Lakmann: Truppenübungsplatz Senne – Hotspot der Artenvielfalt in NRW

Truppenübungsplatz Senne – Hotspot der Artenvielfalt in Nordrhein-Westfalen

Dr. Gerhard Lakmann

Der Truppenübungsplatz (TrÜbPl) Senne liegt in Der TrÜbPl Ostwestfalen etwa in der geographischen ­Senne­ wird vorwie- Mitte zwischen den Städten , gend als Schieß- und (s. Abb. 1). Der weitaus größte und Infanterie- Teil des TrÜbPl Senne gehört zum Naturraum übungsplatz mit „Obere Senne“ am östlichen Rand der „Westfä- großen Schießbah- lischen Tieflandbucht“. Hierbei handelt es sich nen und zum Teil um einen überwiegend aus Schmelzwasser- als Fahr-Übungs- s­anden der Saale-Eiszeit gebildeten in Südwest­ gelände genutzt, richtung geneigten Sandhang zwischen 110 m während auf dem und 220 m ü. NN. Der Sennesand wurde im nördlich angren- Pleistozän und im Holozän an der Oberfläche zenden Standort- noch verschiedentlich umgelagert, was u.a. übungsplatz Stapel durch die im Landschaftsbild gut ausgeprägten überwiegend Dünenbildungen erkennbar ist. Im Osten greift Panzerfahrschule Dr. Gerhard Lakmann der TrÜbPl Senne zu einem kleinen Teil auch in stattfindet. Die Foto: M. Häs den Teutoburger Wald über, der zu den Mittel­ Schießbahnen gebirgen gehört. des TrÜbPl Senne sind so angelegt, dass vom Rand in die Mitte des Der TrÜbPl Senne umfasst eine Fläche von Truppenübungsplatzes geschossen wird (s. Abb. rund 11.750 ha, wovon rd. 10.750 ha im Eigen- 2). Teilweise wurden Erdwälle als Geschossfang tum der Bundesanstalt für Immobilien­aufgaben aufgeschichtet. stehen. Die übrige Fläche von rd. 1.000 ha (überwiegend Waldgebiete am nordöstlichen Das Wald-Offenland-Verhältnis auf dem TrÜbPl Rand des Truppenübungsplatzes) ist durch Nut- Senne beträgt - bezogen auf die bundeseige- zungsverträge für militärische ­Zwecke sicherge- nen Flächen - aktuell etwa 55 Prozent Wald zu stellt (Butz in Vorb., Piesczek 1992). 45 Prozent Offenland (Urmes 2014). Die Offen-

Der TrÜbPl Senne besteht in seinen ältesten Teilen seit 1892. Er wurde insbesondere in den Jahren 1936 bis 1945 und nochmals nach 1945 vergrößert. Seit 1945 wird der Truppenübungs- platz von den britischen Streitkräften verwaltet (Piesczek 1992). Rechtliche Grundlage hierfür ist heute das NATO-Truppenstatut mit Zusatz- abkommen und Zusatzvereinbarungen, durch die der Platz den Britischen Streitkräften zur ausschließlichen militärischen Nutzung über- lassen wurde (Brummund 1992, Butz in Vorb.). Neben der Britischen Armee üben dort auch andere NATO-Streitkräfte, insbesondere die Bundeswehr. Gelegentlich nutzen auch Bun- desgrenzschutz, Polizei, Technisches Hilfswerk und ähnliche Organisationen den TrÜbPl Senne zu Übungszwecken. Aufgrund des Schieß- betriebs und der Blindgängergefahr ist der Truppen­übungsplatz für die Öffentlichkeit streng gesperrt. Abb. 1: Lage des Truppenübungsplatzes Senne in Nordrhein-Westfalen

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landflächen befinden sich nahezu ausschließlich im Naturraum Senne, wobei sich das Bild einer halboffenen Parklandschaft bietet (s. Foto). Große Offenlandbereiche mit naturschutz- fachlich wertvollen Lebensraumtypen sind sowohl auf den Schießbahnen als auch in den großen Sicherheitsberei- chen hinter den Schießbahnen im Zen- trum des Übungsplatzes vorhanden. Dagegen ist das Mittelgebirge (Teuto- burger Wald) traditionell bewaldet.

Historische Kulturlandschaft der Senne Da die militärische Nutzung andere Landnutzungen ausschloss, sind auf dem TrÜbPl Senne großflächig histo- rische Kulturlandschaftselemente der alten westfälischen Heidelandschaft erhalten geblieben, die im Mittelalter und in der frühen Neuzeit in ganz Westfalen und darüber hinaus in Nord- westdeutschland weit verbreitet waren. Landschaftsprägend und charakteris- tisch sind die ausgedehnten trockenen und feuchten Heiden sowie Sandtro- cken- und Sandmager­rasen, die durch naturnahe Fließgewässer (Oberläufe von Lippe und Ems) und Gehölze gegliedert werden.

Es handelt sich bei der Heidelandschaft der Senne überwiegend um eine sehr Abb. 2: Übersichtskarte Truppenübungsplatz Senne mit alte Kulturlandschaft. Die Anfänge Lage der großen Schießbahnen (Quelle: Geobasisdaten der Entstehung lassen sich bis in die der Kommunen und der Landes NRW © Geobasis NRW Jungsteinzeit zurückverfolgen. Hinweise 2011) auf das Vorhandensein von größeren Heideflächen liefern 3.000 bis 4.000 Jahre alte Grabhügel, die in großer Zahl fach trat eine Verbuschung und Bewaldung mit in der gesamten Senne, vor allem am Rand zum Kiefer (Pinus sylvestris), Sandbirke (Betula pen- Teutoburger Wald, vorhanden sind (bzw. waren). dula) und lokal auch Spätblühender Traubenkir- Diese sind aus Heideplaggen und Grassoden sche (Prunus serotina) ein und weite Bereiche aufgeschichtet worden. Unter den Grabhügeln ehemaliger Offenlandflächen haben sich allmäh- wurde ein für offene Heideflächen typischer Pod- lich zu Wäldern entwickelt. solboden mit Ortsteinhorizont nachgewiesen, der demnach bereits vor Anlage der Hügel vorhanden Viele Heideflächen wurden in der Vergangenheit gewesen sein muss (Hohenschwert-Heuwinkel – dem damaligen Zeitgeist entsprechend – sys- 1969, Hohenschwert 1985). tematisch überwiegend mit Kiefern aufgeforstet. Entsprechend wird der überwiegende Teil der Die offene Heidelandschaft wurde über Jahr- bundeseigenen Waldfläche auf dem TrÜbPl Senne hunderte durch Beweidung und regelmäßigen heute von Kiefernwald eingenommen (ca. 5.200 ha Plaggenhieb erhalten. Ihre größte Ausdehnung entspricht 80 %). Daneben sind ca. 680 ha Fich- hatten die Heideflächen zur Zeit des Heide­ tenwald (entspricht 10 %) und 520 ha Buchenwald bauerntums im 18. und 19. Jahrhundert. Mit – (entspricht 8 %) vorhanden (Urmes 2014). Die ­Einrichtung des Truppenübungsplatzes wurden restlichen 2 % werden von Bruch- und Auenwäl- die ehemaligen Landnutzungen eingestellt. Viel- dern sowie Sonderkulturen eingenommen.

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03 Lakmann NUA-Sem 15-24593.indd 11 04.08.15 11:33 Lakmann: Truppenübungsplatz Senne – Hotspot der Artenvielfalt in NRW

Halboffene „Parklandschaft“ auf dem Truppenübungsplatz Senne. Im Hintergrund der Teutoburger Wald Foto: G. Lakmann

Ungeachtet dessen ist auf dem TrÜbPl Senne • regelmäßige Flächenbrände unterschied- noch heute auf insgesamt ca. 5.500 ha Freige- licher Größe (als Begleiterscheinung des lände die größte zusammenhängende Heide- militärischen Übungsbetriebs); landschaft in Nordrhein-Westfalen vorzufinden. Die heute noch vorhandenen Offenlandflächen • regelmäßige Mahd von Heideflächen und wurden in der Zeit der militärischen Nutzung Sandmagerrasenflächen durch die Gelände­ erhalten durch: betreuungsstelle des Bundesforstbetriebs Rhein-Weser (finanziert durch die Britischen Streitkräfte);

• regelmäßige praktische Landschaftspflege- arbeiten der Biologischen Station;

• Beweidung durch die Heidschnuckenherde der Biologischen Station und durch das Scha- lenwild (überwiegend Damwild und Rotwild).

Schutzausweisungen, Natura 2000 Für den TrÜbPl Senne in seiner Gesamtheit besteht keine Schutzgebietsausweisung nach nationalem Naturschutzrecht. Im Jahr 2001 erfolgte die Meldung des TrÜbPl Senne und angrenzender Bereiche (Naturschutzgebiete, Teutoburger Wald) als FFH- und Vogelschutzge- biet an die Europäische Union.

Im Einzelnen handelt es sich um folgende Gebiete:

• FFH-Gebiet „Senne mit Stapellager Senne“ (DE-4118-301);

• FFH-Gebiet „Östlicher Teutoburger Wald“ (DE-4017-301);

Panzertrack mit Hirschsprung und Knorpelmiere • EU-Vogelschutzgebiet „Senne mit Teuto­ Foto: G. Lakmann burger Wald“ (DE-4118-401).

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Code FFH-Lebensraumtyp Fläche (ha) Biotoptyp Fläche (ha) Zwergstrauchheiden Seggen- und binsenreiche 2310 347 16 auf Binnendünen Nasswiesen Sandtrockenrasen auf Quellbereiche 1,2 2330 60 Binnendünen Magerwiesen und -weiden 989 Oligotrophe 3110 0,6 Trockenrasen 435 Stillgewässer Bruch- und Sumpfwälder 38 Oligo- bis mesotrophe 3130 0,8 Stillgewässer Tab. 2: Gesetzlich geschützte Biotope Natürliche eutrophe (§30 BNatSchG/§62 LG) auf bundeseigenen 3150 2,2 Seen und Altarme Flächen des TrÜbPl Senne (Auswahl) Dystrophe Moor­ (Stand 2013). Quelle: Bundesforstbetrieb 3160 2,2 gewässer Rhein-Weser (2014) Fließgewässer mit 3260 11 Unterwasservegetation In den Jahren 2011 bis 2013 wurde im Auf- Feuchte Heidegebiete trag des Bundesforstbetriebs Rhein-Weser 4010 81 mit Glockenheide eine genaue Erfassung der FFH-Lebensraum­ typen und der gesetzlich geschützten Biotope 4030 Zwergstrauchheiden 1268 auf den bundeseigenen Flächen des TrÜbPl Wacholderbestände auf 5130 0,9 ­Senne durchgeführt. Dabei wurden insgesamt Zwergstrauchheiden 20 FFH-Lebensraumtypen auf 2.358,5 Hektar 6230 Borstgrasrasen 72 ­kartiert (s. Tab. 1). Unter den auf dem TrÜbPl­ vorhandenen gesetzlich geschützten Biotopen Glatthafer- und Wie- 6510 3,3 (§30 BNatSchG/§62 Landschaftsgesetz - senknopf-Silgenwiesen LG) befinden sich mehrere, die nicht zu den Übergangs- und 7140 12 FFH-Lebensraumtypen zählen, z.B. seggen- Schwingrasenmoore und binsenreiche Nasswiesen, Quellbereiche, Moorschlenken- Magerwiesen und –weiden, Trockenrasen sowie 7150 2,8 Pioniergesellschaften Bruch- und Sumpfwälder (s. Tab. 2). Diese Auf- stellung zeigt die große Lebensraumvielfalt des Hainsimsen- 9110 133 TrÜbPl Senne. Buchenwald Waldmeister- 9130 226 Buchenwald Stieleichen- 9160 7,7 Hainbuchenwälder Arbeitskreis „Naturschutz auf dem Truppenübungsplatz Senne“ Bodensaure Eichenwäl- 9190 82 der auf Sandebenen Vorstand: Britische Bezirksregierung Bundesanstalt für 91D0 Moorwälder 12 Streitkräfte Detmold Immobilienaufgaben Erlen-Eschen- und 91E0 34 Weichholz-Auenwälder Weitere • Kommandantur der Britischen Streitkräfte Mitglieder in Deutschland Summe: 2.358,5 • Defence Infrastructure Organisation (DIO) (Liegenschaftsverwaltung der Britischen Tab. 1: FFH-Lebensraumtypen auf bundeseige- Streitkräfte) • Britischer Verbindungsoffizier Paderborn ne Flächen des TrÜbPl Senne (Stand 2013) • Bundesanstalt für Immobilienaufgaben – Quelle: Bundesforstbetrieb Rhein-Weser (2014) Sparte Verwaltung Bundesforstbetrieb Rhein-Weser/ Geländebetreuungsstelle Hövelhof Naturschutzfachlich wertbestimmend auf dem • Deutscher Militärischer Vertreter (Bundeswehr) Biologische Station Kreis Paderborn-Senne TrÜbPl Senne sind überwiegend die Offenland- • Ehrenamtlicher Beraterstab der Bezirks- bereiche, in denen großflächig FFH-Lebens- • regierung Detmold (Expertinnen und Experten für Flora und Fauna) raumtypen und gesetzlich geschützte Biotope mit einem landesweit bedeutsamen Arteninven- Abb. 3: Arbeitskreis „Naturschutz auf dem tar ausgebildet sind. Truppenübungsplatz Senne“

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NUA-Seminarbericht Bd12 15-24593.indb 13 04.08.15 10:39 Lakmann: Truppenübungsplatz Senne – Hotspot der Artenvielfalt in NRW

Einsätze der praktischen Landschaftspflege durch die Biologische Station und ehrenamtliche Helfer auf dem Truppenübungsplatz Senne. Fotos: G. Lakmann

Erfassung von Flora und Fauna Um das bedeutsame Arten- und Biotopin- auf dem TrÜbPl Senne ventar des TrÜbPl Senne zu dokumentie- Lange Zeit war die Bedeutung des militärischen ren und zu erhalten, wurde auf Initiative der Sperrgebietes des TrÜbPl Senne für den Natur- Bezirksregierung Detmold im Jahr 1984 der schutz weitgehend unbekannt. In den 1960er Arbeitskreis „Naturschutz auf dem Truppen- und 1970er Jahren waren es wenige Einzelper- übungsplatz Senne“ gegründet, der bis heute sonen, die auf den hohen naturschutzfachlichen besteht. In dem Arbeitskreis sind alle für den Wert des Gebietes hinwiesen (zusammen- TrÜbPl zuständigen militärischen und zivilen fassende Darstellung s. Seraphim 1978, 1980, Dienststellen und Behörden sowie örtliche 1981). Seit Beginn der 1980er Jahre widmeten Natur-Experten (ehrenamtlicher Beraterstab der sich auch Naturschutzorganisationen und Natur- Bezirksregierung) vertreten. Den Vorsitz des schutzbehörden dem TrÜbPl Senne. Arbeitskreises teilen sich der britische Truppen- übungsplatzkommandant, die Bundesanstalt für Immobilienaufgaben (BImA) und die Bezirksre- Artengruppe Artenzahl davon Arten gierung Detmold (höhere Landschaftsbehörde). insgesamt der Roten Auf den Arbeitskreis-Sitzungen werden die (nur einheim. Liste NRW naturschutzrelevanten Themen zum TrÜbPl Arten) (2011) Senne besprochen und Projekte abgestimmt. Die britischen militärischen Dienststellen gestat- Farn- und 866 221 ten in außerordentlich kooperativer Weise die Blütenpflanzen Erhebung naturkundlicher Daten als auch die Moose 202 53 Durchführung von Maßnahmen des Naturschut- Armleuchter­ zes und der Landschaftspflege auf dem TrÜbPl 4 2 algen Senne, soweit dies der militärische Übungsbe- Großpilze 1606 461 trieb zulässt. Dazu wurde (und wird) regelmäßig das Betreten des militärischen Sperrgebietes Säugetiere (nur ca. 40 7 auf bestimmten Flächen außerhalb der militäri- Kleinsäuger) schen Übungszeiten auf eigenes Risiko gestat- Brutvögel ca. 100 35 tet, wobei in jedem Einzelfall exakte Abspra- Reptilien 5 3 chen erfolgen müssen. Amphibien 11 5 Der ehrenamtlich tätige Beraterstab der Bezirks- Fische 13 1 regierung Detmold hat seit 1984 grundlegende Daten zu Flora und Fauna auf dem TrÜbPl Schmetterlinge ca. 1.150 233 Senne erhoben, die auch als Grundlage für die Heuschrecken 23 8 Ausweisung als FFH- und EU-Vogelschutzgebiet Libellen 50 15 (Natura 2000) dienten. Ehemalige und aktuelle Mitglieder des ehrenamtlichen Beraterstabs Tab. 3: Arten auf dem TrÜbPl Senne sind: Hans Dudler, Dirk Grote, Dietmar Hahn, Quelle: Beraterstab der Bezirksregierung Dr. Andreas Hoffmann, Dr. Gerhard Lakmann, Detmold, LANUV 2014

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Norbert Langer, Rudolf Pähler, Hans Retzlaff, Heinz Schmidt, Werner Schulze, Reimar von Selle †, Dr. Ernst-Theodor Seraphim, Irmgard Sonneborn, Willi Sonneborn †, Dr. Hartmut Späh, Gerhard Steinborn, Dr. Bernd Stemmer, Jürgen Wächter und Herbert Wolf.

Seit 1993 führte auch die Biologische Station Paderborner Land und in deren Nachfolge ab 2007 die Biologische Station Kreis Paderborn-­ Senne wissenschaftliche Erhebungen von Flora, Fauna und Lebensräumen auf dem TrÜbPl Senne durch.

Die Ergebnisse der ca. 30-jährigen Arten-­ Kartierungen des Beraterstabs sind in Tabelle 3 zusammenfassend dargestellt. Die Tabelle zeigt deutlich die große Bedeutung des TrÜbPl­ ­Senne als Lebensraum für viele landesweit ­seltene und gefährdete Pflanzen-, Pilz- und Tier- Torfmoos-Knabenkraut (Dactylorhiza sphagnicola) – arten. Der überwiegende Teil der auf dem Lokalsippe Foto: G. Lakmann TrÜbPl Senne vorhandenen Rote Liste-Arten gehört zur Kategorie der Offenlandarten. Eine Lokalpopulation der Küchenschelle Floristische Besonderheiten ­(Pulsatilla vulgaris) wächst auf dem TrÜbPl­ Mit insgesamt 221 Farn- und Blütenpflanzenar- Senne auf Sandboden. Allerdings ist der ten der aktuellen Roten Liste NRW (Sonneborn Bestand inzwischen bis auf zwei Wuchsbe- 2014, schriftl. Mittlg.) beherbergt der TrÜbPl reiche erloschen. Ein Artenschutzprojekt der Senne eine erstaunlich große Zahl gefährdeter Biologischen Station Kreis Paderborn-Senne in Arten. Zu den bedeutenden floristischen Beson- Zusammenarbeit mit dem Bundesforstbetrieb derheiten gehört der Einfache Rautenfarn (Botry- Rhein-Weser widmet sich dem Schutz und der chium simplex), der auf dem TrÜbPl Senne Förderung der Küchenschelle auf dem TrÜbPl aktuell sein einziges Vorkommen in Deutsch- Senne. land hat (Bennert et al . 2014, Sonneborn 1994). Mehrere Farn- und Blütenpflanzenarten haben Als weitere floristische Besonderheiten auf auf dem TrÜbPl Senne aktuell ihren einzigen dem TrÜbPl sind zu nennen: Kelch-Stein- Wuchsort in NRW: Ästiger Rautenfarn (Botrychi- kraut (Alyssum alyssoides), Rosmarinheide um matricariifolium) (wurde jedoch seit mehre- (Andromeda polifolia), Gewöhnliches Katzen- ren Jahren nicht bestätigt), Dillenius‘ Ehrenpreis (Veronica dillenii), Frühlings-Ehrenpreis (Vero- nica verna) und Ähriger Ehrenpreis (Veronica spicata). Eine Lokalsippe des Torfmoos-Knaben- krauts (Dactylorhiza sphagnicola) wächst in Hei- demooren des TrÜbPl Senne. In einer abfluss- losen sandigen Senke, die periodisch überflutet wird, existiert eine Population des Strandlings (Littorella uniflora).

Arnika (Arnica montana) wächst auf dem TrÜbPl Senne in Borstgrasrasen des Flachlan- des (ca. 125 m ü. NN.). Jedoch ist der große Bestand auf einer Schießbahn seit den 1990er Jahren stark zurückgegangen, seitdem es am Wuchsort nicht mehr zu regelmäßigen Flächen- bränden kommt. Zukünftig sollen durch gezielt Küchenschelle (Pulsatilla vulgaris) auf Sandbo- gelegte Brände die Standortbedingungen für den auf dem TrÜbPl Senne Arnika verbessert werden. Foto: G. Lakmann

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pfötchen (Antennaria dioica), Platthalm-Quell- Faunistische Besonderheiten ried (Blysmus compressus), Heide-Segge Die Liste des faunistischen Besonderheiten auf (Carex ericetorum), Quendelseide (Cuscuta dem TrÜbPl Senne ist lang, so dass hier nur epithymum), Steppen-Wolfsmilch (Euphorbia eine kleine Auswahl genannt werden kann: segueriana), Zierlicher Augentrost (Euphra- sia micrantha), Nordisches Labkraut (Galium Auf dem TrÜbPl Senne wurden 12 Fleder- boreale), Lungen-Enzian (Gentiana pneumo- mausarten nachgewiesen (Bundesforstbetrieb nanthe), Sumpf-Herzblatt (Parnassia palustris), Rhein-Weser 2014, Steinborn in Vorb.). Die Kleinblütige Waldhyazinthe (Platanthera bifolia Moorfrosch-Population (Rana arvalis) der s.str.), Nickendes Wintergrün (Orthilia secunda), Heidemoore gilt als die bedeutendste in Nord- Rundblättriges Wintergrün (Pyrola rotundifolia), rhein-Westfalen. Die Moorameise (Formica Zwerglein (Radiola linoides) und Sand-Thymian (Thymus serpyllum).

Heidelerche Foto: B. Stemmer

Lungenenzian-Ameisenbläuling Foto: G. Lakmann

Ziegenmelker Foto: B. Stemmer

Lungenenzian mit Eiern des Lungenenzi- an-Ameisenbläulings Foto: G. Lakmann Wendehals Foto: B. Stemmer

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transkaukasica) hat auf dem TrÜbPl Senne ihr Heide) zu den bedeutendsten in NRW. Die einziges Vorkommen in NRW. Die Vorkommen Lokalpopulation des Lungenenzian-Ameisen- der Arktischen Smaragdjungfer (Somatochlora­ bläulings (Maculinea [= Phengaris] alcon) ist die arctica) in den Heidemooren des TrÜbPl Senne größte in Westfalen (Schulze & Dudler 2009); gelten (neben den Vorkommen in der Wahner die Art ist an das Vorkommen von Lungenenzian

Deutscher Name Wissenschaftlicher Name Anzahl Revierpaare Baumfalke Falco subbuteo 4 – 6¹ Bekassine Gallinago gallinago 0 – 1¹ Brachpieper Anthus campestris 0 – 1¹ Braunkehlchen Saxicola rubetra 3 – 5¹ Eisvogel Alcedo atthis 10 – 12¹ Feldlerche Alauda arvensis ca. 150¹ Gartenrotschwanz Phoenicurus phoenicurus 40 – 50¹ Grauspecht Picus canus ca. 10¹ Großer Brachvogel Numenius arquata 0 – 1¹ Heidelerche Lullula arborea 520² Kornweihe Circus cyaneus 0 – 1¹ Kiebitz Vanellus vanellus 0 – 2¹ Krickente Anas crecca 2 – 3¹ Neuntöter Lanius collurio 20 – 30¹ Raubwürger Lanius excubitor 13² Raufußkauz Aegolius funereus 1 - 3¹ Rotmilan Milvus milvus 3 – 5¹ Schwarzkehlchen Saxicola torquata 89² Schwarzspecht Dryocopus martius 30 – 40¹ Schwarzstorch Ciconia nigra 1 – 2¹ Sperlingskauz Glaucidium passerinum ca. 4¹ Steinschmätzer Oenanthe oenanthe 2 – 3¹ Wachtel Coturnix coturnix 5 – 7¹ Wanderfalke Falco peregrinus 1¹ Wendehals Jynx torquila 8 – 12¹ Wespenbussard Pernis apivorus 4 – 6¹ Wiesenpieper Anthus pratensis 79² Ziegenmelker Caprimulgus europaeus 80 – 90¹ Tab. 4: Wertgebende Brutvogelarten auf dem TrÜbPl Senne. ¹ Daten des Beraterstabs der Bezirksregierung Detmold (Daten ab 1990), ² Daten des Bundesforstbetrieb Rhein-Weser aus den Jahren 2012/2013

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(Gentiana pneumonanthe) und von Knoten- Brummund, G. (1992): Die Rechtsstellung ameisen (Gattung Myrmica) gebunden. Die der Britischen Streitkräfte; The Status of Tiefland-Sandbäche des TrÜbPl Senne sind the ­British Forces. In: Regierungspräsi- Lebensraum für stabile Lokalpopulationen von dent ­Detmold, Oberfinanzdirektion Münster, Groppe (Cottus gobio), Bachneunauge (Lam- ­Britische Rheinarmee (Hrsg.): Truppen- petra planeri) und Bachforelle (Salmo trutta). In übungsplatz Senne – Militär und Naturschutz, periodischen Pfützen auf Fahrwegen (z.B. auf Sennelager Training Center – Military and Panzertracks) tritt der Echte Kiemenfußkrebs Conservation, S. 26 – 28. (Branchipus schaefferi) auf, der zu den Urzeit- krebsen (Großbranchiopoden) zählt. Bundesforstbetrieb Rhein-Weser (2014): Erfas- sung der Biotoptypen, FFH-Lebensraumtypen, Die Sandmager- und Sandtrockenrasen sowie § 62-Biotoptypen und ausgewählter Arten auf trockenen Heideflächen des TrÜbPl Senne sind dem Truppenübungsplatz Senne. Lebensraum für zahlreiche biotopgebundene Butz, K.-H. (in Vorb.): Der Truppenübungsplatz Falterarten, von denen die hier verbreitete Rost- Senne: Britische Nutzung – deutsches Recht. binde (Hipparchia semele) die auffälligste Art In: Arbeitskreis „Naturschutz auf dem Truppen- ist. Die Populationen der Zauneidechse (Lacerta übungsplatz Senne“ (Hrsg.): Truppenübungsplatz ) und der Feldgrille ( ) in agilis Gryllus campestris Senne – Militär und Naturschutz, Senne Military den trockenen Offenlandbiotopen zählen zu den Training Area – Military and Conservation. bedeutendsten in NRW. Offene Sandbereiche sind Lebensraum für spezialisierte Arten, u.a. Hohenschwerdt, F. (1985): Hügelgräberfeld in für drei Arten Ameisenjungfern und ihre Larven der Stapelager Senne. Führer zu archäologi- (Ameisenlöwen). schen Denkmälern in Deutschland. - Der Kreis Lippe II, 11: 104 – 106, Stuttgart. Vögel Landesweit sehr große Bedeutung hat der Hohenschwerdt-Heuwinkel, F. (1969): Erdge- TrÜbPl Senne als Lebensraum für seltene und schichte, Landschaftsentstehung und Besiedlung gefährdete Brut- und Gastvögel, was Anlass der der Senne am südlichen Teutoburger Wald. – In: Meldung des Gebietes als EU-Vogelschutzgebiet Wiemann, H. (Hr sg.): Lanchel – Colstidi – Astan- war. Seit 1990 wurden 14 Brutvogelarten und holte, Beiträge zur Geschichte der Ortschaften sieben Gastvogelarten nachgewiesen, die im Schlangen, Kohlstädt und Oesterholz-Hausten- Anhang I der EU-Vogelschutzrichtlinie aufgeführt beck. - Detmold (herausgegeben im Auftrag der sind. Insgesamt 35 Vogelarten der aktuellen Spar- und Darlehnskasse Schlangen): 15 – 50. Roten Liste NRW wurden hier als Brutvögel nach- gewiesen (Auswahl s. Tab. 4). Die Brutbestände Kottmann, I. (2008) in Biologische Station von Ziegenmelker, Heidelerche und Wendehals Lippe/NABU Kreisverband Lippe: Ornithologi- auf dem TrÜbPl Senne gelten als die größten in scher Sammelbericht 2007 für den Kreis Lippe. NRW. Während der Wiesenpieper landesweit Orn. Mitt.blatt Ostwestfalen-Lippe 55/2007. sehr stark zurückgegangen ist und weite Be- Schieder-Schwalenberg. reiche bereits nicht mehr besiedelt werden Lakmann, G. (2000): Vegetation und Flora der (z.B. viele Feuchtwiesengebiete), gibt es auf dem trockenen Heideflächen und Sandtrockenrasen TrÜbPl Senne aktuell noch einen erstaunlich gro- des Truppenübungsplatz Senne (Ostwestfalen). ßen Bestand. Überraschend war der Brutnach- NUA-Hefte Nr. 6: 61 – 69. weis des Brachpiepers im Jahr 2007 (Kottmann 2008), der nach der aktuellen Roten Liste in Lakmann, G. (2012): Offenlandmanagement NRW als ausgestorben gilt. Bemerkenswerte auf dem Truppenübungsplatz Senne in Nord- regelmäßige Gastvögel auf dem TrÜbPl Senne rhein-Westfalen (Natura 2000-Gebiet). In: Erhal- sind u.a. Fischadler, Kornweihe, Kranich (auch tung von Offenlandlebensräumen auf aktiven Übersommerer), Seeadler (auch Übersomme- und ehemaligen militärischen Übungsflächen. rer), Sumpfohreule, Uhu und Wiesenweihe. – Naturschutz und Biologische Vielfalt Heft 127, S. 115 – 129, Bonn-Bad Godesberg. Literatur Bennert, H.W.; I. Sonneborn & K. Horn (2014): LANUV (Landesamt für Natur, Umwelt und Ver- Die Einfache Mondraute (Botrychium simplex, braucherschutz Nordrhein-Westfalen) (2014): Ophioglossaceae) in Deutschland. – Tuexenia Gutachten zur Eignung der Senne als Nationalpark. 34: 205 – 232. (Bearbeiter: T. Hübner & T. Schiffgens). 53 S.

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LANUV (Landesamt für Natur, Umwelt und Ver- des Naturwissenschaftlichen Vereins für Biele- braucherschutz Nordrhein-Westfalen) (Hrsg.) feld und Umgegend e.V. - Sonderheft. (2011): Rote Liste der gefährdeten Pflanzen, ­Pilze und Tiere in Nordrhein-Westfalen, 4. Sonneborn, I. u. W. (1994): Botrychium simplex ­Fassung, 2 Bände – LANUV-Fachbericht 36. Hitchcock – Einfache Mondraute: Der Fund einer verschollenen oder ausgestorbenen Pflan- Schulze, W. & H. Dudler (2009): Der Ameisen- zenart auf dem Truppenübungsplatz „Sennela- bläuling Phengaris alcon (Denis & Schiffermül- ger“. - Natur u. Heimat 54 (1): 25 - 27. ler, 1775) im Truppenübungsplatz Senne (Nord- rhein-Westfalen) (Lepidoptera, Lycaenidae). Sonneborn, I. u. W. (unter Mitarbeit von G. Loos) – Mitteilungen der Arbeitsgemeinschaft westfäli- (1993): Veronica dillenii Crantz, Heide-Ehren- scher Entomologen 25 (1): 1 - 14. preis, ein Erstfund für Norddeutschland auf dem Truppenübungsplatz „Sennelager“. - Natur u. Piesczek, U. (Hrsg.) (1992): Truppenübungsplatz Heimat 53 (4): 129 - 131. Senne – Zeitzeuge einer hundertjährigen Militärgeschichte. Chronik, Bilder, Dokumente. Urmes, A. (2014): Betreuungsauftrag der Bun- Paderborn (Bonifatius-Verlag): 720 S. desforstverwaltung auf dem TrÜbPl Senne. Vortrag am 21.06.2014 auf der Tagung „Zukunft Seraphim, E.Th. (Hrsg.) (1978): Beiträge zur der Senne“ in Bad Lippspringe. Ökologie der Senne. 1. Teil. Berichte des Natur- wissenschaftlichen Vereins für Bielefeld und Anschrift des Verfassers Umgegend e.V. - Sonderheft. Dr. Gerhard Lakmann Biologische Station Kreis Paderborn-Senne Seraphim, E.Th. (Hrsg.) (1980): Beiträge zur Birkenallee 2 Ökologie der Senne. 2. Teil. Berichte des Natur- 33129 Delbrück-Ostenland wissenschaftlichen Vereins für Bielefeld und [email protected] Umgegend e.V. - Sonderheft. www.bs-paderborn-senne.de

Seraphim, E.Th. (Hrsg.) (1981): Beiträge zur Ökologie der Senne. 3. Teil (Schluß). Berichte

Calluna-Heide mit Birken auf dem Truppenübungsplatz Senne Foto: G. Lakmann

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