MARCO URBAN (L.); URBAN WERNER SCHUERING (R.) MARCO Koalitionäre Fischer, Schröder, grüner Anti-Kriegs-Protest (auf dem Parteitag in Rostock): Durchhalten bis zur Wahl

KOALITION Zeit der Zumutungen Nach ihren Parteitagen haben die Koalitionsparteien scheinbar ein neues Wohlfühlklima entwickelt. Doch die zur Schau gestellte Harmonie ist brüchig: Weiterer Streit ist schon abzusehen.

SU-Vormann war ge- Da wurde es Außenminister Joschka Fi- in den eigenen Reihen und bei den Medien rade dabei, sich richtig in Fahrt zu scher zu viel. Demonstrativ stand er auf, entfalten. Die Koalitionäre wünschen sich Creden. Die Wirtschaft sei schlapp, klopfte dem Kanzler auf die Schulter und eine neue Aufbruchstimmung zwischen der Kanzler hilflos, polterte er am ver- verließ die Regierungsbank. Die Botschaft Rot und Grün in Berlin, wollen die Balge- gangenen Mittwoch im , „wie war klar: Wir stehen das durch. Und: Wir reien der vergangenen Wochen möglichst lange noch will die Regierung tatenlos stehen das zusammen durch. schnell vergessen machen. Im Kabinett und zusehen, wie Deutschland die Kräfte Die kleine Geste am Rande der großen unter den Abgeordneten soll sich ein neu- schwinden?“ Reden soll symbolische Wirkung vor allem es Wohlfühlklima ausbreiten. Bundeswehreinsätze

andere Munition befördern, gilt als ausge- macht. Die Brüsseler Nato-Zentrale stopp- Kriegsschauplatz Irak? te zwar vergangene Woche Planspiele, Schutztruppen oder Luftbrücken für Hilfs- Die Koalition fürchtet ein neues Abenteuer der Amerikaner. werke in Afghanistan zu organisieren. Doch kaum denkbar, dass Deutschland sich ver- ei den Berliner Koalitionären gras- das al-Qaida-Netzwerk zu unterstützen, weigert, wenn eine Friedenstruppe be- siert die Furcht, von den USA in ein seien trotz regelmäßiger Drohungen des schlossen wird. „Wenn Fernsehbilder ver- Bneues militärisches Abenteuer ge- Präsidenten George W. Bush nicht er- hungerter und erfrorener Kinder kommen“, zogen zu werden – diesmal im Irak. Immer kennbar – bisher. sagt ein Berater von Verteidigungsminister wieder erreichen die Regierung und die Gleichwohl warnten Kanzler Schröder Scharping voraus, „sind wir ohnehin dran.“ CDU/CSU-Opposition Signale, dass ein und Außenminister Fischer den US-Präsi- Ein kleines Kontingent mit einigen hun- weiteres Schlachtfeld im Kalkül der US- denten, eine Ausweitung der Kämpfe auf dert Heeres- und Luftwaffensoldaten könn- Militärs zumindest eine Rolle spielt. den Irak könne die weltumspannende te Scharping sogar losschicken, ohne eine Tatsächlich wurden im Nachbarland Ku- Anti-Terror-Koalition sprengen. Die Berli- erneute Abstimmung im Bundestag riskie- weit bereits „Erkundungsteams“ der Bun- ner Koalition, so ihre Sorge, wohl gleich ren zu müssen: Das Mandat von Mitte No- deswehr gesichtet. Ist das schon ein Indiz mit. „Dabei könnte uns mehr um die Oh- vember erlaubt ihm ausdrücklich, die Trup- für deutsche Mitwirkung auf dem nächsten ren fliegen“, sagte Schröder vergangene pen auch für „Leistungen zum Zweck hu- Kriegsschauplatz? Nein, sagen die Militärs Woche im Bundestag, „als jeder von uns zu manitärer Hilfe“ einzusetzen. und wiegeln ab: Washington befürchte tragen in der Lage ist.“ Der Mazedonien-Einsatz der Bundes- Terroranschläge auf US-Stützpunkte in der Viel wahrscheinlicher ist derzeit der Ein- wehr, der vor drei Monaten beinahe die Region – Saudi-Arabien und Kuweit ein- satz deutscher Kommando-Soldaten in So- Koalition gesprengt hätte, gilt mittlerweile geschlossen. Falls gewünscht, könnten auf malia. Darüber sprechen die Militärs aber als unproblematisch. Voraussichtlich nächs- den Basen getreu dem Bundestagsbe- ebenso ungern wie über die Pendelflüge te Woche muss der Bundestag über die schluss deutsche ABC-Abwehrkräfte samt der „Transall“-Transporter zwischen den Verlängerung der auf drei Monate befris- dem Spürpanzer „Fuchs“ einrücken. Kon- US-Basen Mildenhall in England und In- teten Aktion entscheiden. Die Fraktions- krete Vorbereitungen für Attacken auf Sad- cirlik in der Türkei. Dass diese neben spitzen von Rot und Grün erwarten keine dam Hussein, den die USA verdächtigen, Decken und Medizin auch Raketen und Gegenstimmen. Alexander Szandar

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Zuvorkommend wie selten begegnen dersachsen auf weitere Verschärfungen. tungsausfuhren zur Entscheidung an. sich seit den Parteitagen in Nürnberg und Die Grünen, aber auch Justizministerin Schon gehen die Grünen gegen die Ab- Rostock rote und grüne Koalitionäre auf Herta Däubler-Gmelin, sperren sich gegen sicht der Bundesregierung in Stellung, Mit- den Fluren des Reichstags. „Die Grünen- weitere Befugnisse für die Sicherheits- glieder der internationalen Anti-Terror- Beschlüsse reichen über das Jahr 2002 hin- behörden. Koalition mit ausgemustertem Bundes- aus“, lobte SPD-Generalsekretär Franz Zumutung Rüstungsexporte: Im Bun- wehrmaterial auszustatten. Müntefering. Und die designierte SPD-Prä- dessicherheitsrat stehen – nicht zuletzt Schärfer vorgetragene Differenzen sind sidin erklärte kurz und bündig: nach türkischen Anfragen – weitere Rüs- in den nächsten Wochen auch in der De- „Wir gehören zusammen.“ Auf einmal scheint die rot-grüne Per- Anti-Terror-Gesetze spektive wieder da, von der zuletzt nur in der Vergangenheitsform geredet werden konnte – nach der dem Kanzler verwei- gerten Koalitionsmehrheit für den Maze- donien-Trip der Bundeswehr und dem Marginales Grün Streit um den Afghanistan-Einsatz, den Gerhard Schröder erst mit Hilfe der Ver- Am „Terrorismusbekämpfungsgesetz“ des Innenministers konnten trauensfrage für sich entschied. die Grünen nur kosmetische Änderungen anbringen. Beim üblichen rot-grünen Morgenge- deck herrschte am Dienstag vergangener er Innenminister hält von den men, etwa bei bundesweit organi- Woche eine fröhliche Stimmung wie lange Grünen nicht mehr allzu viel, sierten Taten; nicht mehr. SPD-Fraktionschef Peter Struck Dund er sagt es auch. Bei der ers- • Ausländern das Einreisevisum ver- („Ich frühstücke lieber mit Rezzo Schlauch ten Lesung der Anti-Terror-Gesetze im weigert oder deren Abschiebung und Kerstin Müller als mit Guido Wester- Bundestag belehrte den erleichtert werden, wenn die „An- welle“) gratulierte den grünen Freunden rechtspolitischen Sprecher der Grünen, nahme gerechtfertigt“ ist, dass sie zum „schönen Ergebnis“ von Rostock. : „Im Grunde sind das, was Terrorsympathisanten oder Gewalt- Doch die neue Zärtlichkeit ist nur gut wir besprochen haben, Marginalien.“ täter sind. inszeniert. Zehn Monate vor der Bundes- Tatsächlich blieb der Kern des zwei- Datenschützer und Bürgerrechtsor- tagswahl ist eine pannenfreie Restlaufzeit ten Sicherheitspakets, die Ausweitung ganisationen laufen seit Wochen Sturm der Schröder/Fischer-Regierung keines- der Kompetenzen für Geheimdienste gegen das Gesetzesvorhaben, das eini- wegs garantiert. und Polizei sowie die ge von ihnen in der Bun- Vor allem gegenüber SPD-Ministern und Verschärfungen im Aus- destagsanhörung am ver- -Länderchefs keimt beim kleinen Koali- länderrecht, vom kleinen gangenen Dienstag er- tionär das Misstrauen. „Einzelne Ressort- Koalitionspartner nahezu neut als „Demontage des leiter“, argwöhnt die Grünen-Fraktions- unangetastet. Der Bun- Rechtsstaats“ (Republi- führerin Kerstin Müller, „wollen wohl aus- desrat will mit Hilfe von kanischer Anwälteverein) testen, wie stabil wir nach den vergangenen SPD-Stimmen das Gesetz brandmarkten. Der Altli- Wochen noch stehen.“ An Sprengsätzen sogar noch weiter ver- berale unterschiedlichsten Kalibers herrscht kein schärfen – neuer Zünd- glaubte, bei Schily einen Mangel. Beispiel: stoff für die Koalition. „totalitären Geist“ er- Zumutung Einwanderungsgesetz: Bei Künftig soll späht zu haben. einem lauten Abstimmungsgespräch mit • der Bürger mit Hilfe Das Paradoxe: Selbst den Grünen am vergangenen Dienstag ließ so genannter biometri- unter den Befürwortern Innenminister Otto Schily keine Zweifel schen Daten in seinem harter Gesetze nimmt daran, dass für ihn beim Poker mit der Pass, also Erkennungs- kaum ein Experte ernst- Union einiges zur Disposition steht, was merkmalen wie Fin- lich an, mit den vorge- Rot und Grün zuvor verbindlich ausge- gerabdruck, Gesichts- schlagenen 17 Gesetzes- handelt hatten. oder Irisvermessung, änderungen in Schilys

Zumutung Anti-Terror-Gesetze: Bei identifiziert werden; / ZENIT DOMINIK BUTZMANN Sicherheitspaket könnten Schilys Sicherheitsgesetzen drängen außer • der Verfassungsschutz Minister Schily Terrorattentate wie die der Union vor allem die SPD-geführ- von Ausländer- und Neuer Zündstoff für am 11. September in ten Länder Nordrhein-Westfalen und Nie- Asylbehörden Informa- die Koalition den USA verhindert wer- tionen aus dem Aus- den. * Auf dem Flughafen Wunstorf. länderzentralregister und damit aus Der Gesetzestext wurde in Windes- Asylverfahren abrufen dürfen; eile verfasst. Nach den Anschlägen am • der Bundesnachrichtendienst (BND) 11. September haben die Fachabteilun- Einblick in alle Konten- und Geld- gen „ihre Zettelkästen geleert“, wie bewegungen bei Banken nehmen (FDP) über das Sammel- können; die Telefonfirmen werden surium spottet, damit das Paragrafen- verpflichtet, alle gespeicherten Ver- werk möglichst schnell durch Parlament bindungsdaten anzugeben; und Bundestag gejagt werden kann. • es dem Verfassungsschutz und dem Gesichert ist die Finanzierung. Eine BND erlaubt sein, auch von privaten 700-Millionen-Mark Finanzspritze und Firmen Auskünfte über Kunden oder 2320 neue Stellen für den Sicherheits- Mitarbeiter einzuziehen; apparat sollen das „Terrorismus- • das Bundeskriminalamt erweiterte bekämpfungsgesetz“ allein im Jahr

STEFAN SCHULZ / RETRO STEFAN Ermittlungskompetenzen bekom- 2002 flankieren. Rüdiger Scheidges Einsatzbereite „Transall“ der Bundeswehr* Gute Laune bei den grünen Realos

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Zuwanderung Am Rand des Spielfelds Die grünen Ausländer-Experten sind zurzeit nicht gefragt: Innenminister Schily verhandelt mit der Union. Er will einen Kompromiss – notfalls auch gegen die Grünen.

ie Grünen sind derzeit nur Zu- schauer. Auf der Bühne stehen DBundesinnenminister Otto Schi- ly (SPD) – und die Länderpolitiker der Union. Gleich zweimal traf Schily den bran- denburgischen Innenminister Jörg Schön- bohm (CDU) in den vergangenen Wo- chen zu vertraulichen Vier-Augen-Ge- sprächen. Das Thema: ob Schönbohm nicht doch noch dem geplanten Zuwan- derungsgesetz zustimmen könne. Und wenn ja, unter welchen Bedingungen. Obwohl Mitglied der Oppositionspartei im Bund, darf sich der märkische Minister fühlen, als habe seine Stimme Gesetzes- kraft. Hat sie auch, jedenfalls nahezu. Denn auf seine Stimme kommt es an, was Schilys Koalitionspartner, die Grü- nen in Berlin, mehr schmerzt als alles

andere. Und so meldete sich auch Frak- TIM WEGNER / LAIF tionschefin Kerstin Müller vom Ran- Türken in Deutschland: „Es ist gut, dass über Integration geredet wird“ de des Spielfeldes misstrauisch zu Wort: „Ein Zurückweichen in den Kernfragen nen Humanisten. Beides ließ Schily in Die Taktiker in der SPD rechnen be- kommt nicht in Frage.“ den Entwurf, der seit Anfang November reits, wie weit sie gehen können, um zu- Nur mühsam hatten die Grünen Schi- vorliegt, hineinschreiben. mindest Brandenburg zur Zustimmung ly erst Ende Oktober in einer Nachtsit- Eine Rücknahme, und sei es nur in zu bewegen – wenn möglich, ohne den Teilen, würde der kleine Koalitionspart- grünen Partner zu demontieren. ner als Zumutung empfinden. Wenn zen- Zumindest die Union scheint willig, trale Punkte geändert würden, droht der nicht nur in Brandenburg. Auch der Bre- rechtspolitische Sprecher der Grünen, mer Innensenator Kuno Böse und der Volker Beck, dann könne es die Koali- saarländische Ministerpräsident Peter tion auch „gleich ganz lassen“. Doch den Müller sind im Gegensatz zu den Bayern Grünen bleibt zurzeit nicht viel anderes überzeugt, dass ein Kompromiss richtig übrig, als das muntere Treiben von SPD ist. „Es ist gut, dass über Integration ge- und CDU argwöhnisch zu belauern: Trau, redet wird, und es ist gut, das in einem schau, wem. Gesetz zu regeln“, sagt Böse. „Das The- Schily hat die Grünen, aber für die Zu- ma eignet sich nicht für den Wahlkampf.“ stimmung im Bundesrat braucht er die Das sieht CSU-Chef Stoiber völlig an-

FOTOS: MICHAEL EBNER / MELDEPRESS FOTOS: Union. In der Länderkammer herrscht ders. Als „Potentaten der CDU, die nicht Grüner Beck, CDU-Minister Schönbohm Stimmengleichheit zwischen sozialdemo- hundertprozentig kalkulierbar sind“, be- Argwöhnisches Belauern kratisch dominierten und unionsgeführ- schimpfte deshalb CSU-Landesgruppen- ten Ländern. Die vier Stimmen Bran- chef Michael Glos die Renegaten aus der zung wichtige Zugeständnisse abgerun- denburgs, wo eine Große Koalition das Schwesterpartei. „Wenn die auf Alpenfes- gen. Bei Rotwein (eine Flasche für sechs Sagen hat, sind entscheidend. tung Bayern machen, mache ich auf gal- Unterhändler) und trocken Brot servier- Schert Schönbohm aus der Ableh- lisches Dorf“, konterte Schönbohm. te der Sozialdemokrat schließlich einen nungsfront der Union aus und stimmt Dabei ist es eher ein Kampf um Sym- Kompromiss, den die Grünen als Erfolg zu, konterkariert er damit den Versuch bole. Die zwischen Regierung und Op- verkaufen konnten. des bayerischen Ministerpräsidenten position umstrittenen Gesetzesregelun- Die Anerkennung der „nichtstaatli- Edmund Stoiber, CDU und CSU auf gen bedeuten bei rund 7,3 Millionen in chen Verfolgung“ als Abschiebehinder- einen Kurs zu zwingen. Handelt er Schi- Deutschland lebenden Ausländern nur nis sowie die Begrenzung des Alters, bis ly Zugeständnisse ab, bringt er womög- geringe quantitative Veränderungen. zu dem Ausländerkinder nachziehen dür- lich die rot-grüne Koalition in neue Anders als die Fundamentalisten von fen, auf 14 Jahre waren Wünsche der grü- Kalamitäten. der CSU sehen die Realos in den Rei-

30 der spiegel 49/2001 batte um die Sendeanlagen der Mobil- Wörlitz bei Dessau. Der Hauptgang wurde funkbetreiber zu erwarten. Während Wirt- vorab schon festgelegt: gebratenes Wild- schaftsminister Werner Müller für eher schwein. hen der Christdemokraten, wie dringend großzügige Strahlengrenzwerte bei Mobil- Echt ist die gute Laune bei den grünen Deutschland Zuwanderer braucht. funkantennen plädiert, setzen mittlerwei- Realos. Noch in der Samstagnacht hatte Trotz einer Arbeitslosigkeit von fast 4 le Hunderte von lokalen Bürgerinitiativen seinen Kanzler vom Ab- Millionen Arbeitnehmern fehlen der insbesondere die Grünen unter Druck, stimmungserfolg zum Bundeswehreinsatz Wirtschaft 1,2 bis 1,4 Millionen qualifi- strengere Maßstäbe durchzusetzen. im Anti-Terror-Krieg der Amerikaner auf zierte Kräfte. Im Bereich der Informa- Für herzhaften Streit sorgte vergangene dem Rostocker-Parteitag unterrichtet. „Das tionstechnologie sowie in der Metall- Woche Müller auch mit seinem Bericht zur war das grüne Godesberg“, jubelte er tags und Elektrobranche fahnden die Unter- Energiepolitik. Ohne Rücksicht auf grüne darauf, „in dem Antrag steht alles drin, nehmer regelrecht nach Facharbeitern. Empfindlichkeiten formulierte er massive was wir für die nähere Zukunft an Grund- Der Wissenschaft und Forschung fehlen Zweifel an der von Rot-Grün beschlosse- satzentscheidungen brauchen“. „Eine Zä- 40000 Mitarbeiter. Weit mehr als zwei nen Energiewende. Die Kosten seien un- sur“, befand auch Rezzo Schlauch. Drittel der Unternehmen mit Fachkräfte- realistisch hoch (Müller: 500 Milliarden Als Kriegsgegner Hans-Christian Strö- mangel, hat das Institut für Wirtschafts- Mark), und machbar sei das Ganze nur um bele in der Fraktionssitzung am vergange- forschung herausgefunden, sehen „ihr den Preis internationaler Isolierung. nen Montag vortrug, grundsätzlich sei in Wachstum und ihre Konkurrenzfähig- Die Grünen kochten vor Wut. „Eine Rostock noch nicht über die künftige deut- keit gefährdet“. Eine Politik, die eine politische Instinktlosigkeit erster Güte“, sche Militärpolitik entschieden worden, „systematische, umfassende Öffnung“ schimpfte der hessische Grünen-Chef Hu- platzte Parteichef der Kragen. des deutschen Arbeitsmarktes für Aus- bert Kleinert. Müller konterte öffentlich: „Ströbele, jetzt reicht’s“, donnerte er, „ich länder ablehne, „schadet dem Standort „Sorry, aber ich versteh halt was von Deutschland“, warnen auch die Exper- der Sache.“ Vor seinem Antritt in der ten der Stiftung „Marktwirtschaft und Politik arbeitete der parteilose Minis- Politik“. ter als Manager beim Veba-Konzern. So weit will nicht einmal die SPD ge- Besonders heftig giftete die grüne hen – geschweige denn die CDU. Energie-Fachfrau Michaele Hustedt: Durch die „viel zu hohe“ Altersgrenze, Müller wolle sich „wohl um einen moniert Schönbohm, werde Integration Vorstandsposten beim Energiekon- „nicht geschafft, sondern erschwert“. zern E.on bewerben“. Das wiederum Höchstens zehn Jahre alt dürften Kinder ließ den Gerüffelten nicht kalt. Als beim Nachzug sein, fordert der Saarlän- Hustedt am Donnerstag bei der Be- der Müller, der sich an diesem Mittwoch ratung des Wirtschaftsetats im Bun- mit Schily treffen will. destag ans Mikrofon trat, verließ er Dabei ziehen pro Jahr nur knapp 8000 demonstrativ seinen Platz auf der Re- Kinder aus Ländern außerhalb der Eu- gierungsbank. Da half auch der Hin- ropäischen Union nach Deutschland. Die weis des SPD-Abgeordneten Hans- von der CDU gewünschte Herabsetzung Georg Wagner auf ein drängendes der Altersgrenze von jetzt 16 Jahren auf Bedürfnis des Ministers nicht, die At- 10 Jahre würde die Zahl nach Angaben mosphäre zu entspannen. der Ausländerbeauftragten der Bundes- Auch bei führenden Sozialdemo- regierung, , um „weniger kraten liegen gelegentlich Nerven als 1000 Fälle“ verringern. blank. Als Schily am Donnerstag- Für noch unerheblicher hält die abend, beim Treffen der SPD-Minis- Flüchtlingsorganisation der Vereinten terpräsidenten, über die Grünen zu

Nationen (UNHCR) die Auswirkungen lästern begann, stoppte ihn der Kanz- HAITZINGER des zweiten Ärgernisses der Union: der ler: „Ich kann den Grünen im Mo- Kollateralschaden Bunte „nichtstaatlichen“ sowie der „geschlechts- ment nicht mehr zumuten.“ Grimmig spezifischen Verfolgung“. Während Böse sprang der Minister auf: „Die sind doch habe mir lange genug auf die Zunge gebis- „ganze Völkerschaften“ betroffen sieht, verrückt! Da kann ich ja gehen.“ Nur müh- sen.“ Matthias Berninger, Parlamentari- hat die UNHCR in keinem Land Euro- sam gelang es der Runde, den Zornigen zu scher Staatssekretär im Verbraucherschutz- pas gestiegene Flüchtlingszahlen regi- beruhigen. Ministerium, schloss sich an: „Hör auf mit striert, nachdem die Regelung eingeführt Die Grünen haben inzwischen die De- der Scheiße!“ wurde. vise ausgegeben, sich nur noch auf Kon- Vor allem die Orts- und Kreisverbände Nicht nur die Uno-Flüchtlingskommis- flikte einzulassen, „die man auch gewinnen hat der Konflikt um Krieg und Frieden sare warnen vor der Heraufbeschwörung kann“, so die Fraktionschefin Kerstin Mül- kräftig durchgeschüttelt. In Köln verkün- von Schreckensszenarien; auch der Chef ler. Leichtfertig wollen weder die Grünen deten nach dem Beschluss von Rostock des Bundesverbandes der Deutschen In- noch die Sozialdemokraten den frischen zunächst knapp fünf Dutzend Mitglieder dustrie, Michael Rogowski, fordert die Koalitionsfrieden brechen. ihren Austritt und die Gründung einer neu- Union auf, „endlich von der Blockade- Experte fürs gute Klima ist bei den Grü- en Partei. Name: „Die wahren Grünen“. mauer runterzusteigen und sachlich zu nen Rezzo Schlauch, der Fraktionschef Übrig blieb davon allerdings nur eine Hand diskutieren“. aus Stuttgart. Zu Tee und Orangensaft, voll Abtrünniger. Baden-Württemberg Auf eine solche Diskussion setzen auch Brötchen und Eiern berichtete er beim tur- beklagte den Verlust von etwa 50 Mitglie- die Grünen. „Wenn es nur um die Fakten nusmäßigen Koalitionsfrühstück über sei- dern sowie die Auflösung von zwei Orts- geht“, sagt Unterhändler Volker Beck, nen glücklichen 250 000-Mark-Erfolg in gruppen. „dann müsste auch die CDU zustimmen.“ der Quizshow von Günther Jauch, und Doch die Partei hat schon schlimmere Wenn. Rüdiger Scheidges, Holger Stark weil die Laune so gut war, verständigte Zeiten durchgemacht. In Berlin meldeten sich die Runde auf eine gemeinsame Klau- sich vergangene Woche sogar 24 Neumit- sur der Fraktionsspitzen Anfang Januar in glieder. Horand Knaup, Gerd Rosenkranz

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