen Soldaten, die ihren Sold und ihre donativa seit

63 Speidel 2000, S. 85. 64 Tac. ann. 1,17,3. Suet. Aug. 10,1. Dio, 56,32. Angehörige der cohortes praetoriae erhielten drei Mal im Jahr 250 Denare. 65 Suet. Tib. 24. 66 Suet. Dom. 7,8. 67 Jahn 1984, S. 63. 68 Herod. 3,8,5. HA Sept. Sev. 12,2. 69 Herod. 4,4,7. 70 Schmetterer 2012, S. 34. 71 Eich 2014, S. 83. Peter 2001, S. 78. Der geringe Silbergehalt wurde von den Reichseinwohnern durchaus wahrgenommen, was aufgrund der längeren Zirkulationszeiten von Denaren nach der „neronischen Reform“ nachweisbar ist. Die längere Laufzeit zeigt sich im Abnutzungsgrad der Münze und dem Fehlen der Silberprägungen in Hortfunden des 1. Jh. n. Chr. 72 Wolters/Ziegert 2014, S. 46. Zudem wurde auch der Gehalt des Aureus gesenkt. 73 Butcher/Ponting 2005, S. 178. Für die Untersuchungen wurden 78 Denare aus Lugdunum und Rom von 27 v. bis 69 n. Chr. herangezogen. 74 Butcher/Ponting 2005, S. 195. Erst Traian hob den Silbergehalt des Denars von 80% auf 90% an. 18

der späten Republik in aurei et denarii erhielten75. Einen weiteren Hinweis darauf liefern die unterschiedlichen Gewichtseinheiten der einzelnen Nominalien: Bei einem Zahltag erhielt ein Legionär drei aurei (= ca. 24 g) bzw. 75 denarii (= ca. 300 g) oder 300 Asse (= ca. 13 kg)76. Berechnet man anhand dieser Angaben den Gesamtjahressold einer Legion77, so beträgt dieser 1.012.500 Denare bzw. 4.050 kg Silber oder 175.500 kg Asse. Umgerechnet auf einen Zahltag erhielten alle Legionäre ca. 1.350 kg in Silber bzw. 58.500 kg in Bronze78. Miteinbezogen werden müssen bei dieser Berechnung noch die Soldabzüge für Verpflegung, Ausrüstung und Unterkunft, welche zwischen 100 und 200 Sesterzen lagen79. Es ist anzunehmen, dass diese Gelder aufgrund des hohen logistischen Aufwands nicht in den jeweiligen Militärstandort am Zahltag mitgeführt wurden. Der Anteil einer Legion würde nach den aufgezeigten Soldeinbußen in Silber immer noch ca. 1.500 kg oder in Bronze 90.000 kg betragen80. Diese Aufstellung unterstützt die Aussage von R. Wolters, dass der Sold der Soldaten spätestens ab Augustus zu einem Großteil in Silber ausbezahlt wurde81. Dadurch waren die Legionen von der „neronischen Münzreform“ ebenso betroffen, wie die restlichen cives. Durch diese Gewichtsreduktion muss von einer Verminderung der Kaufkraft der Reichseinwohner in den nachfolgenden Jahren ausgegangen werden. Mit der Einführung eines vierten Zahltages in der Höhe von weiteren 75 Denaren wirkte Domitian dieser Situation entgegen und verstärkte zudem die Bindung zu seinen Truppen.

3.2.3) viaticum, Entlassungsgeld und Soldabzüge Zusätzlich zu den Soldzahlungen erhielten die Soldaten der frühen römischen Kaiserzeit zu Beginn ihres Dienstes ein Weggeld (viaticum) in der Höhe von drei aurei (75 Denare)82. Dieses einmalig ausbezahlte Geld galt als eine Art Aufwandsentschädigung für die Anreise der neu ausgehobenen Rekruten zu ihrem zukünftigen Garnisonsstandort83.

75 Wolters 2001, S. 587. Die Soldzahlungen an die Soldaten in Silber setzten ca. in der Mitte des 2. Jh. v. Chr. ein. Heinrichs 2008, S. 255. Die Gold- und Silbervorkommen gehörten ausschließlich dem Kaiser. Phang 2008, S. 193. 76 Wolters 2001, S. 580. 77 Die Kalkulation wurde mit der Sollstärke einer Legion von 4.500 Mann durchgeführt. 78 Wolters 1999, S. 213. 79 Speidel 2000, S. 75; 90. Für die Bekleidung musste der Legionär Germanus im Jahre 81 n. Chr. Abzüge in der Höhe von 100 Sesterze hinnehmen. 80 Für die Soldabgaben wurde mit der Hälfte des eigentlichen Gesamtbetrages gerechnet. Für die vestimentis sind zwar 100 Sesterze im Jahre 81 n. Chr. bezeugt, doch ist nicht davon auszugehen, dass den Legionären bei jedem Zahltag Abzüge für die Bekleidung (beinhaltet auch die caligae) gemacht wurden. 81 Die in der Praxis gehandhabte Auszahlungsart am Zahltag wird wohl in einer Mischung der Nominalen gelegen haben. Die Erstattung des Solds lediglich in Assen ist aber aufgrund des zu hohen Gewichts und der zu großen Anzahl an Münzen, die die Logistik überfordert hätten, zu vernachlässigen. 82 Phang 2008, S. 193. 83 Speidel 2000, S. 73. Das viaticum ist für alle Truppengattungen in derselben Höhe gewährt worden, wobei es nur für die Prätorianer und die Flottensoldaten als sicher gilt. 19

Eine weitere Einmalzahlung war das erstmals unter Augustus gewährte Entlassungsgeld (), das durch neue Steuern eingerichtet wurde84. Diese Entschädigung richtete sich wie auch die Besoldung nach dem jeweiligen Rang in der Besoldungshierarchie, den der Soldat zum Zeitpunkt seiner Entlassung eingenommen hatte: Die Legionäre erhielten ab 5 n. Chr. 12.000 Sesterzen und die Prätorianer 20.000 Sesterzen85. Zusätzlich zum aerarium militare gab es noch eine weitere Form der praemia, die in republikanischer Zeit noch einen Landbesitz beinhaltete und im Laufe des frühen Prinzipats in eine Geldzahlung umgewandelt wurde86. Für die Bemessung des aerarium militare (auch commoda missionum) galt grundsätzlich, dass beispielsweise ein duplicarius auch den Anspruch auf eine doppelte Entschädigung hatte87. Zudem konnte der Kaiser das Entlassungsgeld individuell anheben bzw. auch kürzen88. Sueton berichtet uns, dass Caius während seiner Regentschaft die Entlassungsgelder auf 6.000 Sesterze reduziert haben soll89. Zudem wurde den Soldaten des 1. Jh. n. Chr. Abzüge für Verpflegung und Unterkunft von ihrem Sold gemacht90. Bei jedem Zahltag mussten die Legionäre Einbußen von ungefähr 80 Sesterzen für die eigene Nahrung (in victum, sumptuarium), 10 Sesterzen für das Futter der Packtiere (faenaria) und für das Schuhwerk der Fußsoldaten 12 Sesterzen (caligas fascias) hinnehmen. Für Kleidung (vestimentis), das saturnalicium castrense und ad signas wurden Beträge in unterschiedlicher Höhe abgezogen91. Erst durch die Adaption eines weiteren Soldes von 75 Denaren unter Domitian konnte die Höhe der Abgaben vermindert werden.

3.2.4) Soldkürzungen als Bestrafung Der Sold stellte für den römischen Soldaten neben den donativa und den Anteilen aus der Kriegsbeute die wichtigste Einkommensquelle dar92. Entsprechend schwerwiegend wirkten sich Soldkürzungen als Bestrafungen aus: Als der Konsul Quintus Petillius im Kampf mit den Ligurern getötet und seine Legion dabei vernichtet wurde, beschloss der Senat die untergegangene Legion nicht mehr aufzustellen, die Jahreslöhnung einzubehalten und den Sold

84 Phang 2008, S. 163. Das aerarium militare setzte sich aus einem Teil neuer Verkaufssteuern und einem 5% Anteil der neu eingerichteten „Erbschaftssteuer“ zusammen. 85 Dio 55,23,1. 86 Phang 2008, S. 164. 87 Suet. Aug. 49,2. CIL V 5832. 88 Tac. ann. 1,32,6. 89 Suet. Cal. 44,1. Hier stellt sich die Frage, ob diese Behauptung darauf abzielte den Ruf des verstorbenen Kaisers weiter zu schädigen. Jung 1982, S. 924. 90 Tac. ann. 1,17. 91 Speidel 2000, S. 75. 92 Jung 1982, S. 914. 20

herabzusetzen93. Die von Sextus Iulius Frontinus geschilderten Geschehnisse ereigneten sich zwar in der ersten Hälfte des 2. Jh. v. Chr., weisen aber darauf hin, dass Soldkürzungen im 1. Jh. n. Chr. noch praktiziert bzw. als Strafe vorgeschlagen wurden. Frontinus war selbst ein hoher Militär der frühen römischen Kaiserzeit und verfasste sein Werk Strategemata („Darstellungen von Kriegslisten“) unter der Regierung von Domitian. Frontinus gibt neben der Schilderung von Kriegstaktiken unter anderem Hinweise auf den Umgang mit Soldaten94. Eine negative Auswirkung auf das Einkommen mussten die Soldaten durch die Degradierung (gradus deiectio) erfahren. Der Verlust der erreichten Soldstufe ging mit einem Status-Verlust und einer Herabstufung in der Heeres-Hierarchie einher95.

3.3) Donativ Unter donativa werden Geldgeschenke verstanden, die zu Beginn der römischen Kaiserzeit an Teile und im Verlauf des 1. Jh. n. Chr. an die gesamte Armee bezahlt wurden. Besonders schwierig gestaltet sich die Frage nach dem Turnus dieser Zuwendung. Gut informiert sind wir über den Zyklus des Donativs im Übergang vom 3. Jh. ins 4. Jh. n. Chr., das jährlich an festgesetzten Tagen nachgewiesen ist96. Unklar jedoch ist, wie sich das kaiserliche Geldgeschenk im Übergang von später Republik zu früher Prinzipatszeit als fixer Vermögensanteil der Soldaten instituieren konnte.

3.3.1) Die Entwicklung des „kaiserlichen Geldgeschenks“ von Augustus bis Claudius Das erste Mal in der römischen Kaiserzeit gewährte Augustus per Testament jedem Angehörigen der Armee ein Geldgeschenk: Den Prätorianern 1.000, den cohortes urbanae 500 und den Legionären 300 Sesterzen97. Germanicus verdoppelte diese Zahlung für die germanischen Legionen98, woraufhin Tiberius gezwungen war, den durch Augustus testamentarisch festgesetzten Betrag für die in Pannonien stehenden Heeresteile um das Doppelte anzuheben99. Durch diese posthume Verfügung folgte Augustus dem Beispiel seines Adoptivvaters Caesar und initiierte damit den letzten Akt, die römische Armee an das Amt des

93 Front. Strateg. 4,1,46. 94 Matyszak/Berry 2009, S. 179. 95 Speidel 2000, S. 72. 96 Jahn 1984, S. 54 bei p. panop. 2.022. Unter Diocletian erhielt ein praepositus equites promoti der legio II. Traiana am dies imperii (20.11.) bzw. am dies natalis (22.12.) Diocletiani eine Zahlung von je 2.500 Folles. Jahn 1984, S. 54 bei p. Oxy. VII.1047. Unter Konstatnin erhielt ein praepositus einer unbekannten Einheit am Jahrestag der Thronbesteigung (25.07.) ebenso ein Donativ in der Höhe von 2.000 Folles. 97 Tac. ann. 1,8,2. Dio 56,32,3. 98 Dio 57,5,3. 99 Suet. Tib. 48,2. Ob das Donativ der restlichen Legionäre auch verdoppelt wurde ist nicht bekannt. 21

princeps zu binden. E. Flaig erkennt darin eine politische Monopolisierung des Kaisers in Bezug auf die römischen Heeresverbände100. Die Zuwendungen der Machthaber aus der Zeit der späten Republik, wie Soldzahlungen, Beuteanteile und Wahrung der Veteranenansprüche waren in der frühen römischen Kaiserzeit bereits fortwährender Bestandteil der Beziehung zwischen Kaiser und Armee. Mit dem Donativ fügte Augustus diesem Abhängigkeitsverhältnis eine weitere Zahlung hinzu und generierte durch seine Stellung als princeps de iure die Singularität dieses Geldgeschenkes. Zudem konnte Augustus den Erbanspruch seines Nachfolgers Tiberius sichern. Speziell die erstmalige translatio imperii von Augustus zu Tiberius hätte zu einem Streit um die Vorherrschaft im Imperium Romanum führen können. Mit seinem letzten Willen wirkte Augustus diesem drohenden Machtkampf entgegen und ermöglichte posthum seinem Nachfolger einen nahezu identen Zugriff auf die Armee. Wäre ein Machthaber offen gegenüber Tiberius aufgetreten, so hätten dessen Unterstützer wohl auf ein ähnliches Geldgeschenk wie jenes von Augustus bestanden. Um diesem Wunsch nachzukommen hätte sich der Widersacher des Tiberius offen als Usurpator deklarieren und als Gegenkaiser akklamieren müssen. Ein derartiger Vorgang lässt sich das erste Mal erst durch die Machtergreifung des Vitellius zu Beginn 69 n. Chr. beobachten. Weder unter Seianus, noch während des Aufstandes des Statthalters in Dalmatien, Furius Camillus Scribonianus101 bzw. während der Pisonischen Verschwörung102 trat ein Usurpator offen gegenüber dem princeps auf. Selbst der gegen Nero revoltierende Galba führte bis zu seiner offiziellen Bestätigung durch den Senat den Titel legatus senatus populusque Romanus103. Augustus war es mit dem Geldgeschenk an die Soldaten gelungen, das Patron-Klienten-Verhältnis – welches in der späten Republik zwischen Feldherrn und Legionen/Veteranen vorherrschte – von der Pluralität der Euergeten zu lösen und allein an das Kaiserhaus zu binden104. Deshalb verwundert es nicht, dass Tiberius nach seinem Tod dem römischen Heer dieselbe Summe wie sein Stiefvater Augustus hinterließ105. Die Wiederholung des posthumen Geldgeschenkes verdeutlichte einerseits dieses Abhängigkeitsverhältnis zwischen princeps und exercitus Romanus und bildete andererseits die Basis für die Etablierung eines regelmäßigen Donativs. Die testamentarische Exekution wurde von Caligula bei dessen Regierungsantritt durchgeführt106. Caligula erhöhte in diesem Zuge das Donativ für die Prätorianer nochmals um

100 Flaig 1991, S. 377. 101 Suet. Claud. 13,2. Dio 60,2. Tac. hist. 2,75. 102 Tac. ann. 15,48–74. 103 Clodius Macer führt auf seinen Münzen die Titulatur legatus Augusti pro praetore Africae. 104 Wesch-Klein 1998, S. 54. Phang 2008, S. 180. 105 Schmetterer 2012, S. 36. 106 Winterling 2011, S. 63. 22

die gleiche Summe, wodurch die cohortes praetoriae nicht 1.000, sondern 2.000 Sesterzen pro Kopf erhielten107. Dadurch fügt der dritte princeps der iulisch-claudischen Dynastie dem donativum ein für seine spätere Wirkungsmächtigkeit entscheidendes novum hinzu: Ab 37 n. Chr. verstehen die Heeresverbände diese Zahlung nicht mehr ausschließlich als posthumes, sondern gleichzeitig als Antrittsgeldgeschenk zum Regierungsbeginn eines neuen Kaisers. Durch dieses neue Charakteristikum durchbricht Caius de facto das wiederkehrende Element der testamentarischen Ansprüche des Militärs und impliziert damit das Ende des Donativs als Unikat im Verhältnis zwischen Kaiserhaus und Armee108. Die Wandlung von einem nach Ableben des Kaisers zu einem bei Amtsantritt gewährten Geldgeschenk erlaubte es potentiellen Machthabern wieder darauf zuzugreifen. Diesem durch Caligula eingeleiteten Prozess konnten dessen Nachfolger nur mit der Zunahme und Erhöhungen der donativa entgegenwirken, was sich bereits während der Regierungszeit des Claudius zeigte: Der neue princeps versprach unmittelbar nach seiner Akklamation jedem in Rom verweilenden Soldaten, der einen Treueeid auf Claudius zu schwören bereit war, eine Zahlung von 15.000 Sesterzen109. Besonders den Prätorianern dankte er diese Treue und bedachte sie jedes Jahr an seinem dies imperii mit einer Zahlung von 25 Drachmen110 (rund 25 Denare)111. Wie bereits erwähnt, führte Claudius den von Caius begonnenen Ablauf fort und variierte in Bezug auf das Geldgeschenk lediglich in der Höhe und Quantität der Regelmäßigkeit. Dieser Umstand zeigt auf, dass das donativum unter Claudius einen weiteren Wandel von einer regelmäßigen Zahlung bei einem Herrschaftswechsel zu einem institutionellen jährlichen Geldgeschenk am dies imperii des jeweiligen princeps erfahren hatte. Inwiefern Claudius mit diesem jährlichen Geldgeschenk auch die anderen Heeresteile bedachte, oder ob er lediglich die Prätorianer beschenkte, ist nicht nachvollziehbar. Die zusätzliche Gratifikation für die cohortes praetoriae ist aus der Sicht des Claudius aber mehr als verständlich, da zum ersten Mal in der römischen Kaiserzeit ein Heereskörper entscheidenden Anteil an der Machtergreifung eines princeps hatte. Durch die jährlichen Zahlungen an seine „Klienten“ verstärkte der „Patron“ das von Augustus initiierte Abhängigkeitsverhältnis zwischen Kaiser und Heer und konnte seine „Klienten“ enger an sich binden. Simultan dazu verlor das donativum zunehmend seinen Anspruch als Kommunikationsmedium zwischen Kaiser und Heer.

107 Dio 64,2,1. Die Stadtkohorten erhielten wie nach dem Tod des Augustus 500 und die Legionäre 300 Sesterze. 108 Caligula ging es in erster Linie wohl nur um die Absicherung seiner Herrschaft in Rom. 109 Suet. Claud. 10,4. Aufgrund der Tatsache, dass die Akklamation des Claudius in Rom erfolgte, wurden von diesem Donativ wohl größtenteils nur die cohortes praetoriae, cohortes urbanae und vigiles begünstigt. Auffällig gestaltet sich die Höhe der Zahlung, welche jene des Caligula um das 7,5-fache und die des Augustus bzw. Tiberius um das 15-fache übersteigt. 110 Dio 60,12,4. 111 Wesch-Klein 1998, S. 56. 23

3.3.2) Kaisereid und donativum Auffällig gestaltete sich, dass Claudius erst nach der Vereidigung auf ihn die Zahlung in der Höhe von 15.000 Sesterzen in Aussicht stellte. Ähnlich wie für das Donativ war in der frühen römischen Kaiserzeit zunächst keine Systematisierung und Institutionalisierung des Kaisereides erkennbar. Einen wichtigen Schritt in diese Richtung markierte der erste Thronwechsel von Augustus zu Tiberius, ähnlich wie bei der Ausbildung der Periodizität der Geldgeschenke an die Soldaten112. Tacitus überliefert uns diese Treueeidbekundungen auf Tiberius, die Germanicus von den Rhein-Legionen unmittelbar nach dem Tod des Augustus einforderte113. Wichtig für die Etablierung des Kaisereides war die jährliche Wiederholung des Treueschwurs, was zu Beginn der Regierungszeit des Tiberius das erste Mal geschehen sein soll114. Unklar ist, von wem dieses jährlich zu erneuernde Treuebekenntnis auf den princeps zu leisten war115. Aufschluss über den Tag, an dem man dem Kaiser jährlich seine Treue gelobte überliefert uns der antike Autor Cassius Dio: So sollen zu Jahresbeginn 32 n. Chr. alle Senatoren den Eid auf den Kaiser geschworen haben116. Der rezidive Charakter des Kaisereides lässt sich sowohl unter Caligula117 als auch unter Claudius beobachten118. Die Loyalitätsbekundungen auf den Kaiser erfolgten in erster Linie von den Senatoren. Als die Soldaten, die der Akklamation des Claudius in Rom beiwohnten, ihren Eid auf den neuen princeps leisteten, wird zum ersten Mal eine neue Gruppe erwähnt119. Die Treuebekundung geht hier im Speziellen von Teilen der Armee aus. Es ist jedoch nicht überliefert, dass sich dieser 41 n. Chr. auf den neuen Kaiser geleistete Schwur jährlich wiederholte120. Sicher belegt sind Treuebekundungen durch das Heer auf den Kaiser erst im Verlauf des Vier-Kaiser-Jahrs, als die Legionen in Niedergermanien am 1. Januar 69 n. Chr. „nach langem Zögern“ ihren Schwur auf Galba leisteten121. Spätestens ab diesem Zeitpunkt

112 Hermann 1968, S. 99. Ausführlich zur Entwicklung des Militäreides Southern 2007, S. 134 113 Tac. ann. 1,37,3. Hervorzuheben ist an dieser Stelle aber, dass sich die legio XIV. erst nach kurzem Zögern auf Tiberius vereidigte. Als Grund dafür gibt Tacitus Verzögerungen bei der Entlassung von Veteranen an. 114 Tac. ann. 1,8 115 Wickevoort 2015, S. 186–187. Der Kaisereid wurde durch die jährliche Wiederholung ein wichtiger Bestandteil des Kaiserkults. 116 Dio 58,17,2–3. 117 Dio 59,13,1. 118 Dio 60,25,1. 119 Hermann 1968, S. 110. 120 Phang 2008, S. 119. S. E. Phang gibt hier den 3. Januar als Tag an, an dem der Kaisereid erneuert wurde. Als zusätzlichen Tag der Eiderneuerung nennt sie den dies imperii. Phang belegt ihre Aussage mit einer Erwähnung aus dem zweiten Vier-Kaiserjahr und schließt daraus auf die gesamte Zeit des Prinzipats, was aufgrund der starken Verallgemeinerung kritisch zu sehen ist. 121 Tac. hist. 1,55,1. 24

wurde der Kaisereid ein fester Bestandteil bzw. Voraussetzung für die Akklamation eines Kaisers/Usurpators, um sich die Treue seiner Soldaten zu versichern122.

3.3.3) Die „Zahltage“ des Donativs im 1. Jh. n. Chr. Der 1. Januar muss hervorgehoben werden, da an diesem Tag einerseits die neuen Konsuln angelobt wurden und andererseits die Soldaten den ersten Sold des Jahres erhielten123. Geldgeschenke des princeps speziell am 1. Januar sind für das 1. Jh. n. Chr. noch nicht nachgewiesen, doch eine Art Belohnung für das Loyalitätsbekenntnis der Soldaten ist durchaus vorstellbar124. Anders gestaltet sich die Situation am Tag des Herrschaftsantritts des neuen princeps: Die Tatsache, dass Claudius jährlich am dies imperii seine Prätorianer mit einem Donativ von 25 Drachmen bedachte, hebt die Bedeutung dieses Tages hervor. Die Praxis des Geldgeschenks am Tag des Herrschaftsantritts lässt sich gesichert in der Spätantike unter Diocletian (um 300 n. Chr.) nachweisen, der im Gegensatz zu Claudius das gesamte Heer begünstigte125. In den ca. 250 Jahren zwischen Claudius und Diocletian muss sich also ein jährliches Geldgeschenk am dies imperii des Kaisers für die gesamte Armee etabliert haben. Betrachtet man den Festtagskalender der römischen Kaiserzeit, so fällt auf, dass dem Geburtstag des jeweiligen princeps eine große Beachtung geschenkt wird. Der dies natalis nimmt gerade in der frühen Prinzipats-Zeit eine übergeordnete Stellung gegenüber dem dies imperii ein126. An dieser Stelle sei darauf hingewiesen, dass Feierlichkeiten am Geburtstag des Augustus bzw. Tiberius nicht nachgewiesen sind127. Aus flavischer Zeit wissen wir, dass beide Tage gleichermaßen im römischen Festtagskalender verankert waren128. Aufgrund der Tatsache, dass in der Spätantike sowohl am dies imperii als auch am dies natalis der Herrscher Gelder an die Armee ausbezahlt wurden129, lässt vermuten, dass sich diese Praxis bereits in der Kaiserzeit etabliert haben muss. Durch die Betonung des dies natalis bereits im frühen Prinzipat liegt die Vermutung nahe, dass der Machthaber bei den Feierlichkeiten zu seinen Ehren Geldgeschenke an sein Heer verteilte.

122 Hermann 1968, S. 111. 123 Herz 1975, S. 115. Zur Angelobung der Konsuln am 1. Januar Bleicken 1975, S. 76. 124 Wesch-Klein 1998, S. 58. Jahn 1984, S. 58 bei p. panop II.022. Ein donativum am 1. Januar ist erst um 300 n. Chr. schriftlich belegt. 125 Wesch-Klein 1998, S. 58. 126 Herz 1975, S. 12–22. 127 Herz 1975, S. 42 128 Herz 1975, S. 23. 129 Jahn 1984, S. 58. 25

3.3.4) Außerordentliche donativa von Augustus bis Vespasian Neben den bereits aufgezeigten regelmäßigen donativa beim Regierungswechsel der jeweiligen Kaiser können auch unregelmäßige Zahlungen beobachtet werden, die im Zusammenhang zwischen Kaiser und Armee stehen130. Den Anfang macht hier ein Geldgeschenk von Augustus an das Heer, als Caius Caesar (der Adoptivsohn und Enkel des Augustus) an seinen ersten militärischen Übungen teilnahm131. Ein zweites Donativ ist zu Ehren des Todes des Caius Caesar nachgewiesen132. Tiberius belohnte nach dem Sturz seines ehemaligen praefectus praetorio, Seianus, die Prätorianer mit 250 Denaren und die syrischen Legionen, da sie nicht das Bild des Seianus auf ihren signa verehrt hatten und ihm treu ergeben waren133. Schenkt man dem antiken Autor Sueton Glauben, so soll es unter Caligula anlässlich eines Sieges über die Germanen zu einer zusätzlichen Entlohnung von 100 Denaren pro Mann gekommen sein134. Von einem weiteren außerordentlichem Donativ in der Regierungszeit des Caius berichtet uns Cassius Dio: Nach der Ermordung des Lepidus, dem Ehemann seiner Schwester Drusilla, soll Caligula jedem daran beteiligten Soldaten ein Donativ gewährt haben135. Ähnliche Geldgeschenke sind auch in der Regierungszeit des Claudius zu nennen, der die Soldaten mit einem Donativ bedachte, als Nero die toga virilis anlegte136. Nach der Aufdeckung der Verschwörung des Piso und der daraus resultierenden Ermordung seiner Mutter Agrippina minor137, brachte Nero seinen Dank gegenüber den Prätorianern mit einem Geldgeschenk zum Ausdruck, so der antike Autor Tacitus138. Auch Vespasian bediente sich dieser Art der Belohnung, wie uns Tacitus berichtet: Der erste Kaiser der flavischen Dynastie soll einen Soldaten für seine Treue in der zweiten Schlacht von Cremona belohnt haben. Der Soldat hatte seinen eigenen Bruder im Kampf getötet139. Es fällt auf, dass sich die erwähnten donativa vor allem an einzelne Truppenteile bzw. Personen richteten, was darauf hindeutet, dass das Geldgeschenk zusätzlich als Entlohnung für die

130 Wesch-Klein 1998, S. 55. 131 Dio 55,6,4. 132 Schmetterer 2012, S. 35. 133 Suet. Tib. 48,2. Dio 58,18,2. 134 Suet. Cal. 46. Der antike Autor ist an dieser Stelle seiner Vita über Caligula besonders bemüht, diesen negativ darzustellen. Aufgrund dieser Tatsache ist zu bezweifeln, ob Caligula überhaupt ein Donativ in dieser Höhe gewährt hat und wird nur in Bezug auf die vollständige Darstellung aller Quelleneinträge aus dem entsprechendem Zeitraum präsentiert. 135 Dio 59,22,7. 136 Tac. ann. 12,41,1. Suet. Nero 7,2. 137 Phang 2008, S. 185. 138 Tac. ann. 15,72. Dio 57,14,3. 139 Tac. hist. 3,51. 26

Loyalität Einzelner gegenüber dem Kaiserhaus verstanden wurden. Dem Kaiser bot es die Möglichkeit, den übrigen „Klienten“ zu signalisieren, dass die Treue zum Patron entsprechend belohnt wird140.

3.3.5) Die Geldgeschenke der römischen Generalität in der Prinzipatszeit Neben diesen Geldschenkungen durch den princeps sind auch donativa von Armeekommandanten/Feldherrn überliefert, welche die ihnen unterstellten Truppen anlässlich ihres Amtsantrittes mit Geldbeträgen beschenkten141. Einen Hinweis auf eine solche Vorgehensweise liefern uns besonders mit Gegenstempel (Kontermarken) versehene Münzen142. Die geschlagenen Nominalen wurden besonders in der Frühzeit des Prinzipats als Geldgeschenke an die Soldaten verwendet. Die meisten Fundobjekte dieser Art konnten entlang des Rheins in einem militärischen Kontext sicher gestellt werden143. Als exemplum für eine derartige Zahlung eines Feldherrn sind hier die mit Kontermarken versehenen Münzen des P. Quinctilius Varus zu nennen, der sein donativum an die Truppen mit einem VAR versehen ließ144. Im Kontext der clades Variana ist auch noch der Gegenstempel lautend auf C.VAL zu erwähnen, der den legatus legionis C. Numonius Vala benennt. Neben seinem Feldherrn Varus hat auch Vala ein Geldgeschenk an die ihm unterstellte Legion verteilt145. Ein weiteres Beispiel überliefert uns Tacitus: Cn. Calpurnius Piso sicherte sich die Gunst der Truppen zu Beginn seiner Statthalterschaft in der Provinz Syria durch ein entsprechendes donativum146. Diese Schenkungen von Geldbeträgen des Feldherrn an entsprechende Truppenteile sind lediglich für die iulisch-claudische Zeit bezeugt und in flavischer Zeit nicht mehr nachweisbar147.

3.3.6) Das Geldgeschenk als Medium im Vier-Kaiser-Jahr Das Donativ hatte sich seit seiner erstmaligen Erstattung an die Truppen 14 n. Chr. zu einer regelmäßigen, jährlichen Zahlung entwickelt und wurde zu einer festen Einnahmequelle für die Soldaten des 1. Jh. n. Chr. Speziell durch die Geschehnisse des römischen Bürgerkrieges

140 Ziel dieser Auflistung ist nicht die Glaubwürdigkeit der einzelnen Quellenstellen zu beurteilen, sondern lediglich aufzuzeigen, welche Mittel die Machthaber in der Prinzipatszeit für die Stärkung der Bindung zu ihren „Klienten“ (Soldaten) anwandten. Die Meldungen in den antiken Schriftquellen sind sicher an einigen Stellen durch die mittelalterliche Überlieferung „nachbearbeitet“ worden, doch erscheinen einzelne Belohnungen durchaus als plausibel. 141 Speidel 2000, S. 74. 142 Peter 2001, S. 230. 143 Berger 1996, S. 52–53. 144 Peter 2001, S. 231. 145 Berger 1996, S. 53. 146 Tac. ann. 2,55,5. 147 Speidel 2000, S. 74. 27

in den Jahre 68 und 69 n. Chr. wird deutlich, welchen Stellenwert das kaiserliche Geldgeschenk in der Beziehung zwischen princeps und Armee bereits eingenommen hatte. Die Höhe und die pünktliche Durchführung der Zahlung konnten für einen Machthaber entscheidend sein, ob sich die Truppen ihm anschlossen oder nicht148. Neben ihrem monetären Verwendungszeck dienten Münzen auch als Medium politischer Programme. Gerade in der Zeit des ersten Vier- Kaiserjahres finden sich häufig Bekundungen wie Eintracht (Concordia), Loyalität, Treue (fides) oder Mut (virtus) in den entsprechenden Münzlegenden, die wohl in erster Linie die Heeresverbände als Rezipienten vorsahen149. Dezidiert angesprochen wird der exercitus Romanus durch Silberprägungen des Vitellius kurz nach seiner Akklamation im niedergermanischen Militärbezirk. Vitellius richtet sich mit der Münzlegende FIDES EXERCITVVM direkt an den gesamten römischen Heerapparat, was durch das Bildmotiv der verschränkten Hände betont wird150. Ein weiteres Beispiel für eine Legion als Adressat in einer Münzlegende begegnet uns auf den Münzen des L. Clodius Macer. Der legatus Augusti pro praetore Africae erklärte sich im Verlauf des Jahres 68 n. Chr. unabhängig von Rom und begann in Karthago sein eigenes Geld zu prägen151. Seine Revolte stützte Clodius Macer zunächst auf die ihm unterstelle legio II.I Augusta, die er gezielt in der Münzlegende erwähnte und deren signa auf den Revers seiner Münzen prägen ließ152. In der Folge stellte er die legio I. Macriana auf, mit der Clodius Macer versuchte seine Macht zu festigen, was ihm schlussendlich jedoch misslang153. Auch für diese Legion ließ er ein individuelles Reversmotiv gestalten154. Eine ähnliche Praxis kann bereits gegen Ende der späten Republik beobachtet werden, als Marcus Antonius seine Soldaten mit den sogenannten Legionsdenaren ehrte155. Vergleicht man die Reversmotive beider genannter Nominalen, so fällt auf, dass sich Clodius Macer wohl an den Prägestempeln des Marcus Antonius orientiert haben muss. In den literarischen Quellen nimmt das Geldgeschenk in den Jahren 68/69 n. Chr. schon aufgrund der Differenz in der Höhe der Auszahlungen einen besonderen Stellenwert ein. Plutarch überliefert dazu, dass Galba, als er zum Kaiser ausgerufen wurde, jedem Prätorianer 7.500 Drachmen (= 7.500 Denare) und jedem weiteren Soldaten 1.250 Drachmen (= 5.000

148 Casey 2000, S. 445. 149 Casey 2000, S. 445. 150 RIC I 27. 151 Hewitt 1983, S. 64. 152 RIC I 15. 153 Hewitt 1983, S. 66. 154 RIC I 20. 155 Crawford 544,21. 28

Sesterze) bezahlte156. Vergleicht man diese Summe mit anderen zum Regierungsantritt gewährten donativa, so fällt auf, dass Galba den Legionen mehr als das 10-fache der bisherigen Geldgeschenke versprach157. Wird der Betrag eines einzelnen Legionärs auf eine Legion mit einer Stärke von ca. 3.500 Mann übertragen, so hätte das eine Zahlung in der Höhe von 17.500.000 Sesterzen (4.375.000 Denare) bedeutet. Will man Plutarch in Bezug auf die Höhe der Beträge Glauben schenken, dann wären derart große Summen für Galba nur schwer aufzubringen gewesen. Es ist davon auszugehen, dass Plutarch die Zahlen bewusst ad absurdum führte, um die prekäre Finanzlage Galbas besonders drastisch zu schildern158. Sein Nachfolger Otho versprach den Prätorianern 5.000 Nummi159 (= 5.000 Sesterzen), was die Zahlungen des Augustus, Tiberius und Caligula noch bei Weitem übertraf, aber nur ein Drittel der von Claudius gewährten Summe darstellte. Zudem hätte dies nur zwei Dritteln der von Galba in Aussicht gestellten Zahlungen an die cohortes praetoriae entsprochen. Im Gegensatz dazu erwähnt der antike Autor Cassius Dio, dass Domitian im Namen des Vespasian nach seinem Sieg über die Vitellianer jedem Soldaten 25 Drachmen (= 25 Denare) gewährte160. In der Gegenüberstellung mit den Geldgeschenken der unmittelbaren Vorgänger des Vespasian erscheint dieser Betrag verschwindend gering, doch entspricht diese Zahl genau jenem Betrag, den sowohl Augustus als auch Tiberius den Legionären per Testament vererbten. Zu dieser Zahlung finden wir einen weiteren Beleg bei Sueton, der angibt, dass es bei der Auszahlung des versprochenen Donativs zu Verzögerungen gekommen sein soll161. Wie bereits eingangs erwähnt, wird durch die in den Quellen genannten Donative für das erste Vier- Kaiserjahr eine Schwankung in der Höhe dieser Zahlung ersichtlich. Zudem muss die Glaubwürdigkeit der antiken Autoren in Frage gestellt werden, was besonders durch die Zahlung von Otho an die Prätorianer ersichtlich wird. Nach Tacitus soll Otho den Leigardisten weniger bezahlt haben als sein Vorgänger Galba, was aufgrund der prekären Situation im Jahr 69 n. Chr. nur schwer vorstellbar ist. Zusammengefasst kann zur Entwicklung des Donativs im Verlauf der römischen Kaiserzeit ausgesagt werden, dass es sowohl an Regelmäßigkeit als auch an Umfang zunahm162.

156 Plut. Galba 2,1–2. Inwiefern die von Plutarch angegebenen Beträge der Wahrheit entsprachen, kann nicht nachgewiesen werden. Durchaus könnten die versprochenen Zahlungen Galbas durch den antiken Autor „korrigiert“ worden sein, um das negative Charakterbild des Galba zu betonen. 157 Augustus, Tiberius und Caligula gewähren den Legionären pro Mann 300 Sesterze. Unter Claudius sind 15.000 Sesterze nach dessen Akklamation für die Prätorianer überliefert. Diese Summe wird von Galba nochmals um das Doppelte überboten. 158 Der logistische Aufwand fand bei dieser Kalkulation keine Berücksichtigung. 159 Tac. hist. 1,82,2–3. 160 Dio 59,22,2. 161 Suet. Vesp. 8,2. 162 Speidel 2000, S. 73. 29

3.4) Beute Ein weiterer wesentlicher Bestandteil des Soldateneinkommens war der Beuteanteil, der stark mit den Kriegshandlungen korrelierte163. Durch die Beteiligung an den Schlachten hatten die Truppen die Möglichkeit ihr Vermögen anhand anschließender Plünderungen aufzubessern. Hier sind vor allem Kriegsgefangene als Beute zu nennen, durch deren Verkauf die Armeeangehörigen hohe Erträge erzielen konnten164. Die Beute war de iure das Eigentum des Feldherrn, in der römischen Kaiserzeit Eigentum des Kaisers. Daher konnten die Soldaten über die erbeuteten Gegenstände nicht frei verfügen und waren auf die Gunst des princeps angewiesen, der die Verteilung der Kriegserträge nach eigenem Ermessen veranlasste165. Anhand der Kriegsbeuteverteilung wird erneut eine Gliederung innerhalb der Armee sowie das Abhängigkeitsverhältnis zwischen Kaiser und Soldaten ersichtlich166.

3.4.1) Beuteausgleichszahlungen Welchen Stellenwert die Kriegsbeute für die Truppen einnahm, zeigt sich in den schriftlichen Quellen besonders dann, wenn von Beuteablösen die Rede ist: Cato und Faustus Sulla sollen im Bürgerkrieg gegen Caesar 100 Sesterzen an ihre Soldaten gezahlt haben, damit diese von der Plünderung der Stadt Utica abließen167. Caesar selbst konnte seine Truppen nur mit einer entsprechenden Entlohnung von der Plünderung der Stadt Alexandria abhalten, wie uns Cassius Dio berichtet. Dabei soll Caesar zwei Drittel des von den Alexandrinern beschlagnahmten Vermögens und zusätzlich 250 Drachmen (= 250 Denare) an seine Soldaten als Plünderungsausgleich gezahlt haben168. Von ähnlichen Ereignissen berichtet uns der Senator Tacitus kurz nach der Erhebung des Vitellius in Niedergermanien: Valens, einer von seinen beiden Feldherren169, hielt sich mit seinen Truppen in der Nähe der Stadt Lugdunum auf, deren Einwohnern es gelungen sein soll, die Vitellianer gegen die benachbarte Stadt Vienne aufzuhetzen. Nur mit der Zahlung von 300 Sesterzen pro Mann soll es Valens gelungen sein, die Plünderung von Vienne abzuwenden170. Auffällig gestaltet sich dabei die Höhe der Entschädigung des Valens, welche exakt jenen posthumen Zahlungen des Augustus und Tiberius an die Legionäre entsprach. Die Frage stellt sich, ob es sich dabei um ein donativum

163 Liv. 45,34,4–6. Plut. Aem. 29,4. Tac. ann 11,18. Tac. hist.1,16. Suet. Caes. 75,2. 164 Tac. Agr. 37–38. 165 Jung 1982, S. 938. 166 Dalheim 1992, S. 211. 167 Caes. Afr. 87. 168 Dio, 51,17,7. 169 Als zweiter Feldherr des Vitellius ist Caecina überliefert. 170 Tac. hist. 1,65,2–66,1. 30

handeln könnte. Grundsätzlich würde nichts gegen ein Antrittsgeschenk an die dem Valens untergebenen Soldaten sprechen, doch angesichts der erst kürzlich erfolgten Erhebung des Vitellius und des bereits fortgeschrittenen Feldzugs ist eine derartige Vermutung abzulehnen. Valens hätte sich sonst als eigener Machthaber deklariert und wäre bei der Schlacht bei Bedriacum für seine eigenen Interessen eingetreten. Vielmehr müssen diese 300 sesterti pro Kopf als Beuteausgleichszahlung verstanden werden. Die Höhe zeigt einerseits an, dass die Soldaten durch die Plünderung einer Stadt eine vielversprechende Möglichkeit hatten ihre Einkünfte aufzubessern und andererseits aber auch, dass dies einer im Kriegsfall gängigen Praxis entsprach.

3.4.2) Woher stammte die Kriegsbeute? Geplündert wurde aber nicht nur jenseits der Grenzen des Imperiums sine fine, sondern auch die eigene Zivilbevölkerung blieb nicht von solchen Vorgängen verschont171. Oft musste der Auslöser für eine Plünderung nicht einmal der Kriegsfall bzw. eine Schlacht sein, wie durch die Situation des pannonischen Aufstandes im September 14 n. Chr. ersichtlich wurde. Die aufbegehrenden Legionen sollen dabei die umliegenden Zivilsiedlungen geplündert haben, so Tacitus172. Die Soldaten nahmen auch auf Städte auf italischem Boden keine Rücksicht, wie das Beispiel von Cremona in den Bürgerkriegen des Vier-Kaiserjahres zeigt. Dabei soll sogar versucht worden sein, römische Bürger als Sklaven zu verkaufen. Aufgrund des römischen Bürgerrechts der Einwohner Cremonas konnte kein Käufer gefunden werden, weshalb man die Einwohner umbrachte, führt Tacitus als Erklärung für diese Gräueltaten an173.

3.4.3) Der Plünderungsvorgang Anhand des Beispiels der Plünderung von Cremona soll nochmals verdeutlicht werden, dass das unter Zwang exekutierte Vermögen nicht dem einzelnen Soldaten gehörte, sondern zum Bestandteil des fiscus des jeweiligen princeps wurde174. War eine Stadt zur Plünderung für die Truppen freigegeben, so sind unter der Bezeichnung „Truppen“ niemals alle Soldaten gemeint. E. Flaig geht hier von circa der Hälfte des siegreichen Heeres aus, da ein Teil für verschiedene Aufgaben verwendet wurde, wie zum Beispiel die Bewachung der Gefangenen, Verwaltungsaufgaben, Versorgung der Verwundeten, etc. Damit hätte sich die Hälfte der

171 Dalheim 1992, S. 208. 172 Tac. ann. 1,20,1. Der antike Autor überliefert, dass vor allem die große Siedlung Nauportus von diesen Unruhen betroffen war. 173 Tac. hist. 3,34,2. 174 Flaig 1992, S. 473. 31

Soldaten der Chance beraubt gesehen, durch die Plünderung einer Stadt einen Vermögenszuwachs zu erzielen175. Flaig macht deutlich, dass es durch die Teilnahme aller Heeresteile an den Plünderungsaktionen – aufgrund von Neid und Streitigkeiten um die besten Beuteteile innerhalb der Plündernden – zu Disziplinlosigkeiten kommen hätte können176. Ein militärisch geregelter Vorgang, wie er von Polybios aus der mittleren Republik überliefert wird, ist durchaus denkbar177. Um eine ungerechte Distribution der Beute zu verhindern, war jeder plündernde Soldat verpflichtet seine geraubten Vermögenswerte bei dem für ihn zuständigen Militärtribun abzugeben178. Dadurch konnte eine gleichmäßige Ausgabe des unter Zwang exekutierten Vermögens gewährleistet werden. Einen weiteren Hinweis auf die strenge militärische Regelung des Plünderungsakts überliefert uns Flavius Iosephus, der beschreibt, dass der Beginn und das Ende jeweils durch einen Befehl eingeleitet wurden179. Zudem wird der militärische Charakter der Vermögensexekution unter Zwang durch die von Frontinus in seinem Werk erwähnten Empfehlungen hervorgehoben. Frontinus empfiehlt, dass das eigenmächtige Plündern der Soldaten schwer zu bestrafen sei180. Anders gestaltete sich die Situation bei den Marketendern und Trossknechten: Diese durften sich erst nach den regulären Verbänden an den Plünderungsaktionen beteiligen und gingen bei diesen weniger strukturiert vor. Deren geraubte Güter gingen in den jeweiligen Privatbesitz über181. Zusammengefasst lässt sich über die Beute sagen, dass sie ein wichtiger Bestandteil für die Soldaten war, um sich zu bereichern. Die klare Strukturierung des Plünderungsvorganges zeigt, dass alle Heeresteile gleichermaßen mit einem Anteil aus der Beute rechnen konnten. Die geraubten Güter waren bis zur Verteilung an die Truppen Teil des fiscus des princeps. Daraus lässt sich neben der Besoldung und dem Donativ somit eine weitere Abhängigkeit zwischen dem Machthaber und seinen Soldaten erkennen.

175 Flaig 1992, S. 474. 176 Flaig 1992, S. 474. Hätten alle Soldaten die besiegte Stadt geplündert, wären auch die Kranken und Verwundeten der eigenen Truppe benachteiligt worden. 177 Polyb. 10,16. 178 Polyb. 10,16. 179 Ios. bell. Iud. 2, 487–498. Iosephus erwähnt hierbei die Auseinandersetzungen der Juden mit der griechischen Bevölkerung von Alexandria, welche der Statthalter Ti. Alexander nur mit römischer Waffengewalt beenden konnte. 180 Frontin. Strat. 4,1,38. 181 Flaig 1992, S. 475. 32

3.5) Bereicherung durch kriminelle Handlungen und Glücksspiel Nach der Aufzählung der regelmäßigen und größten Einnahmequellen der Soldaten des 1. Jh. n. Chr., muss auf etwaige „Nebenverdienste“ eingegangen werden, um den Anspruch dieser Analyse auf Vollständigkeit geltend zu machen.

3.5.1) Bereicherung durch kriminelle Handlungen Als erstes soll in diesem Rahmen die Bestechung durch römische Offiziere behandelt werden. Besonders affin für diese Art der Bereicherung sollen sich die Zenturionen erwiesen haben, wie der römische Senator Tacitus für das Jahr 14 n. Chr.182 behauptet: Die Soldaten an Rhein und Donau waren derart heftigen Misshandlungen durch ihre centuriones ausgesetzt, dass ein Viertel der Mannschaft bereit war sich vom Dienst freizukaufen183. Aber die Gewalt der Zenturionen richtete sich nicht nur gegen die eigenen Soldaten, wie uns Tacitus durch ein weiteres exemplum aufzeigt. Im Jahr 28 n. Chr. soll ein hochrangiger Zenturio der germanischen Legionen von den Friesen, die als Tribut Ochsenhäute an die Römer liefern mussten, eigenmächtig Ochsenhäute in der Größe von Auerochsen gefordert haben184. Tacitus sieht darin den Grund für den Aufstand der Friesen gegen die römische Zentralverwaltung185. Nicht nur die römischen Offiziere versuchten durch kriminelle Handlungen ihr Privatvermögen aufzubessern, wie wir aus den Briefen des Plinius erfahren. Während seiner Zeit als Militärtribun in Syrien – er hatte ein Kommando bei der legio III. Gallica inne – wurden die Spareinlagen der Legionäre veruntreut, um einen Aufstand zu finanzieren186. Auch über die Straftaten einzelner Legionäre sind wir informiert: Ein Papyrus aus Oxyrhynchos besagt, dass ein römischer Soldat namens Titius mit mehreren Kameraden durch Erpressung eine größere Anzahl von Fischen von einem Fischteichbesitzer widerrechtlich erworben hatte187. Die Unschuld eines römischen Soldaten in Bezug auf Erpressung muss ein ägyptischer Dorfschreiber vor dem Kaiser schwören, wie ein weiterer Papyrus aus Oxyrhynchos des Jahres 37 n. Chr. berichtet188. Die Disziplinlosigkeit einzelner römischer Heeresangehöriger soll es

182 Speidel 2011, S. 214. 183 Tac. ann. 1,17. Hier für die Truppen in Pannonien. Tac. ann. 1,35. In dieser Passage berichtet Tacitus von den korrupten Zenturionen der germanischen Legionen. 184 Speidel 2011, S. 215. 185 Tac. ann. 4,72. Diese Begründung ist meiner Meinung nach eher zu vernachlässigen, doch der Hinweis auf derartige „Nebengeschäfte” mit den Ethnien im unmittelbaren Einflussbereich der Römer ist durchaus nachvollziehbar. 186 Plin. ep. 1,10; 3,11. Plinius bemerkte dies, als er vom Statthalter den Auftrag erhielt die Rechnungsbücher der Hilfstruppen zu überprüfen. 187 P. Oxy. 2234. 188 P. Oxy. 240. 33

auch gewesen sein, die die pannonischen Heereskontingente zur Revolte veranlasste189. Nach Cassius Dio hätten sich die Vertreter Roms nicht wie Hirtenhunde, sondern wie Wölfe verhalten190. Fraglich ist, ob sich die Metapher gegen die Soldaten oder vielmehr gegen die römische Provinzverwaltung in Pannonien richtet. Besonders kritisch sieht Columella in seinem Werk über die Landwirtschaft die Nähe eines Gutshofes zu einer via militaris und weist sein Publikum darauf hin, dass Landgutbesitzer bei unzureichender Distanz der Willkür der römischen Armee schutzlos ausgesetzt wären191. Es ist davon auszugehen, dass diese Art der Bereicherung lediglich von Individuen bzw. kleinere Gruppierungen genutzt wurde, da das Risiko einer Strafverfolgung immer präsent war. Die Opfer dieser kriminellen Handlungen waren neben Zivilisten auch die eigenen Kameraden bzw. Untergebenen, wie das Freikaufen von Prügelstrafen im Zuge der Anklage der germanischen und pannonischen Legionen beweist.

3.5.3) Glücksspiel Dem Bereich des individuellen Vermögenszuwachses kann auch das Glückspiel zugeordnet werden. Hier ist besonders das Würfelspiel zu nennen, welches eine beliebte Freizeitbeschäftigung der römischen Legionäre darstellte192. Dabei konnte es aufgrund des Einsatzes durchaus passieren, dass große Summen im Verlauf eines Abends mehrmals ihren Besitzer wechselten. Angaben darüber macht Sueton, der einen Denar als Grundeinsatz bei dem „Spiel der Venus“ benennt193. Hier ist jedoch zu betonen, dass der antike Autor an dieser Stelle seines Werkes bemüht ist die Spielleidenschaft des Augustus besonders zu betonen und fast ausschließlich den römischem Senatoren- bzw. Ritterstand behandelt. Bemisst man für einen Legionär einen verhältnismäßig geringeren Einsatz von zum Beispiel einem As, so haben sich im Verlauf des Spiels sicher auch größere Geldbeträge ergeben.

189 Speidel 2011, S. 215. 190 Dio 56,16,3. 191 Col. 1,5,6. 192 Nutu/Botan 2009, S. 145–156. Durch die aus einem militärischen Kontext stammenden Würfel bringen die Autoren diese glaubhaft mit Soldaten in Verbindung. 193 Suet. Aug. 71,2. 34

3.6) „Finanzielle Gründe“ für die Unterstützung eines Machthabers im 1. Jh. n. Chr. Die Grundlage für die Unterstützung eines Machthabers durch die Soldaten wurde bereits im 1. Jh. v. Chr. generiert. Durch die angespannte öffentliche Finanzlage in der Zeit der späten Republik waren es die Generäle selbst, die ihre eigenen Legionen aushoben. Zwar wurden diese primär für Dienste im Sinne der res publica eingesetzt, doch war das Vertrauen der Truppen in eine Versorgung aus öffentlicher Hand stark erschüttert worden. Vielmehr wendeten sich die Soldaten bei Fragen der finanziellen Versorgung oder zur Sicherung der Rentenansprüche des Öfteren an „ihren“ Feldherren. Dadurch entstand ein Abhängigkeitsverhältnis zwischen der römischen Generalität des 1. Jh. v. Chr., welches durch ein Verhältnis zwischen Patron und Klienten zum Ausdruck gebracht wurde194. Den Feldherrn erlaubte diese Patron-Klienten-Beziehung, gestützt auf einen Apparat bestehend aus Soldaten und Veteranen, sich als Machthaber zu präsentieren. Nach der Konsolidierung seiner Position als princeps, gelang es Augustus mithilfe des Donativs das römische Heer noch enger an das Kaiserhaus zu binden195. Durch die testamentarische Vollstreckung einer Zahlung an die Armee machte Augustus das Heer für alle potentiellen Usurpatoren nahezu unantastbar, da das Geldgeschenk mit der Anerkennung seines Nachfolgers Tiberius einherging. Erst als Caius das posthume donativum des Tiberius für die Prätorianer eigenmächtig erhöhte, ermöglichte er den Machthabern des 1. Jh. n. Chr. erneut einen Zugriff auf die Militärverbände zu erhalten. Durch die testamentarische Verfügung des Augustus und des Tiberius wäre gewährleistet gewesen, dass lediglich ein verstorbener Kaiser ein Geldgeschenk an alle Heeresteile verteilen konnte. Durch die finanzielle Anerkennung der Loyalität der Prätorianer bei seinem Regierungsantritt, tätigte Caius das erste Mal in der römischen Kaiserzeit eine Zahlung für das Heer zu Lebzeiten eines Kaisers. Spätestens mit dem Regierungswechsel von Caius zu Claudius wird ersichtlich, dass sich das Donativ bereits als fester Bestandteil des Soldateneinkommens manifestiert hatte. In der Folge konnte eine engere Bindung zwischen princeps und Heer lediglich durch eine regelmäßige Erhöhung und eine höhere Frequenz in der Auszahlung des Geldgeschenks erreicht werden. Ab diesem Zeitpunkt war das donativum einerseits das beste Mittel für einen potentiellen Usurpator des 1. Jh. n. Chr. um weite Teile der römischen Armee für seine Zwecke zu gewinnen und andererseits ein probates Mittel für die Legionäre um sich zu bereichern. Unterstützt wird diese Beobachtung durch die Entwicklung der Soldzahlungen, die seit Caesar erst unter Domitian wieder entsprechend adaptiert wurden196.

194 Eich 2005, S. 74. 195 Über die Position des princeps als Oberbefehlshaber des Heeres siehe Eck 2015b, S. 660–662. 196 Eich 2005, S. 77–78. 35

Grundsätzlich muss aber festgehalten werden, dass wir wenig über die Wirtschaftslage der Soldaten während der Zeit des frühen Prinzipats wissen. Lediglich einzelne Quellen, wie ein Papyrus aus Fayum erlauben es uns Aussagen über einzelne Personen zu treffen. Der besagte Papyrus beinhaltet Aufzeichnungen über die Spareinlagen der beiden Legionäre Q. Iulius Proculus und C. Valerius Germanus für das Jahr 81 n. Chr. Diese besagen, dass es beiden Legionären gelungen war Ersparnisse zu generieren, welche über einen bestimmten Zeitraum unangetastet blieben197.

197 Speidel 2000, S. 89. Proculus hatte mit Jahresende 81 n. Chr. 207 und Germanus 167 Sesterze angespart. 36

4.) Die Usurpation und die Folgen für die unterlegenen Legionäre Neben Senat, ordo equester und plebs war vor allem der Heereskorpus ein gewichtiges Instrument für die Macht-Ergreifung bzw. -Erhaltung eines princeps/Usurpators198. Im frühen Prinzipat galt ein Herrscher als legitim, wenn er die kaiserlichen Vollmachten durch den Senat erhalten und ihm sowohl Senatoren als auch das Heer ihre Loyalität mittels Eid bekundet hatten199. Aufgrund der Tatsache, dass Augustus mithilfe seiner Truppen die Macht im Imperium Romanum de facto usurpierte, spricht A. Winterling für die Herrschaft des primus inter pares von einer Militärmonarchie200. Da sich für die Begründung des Prinzipats durchaus ein revolutionärer Charakter nachweisen lässt, ist die gewichtige Stellung der römischen Armee im Herrschaftsdiskurs der römischen Kaiserzeit nachvollziehbar. Bekräftigt wird dies unter anderem durch die hohe Frequenz der zwischen 14 und 395 n. Chr. erfolgreich durchgeführten bzw. gescheiterten Usurpationen201. J. Szidat sieht das Problem der wachsenden Usurpationen vor allem in den fehlenden, den Kaiser kontrollierenden Institutionen202. Zwar wird diese Position dem Senat angedacht, doch schon allein durch die patria potestas war es dem princeps möglich, jederzeit sein Veto einzulegen. Zudem zeigt die lex de imperio Vespasiani deutlich auf203, wie uneingeschränkt ein Kaiser seine Macht ausüben konnte204. Die Armee war für den Kaiser Machtbasis, unterstand ihm direkt und wurde von ihm kontrolliert. Daraus wird ersichtlich, dass das römische Heer das geeignetste Instrument für die Durchführung einer Usurpation war205. Doch was bewog die Soldaten, einen Machthaber zu unterstützen: In erster Linie ist hier besonders auf die finanziellen Vorteile zu verweisen, die den Truppen bei einer erfolgreichen Machtübernahme ihres Befehlshabers zukam. In der römischen Kaiserzeit wird auch von vielen fehlgeschlagenen Machtergreifungen berichtet, wodurch sich die Frage stellt, was die besiegten Heeresteile zu erwarten hatten. Als mögliche Strafen sind vor allem Todesstrafen, Geldbußen oder die unehrenhafte Entlassung aus der Armee zu nennen206. Zudem galt im Heer ein höheres Strafausmaß, da sich schuldige Soldaten

198 Szidat 1989, S. 238. 199 Szidat 1989, S. 233. 200 Winterling 2001, S. 97. 201 Szidat 1989, S. 236. Szidat führt als weiteren Grund für die wachsende Instabilität im Verlauf der römischen Kaiserzeit eine schlechte Nachfolgeregelung an. Hier muss ich aber widersprechen, da gerade die Zeit von Nerva bis Antoninus Pius/Marc Aurel durch die Adoption des Nachfolgers eine klare Regelung aufweist. 202 Szidat 1989, S. 237. 203 CIL VI 930. 204 Winterling 2001, S. 106. Hier ist anzumerken, dass dieser Umstand der uneingeschränkten Macht Vespasians unter anderem auch auf seinen Sieg im vorangegangen Bürgerkrieg zurückzuführen ist. 205 Szidat 1989, S. 237. 206 Speidel 2011, S. 213. 37

neben einer militärischen auch vor einer zivilen Judikatur verantworten mussten207. Nachfolgend soll speziell auf jene militärischen Disziplinierungen eingegangen werden, die in der frühen Prinzipatszeit ihre Anwendung fanden. Dadurch soll verdeutlicht werden, welche Konsequenzen die Soldaten bei einer gescheiterten Usurpation zu erwarten hatten.

4.1) Dezimierung Die bekannteste Art der Strafe im militärischen Kontext war die Dezimierung (xylokopein/decimatio). Dabei wurde mittels Losentscheid ein Zehntel der Einheit, die sich eines mit dem Tod bedrohten Verbrechens schuldig gemacht hatte, durch die eigenen Kameraden mit Knüppeln zu Tode geprügelt208. Im Anschluss daran mussten die Prügler außerhalb des Lagers kampieren und erhielt als Verpflegung an Stelle von Weizen lediglich Gerste für das pulsum209. Durch den Ausschluss aus dem Lagerleben beraubte man die für schuldig befundene Einheit sowohl dem Schutz des gesamten Heeres als auch der sozialen Stellung innerhalb der Armee. Der Zutritt in das castrum blieb den verurteilten Truppen verwehrt. Außerdem nahmen die Verurteilten nun die unterste Stellung in der römischen Armeehierarchie ein210. Durch den römischen Senator Tacitus erfahren wir, dass diese Art der Bestrafung im 1. Jh. n. Chr. eher selten ihre Anwendung fand211. Aufgrund dieser Quellentextstelle bemerkt u. a. Schmetterer, dass diese Kollektivstrafe das letzte Mal für das Jahr 20 n. Chr. bezeugt ist212. Der antike Autor selbst überliefert uns aber in seinen Annalen von der zweimaligen Anwendung der Dezimierung nach 20 n. Chr. unter Corbulo. Cn. Domitius Corbulo soll diese Art der Disziplinierung für die Legionen am Rhein213 und während seines Armenienfeldzuges zur Anwendung gebracht haben. Also zu einem wesentlich späteren Zeitpunkt214; auch wenn Tacitus selbst den Wahrheitsgehalt der gegenüber den Rhein-Legionen verübten Kollektivstrafe bezweifelt215: Nach der Niederschlagung des Chauken-Aufstandes soll Corbulo die Dezimierung an all jenen Einheiten befohlen haben, welche nicht hinreichend

207 Wesch-Klein 1998, S. 163–168. 208 Phang 2008, S. 123–124. 209 Schmetterer 2012, S. 26. 210 Phang 2008, S. 124. Phang gibt an, dass die Dezimierung keine übliche römische Strafe war, da diese den Charakter einer Kollektivstrafe hatte. Als Argumente führt Phang an, dass nur ein geringer Teil (ein Zehntel) der gesamten Einheit mit dem Tod bestraft wurde. Die restlichen Soldaten bezeichnet Phang als unschuldig. Ich bin der Meinung, nur weil ein Teil der verurteilten Truppe nicht mit dem Tod bestraft wird, sind diese niemals unschuldig. Die restliche Truppe wurde vom Lagerleben ausgeschlossen und verlor ihren sozialen Status innerhalb der Armeehierarchie. 211 Tac. ann. 3,21. 212 Siehe auch Sander 1969, S. 291. Speidel 2011, S. 213. 213 Hofstetter 2012, S. 17–24. 214 Hofstetter 2012, S. 25 215 Tac. ann. 11,18,3. 38

bewaffnet die Schanzarbeiten beim Bau des Feldlagers verrichtet hatten. Durch diese Maßnahme wollte der Feldherr die Disziplin in seiner Armee mittels eines statuierten Exempels wiederherstellen. Während des Armenienfeldzugs unter Nero verfuhr Corbulo ähnlich216. Ein weiteres Mal erfahren wir von der Anwendung der Dezimierung in frühtiberischer Zeit: Um 17 n. Chr. soll eine Räuberbande unter dem Kommando von Tacferinas in den afrikanischen Provinzen für Unruhe gesorgt haben217. Mit der Bekämpfung der Räuber wurde der Prokonsul M. Furius Camillus beauftragt, welcher Tacferinas zwar schlagen, aber nicht besiegen konnte. In der Folge weiterer Kampfhandlungen ereignete es sich, dass Camillus bei einem Überfall getötet wurde. Sein Nachfolger L. Apronius bestrafte daraufhin alle Soldaten, welche nach dem Überfall Fahnenflucht begangen hatten, mit der decimatio218. Zudem erwähnt Cassius Dio eine Anwendung der Dezimierung unter Galba, als dieser die Leibgarde des Nero mit dem „Spießrutenlauf“ bestrafte219. Außerdem wollte Galba nach seiner Akklamation die von Nero aus ehemaligen Flottensoldaten rekrutierte legio I Adiutrix wieder in ihren ehemaligen Rang von Marinesoldaten degradieren, woraufhin sich diese weigerten220. Dieser Anlass war für Galba Grund genug, die gesamte Legion mit der decimatio zu bestrafen221. Die Dezimierung findet auch Eingang in die Strategemata des Frontinus, der exemplarisch angibt, wie Marcus Antonius die an den Schanzarbeiten beteiligten Kohorten bestraft, da es dem Feind gelungen war, den agger in Brand zu stecken. Zusätzlich lässt er je einen Zenturio der „geächteten“ Kohorten töten222. Diese Aufzählung der angewandten Dezimierungen lässt die Frage nach dem Wahrheitsgehalt der veranschaulichten Fälle zwar offen, beweist aber durch die Darstellung in den antiken Quellentexten für das 1. Jh. n. Chr., dass diese Art der Disziplinierung durchaus noch ihre Anwendung fand. Gerade das zuletzt angeführte exemplum unterstreicht diese Äußerung, da der Autor Frontinus selbst ein langjähriger Militär im Verlauf der 2. Hälfte des 1. Jh. n. Chr. war. Auffällig gestaltet sich, dass besonders die Missachtung der Befehle bei den Schanzarbeiten bzw. das eigenmächtige Verlassen des signa mit der decimatio bestraft wurde. Gehandhabt wurde sie vor allem, um einer Massen-Desertation oder Meuterei der betroffenen Heeresteile entgegenzuwirken223.

216 Tac. ann. 13,35-37. 217 Jung 1982, S. 974. 218 Tac. ann. 3,21,1. 219 Dio 58,3,1–2. 220 Phang 2008, S. 128. 221 Suet. Galba 12,2. Plut. Galba 15,2–4. Tac. hist. 1,37. 222 Front. Strat. 4,1,37. 223 Phang 2008, S. 129. 39

4.2) Todesstrafe Abgesehen von der „Dezimierung“ als Kollektivstrafe wurde im 1. Jh. n. Chr. auch die Todesstrafe an einzelnen Straftätern exekutiert. Besonders häufig fand diese Bestrafung beim Tatbestand der Befehlsmissachtung und dem eigenmächtigen Handeln in Kriegszeiten seine Anwendung, auch wenn dieses zum Vorteil der ganzen Einheit führte.224 Als besonders schwerwiegender Fall der Befehlsmissachtung wird die Fahnenflucht hervorgehoben. Als Strafe für diesen speziellen Fall der Befehlsverweigerung sieht Frontinus die Todesstrafe als einzige Möglichkeit der Disziplinierung. Diese Art der Bestrafung würde nach Frontinus als abschreckendes Beispiel für die restliche Einheit fungieren225. Die Besonderheit des Tatbestandes der Fahnenflucht wird auch in den Annalen des Tacitus hervorgehoben226: Der antike Autor berichtet, dass Corbulo im Krieg gegen die Parther alle Soldaten köpfen ließ, die eigenmächtig die signa verlassen hatten. Betont wird an dieser Stelle, dass in anderen Lagern ein- bis zweimal eine Ermahnung ausgesprochen würde, bevor man das Todesurteil der Desserteure vollstreckte227. Diese Situation zeigt, dass die römische Heeresführung gerade in Kriegszeiten mit voller Härte gegenüber ihren Truppen auftrat, um einerseits die Ordnung aufrecht zu erhalten und andererseits die Gefahr der weiteren Fahnenflucht zu unterbinden. Desserteure wurden aber nicht ausschließlich auf römischer Seite thematisiert, wie der Senator Cassius Dio im Fall des Scenobardus aufzeigt228. Aufgrund der fragmentarischen Erhaltung seines Werkes an dieser Stelle erfahren wir nicht, wie mit dem Überläufer verfahren wird229. Dass die Todesstrafe ein probates Mittel war, um die Disziplin innerhalb der Armee gewährleisten zu können, zeigt auch das Vorgehen von Galba in den Jahren 45 – 47 n. Chr., als er in Afrika das Amt des Prokonsuls innehatte230. Sueton überliefert, dass Galba mit großer Strenge gegenüber einem einzelnen Soldaten auftrat. Der Schuldige wurde während eines Feldzuges dabei überführt, dass er seine Getreiderationen und Lebensmittel verkauft hatte. Als

224 Wesch-Klein 1998, S. 154. 225 Front. Strat. 4,1,29. 226 Waldstein 1964, S. 98. Phang 2008, S. 121. 227 Tac. ann. 13,35,4. 228 Dio 55,33,2. Der antike Autor benennt diesen als Aufrührer der Dalmater. 229 Wesch-Klein 1998, S. 163–168. 230 Jung 1982, S. 975. Der Soldat soll seine Rationen zu einem Preis von 100 Denaren pro Scheffel verkauft haben. 40

Strafe verurteilte ihn der spätere Kaiser zum Hungertod. Zusätzlich befahl er, dass niemand dem Verurteilten helfen durfte231. Ein Beispiel für die Anwendung der Todesstrafe zur Wiederherstellung der Heeresdisziplin überliefert uns Tacitus für den Zeitpunkt nach der Niederschlagung des pannonischen Aufstandes. Zur Abschreckung wurden die Rädelsführer und die restlichen Meuterer, Vibulenus und Perecennius, von der Garde des Drusus hingerichtet232. Der Sohn des Tiberius war ausgeschickt worden, um die Meuterei in Pannonien zu beenden233. Im Zuge der Akklamation des Tiberius erwähnt Tacitus einen Aufstand einer Legionsvexillation, die als Besatzung bei den Chauken stationiert war. Diese Meuterei konnte aber von Manius Ennius, dem Präfekten der Vexillation, gleich nach deren Ausbruch wieder beendet werden. Zu Herstellung der Ordnung ließ M. Ennius zwei meuternde Soldaten hinrichten234. Die exemplarische Darstellung der im 1. Jh. n. Chr. durchgeführten Todesstrafen zeigt auf, dass die Hinrichtung Einzelner besonders im Kriegsfall ein probates Mittel war, um die Ordnung innerhalb der Armee aufrechtzuerhalten. Besonders schwer wiegt dabei das eigenmächtige Verlassen der Truppe. Zudem wurden auch bei Meutereien einzelne Soldaten mit dem Tode bestraft. Dadurch wird ersichtlich, dass auch das römische Bürgerrecht vor der Todesstrafe nicht schützte235.

4.3) Strafversetzung, Degradierung bzw. Demütigung Eine weitere Bestrafung stellte die Strafversetzung bzw. Degradierung dar. Bei dieser Form der Verurteilung hatten die Betroffenen vor allem mit Einbußen im Bereich der stipendia und des sozialen Status zu rechnen. In weiterer Folge wirkte sich die Strafversetzung bzw. Degradierung sowohl auf die Art des Abschiedes aus dem Militärdienst selbst als auch auf die Entlassungsgelder, donativa und Beuteanteile aus236. Dass diese Strafe auch bei höheren Offizieren einer Legion angewandt wurde, deutet Sueton in seiner Biographie über Tiberius an: Ein legatus legionis soll vom Kaiser Tiberius degradiert worden sein, da er Soldaten erlaubte, den Freigelassenen des Legionslegaten bei einer Jagd zu begleiten237. Ein weiteres Beispiel wird uns aus der Regierungszeit des Vespasian überliefert. Dieser soll nach dem Sieg über

231 Suet. Galba 7,1–2. In den Kaiserviten des Sueton geht es zwar primär um die Darstellung der Charakteristika der einzelnen Protagonisten, doch erscheint diese Episode im militärischen Kontext durchaus plausibel. Es stellt sich nur die Frage, ob sich dieses Beispiel wirklich unter der Statthalterschaft des Galba ereignet hat. 232 Tac. ann. 1,29,3–4; 30,1. 233 Jung 1982, S. 974. 234 Tac. ann. 1,38. 235 Freundlicher Hinweis von Kordula Schnegg. 236 Phang 2008, S. 143. 237 Suet. Tib. 19. 41

Vitellius einen erst kürzlich von ihm beförderten Offizier wieder degradiert haben238. Der antike Autor Frontinus, der vor allem unter der Regierungszeit von Domitian wirkte, zählt die Degradierung als Sanktionierung für Soldaten auf, die in Kriegsgefangenschaft geraten waren239. Ebenso soll Agrippa mit gefangenen Legionären verfahren sein, wie Cassius Dio berichtet240. Das schwerwiegendste an einer Degradierung bzw. Strafversetzung war der damit verbundene Verlust des sozialen sowie militärischen Status241. Dadurch reduzierte sich für die Soldaten die Höhe der Besoldung und der Geldgeschenke. Zudem konnten nunmehr weniger Geldmittel beim signum für das Entlassungsgeld und die Begräbniskasse hinterlegt werden. Augustus soll ferner eine neue Form der Degradierung des sozialen Status eingeführt haben242, schenkt man Sueton Glauben: Soldaten, die ihre Entlassung in ungebührlicher Form forderten, soll Augustus, ohne ihre Spareinlagen auszubezahlen, entlassen haben. Außerdem hätte Augustus eine gesamte Legion entlassen, so der antike Biograph weiter, die ihm nur widerwillig gefolgt war243. Von dieser Maßregelung, welche als eine der schwersten galt, machten die Kaiser öfter Gebrauch, wobei zu erwähnen ist, dass z. B. Vespasian nach dem Bataver-Aufstand davon Abstand nahm244. Bedenkt man die Situation von Soldaten, die einen Machthaber unterstützen, der im Kampf um die Vorherrschaft im römischen Reich scheiterte, so wird ersichtlich, dass die Degradierung bzw. Strafversetzung ein Mindeststrafmaß darstellte, mit dem die betroffenen Truppen zu rechnen hatten. Einer Degradierung ähnlich war die Strafversetzung. Dabei konnten die betroffenen Soldaten nicht nur von einer Einheit mit hohem sozialem Status in einen Militärkörper von niedrigerem Ansehen, sondern auch in weniger beliebte Truppenstandorte und Krisengebiete versetzt werden. Flavius Iosephus berichtet von einer Strafversetzung der in Iudaea stationierten Einheiten unter Claudius, als dieser von Unruhen nach dem Tod des Herodes Agrippa I. erfährt. Claudius befiehlt dem neuen Prokurator Fadus die Einheiten nach Pontus zu versetzen245. Daraus geht hervor, dass ein Kommando in Iudaea in der 1. Hälfte des 1. Jh. n. Chr. in der Hierarchie über jenem in Pontus stand246.

238 Suet. Vesp. 8,3. 239 Front. Strat. 4,1,18. 240 Dio 54,11,15. 241 Wesch-Klein 1998, S. 151. 242 Sander 1960, S. 291. Die Entlassung ohne die gesparten Bezüge auszubezahlen wird als missio cum ignominia bezeichnet. 243 Suet. Aug. 24. 244 Wesch-Klein 1998, S. 169. 245 Ios. Ant. 19,9,1–2. 246 Ein weiterer Grund könnte aber auch eine bevorstehende Krisensituation in Iudaea gewesen sein. 42

Eine Art der Sanktionierung stellt für S. E. Phang das shaming punishment dar. Hierbei wurden die Betroffen dazu gezwungen, deren militärischen insignia abzugeben, wie das Schwert mit Schwertgurt (cingulum). Zudem mussten sich die Soldaten zur Maßregelung auf einem öffentlichen Platz nur in Tunika bekleidet bzw. nackt aufstellen. Durch diese öffentliche Demütigung verloren die Verurteilten auch ihren gesellschaftlichen Status innerhalb der Armee und fanden sich an der untersten Stelle der Heereshierarchie mit den Unfreien und Sklaven wieder247. Unter Augustus soll es zu einer solchen beschämenden Strafe für Zenturionen gekommen sein, welche nur in Tunika bekleidet und bewaffnet mit einer zehn Fuß langen Stange – auf dieser war ein Rasenodenstück aufgespießt – den ganzen Tag vor dem praetorium stehen mussten248. Besonders erniedrigend für die Verurteilten muss das Erdulden der Strafe ohne die militärischen insigna gewesen sein, speziell hervorzuheben ist hier das cingulum. Der Schwertgurt war jenes militärische Ausrüstungsstück, das die Soldaten in ihrer Zivilkleidung von der übrigen Bevölkerung unterschied. Durch die Abgabe des cingulum kennzeichnete man die Betroffenen als nicht mehr dem Militär zugehörig. Damit verbunden war der Verlust der bis dahin erlangten gesellschaftlichen Stellung innerhalb der Armee249. Die schwerwiegendste Form des shaming punishments war aber der komplette Ausschluss aus dem Lager. Dabei mussten die Verurteilten außerhalb des Lagers horsten und waren so aus dem Leben im castrum ausgeschlossen. Corbulo soll während des Winterlagers in Armenien einen seiner primi pili, Paccius Orfitus, mit dieser Strafe diszipliniert haben250.

4.4) Der Status der Legionäre bei der Entlassung Einen hohen Stellenwert nahm für die Legionäre der römischen Kaiserzeit der eigene soziale Status ein, mit dem sie aus dem Heeresdienst entlassen wurden. Dies entschied einerseits über die Höhe des aerarium militare und andererseits auch darüber, welche Stufe der römischen Gesellschaft die dismissi bei der Wiedereingliederung in das zivile Leben einnahmen. In der Regel wurden die Soldaten mit der honesta missio, der ehrenhaften Entlassung, aus dem Militärdienst verabschiedet, die sie ausschließlich vom Kaiser erhielten. Die Urkunden wurden im Normalfall vom jeweiligen Kommandanten an die Soldaten überreicht251. Es war aber auch möglich, dass die Soldaten mit einer causaria missio als Kriegsverletzte oder einer ignominiosa missio, der unehrenhaften Entlassung aus der Armee,

247 Phang 2008, S. 140. 248 Suet. Aug. 24,2. Über die Art des Fehlverhaltens der centuriones macht Sueton keine Angaben, aber benennt unmittelbar davor, dass Augustus Zenturionen für das Verlassen ihrer Posten hinrichten ließ. 249 Phang 2008, S. 142. 250 Tac. Ann. 13,35-36. Front. Strat. 4,1,21. 251 Mann 2000, S. 157. 43

austraten252. Durch diesen Umstand wird der Status der Truppen als Klienten gegenüber dem princeps zum Ausdruck gebracht. Der Kaiser trat hier in der Tradition der späten Republik als Patron auf, der sich um das Wohlergehen seiner Veteranen kümmerte253.

4.4.1) Die ehrenhafte Entlassung Doch wann erhielten die Truppen ihr diploma, mit dem sie die Armee als Zivilisten verlassen konnten? Rückschlüsse darüber können wir über den von Tacitus geschilderten Aufstand der Legionen an Rhein und Donau um 14 n. Chr. gewinnen254. Die Soldaten beklagten sich vor allem über eine viel zu lange Dienstzeit und forderten eine Verkürzung derselben, in die der neue princeps Tiberius schließlich einwilligte: Die Legionäre sollten nach 16 Jahren in den Status eines exauctoratus versetzt werden, um nach vier weiteren Jahren als veterani bzw. nuper missi die honesta missio zu erhalten255. Zeugnis darüber, dass diese Vereinbarung angewandt wurde, gibt die Inschrift eines Mannes, der 16 Jahre gedient hatte, dann weitere vier Jahre als curator veteranorum und dann als , drei Jahre als centurio256. Zudem deuten zwei weitere Inschriften die Verkürzung der Dienstpflicht an257. Als generelle Dienstzeit in der iulisch-claudischen Dynastie ist von 25 Jahren auszugehen, was aufgrund mehrerer epigraphischer Nachweise belegt ist258. Grundsätzlich konnte die honesta missio nur der miles caligatus erhalten. Die Stabsoffiziere übten ihren Militärdienst über eine kürzere Dienstzeit aus und wurden lediglich bei fehlerhaftem Verhalten mittels unehrenhafter Entlassung vorzeitig verabschiedet. In der Regel wurden sie durch ihre Nachfolger abgelöst259. Die ehrenhafte Entlassung konnte für die Veteranen viele Vorrechte mit sich bringen, wie das aerarium militare, die praemia und das ius conubium260. Zudem erhielten die entlassenen Soldaten die Befreiung von gewissen Tätigkeiten in ihrem Wohnort und zusätzlich einen besseren gesellschaftlichen Status wie noch zum Zeitpunkt ihrer Rekrutierung261. Neben der Befreiung von entsprechenden munera (z. Bsp.

252 Sander 1958, S. 166. 253 Phang 2008, S. 193. 254 Mann 2000, S. 153. 255 Tac. ann. 1,36. 256 CIL XIII 7556 = ILS 2649. 257 CIL III 2037 = ILS 8579. CIL III 14355. Die Entlassenen starben im Alter von 35 Jahren und konnten also nicht mehr als 16 Jahre gedient haben. 258 CIL XII 3179 = ILS 2267. CIL III 2709 = ILS 2253. Ein Veteran der legio VII. hat vor 42 n. Chr. XXV stipendia erhalten. CIL XIII 8276 = ILS 2324. Ein Soldat wurde 69 n. Chr. aus der legio I. (Adiutrix?) nach 25 Dienstjahren entlassen. CIL XIII 6854; 6870. Hier werden Veteranen der legio V. Macedonica genannt, die nach 25 Jahren ihren Abschied erhalten haben. 259 Sander 1958, S. 169. 260 Sander 1958, S. 166. 261 Mann 2000, S. 155. 44

munera patrimonii) gab es für ehrenhaft entlassene veterani eine Steuererleichterung262, welche auch für deren Frauen, Kinder und Eltern galt263. Einschränkungen in der Befreiung von den munera kann zu Beginn der Regierungszeit von Vespasian beobachtet werden. Die Immunität der munera patrimonii264, welche die Prätorianer 69 n. Chr. durch die honesta missio erhalten hatten, bezog sich nicht auf die Eltern und Kinder der aus dem Militärdienst ausgeschiedenen Leibgardisten265. Zusätzlich erhielten die Veteranen durch die missio nummaria die Möglichkeit, Handel zu treiben bzw. ein Gewerbe zu gründen266. Die neben dem aerarium militare gewährte praemia wies den Legionären außerdem ein Stück Land zu, das sie nach ihrem aktiven Militärdienst bewirtschaften konnten. Bereits unter Nero wurde der Charakter der praemia in eine zusätzliche Geldzahlung umgewandelt267.

4.4.2) missio ignominiosa Aufgrund der aufgelisteten Vorteile, die die Legionäre durch die ehrenhafte Entlassung aus der Armee erfahren konnten, wird ersichtlich, welche schwerwiegenden Nachteile die unehrenhafte Entlassung mit sich brachte. Die durch die missio ignominiosa aus der Legion entlassenen Soldaten waren zwar weiterhin römische Bürger268, durften aber Rom oder den Ort, wo sich der Kaiser gerade aufhielt, nicht betreten269. Die aus dem Heer ausgeschlossenen Männer galten als infamiert und mussten durch diese Sanktionierung erhebliche Einbußen in Bezug auf ihren gesellschaftlichen Status hinnehmen270. Sie befanden sich nun auf einer Stufe mit den Prostituierten, Zuhältern, Schauspielern und Gladiatoren, was den unehrenhaft Entlassenen die Teilnahme am öffentlichen Leben deutlich erschwerte271. Zudem hatten sie keinerlei Anspruch auf das Entlassungsgeld und die praemia272. Doch welche Handlungen führten zur missio ignominiosa? Primär sind an dieser Stelle Verfehlungen im Kriegsfall zu nennen: Unter Augustus entließ Agrippa aufgrund einer Niederlage viele Legionäre, die von den Kantabarern besiegt worden waren273. Während seines

262 Sander 1958, S. 203. 263 CIL XVI, 10. 264 Herz 2007, S. 109. Darunter sind Transportverpflichtungen und die Bereitstellung von Schiffen bzw. die persönliche Haftung des Transports zu verstehen. 265 Sander 1958, S. 203–204. 266 Sander 1958, S. 169. 267 Tac. ann. 14,27. 268 Phang 2008, S. 145. 269 Wesch-Klein 1998, S. 155. 270 Wesch-Klein 1998, S. 154. 271 Phang 2008, S. 146. 272 Wesch-Klein 1998, S. 165–168. 273 Dio 54,11,5. 45

Germanenfeldzuges soll Caligula einige seiner Offiziere aus dem Heer ausgestoßen haben, die mit den Auxiliaren als Verstärkung zu spät zur Schlacht erschienen waren274. Im Bürgerkrieg 68/69 n. Chr. wurde die Mehrzahl der unterlegenen Soldaten des Vitellius durch Vespasian nach dessen Sieg entlassen275. Es ist nicht davon auszugehen, dass die meisten der vitellischen Legionäre ihre gesamte Dienstpflicht erfüllt hatten; eine Verabschiedung mittels missio ignominiosa ist daher plausibler. Zudem waren alle Handlungen, die einer Befehlsverweigerung entsprachen bzw. als Verstöße gegen die Disziplin zu werten waren, mit der unehrenhaften Entlassung bedroht, wie uns die antiken Autoren Tacitus, Frontinus und Sueton überliefern: Im Zuge der Meuterei der am Rhein dienenden Legionen um 14 n. Chr. verabschiedete Germanicus einige Zenturionen, welche sich durch besonders grausames Verhalten gegenüber den Legionären unrechtmäßig bereichert hatten276. Caesar soll im Verlauf des Bürgerkrieges mit Pompeius über eine komplette Legion die missio ignominiosa verhängt haben277. Augustus entließ Legionäre, die ihre Entlassung ungebührlich forderten, ohne dabei Rücksicht auf ihre Spareinlagen zu nehmen278. Die unehrenhafte Entlassung wurde aber nicht ausschließlich als Kollektivstrafe angewandt, wie uns Flavius Iosephus berichtet: Während des jüdischen Aufstandes zwang einen berittenen Soldaten aus der Armee auszutreten, da dieser in Kriegsgefangenschaft der Aufständischen geraten war279. Sueton erwähnt in seiner Darstellung der Charakteristika des Augustus, dass dieser einen Ritter und seine Söhne in die Sklaverei verkaufen ließ, da der angesprochene eques vorsätzlich die Daumen seiner Söhne verstümmelte280. Dadurch hoffte der Angehörige des ordo equester, dass seine Söhne für den Militärdienst als untauglich erklärt würden281. Die geschilderte Passage benennt zwar keine unehrenhafte Entlassung, aber mit dem Verkauf in die Sklaverei gehen ein Verlust des sozialen Status und Einbußen in Bezug auf das finanzielle Einkommen einher. Zudem gelten der Mann und seine nachfolgenden Kinder als entrechtet282.

274 Suet. Calig. 44,1. 275 Suet. Vesp. 8,2. 276 Tac. ann. 1,44. 277 Front. 4,5,2. Die entlassenen Legionäre flehten Caesar an, ihren Status rückgängig zu machen und sie wieder in der Armee aufzunehmen. Caesar ging auf die Forderungen ein und von da an sollen sie die besten Soldaten in seinem Heer gewesen sein. Frontinus erwähnt diese Episode hier, um auf die ignominiosa missio als probates Mittel zur Herstellung der Disziplin hinzuweisen. 278 Suet. Aug. 24,2. 279 Ios. bell. Iud. 6,36,2. 280 Suet. Aug. 24,1. 281 Kissel 1996, S. 289. 282 Freundlicher Hinweis von Kordula Schnegg. 46

Neben den Truppen selbst als von der unehrenhaften Entlassung Betroffene sind zusätzlich die Frauen und Kinder der Soldaten zu nennen283. Durch die missio ignominiosa war es dem Soldaten nicht gestattet zu heiraten und die durch eine ehrenhafte Entlassung angestrebten Privilegien entfielen für Frauen und Kinder. Die Folgen wirkten sich also nicht nur auf die aus dem Heer ausgeschlossenen Männer, sondern auch auf deren Angehörige aus. Aufgrund dieser Betrachtung ist es nachvollziehbar, dass die unehrenhafte Entlassung eine der schwersten Bestrafungen für die Militärs der römischen Kaiserzeit darstellte. Neben dem Verlust des persönlichen Status musste man auch finanzielle Einschränkungen in Bezug auf das aerarium militarae oder den Anspruch auf Landbesitz hinnehmen. Zudem war es den veterani nicht mehr möglich, ohne Begrenzungen am öffentlichen gesellschaftlichen Leben teilzunehmen.

4.5) Begnadigung Die skizzierten Umstände werfen die Frage auf, ob die unterlegenen Truppen im Verlauf des römischen Prinzipats bei Versagen immer mit einer derart schweren Bestrafung zu rechnen hatten oder ob seitens der römischen Zentralverwaltung eine Art „Generalamnestie“ gewährt wurde. Einen ersten Hinweis auf derartige Praktiken im 1. Jh. n. Chr. liefert uns Tacitus, der schreibt, dass Soldaten, die der Katastrophe im Teutoburger Wald entkommen konnten und dem Germanicus das Schlachtfeld zeigten, von ihren Vergehen frei gesprochen wurden284. Augustus soll nach der Niederlage des Varus den geflohenen Legionären den Zugang nach Italien zwar verboten haben285, doch lässt die Erwähnung bei Tacitus darauf schließen, dass die Legionäre bei ihrer Rückkehr wieder in die Armee aufgenommen wurden (ius postliminii)286. Ähnlich wurde auch im Winterlager des Corbulo in Armenien verfahren287, als dieser vom Lagerleben ausgeschlossene Soldaten erst durch Bitten ihrer Kameraden wieder in den Heeresverband aufnahm288. Interessant gestalten sich die Ausführungen des Tacitus für die Auseinandersetzungen des ersten Vier-Kaiserjahres in Bezug auf die Begnadigung von Truppen: Als Vitellius die Winterlager der Legionen im niedergermanischen Militärbezirk

283 Phang 2001, S. 223. Eine ähnliche schlechte Situation nahm die Frau im Falle des Ablebens ihres Mannes während des Militärdienstes ein. Hatte der Soldat die Frau nicht als Begünstigte seines Testaments bedacht, so hatte die Frau keinerlei Erbansprüche. 284 Tac. ann. 1,61. 285 Liv. 22,60,15. Horaz, carm. 3,5,25. Horaz spricht hier vom Zurückkaufen von gefangenen Kriegern. Cic. De off. 3,32,114. Diese Äußerung des Augustus lässt auf eine unehrenhafte Entlassung der „Rückkehrer“ schließen. 286 Sander 1958, S. 174–175. In der Folgezeit setzte sich Auffassung des Augustus durch, dass, wer sich dem Feind freiwillig ergibt, ein Überläufer war und keinen Anspruch auf das ius postliminii hatte. 287 Waldstein 1964, S. 98. 288 Tac. ann. 13,36,4. 47

inspizierte, hob er eigenmächtig Ehrenstrafen auf, milderte Disziplinarstrafen und stellte den alten Rang von den Betroffenen wieder her289. Bemerkenswert ist es, dass die Strafen von Vitellius aufgehoben wurden. Aufgrund der Geschehnisse im Zuge der Machtergreifung des Galba ist davon auszugehen, dass dieser die aufsässigen Legionen am Rhein selbst bestrafte und nicht einer der Militärkommandanten. Vitellius überschreitet hier eindeutig seinen Kompetenzbereich, da nur der princeps selbst die Disziplinierung wieder aufheben hätte können290. Ein weiteres Mal berichtet uns Tacitus von der clementia eines Feldherrn in seinen Historien: Nach dem Sieg des Petillius Cerialis über die treverischen Kohorten des Valentinus im Bataveraufstand verschonte Cerialis diese291. Bei seinem Einzug in Augusta Treverorum verkündete er, dass für die cohortes Treverorum nun der erste Tag ihres neuen Dienstes beginnen würde292. Diese Aufzählung von Begnadigungen im Verlauf des 1. Jh. n. Chr. zeigt, dass die sich fehlerhaft verhaltenen Truppen nicht immer mit einer schlimmen Bestrafung zu rechnen hatten. Die Schlagkraft der römischen Armee war zwar nachweislich ihren Feinden überlegen, doch waren auch die Mannschaftsressourcen des römischen Militärs begrenzt.

289 Tac. hist. 1,52. Suet. Vit. 8,1. Diese Begnadigungen soll Vitellius Anfang Dezember 68 n. Chr. ausgesprochen haben. 290 Von der Annahme, Vitellius könnte im Auftrag des Galba handeln, ist Abstand zu nehmen. 291 Tac. hist. 4,72. 292 Waldstein 1964, S. 98. 48

5.) Der Aufstand der germanischen Legionen Eine gesonderte Stellung nimmt die Auflehnung der Rheinlegionen zuerst gegen Nero und anschließend gegen seinen Nachfolger Galba ein. Hervorzuheben sind hierbei die legiones IV. Macedonica et XXII. Primigenia aus Mogontiacum, da diese zwei Mal selbst versuchten, einen eigenen Kaiser zu akklamieren sowie gegen Ende 68 n. Chr. offen gegen Galba revoltierten.

5.1) Die Ausgangslage der germanischen Legionen 68 n. Chr. Gegen Ende seiner Regentschaft konnte im Imperium Romanum ein negativer Grundtenor gegenüber Nero beobachtet werden, wovon die Jahre von 64 – 68 n. Chr. die Spitze dieser Antipathie darstellten. Einer der Gründe für diese Haltung waren dessen Außen- als auch Innenpolitik sowie die Bauprogramme in der Stadt Rom und in den Provinzen. In Rom musste Nero zum Bau seiner domus aurea die größten Summen aufbringen, wie uns der unter Hadrian als Leiter der kaiserlichen Kanzlei eingesetzte Sueton berichtet293. In der Provinz Achaia startete Nero zudem ein großes Bauprogramm, wie uns der Senator Cassius Dio überliefert, das vor allem darauf abgezielt haben soll, die Landenge der Peloponnes zu durchgraben294. Die Authenzität dieser Äußerung von Cassius Dio muss jedoch ernsthaft angezweifelt werden. Primär verbirgt sich hinter der von Dio behandelten Griechenlandpolitik Neros wohl die Steuerbefreiung der Provinz Achaia. Der Ausfall dieser Zahlungen wurde zum Ausgleich auf das restliche Imperium verteilt. Zudem konnte der letzte Kaiser der iulisch-claudischen Dynastie in seinem Armenienfeldzug nicht den angestrebten Erfolg bewirken und einen eigenen Kandidaten auf den armenischen Thron heben. Stattdessen musste Nero den unter parthischer Kontrolle stehenden Tiridates 66 n. Chr. als armenischen König bestätigen295. Innerhalb Roms offenbarte sich diese Diskordanz nicht zuletzt durch die Pisonische Verschwörung 65 n. Chr., in die neben Teilen der Senatoren und Ritter eine größere Abordnung der Prätorianer sowie die plebs als Mitverschwörer auftraten296. Eine weitere Revolte gegen Nero kann für das Jahr 67 n. Chr. verzeichnet werden, die die Hinrichtung von drei Generälen mit sich zog297. Für Flaig markiert dieses Ereignis den endgültigen Bruch zwischen princeps und ordo senatorius298. B. Richter erkennt in den in erster Linie gegen Mitglieder des Senats

293 Suet. Nero 31. 294 Dio 63,16. 295 Shotter 2005, S. 39. 296 Flaig 1992, S. 240. 297 Dio 63,17,3. Unter den Generälen war auch Cn. Domitius Corbulo, der den Oberbefehl während des Armenienfeldzuges innehatte. 298 Flaig 1992, S. 242. 49

gerichteten Hinrichtungen einen weiteren Aspekt: Zwei der von Nero zum Selbstmord gezwungenen Feldherren – P. Sulpicius Scribonius Rufus und P. Sulpicius Scribonius Proculus – gehörten der gens Sulpicia an299. Wenig später ließ der im Dienste Neros agierende freigelassene Helius mit den Ermordungen des Q. Sulpicius Camerinus Pythicus und dessen Sohnes weitere Mitglieder dieser Familie liquidieren300. Somit war der als Statthalter der Provinz Hispania Tarraconensis eingesetzte Serv. Sulpicius Galba einer der letzten Überlebenden dieser gens301. Die Unzufriedenheit gegenüber dem neronischen Regime wurde ferner außerhalb Roms zum Ausdruck gebracht. Am deutlichsten zeigte sich dies im jüdischen Aufstand des Jahres 66 n. Chr., zu dessen Bekämpfung Nero den späteren Kaiser Vespasian entsandte302. Weitere lokale Aufstände können für Gallien und Britannien verzeichnet werden303. Auch beim Heer schien Nero in Misskredit geraten zu sein, da er Soldzahlungen und die Zahlungen an die Veteranen aussetzen ließ, wie Sueton schreibt304. Betrachtet man die Schilderungen Suetons aus dem Gesichtspunkt der germanischen Legionen, so wird ersichtlich, dass sich die Legionäre am Rhein in ihrer Existenz bedroht sahen. Zudem hatte es an der Rheingrenze seit Germanicus keine größeren Feldzugsbewegungen und die damit verbundenen Beuteanteile mehr gegeben. Zwar dürfte dieser Beschluss Neros alle Heeresverbände gleichermaßen betroffen haben, doch ist die Vermutung zulässig, dass sich die Legionen in den restlichen Reichsteilen in einer günstigeren Ausgangslage befanden. Durch die kriegerischen Auseinandersetzungen der vergangenen 20 Jahre in Britannien, im unteren Donaudelta, in Armenien und entlang der Levanteküste hatten die daran beteiligten Legionen ausreichend Möglichkeit, Beuteanteile zu generieren. Die in den beiden germanischen Militärbezirken eingesetzten Truppen hatten keinerlei Möglichkeiten, den Ausfall der stipendia anderswertig zu kompensieren. Verstärkt wurde die missliche Lage der legiones ad Rhenum durch die drohenden Revolten in Gallien und Britannien, von denen sie unmittelbar betroffen waren305. Aus der Sicht des princeps hatte der Umstand mehr Gewicht, dass Nero damit eine Verbindung gefährdete, die sich bereits seit der späten Republik etabliert hatte. Durch das Ausbleiben der Soldzahlungen und der Subventionen für die Veteranen durchbrach der Nachfolger des Claudius das seit der Regierung des Augustus bestehende Patron-Klienten-Verhältnis bzw.

299 Richter 1992, S. 15. 300 Plin. ep. 1,5,3. Dio 62,18,2. 301 Richter 1992, S. 15. 302 Zu den Ursachen des jüdischen Aufstandes siehe Ios. bell. Iud. 14,6–9; 15,1–2. 303 Dio 63,22,1. 304 Suet. Nero 32,1. 305 Plut. Galba 4. Gründe für diese Revolten sieht Plutarch im ruchlosen Verhalten der Prokuratoren in den Provinzen. 50

Kaiser-Armee-Verhältnis. Damit schuf Nero die Grundlage für die Erhebungen des Clodius Macer in den afrikanischen Provinzen, des Iulius Vindex in Gallien und des Galba in Spanien.

5.2) Die Erhebung des Vindex und das Handeln der Mainzer Legionen Alle skizzierten Zwangslagen der letzten Regierungsjahre Neros verdeutlichen, dass sein politisches Regime gescheitert war. Der von Flaig angesprochene Bruch zwischen Kaiser und Senat im Jahr 67 n. Chr. dürfte neben den anderen Reichskrisen Anlass für C. Iulius Vindex gewesen sein, sich in Gallien offen gegen Nero aufzulehnen306. Vindex war von Nero gegen Ende seiner Regierung als Proprätor der Provinz Gallia Lugdunensis eingesetzt worden, die bemerkenswerterweise eine provincia inermis war307. Wie uns der im 2. Jh. n. Chr. schreibende Biograph Plutarch aufzeigt, war es nicht die Absicht des Vindex, seine Revolte auf die ihm übertragene Provinz zu beschränken, sondern er stiftete andere Provinzstatthalter mittels Briefverkehr an, sich ihm anzuschließen. Einige der angesprochenen Statthalter leiteten diese Briefe an Nero weiter, wodurch dieser vom Verrat des Vindex in Kenntnis gesetzt wurde308. Selbst in der eigenen Provinz fand Iulius Vindex nicht uneingeschränkt Zuspruch, wie der Senator Tacitus in Bezug auf die Provinzhauptstadt Lugdunum aufzeigt309. Durch die Unterstützung des Legaten der Gallia Aquitania gelang es Vindex trotz der gespaltenen Situation in den restlichen Provinzen sein Territorium auszudehnen310. In der Folge richtete sich Iulius Vindex in einem Schreiben an den Statthalter der Provinz Hispania Tarraconensis, Serv. Sulpicius Galba, den er aufforderte, die Regierungsgeschäfte von Nero zu übernehmen311. Durch den antiken Autor Sueton erfahren wir, dass Galba – die Nachricht ereilte ihn auf dem conventus in Carthago Nova – dieser Aufforderung nachkam, sich aber nicht zum Imperator, sondern zum legatus senatus populusque Romanus ausrufen ließ312. Durch Galbas Handlungsweise wird ersichtlich, dass es in der römischen Kaiserzeit bis dato keine vergleichbaren Umsturzversuche gab, die rein auf der Machtbasis der Provinzen beruhten. Vergleicht man die vorangegangenen Auflehnungen während der iulisch-claudischen Dynastie, zielten die Gegner des princeps letztlich darauf ab, den Kaiser direkt in Rom zu stürzen, um

306 Tac. hist. 1,2. Suet. Galba 9,2. Plut. Galba 4. Dio 63,22. 307 Graßl 1973, S. 39. Überblicksmäßig bei Klee 2013, S. 42. Dem Kommando des Iulius Vindex waren vor allem Hilfstruppen unterstellt. Vgl. Flaig 1991, S. 376. E. Flaig erachtet lediglich die im Heer dienenden römischen Bürger als politisches Potential der Machthaber des frühen Prinzipats. 308 Plut. Galba 4. 309 Tac. hist. 1,65. 310 Suet. Galba 9,2. Interessant ist an dieser Stelle, dass sich nicht nur Iulius Vindex sondern auch der Legat von Aquitanien dirket an Galba wandte. Tac. hist. 4,17,3. 311 Plut. Galba 4. 312 Suet. Galba 10,1. 51

unmittelbar danach die Kontrolle über den Senat und das gesamte Imperium zu übernehmen. Weder Galba noch Vindex befanden sich 68 n. Chr. in Rom und hatten gerade erst begonnen, ihre Mittel auszuschöpfen313. Zudem brauchte Galba die Unterstützung und die Bestätigung durch den Senat, um sich zum princeps zu erheben. Interessant ist zu diesem Zeitpunkt die Reaktion des germanischen Heereskorpus, der mit sieben Legionen – vier im niedergermanischen und drei im obergermanischen Militärbezirk – die größte Bedrohung für Galba bzw. Vindex darstellte. Bei lokalen Aufständen oblag es den Konsularlegaten unverzüglich einzuschreiten und nicht erst auf einen Befehl aus Rom zu warten314. Die Frage stellt sich nun, wann die germanischen Legionen ihren beeideten Verpflichtungen nachkamen und gegen die anti-neronischen Bewegungen in Gallien vorgingen. Der Beginn der Vindexrevolte ist uns durch die Überlieferungen von Sueton bekannt, der, nach der Meinung von Flaig315, den 20. März angibt316. Flaig veranschaulicht, dass sich Vindex wohl bereits Anfang März von Nero losgesagt haben muss, da einerseits der ehemalige Proprätor der Gallia Lugdunensis seine Auflehnung organisierte und andererseits die Nachricht Nero erst in Neapel erreichte317. Doch wann erfuhren die Rheinheere von der Revolte? Bemisst man die Entfernung zwischen Lugdunum und Mogontiacum, so liegen rund 660 km zwischen den beiden modernen Städten Lyon und Mainz318. Durch ein Beispiel aus dem frühen 4. Jh. n. Chr. wissen wir, dass die Nachricht von der Ermordung des Kaisers Maximinus Daia in Aquileia über den cursus publicus Rom nur vier Tage später erreichte319. Die Distanz zwischen Aquileia und Rom ist mit ca. 650 km nahezu identisch mit jener von Lugdunum und Mogontiacum. Das bedeutet, dass der Kommandant des obergermanischen Heeres, Verginius Rufus, spätestens am 24. März vom Aufstand des Vindex erfahren haben könnte320. Dieses Datum muss wohl noch korrigiert werden, bezieht man die Entfernung von Lugdunum nach Neapel mit nahezu 1.200 km in die Berechnungen mit ein: Nach den hier aufgestellten Überlegungen würde ein Bote für diese Distanz knapp acht Tage benötigen.

313 Nach Plut. Galba 4,3 unterstanden dem Vindex bei der Schlacht von Vesontio 100.000 Soldaten. Diese Zahl wird in Bezug auf die logistische Heeresversorgung als nicht glaubwürdig erachtet. Zu Beginn seiner Erhebung unterstanden Galba eine Legion, zwei Alen und drei Hilfskohorten, siehe dazu Tac. hist. 1,17,2 sowie Suet. Galba 10,2. 314 Flaig 1992, S. 246. Den Oberbefehl in Niedergermanien hatte Fonteius Capito und in Obergermanien L. Verginius Rufus inne. Flaig zeigt diesen Umstand exemplarisch durch die Niederschlagung des Sacrovir/Treverer-Aufstandes 21 n. Chr. auf, siehe dazu Tac. ann. 3,41,3. 315 Flaig 1992, S. 246–247. 316 Suet. Nero 40,4. 317 Flaig 1992, S. 247. 318 Bei der Messung der Distanzen wurde versucht das römische Wegenetz zu berücksichtigen. 319 Klee 2010, S. 106. 320 Durch den Briefverkehr des Vindex mit den anderen Statthaltern und Armeekommandanten war Verginius Rufus sicher schon vor dem 24. März über die Geschehnisse in der Gallia Lugdunensis informiert. 52

Daraus folgt, dass Vindex seinen Aufstand bereits um den 12. März begonnen haben muss. Dieser Umstand legt nahe, dass Verginius Rufus bereits um den 16. März, also noch vor Nero, über die Revolte informiert war. Einen Hinweis darauf, wie lange es dauerte, eine Armee in Marschbereitschaft zu versetzen, liefert uns Tacitus, der angibt, dass Valens ein 40.000 Mann starkes Heereskontingent in nur zehn Tagen in Bewegung setzte321. Verginius Rufus unterstanden lediglich zwei Legionen mit Hilfstruppen, also höchstens 20.000 Soldaten. Zudem konnte er nicht die gesamte Schlagkraft seiner Truppen gegen Vindex mobilisieren, da er sonst die Grenzregion um Mainz vernachlässigt hätte. Vielmehr ist von einer Vexillation von in etwa 10.000 Mann auszugehen, die sich gewiss in der Hälfte der Zeit hätte in Bereitschaft versetzen lassen können. Das früheste mögliche Abmarschdatum wäre somit der 21. März gewesen, ein Tag nachdem Nero von den Unruhen erfahren hatte. Zwischen Mogontiacum und Vesontio (das heutige Besancon) liegt eine Strecke von rund 450 km. Bei einer Tagesmarschleistung zwischen 30 bzw. 40 römischen Meilen pro Tag hätte die Vexillation des Verginius Rufus Vesontio ehestens am 31. März/1. April erreichen können. B. Richter, E. Flaig und H. Bellen geben als frühestes Datum der Kampfhandlungen bei Vesontio erst Mitte April an322. Daraus wird einerseits ein „Zögern“ des obergermanischen Militärkommandanten und andererseits die Befehlsverweigerung des niedergermanischen Heeres gegenüber Nero klar ersichtlich323. Für die fehlende Initiative, den Vindexaufstand nicht unmittelbar zu bekämpfen, kann aber nicht allein Verginius Rufus beschuldigt werden, sondern auch dessen Soldaten dürften sich gegen ein sofortiges Einschreiten ausgesprochen haben. Verdeutlicht wird dieser Umstand durch den von Nero generierten Einschnitt zwischen ihm als princeps und seinen Soldaten. Dadurch sahen sich die Truppen in den germanischen Militärbezirken nicht mehr eidlich an den Kaiser gebunden und positionierten sich um die nächsthöheren Instanzen, Fonteius Capito und Verginius Rufus. Warum zumindest die beiden Mainzer Legionen schlussendlich einlenkten und gegen die Armee des Vindex zogen, ist darauf zurückzuführen, dass sowohl Galba als auch Vindex vom Senat zu hostes erklärt wurden324. Zudem dürfte den obergermanischen Legionen ein Beuteanteil in Aussicht gestellt worden sein. Die Absichten des Fonteius Capito sind zu diesem Zeitpunkt nicht mehr transparent, da er sowohl Nero als auch Galba seine Loyalität verweigerte. Tacitus berichtet in seinen Historien, dass Capito ähnliches wie Clodius Macer in Afrika geplant haben soll. Deshalb

321 Tac. hist. 1,62,2. 322 Richter 1992, S. 31. Flaig 1992, S. 250. Bellen 1997, S. 118. 323 Der Vollständigkeit halber muss zur Diskussion gestellt werden, ob Fonteius Capito die Vindex-Revolte als solche wahrnahm. Freundlicher Hinweis von Kordula Schnegg. 324 Richter 1992, S. 27. Bellen 1997, S. 117. Eich 2014, S. 89. 53

wurde Capito im weiteren Verlauf des Jahres 68 n. Chr. von seinen Legionslegaten Cornelius Aquinus und Fabius Valens ermordet, so der römische Senator325.

5.3) Die Geschehnisse nach der Schlacht von Vesontio bis zur Kaiserernennung Galbas Bei Vesontio kam es zur Entscheidungsschlacht zwischen den Kriegsparteien, bei der die Anhänger des Vindex besiegt wurden und Iulius Vindex im Anschluss Selbstmord beging. Die beiden siegreichen Mainzer Legionen akklamierten Verginius Rufus daraufhin selbst mehrmals zum Kaiser, welcher aber ablehnte326. Die Frage stellt sich, warum die legiones IV. Macedonica und XXII. Primigenia erst versuchten, Rufus zum princeps zu erheben und sich nicht unmittelbar nach der Schlacht wieder auf Nero vereidigten. Das Abhängigkeitsverhältnis zwischen princeps und den Mainzer Legionen dürfte derart stark beschädigt gewesen sein, dass die Truppen keinerlei Vertrauen mehr in Nero setzten. Einen Anhaltspunkt auf das angespannte Verhältnis zwischen Nero und den beiden Legionen aus Mogontiacum überliefert uns der zweimal Konsul gewesene Senator Cassius Dio, der von der Zerstörung des Kaiserbildnisses durch die Legionäre nach der Schlacht bei Vesontio berichtet327. Ungeachtet der Glaubwürdigkeit dieser Textstelle wird hier die entschlossene Ablehnung Neros durch das obergermanische Heer zum Ausdruck gebracht. Es verwundert daher nicht, dass sich die Soldaten zur Wahrung ihrer finanziellen Ansprüche an ihren Kommandanten wandten. Dieser Umstand ist darauf zurückzuführen, dass Rufus seinen Truppen das zu Beginn eines neuen Kommandos übliche Geldgeschenk unterbreitet hatte. Daraus folgt, dass nicht nur eine Bindung zwischen Kaiser und Heer, sondern auch zwischen einem Feldherrn und seinen Truppen bestand. Somit war die Verbindung zwischen den beiden Mainzer Legionen und Rufus die letzte, der sich die Soldaten verpflichtet fühlten. Durch die Akklamation ihres Kommandanten erhofften sie sich eine Verbesserung ihrer Finanzlage. Doch Verginius Rufus war sich seiner Situation durchaus bewusst, worauf dessen mehrmaliges Ablehnen zurückzuführen ist. Hätte Rufus sich zum Imperator erhoben, dann wäre er den Folgehandlungen Neros und Galbas ausgesetzt gewesen. Zudem hätte Verginius Rufus dadurch ein Einschreiten des Fonteius Capito und dem obergermanischen Heer provoziert. Bis dato herrscht Unklarheit darüber, wem die legiones IV. Macedonica und XXII. Primigenia in den darauffolgenden Monaten bis zum Ableben Neros ihre Treue schworen. Eine mögliche Usurpation des Rufus wird durch Plutarch

325 Tac. hist. 1,71,1–2. 326 Plut. Galba 6,3. Dio 63,25,1. 327 Dio 63,25,1. Bei Feldzügen wurde stets das imago des amtierenden Kaisers durch den imagnifer mitgeführt. 54

zwar angedeutet, doch können zu diesen Quellenangaben keine eindeutigen Aussagen gemacht werden328. Ebenso ist eine erneute Vereidigung auf Nero nicht überliefert. Mit dem Selbstmord Neros am 9. Juni 68 n. Chr. und mit der Ernennung Galbas zum Kaiser Ende Juni 68 n. Chr. durch den Senat änderte sich die Situation für die beiden legiones schlagartig – konnten die Soldaten des Verginius Rufus zuvor noch mit Belohnungen rechnen, waren sie nun, ohne in der Schlacht besiegt worden zu sein, zu Verlierern geworden329. Tacitus überliefert, dass auch das Gerücht einer Dezimierung der untreuen Truppen bzw. die unehrenhafte Entlassung deren Offiziere von Galba überlegt wurde330. Die Situation für die Soldaten der Mainzer Legionen in der zweiten Jahreshälfte 68 n. Chr. präsentierte sich nun wie folgt: Sie erhielten kein donativum und keine Beförderungen als Belohnung für ihren Sieg über Vindex. Die Legionen des Verginius Rufus durften nun mit keinen vorzeitigen ehrenhaften Entlassungen rechnen und hatten kein Anrecht auf Kriegsbeute331. Zudem erfuhren die Mainzer Legionäre keine Verleihungen von Ehrenauszeichnungen und die damit verbundene Aufwertung ihres sozialen Status. Stattdessen standen nun schwerwiegende Konsequenzen für die invicti victi im Raum, wie die Dezimierung, die missio ignominiosa, Degradierungen, Disziplinarstrafen und Ehrenstrafen332. Etwas Vergleichbares hatte es in der römischen Kaiserzeit bisher noch nicht gegeben und stellte die Truppen aus Mogontiacum vor eine neue, einzigartige und unklare Sachlage. Daher ist es wenig verwunderlich, dass die Soldaten der Mainzer Legionen zuerst versuchten, ihren Kommandanten Verginius Rufus selbst zum neuen princeps auszurufen, um die drohenden Konsequenzen abzuwenden. Erst als dieser ablehnte und sich keinerlei Alternativen anboten, vereidigten sich die legiones IV. Macedonica und XXII. Primigenia auf Serv. Sulpicius Galba333. In der Forschung wird die Antipathie Galbas gegenüber den germanischen Legionen stark angezweifelt: A. R. Birley sieht dahinter, dass Galba von spanischen Truppen erhoben wurde und sich die legiones ad Rhenum nicht den

328 Plut. Galba 10,1. 329 Tac. hist. 1,51,1. siehe dazu Bellen 1997, S. 120. H. Bellen erachtet die Loyalitätsverweigerung als sehr bemerkenswert, da die Mainzer Legionen von Galba sogar bestochen wurden. Die Legenden auf den Reversen der von Bellen postulierten Bestechungsgelder nennen FIDES EXERCITVVM und weisen somit das gesamte römische Heer als Adressat aus. Im Gegensatz dazu ließen beispielsweise Marc Anton (RSC 6; 27; 28) und Clodius Macer (RIC I 6; 15) dezidiert die Namen ihrer Truppen als Belohnung bzw. Treuebekundung auf die Münzen prägen. 330 Tac. hist. 1,51,5. 331 Tac. hist. 1,51,4. 332 Tac. hist. 1,52,1. Der Senator beschreibt den Antritt des Vitellius als Kommandant des niedergermanischen Militärbezirks, bei dem Vitellius sämtliche Ehrenstrafen, Disziplinstrafen und Degradierungen aufhob. Durch die Schilderungen von Tacitus unter 1,8,2 kann darauf geschlossen werden, dass auch das niedergermanische Heer bestraft wurde, weil es Galba nicht von Beginn an unterstützte und ihm erst nach dessen Ernennung zum princeps durch den Senat die Treue schwor. Aufgrund der Tatsache, dass sich die niedergermanischen Legionen nicht an der Niederschlagung des Vindex-Aufstandes beteiligten und trotzdem bestraft wurden, ist davon auszugehen, dass die Legionen aus Mainz mit einem wesentlich höheren Strafausmaß zu rechnen hatten. 333 Plut. Galba 10,5. 55

Willen anderer aufzwingen lassen wollten334. Eine gewisse Rivalität zwischen den einzelnen Legionen ist sicher nicht bestreitbar, doch kann dieses von Birley angeführte Argument in diesem Zusammenhang vernachlässig werden, da dieses Konkurrenzdenken der Legionäre auf eine rein monetäre Gründe zurückzuführen ist. H. Bellen erwähnt sogar Bestechungsversuche von Seiten Galbas an die Rhein-Legionen, da dieser eine Münzserie mit der Aufschrift FIDES EXERCITVVM prägen ließ335. Dazu ist anzumerken, dass diese Treuebekundung nicht nur die germanischen Heere als Rezipienten vorsah, sondern vielmehr als Botschaft an die gesamte Armee zu verstehen ist336. Würde es sich bei dieser Münzlegende um einen wie von Bellen vorgeschlagenen Bestechungsversuch handeln, so verwundert es, dass nicht die Standarten bzw. Namen der Umworbenen auf den Nominalen erwähnt worden sind. An dieser Stelle kann der zeitgleiche Fall des Clodius Macer angeführt werden, welcher 68 n. Chr. auf den Rückseiten seiner Münzen einerseits die ihm schon zu Beginn seiner Statthalterschaft in Afrika unterstelle legio III. Augusta und andererseits die von ihm ausgehobene legio I. Macriana ehrt. Da sich schlussendlich Ende Juni 68 n. Chr. alle Heereskontingente auf Galba vereidigten, könnten besagte Münzen Bestandteil der ersten unter Galba erfolgten reichsweiten Soldzahlung oder seines Antrittsdonativs gewesen sein.

5.4) Vitellius übernimmt den militärischen Oberbefehl im niedergermanischen Militärbezirk Die Situation änderte sich für die Teile des obergermanischen Heeres an den Kalenden des Dezembers 68 n. Chr. als Aulus Vitellius sein Kommando im niedergermanischen Militärbezirk antrat: Vitellius hob einerseits die gegen die Soldaten verhängten Strafen auf und andererseits verteilte er Gelder an seine ihm unterstellten milites337. Vitellius agierte hier nach spätrepublikanisch/früh-kaiserzeitlichem Vorbild als er seine neuen Truppen mit einem Geldgeschenk bedachte338.

334 Birley 2007, S. 382. 335 Bellen 1997, S. 120. 336 Über die Bedeutung des fides-Zeichen bei Gonzenbach 1952, S. 7–9. 337 Tac. hist. 1,52,2. 338 Die Geldmittel des Vitellius sind unter anderem darauf zurückzuführen, dass Augustus mit der Wiederherstellung der res publica die politischen Ämter mit einem Zensus versah. Zudem gehörte seine familia zu den einflussreichsten in Rom. (freundlicher Hinweis von J. W. G. Schropp, dem ich an dieser Stelle für seine unerschöpfliche Geduld und stets konstruktive Kritik danken möchte). 56

5.4.1) Die Vermögenswerte des Vitellius Doch woher konnte Vitellius diese Gelder beziehen339? Die Frage nach der finanziellen Liquidität des Vitellius behandeln bereits die antiken Autoren Tacitus, Sueton und Plutarch: Der Schwiegersohn des Cn. Iulius Agricola bemerkt, dass Vitellius bei der Schiffsreise nach Lugdunum – diese ereignete sich während der Konfrontation mit Otho – auf jeglichen Prunk verzichtete. Zudem betont Tacitus „… seine von früher gewohnte Ärmlichkeit …“340. Dezidierter auf die ärmlichen Verhältnisse eingehend äußert sich Sueton, der kurz vor der Abreise des Vitellius in den niedergermanischen Militärbezirk die Finanzlage des vierten Kaisers der Jahre 68/69 n. Chr. hervorhebt: Vitellius soll seine Frau und Kinder, die er in Rom zurückließ, in einer ärmlichen Mietswohnung untergebracht haben, um sein eigenes Haus vermieten zu können. Zudem habe er eine Perle seiner Mutter veruntreut und einen Freigelassenen erpresst, so führt Sueton weiter aus341. Der antike Biograph Plutarch überliefert uns ein Gespräch der Offiziere aus dem obergermanischen Militärbezirk, die die Armut des Vitellius lobend hervorhebt342. Hinter diesen Behauptungen der antiken Autoren des ausgehenden 1. Jh. bzw. beginnenden 2. Jh. n. Chr. vermerkt B. Richter den Einfluss der Tyrannentopik, was Richter auf einen Widerspruch in einer Erwähnung bei Tacitus zurückführt343. Nach Tacitus habe Vitellius bei seinem Amtsantritt in Niedergermanien den Soldaten Geschenke aus seinem Privatbesitz gemacht344. Nähere Hinweise zu den Vermögenswerten des Vitellius liefern uns dessen unmittelbare Vorfahren, die gleichzeitig für den Aufstieg der gens verantwortlich waren. Ursprünglich dürften die Vitellii dem ordo equester angehört haben, wie Sueton für P. Vitellius – den Großvater des späteren Kaisers – angibt, der als procurator Augusti das Patrimonium des Augustus verwaltete345. Durch die Stellung des P. Vitellius wird die Nähe zum Kaiser und den damit verbundenen Unterstützungen durch den princeps angedeutet. Drei seiner vier Söhne – Quintus, Publius, Aulus und Lucius – wurden durch die Förderung des Augustus in den Senat aufgenommen. Der Vater des Kaisers, Lucius, hatte das Quästorenamt erst unter Tiberius inne346. Der Aufstieg der Vitellii lässt sich speziell durch den cursus honorum des Lucius verfolgen: Bereits 34 n. Chr. bekleidete er zusammen mit Paullus Fabius Persicus das Konsulat

339 Ich danke an dieser Stelle herzlichst Christian Mileta, der mir diesen Denkanstoß gegeben hat. 340 Tac. hist. 2,59,2. 341 Suet. Vit. 7,2. 342 Plut Galba 22,5. 343 Richter 1992, S. 78–79. 344 Tac. hist. 1,52,2. 345 Suet. Vit. 2,2. 346 Richter 1992, S. 58–59. 57

als ordinarius347. Im darauffolgenden Jahr erhielt Lucius als legatus Augusti pro praetore den Oberbefehl über die Provinz Syria, was ihn als Günstling des Tiberius auswies348. In seinem Amt als Proprätor konnte er sowohl militärische als auch diplomatische Erfolge gegen die Parther erzielen349. Nach seiner Rückkehr aus Syrien im Jahr 39 n. Chr. war es L. Vitellius erst wieder im Jahr 43 n. Chr. möglich, ein Amt zu bekleiden350. In diesem Jahr erhielt er zusammen mit dem neuen princeps die ornamenta consularia; hervorzuheben ist, dass Lucius als ordinarius in den Konsullisten geführt wurde351. Während Claudius der Eroberung Camulodunums beiwohnte, erhielt Lucius sogar die cura imperii. Als Höhepunkt seiner Laufbahn kam ihm 47 n. Chr. die Ehre eines dritten Konsulats zuteil sowie im Jahr darauf das gemeinsame Zensorenamt mit Claudius352. Die Auflistung der Ämter des L. Vitellius zeigt dessen Nähe zum Kaiser, wodurch es ihm nicht nur gelungen sein dürfte, in die höchsten sozialen Kreise Roms aufzusteigen, sondern auch ein entsprechendes Familienvermögen zu generieren. Sicher gefördert durch seinen Vater wurde der spätere Kaiser Aulus Vitellius 48 n. Chr. zum Konsul gewählt und kurz darauf als Quindecemvir sacris faciundis in eines der vier höchsten Priesterkollegien aufgenommen353. Während der Regentschaft Neros wurde Aulus Vitellius 57 n. Chr. Mitglied einer weiteren Priesterschaft, der Fratres Arvales354, und erhielt im Jahr 60 n. Chr. das Prokonsulat für die Provinz Africa. In den Jahren 61 und 62 n. Chr. fungierte er noch als Legat seines Bruders, der das Prokonsulat in Africa unmittelbar nach Aulus antrat355. In seinem letzten Amt unter Nero ist 63/64 n. Chr. Aulus Vitellius als curator operum publicorum bezeugt356. Bis zu diesem Zeitpunkt wird ersichtlich, dass sich Aulus Vitellius sowohl in der Gunst des Claudius als auch in jener des Nero behaupten konnte und sicherlich von diesen Verbindungen profitierte. In den letzten Regierungsjahren Neros scheint es jedoch zu einem Zerwürfnis zwischen dem princeps und Vitellius gekommen zu sein. Speziell für dieser Zeit berichten Quellen über die Verarmung des Vitellius. Richter führt diesen Umstand darauf zurück, dass Vitellius bei Nero in Ungnade gefallen war und der princeps wohl das Vermögen des späteren Kaisers konfisziert haben könnte357. Die Situation dürfte sich für

347 Tac. ann. 6,28,1. Dio 58,24,1. 348 Tac. ann. 6,32,3–4. 349 Tac. ann. 6,36–37;41,1. Suet. Vit. 2,4. 350 Richter 1992, S. 61–62. Auch nach dem Regierungswechsel von Tiberius zu Caius blieb L. Vitellius Statthalter von Syrien. Dies deutet auf seine gewichtige Stellung innerhalb des Senatorenstandes hin. 351 Suet. Vit. 2,4. 352 Tac. ann. 12,4. Suet. Vit. 2,4. 353 Richter 1992, S. 67. 354 Dieses Priesterkollegium war neben seiner ursprünglichen Tätigkeit als Priesterschaft für die Göttin Dea Dia nach der Etablierung des Prinzipats durch Augustus für den Kaiserkult in Rom verantwortlich. 355 Tac. hist. 2,97,2. Suet. Vit. 5,1. 356 Suet. Vit. 5. 357 über diese unter Nero gängige angewandte Praxis bei Suet. Nero 32. 58

Vitellius spätestens mit der Machtergreifung des Galba geändert haben, da Aulus Vitellius im Verlauf des Jahres 68 n. Chr. von Galba zum Oberbefehlshaber des niedergermanischen Heeres ernannt wurde. Ein Grund dafür dürfte die durch L. Vitellius initiierte gute Beziehung zu den restlichen Mitgliedern des ordo senatorius gewesen sein, die von seinen Söhnen weiter geführt wurde358. Gleichzeitig mit dieser Ernennung kann von einer mindestens anteilsmäßigen Vermögensrückgabe an die Vitellianer ausgegangen werden, was Vitellius dazu befähigte, seinen Soldaten bei seinem Amtsantritt ein Donativ zu erstatten.

5.4.2) Die Machtergreifung des Vitellius Die Mainzer Legionen dürften diese Vorgänge im benachbarten Militärbezirk kritisch beobachtet und die im Juni 68 n. Chr. noch fehlende Alternative in Bezug auf einen eigenen „Kaiser“ gefunden haben. Bereits am 24. Dezember 68 n. Chr. kam es zu ersten Bekundungen der Unzufriedenheit gegenüber dem neuen princeps durch die Soldaten in Mogontiacum. Die Legionäre störten die Feierlichkeiten zum dies natalis des Galba mit großem Lärm und ließen sich nur schwer wieder beruhigen359. Die Situation war nun keineswegs unter Kontrolle und spitzte sich am 1. Januar 69 n. Chr. weiter zu: An diesem Tag traten die neuen Konsuln in Rom ihr Amt an und der Eid auf den Kaiser wurde erneuert. Das niedergermanische Heer leistete diesen Schwur zögerlich und mit Widerwillen, wie uns Tacitus berichtet, aber die Mainzer Legionen revoltierten offen gegen Galba, schworen dem Senat und dem Volk von Rom ihre Treue und zerstörten die Statuen des princeps360. Das Zerstören des Kaiserbildnisses begegnet uns an dieser Stelle als wiederkehrendes Element, dessen sich die beiden Legionen aus Mogontiacum bereits nach der Niederlage des Vindex bedient hatten. Dadurch wird ersichtlich, dass der Bruch zwischen Kaiser und Soldaten erst durch die Demontage der Kaiserabbildungen als endgültig angesehen wurde361. In der Folge ritt der aquilifer der IV. Macedonica nach Köln, um Vitellius über die Revolte in Mainz zu unterrichten. Interessant ist hier, dass ein Soldat den Kommandanten des niedergermanischen Militärbezirks unterrichtete und nicht ein höherer Offizier362. Außerdem wird dadurch ersichtlich, dass sich Vitellius der Unterstützung der Soldaten aus dem obergermanischen Militärbezirk sicher sein konnte, da der Adlerträger als ranghöchster miles

358 Richter 1992, S. 80. 359 Plut. Galba 18,9. 360 Tac. hist. 1,55. 361 über die Verbindung zwischen signum und Kaisereid bei Stoll 2001, S. 82–83. 362 Tac. hist. 1,56,2–3. siehe zur Stellung des Feldzeichenträgers in der Legion bei Sander 1958, S. 182. 59

und Fürsprecher für die Legionäre galt. Bereits am 2. Januar 69 n. Chr. wurde Vitellius durch einen seiner legati legionum, Fabius Valens, zum Imperator ausgerufen. Am 3. Januar schlossen sich die IV. Macedonica und XXII. Primigenia dem neuen Kaiserkandidaten an363.

5.5) Gründe für das Handeln der Zentralverwaltung unter Galba Was aber bewog die Mainzer Legionen, sich von Galba abzuwenden und den Bruch mit dem princeps in Rom zu vollziehen sowie sich schlussendlich dem Usurpator Vitellius anzuschließen? Und hatte die Zentralverwaltung die Vorgänge an der Rheingrenze unterschätzt? Hinweise darauf liefern uns Plutarch, Sueton und Tacitus: Tacitus überliefert, dass die auf Seiten des Vindex kämpfenden gallischen Stämme von Galba mit dem römischen Bürgerrecht und Steuererleichterungen belohnt wurden. Im Gegensatz dazu soll er die in Rheinnähe ansässigen Ethnien mit Landenteignungen bestraft haben364. Nach den Ausführungen des unter Traian wirkenden Senators hat Galba dadurch die Unzufriedenheit am Rhenus weiter verstärkt. Zudem berichten sowohl Plutarch als auch Sueton, dass Galba den Soldaten das seit Augustus etablierte donativum verweigerte365. Die beiden antiken Biographen nutzen dieses Versäumnis, um die negativen Charakterzüge zu verstärken, doch musste sich Galba – nicht zuletzt durch seine eigenen Statthalterschaften – über die Wirkung des Donativs im Klaren sein. Am härtesten unter den Legionären waren aber die ehemaligen Flottensoldaten vor Rom – Nero rekrutierte aus Flottensoldaten die legio I. Adiutrix366 – von den Amtshandlungen Galbas betroffen: Sueton berichtet, dass Galba den Befehl zur Dezimierung der Legion gab, da sie seinem Befehl zur Auflösung der legio nicht Folge leisteten367. Diese beschriebene Dezimierung lässt sich weder historisch noch archäologisch oder epigraphisch belegen. In Rom sichergestellte Urkunden für Soldaten der legio I. Adiutrix aus der Regierungszeit Galbas belegen lediglich die Entlassung großer Teile dieser Einheit. Eine entscheidende Rolle bei der Betrachtung der Dokumente spielt nicht der Inhalt der erwähnten Diplome, sondern das Ausstellungsdatum – der 22. Dezember 68 n. Chr. - also zwei Tage vor dem dies natalis des princeps368. Aus der Regierungszeit des Diocletian sind wir durch Papyri aus Paneropolis darüber informiert, dass der Imperator an diesem Tag allen seinen Truppen jährlich ein donativum gewährte369. Im Verlauf der römischen Kaiserzeit sind noch weitere

363 Tac. hist. 1,57,1. Bechert 2007, S. 26. 364 Tac. hist. 1,8,1. 365 Plut. Galba 18. Suet. Galba 16,1. 366 Pferdehirt 2002, S. 107. 367 Suet. Galba 12,2. Galba soll auch die germanische Leibwache aufgelöst haben. 368 CIL XVI 7. 369 Wesch-Klein 1998, S. 58. 60

Geldgeschenke an die Armee am dies imperii370 des princeps und am Tag der Erneuerung des Kaisereids (1. Januar) belegt371. Geht man nun von mehreren jährlich zu entrichtenden Zahlungen an das gesamte römische Heer bereits in der frühen Prinzipatszeit aus, so wird ersichtlich, dass sich die Zentralverwaltung um Galba mit der Entlassung der Legionäre der legio I. Adiutrix viele Ausgaben ersparte. Durch die Entlassung am 22. Dezember 68 n. Chr. mussten die donativa am 24. Dezember 68 und 1. Januar 69 n. Chr. sowie der erste Sold nicht bezahlt werden372. Nur so ist es zu erklären, dass Galba in seiner noch instabilen Machtlage als princeps zumindest große Teile einer erst kürzlich aufgestellten Legion entließ. Eine ähnliche Situation ereignete sich kurz nach dem Regierungsantritt von Vespasian. Während der Auseinandersetzungen mit Vitellius 69 n. Chr. hatte Vespasian seinen Legionären und den unter Vitellius entlassenen cohortes praetoriae versprochen, sie in den Rang der Prätorianer zu erheben bzw. wieder als kaiserliche Leibwache einzusetzen373. Nach der Übernahme der Macht im Imperium Romanum durch die Flavier kam es in Rom zum Aufstand unter den cohortes praetoriae, da Vespasian seine Versprechungen zum Teil nicht einhielt. Die neue Zentralverwaltung bemühte sich um einen Ausgleich mit den Prätorianern und bot ihnen Landschenkungen an, wie uns Tacitus überliefert, was von diesen abgelehnt wurde374. Entlassungsurkunden aus Rom, welche die Prätorianer betreffen, deuten an, dass zumindest Teile der kaiserlichen Leibgardisten die Vorschläge der römischen Zentralverwaltung annahmen. Außerdem belegt das Datum der Diplome – der 30. Dezember 72 n. Chr.375, dass durch die Entlassung vor dem Neujahrstag weitere Kosten gespart werden konnten376. Daraus lässt sich schließen, dass der Finanzhaushalt im Zeitraum zwischen 68 – 72 n. Chr. stark belastet war. Betrachtet man die Situation der in Mogontiacum stationierten Legionen unter diesen Gesichtspunkten, lässt sich Folgendes festhalten: Durch die prekäre Finanzlage im Imperium Romanum konnte Galba weder sein Antrittsdonativ noch die donativa an seinem dies natalis und am Neujahrstag zahlen. Daraus lässt sich schließen, dass das Abhängigkeitsverhältnis zwischen patronus (Galba) und clienti (legiones IV. Macedonica et XXII. Primigenia) nie

370 Die Praxis eines jährlichen Donativs am Tag des Herrschaftsantritts überliefert Tacitus bereits unter Claudius. Der antike Autor erwähnt zwar als Empfänger lediglich die Prätorianer in Rom, doch ist davon auszugehen, dass auch die restlichen Heeresteile beschenkt wurden. 371 Schmetterer 2012, S. 35. 372 Das bei der Gewährung der honesta missio anfallende Entlassungsgeld und die Landschenkungen mussten von der römischen Zentralverwaltung ohnehin beglichen werden. 373 Tac. hist. 3,21–23. 374 Tac. hist. 4,46. 375 CIL XVI 25. 376 Pferdehirt 2002, S. 116. 61

geschaffen wurde. Die schon bestraften Mainzer Legionen wurden so ein weiteres Mal diszipliniert, obwohl sie eigentlich bei Vesontio gesiegt hatten und mit Belohnungen rechnen konnten. Mit Vitellius war seit den Kalenden des Dezembers 68 n. Chr. ein potentieller „eigener“ Kandidat im unmittelbaren Nahbereich zugegen, der noch dazu Strafen aufhob bzw. rückgängig machte und seine Truppen mit Geld beschenkte377. Tacitus beschreibt weiter, dass sich die Truppen – sowohl Legionen als auch Hilfstruppen – mit Begeisterung Vitellius anschlossen. In der Folge erhob der Machthaber Ritter in hohe Ämter, zahlte Gelder378 an die Truppen aus und ließ diejenigen exekutieren, die von den Soldaten als schuldig befunden wurden379. Vitellius erzeugte durch diese Maßnahmen die Bindung zwischen Patron und Klienten, die Galba noch verabsäumt hatte und gewährte den Streitkräften am Rhein ihre schon verloren geglaubte Belohnung. Der „rheinische princeps“ trat seit seinem Antritt als Kommandant des niedergermanischen Militärbezirks als potenter Geldgeber auf und so stellte sich für die Soldaten nie die Frage, ob auch zukünftig finanzielle Mittel von Vitellius an die milites bezahlt werden würden. Bereits Augustus hatte diese wirtschaftliche Abhängigkeit zwischen princeps und Heer erzeugt und die Truppen waren es seit seiner Bestätigung durch den Senat (27 v. Chr.) gewohnt, Sold und Geldgeschenke von einem Machthaber zu empfangen.

377 Nach der Abberufung des Verginius Rufus als Kommandant des obergermanischen Militärbezirks wurde dieser durch Hordeonius Flaccus ersetzt, welcher Galba treu ergeben war. Eine Akklamation des Flaccus zum Imperator kam für die Soldaten am oberen Rhein also nicht in Frage. 378 Die Gelder dürften wohl aus Vitellius eigenem Besitz gestammt haben wie unter 5.4.1) aufgezeigt wurde. 379 Tac. hist. 1,57,2; 61,1. 62

6.) Die Situation an der Donau 69 n. Chr.

6.1) Der Umgang des Vitellius mit dem exercitus Romanus Mit der Niederlage des Otho und seinem anschließenden Selbstmord am 14. April 69 n. Chr. bei Bedriacum hatte Vitellius sich gegen zwei Kaiser behauptet und die Macht im Imperium Romanum erfolgreich usurpiert380. Dieser Erfolg brachte Vitellius aber auch in eine Bringschuld gegenüber seinen Truppen, da seine neu erlangte Kaiserwürde ausschließlich auf militärischer Stärke beruhte. Wollte er nicht dieselben Fehler wie Galba machen, so musste er in seiner unsicheren Position – Vitellius war noch nicht vom Senat als princeps bestätigt worden – weiter auf seine Soldaten vertrauen.

6.1.1) Die Reorganisation der Prätorianergarde Dazu überliefert uns Sueton, dass Vitellius als eine seiner ersten Amtshandlungen – er hielt sich zu diesem Zeitpunkt in Gallien auf – noch während seiner adlocutio an die siegreichen Streitkräfte, große Teile der alten Prätorianergarde entlassen haben soll381. Die Beweggründe des Vitellius dürften darin gelegen haben, dass er einerseits die Loyalität der Prätorianer ihm gegenüber anzweifelte und andererseits die Garde mit „seinen“ ihm treu ergebenen Soldaten besetzen wollte. Hinter diesem Aspekt verbirgt sich noch ein weiteres Motiv: Für ihre Solidarität belohnte Vitellius die germanischen Legionäre mit einer Beförderung zu den praetoriani. Dies bedeutete für die vitellischen Truppen eine Verbesserung des sozialen Status, mehr Sold, ein höheres Donativ und eine umfangreichere Entschädigung bei Beendigung ihres Dienstes382. Zudem wird durch den Zeitpunkt, als Vitellius den Befehl zur Abrüstung der Prätorianer gab, die Dringlichkeit betont, seinen Versprechungen gegenüber den germanischen Heeresverbänden nachzukommen. Anders verhielt es sich mit den dismissi, die keineswegs mit Gratifikationen oder einer honesta missio rechnen durften. Verdeutlicht wird dieser Umstand durch die angesprochene rapide Beschlussfassung des Vitellius. Richter sieht dahinter einen Widerspruch, da Tacitus im Gegensatz zu Sueton die Entlassung erst nach der Ansprache des Aulus Vitellius in Lugdunum während seiner Reise nach Rom erwähnt. Richter begründet diesen Umstand mit einer schrittweisen Entlassung der Leibgarde383. Dagegen spricht, dass Vitellius unmittelbar nach seinem Sieg über Otho seine Truppen belohnen musste. Dadurch

380 Pfeiffer 2009, S. 7. 381 Suet. Vit. 10,1. 382 Flaig 1992, S. 350. 383 Richter 1992, S. 154–155. 63

signalisierte er dem restlichen exercitus Romanus, dass er Willens war, die ihm gegenüber gebrachte Loyalität entsprechend zu vergüten. Einen weiteren Hinweis auf den Umgang mit den ehemaligen Leibgardisten des Otho überliefert Tacitus in seinen Historien, dass die cohortes praetoriae mit ehrenhaften Entlassungen besänftigt worden wären. Diese Behauptung des römischen Senators widerspricht jener, dass sich die ehemaligen Prätorianer unmittelbar nach der Akklamation des Vespasian der Partei der Flavier angeschlossen hätten384. Durch ihren ehrenhaften Abschied aus dem Militärdienst wären den ehemaligen Gardesoldaten alle Vorteile dieser Zulage uneingeschränkt zuteil geworden. Die unverzügliche Hinwendung zu Vespasian bekräftigt die Aussage Suetons, der als Entlassungsgrund „… wegen des von ihnen schimpflichen Beispiels …“ anführt385. Daraus lässt sich ableiten, dass zumindest ein großer Teil der Prätorianer mit den Konsequenzen der missio ignominiosa ihr ziviles Leben bestreiten musste: Dadurch verloren sie jegliches Anrecht auf Entlassungsgelder und nahmen als Infamierte den untersten Rang in der römischen Gesellschaft ein. Zudem dürfte die Reorganisation der Garde deren potentielles Rekrutierungsklientel verärgert haben, da für den Dienst im prestigeprächtigsten römischen Militärkorpus lediglich die italische Reichsbevölkerung prädestiniert war386. Über die Praxis berichtet Cassius Dio noch gegen Ende des 2. Jh. n. Chr., als Septimius Severus seine eigenen Legionäre als Leibgarde einsetzte387. Dio bringt seinen Unmut darüber bei der Beschreibung der neuen Prätorianer zum Ausdruck, die er mit den Attributen „… wild anzusehen, schrecklich zu hören und pöbelhaft im Umgang…“ etikettiert388.

6.1.2) Die Sanktionierung der Streitkräfte des Otho Besonders prekär entwickelte sich die Lage für die Zenturionen der unterlegenen Legionen. Sowohl Tacitus als auch Sueton führen aus, dass sich diese nach der Schlacht bei Bedriacum unter den Kriegsgefangenen befanden und dem Vitellius vorgeführt wurden, der sogleich die Exekution der Zenturionen befahl389. Tacitus führt weiter aus, dass es sich bei den zum Tode verurteilten Offizieren um Mitglieder der illyrischen Legionen handelte, was Flaig bestreitet und G. Morgan zumindest partikular als glaubhaft erachtet390. Flaig sieht hinter diesen

384 Tac. hist. 2,67,1. Pogorzelski 2014, S. 14. Mit einer Sollstärke von 4.500 Mann stellten die Prätorianer eine entscheidende Machtbasis für Vespasian in Italien dar. 385 Suet. Vit. 10,1. 386 Graßl 1973, S. 174–175. 387 Dio 76,2,4–5. 388 Handy 2009, S. 123. 389 Tac. hist. 2,60,1. Suet. Vit. 10,1. 390 Flaig 1992, S. 348. Der Autor glaubt, dass von den Sanktionen lediglich Truppen aus Rom betroffen waren. Morgan 2006, S. 154. 64

Hinrichtungen eine Signalwirkung für die restlichen Zenturionen, die mit diesem Exempel als „Sündenböcke“ denunziert wurden391. Zudem übertrug sich die Schande der Todesstrafen auf die Einheiten, in denen die centuriones gedient hatten, was das soziale Ansehen der Betroffenen innerhalb der Heereshierarchie stark in Mitleidenschaft zog. Unter diesem Gesichtspunkt gilt es auch die eingeschworene Gruppe der Zenturionen hervorzuheben, da diese Offiziere am besten über die ihnen untergebenen Truppen Bescheid wussten sowie bei den Soldaten Gehör fanden392. Die von Vitellius verhängten Exekutionen dürften daher von den restlichen Zenturionen – außer jenen der germanischen Legionen – mit Argwohn beobachtet worden sein. Über Sanktionierungen, von denen die übrigen unterlegenen Armeeteile betroffen waren, ist uns nichts direkt überliefert, doch deutet Tacitus im zweiten Buch seiner Historien eine derartige Praxis bei der Überlieferung der Rede des Mucianus an. Mucianus adressiert seine Ansprache direkt an Vespasian und fordert ihn dazu auf, gegen Vitellius zu ziehen. Dabei erwähnt Mucianus, dass Vitellius „die Legionen zersplittert und Kohorten entwaffnet“ hätte393. Tacitus führt diesen Appell an Vespasian als Motivationsrede des Mucianus in seinem Werk an, wodurch der Wahrheitsgehalt dieser Passage durchaus in Frage gestellt werden darf394. Doch ist aufgrund der Tatsache, dass Vitellius ein derart rigoroses Verhalten gegenüber den Prätorianern und Zenturionen an den Tag legte, eine Sanktionierung der niedrigeren Legionschargen sehr wahrscheinlich. Mit „Legionen zersplittert“ und „Kohorten entwaffnet“ könnte der antike Autor die erzwungene Abrüstung der Legionäre zum Ausdruck gebracht haben. Durch die Wortwahl des antiken Literaten wird ersichtlich, dass die Soldaten einerseits nicht mit einer ehrenhaften Entlassung aus dem Militärdienst verabschiedet wurden und andererseits lediglich Truppenteile von den Sanktionen betroffen waren. Eine weitere mögliche Bestrafung der Legionen wird uns durch Tacitus aufgezeigt, der berichtet, dass sowohl Caecina in Cremona als auch Valens in Bononia zu Ehren des neuen princeps Amphitheater durch Soldaten der legio XIII. Gemina errichten ließen. Richter erkennt dahinter eine Strafmaßnahme, da die Amphitheater in Vitellius Namen und zur Abhaltung von Siegesfeiern erbaut wurden und so besonders demütigend für die unterlegenen Truppen waren395. Dass die Baumaßnahmen von den Legionären der 13. Legion als schändlich

391 Flaig 1992, S. 348. 392 Zur besonderen Stellung der Zenturionen siehe Stoll 2001, S. 88–89; siehe auch Suet. Otho 1,2. An dieser Stelle sei auch auf die Rolle der Offiziere verwiesen, die nach dem Scheitern der Scribonianus-Revolte 42 n. Chr. in Dalmatien durch die untergebenen Soldaten ihren Tod fanden. Dadurch wird der Einfluss, den die Zenturionen auf die Legionäre hatten, deutlich aufgezeigt. 393 Tac. hist. 2,76,4. 394 Die Rede des Vespasian gebraucht Tacitus an dieser Stelle seiner Historien als stilistisches Element. 395 Richter 1992, S. 156. 65

empfunden wurden, wird durch die von Tacitus erwähnten Schmähungen der Einwohner Cremonas verdeutlicht396. Die unsachgemäße Behandlung der auf dem Schlachtfeld von Bedriacum Gefallenen kann als weiterer Umstand angeführt werden, welchen die besiegten Othonianer als besonders erniedrigend erachteten. Tacitus und Sueton geben an, dass Vitellius am 40. Tag nach der Schlacht noch Zeuge der Verwüstung wurde397. Darin erkennt Flaig den respektlosen Umgang mit den für Otho ins Felde gezogenen Verstorbenen und führt dies als Gründe für die spätere Verwüstung Cremonas und die schändliche Behandlung des Leichnams des Vitellius an. Seine Leiche wurde von den Legionären der Donauverbände über die gemonische Treppe geschliffen, was außer Vitellius nur den sterblichen Überresten Elagabals widerfahren sein soll398. Als Strafmaßnahme wird auch die Dislozierung der in Bedriacum befindlichen geschlagenen Truppenverbände angesehen, da der Einsatzort für die Legionen von wichtiger Bedeutung war399. Besonders dürfte dies auf die legio XIV. Gemina Matria Victrix zugetroffen haben, die an ihren alten Einsatzort nach Britannien transferiert wurde400. Die Eroberung Britanniens galt bis dato als nicht abgeschlossen401. Die 14. Legion erhielt also einen Marschbefehl vom einen ins nächste Krisengebiet402. Zudem wird die Distribution der Einheiten als vorbeugende Maßnahme in Bezug auf eine erneute Revolte gewertet. Hätte Vitellius alle fünf besiegten Heeresvexillationen – legiones I. Adiutrix, VII. Galbiana, XI. Claudia, XIII. Gemina und XIV. Gemina Matria Victrix – wieder an ihren ursprünglichen Truppenstandort zurückbeordert, dann wäre ein erneutes Aufbegehren dieser Legionen sehr wahrscheinlich gewesen403.

6.1.3) Die Konsequenz der vitellianischen „Heeresreformen“ Betrachtet man das Auftreten des Vitellius gegenüber dem Heer, so stellt sich die Frage, ob Vitellius aus den Versäumnissen des Galba die richtigen Schlüsse gezogen hatte. Als erster Schritt kann hier die Belohnung seiner eigenen Truppen angeführt werden, die er in den Rang

396 Tac. hist. 3,32,2. 397 Tac. hist. 2,70,1. Suet. Vit. 10,3. über die Dauer der Anreise des Vitellius nach Cremona bei Murison 1993, S. 144–145. 398 Flaig 1992, S. 346–347. 399 Tac. hist. 2,66,2; 67,2. 400 Morgan 2006, S. 154–155. 401 Richter 1992, S. 153. 402 Morgan 2006, S. 156. 403 Morgan 2006, S. 155. Von den genannten Legionen erhielt neben der 14. nur die 1. Legion in Spanien ein neues Einsatzgebiet. 66

der Prätorianer beförderte404. Die Beförderung passierte unmittelbar nachdem Vitellius von der Niederlage der Othonianer erfahren hatte, wodurch impliziert wird, dass sich der neue princeps durchaus bewusst war, wem er diesen Sieg zu verdanken hatte. Dem gegenüber steht, dass Vitellius die alte Garde entließ, was auf eine missio ignominiosa hindeutet. Durch die unmittelbare Zuwendung der ehemaligen cohortes praetoriae zu Vespasian nach dessen erfolgter Akklamation offenbart sich deren Aversion gegenüber Vitellius. Aufgrund seiner Reorganisation der praetoriani waren dem dritten Kaiser des Jahres 69 n. Chr. auch die Kreise, aus denen sich die Prätorianergarde in der Regel rekrutierte, nicht wohlgesonnen. Vespasian muss diese Anzeichen bemerkt haben, denn er setzte nicht nur die Leibgarde des Otho wieder ein, sondern beließ auch die vitellianischen Prätorianer ohne Konsequenzen im Amt405. In Bezug auf die restlichen Legionen wurden vor allem die gefangenen Zenturionen durch den Verlust ihres Lebens hart bestraft. Diese Züchtigung wirkte sich negativ auf die ehemaligen Truppen der Offiziere aus, worauf die Abneigung der Donauverbände gegenüber Vitellius begründet sein könnte. Zudem dürfte es ferner unter den Legionären zu unehrenhaften Entlassungen gekommen sein, wie uns durch die Aufzeichnungen des Tacitus überliefert ist. Verheerend für das Verhältnis zwischen Vitellius und den besiegten Heeresteilen wirkte sich die Demütigung der unterlegenen Truppen aus. Die zum Bau von zwei Amphitheatern abkommandierte 14. Legion musste während der Arbeiten Schmähungen von den Einwohnern Cremonas erdulden, was deren Arbeiten als Sanktionierungsmaßnahme ausweist. Unter anderem ist hier die Nichtbestattung der gefallenen Kameraden der Othonianer zu nennen, die Vitellius selbst noch am Schlachtfeld gesehen hatte. Zwar versuchte Vitellius mit Zahlungen – ob es sich hier um das Antrittsdonativ oder eine Soldzahlung handelt, ist unklar – die gesamte Armee an sich zu binden, doch war die Kluft zwischen den besiegten Kontingenten und dem neuen princeps bereits zu groß406. Vespasian dürfte diesen Aspekt beachtet haben, da die Quellen über ein hartes Vorgehen gegenüber den Vitellianern schweigen. Sueton erwähnt lediglich die Entlassung einer größeren Vitellius-getreuen Abteilung, gibt aber an, dass einige der unterlegenen Truppen den Dienst nach der Vereidigung auf Vespasian wieder aufnehmen

404 Richter 1992, S. 181. Vitellius erhöhte die Anzahl der Prätorianerkohorten von 12 auf 16. Vgl. dazu Pfeiffer 2007, S. 21. Die Anzahl der cohortes praetoriae wurde nach der Machtergreifung des Vespasian auf neun reduziert. 405 Tac. hist. 4,46. Der antike Autor erwähnt eine Musterung der Garde des Vitellius in Rom nach Beendigung des Bürgerkrieges. Nach dieser wurde entschieden, ob die Soldaten wieder in den Militärdienst aufgenommen oder ehrenhaft entlassen wurden. 406 RIC I 27; 30; 42; 47; 53; 67. Zu beachten sind hierbei die Vielzahl der Münzstätten, die das Reversmotiv FIDES EXERCITVVM aufgriffen: Tarraco, Lugdunum und Rom. Daraus ergibt sich, dass sich Vitellius seiner prekären Lage durchaus bewusst war und so versuchte, möglichst viele Rezipienten zu erreichen. 67

durften407. Tacitus berichtet von ähnlichen Vorgängen, betont aber, dass die Legionäre des Vitellius nach der Vereidigung auf Vespasian entweder in der Armee verblieben oder aufgrund ihres Gesundheitszustandes die honesta missio erhielten. Von Tacitus erfahren wir, dass sogar zu Vespasian überlaufende Soldaten von der Partei der Flavier freundlich empfangen und nicht für ihre Vergehen bestraft wurden408. Zusammengefasst lässt sich über die Neuausrichtung des vitellianischen Armeekörpers Folgendes sagen: Vitellius versuchte, die ihm getreuen Truppen zu belohnen und die Verlierer durch statuierte Exempel zu disziplinieren. Diese Sanktionen dürften aber derartig wirkungsmächtig gewesen sein, dass bereits zu Beginn der Regentschaft des Vitellius keine Bindung zwischen Kaiser und Heer entstehen konnte. Zwar lässt sich anhand der Strafmaßnahmen des Vitellius beobachten, dass dieser aus Galbas Fehlern gelernt hatte – Galba hatte alle seine Unterstützer belohnt und gleichermaßen seine Feinde bestraft – und nur wenige bestrafte; doch vielen die Sanktionierungen dermaßen hart aus, dass sich Vitellius den Unmut der bestraften Einheiten zuzog. Zudem generierte er durch die Überhöhung seiner germanischen Legionen eine neue Stellung in der Heereshierarchie, die von den übrigen Heeresteilen missbilligt wurde409. Eine reichsweite auf die Schlagkraft der Armee gestützte Herrschaft des Vitellius wäre unter diesen Umständen unmöglich gewesen.

6.2) Vespasian erhebt sich gegen Vitellius Bevor Vespasian sich gegen Vitellius erheben konnte, musste er sich zuerst eine Machtbasis sichern410. Die Grundlage dafür erhielt er, als Nero ihn zum Oberbefehlshaber der römischen Streitkräfte zwischen Ägypten und Kappadokien ernannte und Vespasian zur Niederschlagung des jüdischen Aufstandes entsandte411. Unter seinem Befehl befanden sich nun sieben Legionen412. Es ist davon auszugehen, dass Vespasian seinen Truppen ein Antrittsdonativ413 zahlte, um sich so deren Loyalität in den folgenden Kampfhandlungen zu sichern. Die durch das Geldgeschenk des Vespasian initiierte Bindung zwischen Feldherr und Armee wurde sicher durch Beuteanteile weiter gestärkt.

407 Suet. Vesp. 8,2. 408 Tac. hist. 3,63,1. 409 Tac. hist. 2,74,1. 410 Flaig 1992, S. 359. 411 Pfeiffer 2009, S. 8. 412 Flaig 1992, S. 359. Hier räumt Flaig ein, dass Vespasian ab 67 n. Chr. drei Legionen dem Kommando des Mucianus unterstellen musste, der seine Statthalterschaft in Syrien antrat. Vespasian dürfte in der Befehlsgewalt aufgrund seiner Autorisierung durch Nero über Mucianus gestanden haben. Siehe auch bei Flaig 1992, S. 360– 362. Vgl. Tac. hist. 2,3,1. Der antike Autor gibt an, dass Vespasian drei und Mucianus vier Legionen unterstanden. 413 Zu den Vermögenswerten des Vespasian während des Vierkaiserjahrs siehe 6.2.2). 68

6.2.1) Die Vereidigungen der Ostlegionen auf Galba, Otho und Vitellius Mit der erfolgreichen Usurpation des Galba änderte sich die Situation für Vespasian unwesentlich und auch seine Soldaten hatten keinerlei Sanktionen zu befürchten. G. Morgan thematisiert zwar eine mögliche Absetzung des Vespasian durch Galba, wofür es in den Quellen aber keinen Nachweis gibt414. Der antike Autor Flavius Josephus berichtet in seinem Werk über den jüdischen Krieg, dass Vespasian zwar mit einem weiteren Angriff auf Jerusalem zögerte, aber nur, weil er sich in seiner Autorität von Galba bestätigt sehen wollte. Zu diesem Zweck entsandte er seinen Sohn Titus nach Rom, um dem neuen Kaiser die Treueschwüre des Ostheeres zu übermitteln415. Titus war gerade auf der Überfahrt nach Rom in Griechenland angelangt, als er von der Ermordung Galbas und der Akklamation des Otho hörte416. Zu diesem Zeitpunkt soll Titus von der Erhebung des Vitellius in den germanischen Provinzen erfahren und sich zur Umkehr nach Iudaea entschieden haben417. Als er bei seinem Vater eintraf, hatte dieser bereits beide Heere auf Otho vereidigen lassen418. Tacitus, Sueton und Flavius Josephus bemerkten, dass es nach Othos Selbstmord Überlegungen unter der östlichen Heeresführung gab, die Macht im Imperium Romanum zu übernehmen419. In diesem Zusammenhang berichtet Sueton, dass die drei mösischen Legionsvexillationen – sie waren zur Unterstützung der Othonianer bei Bedriacum zu spät gekommen – versuchten, Vespasian zum Kaiser zu akklamieren420. Durch diesen Umstand befand sich Vespasian samt seinem Heer in einer heiklen Lage421. Mit der Vereidigung auf Otho hatte er sich automatisch zum hostis des Vitellius erklärt und hätte nach dessen Sieg bei Cremona mit Konsequenzen rechnen können. Auch die ihm unterstellten Armeeverbände brachte er dadurch in eine schwierige Position. Mit dem Kaisereid auf Vitellius wirkte er dieser Bedrohung zumindest anfänglich entgegen422. Der Enthusiasmus der Soldaten des Ostheeres dürfte sich beim Treuebekenntnis auf Vitellius in Grenzen gehalten haben, wie Tacitus hervorhebt. Die Truppen hörten Vespasian, während dieser den Eid leistete, stillschweigend

414 Morgan 2006, S. 176–177. Siehe dazu auch Flaig 1992, S. 364. Als Indiz für eine Abberufung des Vespasian könnte die Absetzung seines Bruders Flavius Sabinus als Stadtpräfekt gewertet werden. Fraglich ist jedoch, ob sich diese Amtshandlung lediglich gegen Flavius Sabinus oder gegen die gens Flavia richtete. 415 Ios. bell Iud. 4,9,2. Flavius Josephus führt die lange Dauer der Überfahrt des Titus nach Rom auf das im Spätherbst/Winter schwierig zu befahrende Meer zurück. Flaig 1992, S 364. Flaig sieht dahinter andere Gründe, da Titus die Schiffsreise ja bereits im Sommer antreten hätte können, aber bis zum Winterbeginn wartete. 416 Tac. hist. 2,1,3. 417 Tac. hist. 2,1,3. Ios. bell. Iud. 4,9,2. Suet. Vesp. 5. 418 Tac. hist. 2,6,1. 419 Tac. hist. 2,7,2. Ios. bell. Iud. 4,9,2. 420 Suet. Vesp. 6,1–3. 421 Bellen 2010, S. 231. 422 Flaig 1992, S. 365. Siehe auch Bellen 2010, S. 231. 69

zu423. Flaig erkennt dahinter eine passive Inakzeptanz der östlichen Heeresteile gegenüber Vitellius, die damit dem Beispiel der Rheinlegionen zu Jahresbeginn 69 n. Chr. ansatzweise folgten, als sie sich gegen Galba auflehnten424. Zwar muss an dieser Stelle zwischen offenem Widerstand und dem Einnehmen einer passiven Haltung unterschieden werden, doch bringt Tacitus hier die Abneigung gegen Vitellius der zu den östlichen Streitkräften gehörenden Legionäre deutlich zum Ausdruck. Ähnliche Vorgänge können nach Beendigung des Bürgerkrieges Ende 69 n. Chr. während der Angelobung der Rheinverbände auf Vespasian beobachtet werden: Als die Truppen aus den germanischen Militärbezirken von Hordeonius Flaccus auf Vespasian eingeschworen wurden, erfolgte dies nur unter Zwang und den Namen des neuen Kaisers sollen viele gar nicht ausgesprochen haben425. Nach Flaig lässt sich dadurch eine Klassifizierung des soldatischen Widerwillens gegen den entsprechenden neuen princeps feststellen426.

6.2.2) Der Abfall der östlichen Streitkräfte von Vitellius Doch warum verhielten sich die Armeen der östlichen Provinzen derartig und warum nahmen sie nicht bereits unter Galba oder Otho eine derartige Haltung ein? Das Prinzipat des Galbas zeichnete sich gegenüber den Militärverbänden vor allem dadurch aus, dass er alle, die treu zu ihm standen, entlohnte und seine Feinde hart bestrafte, womit Galba für die Ostlegionen keine Bedrohung darstellte. Durch die kurze Regierungszeit des Otho hatten die Soldaten keine Anhaltspunkte, um sich eine Meinung über den neuen Kaiser zu bilden. Der Auftritt des Vitellius unmittelbar nach seiner erfolgreichen Usurpation offenbarte den Vespasian unterstehenden Armeeverbänden eine völlig neue Situation: Mit der Erhöhung seiner eigenen Truppen stellte er die Rheinlegionen über alle anderen im Reich eingesetzten Kontingente427. Vitellius generierte nicht nur ein Abhängigkeitsverhältnis zwischen Kaiser und Heer, sondern auch eines zwischen Kaiser und Rheinlegionen sowie – diesen untergeordnet – zu den restlichen Soldaten. Es ist davon auszugehen, dass die Flavier diese sich ihnen bietende Möglichkeit erkannt bzw. die Situation vielleicht sogar provoziert haben. Nachvollziehbar wird diese Behauptung durch die Akklamation Vespasians in der Provinz Ägypten durch deren Präfekten Ti. Iulius Alexander, der Vespasian am 1. Juli 69 n. Chr. zum Kaiser ausruft428. Dahinter verbirgt sich in erster Linie die Absicht der Flavier, die Getreidelieferungen nach Rom zu

423 Tac. hist. 2,74,1. 424 Flaig 1992, S. 366. 425 Tac. hist. 4,31,1. 426 Flaig 1992, S. 367. 427 Bellen 2010, S. 232. 428 Eck 2012, S. 27. W. Eck sieht dahinter sogar einen inszenierten Vorgang. 70

kontrollieren, um so Druck auf die Regierung des Vitellius ausüben zu können429. Bereits wenige Tage später hatte sich das gesamte Ostheer sowie die Provinzen der östlichen Reichshälfte auf Vespasian vereidigt430. Unter diesen Provinzen waren auch jene aus Kleinasien, die zwar nicht reich an Truppen, aber sehr vermögend waren, wie uns Tacitus berichtet431. Wichtig waren für Vespasian ebenso die Treuebekundungen der östlichen Vasallenkönige Herodes Agrippa II., Antiochus IV., Aristobulus von Chalkis und Sohaemus von Emesa. Deren Königreiche lagen an reichen Handelsrouten, wodurch es Vespasian möglich war, gerade zu Beginn seines Feldzuges die benötigten finanziellen Mittel zu generieren432. Unter demselben Gesichtspunkt sieht W. Eck auch den Anschluss der kleinasiatischen Provinzen an Vespasian, die Eck auf die gute Vernetzung der Partei der Flavier mit Kleinasien zurückführt433. Die Wichtigkeit, über genügend Ressourcen für eine kriegerische Auseinandersetzung zur Verfügung zu haben, wird durch Tacitus betont. Der römische Autor schreibt, dass man Truppen rekrutierte und die Veteranen wieder aktivierte sowie begonnen hatte, Gold und Silber in Antiochia zu prägen434. Dahinter verbergen sich in erster Linie Zahlungen an die Soldaten, wie das vorzugsweise in Silber ausbezahlte Antrittsdonativ435 und die erste Soldzahlung sowie die drei Goldmünzen als viaticum436. Die bereits bestehende Verbindung zwischen Vespasian und seinen Truppen wurde dadurch weiter verstärkt, wodurch es dem ersten Kaiser der flavischen Dynastie möglich war, eine Machtbasis zu schaffen.

6.3) Die Lage zwischen den beiden Schlachten bei Bedriacum In Bezug auf die Ressourcen der Flavier zeigt Flaig auf, dass die Konfrontation zwischen Vitellius und Vespasian nicht derart schnell beendet hätte werden können, wären nicht die Donauverbände auf Seiten des Vespasian gegen die Rheinlegionen vorgegangen437. Unter diesem Aspekt ist besonders die Unterstützung der mösischen Heeresvexillation hervorzuheben, die auf ihrem Weg nach Bedriacum von der Niederlage sowie dem anschließenden Selbstmord des Othos erfahren haben. Von diesen Ereignissen hatten die Detachements der legiones III. Gallica, VII. Claudia und VIII. Augusta bei Aquileia erfahren,

429 Suet. Vesp. 7,1. Ios. bell. Iud. 4,10,5. Pfeiffer 2009, S. 9. 430 Ios. bell. Iud. 4,10,6. 431 Tac. hist. 2,81,2. 432 de Kleijn 2009, S. 319–320. Über die Bedeutung der Ostprovinzen bei Tac. hist. 3,8,2. 433 Eck 2012, S. 34. 434 Tac. hist. 2,82,1. Siehe dazu die Emissionen aus Antiochia im Jahr 69/70 n. Chr.: RIC I 1541, RPC 1936, RPC 1938, RPC 1940 oder RPC 1970. 435 Tac. hist. 2,82,2. 436 Southern 2009, S. 65. 437 Flaig 1992, S. 370. 71

so der römische Senator Tacitus438. Das Missachten der Legionen gegenüber Vitellius wird dadurch unmissverständlich, da sie den Überbringer der Botschaft wegjagten und die Fahnen des Vitellius zerrissen439. Dieser Bote dürfte die vitellischen Banner mit sich geführt haben, auf welche die Soldaten aus der Provinz Moesia ihre Treueschwüre zu Gunsten des neuen princeps ablegen sollten. Zudem plünderten sie die Kriegskasse und verteilten die Münzen – diese trugen mit größter Bestimmtheit das Abbild des Otho – untereinander440. Die in Aquileia stehenden Kontingente proklamierten mit diesem Akt die Ablehnung des Vitellius als Kaiserkandidat. Nach den Mainzer Legionen waren sie die zweiten römischen Militärverbände im Jahr 69 n. Chr., die mit einem princeps gebrochen hatten. Dieser Bruch wird speziell durch das Zerreißen der Banner des Vitellius verdeutlicht. Es ist davon auszugehen, dass die von Vitellius über die besiegten Truppen verhängten Sanktionen – viele der hingerichteten Zenturionen dienten im illyrischen Heer – die Revolte der besagten Legionen weiter anfachte441. Zudem dürften sich die in Mösien eingesetzten Soldaten über ihre Lage durchaus bewusst gewesen sein, denn sie versuchten einerseits Vespasian zum Kaiser zu akklamieren und andererseits die pannonischen Kontingente dazu zu bewegen, sich der Rebellion gegen Vitellius anzuschließen442. Dadurch erhofften sich die mösischen Truppenteile unter anderem, einer Sanktionierung durch Vitellius zu entkommen. Kurz vor der Entscheidungsschlacht zwischen den Vitellianern und den Anhängern des Otho bei Bedriacum waren weitere Legionen zur Unterstützung Othos unterwegs, aber erreichten das Schlachtfeld (wie die mösische Vexillation) nicht mehr rechtzeitig. Die legio VII. Gemina/Galbiana aus Carnuntum – mit der 13. Legion eine weitere Einheit aus Pannonien – war ebenfalls auf dem Marsch, als sie von der Niederlage der Othonianer erfuhr. Es bot sich nun für die Otho-treuen Verbände aus Pannonien eine ähnliche Situation wie für die beiden Mainzer Legionen nach dem Selbstmord Neros: Die loyal zu Otho stehenden Legionen waren unbesiegt zu Verlierern geworden. Außerdem hätten sie bei einem Sieg über die Rheinarmee mit Belohnungen rechnen können443. Nach der Niederlage der Othonianer und dem Selbstmord desselben mussten die Legionäre aus den Donauprovinzen nun mit Strafen rechnen444. Auf der

438 Tac. hist. 2,85,1. 439 Tac. hist. 2,85,1. 440 Flaig 1992, S. 375. 441 Flaig 1992, S. 376–378. 442 Tac. hist. 2,85,1. 443 Flaig 1992, S. 375. E. Flaig führt die besondere Verbundenheit der mösischen Legionen (Tac. hist. 2,85) mit Otho auf dessen Belohnungen für die erfolgreiche Abwehr eines Roxolaneneinfalls durch die Donaulegionen zurück. 444 Tac. hist. 2,85,1. Diese Ausnahmesituation beschreibt der antike Autor bei der Plünderung von Aquileia durch die Legionäre. 72

Suche nach einer geeigneten Alternative präsentierte sich ihnen Vespasian, dem sie sich freudig anschlossen, wie uns Tacitus überliefert445. Durch seine Usurpation schuf Vitellius für die Rheinlegionen eine Lösung in Bezug auf deren unzufriedene Lage, die nun von den Donaulegionen aufgegriffen wurde. Es kann davon ausgegangen werden, dass Vespasian sich nicht auf Vitellius vereidigt hatte und selbst als Usurpator gegen diesen aufgetreten war446. Der Begründer der flavischen Dynastie war so die Alternative für die „besiegten“ Legionäre, der sie einerseits vor Strafen schützen und andererseits belohnen konnte. Über diese Belohnungen schreibt Tacitus, dass Vespasian „im Bürgerkrieg nicht mehr gab, als andere im Frieden“ und „außerordentlich standhaft gegenüber Geldspenden an die Soldaten“ war447. Flaig interpretiert die vom antiken Autor erwähnte Zahlungsmotivation des Vespasian dahingehend, dass der erste flavische princeps seinen Truppen das Donativ erst nach den Bürgerkriegen gewährte448. Von dieser Hypothese ist Abstand zu nehmen, da Tacitus (hist. 2,82,1) selbst erwähnt, dass in Antiochia Gold und Silber geprägt wurde, was auf ein Antrittsdonativ hindeutet. Vielmehr wird durch bei Tac. hist. 2,82,1 einerseits die angespannte Finanzlage im Römischen Imperium ersichtlich und andererseits, dass Vespasian die ursprüngliche Heereshierarchie wiederherstellen wollte. Bei einer erneuten Übervorteilung eines Armeeteiles – wie im Falle des Vitellius und den Rheinlegionen – hätte sich die angespannte Situation innerhalb des römischen Militärkörpers nicht geändert. Da die Usurpation des Vespasian fast ausschließlich auf der Stärke seiner ihm untergebenen Truppenverbände beruhte, musste er sich zur Konsolidierung seiner Herrschaft der Unterstützung des gesamten Heeres versichern. Dies war ihm nur durch die Restituierung der ursprünglichen Besoldungsklassen, die Rehabilitierung der von Vitellius sanktionierten Soldaten und die Wiedereinsetzung der unter Otho dienenden Prätorianer möglich.

445 Tac. hist 2,86,1–2. Der antike Autor führt weiter aus, dass hier Antonius Primus, der Kommandant der 7. Legion aus Carnuntum, die treibende Kraft war. Tacitus sagt ihm ein persönliches Interesse nach, da er eigentlich von Galba abgesetzt worden war. 446 Flaig 1992, S. 365. Dass sich Vespasian zwar anfänglich auf Vitellius vereidigte, ist durch Tacitus überliefert, was aber aufgrund seiner eigenen Erhebung durchaus angezweifelt werden darf. 447 Tac. hist. 2,82,2. 448 Flaig 1992, S. 466. 73

7.) Die gescheiterten Usurpationen des Scribonianus und des Clodius Macer Abschließend soll noch auf zwei weitere Usurpationen der frühen Prinzipatszeit eingegangen werden, die zu einer überwiegenden Mehrheit militärisch begründet waren. Besonders auffällig gestaltet sich, dass sie im Vergleich zu anderen Umsturzversuchen (Seianus oder Piso) in ihrem Charakter differierten.

7.1) Die Erhebung des Scribonianus in Dalmatien Ein Jahr nach seiner Akklamation durch die Prätorianer sah sich Claudius einer neuen Konfrontation in der Provinz Dalmatia ausgesetzt449. Der dort eingesetzte Statthalter L. Arruntius Camillus Scribonianus hatte eine erhebliche Anzahl von Senatoren und Rittern sowie die beiden dalmatischen Legionen zu einer Abwendung von Claudius bewegen können450. Durch die Angaben der antiken Autoren Sueton und Cassius Dio lassen sich zumindest ansatzweise die Abläufe dieser Revolte rekonstruieren, die letztlich scheiterte. Was aber bewegte die Legionen in Dalmatien dazu, ihren Statthalter zu akklamieren bzw. wie war es Scribonianus überhaupt möglich, die 7. und 11. Legion an sich zu binden? Es kann davon ausgegangen werden, dass Scribonianus den Truppen ein Geldgeschenk aushändigte, um sich die Loyalität der ihm unterstellten Kontingente zu sichern. Den Abfall der dalmatischen Legionen von Claudius könnte Scribonianus, wie Flaig vermutet, durch Falschmeldungen über den Kaiser selbst herbeigeführt haben, wie beispielsweise den Todesfall von Claudius451. Die Unterstützung der 7. und 11. Legion dürfte zusätzlich auf einen anderen Umstand zurückzuführen sein: Durch das eigenmächtige Erhöhen des Antrittsdonativs für die Prätorianer durch Caligula veränderte dieser ein Charakteristikum des donativum nachhaltig. Augustus hatte durch die militärischen Auseinandersetzungen am Ende der späten Republik erfahren, welch wichtiges Instrument ein loyales Heer im Kampf um die Herrschaft darstellte. Zudem musste Augustus für sich und seinen Nachfolger Tiberius eine Möglichkeit finden, die es lediglich dem princeps erlaubte, über die Armee zu verfügen. Der primus inter pares war sich der Gefahr, die ein dynastischer Wechsel in der Führungsposition mit sich brachte, sicher bewusst. Durch seine testamentarische Verfügung verlieh er dem donativum einen unantastbaren, institutionellen Inhalt, dass ab 14 n. Chr. nur noch der Kaiser über das Donativ verfügen konnte. Erst durch die Intervention des Caligula wurde dieser Akt durchbrochen und erlaubte anderen potentiellen Machthabern davon Gebrauch zu machen. Es ist durchaus

449 Toncinic 2014, S. 86. 450 Flaig 1992, S. 233. 451 Flaig 1992, S. 234. 74

annehmbar, dass Scribonianus das Geldgeschenk als Mittel für seine Zwecke nutzte452. Berücksichtigt man unter diesen Gesichtspunkten die Flaigsche These, dass den dalmatischen Truppen eine Fehlinformation (Tod von Claudius) vorlag, die aber von den Einheiten als glaubhaft erachtet wurde, so wäre Scribonianus für die dalmatischen Legionen die logische Konsequenz in der Kaisernachfolge gewesen. Als deren Statthalter war er erster Ansprechpartner in Bezug auf die Wahrung der Ansprüche der Legionäre. In der Folge vereidigte er die Truppen auf sich453, wobei es zu Differenzen gekommen sein könnte, wie der in severischer Zeit schreibende Senator Cassius Dio erwähnt. Dio berichtet von einer adlocutio – diese könnte sich beim Vereidigungszeremoniell oder kurz vor Beginn des Feldzuges gegen Claudius ereignet haben – in deren Verlauf die Soldaten der 7. und 14. Legion dem Scribonianus ihren Gehorsam aufkündigten454. Sueton erkennt hinter diesen Vorgängen göttliche Fügung, da sich angeblich die Feldzeichen nicht aus dem Boden ziehen ließen455. Während der Rede ihres Feldherrn dürfte den Legionen klargeworden sein, gegen wen sie dabei waren ins Felde ziehen - nämlich gegen Claudius456. Durch die Ansprache des Scribonianus auf der Heeresversammlung wird ein weiterer wesentlicher Aspekt angeführt, über den nach wie vor Unklarheit herrscht, die von Scribonianus geführte Titulatur nach seiner Erhebung. Anders als durch die Usurpatoren der Jahre 68/69 n. Chr. sind uns bis dato weder Münzen mit der zugehörigen Legende des ehemaligen Statthalters von Dalmatien bekannt, noch finden sich in den Quellen dazu hilfreiche Einträge. Bei der ausführlichen Schilderung des Appels des Scribonianus glaubt Cassius Dio dessen Absichten zu kennen, in dem der Autor angibt, dass es Scribonianus in erster Linie um die Wiederherstellung der Republik und der alten Freiheit gegangen sei457. Die Aussage von Dio ist in erster Linie als gestalterisches Element seines Werkes zu werten, doch könnte Cassius Dio seine Behauptung auf die Amtstitulatur des Scribonianus stützen. Dies kann als Indiz dafür gewertet werden, dass Scribonianus eine ähnliche Strategie wie Galba verfolgte. Der erste princeps des Jahres 69 n. Chr. hatte sich auf dem conventus auf Carthago nova – trotz der Akklamation seiner Truppen – nicht zum Kaiser, sondern zum legatus senatus populsque Romanus ausrufen lassen. Mit dieser Titulatur forderte Galba den Senat und das Volk von Rom

452 Ob Scribonianus ein zusätzliches oder bereits ein zu seinem Antritt erhöhtes donativum ausbezahlte, kann nicht nachgewiesen werden. 453 Über den Eidbruch der Legionen der Provinz Dalmatia bei Suet. Claud. 13,2. 454 Dio 60,15,3. Die Ansprache dürfte sich kurz vor dem Abmarsch nach Rom ereignet haben. Cassius Dio erwähnt, dass sich viele Senatoren und Ritter im Lager des Scribonianus einfanden. Dieser Umstand deutet darauf hin, dass die Vorbereitungen für einen Feldzug kurz vor dem Abschluss standen. 455 Suet. Claud. 13,2. 456 Flaig 1992, S. 234. 457 Dio 60,15,3. 75

gleichermaßen auf, ihn als princeps zu bestätigen. Eine ähnliche Vorgangsweise ist für Scribonianus zu vermuten, der Galba evt. als Vorbild gedient haben dürfte. Einen weiteren Hinweis auf diese Vorgänge erhalten wir durch Sueton, der Scribonianus als …novum imperatorem … anspricht, was einerseits Kaiser oder andererseits Feldherr bedeuten könnte458. Der Umstand, dass die dalmatischen Heeresverbände ihren irrtümlichen Verrat bereuten, verdeutlicht Sueton459. Durch ihr Fehlverhalten waren die 7. und 14. Legion gegenüber Claudius eidbrüchig geworden und mussten nun mit Sanktionierungen rechnen. Der Umstand, dass sie die drohende Revolution noch abwenden konnten, bevor sie überhaupt noch ausbrechen konnte, muss Claudius milde gestimmt haben. Durch die Verleihung des Ehrentitels Claudia pia fidels wird dies offensichtlich460. Dagegen spricht eine Erwähnung bei Sueton, der in seiner Otho-Vita auch dessen Vater erwähnt: L. Otho ließ einige Soldaten vor dem Lager hinrichten, wodurch er vorläufig in der Gunst des Kaisers gesunken war461. Interessant ist, dass L. Otho hier nicht gegen weitere Verschwörer vorgeht, sondern genau jene Soldaten exekutieren lässt, die ihre Vorgesetzten umgebracht hatten. Zwar galten jene als Initiatoren in der Verschwörung um Scribonianus, trotz allem verwundert dieses Verhalten sehr. Dem Vater des späteren Kaiser Otho ging es wohl in erster Linie darum, ein Exempel zu statuieren, um die Hierarchie innerhalb der betroffenen Einheiten wiederherzustellen. Zudem überrascht die Äußerung Suetons, dass L. Otho dadurch seinen Ruhm gemehrt haben soll462. In der Folge floh Scribonianus nach Issa, wo er sich entweder selbst das Leben nahm463 oder von einem Soldaten namens Volganius ermordet wurde464. Durch die Usurpation des Scribonianus wird ersichtlich, dass er mithilfe eines Geldgeschenkes die Truppen der Provinz Dalmatia an sich binden konnte und sie dazu nutzte – vermutlich durch eine Falschmeldung – sich als Usurpator zu präsentieren. Das Patron- Klienten-Verhältnis zwischen Scribonianus und seinen Legionen dürfte letztlich nicht ausgereicht haben, da ihm die legiones VII. und XI. Claudia pia fidelis die Treue versagten.

458 Suet. Claud. 13,2. In diesem Fall ist die erste Übersetzung aufgrund des Adjektivs novum zu bevorzugen, kann aber nicht als eindeutige Ansprache des Scribonianus gewertet werden. 459 Suet. Otho 1,2. 460 Toncinic 2014, S. 87. 461 Suet. Otho 1,2. 462 Suet. Otho 1,3. 463 Dio 60,15,3. 464 Tac. hist. 2,75. 76

7.2) Die Erhebung des Clodius Macer in Afrika Völlig konträr zur Usurpation des Scribonianus präsentiert sich die Auflehnung des L. Clodius Macer in Afrika. Der von Nero eingesetzte legatus legionis pro praetore der Provinz Africa proconsularis war nicht nur Statthalter derselben, sondern führte auch den Oberbefehl über die einzige dort stationierte Legion, die legio III. Augusta465. Durch die Erhebung Galbas in Spanien ergab sich für Clodius Macer eine völlig neue Situation; entweder er schloss sich dem hostis Romanoruman an oder stand weiterhin loyal zu Nero. Durch die Vindex-Briefe dürfte Macer bestens über die Lage in den Nordwestlichen Provinzen informiert gewesen sein. Für Nero war die Kontrolle über Afrika von immenser Bedeutung, da Ti. Iulius Alexander, der Präfekt von Ägypten, Tendenzen offenbarte, von Nero abzufallen466. Durch den Ausfall der ägyptischen Getreidelieferungen hätte sich die plebs urbana einer Hungersnot ausgesetzt gesehen, die zu weiteren Komplikationen für die Regentschaft Neros hätten führen können467. Der Verlust einer weiteren, Korn nach Rom exportierenden Provinz hätte fatale Folgen mit sich gebracht468. Für welche Seite sich Macer zwischen April/Mai 68 n. Chr. bis zum Tod Neros entschied, ist unklar. Sowohl Richter als auch Flaig sind sich jedoch einig in der Annahme, dass es bereits vor dem 9. Juni zum Ausbruch der Rebellion des Macer gekommen sein muss469. Daraus folgt, dass der Legat der legio III. Augusta weder für Nero noch für Galba Partei ergriff. Über die Gründe der Revolte des Clodius Macer kann aufgrund der unbefriedigenden Quellensituation nur gemutmaßt werden. Für Macer dürfte sich durch die Aufstände in Spanien und Gallien aber eine einmalige Gelegenheit geboten haben, seine eigene politische Situation zu verbessern. Durch den Tod Neros und dem Versagen seines Verwaltungsapparates in Rom sah er sich in seinem Machtstreben bestätigt und versuchte wahrscheinlich andere Provinzstatthalter davon zu überzeugen, sich ihm anzuschließen470. Dies wird dadurch deutlich, dass es nach der Bestätigung Galbas durch den Senat keine Hinwendung von Macer zum neuen princeps gab und der von Tacitus als dominus minor Angesprochene471 die Annexion Siziliens verfolgte472. G. Morgan deutet die Handlungsweise Macers dahingehend, dass dieser wohl eine

465 Richter 1992, S. 36. Zur Position des Clodius Macer siehe Flaig 1992, S. 257. 466 Richter 1992, S. 37 und besonders Anm. 112. 467 Suet. Nero 45,1. Bei dieser von Sueton beschriebenen Passage dürfte sich der antike Autor zwar der Tyrannentopik bedient haben, doch wird hier der Stellenwert der aufgrund ausbleibender Getreidelieferungen aufgebrachten Menge trefflich thematisiert. über die Stellung der plebs urbana bei Flaig 1991, S. 373–374. 468 Richter 1992, S. 37. 469 Richter 1992, S. 36 sowie Flaig 1992, S. 257. 470 über das militärische Potential der afrikanischen Provinzen bei Flaig 1992, S. 258–259. 471 Tac. hist. 1,11,2. 472 Graßl 1973, S. 107–109. Seinen Anspruch auf Sizilien erkennt Flaig 1992, S. 260 einerseits durch die an die Flotte adressierten Emissionen RIC I 37, 38, 39 und 42 und das auf einen Revers geprägte Zeichen für Sizilien mit der Legende SICILIA (RIC I 28). Vgl. dazu Hewitt 1983, S. 68. 77

drohende Absetzung durch Galba fürchtete473. Eine gewichtige Rolle bei seiner Erhebung dürfte Calvia Crispinilla eingenommen haben, wie durch Tacitus verdeutlicht wird474. Nach Morgan bekleidete die von Nero entsandte Frau eine beratende Rolle (wohl nur informell) im Stab des Clodius Macer475. Durch die unsichere Lage im Frühjahr 68 n. Chr. wandte sich Macer zur Sicherung seiner Machtansprüche an die ihm unterstellte Legion, mit deren Hilfe es ihm gelang, seine Stellung zu behaupten und Karthago als Zentrale zu beanspruchen476. Zur Festigung seiner Befehlsgewalt begann Clodius Macer Münzen mit seinem Abbild, Namen und Amtsbezeichnung (PRO PRAE AFRICAE) zu prägen, auf deren Revers er gezielt die legio III. Augusta ansprach und sie mit dem Beinamen Liberatrix ehrte477. Daraus wird ersichtlich, dass Clodius Macer wusste, wodurch seine Macht begründet war478. Er folgte damit einem berühmten Vorbild aus der Zeit der späten Republik: Marcus Antonius, der in gleicher Weise seine Soldaten auszeichnete479. Die Verleihung eines Ehrennamens und die Ansprache der Legion auf den Münzen illustriert, dass der dominus minor – von einem Antrittsgeldgeschenk an die Truppen ausgehend – seine Bindung zu den Legionären verstärken wollte. Ein weiterer für die Abwendung von den Galbianern sprechender Umstand kann im weiteren Verlauf seines Umsturzversuches beobachtet werden, der zudem eine starke Orientierung an den politischen Aktionen Galbas aufzeigt480. Ähnlich wie Galba präsentierte sich Clodius Macer auf eigenen Emissionen, auf denen er seine Physiognomie darstellte und seine tria nomina in der Münzlegende anführte. Zudem ist auf den meisten Münzen die Abkürzung S C für senatus consultum zu erkennen481, woran der Bezug zum politischen Programm Galbas erkennbar ist. Galba deklarierte sich selbst zum Legaten des Senats und des römischen Volkes, was simultan mit der Reverslegende S C des Macer gesehen werden kann. Wie Galba versuchte Clodius Macer dadurch seine offizielle Bestätigung durch den Senat und das Volk von Rom zu erzielen. Die Ähnlichkeit wird an einer weiteren Stelle ersichtlich:

473 Morgan 2000, S. 477. Morgan führt dies auf die Ermordungen von Obultronius Sabinus, Cornelius Marcellus und Betuus Cilo in Spanien durch Galba zurück. Siehe Suet. Galba 12,1. 474 Tac. hist. 1,73,1. Der Bericht über Calvia Crispinilla weist hier eindeutige Züge der Kleopatra-Vita auf. Es ist davon auszugehen, dass sich Tacitus bei diesen Beschreibungen eines topos bediente, wie das Verführen eines römischen Offiziellen, Krieg gegen Rom führen, selbst ein großes Vermögen besitzen oder Hungersnot in Rom verursachen. Ausführlich über das Kleopatrabild bei Clauss 2010, beispielsweise bei S. 58–64. 475 Morgan 2000, S. 470–473. zur Entsendung der Calvia Crispinilla durch Nero bei Richter 1992, S. 37. 476 Flaig 1992, S. 260. 477 Hewitt 1983, S. 68. 478 Flaig 1992, S. 260. 479 Morgan 2000. S. 481. 480 Morgan 2000, S. 477. 481 exemplarisch dafür RIC I 6, 17 und 42 var 1. 78

Sowohl Galba als auch Clodius Macer hoben eine eigene Legion aus und gaben den Truppenverbänden ihr Cognomen als Beinamen, Galbiana bzw. Macriana482. Im weiteren Verlauf seiner Revolte kann eine weitere Betonung des Heeres markiert werden, was sich auf den Münzen Macers zeigt483. Neben den beiden Legionen galt seine Aufmerksamkeit der in Karthago befindlichen Flotte, mit deren Unterstützung er plante, Sizilien zu besetzen484. Durch eine Intervention auf Sizilien und der damit verbundenen Kontrolle über die Getreideausfuhr wäre es Clodius Macer möglich gewesen, Druck auf die Regierung um Galba auszuüben485. Flaig vermutet dahinter eine drohende Bedrohung für Macer durch die übrigen in Afrika befindlichen militärischen Einheiten486. Diesen Umstand führt Flaig auf die Ämter des Lucceius Albinus während der Jahre 68/69 n. Chr. zurück, der unter Nero als procurator der Provinz Mauretania Tingitana Hilfstruppen befehligte und von Galba im weiteren Verlauf des Jahres 68 n. Chr. zusätzlich den Oberbefehl über die zweite mauretanische Provinz erhielt487. Das Ende des Clodius Macer führen Richter, Flaig und Morgan auf den fehlenden Rückhalt in den senatorischen Kreisen bzw. die fehlende Unterstützung innerhalb der Municipalaristokratie in der Provinz Africa proconsularis zurück, wodurch die Soldaten letztlich von Macer abfielen488. Daraus resultierend dürften Clodius Macer die finanziellen Mittel gefehlt haben, zwei Legionen, zahlreiche Hilfstruppen und eine Flotte zu unterhalten. Bezeichnend für sein Scheitern ist der Umstand, dass es einem einzelnen Mann gelungen war – der procurator Trebonius Garutianus489 handelte im Auftrag Galbas – ihn zu eliminieren490. Durch den Tod ihres Legaten ergab sich für die Soldaten der legiones III. Augusta und I. Macriana eine ähnliche Lage, wie für die Legionen aus Mainz und die mösische Heeresvexillation im späteren Verlauf des Vier-Kaiserjahres. Die Soldaten der 1. und 3. Legion hatten mit Clodius Macer ihren Ansprechpartner und Patron verloren. Zudem waren sie gegenüber dem neuen princeps eidbrüchig geworden, da sich der Rest des Heeres im Juni 68 n. Chr. auf Galba vereidigt hatte. Durch diese Sachlage mussten die Macer-treuen Einheiten mit erheblichen Konsequenzen rechnen. Der römische Senator Tacitus schreibt in Bezug auf die

482 Morgan 2000, S. 477. 483 Hewitt 1983, S. 68. 484 Flaig 1992, S. 260. 485 Morgan 2000, S. 483–484. Auch bei den Schiffsdarstellungen seiner Reversmotive orientiert sich Clodius Macer bei einem von Marc Anton verwendeten Prägestempel (RIC I 37). Tac. hist. 3,8,2. Der antike Autor berichtet uns, dass die Partei der Flavier ähnliche Pläne verfolgte. 486 Flaig 1992, S. 259. 487 Flaig 1992, S. 258–259. 488 Richer 1992, S. 40. Flaig 1992, S. 261. Morgan 2000, S. 485. 489 Tac. hist. 1,7,1. 490 Richter 1992, S. 40. 79

Erhebung des Vitellius, dass die von Clodius Macer ausgehobenen und von Galba entlassenen Kontingente ihren Dienst nach der Akklamation des Vitellius wieder aufnahmen491. Aufgrund dieser Tatsache wird dargelegt, dass Galba die ihm untreuen Truppen durch Entlassungen bestrafte492. Bei diesen Verabschiedungen aus dem Militärdienst dürfte es sich um die ignominiosa missio gehandelt haben. Die Situation der beiden ehemals unter Clodius Macer dienenden Legionen war nun nahezu ident zur jener der beiden Mainzer Heeresverbände. Beide waren ohne von Galba/Vindex besiegt worden zu sein, zu Verlierern geworden und schlossen sich daher der nächsten sich ihnen bietenden Alternative an.

7.3) Die Folgen der Umsturzversuche des Scribonianus und des Clodius Macer Durch die skizzierten Rebellionen des Scribonianus und des Clodius Macer wird deutlich, dass der auf Heeresteilen beruhende Usurpationsprozess im Verlauf der frühen römischen Kaiserzeit eine Entwicklung durchlaufen hatte. Bereits unter Galba war die Akklamation durch Teile des Heeres zu einer erfolgreichen Methode geworden, um die Macht in Rom zu usurpieren. Ausgangspunkt stellte für beide Senatoren eine Provinzstatthalterschaft mit militärischem Oberbefehl dar, durch den es sowohl Scribonianus als auch Macer möglich war, mittels eines Antrittsdonativs ihre Truppen an sich zu binden. In der Folge benötigten beide Usurpatoren ein tiefgreifendes Ereignis, um ihre Soldaten dazu zu bewegen, vom regierenden princeps abzufallen493. Im Fall von Scribonianus dürfte den dalmatischen Legionen eine Falschmeldung, wie beispielsweise der Tod des Claudius, vorgelegen haben. Macer konnte sich einerseits auf die Erhebung des Vindex in Gallien und des Galba in Spanien, andererseits auf den Selbstmord Neros als Ursache berufen. Die Legionen in Dalmatien und in Afrika waren de facto von ihrem Eid entbunden, wodurch in diesem regional begrenzten Raum ein Machtvakuum entstand. Ermöglicht wurde Scribonianus und Macer dieser Zugriff auf die Truppen durch eine Adaption des Donativs. Das durch Augustus etablierte Kaiser-Heer- Abhängigkeitsverhältnis war durch Caligula mit der eigenwilligen Erhöhung des donativum aufgebrochen worden, was es potentiellen Machthabern erst erlaubte, die Vorherrschaft in Rom mithilfe des Geldgeschenkes anzustreben. Die Legionäre in Dalmatien und Afrika wandten sich in der Frage nach finanzieller Unterstützung sozusagen an den nächsten bzw. geeignetsten Patron. In beiden Fällen präsentierten sich Scribonianus und Clodius Macer als diese Wahl.

491 Tac. hist. 2,97,2. 492 Durch die von Tacitus getätigte Aussage „… von Clodius Macer ausgehoben …“ wird angedeutet, dass es sich bei den von Galba entlassenen Soldaten wohl primär um die Legionäre der legio I. Macriana handelte. 493 Flaig 1991, S. 377. 80

Zudem wird ersichtlich, dass das Heer zwar ein geeignetes Instrument war, die Herrschaft zu usurpieren, aber zur Konsolidierung der Macht nicht ausreichte. Beide Prätendenten versuchten die Bestätigung des Senats zu erhalten – was besonders aus der Münzprägung des Macer hervorgeht494. Schlussendlich scheiterten sowohl Scribonians, dem die Legionäre ihre Loyalität aufkündigten, als auch Clodius Macer, der nicht genug Anhänger innerhalb der ordines decurionum der Provinz Africa proconsularis gewinnen konnte.

494 Flaig 1991, S. 374–375. 81

8.) Fazit In der Arbeit wurde gezeigt, dass sich das donativum in der Zeit von Augustus bis Galba zu einer regelmäßigen Zahlung an das Heer entwickelt hat. Die von Augustus per Testament verordnete Zahlung an die Armee veränderte spätestens unter Caligula ihren Charakter und wurde ab 37 n. Chr. bereits zum Regierungsbeginn des Kaisers erstattet. In der Regierungszeit des Claudius erhielten die Soldaten eine weitere reguläre Zahlung am dies imperii des princeps. Dem dies natalis des Herrschers wurde in der frühen römischen Kaiserzeit mehr Gewicht als dem Tag des Herrschaftsantritts beigemessen, wodurch auf ein weiteres jährliches Donativ am Kaisergeburtstag geschlossen wird. Das von Augustus posthum gewährte Geldgeschenk förderte zudem das Abhängigkeitsverhältnis zwischen seinem Nachfolger Tiberius und dem Heer. Durch die testamentarische Verfügung des Augustus erhielt das regelmäßige Donativ einen unantastbaren, institutionellen Charakter, der sich auch auf das Patron-Klienten- Verhältnis zwischen Kaiser und Heer übertragen hat. Erst mit der eigenmächtigen Erhöhung des Antrittsgeldes für die Prätorianer macht Caligula das donativum für andere Machthaber wieder zugänglich. Mithilfe des Bezahlens weiterer Gelder an Tagen, die in Verbindung mit dem Kaiser standen, wurde diese Abhängigkeit zwischen Patron und Klienten weiter gesteigert und das Heer stärker an den Kaiser gebunden. Dadurch etablierte sich das donativum zum zentralen Element für den princeps, um sich die Loyalität seiner Soldaten zu sichern. Unter diesen Gesichtspunkten ist die Verweigerung eines solchen Donativs von Galba an die Rheinlegionen nicht nachvollziehbar. Betrachtet man die Tage, an denen speziell Teile des obergermanischen Heeres gegen ihn aufbegehrten, so fällt auf, dass dies sein Regierungsantritt, sein dies natalis und der Neujahrstag waren. Aus diocletianischer Zeit wissen wir, dass neben den beiden erstgenannten Tagen auch am 1. Januar ein entsprechendes Geldgeschenk an die Truppen ausbezahlt wurde. Am Tag seines Regierungsantritts verweigerten die legiones IV. Macedonica et XXII. Primigenia aus Mogontiacum Galba ihre Treue und ließen sich nur mit Mühe durch ihren Feldherrn Verginius Rufus auf den neuen princeps vereidigen. Die beiden Legionen hatten den Galba-treuen Vindex besiegt und wollten ihren eigenen Befehlshaber zum Kaiser ausrufen, was dieser jedoch ablehnte. Nachdem sich Nero selbst gerichtet hatte, wurde Galba Ende Juni 68 n. Chr. in Rom zum Kaiser akklamiert und die beiden Mainzer Legionen waren zu invicti victi geworden. Daher ist es nur verständlich, dass sie sich erst nach anfänglichem Zögern auf Galba vereidigten. Am 24. Dezember 68 n. Chr. erhoben sich die 4. und 22. Legion offen gegen den princeps, indem sie dessen Geburtstagsfeierlichkeiten in ihrem Standlager störten. Zum endgültigen Zerwürfnis kam es am 1. Januar 69 n. Chr., als sich die Legionäre aus Mainz auf das Volk und den Senat von Rom vereidigten. Dieser Bruch zwischen 82

Galba und einem Teil der Rheinlegionen wird verständlicher, wenn man die Entlassungsurkunden der legio I Adiutrix betrachtet. Teile dieser erst unter Nero ausgehobenen und vor Rom stehenden Legion wurden am 22. Dezember 68 n. Chr. entlassen – also zwei Tage vor dem Geburtstag Galbas. In einer Phase der Machtkonsolidierung sind diese Verabschiedungen nur schwer nachvollziehbar, da die Macht eines Usurpators letztlich auf der Stärke seiner Soldaten beruht. Dessen war sich ein altgedienter Senator wie Galba sicher bewusst, doch waren die finanziellen Ressourcen der römischen Zentralverwaltung schlichtweg erschöpft. Galba konnte Teile seines Heeres nicht mehr bezahlen. Durch die Entlassung einiger Soldaten der legio I Adiutrix ersparte sich die Verwaltung in Rom nicht nur den ersten Jahressold, der an den Kalenden des Januar ausbezahlt wurde, sondern auch das Donativ am dies natalis und am Tag der Erneuerung (1. Januar) des Kaisereids. In Bezug auf die legiones IV. Macedonica und XXII. Primigenia konnte Galba, wie er glaubte, deren anfängliche Loyalitätsverweigerung zu seinen Gunsten nutzen. Er sanktionierte die beiden Legionen mit für diese Zeit gängigen Militärstrafen, wie Disziplinarstrafen, Ehrenstrafen und vor allem mit der Kürzung deren finanzieller Mittel. Dabei hatte Galba die durch das donativum hervorgerufene Verbindung zwischen Kaiser und Heer nicht berücksichtigt. Durch die Verweigerung des Geldgeschenkes an den erwähnten Tagen konnte eine Bindung zwischen Galba und der Armee nie erzeugt werden. Dieses entstandene Machtvakuum nutzte Aulus Vitellius, als er an den Kalenden des Dezembers den Oberbefehl – auf Anordnung von Galba – über den niedergermanischen Militärbezirk übernahm. Unmittelbar nach seiner Ankunft hob Vitellius Militärstrafen auf und verteilte Gelder unter seinen Truppen. Vitellius präsentierte sich den Rheinlegionen als potenter Machthaber und konnte in der Folge die am Rhein stehenden Legionen für sich gewinnen und erfolgreich die Herrschaft des neuen princeps in Rom, Otho, usurpieren. Anschließend versuchte Vitellius die von Galba in Bezug auf den Umgang mit dem Heer gemachten Verfehlungen zu vermeiden. Er belohnte seine eigenen Truppen und bestrafte nur wenige der unterlegenen Feinde. Galba hatte seine Befürworter ausgezeichnet und alle Gegner sanktioniert, was ihm schlussendlich zum Verhängnis wurde. Die Strafmaßnahmen des Vitellius dürften aber zu hart ausgefallen sein, wie die Entlassung der Prätorianer, die Exekution der gefangengenommenen Zenturionen, der Einsatz einer unterlegenen Legion zu Strafarbeiten und die Nichtbestattung der Gefallenen Othonianer bei Cremona aufzeigen. Außerdem stellte er durch die Reorganisation der Leibgarde, in die er fast ausschließlich seine eigenen Soldaten aufnahm, die Rheinlegionen über die übrigen römischen Armeeverbände und durchbrach die bis dato etablierte Heereshierarchie. Diese Umstände nutzten die Flavier, um sich eine

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Machtbasis für ihre Usurpation zu schaffen. Wie Flaig aufgezeigt hat, hätten wohl die Legionen im Osten nicht ausgereicht, um die Herrschaft Vespasians langfristig im Reich zu festigen. Letztlich verdankten es die Flavier dem Abfall der pannonischen, dalmatischen und mösischen Legionen von Vitellius, dass der Bürgerkrieg zu ihren Gunsten entschieden wurde. Durch die Niederlage der Othonianer bei Cremona befanden sich die Donaulegionen in einer ähnlichen Situation wie die Mainzer Legionen nach dem Sieg über Vindex und der späteren Bestätigung Galbas als princeps: Sie waren unbesiegt – die an der Donau stehenden Legionen waren nicht mehr rechtzeitig zur Schlacht bei Bedriacum gekommen – zu Verlieren geworden. Es verwundert daher nicht, dass sie sich teils aus Furcht vor Sanktionierungen bzw. teils aus Mangel an Alternativen Vespasian zuwandten. Daraus resultierend konnte durch diese Analyse aufgezeigt werden, dass der Bruch im Verhältnis zwischen Kaiser und Heer erst mit der Zerstörung der Kaiserembleme, wie Fahnen, Kaiserporträt oder Kaiserbüste, unabwendbar gemacht wurde. Diese Beobachtung wird durch die Situation der legiones IV. Macedonica et XXII. Primigenia aus Mainz am 1. Januar 69 n. Chr. sowie durch die mösische Heeresvexillation bei Aquileia nach der ersten Schlacht bei Bedriacum verdeutlicht. Sowohl die Legionen vom Rhein als auch jene von der Donau versagten dem aktuell regierenden princeps durch die Zerstörung von Kaiserinsignien ihre Treue und wandten sich einem ihrer Meinung nach geeigneteren Kaiserkandidaten zu. Zudem wurde durch die gescheiterten Rebellionen des Scribonianus in Dalmatien und des Clodius Macer in Afrika ein Entwicklungsprozess der Usurpation in der frühen römischen Kaiserzeit aufgezeigt. Beide Usurpatoren erhielten ihre Machtbasis durch ein militärisches Oberkommando in den Provinzen. Dadurch war es ihnen möglich, ihre Position zu sichern. Für die vollständige Kontrolle über die ihnen unterstellten Truppenverbände brauchten beide Senatoren eine wirkungsmächtige Ursache, um die Soldaten zum Eidbruch gegenüber dem princeps zu bewegen. Scribonianus bediente sich einer Falschmeldung, wie etwa dem Ableben des Claudius, und Macer konnte die Erhebung des Vindex/Galba und den Selbstmord Neros als Gründe anführen. Dadurch entstand ein räumlich begrenztes Machtvakuum, das beide Usurpatoren nutzten. Ihr Scheitern ist letztlich darauf zurückzuführen, dass Scribonianus seine Stellung nicht weiter absichern konnte und Clodius Macer der Zuspruch innerhalb der Municipalaristokratie fehlte. Die daraus resultierenden Konsequenzen für die Soldaten waren unterschiedlicher Natur: Die dalmatischen Legionen wurden von Claudius mit dem Ehrennamen Claudia pia fidelis belohnt, da sie die Revolte noch vor ihrem Ausbruch abwenden konnten. Die Soldaten der legiones III. Augusta und I. Macriana erhielten von Galba als Strafe die ignominiosa missio, sie waren ihm gegenüber abtrünnig geworden. Dies erinnert stark an

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die Situation der Mainzer Legionen, wodurch es nicht verwundert, dass sich die unter Clodius Macer dienenden Truppen Vitellius anschlossen. Die Quellenstudie bestätigt die taciteische Aussage, dass die Macht nun bei den Provinzheeren liege. In weiterer Folge wird zu untersuchen sein, inwiefern sowohl Aulus Vitellius als auch Vespasian durch ihre Erhebungen alle weiteren Usurpationen im Verlauf der römischen Kaiserzeit beeinflussten, und ob sich die Bedeutung des Donativs danach weiter veränderte.

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9.) Abkürzungsverzeichnis CIL Corpus Inscriptionum Latinarum g Gramm ILS Inscriptiones Latinae selectae kg Kilogramm km Kilometer m Meter RIC Roman Imperial Coinage RPC Roman Provincial Coinage RSC Roman Senate Coinage

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10.) Literaturverzeichnis:

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