2674 Deutscher – 19 Wahlperiode – 29 Sitzung , Donnerstag, den 26 April 2018

Sören Pellmann (A) – Frau Weidel, Sie sollten sich schämen, dass Sie diese Liebe FDP, Sie haben natürlich recht. Es ist nicht egal, (C) Anfrage gestellt haben. welche Worte wir verwenden, um etwas zu sagen. Und natürlich bezeichnet Teilhabe etwas ganz anderes als (Beifall bei der LINKEN, der SPD und dem Schwerbehinderungen. Das ist absolut richtig. BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Ab- geordneten der CDU/CSU und der FDP) Ich wollte eigentlich mit dieser Rede überhaupt nicht auf den rechten Diskurs eingehen, aber es bleibt einem Dafür sollten Sie sich schämen. Erklären Sie Ihren Wäh- in diesem Hohen Hause in diesen Zeiten nichts anderes lerinnen und Wählern, was Sie von Menschen mit Behin- übrig, als dass man doch noch ein paar Hinweise gibt. derung halten! Herr Witt, ich fnde es infam, dass Sie zu Beginn Ihrer Zum Schluss, Frau Präsidentin, möchte ich die letzte Rede beschreiben, wie Sie ein Kind mit Downsyndrom, Strophe des berührenden Gedichtes „Die Wiese Zitter- das Sie als leidend bezeichnet haben, begleitet haben. gras“ der österreichischen Schriftstellerin Lavant vortra- Das ist Beweis und Beleg dafür, dass Sie keine Ahnung gen – die Verse sind Grundmotiv und Eingangstext für von dem haben, über das Sie hier reden. den Gedenkort, den ich vorhin genannt hatte –: (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, (Dr . Alice Weidel [AfD]: Widerlich!) bei der CDU/CSU, der SPD, der FDP und der Der Mohnkopf schläfert alle ein, LINKEN) bloß nicht das Zittergras, Es gibt die Internetseite Leidmedien.de, auf der Sie sich das muss für alle ängstlich sein, darüber informieren können, was eine passende Haltung auch für ein Herz aus Glas. zu diesem Themenfeld ist. Herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit. Aber was ich viel schlimmer fnde, ist, dass Sie Kol- legen in Ihren Reihen haben wie namentlich Herrn Josef (Beifall bei der LINKEN, der SPD und dem Dörr, den Vorsitzenden der AfD im Saarland, der Kin- BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Ab- der mit Behinderungen vergleicht mit Menschen, die geordneten der FDP und des Abg. Dr. Matthias an schweransteckenden Krankheiten leiden. Das ist so Zimmer [CDU/CSU]) unglaublich, dass mir die Worte fehlen. Sie sollten sich alle in Schamesröte ergehen und am besten nach Hause Vizepräsidentin : gehen. Vielen Dank, Herr Kollege Pellmann. – Uns hier oben (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, wurde gesagt, dass das Wort „Hetzer“ gegen Sie benutzt bei der CDU/CSU, der SPD, der FDP und der worden ist. Wir werden jetzt das Protokoll anfragen, um (B) LINKEN) (D) nachzuschauen, ob und wer mit diesem Wort agiert hat. Allen, die die passenden Worte zum Thema AfD in (Dr . Alice Weidel [AfD]: Ich habe gesagt: formvollendeter Weise hören möchten, empfehle ich die „Schämen Sie sich!“, und das ist auch völlig Rede unseres Kollegen Matthias Zimmermann letzte zu Recht! Schämen Sie sich!) Woche, der es auf den Punkt gebracht hat und der jetzt – – Moment. Das ist ein ganz normaler Vorgang. Das ha- so viel zum Thema – von Ihren Schergen bedroht wird. ben wir so verabredet. Dafür sollten Sie sich entschuldigen. (Zuruf von der AfD) (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, bei der CDU/CSU, der SPD und der LIN- – Ich habe Sie jetzt auch nicht verstanden. – Wir werden KEN sowie bei Abgeordneten der FDP – das im Protokoll nachlesen und dann entsprechend ein- Dr. [AfD]: Schergen!) ordnen. Aber zurück zum Thema; denn es ist ein wichtiges Die nächste Rednerin in dieser Debatte ist Corinna Thema. Liebe Kolleginnen und Kollegen von der FDP, Rüffer für Bündnis 90/Die Grünen. von mir aus können wir gerne den Schwerbehinderten- (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN ausweis in Teilhabeausweis umbenennen. Aber dabei sowie des Abg. [FDP]) dürfen wir es nicht belassen. Wir würden dem zustim- men, aber dahinter steckt natürlich eine große Erwartung. Denn wir alle wissen, dass Menschen mit Beeinträchti- Corinna Rüffer (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): gungen und Behinderungen in keiner Weise gleichbe- Liebe Demokratinnen und Demokraten! Sehr geehrte rechtigt am Leben in diesem Land teilhaben können. Wer Frau Präsidentin! Liebe Verena Bentele, ich kann Ihnen im Rollstuhl unterwegs ist, kann nicht in jedes Kino und jetzt leider nicht ausführlich für alles danken, was Sie in in jede Eisdiele gehen. Verena Bentele hat es gerade ge- den letzten Jahren getan haben, in denen wir zusammen- sagt. Wer im Rollstuhl unterwegs ist, kann nicht an dem gearbeitet haben, weil mir dazu fehlt. Aber ich teilhaben, was wir jeden Tag völlig selbstverständlich glaube, Sie wissen, wie groß unsere Wertschätzung ist, machen. Allein weil vielleicht zwei Stufen vor dem Ein- und damit spreche ich für meine gesamte Fraktion. gang sind, ist der Zugang verhindert. Daran müssen wir etwas ändern. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU und Wer in Gebärdensprache kommuniziert, kann nicht der SPD) ehrenamtlich tätig sein, weil die Kosten für die Gebär- Deutscher Bundestag – 19 Wahlperiode – 29 Sitzung Berlin, Donnerstag, den 26 April 2018 2675

Corinna Rüffer (A) densprachdolmetscher nicht übernommen werden. Ich hindert oder nicht –, ein Bremsklotz, insbesondere bei (C) habe in der letzten Woche die Antworten der Bundesre- der inklusiven Schule. gierung auf meine Kleine Anfrage dazu bekommen. Da (Markus Kurth [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- sind riesige Probleme, die vor uns liegen. Diese Debatte NEN]: Noch immer!) wird nicht in Gebärdensprache übersetzt. Und dann re- den wir über Teilhabe! Daran ändert ein Teilhabeausweis – Natürlich sind sie das noch immer, Markus Kurth. erst einmal gar nichts. (Alexander Graf Lambsdorff [FDP]: Das Ein extremes Beispiel für Exklusion ist, dass Men- stimmt nicht!) schen, die auf Unterstützung angewiesen sind und Assis- Es ist an der Zeit, dass wir darüber sprechen, wie wir tenz brauchen, nach wie vor in Heime verfrachtet werden konsequent einen gemeinsamen Weg auf den unterschied- können, wenn die Behörde entscheidet, dass es zu teuer lichen Ebenen gehen können. Wir gehen jetzt mit Ihnen, ist, ambulante Hilfen zur Verfügung zu stellen. Das hat was den vorliegenden Antrag anbelangt. Aber jetzt muss mit Teilhabe nichts zu tun. Daran ändert auch das viel- es Butter bei die Fische geben. Bei Ihnen, Herr Beeck,­ gelobte Bundesteilhabegesetz schlicht und ergreifend gar habe ich ein gutes Gefühl, dass das gelingen kann. Ich nichts. freue mich auf die Zusammenarbeit. Ich möchte, dass wir (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN zusammen eine inklusive Gesellschaft gestalten. und bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten der SPD) Vizepräsidentin Claudia Roth: Das führen Sie jetzt aber bitte nicht mehr aus. Das heißt, wir stehen ganz am Anfang der Entwicklung einer inklusiven Gesellschaft. Da sind riesige Baustellen, die wir zu bearbeiten haben. Corinna Rüffer (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Ich bin am Ende. Wir haben gestern im Ausschuss – um das einmal zu konkretisieren, weil das Thema so abstrakt ist – den Be- Vielen Dank. richt der Schlichtungsstelle besprochen; Verena Bentele (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN war dabei. Ich möchte ein Beispiel aus den vielen Bei- sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU, der spielen, die in diesem Bericht erwähnt werden, heraus- SPD, der FDP und der LINKEN) greifen. Es geht um eine Frau, die mitten im Leben steht, Rollifahrerin ist und deren Rolli kaputtgegangen ist. Die Krankenkasse hat sich zwei Jahre geweigert, den Rolli zu Vizepräsidentin Claudia Roth: (B) ersetzen. Wissen Sie, wozu das führt, wenn man im Roll- Vielen Dank, Corinna Rüffer. – Weil es zweimal ange- (D) stuhl sitzt? Das heißt, Teilhabe ist nicht mehr. Man kann sprochen wurde: Ja, es stimmt, diese Debatte wird nicht sich im öffentlichen Raum nicht mehr bewegen. Diese live in Gebärdensprache übertragen. Wir können einmal Frau musste ihren Beruf aufgeben, weil sich die Kran- im Ältestenrat oder in anderen Gremien darüber reden, kenkasse geweigert hat. Wenn solche Fälle in diesem wie sich das erweitern lässt. Land massenhaft auftauchen – jeder, der sich auf diesem (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Feld auskennt, weiß, dass das kein Einzelfall ist –, dann sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU, der müssen wir sagen: Die inklusive Gesellschaft ist weit SPD, der FDP und der LINKEN) entfernt. Wir müssen viel beharrlicher daran arbeiten, dass sich daran etwas verändert. Das gilt in einer altern- Aber diese Debatte wird vollständig in Gebärdensprache den Gesellschaft natürlich in besonderer Weise. übersetzt und ist morgen, allerspätestens am Montag in der Mediathek zu verfolgen. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten Nächster Redner in der Debatte: für der SPD) die CDU/CSU-Fraktion. (Beifall bei der CDU/CSU) Wir wollen volle Teilhabe. Wir wollen eine inklusive Gesellschaft. Ich möchte Ihnen sagen, was das bedeutet. Wäre Teilhabe selbstverständlich, würden Unternehmen Wilfried Oellers (CDU/CSU): langzeitarbeitslose und behinderte Menschen einstellen. Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Das tun sie aber nicht. Wäre die inklusive Gesellschaft Damen und Herren Kollegen! Meine sehr geehrten Da- Realität, dann müssten behinderte Menschen nicht in men und Herren Zuhörer! Zunächst an Sie, sehr geehr- Werkstätten für behinderte Menschen arbeiten und am te Frau Bentele, gerichtet: Auch im Namen der CDU/ Ende des Monats mit einem Durchschnittslohn von CSU-Fraktion bedanken wir uns sehr herzlich für Ihre 180 Euro für ihre Vollzeitarbeit nach Hause gehen. Das gute Arbeit in den vergangenen Jahren und wünschen Ih- gäbe es dann nicht mehr. Lebten wir in einer inklusiven nen für die Zukunft alles erdenklich Gute. Gesellschaft, dann würden wir Kinder nicht weiter auf (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abge- Förderschulen verweisen, auf denen zwei Drittel von ih- ordneten der SPD und der LINKEN) nen keinen Schulabschluss machen. Da spreche ich Sie von der FDP noch einmal explizit an. Sie waren in den Im Rahmen der heutigen Debatte zum Antrag der FDP Ländern, wenn es um die Bildungschancen von Kindern auf Änderung der Begriffichkeit „Schwerbehinderten- ging – jedes Kind muss uns gleich viel wert sein, ob be- ausweis“ in „Teilhabeausweis“ kann der Name Hannah