ILLUSTRIERTE CHRONIK

50 JAHRE LANDESWOHLFAHRTSVERBAND HESSEN ILLUSTRIERTE CHRONIK

50 JAHRE LANDESWOHLFAHRTSVERBAND HESSEN

1953 – 2003 Impressum

Illustrierte Chronik 50 Jahre Landeswohlfahrtsverband Hessen 1953 – 2003

Text und Redaktion: Peter Sandner Rose-Marie von Krauss Christina Vanja Jörg Daniel Servicebereich „Öffentlichkeitsarbeit, Archiv und Gedenkstätten“ des LWV Hessen

Herausgeber: Landeswohlfahrtsverband Hessen Ständeplatz 6-10 34117 Kassel

Grafik und Layout: Printmedienagentur Hochformat dtp-design Fuldabrück

Druck: Druckerei Paul KG, Kassel

ISBN: 3-89203-045-6

Kassel 2003 Inhalt

Seite

6 Fortschritt, Innovation Grußwort des Präsidenten der Verbandsversammlung des Landeswohlfahrtsverbandes Hessen Kurt Wilhelm Sauerwein

8 Der Gründungsgeist besteht fort Grußwort des Landesdirektors des Landeswohlfahrtsverbandes Hessen Lutz Bauer

10 „Den Hilfsbedürftigen das größte Maß an Hilfe“ Zu Gründung und Geschichte des Landeswohlfahrtsverbandes Hessen Christina Vanja

25 Ereignisse, Entscheidungen, Entwicklungen 50 Jahre Landeswohlfahrtsverband Hessen 1953-2003

26 1953: LWV Hessen gegründet

28 1954: Erholungskuren für Kinder beschlossen

30 1955: Steigende Ausgaben für Kriegsopferfürsorge

32 1956: LWV-Zweigverwaltung in Darmstadt fertiggestellt

34 1957: „Psychiatrisches Krankenhaus“ statt „Landesheilanstalt“

36 1958: Erstes Mitteilungsblatt für Freunde und Mitarbeiter erschienen

38 1959: Zweiter Landesdirektor Dr. Stöffler in Ruhestand getreten

40 1960: Tuberkuloseheilstätte Schotten eröffnet

42 1961: Bundessozialhilfegesetz verabschiedet

44 1962: Schwesternvorschule Heppenheim und Krankenpflegeschule Eichberg eröffnet

46 1963: Weilmünster wieder Psychiatrisches Krankenhaus Seite

48 1964: Gedenkfriedhof für NS-„Euthanasie“-Opfer in Hadamar eingeweiht

50 1965: Neubau der Orthopädischen Klinik Kassel eröffnet

52 1966: Mitarbeiterfortbildung beginnt

54 1967: Erich Pfeil wird Erster Landesdirektor

56 1968: Waldkrankenhaus Köppern in LWV-Trägerschaft

58 1969: Protest gegen Heimunterbringung in Guxhagen-Breitenau

60 1970: Schulentwicklungsplan verabschiedet

62 1971: Hebesatz der Verbandsumlage erreicht 10%

64 1972: Erziehungsstellen ins Leben gerufen

66 1973: Sechste LWV-Verbandsversammlung gewählt

68 1974: Kliniken für Kinder- und Jugendpsychiatrie eingerichtet

70 1975: Psychiatrie-Enquete vorgelegt

72 1976: Erstmals Pflegefamilie für behinderte Kinder und Jugendliche

74 1977: Klinik für gerichtliche Psychiatrie in Haina eröffnet

76 1978: Erholungsheim „Haus am Landgrafenteich“ eröffnet

78 1979: Erster Lehrgang Fachkrankenpflege Psychiatrie gestartet

80 1980: Erster Patientenfürsprecher ernannt

82 1981: Tages- und Nachtklinik „Bamberger Hof“ eingerichtet

84 1982: Neubau des Landhauses im Kalmenhof bezogen

86 1983: 450-jähriges Bestehen der Hohen Hospitäler gefeiert Inhalt

Seite

88 1984: Ausbau von Institutsambulanzen beschlossen

90 1985: Arbeitskreis Frühförderung ins Leben gerufen

92 1986: Betreutes Wohnen für behinderte Menschen ins Leben gerufen

94 1987: Erster LWV-Ökologiebericht erschienen

96 1988: Ausbau der „Johannes-Vatter-Schule“ abgeschlossen

98 1989: Erste Heilpädagogische Einrichtungen gegründet

100 1990: „Psych-PV“ in Kraft getreten

102 1991: Neue Gedenkausstellung in Hadamar eröffnet

104 1992: Psychiatriemuseum Haina eröffnet

106 1993: Kommunalisierung von Altenhilfe und Jugendhilfe

108 1994: Philippshospital präsentiert sich als WHO-Pilotkrankenhaus

110 1995: Erste Tagesklinik Sucht in Hessen eröffnet

112 1996: Vereinbarung über LWV-Verwaltungsreform geschlossen

114 1997: Psychiatrische Familienpflege gestartet

116 1998: Zentren für Soziale Psychiatrie und Sozialpädagogische Zentren gebildet

118 1999: LWV im Internet

120 2000: 150 Jahre Schule für blinde Menschen in Friedberg

122 2001: Sozialgesetzbuch IX in Kraft getreten

124 2002: Zentrum für Soziale Psychiatrie Mittlere Lahn gebildet

126 2003: 50 Jahre LWV Hessen Fortschritt, Innovation,

reformerische Kompetenz, Arbeit für die Zukunft – Stichworte, die auf den ersten Blick zur Privat- wirtschaft gehören und damit börsennotierten Unternehmen zugeordnet würden. Höherer Kommunalverband – nein, da fallen den meisten Menschen solche Vokabeln doch eher nicht ein. Ein Fehler, wie ein Blick auf 50 Jahre Landeswohl- fahrtsverband Hessen zeigt! Wenn Sie durch di- ese Veröffentlichung gehen, können Sie verfol- gen, wie innovativ und zukunftgerichtet der LWV in fünf Jahrzehnten seine Aufgaben im Sinne der behinderten, kranken und sozial benachteiligten Menschen erfüllt und ein soziales Hessen mitge- schaffen hat. Kurt Wilhelm Sauerwein

Präsident der Ich ziehe als Präsident der LWV-Verbandsver- Verbandsversammlung des sammlung gern eine Bilanz über 50 Jahre LWV. Landeswohlfahrtsverbandes Sie fällt positiv aus und kann auf den folgenden Hessen Seiten eindrucksvoll anhand von anschaulichen Beispielen nachvollzogen werden. Nehmen Sie das Betreute Wohnen für behinderte Menschen in Hessen. Als die Abgeordneten in der Verbands- versammlung am 21. Mai 1986 der gemeinsam mit der Liga der freien Wohlfahrtspflege und zwei hessischen Kommunalen Spitzenver- bänden erarbeiteten Vereinbarung zustimmten, war ih- nen klar, dass sie Neuland betraten. Sie taten es in der festen Überzeugung, damit den behinder- ten Menschen den Schritt hin zu einem selbstbe- stimmten Leben in weitestgehender Normalität zu ermöglichen. Die Abgeordneten sahen darin ebenfalls einen (strategischen) Weg, um Kosten

6 Grußwort

im Sozialhilfebereich zu senken. Wie erfolgreich den eigenen Aufgaben, und damit einhergehend dieser Weg letztendlich sein würde, war indes durch ständige innere Reform möglich. nicht abzusehen. – Das Betreute Wohnen ist zu einem sozialpolitischen Renner geworden und All das wird auch in Zukunft beim LWV von Nöten hat Hessen in der Bundesrepublik als beispiel- sein, denn ein Problem ist selbst mit hoher Inno- gebend in diesem Bereich etabliert. Gleichsam vationsfähigkeit schwerlich zu lösen: die Schere bedeutet dies Anerkennung für alle engagierten zwischen Einnahmen des LWV und den stetig und motivierten Mitarbeiter in diesem Bereich. steigenden Ausgaben zu schließen. Die Zahl der Ständig den neuesten Erfordernissen angepasst, von uns zu betreuenden Menschen wird weiter auf neue Gruppen ausgedehnt und im Personal- steigen und die Finanzsituation der Kommu- schlüssel überprüft, mündet das Betreute Woh- nen wird mit dieser Entwicklung immer weniger nen heute in das ebenfalls beim LWV initiierte Schritt halten können. Hier stand und steht der Konzept Wohnen im Verbund. Auch hier kommt LWV immer wieder im Kreuzfeuer der Kritik. Oft dem LWV eine entscheidende Rolle zu. ging diese Kritik bis hin zur Forderung nach Auf- Dies ist nur ein Beispiel dafür, dass im LWV lösung des Verbandes. Dies ist im Jubiläumsjahr über die gesetzlichen Aufgaben hinaus innova- kein Thema. Und angesichts des Geleisteten darf tive sozialpolitische Projekte und Programme es auch keines mehr werden, denn die in den entwickelt wurden, die heute zum Standard in 50 Jahren aufgebaute sozialpolitische Kompe- der hessischen Sozialpolitik gehören. Die Reihe tenz des LWV muss im Interesse der Menschen kann erweitert werden, beispielsweise um die und in unserer Gesellschaft zum Wohle unseres Erziehungsstellen, den Familienentlastenden Gemeinwesens weiterwirken. Dienst oder auch die Psychiatrische Familien- pflege. Großen Anteil hat der LWV auch an der Umsetzung der Psychiatriereform. Die gebündel- te Kompetenz beim LWV als Einrichtungs- und Kostenträger führte zum konsequenten Ausbau der Gemeindepsychiatrie, dem Aufbau ambu- lanter und teilstationärer Angebote. Dass der LWV immer auf soziale Veränderungen reagieren und notwendige Anpassungen in der sozialen Infrastruktur umsetzen konnte, war nur mit der Kurt Wilhelm Sauerwein ständigen kritischen Auseinandersetzung mit

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Der Gründungsgeist besteht fort

stets den Finger am Pulsschlag des Lebens und sei daher in der Lage, die wechselnden Bedürf- nisse der Bevölkerung rechtzeitig zu erkennen. Es sollte aber auch ein für das ganze Land Hes- sen leistungsfähiger Verband entstehen, weil es sich bei den Aufgaben des LWV um Fürsorgeauf- gaben handele, die die Gemeinden und Kreise nicht selbst und alleine erfüllen könnten. Das damals noch junge Grundgesetz verwies auf das Gebot gleichwertiger Lebensverhältnisse in sei- nem Geltungsbereich. Der als Kommunalverband verfasste LWV, so erinnerte sich später Landesdi- rektor Hermann Schaub, erschien als geeignetes Instrument, behinderten und kranken Menschen Lutz Bauer im gesamten Hessenland Unterstützung und Landesdirektor des Förderung zuteil werden zu lassen. Auch einen Landeswohlfahrtsverbandes „Ausgleich der Fürsorgelasten“ zwischen dem Hessen finanzstärkeren Rhein-Main-Gebiet und dem damals bereits finanzschwächeren Nordhessen erwähnt Schaub als wichtigen Beweggrund.

Der LWV-Gründung im Jahre 1953 ging eine po- Viel hat sich seit der Gründung des LWV vor fünf- litische Debatte voraus: Sollten die Aufgaben zig Jahren verändert, der LWV selbst hat sich – der sozialen Fürsorge auf staatlicher oder auf nicht zuletzt aus einem starken eigenen Antrieb kommunaler Ebene verankert werden? Mit der – vor Veränderungen nie gescheut. Dennoch gel- Verabschiedung des Mittelstufengesetzes am ten die oben skizzierten Argumente für die Grün- 7. Mai 1953 setzte sich der Grundsatz: „Staats- dung des LWV nach meiner festen Überzeugung verwaltung soviel wie nötig, Selbstverwaltung noch heute. Bei Jubiläen wird gern in Euphemis- soviel wie möglich“ durch, die damaligen poli- men geredet und geschrieben, man möchte ja tischen Entscheidungsträger wollten mehrheit- höflich sein und keine Misstöne bei einem feier- lich eine kommunale Lösung. Die kommunale lichen Anlass erzeugen – in der Geschichte des Verwaltung, so war man letztlich überzeugt, habe LWV gab es jedoch auch solche Situationen. Ich

8 Grußwortxxxxx

hoffe sehr und bin mir aber doch sicher, zu den Zuweisung von Wohnheimplätzen, Kostenüber- Feierlichkeiten zum 50-jährigen Bestehen des nahmeerklärungen etc. wird entbürokratisiert. LWV werden überwiegend viele positive Stim- Neben diesem humanisierenden Effekt streben men laut – und dies nicht allein aus Höflichkeit, wir den Umbau zum Wohnen im Verbund auch sondern aus Überzeugung von der Nachhaltig- deshalb an, weil er einen spürbaren Beitrag zur keit des gemeinsam Geschaffenen. Kostenbegrenzung zu leisten vermag.

Der LWV und alle in ihm tätigen Menschen haben Auch die Verwaltungsreform beim LWV, die so in den vergangenen Jahren immer wieder unter viel Innovatives brachte und soviel Bereitschaft Beweis gestellt, dass sie die Herausforderungen zur Veränderung voraussetzt, ist nicht aus dem der Zeit erkannt und sich ihnen gestellt haben. Nichts entstanden, sondern hat ihre Wurzeln im Gemeinsam haben wir einen Reformprozess be- Gründungsgeist des LWV und einer nunmehr gonnen und bereits mit spürbaren Wirkungen fünfzigjährigen engagierten Arbeit vieler Men- vorangetrieben, der in der ereignisreichen LWV- schen. Wer den LWV heute verstehen und weiter Geschichte von herausragender Bedeutung und entwickeln will, muss seine Geschichte kennen. Qualität ist. Die Behindertenhilfe bedarfsgerecht Dazu legen wir Ihnen im Jubiläumsjahr diese klei- und personenzentriert zu gestalten, das sozial- ne Handreichung vor. Diese Publikation ist keine psychiatrische Versorgungsangebot in den hes- klassische Festschrift. Sie ist eher eine kleine sischen Regionen zu optimieren und gleichzeitig illustrierte Chronologie des LWV. Auf eine auf- die Organisation LWV zu modernisieren, das wa- wändigere Ausstellung haben wir verzichtet. Die ren und sind die Hauptaufgaben, denen wir uns Publikation soll Ihnen zeigen, dass das Leitbild, gestellt haben und die auch in den kommenden das sich der LWV vor einigen Jahren gegeben hat, Jahren unsere ganze Kraft erfordern werden. bei Lichte besehen schon bei der Gründung des Verbandes galt und nichts von seiner Bedeutung Das neue Selbstverständnis des modernisierten verloren hat: Menschen, die krank, behindert LWV kommt einem Paradigmenwechsel nahe: Im und sozial benachteiligt sind, möchte der LWV Mittelpunkt des personenzentrierten Hilfeange- fördern und unterstützen. Sie sollen die gleichen botes steht nun der behinderte Mensch, wäh- Möglichkeiten zu einer gesellschaftlichen Teilha- rend früher der Blick stärker auf die Schaffung be erhalten wie Menschen ohne Behinderung. und den Betrieb von Einrichtungen gerichtet war. Die Einrichtungen wachsen jetzt in die Rolle eines Partners im Dreiecksverhältnis Leistungs- empfänger – Leistungserbringer – Kostenträger. Die Zukunft des Betreuten Wohnens macht diese Entwicklung deutlich: Ein vernetztes „Wohnen im Verbund“ ermöglicht eine passgenaue Wohn- form für behinderte Menschen und erleichtert deren Wahlfreiheit. Das gesamte Verfahren mit Lutz Bauer

 „Den Hilfsbedürftigen das größte Maß an Hilfe“ Zu Gründung und Geschichte des Landeswohlfahrtsverbandes Hessen

Christina Vanja

Am Vormittag des 8. Septembers 1953 trat im arbeit in dem neuen Landeswohlfahrtsverband Fuldaer Kreishaus zum ersten Mal die Verbands- bereitgefunden haben, und ich darf meiner Hoff- versammlung des mit Gesetz vom 7. Mai dessel- nung Ausdruck geben, dass diese Zurückstel- ben Jahres neu gegründeten Landeswohlfahrts- lung persönlicher Ansichten und Meinungen vor verbandes Hessen zusammen. Alle 45 gewählten der großen Aufgabe dieses Verbandes, nämlich Abgeordneten der Landkreise und kreisfreien den Hilfsbedürftigen das grösste Mass an Hilfe Städte, darunter eine Frau, waren versammelt. angedeihen zu lassen, auch oberster Grundsatz Dass die „Geburt“ des neuen Verbandes nicht für Ihre Arbeit in diesem Verbande sein möge.“ gerade komplikationslos verlaufen war, darauf (Tonbandprotokoll, S. 3) verwies der damalige Hessische Innenminister Heinrich Zinnkann bei der Eröffnung der ersten Welche Probleme stellten sich der Verbandsversammlung unmissverständlich: hessischen Verwaltung nach 1945? „Meine sehr geehrten Damen und Herren! Seit der Bildung des Landes Hessen nach dem Zu- Das nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs neu sammenbruch war man sich darüber klar und geschaffene Bundesland Hessen setzte sich aus einig, dass die überkommene Situation der Ver- den Gebieten der ehemaligen preußischen Pro- waltung in der Mittelstufe einer Bereinigung be- vinz Hessen-Nassau und des Landes Hessen (- durfte, dass die Unterschiede in der Verwaltungs- Darmstadt) zusammen, soweit sie im Bereich der organisation und im Verwaltungsrecht zwischen amerikanischen Besatzungszone lagen und in den früher preussischen und den althessischen der Zeit der Militärregierung zu „Groß-Hessen“ Gebietsteilen des Landes beseitigt werden zusammengelegt worden waren. Die Formen mussten. Über den Weg, auf dem dieses Ziel zu staatlicher und kommunaler Administration un- erreichen war, bestanden allerdings Meinungs- terschieden sich in den preußischen und nicht- verschiedenheiten, auf die ich hier – sagen wir preußischen Teilen Hessens jedoch insbeson- mal aus Gründen des guten Geschmacks – nicht dere auf der so genannten Mittelstufe der Ver- eingehen möchte. Ich will auch keine Ressenti- waltung grundlegend. Während im Land Hessen ments auslösen. Dass diese Versammlung trotz- (-Darmstadt) alle überörtlichen Aufgaben staat- dem so, wie Sie hier vor mir sitzen, zustande ge- lich verwaltet wurden, bestanden in den beiden kommen ist, werte ich als einen Ausdruck echter Regierungsbezirken Kassel und Wiesbaden der demokratischer Grundeinstellung aller hier Ver- ehemaligen preußischen Provinz Hessen-Nassau sammelten und der beteiligten politischen Par- zwei so genannte Bezirkskommunalverbände als teien. Ich be-grüsse es ganz besonders, dass Sie Organe der kommunalen Selbstverwaltung. sich über alle historischen Ressentiments und Die Idee der kommunalen Selbstverwaltung, alle Meinungsverschiedenheiten hinweg zur Mit- d. h. der Erfüllung von öffentlichen Gemein-

10 Gründung und Geschichte des Landeswohlfahrtsverband Hessen

schaftsaufgaben unter eigener Verantwortung gemeinsamer Provinzialverband mit einem Pro- der Provinzen, Kreise und Gemeinden, geht auf vinziallandtag übernahm nur wenige Aufgaben. die Reformvorstellungen des Freiherrn Heinrich Die Kommunallandtage wurden direkt gewählt, Friedrich vom Stein (1757-1831) zu Beginn des zunächst nach ständischem Wahlrecht, ab 1920 19. Jahrhunderts zurück. Im Königreich Preu- in allgemeiner, direkter und freier Wahl. In dem , ßen kam es bereits 1808 durch die Stein schen Preußen gegenüber selbstständig gebliebenen Reformen zu einer Selbstverwaltung der Städ- Großherzogtum Hessen wurden 1874 durch ei- te und Gemeinden. Im Großherzogtum Hessen ne Verwaltungsreform ebenfalls kommunale (-Darmstadt) wurde 1821 eine Gemeindeordnung Selbstverwaltungskörperschaften in Form von erlassen, das Kurfürstentum Hessen (-Kassel) Kreisverbänden (Starkenburg, Oberhessen und und das Herzogtum Nassau folgten 1834 und Rheinhessen), mit Provinzialausschuss und Pro- 1854. Diese drei Gemeindeordnungen regelten vinzialdirektor gebildet. Die hessen-darmstäd- allerdings lediglich die Selbstverwaltung der tischen Provinzialverbände waren im Vergleich Städte und Landgemeinden, während sich eine zu den preußischen Bezirksverbänden für eine Selbstverwaltung auf der Ebene der Landkreise wirksame Mittelinstanz jedoch zu klein und hat- erst nach 1860 durchsetzte. Provinzialverbände ten entsprechend wesentlich geringere Kompe- der Stände mit Selbstverwaltungsbefugnissen tenzen. Schon 1937 waren jedoch auch diese im Bereich landschaftlicher Interessen bildeten wenigen Zuständigkeiten auf die staatliche Ver- sich in Preußen bereits in der ersten Hälfte des waltung übertragen worden. 19. Jahrhunderts. Nach der Annexion Kurhes- sens, Nassaus, der Landgrafschaft Homburg (v. Die Bezirkskommunalverbände d. H.) und der Freien Reichsstadt Frankfurt am Main durch Preußen im Jahre 1866 fand diese Den beiden preußischen Bezirkskommunalver- Form überörtlicher Selbstverwaltung auch in der bänden der Provinz Hessen-Nassau wurden seit neu gebildeten preußischen Provinz Hessen- 1866 per Gesetz umfangreiche Aufgabengebiete Nassau Eingang. Wegen der sehr unterschied- übertragen. Sie waren zunächst zuständig für lichen regionalen und landschaftlichen Traditi- die Unterhaltung der Landeskrankenhäuser und onen in Kurhessen und in Nassau entschied sich Landeshospitäler, die Landarmenpflege, die Un- der preußische Landtag für die Bildung zweier terhaltung der Arbeitshäuser für so genannte Bezirksverbände in beiden Regierungsbezirken Landstreicher und die Unterstützung des Baues mit Sitz in Kassel und Wiesbaden und jeweils ei- von Chausseen und Landwegen. Hinzu kamen genen Verwaltungen und Kommunallandtagen, in den folgenden Jahren u. a. die Gründung und welche die Politik bestimmten. Die beiden Be- Übernahme von „Taubstummenanstalten“, die zirksverbände nahmen 1867 ihre Arbeit auf. Ein Verwaltung von Kredit- und Versicherungsan-

11 stalten (z. B. Landeskreditkasse in Kassel, Nas- 1919 (Artikel 127) sowie in der preußischen Ver- sauische Landesbank in Wiesbaden) und die fassung von 1920 (Artikel 70 und 72) explizit ver- Unterbringung „verwahrloster“ Kinder. Auch die ankert und schließlich durch die Einführung des Landesbibliotheken, die Geschichtspflege und direkten Wahlrechts auch für die Kommunalland- der Denkmalschutz unterstanden der Obhut der tage in Preußen noch bekräftigt. Kommunalverbände. Einen negativen Einschnitt stellte dagegen der Neue Versorgungsbereiche kamen im 20. Jahr- Beginn der nationalsozialistischen Diktatur dar. hundert hinzu: die Fürsorge für Kriegs- und Ar- Die Kommunalverbände blieben zwar bestehen, beitsopfer, die so genannte „Krüppelfürsorge“ verloren aber ihre demokratische Verfassung und (Orthopädische Kliniken), die Tuberkulosenhilfe, ihre Funktion als Sachwalter der Kommunen. Die die Behandlung Geschlechtskranker, die Unter- Kommunallandtage und die Landesausschüsse bringung Heimatloser sowie die Kinderheilfür- wurden aufgelöst, ihre Aufgaben dem Oberprä- sorge. Zur Erfüllung ihrer Aufgaben übernahmen sidenten übertragen. Der Landeshauptmann war die beiden Verbände ältere Fürsorgeeinrich- nur noch dessen Stellvertreter in Angelegen- tungen, die sie bald ausbauten und durch Neu- heiten des Kommunalverbandes. Die staatlichen gründungen ergänzten. und kommunalen Verwaltungen selbst blieben Die finanzielle Grundlage der Verbände bildete aber nach wie vor getrennt. Insbesondere die anfangs das Kapitalvermögen des ehemaligen Fürsorgepolitik der Kommunalverbände wurde kurhessischen beziehungsweise nassauischen in hohem Maße durch den Rassismus der Natio- Staatsschatzes. Durch verschiedene Gesetze nalsozialisten bestimmt. Die „Euthanasie“-Ver- wurden zusätzliche zweckgebundene Einkünfte brechen in hessischen Heil- und Pflegeanstal- durch jährliche Zuweisungen des Staates zur ten bildeten den grausamen Höhepunkt dieser Erfüllung erweiterter Aufgaben erschlossen. Als menschenverachtenden Politik. Nach neuesten diese Mittel zur Deckung des Finanzbedarfes Berechnungen wurden im Bereich des heutigen nicht mehr ausreichten, wurden am Ende des 19. Bundeslandes Hessen mehr als 20.000 kran- Jahrhunderts erstmals Bezirksumlagen erhoben, ke und behinderte Menschen ermordet. Noch und zwar in Wiesbaden ab 1894 und in Kassel ab im Jahre 1944 wurde auf dem Hintergrund von 1899. Nach der Inflation der frühen 20er Jahre, Machtkämpfen innerhalb der NSDAP in Hes- die das Kapitalvermögen der Verbände vernich- sen-Nassau eine Neugliederung der Verwaltung tete, musste 1923 die Sicherstellung der Einnah- verfügt, welche die Bildung zweier getrennter men durch ein Finanzausgleichgesetz zwischen Provinzen Kurhessen und Nassau mit entspre- Reich, Land und den Provinzial- beziehungswei- chenden Provinzialverbänden bewirkte. Ange- se Bezirksverbänden geregelt werden. sichts der Dominanz der Kriegsereignisse spielte Die staatliche Neuordnung nach dem Ersten diese Verwaltungsreform jedoch praktisch keine Weltkrieg veränderte die Rolle der Kommunal- Rolle. verbände nicht, vielmehr wurde diese Form der Selbstverwaltung in der Reichsverfassung von Neubeginn nach 1945

12 Gründung und Geschichte des Landeswohlfahrtsverband Hessen

und der kommunalen Spitzenverbände besetzt Das nationalsozialistische Gewaltregime und waren. Sie hatten aber lediglich beratende Funk- der Zweite Weltkrieg hinterließen in Hessen wie tion. in anderen Regionen eine Fülle akuter Probleme, Die Verwaltungen mussten infolge der Entna- welche die Verwaltungen umgehend angehen zifizierung zum Teil neu besetzt werden, und mussten. Die Fürsorgeeinrichtungen waren viel- es galt, die einzelnen im Kriege ausgelagerten fach heruntergekommen, Straßen, Brücken und Verwaltungsabteilungen wieder zusammen- Gebäude sowie Wirtschaftsbetriebe durch den zulegen, die Versorgung in den Einrichtungen Krieg zerstört; Hunger, Wohnungsnot, Krank- sicherzustellen, Unterkünfte für Flüchtlinge heiten, Kriegsverletzungen und Flüchtlingse- und Heimatlose zu schaffen, neue Krankenab- lend bestimmten den Alltag. Während im darm- teilungen einzurichten, erste, dringend notwen- städtischen Regierungsbezirk sich der Staat der dige Baumaßnahmen einzuleiten und Finanz-, überörtlichen Probleme unmittelbar annahm, Versicherungs- und andere Wirtschaftsunter- bedienten sich die Regierungspräsidenten in nehmen in Gang zu bringen beziehungsweise Wiesbaden und Kassel hierfür der Bezirkskom- Kultureinrichtungen wiederzueröffnen. Neue munalverbände, die die amerikanische Militär- Einrichtungen wurden von den beiden Bezirks- regierung ihnen unterstellt hatte. Zur Leitung kommunalverbänden insbesondere in den Be- der Kommunalverwaltungen wurden die Sozial- reichen der Tuberkulosehilfe, der Orthopädie, demokraten Georg Häring (1885-1973) für Kas- der Fürsorgeerziehung und der Behandlung von sel und Otto Witte (1884-1963) für Wiesbaden Geschlechtskrankheiten geschaffen. Gefördert berufen. Beide waren vor 1933 bei den Bezirks- wurde u. a. besonders der Wohnungsbau für kommunalverbänden tätig gewesen, wurden Schwerbeschädigte. Einen Schwerpunkt bildete jedoch nach der Machtergreifung durch die Na- auch die Verbesserung der Fürsorgeleistungen tionalsozialisten politisch verfolgt und von allen für Hilfsbedürftige. öffentlichen Aufgaben ausgeschlossen. Häring war 1945/46 vorübergehend Hessischer Mi- Das Gesetz über die Mittelstufe der Ver- nister für Ernährung und Landwirtschaft, Witte waltung und den Landeswohlfahrtsver- wirkte als Mitglied der Verfassungsberatenden band Hessen Landesversammlung „Groß-Hessens“ und als Präsident des Hessischen Landtages. Mit Wirkung zum 12. Mai 1953 wurden die Be- Die Kommunalverbände blieben bis zu ihrer Auf- zirkskommunalverbände in Hessen nach über lösung im Jahre 1953 staatliche Verwaltungen, 85-jährigem Bestehen aufgelöst. Dieser Ent- die Kommunallandtage wurden nicht wieder ins schluss und die sich anschließende Neurege- Leben gerufen. Um jedoch eine begrenzte Par- lung durch Verteilung der Kompetenzen auf tizipation regionaler Vertreter sicherzustellen, den Staat, die einzelnen Kommunen und den wurden Landeskommunalausschüsse gebildet, neuen Landeswohlfahrtsverband Hessen waren keineswegs unumstritten. Nachdem die erste die mit Repräsentanten der politischen Parteien Phase der hessischen Verwaltungsreform, wel-

13 che die Kreise, kreisfreien Städte und Gemein- auf der Mittelstufe herbeizuführen.“ (Protokoll den betraf, mit breitem Konsens abgeschlossen der Verhandlung, S. 1305) Die Entgegnungen war, führte die Diskussion um die Reform der der Opposition vorwegnehmend, führte Minis- so genannten Mittelstufe der Verwaltung zu Tur- terpräsident Zinn weiter aus: „Die Selbstver- bulenzen, die sich u. a. in fast täglichen Pres- waltung als politisches Prinzip, als besondere severlautbarungen widerspiegelten. Bereits seit Erscheinungsform der demokratischen Verwal- der Gründung des Landes Hessen 1949 wurden tung, hat ihre eigentliche Domäne im örtlichen immer wieder Stimmen für oder gegen die Bei- Bereich, in der Gemeinde und im Kreis [...] Es behaltung auf der Mittelstufe laut. Während vor kann auch nicht anerkannt werden, daß, wie be- allem die Vertreter der Bezirkskommunalver- hauptet wird, der Selbstverwaltung auch heute bände selbst und die Oppositionsparteien im noch eine besondere politische Mission als Ge- Landtag (insbesondere CDU und FDP) sich für genspieler der staatlichen Verwaltung gestellt Selbstverwaltungsorgane in allen hessischen sei [...] Diese Auffassung gehört der Vergangen- Regierungsbezirken stark machten, avisierte die heit an.“ (Ebd., S. 1306) hessische Landesregierung unter Ministerpräsi- Gerade dieser Ansicht waren jedoch die Vertre- dent Georg August Zinn (SPD) schon frühzeitig ter der Opposition nicht. Sie verwiesen vielmehr eine Verstaatlichung überörtlicher Aufgaben. auf die lange demokratische Tradition der Kom- Ausdruck fand diese Sicht der SPD-Landtags- munalverwaltungen und auf ihre engen Bezüge fraktion im ersten Entwurf eines „Gesetzes über zur Bevölkerung und hoben sie als das notwen- die Landschaftsverwaltung“, der von einem in- dige Gegengewicht zur Zentralität der Staatsre- terministeriellen Ausschuss vorbereitet worden gierung hervor. In der sich zuspitzenden Land- war und am 22. Oktober 1952 in die erste Lesung tagsdebatte fasste der FDP-Abgeordnete Ernst ging. Der Gesetzentwurf sah im Wesentlichen Landgrebe zusammen: „[...] und wenn heute, vor, die bisher in den ehemals preußischen Re- das lassen Sie mich als letzten Satz sagen – im gierungsbezirken durch Kommunalverbände Jahre 1952 –, Aufgaben, die der Staat und die getragenen Aufgaben nun bei den neu geschaf- Monarchie vor 85 Jahren an die Selbstverwal- fenen Regierungspräsidenten anzusiedeln, die tung gegeben hat, wieder an die Staatsverwal- durch einen „Landschaftsausschuss“ beraten tung zurückgehen sollen, so muß ich das als werden sollten. Dieser Ausschuss sollte jedoch einen Schildbürgerstreich bezeichnen. Wir nicht durch die kommunalen Vertreter gewählt, sind nicht geneigt, diesen Schildbürgerstreich sondern vom Landtag bestimmt werden. Das mitzumachen.“ (Ebd., S. 1314 f.) Der CDU-Abge- Ziel der Landesregierung war es, wie Innen- ordnete Eduard Trabert aus Kassel sah sich als minister Zinnkann ausführte, „die Doppelglei- Vertreter Nordhessens. Die eigenen Traditionen sigkeit auf der Mittelstufe der Verwaltung zu des ehemaligen Kurhessen würden übergan- beseitigen (d. h. der Regierungspräsidien und gen, Nordhessen werde einmal mehr an die Pe- der Kommunalverbände – C.V.) und im ganzen ripherie gedrängt. In der Tat war der Protest aus Lande ein einheitliches System der Verwaltung Nordhessen gegen die Auflösung des dortigen

14 Gründung und Geschichte des Landeswohlfahrtsverband Hessen

Kommunalverbandes besonders stark. Über 70 tungsreform gefunden. Nach weiteren unerheb- Organisationen, Verbände, Unternehmen und lichen Änderungen wurde dieser Lösungsent- Kammern hatten sich zusammengeschlossen wurf schließlich am 7. Mai 1953 vom Hessischen und eine entsprechende Denkschrift unterzeich- Landtag als Gesetz angenommen. net, in der sie auf die gute Zusammenarbeit mit Wie schon im ersten Entwurf war die Auflösung dem Kommunalverband und dessen durch sei- der Bezirkskommunalverbände vorgesehen, je- ne Selbstständigkeit bedingten wirkungsvollen doch sollten deren Aufgaben nun nur noch zum Handlungsmöglichkeiten hinwiesen. Eine Abord- Teil auf den Staat übergehen. Einen Teil der Auf- nung des „Ausschusses Nordhessen“ unter Lei- gaben erhielten die einzelnen Kommunen. Der tung von Landrat a. D. Heinrich Treibert reichte überwiegende Anteil der sozialen Aufgaben, den Gegenentwurf zur Landtagssitzung ein. insbesondere im Fürsorgebereich, aber sollte Allerdings wurde auch weit über diese Kreise in Zukunft von einem neu zu bildenden Kom- hinaus Kritik an den Vorstellungen der Landes- munalverband, dem Landeswohlfahrtsverband regierung geäußert. In erster Linie engagierten Hessen, erfüllt werden. Der neue, von Kreisen sich die Kommunalverbände unter Häring und und kreisfreien Städten gebildete Verband soll- Witte selbst. Sie wurden unterstützt von den te als eine Körperschaft des öffentlichen Rechts Landräten, Vertretern städtischer Kommunen, insbesondere Landesfürsorgeverband im Sinne dem Hessischen Städtetag, der Gewerkschaft der Verordnung über die Fürsorgepflicht sein. Er ÖTV, von Vereinen und Verbänden jeglicher po- wurde darüber hinaus als Fürsorgeerziehungs- litischer Richtung. Selbst der Bund der Steuer- behörde und Träger der Kosten der Fürsorgeer- zahler setzte sich öffentlich für den Erhalt der ziehung bestimmt und sollte die Aufgaben der Kommunalverbände ein. Hauptfürsorgestelle übernehmen. Die Über- Die Aussichtslosigkeit, Zuspruch zum Gesetz- tragung weiterer Aufgaben auf dem Gebiet der entwurf zu gewinnen, war für die hessische Volkswohlfahrt hielt das Gesetz offen. Landesregierung überdeutlich. Am Ende dieser Als Parlament wurde eine Verbandsversamm- ersten Lesung wurde ein Sonderausschuss mit lung mit 45 Mitgliedern vorgesehen, die von den der Neufassung beauftragt. Der Ausschuss un- Stadtverordneten der kreisfreien Städte und den ter Ministerpräsident a. D. Christian Stock setzte Kreistagsabgeordneten gewählt werden muss- sich aus zehn Vertretern und Vertreterinnen der ten. Als Organe des neuen Verbandes wurden SPD, je zwei Abgeordneten der FDP und der CDU neben der Verbandsversammlung der Verwal- sowie einem Politiker des BHE (Bund der Hei- tungsausschuss sowie der Direktor und sein matvertriebenen und Entrechteten) zusammen. Stellvertreter festgelegt. (Gesetz über die Mit- Knapp ein halbes Jahr später erfolgte am 15. telstufe der Verwaltung und den Landeswohl- April 1953 die 2. Lesung des Gesetzes. Der Son- fahrtsverband Hessen, Paragraphen 3 bis 7) derausschuss hatte inzwischen eine völlig neue, Das neue Gesetz wurde im Hessischen Landtag von der Regierung als „vierte Lösung“ einge- mit einer Mehrheit von 47 (SPD und BHE) ge- brachte Antwort auf das Problem der Verwal- gen 20 (CDU und FDP) Stimmen verabschiedet.

15 Die FDP-Fraktion beantragte anschließend beim Erziehungsfürsorge) mit dem Landesjugend- Staatsgerichtshof den Erlass einer einstweiligen lager Dörnberg, Verfügung, weil das Gesetz gegen die Hessische – die Kultur- und Kreditförderung und die Verfassung (Paragraph 137 über die Selbstver- damit verbundenen Beteiligungen an Ener- waltung) verstoße. Der Antrag blieb jedoch ohne gieversorgungs- und Verkehrsbetrieben so- Erfolg. wie Wohnungsbaugesellschaften in Höhe von Der Fraktionsvorsitzende der SPD, Heinrich 14,2 Millionen DM, Schneider, stellte abschließend zu dieser in – die Landesbibliotheken mit ca. 700.000 der Tat „schwierigen Geburt“ fest, wenn „das Bänden, Gesetz auch nicht die ideale Lösung bringe, so – die Landesämter für Bodenaltertümer und enthalte es doch die beste der vorgeschlagenen Vor- und Frühgeschichte, Lösungen.“ („Volksstimme“, 9. Mai 1953) – die Brandversicherungsanstalten, Versiche- rungs- und Versorgungskassen, Die Übergangszeit – das Landesleihhaus und die Landesleihban- ken in Fulda und Hanau mit ihren Vermögens- Bis der neue Kommunalverband jedoch seine werten von ca. 4 Millionen DM, Arbeit aufnehmen konnte, waren weitere Rege- – die Landeskreditkasse in Kassel und die lungen im Einzelnen und eine entsprechende Nassauische Sparkasse in Wiesbaden. organisatorische Vorbereitung notwendig. Di- ese Überleitungsaufgaben wurden vom dama- Dagegen übernahm der neue Landeswohlfahrts- ligen Hessischen Minister des Innern, Heinrich verband vom Staat die Fürsorgeeinrichtungen Zinnkann, geleitet. Er beauftragte den Kasseler im Regierungsbezirk Darmstadt, nämlich: Landeshauptmann Georg Häring mit der Wahr- – die Heil- und Pflegeanstalten Philippshospi- nehmung der Geschäfte des Verwaltungsaus- tal, Heppenheim und Gießen, schusses und des Landesdirektors. Häring re- – die Schulen für Blinde und „Taubstumme“ in gelte zugleich die Abwicklung des Bezirkskom- Friedberg, munalverbandes Kassel. Entsprechendes leiste- – die ehemaligen „Provinzial-Siechenhäuser“ te in Wiesbaden Landesrat Franz Fuchs. in Darmstadt-Eberstadt und Gießen. An das Land Hessen wurden insbesondere fol- gende Aufgaben der Bezirkskommunalverbände Die Schulden der Bezirkskommunalverbände wur- übergeben: den auf das Land Hessen (9,5 Millionen DM) und den Landeswohlfahrtsverband Hessen (4,3 Millio- – die Unterhaltung und Verwaltung der Land- nen DM) aufgeteilt. Von den 4.620 aktiven Bediens- straßen erster Ordnung mit der gesamten teten und 1.546 Versorgungsempfängern und Straßenbauverwaltung, -empfängerinnen der Bezirksverbände wurden – die Aufgaben des Landesjugendamtes (mit – 1.665 Bedienstete und 932 Versorgungs- Ausnahme der Fürsorgeerziehung und der empfänger und -empfängerinnen vom Land

16 Gründung und Geschichte des Landeswohlfahrtsverband Hessen

Hessen sowie noch nicht fest. Infolgedessen verteilte sich die – 2.955 Bedienstete und 614 Versorgungs- Übergangsverwaltung unter Landeshauptmann empfänger und -empfängerinnen vom LWV Häring auf Kassel, Darmstadt und Wiesbaden Hessen übernommen. und wurde dort durch Mitarbeiter und Mitarbei- Schon in der letzten Phase der Gesetzesdiskus- terinnen in leitender Stellung unterstützt. sion hatte die hessische Regierung, entspre- chenden Plädoyers der Kommunalverbände Die Arbeit des LWV Hessen beginnt folgend, versprochen, dass keine Entlassungen vorgenommen würden. Allerdings wurde ein Während die erste Verbandsversammlung des Stellenabbau angestrebt. LWV am 8. September 1953 in Fulda die Wahl- Aus den staatlichen Dienststellen und Einrich- en zum Präsidium und für die einzelnen Aus- tungen des Regierungsbezirkes Darmstadt schüsse vornahm, bestimmte die zweite Plenar- gingen 981 Bedienstete und 172 Versorgungs- sitzung im Frankfurter Römer am 23. Oktober empfänger und -empfängerinnen auf den Lan- 1953 Kassel zum Sitz des neuen Verbandes und deswohlfahrtsverband über. wählte den Direktor, seinen Stellvertreter sowie Insgesamt übernahm der neue Verband vom die ehrenamtlichen Mitglieder des Verwaltungs- Land Hessen und den ehemaligen Bezirkskom- ausschusses. munalverbänden über 40 Einrichtungen und Ab- teilungen mit 12.000 Betten, nämlich Kassel als Sitz der Hauptverwaltung des LWV – 9 Heil- und Pflegeanstalten, war bereits seit langem im Gespräch. Mitbewer- – 9 Jugend- und Aufnahmeheime, berinnen waren die Städte Darmstadt, Frankfurt – 8 Heilstätten, am Main und Wiesbaden. Die Stadt Kassel veröf- – 4 „Taubstummenanstalten“ und fentlichte eigens eine Denkschrift, in der sie die Blindenschulen, Vorzüge der Stadt für den neuen Verband heraus- – 3 Kinderkurheime, stellte. Zwei Gesichtspunkte dürften schließlich – 3 Orthopädische Kliniken, den Ausschlag für die einstimmige Entscheidung – 9 Altersheime, (bei vier Enthaltungen) gegeben haben: Das – 2 Forste (Haina-Ost und Haina-West), die zum Ständehaus in Kassel, das im Zweiten Weltkrieg Stiftungsvermögen der alten landgräflichen kaum zerstört worden war, bot der Hauptverwal- Hohen Hospitäler von 1533 gehört hatten. tung sowie den Plenar- und Ausschusssitzungen Hinzu kam die Versorgung von rund 900.000 des neuen Verbandes ausreichenden Raum. Fürsorgeempfängern und -empfängerinnen. Zu Und: Der Regierungsbezirk Kassel wurde als den Einrichtungen gehörte ein Areal an land- „Notstandsgebiet“ gesehen, das es strukturpo- wirtschaftlicher Nutzfläche von 1.500 ha und an litisch zu unterstützen galt. Darüber hinaus kam Wald von 7.000 ha. die Entscheidung den in Nordhessen deutlich Der Sitz der Hauptverwaltung des LWV Hessen artikulierten Wünschen angesichts der bereits stand bei der Verabschiedung des Gesetzes schwer zu akzeptierenden Regierungsverlage-

17 rung nach Südhessen entgegen. der LWV Hessen vor allem damit befasst, die In Darmstadt und Wiesbaden wurden Zweigver- Versorgung hilfsbedürftiger kranker oder behin- waltungen des Verbandes eingerichtet, deren derter Menschen in ganz Hessen auf ein gleich- Schwerpunkte vor allem in der Fallbearbeitung mäßiges und der Zeit entsprechendes soziales des Landesfürsorgeverbandes, der Fürsorgeer- Niveau zu heben. Eine wichtige Basis hierzu ziehungsbehörde und der Hauptfürsorgestelle bildete der neue einheitliche Landesfürsorge- für den jeweiligen Regierungsbezirk lagen. verband, das spätere Landessozialamt, der sei- Zum ersten Direktor des LWV wählten die Ab- ne Wurzeln in dem 1871 gesetzlich verankerten geordneten Hermann Schaub (SPD), zu seinem Landarmenverband hatte. Der Landesfürsorge- Stellvertreter Dr. Friedrich Stöffler (CDU). Beide verband sorgte nicht nur dafür, dass Menschen Politiker waren bereits in der Zeit der Weimarer in ganz Hessen unabhängig von der Finanzkraft Republik mit der Arbeit der Kommunalverbän- der jeweiligen Region gleiche Hilfen erhielten, de bestens vertraut, hatten jedoch durch den sondern konnte auch Leistungsschwerpunkte Nationalsozialismus alle ihre Ämter verloren. setzen und einen Belegungsausgleich zwischen Nach 1945 beteiligten sich beide an der Wie- Krankenhäusern und Heimen herbeiführen. dereinrichtung des Bezirkskommunalverbandes Schließlich brachten das neue Bundessozial- Wiesbaden, Schaub (1900-1961) als Mitglied des hilfegesetz (BSHG) von 1961 und das entspre- Landeskommunalausschusses Wiesbaden und chende Hessische Ausführungsgesetz mit ihrer Dr. Stöffler (1894-1982) als Leiter der Anstalts- zeitnahen Fortentwicklung des Fürsorgerechts verwaltung. dem LWV neue und erweiterte Pflichtaufgaben, Mit den genannten Entscheidungen war der insbesondere bei der Krankenhausunterbrin- neue Landeswohlfahrtsverband Hessen arbeits- gung von psychisch Kranken und Suchtkranken fähig. Eine rege Aufbauarbeit begann. Als Bilanz sowie für Körperbehinderte. Nach Inkrafttreten der ersten Jahre konnte der Hessische Minis- des BSHG wurde der Landesfürsorgeverband terpräsident 1956 feststellen: „Der Landeswohl- 1962 durch das Landessozialamt als Dezernat fahrtsverband Hessen, von der Regierung als der Verwaltung des LWV abgelöst. Maßnahme der Verwaltungsreform vorgeschla- gen und vom Landtag beschlossen, besteht nun Einen zweiten Leistungsschwerpunkt des neuen drei Jahre. Das ist kein langer Zeitraum. Trotz- Verbandes bildete, wenige Jahre nach dem Ende dem läßt sich heute schon sagen, daß der Lan- des Krieges, die Kriegsopfer- und Hinterbliebe- deswohlfahrtsverband in vorbildlicher Weise die nenfürsorge, für welche die Hauptfürsorgestelle ihm gestellten Aufgaben erfüllt.“ (Grußwort in zuständig war. Die besondere Versorgung von „3 Jahre Landeswohlfahrtsverband Hessen.“ Ein Kriegsbeschädigten und Kriegshinterbliebenen Leistungsbericht. 1956) war bereits nach dem Ersten Weltkrieg im Rah- Aufbauarbeit – Die 50er und 60er Jahre men einer Reichsverordnung geregelt worden. Ihre Ergänzung fanden diese Bestimmungen In den ersten Jahren nach seiner Gründung war 1923 durch das Gesetz über die Beschäftigung

18 Gründung und Geschichte des Landeswohlfahrtsverband Hessen

Schwerbeschädigter und 1934 durch die Über- es, den Schwerbeschädigten die Fähigkeit zu tragung der Zuständigkeit für Kriegsblinde und vermitteln, durch einen geeigneten Arbeitsplatz hirnverletzte Kriegsbeschädigte. Durch den wieder am Erwerbsleben teilnehmen zu können. Zweiten Weltkrieg stieg die Zahl der Hilfsbe- Maßnahmen der Ausbildung, Fortbildung oder dürftigen allgemein rasant an und verlangte Umschulung wurden zu diesem Zweck in Koope- erneut spezifische Hilfsangebote. Ihre Grundla- ration mit den örtlichen Fürsorgestellen und der ge bildete das neue Kriegsbeschädigtengesetz Arbeitsverwaltung in die Wege geleitet. Bis 1963 von 1947, das auch Basis für den LWV wurde. hatte der LWV entsprechende Berufsfördermaß- Unter anderem führte die Hauptfürsorgestelle nahmen bereits mit einem finanziellen Aufwand die Erholungsfürsorge für Kriegsbeschädigte von 7,2 Millionen DM unterstützt. und Hinterbliebene nach Vorschlag der Gesund- heitsämter zusammen mit der Fürsorgestelle für Auch die Erziehungshilfe, die der LWV leiste- Kriegsopfer durch. Eine große Zahl von Heimen te, war in den ersten Jahren in hohem Maße und Pensionen in landschaftlich reizvollen Ge- noch durch die Auswirkungen des Zweiten Welt- bieten Hessens, in den bayerischen Alpen sowie krieges geprägt, da es zahlreiche heimatlose im Schwarzwald wurden zu diesem Zweck in An- Kinder und Jugendliche (im Jahre 1961 waren spruch genommen. In den ersten zehn Jahren dies in Hessen immer noch rund 3.000) zu be- des Bestehens des LWV wurden 92.000 Kuren treuen galt. Zuständig war zunächst eine dem mit einem finanziellen Aufwand von 15,5 Millio- Verband eingegliederte Fürsorgeerziehungs- nen DM realisiert. Ebenso wichtig war die Förde- behörde. Sie wurde 1961 aufgrund des neuen rung des Wohnungsbaues für Kriegsopfer durch Jugendwohlfahrtsgesetzes umgestaltet. An ihre den LWV Hessen. Das Bundesversorgungsge- Stelle trat das Dezernat „Erziehungshilfe“. Die setz von 1969 machte die Wohnungsfürsorge für beiden wesentlichen Formen der öffentlichen Beschädigte und Hinterbliebene schließlich so- Erziehung, die das Dezernat bis 1993 als Trä- gar zur Pflichtaufgabe. Die Realisierung vollzog ger bzw. Mitträger in Verbindung mit Stadt- und sich vor allem über die Vergabe von Darlehen, Kreisjugendämtern ausführte, waren Fürsorge- mit denen Einzelbaumaßnahmen, zentrale Woh- erziehung (FE) und Freiwillige Erziehungshilfe nungsbauprogramme und Bundesumsiedlungs- (FEH). Infolge des Jugendwohlfahrtsgesetzes programme finanziert wurden. Bis 1963 wurden von 1961 trat soweit wie möglich die Freiwilli- vom LWV rund 29 Millionen DM in diese Bereiche ge Erziehungshilfe (mit Zustimmung der Eltern) investiert. Doch ging es dem jungen Verband an die Stelle der im staatlichen Auftrag ange- nicht allein um Gesundheits- und Lebenshilfen ordneten Fürsorgeerziehung. Trotz des großen für die Kriegsbeschädigten, sondern auch um Engagements des LWV übertrug das Land Hes- die Integration behinderter Menschen in das sen 1993 die Zuständigkeit für die Kinder- und Arbeitsleben. Die Arbeits- und Berufsfürsorge Jugendhilfe auf das staatliche Landesjugendamt gehörte daher von Anfang an zu den wichtigs- und auf Jugendämter der Städte und Kreise, es ten Hilfen der Hauptfürsorgestelle. Ihr Ziel war blieb dem LWV jedoch die Trägerschaft der Ju-

19 gendheime und Erziehungsstellen. Über 40 soziale Einrichtungen Als der Landeswohlfahrtsverband bei seiner übernahm der LWV bei seiner Gründung 1953. Die Gründung eine Vielzahl sozialer Einrichtungen ältesten gingen bereits auf die Reformationszeit (u. a. Jugendheime, Landesheilanstalten, Schu- zurück. Die meisten Einrichtungen wurden im 19. len und Kliniken – siehe Kasten) von seinen und frühen 20. Jahrhundert geschaffen. Zu den Ein- drei Rechtsvorgängern übernahm, waren diese richtungen zählten u. a.: besonders durch die in der NS-Zeit gewollte • Die Jugendheime Karlshof in Wabern (1886 ge- Vernachlässigung von Fürsorgeaufgaben sowie gründet als „Königliche Erziehungsanstalt für durch die Not der Nachkriegszeit nicht zuletzt männliche Zöglinge“), Steinmühle bei Obererlen- baulich in einem äußerst schlechten Zustand. bach (1926 als Heim für gefährdete Mädchen des In der Folgezeit wurden die Gebäude instand Volksstaats Hessen eröffnet), Homberg/Efze für so gesetzt, Krankenstationen modernisiert, die genannte erziehungsschwierige Kinder (1937 ein- Einrichtungen durch moderne Möbel wohnlicher gerichtet), „Haus Lahneck“ in Buchenau (1926/27 gestaltet und die technischen Anlagen erneuert als Erziehungsheim für schulentlassene Mädchen und verbessert. Allein der Nachholbedarf im Be- entstanden) sowie das geschlossene Mädchenju- reich der psychiatrischen Einrichtungen wurde gendheim Fuldatal in Guxhagen (1949 in den Ge- mit Kosten von ca. 11 Millionen DM festgestellt. bäuden der geschlossenen Korrektions- und Lan- Hier war der LWV in besonderer Weise auch darmenanstalt Breitenau untergebracht, 1972 ge- bestrebt, die „Irrenanstalten“ alter Prägung in schlossen). Neu eröffnet wurde vom LWV 1962 das moderne Krankenhäuser für psychisch kranke Jugendheim Staffelberg in Biedenkopf für Jungen Menschen umzuwandeln und das Vertrauen der zwischen 14 und 21 Jahren. Vielfältige Aufgaben, u. Öffentlichkeit, das nicht zuletzt durch Kranken- a. für geistig behinderte Kinder, hatte die „Heiler- tötungen und Zwangssterilisationen in der Zeit ziehungsanstalt“ Kalmenhof in Idstein, die 1888 in des Nationalsozialismus gelitten hatte, zurück- privater Trägerschaft gegründet wor-den war. zugewinnen. Zudem nahm gerade im Bereich der • Die „Landesheilanstalten“ Haina und Merxhau- Psychiatrie der Bedarf an Krankenhausbetten sen sowie Philippshospital bei Goddelau (1533 seit den 1950er Jahren erheblich zu. beziehungsweise 1535 als Hohe Hospitäler von Als wichtige Neubauten dieser Jahre sind un- den hessischen Landgrafen gestiftet), Eichberg bei ter anderem zu nennen: die „Sonderschule für Eltville (1849, Herzogtum Nassau), Heppenheim Taubstumme“ in Friedberg 1956/57, die Tuber- (1866, Großherzogtum Hessen), Marburg (1876, kuloseheilstätte Schotten 1960, das Jugend- Bezirksverband Kassel), Hadamar (1906, Bezirks- heim Staffelberg 1962 und die Orthopädische verband Wiesbaden, bis dahin Landarmen- und Klinik Kassel-Wilhelmshöhe 1965. Korrektionsanstalt), Herborn (1911, Bezirksverband Pädagogische und psychiatrische Re- Wiesbaden) und Gießen (1911, Großherzogtum formen – die 1970er und 1980er Jahre Hessen). Die psychiatrischen Einrichtungen wur- den auf dem Hintergrund zunehmender Medikali-

20 Gründung und Geschichte des Landeswohlfahrtsverband Hessen

sierung (Einführung von Psychopharmaka) und der • Die Heilstätten der Tuberkulosenhilfe Heilstätte angestrebten Angleichung an die Ausstattung von am Meißner in Hessisch Lichtenau (1948 eröffnet, Allgemeinkrankenhäusern im Jahre 1957 in Psych- 1965 aufgelöst und später in das Psychiatrisches iatrische Krankenhäuser umbenannt. Als weitere Krankenhaus am Meißner – siehe oben – umgewan- große psychiatrische Einrichtungen kamen später delt), Heilstätte Falkenstein im Taunus (1892 als diejenigen in Weilmünster (1963) und am Meißner erste Volksheilstätte Deutschlands eröffnet, 1963 in Hessisch Lichtenau (1983) – siehe unten – und in eine Spezialklinik für cerebralgeschädigte Kin- das Waldkrankenhaus Köppern (1967/68, zuvor der und Multiple-Sklerose-Kranke umgewandelt, Krankenhaus der Stadt Frankfurt am Main) hinzu. diese wiederum 1996 nach Weilmünster verlegt), • Die Orthopädischen Kliniken Herborn (1951 als Kindersanatorium Weilmünster (1946/47 eröffnet, Nachfolgeeinrichtung der chirurgischen Abteilung 1963 zugunsten des Psychiatrischen Kranken- in der Landesheilanstalt Herborn eingerichtet und hauses Weilmünster aufgelöst), Kinderheilstätte 1976 wieder geschlossen), Kassel (seit 1950 in den Mammolshöhe (erbaut 1926/27, 1978 aufgelöst) Kasseler Wittich-Kasernen und ab 1965 in der vom und die Heilstätte am Knüll in Schwarzenborn (die- LWV erbauten neuen Klinik in Kassel-Wilhelms- se wurde 1960 durch die Heilstätte Schotten abge- höhe untergebracht) und Wiesbaden (entstanden löst, welche der LWV bereits 1968 an den Landkreis 1910 als Einrichtung des Vereins für Nassauische Büdingen zur Einrichtung eines Allgemeinkranken- Krüppelfürsorge e. V., in den Nachkriegsjahren hauses übergab). nach Hochheim/Main ausgelagert und seit 1955 in • Heime zur Kurheilfürsorge für Kinder in Weil- einem Klinikneubau des LWV erneut in Wiesbaden, münster (1897 vom Bezirksverband Wiesbaden 2001 geschlossen). gegründet als „Irrenanstalt“, von 1946-1963 Kin- • Die Sonderschulen für Gehörlose und Blinde in dersanatorium: Erholungseinrichtung und zugleich Friedberg (als Einrichtungen des Großherzogtums Tuberkuloseheilstätte für Kinder – siehe oben, ab Hessen 1837 beziehungsweise 1850 gegründet), 1963 wieder Psychiatrisches Krankenhaus, seit für Gehörlose in Homberg/Efze (als Familienpen- 1998 Klinikum), Kinderkurheim Reinhardshausen sionat 1838 eröffnet, ab 1870 in der Trägerschaft bei Bad Wildungen für nieren- und blasenkranke des Bezirkskommunalverbandes Kassel) und Kinder (1925 vom Fürstentum Waldeck gegründet, ebenfalls für Hörgeschädigte in Camberg (1810 als 1976 aufgelöst), Kindersolbad Karlshafen zur Kin- Privatschule entstanden, seit 1820 staatlich, dann dererholungsfürsorge (1926 vom Bezirkskommu- vom Bezirkskommunalverband Wiesbaden unter- nalverband Kassel zusammen mit den Landkreisen halten). Neu eingerichtet wurden vom LWV 1962 Hofgeismar und Kassel eingerichtet, 1978 aufge- die Klinik Schloss Dehrn bei Limburg zur Heilbe- löst). handlung von sprachgestörten Kindern (in dem bis- • das Altersheim Schloss Dehrn bei Limburg (1949 herigen Altersheim – siehe unten, aufgelöst 1983) eingerichtet, 1962 aufgelöst). und 1974 die Schule am Sommerhoffpark in Frank- furt am Main für hörbehinderte Kinder.

21 Die Aufbruchsbewegung seit 1968 setzte auch Angebot. beim LWV entscheidende konzeptionelle Neu- orientierungen in Gang. Insgesamt wurden die Neben der Heimerziehung von Kindern und Ju- institutionellen Formen von Versorgung, Erzie- gendlichen bildete der gesellschaftliche Umgang hung und Therapie in Frage gestellt und in allen mit psychisch kranken Menschen das zentrale Bereichen eine Deinstitutionalisierung bezie- sozialpolitische Thema, das seit den 1960er Jah- hungsweise Enthospitalisierung eingeleitet. ren in ganz Westeuropa sowie in den USA disku- 1970 beschloss der LWV Sofortmaßnahmen tiert wurde. In der damaligen Bundesrepublik zur Behebung von Missständen in den pädago- Deutschland wurden die Reformvorschläge 1975 gischen Einrichtungen, nachdem diese in den in der so genannten Psychiatrieenquete zusam- Medien (so genannte „Heimkampagne“) heftig mengefasst, einer Studie, an deren Zustande- angeprangert worden waren. Fortan wurden kommen unter anderem der Abgeordnete der demokratische Leitungsstrukturen gefördert, LWV-Verbandsversammlung Walter Picard (CDU) die Geschlechtertrennung zwischen den Heimen maßgeblichen Anteil hatte. In Hessen war der abgeschafft und die Gruppenstärke reduziert, LWV bereits im Jahre 1969 durch Grundsatzbe- neue Lebensformen für Jugendliche zum Beispiel schlüsse der Verbandsversammlung zu „Maß- durch Einrichtung von Wohngruppen geschaf- nahmen zur Verbesserung der Lage der geistig fen und zeitgemäße Berufsfördermaßnahmen und seelisch Behinderten und Suchtkranken in rea-lisiert. Für die qualifiziertere Betreuung der Hessen“ aktiv geworden. Diese verschiedenen Kinder und Jugendlichen wurden Sozialarbei- Reformimpulse führten in den folgenden Jahren ter und Sozialarbeiterinnen, Pädagogen und zur Verbesserung der psychiatrischen Versor- Pädagoginnen sowie Psychologen und Psycho- gung insgesamt, zur Differenzierung psychia- loginnen eingestellt. Während die meisten trischer, darunter auch ambulanter Angebote, Heime derartig reformiert weiter bestehen zum Ausbau therapeutischer Programme, zur konnten, wurde das einzige geschlossene Professionalisierung des Personals, zur Ver- Jugendheim in Hessen, nämlich das Mädchen- kürzung der Aufenthaltsdauer der Kranken in jugendheim Fuldatal bei Guxhagen, 1972 ge- Einrichtungen und damit zu einem allgemeinen schlossen. Ein ab 1972 umgesetztes Erzie- Bettenabbau. Eigene Kliniken für Kinder- und hungsmodell setzte auf die Erziehung einiger Jugendpsychiatrie entstanden in Idstein (1969), der insgesamt 2.300 „schwererziehbaren“ Kin- Eltville und Marburg (1974), Herborn und God- der in Hessen bei Gasteltern. Außerdem delau (1975). Als erste psychiatrische Außens- wurden die Sonderschulen des Verbandes telle wurde 1976 der „Bamberger Hof“ des Wald- seit 1970 durch einen Schulentwicklungsplan krankenhauses Köppern in Frankfurt am Main gefördert. eröffnet, die 1981 zum Vorreiter bei den danach Das Modell „Pflegefamilie“ wurde schließlich flächendeckend gegründeten Tageskliniken seit 1976 gleichfalls für behinderte Kinder in wurde. 1977 erfolgte die Einrichtung einer eige- Hessen etabliert – ein bundesweit einmaliges nen „Klinik für gerichtliche Psychiatrie“ in Haina

22 Gründung und Geschichte des Landeswohlfahrtsverband Hessen

(Kloster). Bedeutende Einschnitte im Bereich leitet, um diese zu modernen Leistungsträgern und der Psychiatrischen Krankenhäuser bedeuteten flexiblen Servicestellen weiterzuentwickeln. Eine die 1986 beschlossene Ausgliederung geistig gemeinsame Erklärung zwischen LWV und ÖTV behinderter Menschen und ab 1991 die Enthos- legte 1996 die Grundlagen zur Umsetzung der pitalisierung chronisch psychisch Kranker aus Reformmaßnahmen. 1997 konnte ein gemein- den Psychiatrischen Krankenhäusern. Die ersten sames Leitbild für alle Beschäftigten verabschie- Heilpädagogischen Einrichtungen mit betreuten det werden. Während die bisherigen Quer- Wohngruppen konnten 1989 in Haina, Herborn, schnittsdezernate (Allgemeine, Personal- und Riedstadt und Weilmünster eröffnet werden. Finanzverwaltung) nach und nach in selbststän- dige Servicebereiche umgewandelt wurden, Privatisierungen und Verwaltungsreform erfolgte 1999 die Ablösung der traditionellen, – von den 1990er Jahren ins neue Jahr- hierarchisch strukturierten Dezernate „Landes- tausend sozialamt“ und „Hauptfürsorgestelle“. An ihre Stelle sind seither größtenteils Zielgruppenma- Die 90er Jahre des 20. Jahrhunderts wurden in nagements mit zugeordneten Regionalmanage- zweifacher Hinsicht zum Ausgangspunkt wei- ments getreten. Ein LWV-eigenes Datenverarbei- terer Reformen. Zum einen galt es die LWV-Ein- tungsverfahren „ANLEI“ unterstützt mittlerweile richtungen durch größere Eigenständigkeit wirt- die Antragsbearbeitung und Leistungsberech- schaftlich zu stärken und neue Betriebsformen nung für die Klienten. Seit 2001 schließlich bil- zu ermöglichen. 1993 beschloss daher die Ver- den Teile der Hauptfürsorgestelle entsprechend bandsversammlung Betriebssatzungen für die den Vorgaben des Sozialgesetzbuches IX das als Eigenbetriebe geführten Krankenhäuser. Die „Integrationsamt“, das sich vor allem der be- beiden orthopädischen Kliniken des Verbandes ruflichen Förderung behinderter Menschen an- wurden 1995 in gemeinnützige Gesellschaften nimmt. mit beschränkter Haftung umgewandelt, bei den Dass auch nach 50 Jahren sozialer Arbeit im Psychiatrischen Krankenhäusern in Herborn und Kommunalverband kein Stillstand eintreten Köppern sowie beim Klinikum Weilmünster ge- wird, dafür sorgen immer neue Anforderungen schah dies 1998. Im Jahre 1998 erfolgte auch ei- der sich weiter wandelnden Gesellschaft. So ist ne weitere Optimierung der LWV-Eigenbetriebe auch das Jubiläumsjahr durch neue Aufgaben mit ihrer Umstrukturierung zu Zentren für Sozi- und Anforderungen, zum Beispiel im Bereich der ale Psychiatrie, während sich die Jugendheime Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsmin- in regional sinnvollen Verbünden zu Sozialpäd- derung oder auf dem Gebiet der forensischen agogischen Zentren entwickelten. Psychiatrie, gekennzeichnet. Nicht nur für die Einrichtungen, sondern ebenso für die Verwaltungen des Verbandes in Kassel, Darmstadt und Wiesbaden wurden seit der Mit- te der 90er Jahre grundlegende Reformen einge-

23 24 EREIGNISSE, ENTSCHEIDUNGEN, ENTWICKLUNGEN

50 JAHRE LANDESWOHLFAHRTSVERBAND HESSEN

1953 – 2003

25 1953 LWV Hessen gegründet Der Landeswohlfahrtsverband als neue Körperschaft LWV-Archiv, Fotosammlung LWV-Archiv,

Die konstituierende Sitzung der Verbandsversammlung des Landeswohlfahrtsverbandes am 8. September 1953 im Kreishaus in Fulda; hier Abgeordnete des Gesamtdeutschen Blocks/Bund der Heimatvertriebenen und Entrechteten sowie der SPD�– 2. Reihe, 2. von rechts: Hermann Schaub, neben ihm Dr. Walter Kolb und Edith Hellermann

Am 7. Mai beschließt der hessische Landtag das Auch die innere Verfassung des LWV orientiert Mittelstufengesetz. Die kreisfreien Städte und sich am kommunalen Modell. So basieren die Landkreise des Landes Hessen werden damit zu Regelungen des Mittelstufengesetzes im We- einem „Landeswohlfahrtsverband Hessen“ zu- sentlichen auf der Hessischen Landkreisord- sammengeschlossen. Der kommunal getragene nung. Die Organe des LWV – Verbandsversamm- Verband übernimmt fortan Aufgaben im Für- lung und Verwaltungsausschuss – können mit sorgebereich. Auf ihrer zweiten Sitzung am 23. Kreistag bzw. Kreisausschuss verglichen wer- Oktober in Frankfurt beschließt die damals 45- den. Die Verbandsversammlung ist das oberste köpfige Verbandsversammlung, Kassel und das Beschlussorgan des LWV. Sie kann die Entschei- dortige Ständehaus zum Sitz der LWV-Hauptver- dungsbefugnis in einigen Fällen auf den Verwal- waltung zu machen. tungsausschuss oder eines seiner Mitglieder übertragen.

26 1953

Was sonst geschieht im Jahr 1953:

• Die I. Wahlperiode der Ver- bandsversammlung beginnt (bis 1957) – Sitzverteilung: SPD 21, CDU 11, FDP 10, Gesamtdeutscher Block / Bund der Heimatvertrie- benen und Entrechteten 3. Gesetz- und Verordnungsblatt für das Gesetz- 15/1953 Land und Verordnungsblatt Hessen, Nr.

Auszug aus dem „Gesetz über die Mittelstufe der Verwaltung • Heinrich Kraft (SPD) wird zum und den Landeswohlfahrtsverband Hessen“ vom 7. Mai Präsidenten der Verbandsver- 1953 sammlung gewählt.

• Hermann Schaub (SPD) wird zum Direktor, Dr. Friedrich Stöffler (CDU) zum Stellvertreter gewählt.

• Das Gesetz über die Beschäf- tigung Schwerbeschädigter wird verabschiedet. LWV-Archiv, Fotosammlung LWV-Archiv,

Der hessische Innenminister Heinrich Zinnkann eröffnet die erste Sitzung der LWV-Verbandsversammlung in Fulda

2 1954 Erholungskuren für Kinder beschlossen Freiwillige Leistung des LWV im Rahmen der Kinderheilfürsorge LWV-Archiv, Fotosammlung, Foto 1958 Foto Fotosammlung, LWV-Archiv,

„Frohe Fahrt ins Kurheim“

Die LWV-Verbandsversammlung beschließt die sen und das Kinderkurheim Reinhardshausen Übernahme der Kinderheilfürsorge als freiwilli- (bei Bad Wildungen) für erholungsbedürftige, ge Aufgabe, nachdem sich die Mehrzahl der hes- tuberkulosegefährdete, asthmaleidende, hal- sischen Stadt- und Landkreise für die Bildung tungsgeschwächte, nieren- und blasenleidende einer überörtlichen Ausgleichsstelle ausgespro- sowie bettnässende Kinder mit insgesamt 780 chen hat. Im Rahmen dieses Ausgleichs werden Betten zur Verfügung. Zudem ist der LWV an der Kinder in Kurplätze bewährter Kindersanatori- Kindersolbad GmbH in Karlshafen mit 40% be- en und Kinderheilstätten vermittelt. Mehr als teiligt. 80.000 Kinder nehmen in den 50er und frühen Anfang der 1960er Jahre werden die Kinderkur- 60er Jahren pro Saison an solchen Kuren teil. heime Merxhausen und Weilmünster aufgelöst. In eigener Trägerschaft stehen dem LWV Hessen Als letztes Kurheim gibt der LWV Ende 1976 die für Kuraufenthalte zunächst das Kindersanatori- Einrichtung in Reinhardshausen auf; die Kinder- um Weilmünster, das Kinderkurheim Merxhau- solbad Karlshafen GmbH wird 1978 aufgelöst.

28 1954

Was sonst geschieht im Jahr 1954:

• Die Finanzierung und Durch- führung der Freiwilligen Erzie- hungshilfe gemeinsam mit den Kreis- und Stadtjugendämtern beginnt. LWV-Archiv, Fotosammlung, Foto um 1960 Foto Fotosammlung, LWV-Archiv,

Kinder im Kinderkurheim Reinhardshausen LWV-Archiv, Fotosammlung, Foto um 1949 Foto Fotosammlung, LWV-Archiv,

Das Kindersolbad Karlshafen

2 1955 Steigende Ausgaben für Kriegsopfer Kriegsopferfürsorge als Aufgabengebiet des LWV LWV-Archiv, Fotosammlung, Foto um 1955 Foto Fotosammlung, LWV-Archiv,

LWV-Direktor Hermann Schaub übergibt ein Krankenbett für einen Kriegsbeschädigten

Die Aufwendungen für die Kriegsopferversor- ausgestattete Wohnungen benötigten. Die gung steigen Mitte der 1950er Jahre deutlich Hauptfürsorgestelle förderte allein zwischen an. Opfer des Krieges bzw. deren Hinterbliebene 1953 und 1976 mehr als 19.000 Wohneinheiten. erhalten soziale Leistungen verschiedener Art. Die 1953 beim LWV gebildete Hauptfürsorgestel- Bearbeitende Stelle für diesen Bereich ist beim le stellt einen Zusammenschluss der bis dahin LWV die Hauptfürsorgestelle, die außerdem für bestehenden drei Hauptfürsorgestellen im Land die Förderung der Berufstätigkeit behinderter Hessen (Kassel, Wiesbaden und Darmstadt) Menschen verantwortlich ist. Kriegsopferfürsor- dar. Im Lauf der Jahre verändert sich der Auf- ge bedeutet bis Mitte der 70er Jahre vor allem gabenschwerpunkt der Hauptfürsorgestelle von Wohnungshilfe. Besonders betroffen von der der reinen Kriegsopferversorgung hin zu einem schwierigen Wohnungssituation waren nämlich sozialen Entschädigungsrecht für weitere Per- Menschen, die aus dem Krieg mit schweren Be- sonengruppen wie Wehr- und Zivildienstopfer, hinderung heimgekehrt waren und besonders Impfgeschädigte, Opfer von Gewalttaten u. a.

30 1955

Was sonst geschieht im Jahr 1955:

• Die Tuberkuloseheilstätte Hof- heim wird aufgelöst. LWV-Archiv, Fotosammlung, Foto um 1955 LWV-Archiv,

Kriegsblinder am Arbeitsplatz

12,50 12,4 11,25 11,9 11,5 10,00 8,75 7,50 6,25 6,6 5,00 5,5 3,75 2,50 1,25 0,00 1953 1954 1955 1956 1957 nach: Herbert Die Leimbach, Aufgaben der Hauptfürsorgestelle, Kassel 1957, S. 35

Gesamtleistungen des LWV in der Kriegsopferfürsorge 1953 bis 1957, ohne Verwaltungsausgaben, in Mio. DM

31 1956 LWV-Zweigverwaltung in Darmstadt fertiggestellt Verankerung in den Regionen Hessens LWV-Archiv, Fotosammlung, Plan vor 1956 Plan vor Fotosammlung, LWV-Archiv,

Der Neubau der Zweigverwaltung Darmstadt

Die LWV-Zweigverwaltung Darmstadt wird im Kommunalverbände in den Bezirken Kassel und Laufe des Jahres erbaut und im Dezember be- Wiesbaden und der Fürsorgeverwaltung des Re- zogen. gierungsbezirks Darmstadt hervorgegangen ist. Bereits bei ihrer zweiten Sitzung am 23. Ok- 1961 kann auch die Zweigverwaltung Wiesbaden tober 1953 hat die Verbandsversammlung be- einen Neubau beziehen. schlossen, neben der Kasseler Hauptverwaltung auch je eine Zweigverwaltung in Darmstadt und Im Zuge der Verwaltungsreform werden die bis- in Wiesbaden zu unterhalten. Damit berück- herigen Zweigverwaltungen 1999 in Regional- sichtigt der LWV, dass er aus Teilen der beiden verwaltungen umgewandelt.

32 1956

Was sonst geschieht im Jahr 1956:

• Das Gesetz zum Europäischen Fürsorgeabkommen tritt in Kraft (Grundlage der Fürsorgeleistun- gen an deutsche Staatsbürger im Ausland).

• Die Tuberkuloseheilstätte Bad LWV-Pressestelle, Foto: Rolf Gerner LWV-Pressestelle, Homburg wird geschlossen. Neubau der LWV-Zweigverwaltung Wiesbaden • Das Landeskrankenhaus Hel- marshausen wird vom LWV an die Arbeiterwohlfahrt abgegeben.

• Der Anteil der Kostenübernah- Kassel me der freiwilligen Jugendhilfe wird von 50% auf 75% erhöht.

REG. BEZ KASSEL

REG.-BEZ. DARMSTADT Karte: LWV-Grafik / Hochformat dtp-design Karte: LWV-Grafik

REG.-BEZ. WIESBADEN Wiesbaden

Darmstadt Die drei regionalen Teile des LWV, REG.-BEZ DARMSTADT die allmählich zusammenwachsen

33 1957 „Psychiatrisches Krankenhaus“ statt „Landesheilanstalt“ Abwendung vom überkommenen Modell der „Anstalt“ LWV-Archiv, Fotosammlung LWV-Archiv,

Emailleschild der Landesheilanstalt Herborn vor der Umbenennung 1957

Am 3. Juli beschließt die LWV-Verbandsver- Die „Landesheilanstalten“ oder „Landes-Heil- sammlung, die bisherigen Landesheilanstalten und Pflegeanstalten“ waren besonders in der in „Psychiatrische Krankenhäuser“ umzubenen- Zeit des Nationalsozialismus durch die began- nen; am 3. September werden die neuen Be- genen Verbrechen in Verruf gekommen. Zudem zeichnungen gültig. Mit der neuen Benennung hatten die „Anstalten“ durch eine jahrzehntelan- versucht der Verband, sich vom Negativimage ge Spar- und Überbelegungspolitik auch erheb- der „Anstalt“ abzuwenden und erste reforme- lich an baulicher Substanz eingebüßt. Massen- rische Ansätze im Bereich der Psychiatrie zu do- schlafsäle und eine anonyme und dauerhafte kumentieren. „Verwahrung“ von Patientinnen und Patienten kennzeichnen den Hintergrund, von dem man sich nun bewusst abgrenzen will.

34 1957

Was sonst geschieht im Jahr 1957:

• Die II. Wahlperiode der Ver- bandsversammlung beginnt (bis 1961) – Sitzverteilung: SPD 25, CDU 11, FDP 5, Gesamtdeutsche Partei 4. LWV-Archiv, Fotosammlung, LWV-Archiv, Postkarte ca. 1920er Jahre

Frühere Massenschlafsäle wie hier der Saal der Männer- • Heinrich Kraft (SPD) wird erneut abteilung VI der Landesheilanstalt Marburg zum Präsidenten der Verbands- versammlung gewählt.

• Schule, Internat und Kindergar- AUS ... WURDEN IRREN PSYCHIATRISCHE ten der Johannes-Vatter-Schule ANSTALTEN ... KRANKENHÄUSER (Schule für Hörgeschädigte) in Friedberg beziehen neue Gebäu- de.

• Verabschiedung des Gesetzes über die Versorgung für die ehe- maligen Soldaten der Bundes- Veraltete Wasch- und Baderäume ... wehr und ihre Hinterbliebenen (SVG).

... wurden modernisiert aus: 10 Jahre Sozialarbeit in Hessen, Kassel 1963

Ausschnitt aus der Broschüre zum 10-jährigen Bestehen des LWV

35 1958 Erstes Mitteilungsblatt für Freunde und Mitarbeiter erschienen Presse- und Öffentlichkeitsarbeit des Verbandes LWV-Pressestelle, 1958 LWV-Pressestelle,

Die erste Ausgabe des Mitteilungsblatts für Freunde und Mitarbeiter des LWV

Zum ersten Mal erscheint 1958 ein Periodikum Professioneller wird die Öffentlichkeitsarbeit aus der LWV-Pressestelle: „Der Landeswohl- ab 1974 mit den „LWV-Nachrichten“, die jedoch fahrtsverband – Ein Mitteilungsblatt für Freunde nur anfangs regelmäßig erscheinen. Ein neuer, und Mitarbeiter des LWV Hessen“, das fortan erfolgreicher Anlauf datiert 1989, der Geburts- über die Arbeit des Verbandes informieren soll. stunde des „LWV-Info“ mit fachlichen Beiträgen, Die 1954 eingerichtete Pressestelle hat die Auf- Berichten aus dem LWV-Alltag und als Forum gabe, den jungen Verband und sein Wirken be- für die Mitarbeiter/innen. Im LWV-Jubiläumsjahr kannt zu machen und durch Informationen einen 2003 erscheint das Info im 15. Jahrgang. praktischen Beitrag zur Gleichstellung behinder- Die Verbandszeitschrift stellt lediglich einen Teil ter Menschen in der Gesellschaft zu leisten. der LWV-Presse- und Öffentlichkeitsarbeit dar.

36 1958

Erstes Mitteilungsblatt für Freunde und Mitarbeiter erschienen Presse- und Öffentlichkeitsarbeit des Verbandes Was sonst geschieht im Jahr 1958:

• Erste verwaltungseigene Er- gänzungsausbildungslehrgänge für Mitarbeiter/innen im Erzie- hungsbereich ohne pädago- gische Grundausbildung finden statt.

• Die Heilstätte am Knüll in Schwarzenborn wird zum Trup- penübungsplatz.

• Das Schwesternheim im Psy- LWV-Archiv chiatrischen Krankenhaus Hada- Eine Ausgabe der LWV-Nachrichten, in den mar wird eingeweiht. Jahren 1974-1986 der Vorgänger des heu- tigen LWV-Info • Die Verbandsversammlung beschließt die Errichtung eines Neubaus der Orthopädischen Klinik Kassel. LWV-Pressestelle, Foto 2001: Rolf Gerner LWV-Pressestelle,

Berichterstattung des Fernsehens aus einer Sitzung der Verbandsversammlung

3 1959 Zweiter Landesdirektor Dr. Stöffler in Ruhestand getreten Personelle Wurzeln des LWV in der Verwaltung der Weimarer Zeit LWV-Archiv, Fotosammlung, Foto ca. 1950er Jahre LWV-Archiv,

Dr. Friedrich Stöffler

Dr. Friedrich Stöffler (CDU) tritt als Zweiter Lan- Generell stützen die Bezirkskommunalverbände desdirektor in den Ruhestand. Er war im LWV und der LWV sich zunächst auf leitende Beamte, und dessen Wiesbadener Vorgängerverband ei- die bereits zu Weimarer Zeiten Verantwortung ne prägende Persönlichkeit über die Epochen getragen haben und während der NS-Zeit ent- hinweg. Schon während der Weimarer Zeit war weder aus ihren Ämtern ausscheiden mussten er beim Bezirksverband Wiesbaden in verant- oder nur untergeordnete Tätigkeiten ausüben wortlicher Stellung, verlor aber als Zentrums- durften. Dies traf auch zu auf Otto Witte (SPD), mitglied in der NS-Zeit sein Amt. Nach dem Krieg der den LWV-Vorgängerverband in Wiesbaden kehrte er zurück. Zunächst in Wiesbaden, dann bis 1953 geleitet hat. beim LWV in Kassel, engagierte er sich für die Reform des Anstaltswesens und für die Aufar- beitung der NS-Vergangenheit.

38 1959

Was sonst geschieht im Dr. Friedrich Stöffler Jahr 1959:

1894 am 3. Juni geboren in Wiesbaden • Hermann Schaub (SPD) wird als bis 1919 Studium und Promotion zum Dr. phil. Erster Landesdirektor wiederge- 1919-1921 Deutsch-, Geschichts- und Franzö- wählt. sischlehrer in Wiesbaden • Dr. Karl Korinsky (CDU) wird 1921-1933 Dezernent für Fürsorgeerziehung Min- Zweiter Landesdirektor. derjähriger beim Bezirksverband Wiesbaden (ab 1923 Landeserzie- hungsrat) • Das Tuberkulosehilfegesetz wird verabschiedet. 1924-1933 dort zusätzlich Dezernent für das neu gegründete Landesjugendamt • Der erste Pressespiegel des 1934 entlassen aus politischen Gründen LWV erscheint.

1934-1945 verschiedene Stellen außerhalb des öffentlichen Dienstes

1945-1947 Gymnasiallehrer in Koblenz

1947-1953 Landesrat bei der Kommunalverwal- tung des Reg.-Bez. Wiesbaden und Dezernent für den Landesfürsorgever- band und das Anstaltswesen

1949-1953 dort zusätzlich Dezernent für Fürsor- geerziehung Minderjähriger und das Landesjugendamt ab 1953 Dezernent für Anstaltsverwaltung des LWV Hessen

1953-1959 Stellvertretender Direktor bzw. Zwei- ter Landesdirektor des LWV

1959 Pensionierung und Verleihung des LWV-Archiv, Fotosammlung LWV-Archiv, Großen Bundesverdienstkreuzes Otto Witte (1884-1963), SPD, 1921-1933 1982 am 1. Januar verstorben in Wiesbaden Landesrat und 1946-1953 Landeshaupt- mann des LWV-Vorgängerverbandes in Wiesbaden

3 1960 Tuberkuloseheilstätte Schotten eröffnet Tuberkulosefürsorge als frühe LWV-Aufgabe LWV-Archiv, Fotosammlung, Foto 1960 Foto Fotosammlung, LWV-Archiv,

Hauptgebäude der neu erbauten Tuberkuloseheilstätte Schotten

Die Heilstätte Schotten im damaligen Landkreis zum Lebensunterhalt. Der LWV widmet beson- Büdingen wird ihrer Bestimmung übergeben. Die dere Aufmerksamkeit der Prophylaxe und för- ab 1958 erbaute LWV-Tuberkuloseheilstätte er- dert beispielsweise Impfungen. Ausstellungen setzt eine Behelfslösung am Knüll auf dem ehe- des LWV leisten Aufklärungsarbeit. maligen Truppenübungsplatz Schwarzen-born. Medizinischer Fortschritt und wachsende Le- Seit der Gründung des LWV zählt zu dessen Auf- bensqualität machen die Tuberkulosefürsorge gaben auch die Fürsorge für nicht ausreichend zunehmend überflüssiger. Von 1956 bis 1962 versicherte Tuberkulosekranke. Gerade nach halbiert sich der Anteil der Tuberkulosehilfe an dem Zweiten Weltkrieg war die Tuberkulose zu der vom LWV gezahlten Sozialhilfe von 30% auf einem großen Problem geworden. Die Leistun- rund 15%. 1968 veräußert der LWV die Einrich- gen des LWV umfassen u. a. Heilbehandlung, tung in Schotten an den Kreis Büdingen zur Ein- Hilfen zur Eingliederung in das Berufsleben und richtung eines Allgemeinkrankenhauses.

40 1960

Was sonst geschieht im Jahr 1960:

• Die Errichtung eines Neu- baus für die LWV-Zweigverwaltung Wiesbaden beginnt. aus: Mitteilungsblatt für und Freunde Mitglieder Hessen, des 1/1958, LWV S. 7

Grundsteinlegung für die Heilstätte Schotten im Jahr 1958 durch den hessischen Ministerpräsidenten Dr. h. c. Georg August Zinn (SPD) LWV-Archiv, Fotosammlung LWV-Archiv,

In der Tbc-Ausstellung des LWV 1960 im Rahmen einer Aufklärungswoche des Landesverbandes zur Bekämpfung der Tuberkulose in Frankfurt a. M.

41 1961 Bundessozialhilfegesetz verabschiedet Neue Rechtsvorschrift und Grundlage für das Landessozialamt Blätter für Wohlfahrtspflege, 8/9/1961

Zeitgenössische Veröffentlichung zum neuen Bundessozialhilfegesetz

Am 30. Juni wird das Bundessozialhilfegesetz Der Landesfürsorgeverband seinerseits hat (BSHG) verabschiedet. Es tritt knapp ein Jahr seinen Vorläufer im 1871 eingerichteten Lan- später, am 1. Juni 1962, in Kraft. Es erkennt hil- darmenverband, einer preußischen Institution. febedürftigen Menschen einen Rechtsanspruch Aufgabe war es bereits damals, die Hilfe der Ge- auf Hilfe zu. Für den LWV ergeben sich aus dem sellschaft für die Menschen zu organisieren, die BSHG Pflichtaufgaben u. a. im Bereich der sta- sich in außergewöhnlichen Notlagen befanden tionären Versorgung von Menschen mit psy- und deren Unterstützung nicht der einzelnen chischen Krankheiten, mit Suchterkrankungen Wohnortgemeinde zugemutet werden konnte. oder mit körperlichen oder geistigen Behinde- Das Landessozialamt beim LWV besteht in die- rungen. Im Folgejahr 1962 wird der Landesfür- ser Form bis zum Jahr 1999. Im Zuge der Verwal- sorgeverband, eine Institution aus den 1920er tungsreform werden seine bisherigen Aufgaben Jahren, beim LWV zum Landessozialamt umge- fortan von den neu geschaffenen Zielgruppen- staltet. managements wahrgenommen.

42 1961

Was sonst geschieht im Jahr 1961:

• Die III. Wahlperiode der Ver- bandsversammlung beginnt (bis [Kurvendiagramm erstellen: 1953=6412; 1954=6894; 1955= 7515; 1956=7931; 1957=7898; 1965) – Sitzverteilung: SPD 23, 1958=7622; 1959=7828; 1960=8235; 1961=8607; 1962=9277] CDU 15, FDP 4, Gesamtdeutsche Anzahl psychisch Kranker, die durch den Landesfürsorgeverband bzw. das Landessozialamt des LWV Hessen in einer Einrichtung untergebracht wurden, jeweils am 1. April (nach: 10 Jahre Partei 3. Sozialarbeit in Hessen, Kassel 1963, S. 44)

• Heinrich Kraft (SPD) wird erneut zum Präsidenten der Verbands-

LWV-Pressestelle, Foto: 1974: Rolf Gerner LWV-Pressestelle, versammlung gewählt.

Beschäftigung behinderter Menschen in den Baunataler Werkstätten • Nach dem Tod des Ersten Lan- desdirektors Hermann Schaub (SPD) wird Herbert Leimbach (SPD) zum Ersten Landesdirektor gewählt.

10000 • Der LWV wird zum Träger von 9277 8607 Sonderschulen aufgrund des 8235 7500 7931 7898 7828 7515 7622 Hessischen Schulverwaltungs- 6894 6412 gesetzes. 5000 • Mit der Novellierung des Ju-

2500 gendwohlfahrtsgesetzes wird die Freiwillige Erziehungshilfe

0 gesetzlich verankert. 1953 1954 1955 1956 1957 1958 1959 1960 1961 1962

• Das neue Verwaltungsgebäude nach: 10 Jahre Sozialarbeit in Hessen, Kassel 1963, S. 44 der LWV-Zweigverwaltung Wies- Anzahl psychisch Kranker, die durch den Landesfürsor- baden wird bezogen. geverband bzw. das Landessozialamt des LWV Hessen in einer Einrichtung untergebracht wurden, jeweils am 1. April

43 1962 Schwesternvorschule Heppenheim und Krankenpflegeschule Eichberg eröffnet Maßnahmen gegen den Personalmangel im Pflegebereich aus: 10 Jahre Sozialarbeit in Hessen, Kassel 1963, S. 131

Abbildung von Krankenschwestern in der Festschrift zum 10-jährigen LWV-Jubiläum

In diesem Jahr eröffnet der LWV die Krankenpfle- durch den allgemeinen Arbeitskräftemangel be- geschule des Psychiatrischen Krankenhauses dingt, der in diesen Jahren in der Bundesrepub- Eichberg sowie die erste Schwesternvorschule lik zur Anwerbung der so genannten „Gastarbei- in Heppenheim für Mädchen im Alter von 15-17 ter“ führt. Zum anderen haben die Neuerungen Jahren. Auch andere LWV-Einrichtungen versu- in der Psychiatrie – weg von der „Verwahrung“, chen mit umfassenden Ausbildungsangeboten, hin zur aktiven Behandlung – zu einem höheren dem Personalmangel im Pflegebereich zu be- Personalbedarf geführt. Um künftig auch quali- gegnen. fizierte Pflegekräfte einsetzen zu können, richtet der LWV bis 1965 in allen Psychiatrischen Kran- Im Laufe der vorausgehenden fünf Jahre hatten kenhäusern eine Krankenpflegeschule ein und mehr und mehr Stellen mangels Bewerbungen setzt damit auch die Forderungen des Kranken- unbesetzt bleiben müssen. Zum einen war dies pflegegesetzes von 1965 in die Praxis um.

44 1962

Was sonst geschieht im Jahr 1962:

• Das Hessische Ausführungsge- setz zum Bundessozialhilfege- setz wird verabschiedet und tritt in Kraft.

Grafik (Kurven- oder Säulendiagramm) erstellen. Daten: besetzte Stellen/Planstellen: 1957=1498/1506; • Der LWV übernimmt die Kos- 1958=1532/1624; ten der Freiwilligen Erziehungs- 1959=1520/1655; 1960= 1563/1660; hilfe in voller Höhe. 1961=1546/1692; 1962=1537/1734] • Der so genannte „Halbier- Vorhandene Stellen für Pfleger/innen im Stellenplan des LWV und tatsächlich beseungserlass“tzte aus dem Jahre 1942 Stellen 1957-1962 (nach: 10 Jahre Sozialarbeit in Hessen, Kassel 1963, S. 126) wird aufgehoben, was zu einer

LWV-Archiv, Fotosammlung, Foto um 1965 LWV-Archiv, Verbesserung der Sozialversiche- rungsansprüche von Menschen Krankenpflegeprüfung im Psychiatrischen Krankenhaus Herborn mit psychischen Krankheiten führt.

• Die Heimsonderschule Hom- berg wird ihrer Bestimmung übergeben.

Planstellen besetzte Stellen • Das neue Jugendheim Staffel- 2000 berg in Biedenkopf wird eröff- net. 6 4 5 0 2 4 0 2 5 6 9 3 5 6 6 6 6 7 8 2 0 3 6 7 1 1 1 1 1 1 • Aus dem bisherigen LWV- 9 3 2 6 4 3 4 5 5 5 5 5 1000 1 1 1 1 1 1 Altersheim Schloss Dehrn wird ein Spezialkurheim für Kinder mit Sprach- oder Haltungsschäden.

• Das neue Schulverwaltungsge- 0 1957 1958 1959 1960 1961 1962 setz in Hessen führt zur Übernah- Jahr me der Lehrer/innen für gehörlo- nach: 10 Jahre Sozialarbeit in Hessen, Kassel 1963, S. 126 se oder blinde Menschen in den Vorhandene Stellen für Pfleger/ innen im Stellenplan des Landesdienst. LWV und tatsächlich besetzte Stellen 1957-1962

45 1963 Weilmünster wieder Psychiatrisches Krankenhaus Ausbau der psychiatrischen Versorgung LWV-Pressestelle

Das neu eröffnete Psychiatrische Krankenhaus Weilmünster

Das Kindersanatorium Weilmünster wird 1963 Psychiatrischen Krankenhäusern untergebracht erneut zum Psychiatrischen Krankenhaus, da sind, erkennbar sinken. der Bedarf an psychiatrischer Versorgung wieder Nach dem Krieg war Weilmünster als Landes- steigt. Im Laufe der vergangenen zehn Jahre war heilanstalt weitgehend aufgegeben worden, da die Zahl der Menschen mit psychischen Krank- durch die NS-„Euthanasie“-Verbrechen die Zahl heiten, die in Psychiatrischen Krankenhäusern der psychisch kranken Menschen so stark dezi- des LWV untergebracht waren, deutlich ange- miert gewesen war. In den 1950er Jahre dienten stiegen. Erst in den 1970er Jahren wird im Zuge die Gebäude in Weilmünster als Kindersanatori- der Psychiatriereform und durch den Einsatz von um; bereits in den 1920er Jahren hatte dort ein Psychopharmaka die Zahl der Menschen, die in Kinder- und Volkssanatorium bestanden.

46 1963

Grafik erstellen: Säulendiagramm: 1954= 6.546; Was sonst geschieht im 1959= 7.725; 1964= 8.591; Jahr 1963: 1969= 8.611; 1974= 7.292; 1977= 6.532; • Erstmals wird der Hebesatz für 1983= 5.697; 1988= 5.129 die Verbandsumlage erhöht (von Die Durchschnittsbelegung der Psychiatrischen Krankenhäuser des LWV 1954-19885,7%(nach: auf 7,9%). LWV Verbandsversammlung. Hessisches Sozialparlament 1953 bis heute, Kassel 1990, S. 165)

• Die Tuberkuloseheilstätte Fal- kenstein wird zu einer Spezial- klinik für cerebral geschädigte Kinder, spastisch und quer-

LWV-Archiv, Fotosammlung, Foto um 1960 LWV-Archiv, schnittsgelähmte Erwachsene sowie für Multiple-Sklerose- Spielende Kinder im Kindersanatorium Weilmünster Kranke umgewandelt.

• Für die zentrale Bearbeitung der Blindenhilfe und für die Zah- Durchschnittsbelegung der Psychiatrischen Krankenhäuser lung des Blindengeldes wird das Lochkartenverfahren eingeführt. 9000 8591 8611 7725 7292 6546 6532 6000 5697 5129

3000

0 1954 1959 1964 1969 1974 1977 1983 1988

Jahr nach: LWV-Verbandsversammlung. Hessisches Sozialparlament nach: LWV-Verbandsversammlung. 1953 bis heute, Kassel 1990, S. 165

Die Durchschnittsbelegung der Psychiatrischen Kranken- häuser des LWV 1954-1988

4 1964 Gedenkfriedhof für NS-„Euthanasie“-Opfer in Hadamar eingeweiht Frühes Gedenken der NS-Opfer LWV-Archiv, Fotosammlung LWV-Archiv,

Plan zur Umgestaltung des Friedhofs in Hadamar zu einem Gedenkfriedhof im Jahr 1964

1964 weiht Martin Niemöller, der Kirchenpräsi- Schon früh hat der LWV sich mit diesem dent der Evangelischen Kirche in Hessen und Nas- schweren Erbe konfrontiert gesehen, welches sau, den Gedenkfriedhof beim Psychiatrischen das NS-Regime hinterlassen hatte. Bereits weni- Krankenhaus Hadamar ein. Der Friedhof ist vom ge Monate vor der LWV-Gründung hatte der Vor- LWV umgestaltet worden, um an die annähernd gängerverband, der Bezirkskommunalverband 15.000 kranken und behinderten Menschen zu Wiesbaden, in der Einrichtung in Hadamar eine erinnern, die 1941-1945 allein in der damaligen Gedenktafel angebracht. Dieses Relief ist – so- Landesheilanstalt Hadamar ermordet wurden. weit bekannt – in ganz Deutschland die erste öf- Sie waren dem rassenhygienischen Programm fentliche Mahnstätte, durch die an die Opfer der der so genannten „Vernichtung lebensunwerten NS-„Euthanasie“-Verbrechen erinnert wurde. Lebens“ zum Opfer gefallen.

48 1964

Was sonst geschieht im Jahr 1964:

• Die LWV-Verbandsversamm- lung bildet einen Sonderaus- schuss zur Vorbereitung einer grundlegenden Umstrukturierung der Psychiatrischen Krankenhäu- ser. LWV-Pressestelle, Foto 1985: Rolf Gerner LWV-Pressestelle,

Die 1964 eingeweihte Gedenkstele auf dem Friedhof in Hadamar mit der Aufschrift „Mensch achte den Menschen“ LWV-Archiv, Fotosammlung LWV-Archiv,

Gedächtnistafel für die NS-„Euthanasie“-Opfer, 1953 ange- bracht im Hauptgebäude der Landesheilanstalt Hadamar

4 1965 Neubau der Orthopädischen Klinik Kassel eröffnet Hilfen für Menschen mit orthopädischen Behinderungen Foto: LWV-Archiv, Fotosammlung Foto: LWV-Archiv,

Neubau der Orthopädischen Klinik Kassel-Wilhelmshöhe von 1965

Der Neubau der Orthopädischen Klinik Kassel Auch an anderen Orten hat der LWV Orthopä- des LWV wird 1965 eröffnet. Ab 1950 war die dische Kliniken unterhalten. 1976 muss die Or- Klinik zunächst in den Kasseler Wittich-Kasernen thopädische Klinik Herborn geschlossen wer- untergebracht gewesen. Die dort vorhandenen den, die Räumlichkeiten gehen an das dortige Räumlichkeiten genügten dem Bedarf des nord- Psychiatrische Krankenhaus über. Die Orthopä- hessischen Einzugsgebietes jedoch bald nicht dische Klinik Wiesbaden ist aus einer privaten mehr. Der Neubau in Kassel-Wilhelmshöhe wur- Gründung (1910) des „Vereins für Nassauische de mit einem sechsgeschossigen Bettenflügel Krüppelfürsorge e. V.“ hervorgegangen und für 200 Patientinnen und Patienten, mit einem später auf den LWV-Vorgänger übergegangen. Behandlungstrakt, einem Hallenschwimmbad, 2001 schließt die Wiesbadener Klinik; der Ver- Gymnastikhalle und Wirtschaftsräumen geplant. sorgungsauftrag geht auf das St. Josef-Hospital 1995 wird die Orthopädische Klinik Kassel zur in Wiesbaden über. gemeinnützigen GmbH.

50 1965

Was sonst geschieht im Jahr 1965:

• Die IV. Wahlperiode der Ver- bandsversammlung beginnt (bis 1969) – Sitzverteilung: SPD 26, CDU 15, FDP 3, Gesamtdeutsche Partei 1.

• Heinrich Kraft (SPD) wird erneut Postkarte vor 1951: LWV-Archiv, Fotosammlung Postkarte vor 1951: LWV-Archiv, zum Präsidenten der Verbands- Gebäude der 1951 eröffneten Orthopädischen Klinik versammlung gewählt. Herborn

• Die Einrichtung von Kranken- pflegeschulen an allen Psychia- trischen Krankenhäusern wird beschlossen.

• Die Tuberkuloseheilstätte am Meißner wird aufgelöst. Foto: LWV-Archiv, Fotosammlung Foto: LWV-Archiv,

Übergabe der „Eisernen Lunge“ an die Orthopädische Klinik Wiesbaden, 1958, rechts Zweiter Landesdirektor Dr. Friedrich Stöffler

51 1966 Mitarbeiterfortbildung beginnt Der LWV legt erste Programme zur „Personalentwicklung“ auf LWV-Archiv, Fotosammlung, Foto um 1966 Foto Fotosammlung, LWV-Archiv,

Fortbildungslehrgang in der neu erbauten Orthopädischen Klinik Kassel

Nachdem bereits seit 1962 die Weiterbildung in gierte Belegschaft das „Kapital“ eines Arbeitge- einjährigen Lehrgängen in der Krankenpflege bers darstellt. gefördert worden war, führt der LWV seit 1966 Zunächst finden die Lehrgänge im Gebäude der eigene Fortbildungsprogramme für Mitarbeite- Orthopädischen Klinik Kassel statt. 1975 kann rinnen und Mitarbeiter der Krankenhäuser und dann ein eigenes neues „Ausbildungszentrum Jugendheime durch. Beispielsweise werden Mammolshöhe“ des LWV Hessen in Königstein 14-tägige Lehrgänge für Mitarbeiter/innen im mit 50 Internatsplätzen eröffnet werden. 1999 Pflegebereich angeboten, die über neue Ent- zieht das Zentrum (mittlerweile unter der Be- wicklungen auf den Gebieten der Medizin, Phar- zeichnung „Fortbildungszentrum“) nach Gießen makologie und Pflegetechnik unterrichten. Mit in die Nachbarschaft des dortigen Zentrums für den Fortbildungen trägt der LWV der Erkenntnis Soziale Psychiatrie um. Rechnung, dass eine gut gebildete und enga-

52 1966 LWV-Archiv, Fotosammlung LWV-Archiv,

LWV-Fortbildungsprogramm 1986 des Fortbildungszen- trums Mammolshöhe LWV-Pressestelle, Foto 1980: Rolf Gerner 1980: Rolf Foto LWV-Pressestelle,

Unterricht im Ausbildungszentrum Mammolshöhe

53 1967 Erich Pfeil wird Erster Landesdirektor Das Amt des „Geschäftsführers“ des LWV LWV-Pressestelle, Foto: Rolf Gerner LWV-Pressestelle,

Erich Pfeil, 1967-1980 Erster Landesdirektor bzw. Landesdirektor des LWV Hessen

Erich Pfeil (SPD) löst Herbert Leimbach als Erster Der Landesdirektor bzw. die Landesdirektorin Landesdirektor ab. Fast 13 Jahre steht Pfeil fort- hat jeweils eine prägende Funktion für den Ver- an an der Spitze des LWV. Damit ist er der Lan- band als Ganzes. Er oder sie führt die Geschäfte desdirektor (so der Titel ab 1973) mit der bisher des Verbandes und steht an der Spitze des LWV- längsten Amtszeit im LWV. Der 1915 in Gießen Exekutivorgans, des Verwaltungsausschusses. geborene Jurist war vor seiner LWV-Zeit maß- Mehrfach haben die Amtsinhaber/innen nach geblich an der Neuschaffung des hessischen Ihrer LWV-Amtszeit weitere verantwortungsvolle Kommunalrechts beteiligt. Nach Ablauf seiner Ämter übernehmen können. So wird Irmgard zweiten Amtsperiode wird Pfeil 1980 aufgrund Gaertner (SPD, Landesdirektorin 1986-1992) an- der Ergebnisse der vorausgehenden hessischen schließend Sozialsenatorin in Bremen; Barbara Kommunalwahlen von einem Christdemokraten Stolterfoht (SPD, Landesdirektorin 1992-1995) abgelöst, dem Juristen und bisherigen Bürger- wechselt als Sozialministerin in die hessische meister der Stadt Fulda, Dr. Tilman Pünder. Landesregierung. Ihre Nachfolge tritt der amtie- rende Landesdirektor Lutz Bauer (SPD) an.

54 1967 LWV-Archiv, Fotosammlung, Foto 1980 LWV-Archiv,

Der scheidende Landesdirektor Erich Pfeil gratuliert seinem Nachfolger Dr. Tilman Pünder LWV-Pressestelle, Foto: Rolf Gerner Rolf Foto: LWV-Pressestelle,

Landesdirektorin Irmgard Gaertner (Mitte), hier im Juni 1991 bei der Vereidigung der neuen LWV-Beigeordneten Barbara Stolterfoht (der späteren Landesdirektorin) durch den Präsidenten der Verbandsversammlung Eitel O. Höhne

55 1968 Waldkrankenhaus Köppern in LWV-Trägerschaft Übernahme eines zusätzlichen Psychiatrischen Krankenhauses Kreisarchiv Bad Homburg Kreisarchiv

Das Waldkrankenhaus Köppern

Zum 1. Januar geht das Waldkrankenhaus Einige Jahre später, 1973, übernimmt der LWV Köppern (im heutigen ) von schließlich das Waldkrankenhaus als Eigentum. der Stadt Frankfurt a. M. an den LWV über, zu- Seit 1998 bildet das Waldkrankenhaus gemein- nächst in Form einer mietfreien Überlassung sam mit der früheren Außenstelle „Bamberger auf Zeit. Bereits im Vorgriff auf den Vertrag hat Hof“ (Frankfurt a. M.) eine gemeinnützige GmbH der LWV im Sommer 1967 mit der Umwandlung mit dem Namen „Zentrum für Soziale Psychi- des einstigen Allgemeinkrankenhauses in ein atrie Hochtaunus“. Die gGmbH löst den LWV als Psychiatrisches Krankenhaus begonnen. Die Träger ab und ermöglicht dem Krankenhaus ei- Umwandlung schafft neue gemeindenähere Un- ne organisatorische und wirtschaftliche Selbst- terbringungsmöglichkeiten für Patienten und ständigkeit. Patientinnen insbesondere aus der Metropole Frankfurt a. M.

56 1968

Was sonst geschieht im Jahr 1968:

• Der LWV veräußert die Tuber- kuloseheilstätte Schotten an den damaligen Kreis Büdingen. LWV-Archiv, Fotosammlung, Postkarte 1910 LWV-Archiv,

Die 1901 als Heilstätte für Alkoholiker gegründete Einrichtung in Köppern Kreisarchiv Kreisarchiv Bad Homburg, Postkarte um 1930

„Landhaus 6“ der Köpperner Einrichtung, die seit 1913 als Nervenheilanstalt der Stadt Frankfurt a. M. diente

5 1969 Protest gegen Heimunterbringung in Guxhagen-Breitenau „Heimkampagne“ wegen der Zustände in Jugendheimen LWV-Archiv, Fotosammlung, 1969 Pressefoto November LWV-Archiv,

Demonstration vor dem Tor des Erziehungsheims Fuldatal in Guxhagen-Breitenau

Im Rahmen der so genannten „Heimkampagne“ gibt es Proteste linker Gruppen, die zur außer- wird das Jugendheim Fuldatal in Guxhagen-Brei- parlamentarischen Opposition (APO) zählen. tenau zur Zielscheibe öffentlichen Protestes. Auch in anderen Bundesländern wird die Heim- Am 13. November versammeln sich vor der Ein- erziehung zur Zielscheibe. richtung ca. 200 Demonstranten, darunter auch Der LWV zieht in den folgenden Jahren Konse- die spätere RAF-Terroristin Ulrike Meinhof. Sie quenzen: Die Heime werden umstrukturiert. Ein fordern bessere Bedingungen für die weiblichen verstärkter Ausbau ambulanter und offener For- Jugendlichen, die im Rahmen der Fürsorgeerzie- men der Jugendhilfe sowie alternativer Betreu- hung in dem Heim untergebracht sind. ungsformen beginnt. Auch bei anderen LWV-Jugendheimen, „Staffel- berg“ in Biedenkopf und „Karlshof“ in Wabern,

58 1969

Was sonst geschieht im Jahr 1969:

• Die LWV-Verbandsversamm- lung fasst Grundsatzbeschlüsse über „Maßnahmen zur Verbes- serung der Lage der geistig und seelisch Behinderten und Sucht- kranken in Hessen“ (Psychiatrie- Grafik erstellen: Kurvendiagramm, wobei die Zahlen nur auf der y-Achse abzulesen sind, jedoch nicht innerhalb der Kurve selbst, da es sich nur um Ca.-Zahlen handelt: reform). 1962= 2.605; 1965= 2.925; 1968= 2.970; • Die erste jugendpsychiatrische 1971= 2.170; Klinik des LWV wird in Idstein ein- 1974= 1.905; 1977= 1.945; gerichtet (später Außenstelle der 1980= 1.850; Klinik „Rheinhöhe“, Eltville). 1983= 1.725; 1986= 1.600; 1989= 1.565.

aus: LWV-Nachrichten 2/76 aus: LWV-Nachrichten • Die V. Wahlperiode der Ver- Anzahl junger Menschen in hessischen Jugendheimen 1962-1989 in Kostenträgerschaft des LWV (nach: LWV Verbandsversammlung. Hessisches Sozialparlament 1953 bis heute, Kassel 199bandsversammlung0, S. 159) beginnt (bis Das Jugendheim Haus Lahneck (ehemals Buchenau), 1973) – Sitzverteilung: SPD 28, hier die 1976 bezogenen neuen Räumlichkeiten in der Marburger Calvinstraße CDU 14, FDP 3.

• Lisy Alfhart (SPD) wird zur Prä- 3000 sidentin der Verbandsversamm- lung gewählt. 2500 • Hellmuth Leiner (CDU) wird zum

2000 Zweiten Landesdirektor gewählt.

• Durch eine Änderung des Bun- 1500 dessozialhilfegesetzes wird der LWV zum Kostenträger für die Be- 1000 1962 1965 1968 1971 1974 1977 1980 1983 1986 1989 treuung behinderter Menschen

nach: LWV Verbandsversammlung. Hessisches Verbandsversammlung. nach: LWV Sozialparlament 1953 bis heute, Kassel 1990, S. 159 in teilstationären Einrichtungen. Anzahl junger Menschen in hessischen Jugendheimen 1962-1989 in Kostenträgerschaft des LWV

5 1970 Schulentwicklungsplan verabschiedet Fortentwicklung der LWV-Sonderschulen für Menschen mit Sinnesbehinderung LWV-Pressestelle, Foto um 1970: Anton Gradl LWV-Pressestelle,

Unterricht für Kinder mit Hörbehinderung in der Hermann-Schafft-Schule Homberg

Im November beschließt die LWV-Verbandsver- baut, die Johannes-Vatter-Schule in Friedberg sammlung den „Schulentwicklungsplan“ für die zur Zentralschule für gehörlose Menschen. Die Sonderschulen des Verbandes. Im Vorjahr hat Freiherr-von-Schütz-Schule (Bad Camberg) und das hessische Schulrecht dem LWV die Funkti- die Hermann-Schafft-Schule (Homberg) werden on des Schulträgers für überregionale Sonder- in Schulen für Hörbehinderte umgewandelt, ei- schulen zugewiesen. Nach Vorgabe des Landes ne weitere solche Schule wird 1974 in Frankfurt sollten die Schulen mehrstufig gegliedert sein a. M. eröffnet: die Schule am Sommerhoffpark. und von ihrer Größe her eine Differenzierung des 1981 ändert die LWV-Verbandsversammlung den Unterrichts ermöglichen. ursprünglichen Plan, nur zwei Zentralschulen für In den folgenden Jahren wird die Johann-Peter- Hörbehinderte zu betreiben, statt dessen sollen Schäfer-Schule in Friedberg zur Zentralschule die Schulen in Frankfurt, Camberg und Homberg für blinde und sehbehinderte Menschen ausge- weiterentwickelt werden.

60 1970

Was sonst geschieht im Jahr 1970:

• Der LWV beschließt Sofort- maßnahmen gegen die Missstän- de in den Jugendheimen (Redu- zierung der Gruppenstärke, mehr und besser qualifizierte Mitarbei- ter/innen). LWV-Archiv, Fotosammlung LWV-Archiv, • Die Trennung in Mädchen- und Historisches Schulgebäude der Freiherr-von-Schütz-Schule Jungenheime wird aufgehoben. in Bad Camberg

• Erziehungsberatung und „of- fene“ Erziehungshilfen werden verstärkt.

• Die Stellenzahl im Pflegebe- reich der psychiatrischen Einrich- tungen wird spürbar erhöht. LWV-Pressestelle, Foto 1975 LWV-Pressestelle,

Kinder in der „Schule am Sommerhoffpark“ in Frankfurt a. M. für Menschen mit Hörbehinderungen

61 Hebesatz

20 16,5%

15 12,5% 13,1%

10,0% 10

5,7%

5

0 1971 1961 1971 1981 1991 2001

Jahr Hebesatz der Verbandsumlage erreicht 10% Finanzierung der LWV-Ausgaben

Hebesatz Verbandsumlage in Mio. Euro

20 829,5 16,5% 850,0

15 13,1% 589,2 12,5% 637,5 10,0% 10 425,0 271,5 5,7%

5 212,5 88,0 21,3 0 1961 1971 1981 1991 2001 0,0 1961 1971 1981 1991 2001 Jahr

Daten: LWV-Servicebereich Finanzen Daten: LWV-Servicebereich Jahr

Entwicklung des Hebesatzes (in Prozentpunkten) und des Aufkommens der Verbandsumlage (in Mio. Euro) 1961-2001

Der HebesatzV dererban Verbandsumlagedsumlage in Mio. Euro erreicht 1971 Nach dem Mittelstufengesetz sichern drei Säu-

erstmals den Wert von 10% des Maßstabssteu-829,5 len die Finanzierung des LWV: 850,0 ersatzes. Die Verbandsumlage ist der Beitrag, – Eigene Einnahmen (Kostenerstattungen) den die Landkreise und kreisfreien589 , Städte2 als – Finanzzuweisung des Landes aus dem 637,5 LWV-Mitglieder zur Deckung des Finanzbedarfs „Kommunalen Finanzausgleich“ des Verbandes tragen. Die Höhe der Verband- – Verbandsumlage 425,0 271,5 sumlage wird von der LWV-Verbandsversamm- Obwohl das Gesetz der Verbandsumlage eine

lung212,5 beschlossen und88,0 durch das hessische In- subsidiäre Rolle zumisst, wird die Umlage im nenministerium21,3 genehmigt. Mit der Erhöhung Laufe der Jahre zur Hauptsäule der Finanzie- der0, 0Verbandsumlage tritt 1971 der Fall ein, dass rung. D. h. die Behindertenhilfe in Hessen wird 1961 1971 1981 1991 2001 der LWV einen Überschuss im Haushalt aus- fast ausschließlich kommunal finanziert. weisen kann. Jahr

62 100% Verbandsumlage Landeszuweisung Sonstige Einnahmen

79,1 71,9 75%

49,0 50% 37,0

21,4 25% 19,5 14,0 6,7 1,4 0 1953 1971 2002 1971

+7,3 10 Überschüsse

-4,2 -2,0 -3,1 -2,1 -3,6 Fehlbeträge -15 [Verglei Kurvend -14,1 der Fehl x-Achse -24,5 einmalig Waso b sonsterhal geschieht im -40 -34,2 1966= -4 Jahr1 1971:967= -2 -38,9 1968= -3 1969= -2 • Die 1Max-Kirmsse-Schule970= -3 (Schu- -65 1971= + le für1 9 Erziehungshilfe,72= -1 praktisch 1973= -2 Bildbare1974 = und-3 Kranke) in Idstein 1975= -3 wird eröffnet.1976= -8 -90 -86,3 Fehlbetr 1966 1967 1968� 1969 1970 1971 1972 1973 1974 1975 1976 Daten: LWV-Servicebereich Finanzen Daten: LWV-Servicebereich

Fehlbeträge bzw. Überschüsse im LWV-Verwaltungshaushalt in Mio. DM 1966-1976

100% Verbandsumlage Landeszuweisung Sonstige Einnahmen

79,1 71,9 75%

49,0 50% 37,0

21,4 25% 19,5 14,0 6,7 1,4 0 1953 1971 2002 Daten: LWV-Servicebereich Finanzen Daten: LWV-Servicebereich

Prozentuale Deckung des LWV-Haushalts durch die Verbandsumlage und die Landeszuweisung 1953, 1971

und 2002 im Vergleich +7,3 10 Überschüsse

-4,2 -2,0 -3,1 -2,1 -3,6 Fehlbeträge -15 [Verglei Kurvend -14,1 der Fehl x-Achse 63 -24,5 einmalig oberhal -40 -34,2 1966= -4 1967= -2 -38,9 1968= -3 1969= -2 1970= -3 -65 1971= + 1972= -1 1973= -2 1974= -3 1975= -3 1976= -8 -90 -86,3 Fehlbetr 1966 1967 1968� 1969 1970 1971 1972 1973 1974 1975 1976 1972 Erziehungsstellen ins Leben gerufen Innovatives pädagogisches Modell des LWV aus: LWV-Nachrichten, 2/74 aus: LWV-Nachrichten,

Hinweis auf das neue Erziehungsstellenmodell: „Ein neuer Weg – Erziehungsstellen“

Im Oktober beschließt die LWV-Verbandsver- Dieses vom LWV ins Leben gerufene Angebot sammlung das pädagogische Konzept „Erzie- wird nach 20 Jahren in einer empirischen Stu- hungsstelle“ (als alternatives Angebot zur sta- die wissenschaftlich untersucht. Deren positive tionären Unterbringung in einer Jugendhilfeein- Ergebnisse führen u. a. dazu, dass das Angebot richtung). Die ersten Erziehungsstellen für 15 Eingang ins Kinder- und Jugendhilfegesetz fin- Kinder und Jugendliche bei Gasteltern werden det. In den über 30 Jahren seit Bestehen dieses 1972 eingerichtet. Das pädagogische Ziel ist die Angebotes sind mehr als 1.000 Kinder und Ju- Betreuung von besonders problembelasteten gendliche in Erziehungsstellen betreut worden. Jugendlichen in pädagogisch geeigneten Ersatz- Im Jahr 2003 werden rund 175 Kinder und Ju- familien. Wichtig ist dabei, dass der Kontakt zur gendliche zwischen einem und 20 Jahren in 110 Herkunftsfamilie erhalten bleibt. LWV-Erziehungsstellen betreut.

64 1972

Was sonst geschieht im Jahr 1972:

• Alle Betten in den Psychia- trischen Krankenhäusern des LWV werden in den Krankenh- ausbedarfsplan des Landes Hes- sen aufgenommen.

• Das LWV-Defizit übersteigt mit 14 Mio. DM erstmals die 10-Mio- Grenze (aufgrund hoher Mehr- LWV-Pressestelle, Foto 1978: Sven Lorenzen 1978: Sven Foto LWV-Pressestelle, ausgaben für Sozialhilfe). Erziehungsstellentreffen auf dem Sensenstein Säulendiagramm:

• Der1 9 erzieherische72= 15; Bereich des Kalmenhofs1973= 28 ; wird infolge der 1974= 54; Heimkampagne1975= 76; dezentralisiert. 150 1976= 100; 1977= 123 123 • Die LWV-Verbandsversamm- 100 lung Z beschließtahl der hessi sc dashen Programm und Jugendlichen i 100 über Maßnahmen zur statio- 76 Erziehungsstellen w närenJa h Versorgungre mit den stä r Suchtkrankerk 54 Zuwächsen 1973-19 und Drogenabhängiger.25 Jahre Sozialarbe 50 Hessen, Kassel 1978 28 15

0 1972 1973 1974 1975 1976 1977

Jahr nach: 25 Jahre Sozialarbeit in Hessen, Kassel 1978, S. 41

Zahl der hessischen Kinder und Jugendlichen in privaten Erziehungsstellen während der Jahre mit den stärksten Zuwächsen 1973-1977

65 1973 Sechste LWV-Verbandsversammlung gewählt Das „Hessische Sozialparlament“ LWV-Pressestelle, Foto 1974: Rolf Gerner LWV-Pressestelle,

Plenarsitzung der Verbandsversammlung in der VI. Wahlperiode, am Präsidiumstisch oben Präsidentin Lisy Alfhart, am Rednerpult Landesdirektor Erich Pfeil

Aufgrund der Ergebnisse der hessischen Kom- beschlüssen sowie die Wahl der Mitglieder munalwahlen vom Vorjahr wird 1973 die neue des Verwaltungsausschusses (Landesdirektor/ LWV-Verbandsversammlung gewählt. Zum bis- in und Vertreter/in sowie Beigeordnete). Durch lang letzten Mal erhält die SPD in dieser VI. die Novellierung des Mittelstufengesetzes Wahlperiode – wie in den vorausgehenden Jahr- erhöht sich die Zahl der Abgeordneten 1973 zehnten – die absolute Mehrheit. Auf sie ent- von 45 auf 54; eine weitere Erhöhung auf 75 fallen 31 Sitze, auf die CDU 20 und auf die FDP erfolgt 1977. 3. Die Verbandsversammlung wählt Lisy Alfhart Ihre Vorläufer hat die Verbandsversammlung (SPD) erneut zu ihrer Präsidentin. in den Provinzial- und Kommunallandtagen der Die Verbandsversammlung ist das oberste Be- preußischen Provinzialverbände bis 1933. An- schlussorgan des Verbandes. Zu den wichtigs- ders als dort werden die Abgeordneten aber ten Aufgaben zählt der Beschluss des Haus- nicht direkt vom Volk, sondern indirekt durch die haltsplans, die Fassung von Grundsatz hessischen Kreistage und die Stadtparlamente der kreisfreien Städte gewählt.

66 1973

Was sonst geschieht im Jahr 1973:

• Durch die Novellierung des Mittelstufengesetzes werden aus dem Ersten bzw. Zweiten Lan- desdirektor der Landesdirektor bzw. der Erste Beigeordnete.

• Nach Änderung der Haupt- satzung (Zahl der hauptamt- lichen Mitglieder des LWV-Ver- LWV-Archiv, Fotosammlung LWV-Archiv, waltungsausschuses wird er- Blick in eine Plenarsitzung der Verbandsversammlung 1961 höht) wird Willi Eiermann (SPD) im Ständesaal in Kassel zum hauptamtlichen Beigeord- neten gewählt.

• Das Eigentum des Waldkran- kenhauses Köppern geht von der Stadt Frankfurt a. M. an den LWV über (LWV-Trägerschaft be- reits seit 1967/68).

• Der LWV kündigt die Einrich- tung gemischter Stationen in den Psychiatrischen Krankenhäusern an.

• Das Jugendheim Fuldatal in Guxhagen wird aufgelöst.

• Das Hessische Krankenhausge- setz wird verabschiedet, wodurch der LWV einen Sicherstellungs- auftrag für die Krankenhausver- sorgung erhält – verbunden mit der Schaffung der finanziellen

LWV-Archiv, Fotosammlung, Foto 1956 LWV-Archiv, Grundlagen für die umfassende Landesoberinspektor Fritz Sittner als Mitarbeiter des Büros Sanierung der Krankenhäuser. der Verbandsversammlung

6 1974 Kliniken für Kinder- und Jugendpsychiatrie eingerichtet Verselbstständigung und Ausbau der Hilfen für junge Menschen mit psychischer Erkrankung LWV-Pressestelle, Foto 1985 LWV-Pressestelle,

Heilpädagogisches Reiten und Voltigieren in der Klinik für Kinder- und Jugendpsychiatrie „Rehberg“, Herborn

Am 1. Oktober wird die Klinik für Kinder- und Ju- versammlung die Verselbstständigung und den gendpsychiatrie „Rheinhöhe“ (Eltville) eröffnet, Ausbau zu jugendpsychiatrischen Zentren be- die Klinik „Lahnhöhe“ (Marburg) folgt noch im schlossen, um den spezifischen Bedürfnissen selben Jahr, 1975 dann die Kliniken für Kinder- von Kindern und Jugendlichen mit psychischen und Jugendpsychiatrie „Hofheim“ (Riedstadt) Krankheiten besser gerecht werden zu können. und „Rehberg“ (Herborn). Diese Kliniken gehen Bereits 1969 war die erste jugendpsychiatrische hervor aus den bisherigen kinder- und jugend- Klinik des LWV in Idstein im ehemaligen Kran- psychiatrischen Abteilungen der Psychiatrischen kenhausgebäude des Kalmenhofs eingerichtet Krankenhäuser des LWV an den jeweiligen Or- worden, später wird diese Klinik zur Außenstelle ten. Im Vorjahr, 1973, hatte die LWV-Verbands- der Klinik „Rheinhöhe“ (Eltville).

68 1974

Was sonst geschieht im Jahr 1974:

• Der Hebesatz der Verbandsum- lage steigt auf 11%.

• Der Fehlbetrag im LWV-Haushalt erreicht im Laufe des Jahres 33 Mio. DM.

• Der Stellenabbau im LWV begin- nt.

• Die LWV-Verbandsversammlung beschließt Grundsätze zur inne- ren Neugliederung der Psychia- trischen Krankenhäuser (Aufteilung der Großkrankenhäuser in über- schaubare, medizinisch selbststän- dige Einheiten).

• Die Schule am Sommerhoffpark LWV-Archiv, Fotosammlung, Foto 1988 Foto Fotosammlung, LWV-Archiv, (Schule für Hörgeschädigte) in Frankfurt a. M. wird eröffnet. Gebäude der 1974 eröffneten Klinik für Kinder- und Jugendpsychiatrie in Marburg • Das „Gesetz zur Sicherung der Eingliederung Schwerbehinderter in Arbeit, Beruf und Gesellschaft“ (Schwerbehindertengesetz) löst das Schwerbeschädigtengesetz von 1961 ab und bringt der LWV-Haupt- fürsorgestelle neue Aufgaben.

• Die LWV-Verbandsversammlung beschließt das Modell „Pflegefa- milien für Behinderte“.

• Das ehemalige Jugendheim Gux- hagen wird in eine Außen- stelle des Psychiatrischen Kran- kenhauses Haina als Behand- lungsstätte für chronisch psy- chisch Kranke umgewandelt (spä- ter Außenstelle des Psychiatrischen Krankenhauses Merxhausen).

• Die Diagnose- und Thera- piezentren Gießen und Merxhau- sen werden eröffnet. LWV-Pressestelle, Foto 1990: Rolf Gerner LWV-Pressestelle, • Die Neubauten des Psychia- Spielendes Kind in der Klinik für Kinder- und Jugend- trischen Krankenhauses Hadamar psychiatrie Hofheim (einschließlich der Suchtklinik) werden fertiggestellt.

6 1975 Psychiatrie-Enquete vorgelegt Psychiatriereformbedarf in den 70er Jahren LWV-Archiv, Fotosammlung, Foto 1972 LWV-Archiv,

Neue Wege in der Psychiatrie: Reisetherapie (Fahrt nach Venedig) des Psychiatrischen Krankenhauses Weilmünster

Die so genannte „Psychiatrie-Enquete“ der Bun- gert 1973 der „Stern“ vermeintliche oder tat- desregierung wird im November vorgelegt. Die sächliche Missstände im Psychiatrischen Kran- seit Anfang der 1970er Jahre erarbeitete Studie kenhaus Gießen an. gibt wichtige Impulse zur Psychiatriereform und Maßgeblich beteiligt am Zustandekommen der zur Verbesserung der Situation von Menschen Psychiatrie-Enquete ist Walter Picard, seinerzeit mit psychischen Krankheiten. Bereits 1969 hat CDU-Bundestagsabgeordneter, zuvor und da- der LWV entsprechende Grundsatzbeschlüsse nach Abgeordneter der LWV-Verbandsversamm- zur strukturellen Veränderung und Verbesse- lung. Ihm zu Ehren stiftet der LWV im Jahr 2002 rung der psychiatrischen Versorgung in Hessen den Walter-Picard-Preis „für besondere Ver- gefasst. dienste im Sinne der Psychiatrie-Enquete, ins- Gerade Anfang der 1970er Jahre erlebt die besondere im Bereich der sozialpsychiatrischen Psychiatrie massive öffentliche Kritik. So pran- Versorgung der hessischen Bevölkerung“.

0 1975

Was sonst geschieht im Jahr 1975:

• Willi Eiermann (SPD) wird zum Ersten Beigeordneten, Dr. Alfred Dünner (CDU) zum hauptamt- lichen Beigeordneten gewählt.

• Das LWV-Fortbildungszentrum wird in den nicht mehr genutzten Gebäuden der ehemaligen Kin- derheilstätte Mammolshöhe er- öffnet. LWV-Pressestelle, Pressespiegel 1973 LWV-Pressestelle,

„Als Pfleger in der Schlangengrube“: Reaktion auf den Artikel eines Journalisten, der 1972 inkognito als „Pflegepraktikant“ im Psychiatrischen Krankenhaus Gießen recherchiert hat Foto: Foto: LWV-Pressestelle

Walter Picard (CDU), ab 1965 Mitglied des Bundestages, Mitinitiator der Psy- chiatrie-Enquete, von 1961 bis 1965 und erneut von 1977 bis 1981 Mitglied der LWV-Verbandsversammlung.

1 1976 Erstmals Pflegefamilie für behinderte Kinder und Jugendliche Einzigartiges LWV-Modellprojekt Foto: Wilhelm Wittmann Wilhelm Foto:

Familie Gatzka mit Pflegekind Niklas Wagner (vorn rechts)

Im Januar wird im Rahmen eines Modellpro- Bereits 18 Monate nach Projektstart werden 21 jektes erstmals eine Pflegefamilie für behinder- behinderte Kinder und Jugendliche in 20 Pfle- te Kinder und Jugendliche anerkannt. Ziel der gefamilien betreut. Mittlerweile leben rund 90 Pflegefamilienarbeit ist, dem behinderten Men- Jungen und Mädchen in 85 Pflegefamilien. Ins- schen eine weitest gehende Selbstständigkeit gesamt sind im Laufe der Jahre mehr als 200 im Rahmen seiner individuellen Möglichkeiten Kinder, Jugendliche und junge Erwachsene be- zu geben. Neben der Erfüllung seiner Grundbe- treut worden – aus dem einstigen Modellpro- dürfnisse soll das Kind oder der Jugendliche in jekt ist längst ein etabliertes hessenweites der Pflegefamilie eine personenbezogene För- Angebot geworden, das bundesweit einmalig derung – wie beispielsweise die Möglichkeit zu ist. verschiedenen Therapien, die sich aus der Be- hinderung ableiten – erhalten.

2 1976

Was sonst geschieht im Jahr 1976:

• Der Beratende Ausschuss der Hauptfürsorgestelle wird ins Le- ben gerufen, der die Eingliede- rung behinderter Menschen för- dert und die Hauptfürsorgestelle (bzw. später das Integrations- amt) berät.

• Der „Bamberger Hof“, ein ehemaliges Hotel in Frankfurt- Niederrad, wird Außenstelle des Waldkrankenhauses Köppern (mit Tages- und Nachtklinik).

• Das Jugendheim „Haus Lahn- Dokumentation zu einem Pflegefamilienseminar des LWV 2001 in Herbstein eck“ (Buchenau) zieht um nach Marburg. Dokumentation zu einem Pflegefamilienseminar des LWV 2001 in Herbstein • An der Johannes-Vatter-Schule (Schule für Hörgeschädigte) und der Johann-Peter-Schäfer-Schule (Schule für Blinde und Sehbehin- derte), beide in Friedberg, wer- den Berufsschulen in Vollzeit- form eingeführt.

• Die Orthopädische Klinik Her- born wird geschlossen.

• Das Kinderkurheim Reinhards- hausen wird geschlossen.

• Das Gesetz über die Entschädi- gung für Opfer von Gewalttaten Foto: Wilhelm Wittmann Wilhelm Foto: (OEG) wird verabschiedet. Pflegeeltern Vogt mit Pflegekind David Alexander Walther

3 1977 Klinik für gerichtliche Psychiatrie in Haina eröffnet Forensik als gesellschaftliches Streitobjekt LWV-Pressestelle, Foto: Wolfgang Wiese Wolfgang Foto: LWV-Pressestelle,

Gebäude der Klinik für gerichtliche Psychiatrie Haina

Am 1. Juli wird in Haina im Beisein des hessischen Maßregelvollzug im Psychiatrischen Kranken- Justizministers Dr. Herbert Günther (SPD) die haus Hadamar, der der Unterbringung und Be- erste eigenständige „Klinik für gerichtliche handlung suchtkranker Rechtsbrecher (§ 64 Psychiatrie“ des LWV eröffnet. Die Klinik mit ca. Strafgesetzbuch) dient. 220 Betten dient der Behandlung von psychisch Durch die vermehrte Einweisung in die Foren- kranken Rechtsbrechern, die nach § 63 Strafge- siken seitens der Gerichte entstehen massive setzbuch eingewiesen sind. Die Klinik geht her- Kapazitätsprobleme, denen der LWV u.a. 2000 vor aus den bisherigen Vollzugsbereichen der mit einem Grundsatzbeschluss begegnet, der Psychiatrischen Krankenhäuser Haina, Gießen einen neuen Forensikstandort für suchtkranke und Herborn. Der Gießener Bereich bleibt als Rechtsbrecher in Bad Emstal vorsieht. Ein Kabi- Außenstelle der Hainaer Klinik bestehen. nettsbeschluss und ein Bürgerbegehren in Bad Emstal bestätigen dies. Das Thema „Forensik“ erregt seither die gestei- Ein Standort in Südhessen für psychisch kran- gerte Aufmerksamkeit der Öffentlichkeit. Dies ke Rechtsbrecher steht im Jahr 2003 noch nicht gilt auch für den im Folgejahr, 1978, eröffneten fest.

4 1977

Was sonst geschieht im Jahr 1977:

• Durch die Novellierung des Mittelstufengesetzes erhöht sich die Zahl der Sitze in der LWV-Ver- bandsversammlung auf 75.

• Die VII. Wahlperiode der Ver- bandsversammlung beginnt (bis

LWV-Pressestelle, Foto 1977: Rolf Gerner LWV-Pressestelle, 1981) – Sitzverteilung: CDU 39, SPD 33, FDP 3. Einweihung der Klinik für gerichtliche Psychiatrie in Haina, 3. von links Justizminister Dr. Herbert Günther, 2. von rechts der Erste Beigeordnete Willi Eiermann • Erich Schaeffter (CDU) wird zum Präsidenten der Verbands- versammlung gewählt.

• Dr. Peter Barkey (FDP) wird zum hauptamtlichen Beigeordneten gewählt.

• Die Einrichtung einer Abteilung für Taubblinde an der Johann- Peter-Schäfer-Schule (Schule für Blinde und Sehbehinderte) in Friedberg wird beschlossen.

• Die Krankenhausvollapotheke in Räumlichkeiten in Mammols-

LWV-Pressestelle, Foto: Hadamar Raab, Franz LWV-Pressestelle, höhe wird eröffnet (bisher in Fal-

Gebäude für den Maßregelvollzug im Psychiatrischen kenstein). Krankenhaus Hadamar

5 1978 Erholungsheim „Haus am Landgrafenteich“ eröffnet Hilfen für schwerbeschädigte Kriegsopfer und Schwerbehinderte LWV-Archiv, Prospekt um 1978 Prospekt LWV-Archiv,

Prospekt „Haus am Landgrafenteich“ Bad Salzhausen

Das Haus am Landgrafenteich in Bad Salz-hau- in Hessen noch 170.000 Kriegsopfer aus dem sen/Nidda wird eröffnet. Die Erholungseinrich- Zweiten Weltkrieg betreut werden müssen, bei tung ist aufgrund eines Vertrages zwischen dem denen aufgrund des zunehmenden Lebensalters LWV und dem Verband der Kriegsbeschädig- die Notwendigkeit von Erholungsmaßnahmen ten, Kriegshinterbliebenen und Sozialrentner steigt. Die Ausgaben für Erholungsfürsorge Deutschlands (heute: Sozialverband VdK) als durch den LWV sind aufgrund dieser demogra- gemeinnützige GmbH 1974 geplant worden. phischen Entwicklung in den 1970er Jahren stark 1975 kommt es zum ersten Spatenstich. Drei angestiegen. Jahre später können die ersten Gäste in dem Ge- In den folgenden Jahrzehnten kommt es dann bäude mit 120 Betten, Schwimmbad, Sauna und wegen gesunkener Nachfrage zu einer rück- Gymnastikräumen aufgenommen werden. läufigen Belegung. Im Zuge einer Neukonzep- Das Erholungsheim ist eine bundesweit zunächst tion wird auch die Behindertenhilfe Wetterau einmalige Mustereinrichtung. Hintergrund der das Haus nutzen und stufenweise die LWV-Ge- Gründung ist die Schätzung, dass 1985 allein schäftsanteile bis Ende 2004 übernehmen.

6 1978

Was sonst geschieht im Jahr 1978:

• Der Sondersuchtbereich (ins- besondere für Alkoholkranke) am Psychiatrischen Krankenhaus Eichberg wird eröffnet.

• Die LWV-Verbandsversammlung fasst einen Grundsatzbeschluss zum Aufbau von Insti-tutsambu- lanzen.

• Der LWV gibt seine Beteiligung LWV-Pressestelle, Foto: Straub LWV-Pressestelle, am Kindersolbad Karlshafen auf. Die Präsidentin der LWV-Verbandsversammlung, Lisy Alfhart, und Landesdirektor Erich Pfeil 1975 beim ersten Spatenstich für das Kriegsopfer-Erholungsheim Bad Salzhausen

1953-1975 zusammen ca. 38 Mio. DM 1953-1976 insgesamt ca. 52 Mio. DM

1976 ca. 14 Mio. DM nach: 25 Jahre Sozialarbeit in Hessen, Kassel 1978, S. 33 Sozialarbeit in Hessen, Kassel nach: 25 Jahre

Ausgaben des LWV für Erholungsfürsorge für Kriegsbeschädigte und Hinterbliebene in Hessen 1953-1976

 1979 Erster Lehrgang Fachkrankenpflege Psychiatrie gestartet Zweijähriger Kurs im Ausbildungszentrum Mammolshöhe LWV-Pressestelle, Foto 1979: Rolf Gerner LWV-Pressestelle,

Bei der Eröffnung des ersten Weiterbildungslehrgangs zur Fachkrankenpflegekraft, in der ersten Reihe v. r. n. l. Verwaltungsdirektor Fritz Poppenhäger (LWV-Hauptverwaltung), Leitende Medizinaldirektorin Dr. Iris Dauner (Klinik Lahnhöhe, Marburg), Leitender Medizinaldirektor Dr. Hubert Gronenberg (Psychiatrisches Krankenhaus Hadamar), Erster Beigeordneter Willi Eiermann

Am 5. November eröffnet der Erste Beigeord- soziale Situation zu berücksichtigen und plan- nete des LWV, Willi Eiermann, im LWV-Ausbil- voll pflegerisch-therapeutisch zu handeln. dungszentrum Mammolshöhe den ersten Wei- Das Angebot zur beruflichen Weiterqualifi- terbildungslehrgang zur Fachkrankenschwester zierung wird von den Krankenschwestern und bzw. zum Fachkrankenpfleger. Der zweijährige -pflegern im LWV gut angenommen. Mit der berufsbegleitende Kurs endet mit einer staatlich Weiterbildung, die auch in der Folgezeit regel- anerkannten Abschlussprüfung. Ziel der Wei- mäßig angeboten wird, verfolgt der LWV das Ziel, terbildung ist die Fähigkeit, individuell auf die die Qualität der psychiatrischen Pflege in seinen psychische Krankheit der Patientinnen und Pa- Einrichtungen zu sichern und zu ver-bessern. tienten einzugehen, die Persönlichkeit und die

8 1979

Was sonst geschieht im Jahr 1979:

• Die Verbandsversammlung beschließt, die freiwillige Förde- rung von Erziehungsberatungs- stellen wie eine Pflichtaufgabe zu behandeln und ambulante Ju- gendhilfe weiter zu fördern.

• Das Jugendheim Lahneck eröff-

LWV-Archiv, Fotosammlung, Postkarte vor 1975 LWV-Archiv, net ein zweites Haus. Die ehemalige Kinderheilstätte Mammolshöhe bei Königstein, seit 1975 Standort des LWV-Aus- bzw. Fortbildungszentrums LWV-Pressestelle, Foto 1990: Hubertus Braun LWV-Pressestelle,

Die Absolventen des im Jahr 1990 beendeten Weiterbil- dungslehrgangs „Fachkrankenpflege Psychiatrie“ vor dem LWV-Fortbildungszentrum Mammolshöhe

 1980 Erster Patientenfürsprecher ernannt Ombudsperson für die Rechte der Patienten und Patientinnen in LWV-Krankenhäusern LWV-Pressestelle, Foto: Peter Lutze LWV-Pressestelle,

Patientenfürsprecher Arthur Poetsch im Psychiatrischen Krankenhaus Hadamar 1980

Am 9. April wird im Psychiatrischen Kranken- kenhäusern probeweise für ein Jahr dieses neue haus Hadamar der erste Patientenfürsprecher Amt zu besetzen. Im Laufe des Jahres 1980 folgt im LWV in sein Amt eingeführt. Dieses Ehrenamt auch die Amtseinführung von Patientenfürspre- übernimmt Oberamtsrichter i. R. Arthur Poetsch. chern im Philippshospital (Riedstadt) sowie im Der Amtsinhaber hat die wichtige Aufgabe, die Psychiatrischen Krankenhaus Eichberg (Eltville). Interessen von Patienten zu vertreten, ihre Be- Im Laufe der Jahre besteht die Institution „Pa- schwerden entgegenzunehmen und ihre Rech- tientenfürsprecher“ ihre Bewährungsprobe und te durchzusetzen. In der Vergangenheit waren wird zum festen Bestandteil des Psychiatriekon- mitunter Schwierigkeiten aufgetreten, weil Be- zepts des LWV. schwerden nur an die Klinikleitung gerichtet 1990 wird die Institution „Patientenfürsprecher“ werden konnten. im Hessischen Krankenhausgesetz für alle Kran- Im Vorjahr, 1979, hatte die LWV-Verbandsver- kenhäuser verankert. sammlung beschlossen, zunächst in drei Kran-

80 1980

Was sonst geschieht im Jahr 1980:

• Dr. Tilman Pünder (CDU) wird Landesdirektor. LWV-Pressestelle, Foto: Peter Lutze LWV-Pressestelle,

Bei der Amtseinführung des Patientenfürsprechers in Hadamar, im Bild v. r. n. l.: Verwaltungsleiter Berthold Weikert, LWV-Medizinalreferent Dr. Heinrich Kunze, Erster Beigeordneter Willi Eiermann, Patientenfürsprecher Arthur Poetsch LWV-Pressestelle, Foto 11.09.1996: Helmut Hasler Foto 11.09.1996: Helmut Hasler LWV-Pressestelle,

Einführung von Dieter Kepper, dem ehemaligen Bürger- meister der Gemeinde Haina, als Patientenfürsprecher der Klinik für gerichtliche Psychiatrie Haina, im Bild v. l. n. r.: Wolfgang Tietz, Gerhard Heinemann (beide LWV-Hauptverwaltung), Dieter Kepper, Renate Stalz (Kaufmännische Direktorin in Haina), Gudrun Gaertner (Krankenpflegedirektorin der Klinik für gerichtliche Psychiatrie), Konrad Seibel (Patientenfürsprecher des PKH Haina), Dr. Rüdiger Müller-Isberner (Ärztlicher Direktor der Klinik für gerichtliche Psychiatrie)

81 1981 Tages- und Nachklinik im „Bamberger Hof“ eingerichtet Aufbau wohnortnaher teilstationärer psychiatrischer Angebote LWV-Pressestelle, Foto 1981: Rolf Gerner 1981: Rolf Foto LWV-Pressestelle,

Der Bamberger Hof in Frankfurt a. M.-Niederrad

Im Bamberger Hof in Frankfurt a. M. richtet der lung (etwa in Institutsambulanzen) eine zu ho- LWV 1981 eine Tages- und eine Nachtklinik ein. he Anforderung darstellt. Die Patientinnen und Das ehemalige Hotel hat bereits seit 1976 mit Patienten werden tagsüber in der Tagesklinik 91 Betten als sozialpsychiatrische Außenstel- therapeutisch betreut und leben ansonsten in le des Waldkrankenhauses Köppern im Sinne ihrem gewohnten Lebensumfeld. einer gemeindenahen Psychiatrie gedient. Ebenfalls 1981 fasst die LWV-Verbandsver- Es folgen weitere Gründungen in hessischen sammlung einen Grundsatzbeschluss zur Ein- Städten. U. a. entsteht 1981 in Kassel eine Ta- führung teilstationärer Einrichtungen (Tages-/ gesklinik, damals noch als Außenstelle der Mar- Nachtkliniken). Derartige Institutionen bieten burger Klinik für Kinder- und Jugendpsychiatrie Hilfe für jene psychisch kranken Menschen an, „Lahnhöhe“. Im Jahr 2003 existieren an 25 hes- die keine vollstationäre Therapie benötigen, für sischen Standorten teilstationäre Angebote des die aber eine ausschließlich ambulante Behand- LWV.

82 1981

Was sonst geschieht im Jahr 1981:

• Die VIII. Wahlperiode der Ver- bandsversammlung beginnt (bis 1985) – Sitzverteilung: CDU 39, SPD 30, FDP 4, Grüne 2.

• Erich Schaeffter (CDU) wird erneut zum Präsidenten der Ver- bandsversammlung gewählt.

• Dr. Georg Maraun (SPD) wird zum Ersten Beigeordneten ge- wählt.

• Die LWV-Verbandsversamm- lung beschließt „Thesen zur Fort- entwicklung der Beschäftigungs- LWV-Pressestelle, Foto: Rolf Gerner Rolf Foto: LWV-Pressestelle, und Arbeitstherapie für Kranke Gruppengespräch im Bamberger Hof und Behinderte“ (neue Entloh- nungssysteme, Aufbau zusätz- licher Arbeitsangebote, Um- und Neubauten von Beschäftigungs- und Arbeitstherapiegebäuden).

• Die ersten beiden Institutsam- bulanzen an Psychiatrischen Krankenhäusern des LWV wer- den in Herborn und Riedstadt eröffnet.

• Die erste Fortschreibung des Schulentwicklungsplanes für die Sonderschulen des LWV erfolgt.

• Die Außenstelle Guxhagen wechselt vom Psychiatrischen Krankenhaus Haina zum Psychi- atrischen Krankenhaus Merxhau- sen.

• Das Programm „Maßnahmen zur stationären Versorgung Sucht-

Hessische Allgemeine, 01.03.1982, Foto: Baron kranker und Drogenabhängiger“ wird durch einen Rahmenplan zur Innenraum der Kasseler Tagesklinik für psychisch kranke Behandlung Drogenabhängiger Kinder und Jugendliche in den Psychiatrischen Kranken- häusern ergänzt.

83 1982 Neubau des Landhauses im Kalmenhof bezogen Ausbau des Sozialpädagogischen Zentrums in Idstein LWV-Pressestelle, Foto Nov. 1980: v. Gudenberg 1980: v. Foto Nov. LWV-Pressestelle,

Grundsteinlegung für das neue Landhaus des Kalmenhofs durch Landesdirektor Dr. Tilman Pünder (Mitte, mit Kelle), 2. v. l. der hauptamtliche LWV-Beigeordnete Dr. Peter Barkey

Ein Neubau für das Landhaus des Sozialpä- zählt die Max-Kirmsse-Schule als heimgebunde- da-gogischen Zentrums (SPZ) Kalmenhof wird ne Sonderschule für Erziehungshilfe, für Prak- bezogen. Dies verschafft den behinderten Ju- tisch Bildbare und für Kranke zum SPZ. Durch die gendlichen und Erwachsenen in diesem Heim Reformen, die auf die „Heimkampagne“ folgten, erstmals die Möglichkeit, in Einzelzimmern der war der Kalmenhof 1972 dezentralisiert worden. drei Trainingswohnungen zu leben. Zwei Jahre später, 1984, wird die Werkstatt für Behinderte Historisch geht der Kalmenhof zurück auf die des Landhauses anerkannt. 1888 in Privatinitiative gegründete „Heilerzie- Das Landhaus ist eines von mehreren pädago- hungsanstalt Calmenhof“, die als ein Beispiel gisch selbstständigen Heimen innerhalb des sozialen Bürgerengagements gilt, die aber Kalmenhofs, der verhaltensauffällige Kinder und 1941-45 auch zum Schauplatz von NS-„Eutha- Jugendliche sowie geistig behinderte Kinder, Ju- nasie“-Verbrechen wurde. gendliche und Erwachsene betreut; außerdem

84 1982

Was sonst geschieht im Jahr 1982:

• Das Hessische Maßregelvoll- zugsgesetz tritt in Kraft. LWV-Pressestelle, Foto 1981: Rolf Gerner LWV-Pressestelle,

Gartenarbeiten auf dem Gelände des Landhauses (Idstein) vor Bezug des neuen Gebäudes LWV-Pressestelle, Foto: Rolf Gerner LWV-Pressestelle,

Heimleiter Karl Reitinger, zeitweise Koordinator der De- zentralisierung des Kalmenhofs, hier mit Kindern und Jugendlichen

85 1983 450-jähriges Bestehen der Hohen Hospitäler gefeiert Der LWV begeht das Jubiläum seiner ältesten Einrichtungen in Haina, Merxhausen und Riedstadt LWV-Archiv, Fotosammlung LWV-Archiv,

Landgraf Philipp der Großmütige und die heilige Elisabeth auf einem Steinrelief von Philipp Soldan aus dem Jahre 1542 in der ehemaligen Zisterzienserabtei Haina

Der LWV gedenkt der 450 Jahre zurückliegenden Zahlreiche Festveranstaltungen finden 1983 Stiftung der vier Hohen Hospitäler in Hessen statt. Der Verband gibt zusammen mit der His- durch Landgraf Philipp den Großmütigen in torischen Kommission für Hessen eine umfang- den Jahren 1533 bis 1542, die in der Geschichte reiche Festschrift „450 Jahre Psychiatrie in Hes- der institutionellen Krankenfürsorge einzigar- sen“ heraus und beschließt zugleich, die Pflege tig ist. Die Hospitäler Haina, Merxhausen und und Erschließung der wertvollen Krankenhaus- das Philippshospital haben sich von karitativen archive des Verbandes intensiv zu fördern. 1986 Einrichtungen für arme Landbewohner im 19. wird das LWV-Archiv in Kassel gegründet, das Jahrhundert zu psychiatrischen Einrichtungen die wissenschaftliche Betreuung dieses Fachge- entwickelt und befinden sich heute in der Trä- biets übernimmt. gerschaft des LWV, während das vierte Hospital Gronau bereits im Dreißigjährigen Krieg zerstört worden ist.

86 1983

Was sonst geschieht im Jahr 1983:

• Die LWV-Verbandsversammlung beschließt die Einführung dualer Leitungen in den Krankenhäusern, wodurch der Verwaltungsleiter (später Kaufmännischer Direktor) neben dem Ärztlichen Direktor in die Krankenhausleitung eintritt. • Die Fachklinik Schloss Dehrn wird aufgelöst, die sprach- und

LWV-Archiv, Fotosammlung LWV-Archiv, stimmkranken Kinder werden in die Taunusklinik Falkenstein auf- Das Hospital Merxhausen in einem Kupferstich um 1605 genommen. • Ein Modellversuch „Berufsaus- bildung“ in den Jugendheimen Karlshof (Wabern) und Staffelberg (Biedenkopf) wird eingeführt. • Die Gedenkstätte Hadamar wird mit einer ersten Gedenkausstel- lung eröffnet. • Der LWV richtet den „Beirat zur Erforschung der Geschichte der Rechtsvorgänger des LWV Hessen und ihrer Einrichtungen in der Zeit des Nationalsozialismus“ ein. • Das Symposium „Psychiatrie – Spiegelbild der Gesellschaft“ findet in Hadamar statt. • Ein neues Unterrichtsgebäu- de der Johannes-Vatter-Schule (Schule für Hörgeschädigte) in Friedberg wird errichtet. • Die frühere Heilstätte am Meiß- ner wird in ein psychiatrisches Akutkrankenhaus umgestaltet. • Gemeinsam mit dem Land Hes- sen, dem Landesjugendamt und der Landesarbeitsgemeinschaft Sonderkindertagesstätten wird die Arbeitsgruppe „Integrative LWV-Archiv, Fotosammlung LWV-Archiv, Förderung in Kindertagesstätten“ Die alte Kirche des Hospitals Hofheim in einer Federzeich- gebildet, die gezielt den Aufbau integrativer Gruppen in Sonder- nung um 1900 kindertagesstätten und Regel- kindergärten in Hessen verfolgt.

8 1984 Ausbau von Institutsambulanzen beschlossen Stärkung ambulanter psychiatrischer Angebote LWV-Pressestelle, Foto 1998: Institutsambulanz Eichberg LWV-Pressestelle,

Mitglieder des Teams in der Institutsambulanz Eichberg 14 Jahre nach deren Gründung; im Bild die Journalistin Doris Wiese-Gutheil (2. v. r.) mit (v. l. n. r.) Sekretärin Christa Winter, Psychiater Dr. Torsten Raab, Krankenschwester Marion Singer, Sekretärin Christina Kremer

Die LWV-Verbandsversammlung fasst den schen zu kümmern, damit diese außerhalb eines Grundsatzbeschluss, die Weiterentwicklung der Psychiatrischen Krankenhauses leben können. Psychiatrischen Krankenhäuser durch Anglie- Die ersten Institutsambulanzen an Psychi- derung von Institutsambulanzen sowie durch atrischen Krankenhäusern hat der LWV bereits weitere ambulante oder teilstationäre Angebote drei Jahre zuvor, 1981, in Herborn und Riedstadt fortzuführen. Ebenfalls 1984 wird die psychi-at- eröffnet. In der Folge werden an allen Psychi- rische Institutsambulanz des Psychiatrischen atrischen Krankenhäusern und Kliniken für Kin- Krankenhauses Eichberg eröffnet. Der Ausbau der- und Jugendpsychiatrie sowie der Klinik für ambulanter Angebote begleitet den stetigen gerichtliche Psychiatrie in Haina Institutsambu- Bettenabbau im stationären Bereich. Die Insti- lanzen eingerichtet. Im Jahr 1993 werden bereits tutsambulanzen des LWV haben von Anfang an pro Quartal rund ein Drittel mehr Patienten am- die Aufgabe, sich um langfristig erkrankte Men- bulant als stationär behandelt.

88 1984

Was sonst geschieht im Jahr 1984:

• Die LWV-Verbandsversamm- lung beschließt die Neuordnung der Frühförderung und die Ein- richtung von Beratungsstellen an den Schulen für Sinnesgeschä- digte des LWV Hessen. LWV-Pressestelle, Foto 1996: Rolf Gerner LWV-Pressestelle,

Beim Symposium „Die kinder- und jugendpsychia- trische Institutsambulanz im regionalen System ambu- lanter Hilfen“, 1996 in Kassel; im Bild Dr. Günther Paul (l.), Ärztlicher Direktor der LWV-Klinik für Kinder- und Jugendpsychiatrie Kassel (als Gastgeber und Ausrichter des Symposiums) sowie Dr. Joachim Jungmann, Vorsitzender der Bundesarbeitsgemeinschaft der Leitenden Klinikärzte für Kinder- und Jugendpsychiatrie und Psychotherapie e. V., die Veranstalter des Symposiums war

20000

15.400 15000

11.600

10000 9.060

5000 3.741 4.200 2.651 1.198 0 1982 1983 1984 1985 1986 1987 1988

nach: LWV Verbandsversammlung. Hessisches Sozialparlament Verbandsversammlung. nach: LWV 1953 bis heute, Kassel 1990, S. 167 Jahr

Zahl der Patientinnen/Patienten in den Institutsambulanzen des LWV 1982-1988

8

Grafik erstellen: Säulendiagramm: 1982= 1.198; 1983= 2.651; 1984= 3.741; 1985= 4.200; 1986= 9.060; 1987= 11.600; 1988= 15.400

Zahl der Patientinnen/Patienten in den Institutsambulanzen des LWV 1982- 1988 (nach: LWV Verbandsversammlung. Hessisches Sozialparlament 1953 bis heute, Kassel 1990, S. 167) � 1985 Arbeitskreis Frühförderung ins Leben gerufen Behinderungen bereits im Kleinkindalter entgegenwirken Foto: Foto: Hermann-Schafft-Schule

Frühförderung zu Hause für ein hörgeschädigtes Kind durch die Frühförderstelle der Hermann-Schafft- Schule (Homberg)

Der „Arbeitskreis Frühförderung“ wird gemein- meist freier Träger entsteht in den folgenden sam vom LWV, vom Land Hessen, von den freien Jahren. Fachkräfte aus unterschiedlichen Be- Wohlfahrtsverbänden, kommunalen Spitzenver- rufsbereichen arbeiten dort zusammen. bänden und Krankenkassen ins Leben gerufen. Der Arbeitskreis „Frühförderung“ begleitet den Ziel ist die verstärkte Früherkennung, Frühbe- Aufbau des Netzes der Frühförderstellen. Unter handlung und pädagogische Frühförderung Leitung von Dr. Kaus-Peter Herberg (Städ- von behinderten und entwicklungsverzögerten tische Kliniken Kassel) legt eine Projektgrup- Kindern. Damit soll der Behinderung frühzeitig pe des Arbeitskreises 1992 das Ergebnis einer entgegengewirkt werden durch eine Förderung Langzeituntersuchung über den Stand vor und noch im Babyalter oder die Behinderung soll zeigt weitere Entwicklungsmöglichkeiten und durch frühes Training kompensiert werden. -notwendigkeiten der Frühförderung in Hessen Eine Vielzahl von anerkannten Frühförderstellen auf.

0 1985

Was sonst geschieht im Jahr 1985:

• Die IX. Wahlperiode der Ver- bandsversammlung beginnt (bis 1989) – Sitzverteilung: SPD 34, CDU 33, Grüne 5, FDP 3.

• Eitel O. Höhne (SPD) wird zum Präsidenten der Verbands- versammlung gewählt. Foto: Frühförderstelle Foto: Kassel Frühförderstelle

Einzelförderung in der Beratungsstelle für die pädago- • Der Entwurf eines neuen Kran- gische Frühförderung sehgeschädigter Kinder in Kassel, kenhausgesetzes der Landesre- Außenstelle der Johann-Peter-Schäfer-Schule, Friedberg gierung ohne Sicherstellungsauf- (Schule für Blinde und Sehbehinderte) trag des LWV stößt auf heftigen Widerspruch aus der LWV-Beleg- schaft.

• Das Psychiatrische Kranken- haus Marburg richtet eine Au- ßenstelle in Fulda ein.

• Das Psychiatrische Kranken- haus Merxhausen richtet eine Außenstelle in Kassel ein. LWV-Pressestelle, Foto 1992: Peter Lutze LWV-Pressestelle,

Übergabe des vorläufigen Abschlussberichts des Projekts „Frühförderung in Hessen – wissenschaftliche Praxisbegleitung“ im Jahr 1992 durch Dr. Klaus-Peter Herberg an die damalige LWV-Beigeordnete Barbara Stolterfoht (l.) und die hessische Ministerin für Jugend, Familie und Gesundheit, Iris Blaul

1 1986 Betreutes Wohnen für behinderte Menschen ins Leben gerufen Ein sozialpolitischer „Renner“ wird gestartet LWV-Pressestelle, Foto: Marc Pusch LWV-Pressestelle,

Betreutes Wohnen für Aids-Kranke

Im April tritt die Vereinbarung über die Errich- Im Vergleich zur stationären Versorgung (bei- tung und Finanzierung des Betreuten Wohnens spielsweise in einem Wohnheim) ist das Betreu- für behinderte Menschen in Hessen in Kraft, te Wohnen auch erheblich kostengünstiger. Der die zwischen dem Hessischen Landkreistag, in Frage kommende Personenkreis wird von dem Hessischen Städtetag, der Liga der Freien 1986 an ständig erweitert. Wohlfahrtspflege in Hessen und dem LWV abge- Der LWV setzt sich für eine Weiterentwick- schlossen wurde. Diese aufsuchende Form der lung des Betreuten Wohnens in ein „Wohnen (sozial-) pädagogischen Betreuung bedeutet für im Verbund“ ein, bei dem die verschiedenen die behinderten Menschen ein hohes Maß an Wohnformen mit ihren unterschiedlichen Be- Selbstständigkeit und Normalität in den eigenen treuungsintensitäten stärker miteinander ver- vier Wänden. netzt werden, damit ein schnellerer und unkom- plizierterer Wechsel zwischen den Wohnange- boten möglich wird.

2 1986

Was sonst geschieht im Jahr 1986: 7000 6.550 • Die LWV-Verbandsversamm- 5.220 lung beschließt, über 700 Men- 5250 schen mit geistiger Behinderung aus den Psychiatrischen Kran- 3.471 3500 kenhäusern auszugliedern und Betreuungsmöglichkeiten au- ßerhalb (Heilpädagogische Ein- 1750 1.159 richtungen) aufzubauen.

0 0 • Dr. Peter Barkey (FDP) wird 1986 1990 1994 1998 2002 als hauptamtlicher Beigeordne- ter abgewählt. nach: LWV-Pressestelle Jahr

Entwicklung der Plätze im Betreuten Wohnen in Hessen • Irmgard Gaertner (SPD) wird 1986-2002 neue Landesdirektorin.

• Der LWV rüstet alle seine Dienstwagen mit Katalysatoren aus.

• Das LWV-Archiv wird eingerich- tet.

• Ein Wirtschaftsgebäude an der Johannes-Vatter-Schule (Schule für Hörgeschädigte) in Friedberg wird neu gebaut.

• Ein Neubau der Johann-Peter-

Foto Foto 1998: Klaus-Peter Schmitt Schäfer-Schule (Schule für Blinde Ein vom LWV gefördertes, 1998 bezogenes Appartement- und Sehbehinderte) in Friedberg haus der Caritas für das Betreute Wohnen behinderter (mit Internat, Mehrfachbehinder- Menschen in Bensheim, im Bild LWV-Landesdirektor Bauer tenbereich, Sporthalle, Thera- (3. v. l.) bei der Überreichung des Bewilligungsbescheids piebad, Außenanlage und Wirt- schaftsgebäude) wird begonnen.

3 1987 Erster LWV-Ökologiebericht erschienen Berücksichtigung des Umweltschutzes im Verband Foto: Foto: Manfred Albus

Produktion von Holzhackschnitzeln durch die Stiftungsforsten Kloster Haina als Brennmaterial für eine umweltfreundliche Biomasseheizanlage

Im September nimmt die LWV-Verbandsver- Kommunalforstamt Haina (später Stiftungsfors- sammlung den 1. Ökologiebericht des Verbandes ten Kloster Haina) auf die Grundsätze einer na- zustimmend zur Kenntnis. Dieser Bericht enthält turgemäßen Waldwirtschaft. die Bestandsaufnahme über verwirk-lichte und Im Rahmen eines Pilotprojektes stellt das Zen- eingeleitete Maßnahmen im Bereich des Um- trum für Soziale Psychiatrie (ZSP) Kurhessen, weltschutzes beim LWV und ist Grund-lage eines Bad Emstal, 1998 seine Heizanlage von Öl- auf Ökologie-Gesamtkonzeptes. die umweltfreundlichere Holzhackschnitzelver- brennung um, was jährlich zu 2,3 Mio. kg weni- Bereits im Vorjahr, 1986, hatte die LWV-Verbands- ger klimaschädlichen Treibhausgasen führt. Die versammlung beschlossen, dass künftig im Ver- Stiftungsforsten Kloster Haina treten dabei als band möglichst „Gesichtspunkte der Ökologie, erster Forstbetrieb in Hessen als Energiedienst- Energieeinsparung und des Umweltschutzes zu leister auf: Das ZSP zahlt nicht das Holz, sondern berücksichtigen“ sind. Der LWV verpflichtet sein die verbrauchten Kilowattstunden.

4 1987

Was sonst geschieht im Jahr 1987:

• Dr. Otto Aden (CDU) wird haupt- amtlicher Beigeordneter.

• Der Fehlbetrag im LWV-Haus- halt beläuft sich auf 62 Mio DM.

• Die LWV-Verbandsversamm- lung beschließt die Bestellung einer Frauenbeauftragten.

Erster bzw. Zweiter Ökologiebericht des LWV Hessen (1987 bzw. 1989) • Ein neues Heim für Menschen mit geistiger Behinderung aus dem Psychiatrischen Kranken- haus Haina wird in Halgehausen eingerichtet.

• Eine LWV-Studie zur öffent- lichen Mädchenerziehung er- scheint.

• Das Symposium „Psychiatrie im Nationalsozialismus“ findet in Emstal-Merxhausen statt.

• Der LWV fördert erstmals die Einzelintegration behinderter Kinder in Regelkindergärten. LWV-Pressestelle, Foto 1991: Rolf Gerner LWV-Pressestelle,

LWV-Umweltbeauftragte Angela Schröder an der Sammel- stelle für Altbatterien

5 1988 Ausbau der „Johannes-Vatter-Schule“ abgeschlossen Hessische Zentralschule für Gehörlose in Friedberg LWV-Pressestelle, Foto nach 1983: Rolf Gerner nach 1983: Rolf Foto LWV-Pressestelle,

Der um 1983 erbaute Schulpavillon der Schule für Gehörlose in Friedberg

Nach langen Jahren findet der Um- und Ausbau Die Schule in Friedberg geht zurück auf eine der Johannes-Vatter-Schule in Friedberg 1988 1837 gegründete „Staatliche Taubstummenan- seinen Abschluss. 1972 hatte die LWV-Verbands- stalt“ des Großherzogtums Hessen, das erste versammlung beschlossen, die Schule zu erwei- Schulgebäude ist 1863 entstanden. 1953 geht tern und zu modernisieren. Damit kommt der die Schule an den LWV über, 1957 können Neu- LWV den Vorgaben seines 1970 verabschiedeten bauten bezogen werden. Zu dieser Zeit gilt die „Schulentwicklungsplans“ für die Sonderschu- Schule als eine der modernsten in Europa. len nach, welcher der Schule in Friedberg die Funktion einer Zentralschule für Gehörlose zu- gewiesen hat.

6 1988

Was sonst geschieht im Jahr 1988:

• Albrecht Glaser (CDU) wird hauptamtlicher Beigeordneter.

• Das Rahmenkonzept zur Ein- gliederung geistig behinderter Menschen in Hessen wird verab- schiedet. LWV-Pressestelle, Foto 1963 Foto LWV-Pressestelle,

Unterricht in der Realschulabteilung der Schule für Gehör- • Mittelstufengesetz und Finanz- lose in Friedberg ausgleichsgesetz werden neu ge- fasst, womit die Verabschiedung eines ausgeglichenen LWV-Haus- halts vorgeschrieben wird.

• Das Psychiatrische Kranken- haus Gießen richtet eine Außens- telle in Hanau ein.

• Das Psychiatrische Kranken- haus Marburg richtet eine Au- ßenstelle in Bad Hersfeld ein. LWV-Archiv, Fotosammlung, Foto 1961 LWV-Archiv,

Die 1957 bezogenen Neubauten der heutigen „Johannes- Vatter-Schule“ mit Heim und Kindergarten in Friedberg

 1989 Erste Heilpädagogische Einrichtungen gegründet Integration von Menschen mit geistiger Behinderung außerhalb der Krankenhausstrukturen Foto Foto 1991: HPE Haina

Blick in den Alltag der Außenwohngruppe „Forsthäuser“ der Heilpädagogischen Einrichtung Haina

Vier Heilpädagogische Einrichtungen (HPE) in den Psychiatrischen Krankenhäusern unter päd- Haina, Herborn, Riedstadt und Weilmünster ent- agogische Leitungen gestellt. stehen. 1991 wird in Merxhausen die fünfte HPE Mit der Gründung der HPE ist die so genannte des LWV eröffnet. Damit werden zunächst rund „Enthospitalisierung“ noch nicht abgeschlos- 750 Menschen mit einer geistigen Behinderung sen; weitere Schritte folgen. Der Bestand von aus den Psychiatrischen Krankenhäusern aus- Heimen auf dem bisherigen Krankenhausge- gegliedert und erhalten eine neue Wohn- und lände wird von der LWV-Verbandsversammlung Lebensform. So vollzieht der LWV die Abkehr 1993 lediglich als Ausnahme angesehen. Zen- von der Jahrzehnte alten falschen Annahme, trales Anliegen ist die regionale Eingliederung geistige Behinderung sei eine Krankheit. der Bewohner und Bewohnerinnen. Mit der Im Vorfeld der HPE-Gründungen hat der LWV Gründung einer Vielzahl von Außenwohngrup- im Vorjahr, 1988, die bisher ärztlich geleiteten pen der HPE verfolgt der LWV dieses Ziel der „Funktionsbereiche für geistig Behinderte“ in Integration.

8 1989

Was sonst geschieht im Jahr 1989:

• Die X. Wahlperiode der Ver- bandsversammlung beginnt (bis 1993) – Sitzverteilung: SPD 36, „Geistig Behinderte werden in Zukunft CDU 27, Grüne 7, FDP 3, Freie Wählergemeinschaften (FWG) 2. nicht mehr in Psychiatrischen Krankenhäu- sern leben ... Hierzu gibt es keine Patentre- • Eitel O. Höhne (SPD) wird er- zepte und nur die eine Vorgabe: Die Situ- neut zum Präsidenten der Ver- ation dieser Menschen einschneidend zu bandsversammlung gewählt.

verbessern und ihnen ein Leben außerhalb • Die LWV-Verbandsversamm- einer großen Anstalt zu ermöglichen.“ lung beschließt die „Grundsätze zur Weiterentwicklung der psych- Landesdirektorin Irmgard Gaertner, 1987 iatrischen Versorgung in Hessen“ (Grundlage für Ausbau und Diffe- renzierung klinischer und außer- klinischer Angebote).

• Die Pflegedienstleiter/innen werden in die Krankenhauslei- tungen aufgenommen.

• Durch das Gesetz zur Neuord- nung des Krankenhauswesens in Hessen erhalten freigemeinnüt- zige und private Krankenhaus- betreiber den Vorrang vor öffent- lichen Trägern, der LWV verliert seinen Sicherstellungsauftrag.

• Das Gutachten „Alternativen zur gegenwärtigen Aufgaben- wahrnehmung des Landeswohl- fahrtsverbandes Hessen – So- zialhilfe und Jugendhilfe –“ des Deutschen Vereins für öffent- liche und private Fürsorge wird erstellt. LWV-Pressestelle, Foto 1993 LWV-Pressestelle, • Die automatisierte Textverar- Eröffnung der Außenwohngruppe Niederelsungen der Heil- beitung wird in den Haupt- und pädagogischen Einrichtung Merxhausen Zweigverwaltungen des LWV ein- geführt.

 1990 „Psych-PV“ in Kraft getreten Bessere Personalausstattung in der Psychiatrie LWV-Pressestelle, Foto 1992: Peter Lutze LWV-Pressestelle,

2. Emstaler Pflegesymposium im Psychiatrischen Krankenhaus Merxhausen zum Thema „Psych-PV“

Am 18. Dezember setzt die Bundesregierung ihre Ziel der Verordnung ist die Verbesserung der „Verordnung über Maßstäbe und Grundsätze für Personalausstattung in den Psychiatrischen den Personalbedarf in der stationären Psychia- Krankenhäusern. Letztlich soll dies wiederum trie“ in Kraft. Für die Rechtsvorschrift setzt sich eine Therapie ermöglichen, die die Patienten be- im Jargon der Fachleute die Bezeichnung „Psych- fähigt, ihr Leben außerhalb stationärer Einrich- PV“ (= Psychiatrie-Personalverordnung) durch. tungen so weit wie möglich selbst zu gestalten. An der Vorbereitung der Verordnung war u. a. Deshalb zählt die Psych-PV auch therapeutische Prof. Dr. Heinrich Kunze, Ärztlicher Direktor des Übungen in der realen Lebenswelt der Patienten Psychiatrischen Krankenhauses Merxhausen, ausdrücklich zu den Regelaufgaben der Kran- als Mitglied einer beratenden Expertenkommis- kenhausbehandlung. Neue Anforderungen an sion beteiligt. die Beschäftigten, nicht zuletzt im Bereich der Pflege, sind die Folge.

100 1990

Was sonst geschieht im Jahr 1990:

• Eine Frauenbeauftragte und drei Mädchenbeauftragte wer- den beim LWV bestellt.

• Ein neuer Schulpavillon mit vier Klassenräumen an der Her- mann-Schafft-Schule (Schule für Hörgeschädigte) in Homberg/Ef- ze wird gebaut.

• Die LWV-Verbandsversamm-

LWV-Archiv, Fotosammlung, Foto 1954 LWV-Archiv, lung beschließt die Änderung Rückblick in die 1950er Jahre: Pflegepersonal der Landes- der Finanzierungsstruktur der heilanstalt Marburg Frühförderung, erstmals gelten Rahmenbedingungen für die Frühförderung (Betreuungsschlüs- sel, Personalausstattung, einzel- fallbezogene Abrechnung). 1. Auflage 1992, hier 3. Auflage 1996

Publikation von Prof. Dr. Heinrich Kunze und Ludwig Kaltenbach zur Psychiatrie- Personalverordnung

101 1991 Neue Gedenkausstellung in Hadamar eröffnet Historische Verantwortung für die NS-„Euthanasie“-Verbrechen in den übernommenen Einrichtungen LWV-Archiv, Fotosammlung, Foto 1991: Mihm Frank LWV-Archiv,

Blick in die neu gestaltete Ausstellung in der Gedenkstätte Hadamar

Am 13. Juni wird in der Gedenkstätte Hada- Erforschung der Verbrechen und das Gedenken mar die vom LWV gestaltete Dauerausstellung bemüht. Gedenkstätten oder -tafeln in den meis- „Verlegt nach Hadamar – Die Geschichte einer ten LWV-Einrichtungen entstehen. NS-,Euthanasie‘-Anstalt“ eröffnet. Erst in den Eine Wanderausstellung zur NS-Vernichtungs- 1980er Jahren hat die eigentliche historische politik in hessischen Anstalten entsteht 1991 Aufarbeitung der NS-Krankenmorde begonnen; und wird auch zwölf Jahre später noch regel- die Initiative zur Einrichtung der Gedenkstätte mäßig mit großer Resonanz im Inland und im Hadamar im Jahr 1983 war noch von außerhalb europäischen Ausland präsentiert. Besonders des LWV gekommen. die Gedenkstätte Hadamar, die bis 2002 von über 110.000 Menschen besucht wird, widmet 1989 dann bildet der LWV sein Referat „Archiv, sich der pädagogischen Vermittlung und ist Gedenkstätten, Historische Sammlungen“, das mittlerweile ein fester Bestandteil im Programm sich nun intensiv um die wissenschaftliche der historisch-politischen Bildung.

102 1991

Was sonst geschieht im Jahr 1991:

• Albrecht Glaser (CDU) wird zum Ersten Beigeordneten, Barbara Stol- terfoht (SPD) wird zur hauptamt- lichen Beigeordneten gewählt. • Eine „Denk-Schrift zur Zukunft des Landeswohlfahrtsverbandes Hessen“ befasst sich mit zukünftigen Aufga- ben, der Struktur und Verwaltungs- praxis unter veränderten Rahmen- bedingungen. • Die Vereinbarung über die Gewäh- rung von Hilfen für Nichtsesshafte/ Alleinstehende Wohnungslose tritt

LWV-Archiv, Fotosammlung, Foto 1993 LWV-Archiv, in Kraft (kontinuierlicher Aufbau von Fachberatungsstellen/Tagesaufent- Zweites Internationales Jugendcamp in Zusammen- haltsstätten, Betreutes Wohnen, arbeit mit dem Volksbund Deutsche Kriegsgräber- Weiterentwicklung stationärer Ein- richtungen nach § 72 Bundesso- fürsorge, hier auf dem Friedhof des Psychiatrischen zialhilfegesetz). Krankenhauses Weilmünster • Die Verbandsversammlung be- schließt den weiteren Ausbau der pädagogischen Frühförderung sin- nesgeschädigter Kinder und die Einrichtung einer Arbeitsgruppe zur „Vereinbarung eines Betreuungs- satzes für die Frühförderung sinnes- geschädigter Kinder“. • Die Außenstelle Kassel der Mar- burger Klinik „Lahnhöhe“ wird um ein stationäres Versorgungsangebot erweitert und fortan als eigenstän- dige Klinik für Kinder- und Jugend- psychiatrie Kassel geführt. • Die Heilpädagogische Einrichtung Merxhausen wird eröffnet. • Die so genannte „Enthospitalisie- rung“ für Menschen mit chronischen psychischen Krankheiten beginnt durch Umwandlung der Langzeitsta- tionen an den Psychiatrischen Kran- kenhäusern in Heimbereiche sowie durch die anschließende Verlegung von dort in komplementäre Ange- bote. • Die Vereinbarung über die Errich- LWV-Archiv, Fotosammlung, Foto 1989 LWV-Archiv, tung und Finanzierung von Betreu- Gedenktafel im Psychiatrischen Krankenhaus Herborn tem Wohnen für behinderte Men- schen in Hessen von 1986 wird fort- zur Erinnerung an die Opfer der NS-„Euthanasie“- geschrieben. Verbrechen

103 1992 Psychiatriemuseum Haina eröffnet Ausstellung zur Geschichte der Psychiatrie LWV-Archiv, Fotosammlung LWV-Archiv,

Zwangsstuhl aus dem 19. Jahrhundert im Psychiatriemuseum Haina

Der LWV eröffnet sein Psychiatriemuseum Hai- folgte die Entwicklung der Heil- und Pflegean- na. Die Ausstellung dokumentiert erstmals in stalt auf der Grundlage einer naturwissenschaft- Deutschland die Geschichte der institutionellen lich orientierten Medizin, während heute ein dif- Psychiatrie seit der Reformationszeit. Archiva- ferenziertes Angebot einer sozialen Psychiatrie lien, Druckwerke, Bilder und Fotografien sowie besteht. museale Objekte aus dem Besitz des Zentrums Der Besuch des Museums ermöglicht zugleich für Soziale Psychiatrie in Haina (Kloster) zeugen eine Besichtigung der aus dem 13. Jahrhundert vom Wandel psychiatrischer Versorgung im Lau- stammenden Zisterzienserkirche mit Kreuzgang fe der Jahrhunderte. und Klostergarten und des im Jahre 2001 eröff- Der frühen Zeit des christlichen Hospitals, das neten Tischbeinmuseums an der alten Kloster- neben anderen Hilfsbedürftigen psychisch kran- mauer, das an die Geschichte der bekannten ke und geistig behinderte Menschen versorgte, hessischen Malerfamilie erinnert.

104 1992

Was sonst geschieht im Jahr 1992:

• Das Konzept „Psychiatrie 2000“ als Leitlinie zur Fortsetzung der Psychiatriereform wird verab- schiedet.

LWV-Archiv • Barbara Stolterfoht (SPD) wird zur Landesdirektorin gewählt. Logo des Psychiatriemuseums Haina

• Das Datenverarbeitungsver- fahren Finanzwesen wird einge- führt.

• Die Schulen für Gehörlose und die Schulen für Hörbehinderte erhalten einen gemeinsamen Auftrag als Schulen für Hörge- schädigte, Einzugsbereiche wer- den festgelegt.

• Die Krankenhausvollapotheke in Mammolshöhe wird aufgelöst. LWV-Archiv, Fotosammlung LWV-Archiv,

Zwangsjacke aus dem 19. Jahrhundert im Psychiatrie- museum Haina

105 1993 Kommunalisierung von Altenhilfe und Jugendhilfe Abschied des LWV von zwei traditionellen Bereichen Foto: Foto: Ludger Ströter / LVR

Altenpflege

Mit Jahresbeginn 1993 werden die Landkreise 1920er Jahren waren die LWV-Vorgängerverbän- und kreisfreien Städte in Hessen für die Hilfe zur de zugleich Landesjugendämter und Fürsorgeer- Pflege alter Menschen, die in einem Pflegeheim ziehungsbehörden gewesen. Viele Aufgaben des untergebracht sind, zuständig. Bislang hatten Landesjugendamts wurden in Hessen bereits das Landessozialamt (für ca. 20.000 Betroffene) 1953 vom Staat übernommen. Der LWV wurde und die Hauptfürsorgestelle (für ca. 1.700) diese für die Fürsorgeerziehung, die „Freiwillige Er- Kosten übernommen. Die Änderung, die der LWV ziehungshilfe“ und die „ambulanten Hilfen“ zu- selbst mit angestoßen hat, soll alten Menschen ständig. Ab Januar 1994 fällt die Finanzierung eher als bisher den Verbleib in ihrer häuslichen der Hilfen zur Erziehung und die Förderung von Umgebung ermöglichen. Erziehungsberatungsstellen direkt an die ört- lichen Jugendämter. Der LWV bleibt Träger sei- Mit dem Jahresende 1993 endet auch die LWV- ner Jugendheime, der Schulen für Erziehungshil- Zuständigkeit für die Jugendhilfe. Seit den fe und der Erziehungsstellen.

106 1993

Was sonst geschieht im Jahr 1993:

• Die XI. Wahlperiode der Ver- bandsversammlung beginnt (bis 1997) – Sitzverteilung: SPD 28, CDU 26, Bündnis 90/Grüne 9, REP 5, FWG 4, FDP 3.

• Eitel O. Höhne (SPD) wird er- neut zum Präsidenten der Ver- bandsversammlung gewählt.

• Die Finanzkrise des LWV er- reicht ihren Höhepunkt durch

LWV-Pressestelle einen nicht kalkulierten Mehr-

Jugendhilfe in Bewegung bedarf von 238 Mio. DM bei der überörtlichen Sozialhilfe.

• Die LWV-Verbandsversamm- lung beschließt Betriebssat- zungen für die als Eigenbetriebe geführten Krankenhäuser und gleichzeitig die Umwandlung der Orthopädischen Kliniken Kassel und Wiesbaden, der psychia- trischen Kliniken an den Stand- orten Herborn und Haina sowie des Krankenhauses Weilmünster in gemeinnützige Gesellschaften mit beschränkter Haftung (in Hai- na nicht umgesetzt).

LWV-Archiv, Fotosammlung LWV-Archiv, • Die Schulen für Sinnesgeschä- In der Erziehungsberatungsstelle Kassel, um 1956 digte werden zu überregionalen Beratungs- und Förderzentren.

10 1994 Philippshospital präsentiert sich als WHO-Pilotkrankenhaus Europäisches Netzwerk gesundheitsfördernder Krankenhäuser Foto Foto 1994: Robert Heiler

Der erste Beigeordnete des LWV, Albrecht Glaser, und der Ärztliche Direktor des Philippshospitals, Dr. Hartmut Berger, mit dem Vertrag der WHO

Im Mai unterzeichnet der Erste Beigeordnete Ergebnisse zu berichten. Dabei gibt es drei des LWV, Albrecht Glaser, einen Vertrag mit der Schwerpunkte: patientenbezogene Projekte, Weltgesundheitsorganisation (WHO), wodurch mitarbeiter/innenbezogene Projekte sowie der Status des Philippshospitals als WHO-Pilot- Maßnahmen, um die Einrichtung stärker in der krankenhaus besiegelt wird. Region zu verankern. Das gesamte Projekt wird 20 Krankenhäuser in Europa hatte die WHO während seiner Laufzeit vom Zentralinstitut 1993 für ein europäisches Netzwerk gesund- für Seelische Gesundheit (Mannheim) wissen- heitsfördernder Krankenhäuser ausgewählt. schaftlich begleitet. Unter ihnen ist das Philippshospital das einzige Bei der Präsentation des Abschlussberichtes Psychiatrische Krankenhaus. Sie alle verpflich- im April 1997 in Wien stellt das Philippshospi- ten sich, in einem Fünf-Jahres-Projekt spezielle tal verschiedene Projekte vor, und der Ärztliche gesundheitsfördernde Maßnahmen modell- Direktor zieht eine positive Bilanz des WHO-Pro- haft zu entwickeln, zu erproben und über die jektes.

108 1994

Was sonst geschieht im Jahr 1994:

• Eine Erziehungsstellensatzung wird beschlossen.

• Durch die Änderung der LWV-Hauptsatzung entfallen die Ämter von zwei weiteren haupt- amtlichen Mitgliedern des Ver- waltungsausschusses. Foto: Foto: Robert Heiler

Philippshospital Riedstadt bei der offiziellen Präsentation • Die Pflegedienstleiter bzw. des WHO-Projektes am 17. Mai 1994 -leiterinnen der Krankenhäuser werden zu Pflegedirektoren bzw. -direktorinnen ernannt.

• An der Johann-Peter-Schäfer- Schule (Schule für Blinde und Sehbehinderte) in Friedberg wird eine zweijährige Berufsfachschu- le eingerichtet.

• Die Richtlinien für die Errich- tung und den Betrieb von Tages- stätten für psychisch Kranke/ seelisch behinderte Menschen in Hessen werden beschlossen. LWV-Archiv, Fotosammlung LWV-Archiv,

Luftbild des Zentrums für Soziale Psychiatrie „Philippshos- pital“, Riedstadt

10 1995 Erste Tagesklinik Sucht in Hessen eröffnet Teilstationäre Angebote des LWV für Menschen mit Abhängigkeitserkrankungen LWV-Pressestelle, Foto 1995: Rolf Gerner LWV-Pressestelle,

Musikalische Umrahmung bei der Einweihung der Tagesklinik Sucht in Kassel

Im März eröffnet der LWV in der Kasseler Wei- nach langen Verhandlungen mit dem Hessischen ßenburgstraße offiziell die erste eigenständige Sozialministerium und den Krankenkassen Tagesklinik Sucht in Hessen mit 11 Plätzen, ei- konnte 1994 die Anerkennung der Tagesklinik ne Außenstelle des damaligen Psychiatrischen und die Übernahme der Mietkosten durch das Krankenhauses Merxhausen. Doch der Beginn Land erreicht werden. dieses teilstationären Angebotes datiert früher. 1992 wurde die Tagesklinik Sucht zunächst in Heute verfügt die Tagesklinik (seit 1996 an ihrem Merxhausen selbst gegründet, bereits mit dem neuen Standort in der Opernstraße) über 16 Be- Ziel der Einrichtung eines eigenständigen An- handlungsplätze. Ein multiprofessionelles Team gebotes in Kassel. Das Bundesgesundheitsmi- betreut an Werktagen suchtkranke Menschen, nisterium erkannte diese Pionierleistung an und die keine stationäre Therapie mehr benötigen, finanzierte die Begleitforschung des Projektes. für die eine ambulante Therapie aber noch nicht Anfangs war die Finanzierung schwierig. Erst ausreicht.

110 1995

Was sonst geschieht im Jahr 1995:

• Lutz Bauer (SPD) wird zum Lan- desdirektor gewählt.

• Die ersten LWV-Krankenhäuser werden in die Rechtsform ge- meinnütziger Gesellschaften mit beschränkter Haftung überführt (zunächst die Orthopädischen Kliniken).

• Die Verbünde der Kinder- und Jugendheime werden als Eigen- betriebe eingerichtet.

• Der LWV wird im sog. „Fall Lö- ser“ zur Zahlung von 500.000 DM Schadenersatz an einen ehe- maligen Patienten eines Psychi-

LWV-Pressestelle, Foto 1995: Rolf Gerner LWV-Pressestelle, atrischen Krankenhauses verur- teilt. Ulrike Bimber, Leiterin der Tagesklinik, erläutert das Behandlungskonzept • Die LWV-Verbandsversamm- lung beschließt eine Archivsat- zung für den Verband.

• Die Firma Mummert & Partner führt eine Organisationsuntersu- chung zur LWV-Struktur durch.

• Die zweite Fortschreibung des

Foto: Foto: Uwe Zipperer Schulentwicklungsplanes für die

Patienten der Tagesklinik arbeiten ihre Sucht spielerisch in Schulen für Sinnesgeschädigte einem Puppentheaterstück auf erfolgt.

111 1996 Vereinbarung über LWV-Verwaltungsreform geschlossen Der LWV als sozialer Dienstleister LWV-Pressestelle, Foto 1996: Rolf Gerner LWV-Pressestelle,

Vorstellung der Dienstvereinbarung über die LWV-Verwaltungsreform durch Vertreter des LWV Hessen und der ÖTV, auf dem Bild ÖTV-Gewerkschaftssekretärin Claudia Glock (3. v. l.), Lutz Klein, Erster Beigeordneter des LWV (4. v. l.), LWV-Landesdirektor Lutz Bauer (3. v. r.) und LWV-Gesamtpersonalratsvorsitzender Manfred Rompf (1. v. r.)

Im Mai unterzeichnen Landesdirektor Lutz Bau- Konkret geht es u. a. um eine Delegation von er für den LWV-Verwaltungsausschuss, die Ge- Entscheidungsbefugnissen auf die Sachbear- werkschaft ÖTV und der LWV-Gesamtpersonal- beiterebene, eine eigenverantwortlichere Ar- rat gemeinsame Erklärungen bzw. Dienstverein- beitsweise, um die Beschleunigung von Verwal- barungen zur Verwaltungsreform im Verband. tungsabläufen, die Modernisierung des Haus- Diese machen den Weg frei für die Verwaltungs- haltswesens und um ein Controlling. reform im LWV und für die weitere Umwand- Der LWV verpflichtet sich, auf betriebsbedingte lung von LWV-Einrichtungen in GmbHs. Ziel der Änderungskündigungen im Zusammenhang mit Vereinbarungen ist der Abbau bürokratischer der Reform zu verzichten, so dass niemand den Strukturen, die Weiterentwicklung des LWV zu Arbeitsplatz verliert. Durch regelmäßige Infor- einem sozialen Dienstleister und eine größere mationen und Fortbildungen werden die Be- Wirtschaftlichkeit der LWV-Verwaltungen. schäftigen in die Entwicklung des Verwaltungs- reformprozesses einbezogen.

112 1996

LWV-Pressestelle Was sonst geschieht im Jahr 1996:

• Lutz Klein (CDU) wird zum Ers- ten Beigeordneten gewählt.

• Die Rahmenvereinbarung „Ein- zelintegration“ für die Betreu- ung von Kindern mit Behinde- rungen und/oder drohenden Be- hinderungen in Regelkindergär- ten wird beschlossen.

• Die Außenstelle Hofgeismar des Psychiatrischen Kranken-hauses Informationsmaterial für die Mitarbeiterschaft und die Merxhausen wird eröffnet. Öffentlichkeit über die Verwaltungsreform

• Das Versorgungsangebot für Neurologie und Stimm- und Sprachkranke wird von der Tau- nusklinik Falkenstein zum Kran- kenhaus Weilmünster verlagert, die Taunusklinik wird geschlos- sen. LWV-Pressestelle, Foto 1998: Beate Philipp LWV-Pressestelle,

Arbeitsgruppensitzung der Bundesarbeitsgemeinschaft der Höheren Kommunalverbände zum Thema Verwal-tungs- reform 1998 im Ständehaus in Kassel, im Bild (stehend) Dieter Hankel, stv. Dezernent für „Allgemeine Verwaltung“ im LWV

113 1997 Psychiatrische Familienpflege gestartet LWV initiiert Pilotprojekt für Hessen Foto: Foto: Gundula Zeitz

Gast Hans K. (l.) und „Gastgeber“ Hartmut Müller, Familienpflege im Landkreis Waldeck-Frankenberg

Im Februar gibt die LWV-Verbandsversammlung Nach Startschwierigkeiten wird das Projekt in den Startschuss für das fünfjährige Modellpro- Merxhausen letztlich ein Erfolg: Rund 20 behin- jekt Psychiatrische Familienpflege. In das Mo- derte Menschen leben zum Ende der Projekt- dellprojekt sind die Psychiatrischen Kranken- phase in einer Gastfamilie. Dies bringt für alle häuser Eichberg (Eltville) und Merxhausen (Bad Beteiligten Vorteile: für den behinderten Men- Emstal) einbezogen. Gastfamilien nehmen – ge- schen eine verbesserte Lebensqualität, die indi- gen ein Betreuungsgeld – psychisch behinderte viduellen Ansprüchen gerecht wird, für die Gast- Menschen, die nicht allein leben können und familie eine Aufgabe, die angemessen entlohnt ansonsten stationär betreut werden müssten, wird und für den LWV eine Kostenerspar-nis im bei sich auf. Sowohl das neue Familienmitglied Vergleich zur stationären Unterbringung. als auch die Gastfamilie werden sorgfältig aus- Gemäß Beschluss der Verbandsversammlung gewählt und anschließend von einem Team der von 2002 soll das Projekt über die Modellphase Klinik unterstützt. hinaus weitergeführt werden.

114 1997

Was sonst geschieht im Jahr 1997:

• Die XII. Wahlperiode der Ver- bandsversammlung beginnt (bis 2001) – Sitzverteilung: SPD 30, CDU 25, Bündnis 90/Grüne 8, FWG 5, REP 5, FDP 2. Hessisch/Niedersächsiche Allgemeine, 2001 • Eitel O. Höhne (SPD) wird er- Anzeige zur Gewinnung von Gastfamilien für psychisch neut zum Präsidenten der Ver- kranke Menschen bandsversammlung gewählt.

• Das LWV-Leitbild wird verab- schiedet.

• An der Johann-Peter-Schäfer- Schule (Schule für Blinde und Sehbehinderte) in Friedberg wird eine Mediothek zur Förderung der Integration blinder und seh- behinderter Kinder in Regelschu- len eingerichtet.

• Die Außenstelle Hanau des Psychiatrischen Krankenhauses Gießen wird zur psychiatrischen Abteilung der Städtischen Kli- niken Hanau weiterentwickelt.

• Die Vereinbarung über die Er- richtung und Finanzierung von Betreutem Wohnen für behinder- te Menschen in Hessen wird er-

„Richtlinien für die Familienpflege für psychisch Behin- gänzt („Kasseler Vereinbarung“). derte – Psychiatrische Familienpflege�–“, Broschüre des Landessozialamts und der Pressestelle des LWV (1997)

115 1998 Zentren für Soziale Psychiatrie und Sozialpädagogische Zentren gebildet Neue Strukturen für die Einrichtungen LWV-Pressestelle, Foto: Psychiatrisches Krankenhaus Eichberg LWV-Pressestelle,

Zentrum für Soziale Psychiatrie Rheinblick, 1998 gebildet aus den Kliniken Eichberg und Rheinhöhe sowie dem Wohn- und Pflegeheim Eltville, hier das zentrale Gebäude der Einrichtung

Am 10. Juni beschließt die LWV-Verbandsver- Mit dem 28. Juli erhalten die optimierten Ei- sammlung, dass die Eigenbetriebe des LWV wei- genbetriebe neue Namen: „Zentrum für Sozi- ter verselbstständigt werden und unter neuen ale Psychiatrie“ anstatt Psychiatrisches Kran- Namen firmieren. Ebenfalls im Jahr 1998 werden kenhaus oder „Sozialpädagogisches Zentrum“ die Gründungen der gemeinnützigen GmbHs in anstatt Jugendheimverbund. Der Begriff „Zen- Herborn, Köppern und Weilmünster wirksam. trum“ bringt die Erweiterung um ambulante Mehrere Einrichtungen an einem Standort erhal- und teilstationäre Angebote sowie die regionale ten aus Steuerungs- und wirtschaftlichen Grün- Einbindung zum Ausdruck. „Soziale Psychiatrie“ den eine einheitliche Betriebsform. Dabei bleibt verdeutlicht den Anspruch, die soziale Benach- jedoch die fachlich selbstständige Leitung der teiligung von Menschen mit psychischen Erkran- einzelnen Betriebszweige (z. B. einer Klinik für kungen zu vermeiden oder zu verringern. Psychiatrie und Psychotherapie oder einer Heil- pädagogischen Einrichtung) bestehen.

116 1998

Was sonst geschieht im Jahr 1998:

• Kurt Wilhelm Sauerwein (SPD) wird als Nachfolger des verstor- benen Eitel O. Höhne zum Prä- sidenten der LWV-Verbandsver- sammlung gewählt.

• Die Aufgabenbereiche „Beihilfe und Versorgung“ werden auf die Beamtenversorgungskasse Kas- sel verlagert.

• Die LWV-Verbandsversamm-

LWV-Pressestelle, Foto 2001: Doris Wiese-Gutheil LWV-Pressestelle, lung beschließt ein Konzept zur Budgetierung der Schulen für Gebäude des Zentrums für Soziale Psychiatrie Rehbergpark (Herborn) Hörgeschädigte, das erstmals im Haushalt 1999 umgesetzt wird.

• Die Vereinbarung über das Betreute Wohnen für Nichtsess- hafte/Alleinstehende Wohnungs- lose in Hessen nach § 72 Bundes- sozialhilfegesetz tritt in Kraft. LWV-Archiv, Fotosammlung, Foto 1996 LWV-Archiv,

Das Klinikum Weilmünster, hier Gebäude der Neurolo- gischen Klinik

11 1999 LWV im Internet Der LWV setzt auf neue Technologien Postkarte aus: LWV-Info 4/99 Postkarte aus: LWV-Info

Logo zum LWV-Internetauftritt

1999 startet der LWV ins Internet. Das bedeu- Jahren wurden etwa Fernschreibgeräte, Anker- tet nicht nur eine neue Qualität in der Öffent- Buchungsmaschinen und elektrische Schreib- lichkeitsarbeit, sondern ebnet auch den Weg zu maschinen genutzt. Das Lochkartenverfahren neuen Serviceangeboten: Z. B. lassen sich For- wurde ab 1963 zuerst im Bereich der Blinden- mulare und Broschüren herunterladen, und Hilfe hilfe eingesetzt. 1978 war die EDV bereits ein Suchende können direkt über das World Wide unverzichtbares Instrument der Verwaltung Web Kontakt zu den Zielgruppenmanagements geworden. 1989 hält die automatisierte Text- aufnehmen. Die LWV-Homepage ist in einer sog. verarbeitung in den LWV-Verwaltungen Einzug. HTML-Version barrierefrei, also für blinde und Nach Einführung des dialogfähigen DV-Verfah- wesentlich sehbehinderte Menschen lesbar. rens „Finanzwesen“ (1992) bildete die Einfüh- rung des im LWV entwickelten Computerverfah- Der LWV bemühte sich bereits frühzeitig um den rens ANLEI im Bereich der Sozialhilfe und Kriegs- Einsatz technischer Hilfsmittel in der Verwal- opferfürsorge im Dezember 1999 einen weiteren tung. Bereits in den 1950er und frühen 1960er Markstein.

118 1999

Was sonst geschieht im Jahr 1999:

• Im Zuge der Verwaltungsre- form wird die hierarchische Struk- tur der traditionellen Dezernate „Landessozialamt“ und „Haupt- fürsorgestelle“ durch Zielgrup- penmanagements abgelöst, de- nen 26 Regionalmanagements zugeordnet sind. • Das LWV-Fortbildungszentrum zieht von der Mammolshöhe (Kö- nigstein) nach Gießen um. • Die Zweigverwaltungen in Darm- stadt und Wiesbaden werden zu Regionalverwaltungen umgestal- tet. • Die Geschäftsordnung für die überregionalen Sonderschulen für Sinnesgeschädigte und die angegliederten sozialen Einrich- tungen des LWV Hessen wird ver- abschiedet. • Die LWV-Verbandsversamm- Urkunde zur Auszeichnung des Internetangebots des LWV lung beschließt den Aufbau ei- durch den Arbeitskreis „Barrierefreies Internet“ des Vereins ner Klinik für Psychiatrie und „Behinderte in Gesellschaft und Beruf“ (1999) Psychotherapie in Wiesbaden in den Räumlichkeiten der ehema- ligen Orthopädischen Klinik als Betriebszweig des Zentrums für Soziale Psychiatrie Rheinblick, Eltville. • Ein Rahmenvertrag zu den Leistungs-, Vergütungs- und Prü- fungsvereinbarungen nach § 93 Absatz 2 Bundessozialhilfegesetz wird geschlossen. • Die Rahmenvereinbarung Inte- grationsplatz wird abgeschlossen mit gleichzeitiger Verlagerung der Zuständigkeit für behinderte Kin- LWV-Pressestelle, Foto 1978: Rolf Gerner LWV-Pressestelle, der in Kindertagesstätten auf die Die neu eingerichtete EDV-Stelle der LWV-Hauptverwaltung örtlichen Träger der Sozialhilfe in Kassel (Übergang bis 2002).

11 2000 150 Jahre Schule für blinde Menschen in Friedberg Die „Johann-Peter-Schäfer-Schule“, zentrale Schule für blinde und sehbehinderte Schüler/innen in Hessen LWV-Pressestelle, Foto: F. Eichenauer Foto: F. LWV-Pressestelle,

Unterricht in der Johann-Peter-Schäfer-Schule

Die Vielfalt der Angebote für blinde und sehbe- richtung, 1953 ging sie an den LWV – wie alle hinderte junge Menschen wird im August bei der hessischen Sonderschulen von überregionaler Feierstunde zum 150-jährigen Jubiläum der Jo- Bedeutung. 1970 erhielt die Schule ihren heu- hann-Peter-Schäfer-Schule in Friedberg hervor- tigen Namen. 1986-1990 entstand der Neubau, gehoben. Die Schule ist mittlerweile die öffent- der heute Schule und Internat beherbergt. liche Zentralschule für blinde junge Menschen in Für etwa 150 Jungen und Mädchen wird hier zu- Hessen überhaupt. Rund 200 Schülerinnen und sätzlich Internatsbetreuung und für Fahrschüler Schüler werden in 34 Klassen unterrichtet. eine Hortbetreuung angeboten. Darüber hinaus 1850 – vor 150 Jahren – begann Johann Peter werden die Vorbereitung auf die Beschäftigung Schäfer mit einem Schüler den Unterricht in in einer Werkstatt für behinderte Menschen oder seiner Wohnung, ein Jahr später entstand ein der Besuch der Berufsfachschule (Wirtschaft Neubau für 40 Schülerinnen und Schüler. 1879 und Verwaltung) mit einer überbetrieblichen übernahm das Großherzogtum Hessen die Ein- Ausbildung zur Bürokraft angeboten.

120 2000

Was sonst geschieht im Jahr 2000:

• Die erste Neuropsychiatrische Klinik wird im Zentrum für So- ziale Psychiatrie Kurhessen in Merxhausen eingerichtet.

• Lutz Bauer (SPD) wird als Lan- desdirektor wiedergewählt.

• Der Schulneubau der Freiherr- von-Schütz-Schule (Schule für LWV-Archiv, Fotosammlung, Foto 1963 LWV-Archiv, Hörgeschädigte) in Bad Camberg Blinde Schüler der Schule in Friedberg springen vom wird zum 180. Gründungstag der Dreimeterbrett Schule eröffnet. LWV-Pressestelle

Grundsteinlegung für den Neubau der Schule in Friedberg im Jahr 1986 durch Landesdirektor Dr. Tilman Pünder (r.)

121 2001 Sozialgesetzbuch IX in Kraft getreten Neuregelung der Rehabilitation und Teilhabe behinderter Menschen LWV-Pressestelle, Foto 1991: Rolf Gerner LWV-Pressestelle,

Bildschirmarbeitsplatz für Menschen mit Sehbehinderung

Am 1. Juli tritt das Sozialgesetzbuch (SGB) IX in dem Teil der Hauptfürsorgestelle, der für das Kraft, das die Rehabilitation und Teilhabe behin- Schwerbehindertenrecht zuständig ist, wird das derter Menschen neu regelt und das in seinem „Integrationsamt“. Damit verbunden benennt Teil 2 das bisherige Schwerbehindertengesetz der LWV das Zielgruppenmanagement (ZGM) beinhaltet. Mit dem SGB IX werden vor allem „Schwerbehindertenrecht“ um. Unter dem Na- die Leistungen der Rehabilitationsträger stärker men „Behinderte Menschen im Beruf“ ist das vereinheitlicht und miteinander verzahnt. ZGM weiterhin tätig in den Bereichen: Im Bereich der Eingliederungshilfe für behin- – Arbeitsplatzbezogene Hilfen für schwerbehin- derte Menschen, für den der LWV hessenweit derte Menschen und deren Arbeitgeber zuständig ist, wird damit beispielsweise die – Besonderer Kündigungsschutz Kostenheranziehung behinderter Menschen – Erhebung und Verwendung der Ausgleichsab- und ihrer Angehörigen abgebaut. Im Bereich des gabe Schwerbehindertenrechts fallen insbesondere – Förderung von Integrationsfachdiensten und einige sprachliche Anpassungen ins Auge: Aus Integrationsprojekten

122 2001

Was sonst geschieht im Jahr 2001:

• Die XIII. Wahlperiode der Ver- bandsversammlung beginnt (bis 2006) – Sitzverteilung: SPD 30, CDU 29, Bündnis 90/Grüne 5, FDP 4, FWG 4, REP 1. • Kurt Wilhelm Sauerwein (SPD) wird erneut zum Präsidenten der Verbandsversammlung gewählt. • Lutz Klein (CDU) wird als Erster Beigeordneter wiedergewählt. • Das Inkrafttreten der Verord- nung zur Durchführung des § 72 Bundessozialhilfegesetz ermögli- cht die Weiterentwicklung der Hil- fe zur Überwindung besonderer sozialer Schwierigkeiten. • Die Erprobungsphase für den Gesamtplan des Projektes Quali- tät und Wirkung (nach § 46 Bun- dessozialhilfegesetz) beginnt. • Die LWV-Verbandsversamm- lung beschließt das Konzept zur Broschüre des LWV-Integrationsamts zum neuen SGB IX Sanierung und wirtschaftlichen (2001) Zukunftssicherung der Sozialpäd- agogischen Zentren. • Der LWV kauft die Liegenschaft der Schule am Sommerhoffpark in Frankfurt a. M. an. • Die Orthopädische Klinik Wies- baden wird geschlossen, ihr Ver- sorgungsangebot wird auf das St. Josefs-Hospital in Wiesbaden übertragen. • Der LWV tritt der Stiftungsini- tiative der deutschen Wirtschaft zur Entschädigung von NS- Zwangsarbeitern bei. • Der LWV gibt die Krebskranken- hilfe für Menschen ab dem 65. Lebensjahr an die örtlichen Sozi- LWV-Pressestelle, Foto 1999 LWV-Pressestelle, alhilfeträger ab. Arbeitsplatz (Tastatur mit Braille-Zeile) für einen blinden • Der LWV stellt das Konzept Mitarbeiter Wohnen im Verbund vor.

123 2002 Zentrum für Soziale Psychiatrie Mittlere Lahn gebildet Zusammenschluss der bisherigen Einrichtungen in Gießen und Marburg Foto Foto 2003: ZSP Mittlere Lahn / Marco Dingeldein

Neues „Firmenschild“ der Marburger Betriebsteile des Zentrums für Soziale Psychiatrie Mittlere Lahn

Zum 1. Januar werden die bisherigen Zentren für Organisationsstruktur. Der Standort Marburg Soziale Psychiatrie Gießen und Marburg-Süd zu war 1876 als „Irrenheilanstalt Marburg“ des einem gemeinsamen Zentrum für Soziale Psych- damaligen Ständischen Bezirksverbandes des iatrie Mittlere Lahn zusammengeschlossen. Un- Regierungsbezirks Kassel (eines der LWV-Vor- ter dem gemeinsamen Dach des Zentrums blei- gänger) gegründet worden und hatte sich von je- ben drei eigenständige Betriebszweige in Mar- her durch seine Nähe zur Marburger Universität burg und ein Betriebszweig in Gießen erhalten. ausgezeichnet. In Gießen hatte das Großherzog- Mit dem Zusammenschluss versucht der LWV, tum Hessen im Jahr 1911 die „Landes-Heil- und den veränderten Anforderungen der psy-chia- Pflegeanstalt Gießen“ eröffnet – auch hier hat trischen Versorgung gerecht zu werden. eine Rolle gespielt, dass Gießen Universitäts- Mit der Fusion erhalten zwei traditionsreiche stadt war. Psychiatriestandorte des LWV eine gemeinsame

124 2002

Was sonst geschieht im Jahr 2002:

• Die dritte Fortschreibung des Schulentwicklungsplanes für die Schule für Sinnesgeschädigte er- folgt. • Die Schulgebäude und die alte Turnhalle der Freiherr-von- Schütz-Schule (Schule für Hörge- schädigte) in Bad Camberg wer- den saniert. • Eine Leistungsvereinbarung für die Frühförderung sinnesgeschä- digter Kinder in Hessen wird mit den kommunalen Spitzenverbän- LWV-Archiv, Fotosammlung, Foto um 1930 LWV-Archiv, den abgeschlossen (gemäß § 93 In der Landes-Heil- und Pflegeanstalt Gießen Bundessozialhilfegesetz). • Die „Hessische Fachkonferenz § 72 BSHG“ wird als Forum für fachliche Weiterentwicklung, Be- arbeitung inhaltlicher und recht- licher Fragen gegründet (z. B. Vereinheitlichung der Qualitäts- merkmale für ambulante und sta- tionäre Hilfen zur Überwindung besonderer sozialer Schwierig- keiten). • Die LWV-Verbandsversammlung beschließt das Rahmenkonzept für eine bedarfsgerechte Versor- gung von körperlich behinderten Erwachsenen in Hessen vom 18. bis 65. Lebensjahr. • Die LWV-Verbandsversammlung beschließt, den Versorgungsauf-

LWV-Archiv, Fotosammlung LWV-Archiv, trag und die Trägerschaft für das Zentrum für Soziale Psychiatrie Historischer Stich der „Irrenheilanstalt Marburg“ aus Werra-Meißner (in Hessisch-Lich- der Vogelperspektive nach einer 1873/74 erstellten tenau) ab 1. Januar 2004 auf den Planzeichnung Werra-Meißner-Kreis zu übertra- gen. • Ein Forensikbeirat wird in Bad Emstal eingerichtet.

125 2003 50 Jahre LWV Hessen Der Verband begeht sein Gründungsjubiläum LWV-Pressestelle, Foto 2003: Jörg Daniel LWV-Pressestelle,

Präsident Kurt Wilhelm Sauerwein (Mitte), Landesdirektor Lutz Bauer (r.) und Erster Beigeordneter Lutz Klein im Jubiläumsjahr

Der LWV Hessen begeht sein 50. Verbandsjubi- Das LWV-Jubiläum wird aber nicht ausschließlich läum. Das Jubiläum ist für den Verband Anlass zentral gewürdigt: Mit einer Vielzahl von Veran- sowohl für eine Vergegenwärtigung seiner Wur- staltungen überall in Hessen, insbesondere in zeln als auch für eine intensive Beschäftigung den LWV-Einrichtungen, soll die Breite der Auf- mit Aufgaben in Gegenwart und Zukunft. gaben verdeutlicht werden. Ein gemeinsamer Anlässlich des 50. Jahrestags der Verabschie- Veranstaltungskalender gibt einen Überblick dung des Mittelstufengesetzes findet im Mai über die Vielfalt der Angebote. Das Spektrum im Ständehaus in Kassel eine parlamentarische reicht von der Fachtagung bis zum Sportfest, von Festveranstaltung der LWV-Verbandsversamm- der Führung bis zur kulturellen Veranstaltung. lung statt; im September erinnern die Abgeord- Auch auf dem Fest der Hessen, dem Hessentag neten in Fulda an die 50. Wiederkehr der ersten in Bad Arolsen, ist der LWV erneut vertreten. Konstituierung der Verbandsversammlung.

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Was sonst geschieht im Jahr 2003:

• 2003 ist das von der EU dekla- rierte Europäische Jahr der Men- schen mit Behinderungen.

• Im Januar tritt das Gesetz über eine bedarfsorientierte Grund- sicherung im Alter und bei Er- werbsminderung in Kraft.

• Der Neubau der Schule am Sommerhoffpark (Schule für Hör- geschädigte) in Frankfurt a. M. beginnt.

• Im März eröffnet der LWV in sei- nen Räumen eine gemeinsame Servicestelle, wie sie im Sozial- gesetzbuch (SGB) IX vorgesehen LWV-Pressestelle / Hochformat dtp-design LWV-Pressestelle ist. Titelbild des LWV-Infos zum 50. Jubiläum 2003

Mai

Datum / Uhrzeit Veranstalter *) Titel/Thema Veranstaltungsort Ansprechpartner Teilnehmerkreis

09.05. LWV-Verbands- 50 Jahre LWV Hessen – Ständeplatz Jörg Daniel Abgeordnete der 10.00 Uhr versammlung Parlamentarische 6-10, 0561/1004-2213 Verbandsver- Festveranstaltung 34117 Kassel sammlung, (Ständehaus) geladene Gäste 10.05. ZSP Bergstraße „Ehrenamtliche Arbeit Ludwigstr. 54 Petra Weisenstein Ehrenamtlich und 15.00 Uhr in der Psychiatrie- 64646 Heppenheim 06252/16-275 beruflich in der Erfahrungen und Psychiatrie Tätige Zukunft“ – Auftakt- veranstaltung zu einer Vortragsreihe 11. – 14.05. Arbeitskreis der Jahrestreffen anl. Adam Opel AG, Walter Pohl Gesonderte Schwerbehinder- des Europäischen Rüsselsheim 06151/801-209 Einladung tenvertretungen Jahres der Menschen der Deutschen mit Behinderung Automobilindus- 2003 trie in Koop. mit dem LWV 15.05. SPZ Wabern- Sportfest Kurfürstenstr. 26, Ute Zimmer Jugendliche, 09.00 Uhr Homberg 34590 Wabern 05683/509 58 Mitarbeiter, (Sportplatz und Schulen im Heimgelände) Schwalm-Eder- Kreis 15.05. HV, „Forensik in der Licher Straße 106, Dr. Rüdiger Leitende Ärzte 09.00 – 16.30 Uhr FB Einrichtungen, Vernetzung“ – 35394 Gießen Müller-Isberner psychiatrischer KfP Haina Fachtagung (Haus 7) 0641/ 4995-100 Krankenhäuser und Abteilungen, Entscheidungs- träger aus dem komplementären Bereich 24.05. ZSP Am Mönchberg „3+1“ – Tenor-Gala Mönchberg 8, Marlene Becker offen 19.00 – 21.00 Uhr aus Oper und 65589 Hadamar 06433/917-270 (Vorverkauf) Operette (Klostergebäude) 25.05. Stiftungsforsten „Stamford´scher Königsgrund 1, Manfred Albus offen 09.00 Uhr Haina Garten Haina“ 35114 Haina 06456/812-311 Führung in der Reihe (Kloster) „Pfade in die Natur“, (Tischbeinhaus) Naturpark Kellerwald- Edersee

8 9 LWV-Pressestelle / Hochformat dtp-design LWV-Pressestelle

Blick in den Veranstaltungskalender zum LWV-Jubiläum

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