Heft 3 2012 d

Einzelverkaufspreis: 5,00 Euro n NLu NATURSCHUTZ UND LANDSCHAFTSPFLEGE IN BRANDENBURG BEITRÄGE ZU ÖKOLOGIE, NATUR- UND GEWÄSSERSCHUTZ 94 NATURSCHUTZ UND LANDSCHAFTSPFLEGE IN BRANDENBURG 21 (3) 2012

Blume des Jahres 2012 – Die Heidenelke (Dianthus deltoides)

Wie jedes Jahr wird von der Loki-Schmidt- Stiftung Naturschutz in Hamburg eine Pflanzenart zur Blume des Jahres gekürt. 2012 wurde die Heidenelke gewählt, wobei die Stiftung mit dieser Wahl auf den dringend notwendigen Schutz dieses heimischen, wildwachsenden Nelken- gewächses aufmerksam machen möchte. Aber auch die bedrohten Lebensräume der Art sollen damit stärker ins öffentliche Bewusstsein gerückt werden.

Die Heidenelke ist eine von den recht zahlreich in Deutschland wild vorkom- menden Arten der Gattung Nelke (Dian- thus), die zur Familie der Nelkengewächse (Caryophyllaceae) gehört. Die mehrjäh- rige, ausdauernde Art wächst in kleinen Horsten oder lockeren Rasen und erreicht eine Höhe von 10 bis höchstens 40 cm. Die aufrechten oder manchmal auch etwas aufsteigenden Stängel sind kurz behaart und meist mehrfach verzweigt. Die läng- sich dabei gern die Grasnelke (Armeria elon- ist sie in der Kategorie 3 (gefährdet) regis- lich-schmalen, gegenständigen Blätter sind gata), Silbergras (Corynephorus canescens), triert. dunkelgrün gefärbt. Die intensiv violett- Rauhaarschwingel (Festuca brevipila) oder roten Blüten erscheinen meist von Juni bis das Berg-Sandglöckchen (Jasione montana). Der anhaltende Rückgang der Heidenelke September in lockeren Trugdolden. Die ist auf die zunehmend intensive Nutzung einzelnen Blüten sitzen an langen Stielen Ein Blick auf die Verberitungskarte zeigt, der Landschaft zurückzuführen. Viele Sand- und sind meist nur etwas über 1 cm groß. dass die Heidenelke in ganz Europa heimisch trockenrasen werden heute nicht mehr Selten können auch weißfarbige Blüten ist und bis West-Sibirien und Zentralasien tradtionell extensiv mit Schafen beweidet auftreten. Abends schließen sich die Blü- vorkommt. Sie erreicht in Norwegen fast das und unterliegen daher der fortschreiten- ten regelmäßig. Nordkap, meidet jedoch den Nordwesten den Sukzession mit Stauden und Gehöl- der britischen Inseln und die Küstenregionen zen. Aber auch die (wieder) zunehmende Die gezähnten Blütenblätter sind auf der Südwesteuropas. In Deutschland ist sie prak- Eutrophierung der Landschaft verändert Oberseite mit weißen Pünktchen bedeckt tisch flächendeckend verbreitet, was jedoch die Standorte der Sandtrockenrasen nega- und tragen am Schlund einzelne, silbrig- nicht bedeutet dass sie überall häufig ist. tiv. In Siedlungen werden auch heute weiße Haare. Hinzu kommt noch eine noch oft geeignete Standorte als „Öd- unregelmäßige rote Linie, so dass im Blick Wie alle Nelkenarten gehört die Heidenelke land” in Bauland umgewandelt, obwohl ja auf die ganze Blüte ein Kreis sichtbar wird. zu den nach der Bundesartenschutzverord- Sandtrockenrasen auch als Lebensräume Die nur zwei Millimeter breite Kelchröhre nung in Deutschland besonders geschützten einem bundesweiten gesetzlichen Biotop- ist zusätzlich durch die inneren Staubblät- Arten. In etwa der Hälfte aller Bundesländer schutz unterliegen. ter verengt. Dadurch wird der Kreis der wird sie in den Roten Listen der gefährdeten Bestäuber auf einige Schmetterlingsarten Pflanzen geführt und auch in Brandenburg Frank Zimmermann mit sehr langem, schmalen Rüssel einge- engt. Dies sind vor allem Tagfalter, die die intensiv roten Farbtöne gezielt anfliegen.

Lebensräume der Heidenelke sind vor allem Trockenrasen und besonders im west- lichen Teil Deutschlands auch Heidegebie- te, wodurch sie auch ihren Namen bekam. Im Gegensatz zu vielen anderen heimi- schen Nelken bevorzugt die Heidenelke kalkarme Böden. Dies macht sie zu einer charakteristischen Pflanzenart der in Bran- denburg noch recht verbreiteten, aber dennoch stark im Rückgang befindlichen Sandtrockenrasen. Sie ist namengebende Art des Heidenelken-Grasnelken-Rasens (Diantho deltoides-Armerietum elongatae), einer Pflanzengesellschaft, die hierzulande noch recht häufig nährstoff- und kalkarme Sande besiedelt. Zur Heidenelke gesellen NATURSCHUTZ UND LANDSCHAFTSPFLEGE IN BRANDENBURG 21 (3) 2012 95

Impressum Naturschutz und Landschaftspflege in Brandenburg Herausgeber: Landesamt für Umwelt, Gesundheit Beiträge zu Ökologie, Natur- und Gewässerschutz und Verbraucherschutz Brandenburg (LUGV)

Schriftleitung: LUGV, Referat Ö2 21. Jahrgang Heft 3 2012 Natura 2000/Arten- und Biotopschutz Dr. Matthias Hille Dr. Frank Zimmermann Inhaltsverzeichis Beirat: Thomas Avermann Dr. Martin Flade Dr. Lothar Kalbe Dr. Bärbel Litzbarski FRANK ZIMMERMANN Dr. Annemarie Schaepe Vielfalt gesichert? Ein Überblick zur aktuellen Gefährdungssituation Dr. Thomas Schoknecht von Arten und Lebensräumen in Brandenburg 96 Anschrift: LUGV, Schriftleitung NundLBbg Seeburger Chaussee 2 KATRIN HARTENAUER 14476 Potsdam, OT Groß Glienicke Tel. 033 201/442 223 Situation und Bewertung des Erhaltungszustandes der Bachmuschel E-Mail: matthias.hille@ (Unio crassus PHILIPSSON, 1788) in ausgewählten Gewässern Brandenburgs 111 lugv.brandenburg.de

ISSN: 0942-9328 LARS HENDRICH, REINHARD MÜLLER, GESINE SCHMIDT & THOMAS FRASE Der Breitrandkäfer Dytiscus latissimus (LINNAEUS, 1768) in Brandenburg – Es werden nur Originalbeiträge veröffentlicht. Autoren Wiederfund nach über 20 Jahren sowie eine kritische Betrachtung werden gebeten, die Manuskriptrichtlinien, die bei der Schriftleitung zu erhalten sind, zu berücksichtigen. historischer Fundmeldungen und Sammlungsdaten 120 Zwei Jahre nach Erscheinen der gedruckten Beiträge werden sie ins Internet gestellt. Alle Artikel und Abbildungen der Zeitschrift unterlie- gen dem Urheberrecht. KURZBEITRÄGE Die Vervielfältigung der Karten erfolgt mit Genehmi- gung des Landesvermessungsamtes Brandenburg FRANK ZIMMERMANN (GB-G 1/99). Namentlich gezeichnete Beiträge geben nicht unbe- Blume des Jahres 2012 – Die Heidenelke (Dianthus deltoides) 94 dingt die Meinung der Redaktion wieder. KLAUS RUDOLPH Redaktionsschluss: ??.??.2012 Erster Nachweis von Chelicorophium robustum (Sars, 1895) Layout/Druck/Versand: (Crustacea, Amphipoda) im Land Brandenburg 127 Brandenburgische Universitäts- druckerei und Verlagsgesellschaft Potsdam mbH B. GALL, P. LANTZSCH Karl-Liebknecht-Str. 24/25 Die Sammelmppe „Steckbriefe Brandenburger Böden“ – 14476 Potsdam (OT Golm) Anliegen, Inhalte und aktuelle thematische Erwartungen 128 Tel. 0331/56 89-0 Fax 0331/56 89-16 In eigener Sache 135 Bezugsbedingungen: Bezugspreis im Abonnement: 4 Hefte – 12,00 Euro pro Jahrgang, Einzelheft 5,00 Euro. PERSÖNLICHES Die Einzelpreise der Hefte mit Roten Listen sowie der thematischen Hefte werden gesondert festgelegt. Bestellungen: [email protected] Abschied von Willi Recker 130

Titelbild: In vielen Heideflächen Brandenburgs – hier im FFH-Gebiet Erinnerungen an Erich Insel – einen aktiven Naturschützer 131 „Buschschleuse“ – ist die Besenheide (Calluna vulgaris) stark überal- tert und bedarf einer angepassten Pflege (6.9.2012). Zum 70. Geburtstag von Dr. Dietrich Schmidt und die Rücktitel: Die Nordische Moosjungfer (Leucorrhinia rubicunda) ist eine der überwiegend nordisch-boreal verbreiteten Libellenarten, die Bedeutung „seiner“ Armleuchteralgen (Charales) 131 durch die klimatischen Veränderungen in Brandenburg an den Rand des Aussterbens geraten (FFH-Gebiet „Löcknitztal“, 4.6.2011) Fotos: F. Zimmermann LITERATURSCHAU 133 96 NATURSCHUTZ UND LANDSCHAFTSPFLEGE IN BRANDENBURG 21 (3) 2012; 96-110

FÜR DIE ERHALTUNG EINIGER LEBENSRÄUME UND ARTEN SOWIE WEITERE SCHWERPUNKTE DER BIODIVERSITÄT IM SINNE DER CBD TRÄGT BRANDENBURG EINE DEUTSCHLANDWEITE UND IN EINIGEN FÄLLEN DARÜBER HINAUS REICHENDE VERANTWORTUNG

FRANK ZIMMERMANN Vielfalt gesichert? Ein Überblick zur aktuellen Gefährdungssituation von Arten und Lebensräumen in Brandenburg*

1 Einleitung (SCI nach FFH-Richtlinie und SPA nach Vogel- Lebensräumen aufzuhalten oder sogar den schutzrichtlinie), die somit 17,5 % der Flä- Trend umzukehren, setzt sich auf allen Ebe- Die Erhaltung der biologischen Vielfalt – kurz che der EU einnehmen (vgl. Natura-Barome- nen der Schwund an biologischer Vielfalt Biodiversität – gehört zu den zentralen The- ter 2011). fort (vgl. u. a. IUCN 2008). Mehr noch: Das men, die gerade in den letzten Jahren welt- Auch in Deutschland wird – über die Umset- Tempo und das Ausmaß des Rückgangs weit, in Europa, in Deutschland und letztlich zung von Vogelschutz- und FFH-Richtlinie haben sich teilweise noch verschärft und auch in Brandenburg diskutiert werden. Nicht hinaus – auf die Erhaltung der Biodiversität nichts deutet derzeit darauf hin, dass sich selten wird der Begriff Biodiversität auf großes Augenmerk gerichtet. Die am 7. No- dies demnächst ändern könnte. Artenvielfalt reduziert, jedoch umfasst er im vember 2007 verabschiedete „Nationale Wie sieht es nun in Brandenburg aus. Bei- Sinne der Biodiversitätskonvention (Conven- Strategie zur Biologischen Vielfalt“ benennt spielhaft werden im Folgenden anhand eini- tion on Biological Diversity – CBD) neben zahlreiche Defizite für Deutschland, formu- ger traditionell besonders gut untersuchter der Vielfalt an Arten aller Ökosysteme der liert umfangreiche Visionen und benennt Artengruppen und der Lebensräume (Bioto- Erde auch die genetische Vielfalt sowie die Akteure und rechtliche Möglichkeiten. Auch pe) die aktuelle Gefährdungssituation und die Vielfalt der Ökosysteme selbst. Die auf der in Brandenburg ist dieses Thema längst ange- Hauptgefährungsursachen analysiert und UN-Konferenz 1992 in Rio de Janeiro ausge- kommen und in einer Broschüre (MUGV dargestellt. Es sei an dieser Stelle vorwegge- handelte und am 29.12.1993 in Kraft getre- 2011) werden Ausgangssituation, Defizite nommen, dass es selbstverständlich auch in tene CBD gibt als völkerrechtlich verbindli- und Handlungsschwerpunkte dargestellt. Brandenburg neben zahlreichen negativen ches, von bislang 168 Staaten sowie der EU Noch in diesem Jahr soll ein von der Landes- Entwicklungen der Bestände von Tier- und unterzeichnetes Vertragswerk den Rahmen regierung beauftragtes, umfassendes Maß- Pflanzenarten sowie Biotopen auch positive für weltweite Bestrebungen zur Sicherung nahmeprogramm zur Biologischen Vielfalt Trends gibt. Das Schutzgebietssystem Natu- der biologischen Vielfalt vor. zu Wege gebracht werden, welches sich ra 2000 umfasst in Brandenburg 620 FFH- In Europa existieren mit der EU-Vogelschutz- bereits in der internen Diskussion befindet. Gebiete und 27 SPA-Gebiete und nicht zu- richtlinie von 1979 und insbesondere der Fau- Die Bilanz des bisher Geschafften ist ernüch- letzt leistet das fast 40 % der Landesfläche na-Flora-Habitat-(FFH)-Richtlinie von 1992 ternd. Sämtliche zeitliche Ziele, die man sich umfassende Netzt von Nationalen Naturland- umfassende Instrumente, die die Erhaltung weltweit, in Europa sowie in Deutschland schaften (Naturparke, Biosphärenreservate, und Wiederherstellung der Biodiversität zum und einzelnen Bundesländern für die Errei- Nationalpark) einen wesentlichen Beitrag zur Ziel haben. Das auf diesen Richtlinien basie- chung verschiedener Ziele der genannten Sicherung der Biodiversität (vgl. ZIMMERMANN rende europäische Schutzgebietssytem Natu- Konventionen und Strategien gesetzt hat, et al. 2012). Auch zahlreiche EU-LIFE-Projek- ra 2000 umfasst nach aktuellem Stand (Juni wurden bislang verfehlt. Ganz im Gegenteil: te, die Umsetzung von landesweiten Arten- 2011) europaweit insgesamt 22.594 Gebiete Statt den weiteren Rückgang an Arten und schutzprogrammen, weitere landesweite oder lokale Arten- und Lebensraum-Schutzpro- jekte und verschiedene andere Naturschutz- instrumente helfen, dem Rückgang von Arten und Lebensräumen entgegen zu wirken. Doch reicht das alles aus, um Brandenburgs Naturreichtümer, die Vielfalt an Arten und Lebensräumen dauerhaft zu sichern und den Rückgang der Arten- und Lebensraumviel- falt wirklich zu stoppen?

2 Brandenburgs besondere Verantwortung für die biologische Vielfalt

Für die Erhaltung einiger Lebensräume und Arten sowie weitere Schwerpunkte der Bio- diversität im Sinne der CBD trägt Branden- burg eine deutschlandweite und in einigen Fällen darüber hinaus reichende Verantwor- tung.

Abb. 1 * Erweiterte Fassung eines Vortrages zur Fachtagung Artenreiche Feuchtwiesen – hier mit dem Schlangenknöterich (Bistorta officinalis) sind oft „20 Jahre Zeitschrift Naturschutz und Land- durch fehlende oder nicht angepasste Nutzung gefährdet (FFH-Gebiet „Biesenthaler Becken“, schaftspflege in Brandenburg“ am 9.2.2012 im 26.5.2011) Foto: F. Zimmermann Haus der Natur Potsdam FRANK ZIMMERMANN: Vielfalt gesichert? Ein Überblick zur aktuellen Gefährdungssituation von Arten und Lebensräumen in Brandenburg 97

Abb. 2 Altarm der Spree bei Rassmannsdorf mit Schwimmblattvegetation aus Teichrose (Nuphar lutea) und Wassernuss (Trapa natans) (FFH-Gebiet Schwarzberge und Spreeniederung“, 1.8.2012) Foto: F. Zimmermann

Bei Lebensräumen sind dabei vor allem Die hohe Verantwortlichkeit Brandenburgs maprägung vor allem im östlichen Branden- nährstoffarme Klarwasserseen, Kessel- und innerhalb von Deutschland und darüber hin- burg führt dazu, dass eine ganze Reihe von Verlandungsmoore, artenreiche Flachland- aus für eine ganze Reihe von Tier- und Pflanzenarten hier die Westgrenze ihrer öst- mähwiesen, subkontinentale Trocken- und Pflanzenarten ist u. a. auf mehrere Gegeben- lichen Verbreitung hat. Bei einigen Arten Halbtrockenrasen sowie baltische Buchen- heiten zurückzuführen. Zunächst bedingt handelt es sich um isolierte, teilweise weit wälder und deren charakteristische Arten der reiche Formenschatz eiszeitlicher Groß- vom geschlossenen Areal entfernte Vorpos- hervorzuheben. Aber auch für Flussauen, und Kleinformen (Grund- und Endmoränen, tenvorkommen. Die Lage im Übergangs- Binnensalzstellen, Moorwälder und verschie- Sander und Talsandflächen, Moore, Klein- bereich vom kontinentalen zum atlantischen dene andere Waldtypen sowie für kontinen- gewässer, Seen) ein oft kleinräumig wech- Klima bedingt zudem das Vorkommen von tale Trockenheiden trägt Brandenburg inter- selndes Relief und standörtliche Vielfalt und Arten beider Klimazonen, die teilweise ver- nationale, deutschlandweite bzw. überregio- bietet Arten mit spezifischen Ansprüchen zahnt auf engem Raum vorkommen. Die nale Verantwortung. Lebensraum. Die stark (sub)kontinentale Kli- vergleichsweise geringe Siedlungsdichte in

Abb. 4 Abb. 3 Weitgehend intakte Moorkerne von Zwischenmooren wie hier im Sickerquellhorizont im Eichen-Hainbuchenwald des FFH-Gebietes FFH-Gebiet „Pastlingsee“ mit typischen Moorkiefern (Pinus sylvestris „Kunsterspring“ (18.4.2007) f. turfosa) sind nur noch sehr selten zu finden (9.8.2012) Foto: F. Zimmermann Foto: F. Zimmermann 98 NATURSCHUTZ UND LANDSCHAFTSPFLEGE IN BRANDENBURG 21 (3) 2012

Abb. 5 Der Kalksee im FFH-Gebiet „Ruppiner Schweiz – Ergänzung“ gehört als mesotropher Klarwassersee zum FFH-LRT 3140 (18.4.2007) Foto: F. Zimmermann Brandenburg erlaubt auch heute noch die • Spreewald, Luckau-Calauer Becken ein- der Biodiversität, die im Auftrag des BMU/ Existenz großer, relativ unzerschnittener und schl. von Teilen des Niederlausitzer Land- BfN erarbeitet wurde und Grundlage für die störungsarmer Räume als Grundlage für das rückens und der Niederlausitzer Heide Umsetzung des diesbezüglichen Programm- Vorkommen von Arten mit großen Raum- punktes sein soll (Stand Juli 2011). Somit wer- ansprüchen. den drei große Landschaftsräume in Branden- [Die fett hervorgehobenen Bereiche sind auch burg als Förderschwerpunkte in das Bundes- Bestandteile der Suchraumkarte zur Identi- programm eingehen (von bundesweit 30 Land- fizierung der deutschlandweiten „Hotspots“ 3 Schwerpunkträume schaftsräumen).] der Biodiversität in Brandenburg

Als Räume mit einer besonders hohen Arten- vielfalt sowie besonderer Bedeutung für die Erhaltung von Arten und Lebensräumen mit besonderer Verantwortlichkeit können folgen- de Räume in Brandenburg benannt werden:

• Mittleres und Unteres Odertal einschließ- lich der angrenzenden Hochflächen und Seitentäler sowie das untere Elbtal • Südteil des Nördlichen Landrückens mit den Schwerpunkten Stechlingebiet, Feld- berg-Lychener Wald- und Seengebiet sowie Choriner und Angermünder End- moräne mit deren Vor- und Rückland • Havelniederung einschließlich der mittle- ren und unteren Havelniederung und der an Berlin angrenzenden Niederungs- gebiete Abb. 6 • Märkische Schweiz, Barnimplatte und Freienwalder Waldgebiet Im FFH-Gebiet „Oderwiesen nördlich Frankfurt“ zwischen Frankfurt/Oder und Lebus voll- • Dahme-Heideseengebiet sowie Nuthe- zieht sich eine langsame Regeneration von Weichholz-Auwäldern (6.5.2011) Notte- und Nuthe-Nieplitz-Niederung Foto: F. Zimmermann FRANK ZIMMERMANN: Vielfalt gesichert? Ein Überblick zur aktuellen Gefährdungssituation von Arten und Lebensräumen in Brandenburg 99

4 Woran lässt sich der Rück- Wirbeltiere (BfN 2009), für Pilze, Flechten tion von Arten und Lebensräumen sollen sie gang von Arten und und Myxomyceten (BfN 2011) sowie für vor allem die Gefährdungsursachen analy- Lebensräumen messen? Wirbellose Tiere (BfN 2012) für die Einschät- sieren und daraus konkreten Handlungs- Rote Listen als „Barometer zung der deutschlandweiten Gefährdung bedarf ableiten, der in erster Linie auf eine der Biodiversität“ von Arten angewendet. Die Botschaft der naturverträglichere Landnutzung und kon- erst Anfang August 2012 neu aufgelegten krete Schutzmaßnahmen abzielt. Vor allem dank der Arbeit zahlreicher ehren- Roten Liste der wirbellosen Tiere ist leider Hierfür ist insbesondere auch das seit etwa amtlicher Naturschutzmitarbeiter wissen wir eindeutig: „Der Rückgang vieler Arten über- 10 Jahren im Rahmen der Bearbeitung für um die Bestände in vielen Artengruppen und wiegt die Zunahme einiger weniger Arten verschiedene Artengruppen in Deutschland die Gefährdungsfaktoren recht gut Bescheid. deutlich“, so fasste BfN-Präsidentin Prof. eingeführte zusätzliche Kriterium der Ver- In den regelmäßig fortgeschriebenen Roten Beate Jessel die Kernaussage dieser Roten antwortlichkeit für den Erhalt bestimmter Listen – den „Barometern der Biodiversität“ – Liste in einer Pressemitteilung zusammen Pflanzen- und Tierarten (GRUTTKE et al. werden weltweit seit den 1960er Jahren (http://www.bfn.de/12883.html?&cHash= 2004) sehr hilfreich, welches über die bloße (IUCN-SSC 1966 a, b), in den einzelnen euro- dc0cb633cb9dde8310339864cd421cd9&tx Analyse der Gefährdung im jeweiligen päischen Ländern beginnend ab den 1970er _ttnews%5Btt_news%5D=4295). 45,8 Pro- Betrachtungsraum hinaus auch die Verbrei- Jahren (BLAB et al. 1977) sowie den einzelnen zent aller untersuchten wirbellosen Arten tung und Gefährdung im Gesamtareal mit Bundesländern ab den 1980er Jahren die müssen damit aktuell als gefährdet gelten, betrachtet. Die Aussagekraft der Roten Lis- Kenntnisse zu den jeweiligen Artengruppen das sind 7 % mehr als noch 1998. Besonders ten wird damit wesentlich erweitert, lässt oder den Biotopen zusammengestellt und dramatisch stellt sich demnach die Situation sich doch daraus auch für durchaus weniger kommentiert (vgl. auch ZIMMERMANN 2007). bei den Ameisen dar, bei denen in den letzten stark gefährdete Arten ein hoher Hand- Die Kriteriensysteme, auf deren Basis eine 25 Jahren fast 92 Prozent der Arten einen lungsbedarf ableiten, wenn sich beispiels- möglichst objektive Einschätzung von Um- negativen Trend aufweisen. weise die Hauptvorkommen oder große fang und Ursachen der Gefährdung der Auf der Basis dieser bereits einige Jahre ver- Arealteile im Betrachtungsraum der jeweili- Arten und Lebensräume erfolgen soll, haben fügbaren Methodik (vgl. LUDWIG et al. 2006) gen Roten Liste befinden. sich seither mehrfach geändert. Wurde bis werden seit 2008 auch die Roten Listen Beginnend mit der 2. Fassung der Roten Lis- vor kurzem noch versucht, über alle räum- gefährdeter Arten in Brandenburg erstellt. te der Gefäßpflanzen Brandenburgs (RISTOW lichen Betrachtungsebenen hinweg ver- Bislang wurden nach der neuen Methodik et al. 2006) wurde das Kriterium der Verant- gleichbare Kriterien zu verwenden, so hat der Roten Listen Brandenburgs für Brutvögel wortlichkeit in weitgehender Anlehnung an man sich in Deutschland nach einer kriti- (RYSLAVY & MÄDLOW 2008), Fische und Rund- die bundesweite Methodik auch in Branden- schen Auseinandersetzung mit den aktuellen mäuler (SCHARF et al. 2012) sowie die Arm- burg analysiert. Unter besonderer Berück- Änderungen der IUCN-Kriterien (s. HAUPT leuchteralgen (KABUS & MAUERSBERGER 2011) sichtigung der Verhältnisse in der kontinen- et al. 2009) davon entfernt. Ein zuvor mit bearbeitet. Weitere Rote Listen befinden talen biogeografischen Region der EU analy- den Fachbehörden der Länder in mehreren sich derzeit für Libellen (3. Fassung), Mollus- siert SCHOKNECHT (2011) die Verantwortlich- Tagungen und Workshops vorgestelltes und ken und Säugetiere (jeweils 2. Fassung) keit sowie die Handlungserfordernisse für durchaus teilweise kontrovers diskutiertes sowie für Pflanzengesellschaften (1. Fas- die Lebensräume des Anhangs I sowie die Kriteriensystem einschließlich verbesserter sung) mit unterschiedlichem Bearbeitungs- Arten der Anhänge II und IV der FFH-Richt- Definitionen der Gefährdungskategorien, stand in Vorbereitung. linie. Eine aktuelle Analyse der Verantwort- einer einheitlichen Methodik der Gefähr- Funktionen und Ziele Roter Listen wurden lichkeit für eine Reihe von Artengruppen, für dungsanalyse und eines Einstufungsschemas an verschiedenen Stellen dargelegt (vgl. BLAB die überwiegend noch keine aktuellen, nach wurde unter Federführung des Bundesamtes et al. 2005, ZIMMERMANN 2007). Neben ihrer den neuen Kriterien erarbeiteten Rote Listen für Naturschutzes (BfN) erarbeitet (LUDWIG Hauptfunktion zur Information der Öffent- vorliegen, ist Gegenstand einer aktuellen et al. 2009) und mit den Roten Listen für die lichkeit über die aktuelle Gefährdungssitua- Arbeitsliste (KRUSE et al. unveröff.).

Abb. 7 Feldsölle in der intensiv genutzten Agrarlandschaft im Biosphärenreservat Schorfheide-Chorin, die Nutzung reicht fast bis an die Wasserfläche. Im Hintergrund der Parsteiner See (7.5.2009) Foto: F. Zimmermann 100 NATURSCHUTZ UND LANDSCHAFTSPFLEGE IN BRANDENBURG 21 (3) 2012

5 Zusammengefasste Bilanz eine Artengruppe eingeflossen sind, bei der räume sind in unterschiedlichem Maße in der Roten Listen in es überdurchschnittlich vielen Arten v. a. auf- ihren Beständen gefährdet, dies trifft sowohl Brandenburg (1998-2011) grund der Verbesserung der Gewässerqualität deutschlandweit als auch für Brandenburg zu und der Durchgängigkeit von Fließgewäs- (vgl. RIECKEN et al. 2006, ZIMMERMANN et al. Eine ausführliche Übersicht und Bilanz der sern wieder deutlich besser geht. 50 % der 2007). bisher in Brandenburg erschienenen Roten Lis- Herabstufungen in eine geringere Gefähr- Dem anhaltenden Rückgang von Arten und ten wurde bereits vor einigen Jahren erstellt dungskategorie sind hier auf eine tatsächli- Lebensräumen stehen auch positive Tenden- (ZIMMERMANN 2007). An gleicher Stelle wird che Verbesserung der Bestandssituation zu- zen entgegen. Umfangreiche Schutzgebiets- auf das Problem der eingeschränkten Ver- rückzuführen (das betrifft 13 Arten, s. SCHARF ausweisungen dienen der Sicherung von gleichbarkeit der Anfang der 1990er erstell- et al. 2012). Lebensräumen, Biotoppflegemaßnahmen und ten Listen mit den nach 1997 bearbeiten Deutlich muss man auch hervorheben, dass die Umsetzung von Artenschutzprojekten Roten Listen hingewiesen. In die aktuelle mit den 15 in Roten Listen Brandenburgs haben teilweise positive Auswirkungen auf die Bilanz wurden nunmehr die bereits weiter betrachteten Artengruppen (ca. 6000 Arten) Bestände einiger Arten. Hervorzuheben sind oben erwähnten, nach neuen Kriterien über- lediglich für einen Teil der Pflanzen- und hierbei u. a. die Zunahme einiger Greifvogel- arbeiteten Roten Listen für weitere Arten- Tierarten Gefährdungsanalysen vorliegen. arten, lokal positive Trends bei einzelnen Amphi- gruppen einbezogen und sie umfasst nun- Diese Artengruppen sind traditionell mehr bien sowie die anhaltend positive Bestands- mehr Listen von 15 verschiedenen Arten- oder weniger gut untersucht. Für viele Arten- entwicklung bei Fischotter und Biber sowie gruppen. gruppen gibt es aber gar keine ausreichen- verschiedenen Arten von Wasserpflanzen. Da nur zu drei Artengruppen neue Zahlen in den Kenntnisse oder deren Gefährdung Als besonders negative Entwicklungen sind die Bilanz eingegangen sind, war nicht zu wurde noch nicht (oder nicht aktuell) analy- der alarmierende Rückgang vieler boden- erwarten, dass sich die Zahlen im Vergleich siert. Führt man sich vor Augen, dass mit je- brütender Vogelarten und von Arten trocken- zur Analyse vor fünf Jahren wesentlich der aussterbenden oder seltener werdenden warmer Offenlandlebensräume hervorzu- ändern. Dass sich allerdings – bei einem „Zu- Art weitere Arten über Nahrungsketten oder heben. Der weitere Rückgang einiger Amphi- wachs“ von gerade einmal knapp 70 neu andere biologische Beziehungen direkt oder bienarten, vorwiegend nördlich verbreiteter betrachteten Arten – mit nunmehr insge- indirekt betroffen sind, kann man die hohe Insektenarten sowie der Rückgang konkur- samt 3.106 bewerteten Arten (s. Tabelle 1) „Dunkelziffer“ weiterer gefährdeter Orga- renzschwacher Pflanzen der Moore, Feucht- der Anteil der insgesamt gefährdeten Arten nismen erahnen. wiesen, Trockenrasen und Wälder sind von 50,4 % auf 51,4 % zwar geringfügig, ebenfalls dramatisch. aber dennoch weiter erhöht hat, gibt wenig Auch der Klimawandel zeigt in Brandenburg Anlass für Optimismus. Man muss an dieser 6 Die Situation der Biologi- Auswirkungen auf die biologische Vielfalt. Stelle außerdem deutlich hervorheben, dass schen Vielfalt in Branden- So wandern z. B. verstärkt einzelne Arten die neuen Einstufungskriterien tendenziell zu burg in Beispielen mit südlichem Verbreitungsschwerpunkt ein, einer geringeren Gefährdungseinschätzung während Arten mit vorwiegend nördlicher einiger Arten führen, ohne dass sich an Aus den Bilanzen der Roten Listen lässt sich Verbreitung und speziellen Lebensraum- Bestandssituation oder einwirkenden Gefähr- konstatieren, dass trotz vorhandener positi- ansprüchen einem starken Rückgang unter- dungsfaktoren etwas positiv geändert hätte. ver, auf den aktiven Schutz von Natur und liegen. Eine unmittelbare Verstärkung des Aus der Analyse der Roten Liste der Wirbel- Umwelt zurückzuführender Trends für ein- Artenrückgangs infolge des Klimawandels ist tiere Deutschlands (BfN 2009) ergibt sich zelne bedrohte Arten und Biotope in Bran- in Zukunft insbesondere im Wechselspiel mit beispielsweise, dass fast genau 60 % der Her- denburg sind nach wie vor gravierende veränderten Niederschlagsbedingungen und abstufungen von Arten in geringere Gefähr- Rückgänge bei einer Vielzahl von Organis- der vorhergesagten verstärkten Sommer- dungskategorien aus Kenntniszuwachs oder mengruppen und deren Lebensräumen zu trockenheit zu erwarten. methodischen Änderungen bei der Einstu- verzeichnen sind. Die vorübergehende Tendenz zu Extensivie- fung resultieren. Das bedeutet im Gegen- 51,4 % aller Arten sind insgesamt gefährdet, rung und Flächenstilllegungen in der Land- schluss, dass sich die reale Bestandssituation ein Zehntel der Arten ist vom Aussterben wirtschaft ist einer erneuten Intensivierungs- bei diesen und weiteren Arten nicht verbes- bedroht, d.h. es besteht die akute Gefahr, welle, v. a. durch Energiepflanzen, gewichen. sert hat. Hinzu kommt noch, dass auch eini- dass einige von ihnen in nächster Zeit ver- Der Landnutzungswandel im Hinblick auf ge Arten, die seit Beurteilung in vorherigen schwinden werden. Weitere 8 % unterliegen neue Energieträger und nachwachsende Roh- Roten Listen Bestandseinbußen erlitten haben, einer starken Gefährdung. Im Vergleich zu stoffe wirkt sich zunehmend negativ auf die durchaus methodisch bedingt jetzt in einer den Analysen vom Anfang der 1990er Jahre biologische Diversität aus. geringen Gefährdungskategorie eingestuft sind 6 % an gefährdeten Arten hinzuge- Anhand einiger beispielhaft ausgewerteter sein können. kommen. Artengruppen, für die auch regelmäßig aus- Zusätzlich ist in Betracht zu ziehen, dass in Bei den Lebensräumen ist die Situation – wie reichende Kenntnisse zur Beurteilung von die aktuelle Bilanz der Roten Listen in Bran- auch bundesweit – übrigens noch deutlich Bestands- und Gefährdungssituation vorlie- denburg mit den Fischen und Rundmäulern dramatischer. Etwa drei Viertel aller Lebens- gen, sollen im Folgenden einige positive wie negative Entwicklungen der Biodiversität in Tab. 1: Zusammengefasste Bilanz der Roten Listen nach neuen Kriterien von 1998-2011 im Vergleich zu den Brandenburg dargestellt werden. Roten Listen aus den Jahren 1992-1995 Gefährdungskategorie RL Bbg. 1998-2011 RL Bbg. 1992, 1993, 1995 6.1 Amphibien und Reptilien Anzahl Anteil Anzahl Anteil (n=6.040) (%) (n~5.578) (%) Amphibien sind wohl diejenige Artengruppe, die sowohl weltweit, in Europa als auch in 0 390 6,5 399 7 Deutschland und Brandenburg den höchsten 1 577 9,6 616 11 Anteil gefährdeter Arten aufweist. Die bloße, 2 596 9,9 503 9 aus den aktuellen Daten der IUCN (2008) 3 618 10,2 677 12 abgeleitete Zahlenbilanz könnte man hinge- R 221 3,7 190 3,5 gen auch positiver auslegen. Schließlich gel- G 191 3,2 --ten ja 37,8 % der Amphibienarten weltweit V 314 5,2 --als ungefährdet und für 23,4 % der Arten fehlen entsprechende ausreichende Kennt- D 199 3,3 129 2,5 nisse. Gerade bei vielen dieser – oft sehr selte- Summe gefährdeter Arten/Sippen 3.106 51,4 2.514 45 nen oder nur sehr lokal verbreiteten Arten – FRANK ZIMMERMANN: Vielfalt gesichert? Ein Überblick zur aktuellen Gefährdungssituation von Arten und Lebensräumen in Brandenburg 101

ist jedoch mit hoher Wahrscheinlichkeit von men mit der Anlage breiter Randstreifen um spielsweise mit Teichfrosch, Erdkröte und einer teilweise hohen Gefährdung auszuge- die Feldsölle – z. B. in der Börnicker Feldmark Knoblauchkröte nur noch wenige Arten un- hen, man weiß es eben nur nicht. bei Bernau – wurden mittlerweile im Zuge gefährdet sind. Auch deutschlandweit sind Dabei ist es nicht unbedingt so, dass im Ver- der aktuellen Agrar- und Energiepolitik durch mittlerweile über 70 % der Amphibienarten gleich zu den 1990er Jahren deutlich mehr Umbruch der Randstreifen wieder zunichte mehr oder weniger stark gefährdet. Arten an den Rand des Aussterbens geraten gemacht. Viel alarmierender ist jedoch, dass Auch der Erhaltungszustand des Kammmol- sind. Vergleicht man oberflächlich einfach auch einige einst weit verbreitete und durch- ches (Triturus cristatus) hat sich nach den die Gefährdungskategorien beispielsweise aus häufige Arten wie der Grasfrosch deut- bereits in den Jahren zwischen 1970-1990 einiger Amphibienarten wie Rotbauchunke lich im Rückgang begriffen sind und bei- zu verzeichnenden massiven Bestandseinbrü- (Bombina bombina) und Laubfrosch (Hyla arborea), könnte man sogar zu dem Schluss kommen, beide Arten seien aktuell weniger gefährdet. In der seinerzeit vom Umwelt- ministerium herausgegebenen, ersten umfas- senden Roten Liste der Tiere Brandenburgs (BAIER 1992) wurden beide Arten als vom Aussterben bedroht geführt, in der aktuellen Liste (SCHNEEWEIß et al. 2004) werden sie „nur“ als stark gefährdet geführt. Allerdings war wohl die Gefährdungseinstufung von 1992 für beide Arten zumindest nach heute anzuwendenden Kriterien eine Fehleinschät- zung, denn sie waren auch zu dieser Zeit nicht wirklich vom Aussterben bedroht. Die Bestandssituation beider Arten hat sich seit den 1990er Jahren – abgesehen von loka- len Bestandszuwächsen durch Schutzmaß- nahmen beim Laubfrosch – keineswegs ver- bessert. Ganz im Gegenteil! Sieht man ein- mal von den die Jahresniederschläge betref- fenden „Ausnahmejahren“ 2011/2012 ab, ist aufgrund des immer häufigeren Austrock- nens der Laichgewässer (besonders in Grund- moränengebieten) vor allem die Rotbauch- unke in Brandenburg weiter auf dem „Rück- Abb. 8 zug“ (SCHNEEWEIß & ZBIERSKI 2009, SCHNEEWEIß Der Laubfrosch (Hyla arborea) befindet sich wie fast alle heimischen Amphibien weiter im 2012). Erfolgversprechende Schutzmaßnah- Rückgang Foto: B. Thiesmeier

Abb. 9 Viele Kleingewässer haben erst aufgrund der Niederschlagsentwicklung in den letzten beiden Jahren wieder normale Wasserstände zu verzeich- nen, wie hier auf der Barnimplatte bei Mehrow (19.9.2012). Sie sind Lebensraum verschiedener Amphibienarten Foto: F. Zimmermann 102 NATURSCHUTZ UND LANDSCHAFTSPFLEGE IN BRANDENBURG 21 (3) 2012

Besatz von Amphibien-Laichgewässern mit Fischen.

6.2 Vogelarten

Einer Reihe von Vogelarten geht es heute hierzulande zweifellos gut. Vom nach wie herrschenden Überangebot an Nährstoffen profitieren viele Arten. Auch am Ende der Abb. 10 Nahrungskette stehende Arten wie See- und Die Östliche Smaragd- Fischadler sind dadurch gut versorgt, die eidechse (Lacerta viri- Bestände wurden aber auch besonders durch dis) ist mit ihren letz- langjährige, bereits in der DDR begonnene ten Reliktpopulatio- Horstschutz-Maßnahmen und ein funktio- nen in Brandenburg extrem stark gefähr- nierendes Betreuungssystem gefördert. Über- det haupt waren es vor allem Vogelarten – eine traditionell gut untersuchte Artengruppe – Foto: N. Schneeweiß bei denen nach 1990 überdurchschnittlich chen weiter dramatisch verschlechtert und Schutzprogramme und das Überleben der viele deutlich positive Bestandstrends zu ver- ein Ende des Trends ist auch hier nicht abseh- Arten in Brandenburg gefährden. zeichnen waren. Erfreulich daran ist, dass bar. Gleiches trifft aber auch auf ursprüng- Die Hauptgefährdungsursachen für Amphi- sich darunter auch eine ganze Reihe von lich weit verbreitete Arten wie den Gras- bien sind neben der Verlandung bzw. dem Arten befindet, für deren Erhaltung Branden- frosch (Rana temporaria) zu. frühzeitigen Austrocknen von Kleingewäs- burg eine besondere Verantwortung trägt. Auch bei bereits früher im Tiefland eher sel- sern infolge sinkender Grundwasserstände Von den 15 Arten, deren Anteil Branden- tenen Reptilienarten wie z. B. der Kreuzotter und Klimaveränderungen v. a. die zuneh- burgs am deutschen Gesamtbestand mehr (Vipera berus) hat sich der negative Trend mend intensive Landwirtschaft verbunden als 30 % ausmacht, waren bei 10 Arten seit weiter fortgesetzt. Von der Europäischen mit (gegenüber den 1990er Jahren) wieder Anfang der 1990er Jahre mehr oder weniger Sumpfschildkröte (Emys orbicularis) und der verstärkter Eutrophierung und Verlandung deutliche Bestandszuwächse zu verzeichnen. Östlichen Smaragdeidechse (Lacerta viridis) der Laichgewässer und dem Einsatz von Neben dem Fischadler gehören dazu u. a. existieren mittlerweile nur noch wenige, kaum Agrochemikalien. Die aktuelle Intensivierung Drosselrohrsänger, Grauammer, Kranich und dauerhaft überlebensfähige Reliktpopulatio- der Landwirtschaft ist verbunden mit der Rohrdommel. So konnten nach stetigem nen, die verschiedensten Gefährdungen unter- Aufgabe nahezu sämtlicher Brach- und Still- Anstieg im Jahr 2010 beim Seeadler 159 Re- liegen (vgl. u. a. BÖHME et al. 2006, SCHNEE- legungsflächen, stärkeren Nähr- und Schad- vierpaare und beim Fischadler 325 Revier- WEIß & WOLF 2009). Zwar wurde für beide stoffeinträgen, einer intensiveren Boden- paare registriert werden (RYSLAVY 2012 in Arten noch vor wenigen Jahren ein mögli- bearbeitung und dem Verlust von Splitter- und litt.). Durch aktuelle Entwicklungen haben cher Fortbestand unter der Voraussetzung Randflächen um Gewässer als Landlebens- sich einige dieser positiven Trends allerdings konsequenter Schutzmaßnahmen konstatiert, räume (sowohl Sommer- als auch Überwin- bereits wieder umgekehrt, v. a. bei Vogel- wobei die aktuellen klimatischen Vorausset- terungshabitate). Damit verbunden ist eine arten der Agrarlandschaft (siehe unten). zungen sich vielleicht sogar günstig auswir- beschleunigte Sukzession der Laichgewässer. Der Bestand der Großtrappe in Brandenburg ken könnten. Doch verschiedene Faktoren, Aber auch die weitere Verdichtung des Ver- konnte dank aufwändiger, intensivster Schutz- v. a. auch direkte Prädation durch Fressfeinde kehrsnetzes sowie des Straßenverkehrs und maßnahmen in den letzten verbliebenen Ein- (inkl. Neobiota wie z. B. Waschbär und Mar- die Zersiedlung der Landschaft wirken sich standsgebieten wieder auf den im Jahr 2012 derhund) und direkte Nachstellungen durch durch Isolation von Teilpopulationen und mit 123 Tieren registrierten, bislang höchsten den Menschen (Smaragdeidechse) oder das direkte Individuenverluste negativ aus. Nicht Bestand seit 1993 ansteigen (RYSLAVY 2012 in Aussetzen allochthoner Tiere von Sumpf- zu vernachlässigen ist die unangepasste fische- litt.). Die Zukunftsaussichten sind – betrach- schildkröten verschärfen in letzter Zeit die reiliche Nutzung bzw. Überformung zahl- tet man die bereits jetzt spürbaren Auswir- Situation zusätzlich und können laufende reicher Gewässer durch den oft illegalen kungen des Wandels in der Landnutzung –

Abb. 11 Kranichen kommt während des Zuges das üppige Nahrungsangebot in Brandenburgs Agrarlandschaft zugute Foto: M. Putze (20.12.2011) FRANK ZIMMERMANN: Vielfalt gesichert? Ein Überblick zur aktuellen Gefährdungssituation von Arten und Lebensräumen in Brandenburg 103

allerdings durchaus fraglich. Auch die erfolg- Jahren sogar zunächst Bestandszuwächse zu der Feldsperling mit 52 % und der Kiebitz mit reiche Wiederansiedlung einer Baumbrüter- verzeichnen hatten (FLADE et al. 2008, LANG- 60 % Bestandsrückgang zwischen 1995 und population des Wanderfalken soll hier nicht GEMACH & RYSLAVY 2010). Diese Entwicklung 2011! Mit der massiven Ausweitung des Ener- unerwähnt bleiben. ist sowohl in ganz Deutschland (SUDTFELD et al. giepflanzenanbaus in den letzten Jahren, ver- Auch für die Waldvogelarten ist aufgrund des 2010, DO-G & DDA 2011) als auch in ande- bunden mit der Umstellung von Fruchtarten teilweisen Übergangs zu einer naturnäheren ren Ländern der EU (siehe u. a. BUTLER et al. und Fruchtfolgen, dem Fehlen von Getreide- Waldbewirtschaftung in der Summe eine 2010) zu verfolgen. stoppelfeldern und dem Verlust nahezu aller leichte Bestandserholung zu verzeichnen (et- Ein großer Teil der Vogelarten der Agrarland- Brach- und Stilllegungsflächen, verschärft wa gleicher Anteil positiver und negativer schaft ist in unterschiedlichem Maße nach den sich die Situation derzeit weiter deutlich. Bestandstrends). Aufgrund der in den letz- Kriterien der Roten Liste gefährdet. Bei weit Trotz finanziell aufwändiger Agrar-Umwelt- ten Jahren deutlich intensivierten Wald- über der Hälfte der hier lebenden Arten sind programme ist die Situation auch bei den bewirtschaftung über alle Eigentumsformen negative Trends zu verzeichnen, wobei vor meisten Wiesenbrütern katastrophal, einige hinweg lassen sich jedoch bei einer ganzen allem bodenbrütende Arten betroffen sind. stehen vor dem Aussterben, darunter die Reihe von Arten bereits wieder kurzfristige Aktuelle Auswertungen der Staatlichen Vogel- gesamte Gruppe der Wiesenlimikolen. Erfreut negative Trends erkennen. schutzwarte Brandenburg zu den Bestands- man sich im Frühjahr während der Vogel- Dem gegenüber steht wie bereits weiter trends bei 30 typischen Arten der Agrarland- zuges noch an großen Scharen des Kiebitzes, oben angedeutet die aktuell katastrophale schaft zwischen 1995 und 2011 lassen bei so muss man wenig später feststellen, dass Bestandssituation vieler Vogelarten der 18 Arten mehr oder weniger starke Rück- ja nahezu keiner von denen hier geblieben Agrar- und Offenlandschaft. Die Vogelarten gänge erkennen, nur bei 6 Arten sind die ist! Und versuchen sich dennoch mal einige der Agrarlandschaft sind die am stärksten Bestände stabil und lediglich bei 6 Arten sind Paare mit der Brut, sind es nicht zuletzt auch von aktuellen Bestandsrückgängen betroffe- Bestandszuwächse zu verzeichnen. Negativ Prädatoren wie der allgegenwärtige Fuchs ne Artengruppe der Vögel, nachdem einige „herausragende“ Beispiele sind dabei das und der Waschbär, die nahezu jeden Brut- Arten (z. B. die Grauammer) in den 1990er Rebhuhn mit 73 %, die Feldlerche mit 34 %, erfolg zu Nichte machen. Der Seggenrohr- sänger mit seinem letzten winzigen Vorkom- men in Brandenburg (die gesamte pommer- sche Population umfasst nur noch 35 bis 55 singende Männchen!) kommt mit den aktu- ellen Nutzungsverhältnissen nicht wirklich zurecht. Auch für den Schreiadler darf im Zusammenhang mit seinen spezifischen Lebensraumansprüchen keineswegs als sicher gelten, ob die aktuell forcierten Schutzbestre- bungen zum Erfolg führen. Der Abwärts- trend scheint derzeit offenbar unaufhaltbar, und das trotz eines 2007 angelaufenen, auf- wändigen Jungvogelmanagements in Bran- denburg und Mecklenburg-Vorpommern. Auch im Siedlungsbereich stellt sich die Situa- tion – teilweise bisher unbemerkt – sehr nega- tiv dar. Etwa 40 % aller Arten weisen hier Abb. 12 starke oder sehr starke Bestandsrückgänge Abb. 13 auf. Abnehmende Toleranz vieler Menschen Beim Stieglitz sind ähnlich wie bei Bluthänf- gegenüber Gebäudebrütern (z. B. Schwal- ling und Grünfink in den letzten 15 Jahren Um ein Drittel sind die Bestände der Feldlerche ben) und umfangreiche Sanierungsarbeiten an erhebliche Bestandsrückgänge zu beobachten in Brandenburg seit 1995 geschrumpft Gebäuden lassen verfügbare Nistgelegen- Foto: M. Putze (29.8.2011) Foto: M. Putze (8.5.2011) heiten für so manche Art (z. B. Mauersegler) immer mehr schwinden. Gravierend ist hier auch der massive Rückgang dörflicher Rude- ralfluren, was für Arten wie Bluthänfling, Stieglitz oder Grünfink erhebliche Bestands- rückgänge von gut 50 % in den letzten 15 Jahren zur Folge hatte. Die Hauptgefährdungsursachen für Vogel- arten lassen sich ähnlich zusammenfassen wie für die bisher genannten Artengruppen. In erster Linie bringt auch bei vielen Vogel- arten die aktuelle Intensivierung der Landwirt- schaft im Zusammenhang mit der Aufgabe nahezu sämtlicher Brach- und Stilllegungs- flächen gravierende negative Auswirkungen mit sich. Aber auch die aktuelle Intensivierung der forstwirtschaftlichen Nutzung (gegen- läufig zur grundsätzlichen Umstellung auf naturnähere Bewirtschaftungsmethoden v. a. im Landeswald), die von Art und Umfang her nicht ausreichenden Pflege- und Bewirt- schaftungsmaßnahmen von Lebensräumen der offenen Kulturlandschaft (Heiden, Abb. 14 Trockenrasen, halboffene Waldökosysteme), Auch dank intensiver Betreuung gehört der Weißstorch in Brandenburg nach wie vor zu den Nutzungsartenänderung (Intensivierung, Charaktervögeln Foto: F. Zimmermann (15.6.2012) Umwandlung von Grünland, Nutzungsauf- 104 NATURSCHUTZ UND LANDSCHAFTSPFLEGE IN BRANDENBURG 21 (3) 2012

gabe) und die zunehmende Sukzession von achtende Verbesserung der Wasserqualität schen Veränderungen verbunden mit ihren Sekundärlebensräumen durch Eutrophierung bei vielen, vormals stark verschmutzten Stand- Auswirkungen eine entscheidende Rolle. Ein und Verbuschung bleiben nicht ohne Folgen. gewässern sind ein an biologischen Indikato- ganz wesentlicher Gefährdungsfaktor für vie- ren messbarer Erfolg der Umweltschutzpoli- le semiaquatische Insekten wie Libellen stellt 6.3 Insektenarten tik. Libellenarten wie die Gemeine Flussjung- allerdings – ähnlich wie bei Amphibien – die fer (Gomphus vulgatissimus) oder die Grüne Entwertung zahlreicher Kleinseen und Klein- Vor allem einige Insektengruppen, die in ihrem Keiljungfer (Ophiogomphus ceciliae) bevöl- gewässer durch illegalen Besatz mit Fischen. Lebens- und Entwicklungszyklus an ver- kern wieder zunehmend unsere Flüsse. Ver- Die ohnehin oft nur noch kleinen Relikt- schiedene Gewässer gebunden sind, gehö- schiedene Arten von Eintags- und Steinfliegen populationen sind nicht in der Lage, die Ver- ren derzeit zu den wenigen Organismen- konnten ihre Bestände in den letzten Jahren luste durch die Fressfeinde der Larven aus- gruppen, die aufgrund verschiedener Maß- deutlich vergrößern, vormals verwaiste zugleichen. nahmen zum Gewässerschutz und der Gewäs- Fließgewässer oder einzelne Abschnitte wur- Es gibt in Brandenburg aber auch positive serreinhaltung verhältnismäßig viele positive den und werden neu besiedelt. So manche Bestandsentwicklungen bei einer Reihe wei- Bestandstrends zu verzeichnen haben. Die Art, die seit längerer Zeit bei uns gar nicht terer Insektenarten. So hat sich beispiels- deutliche Verbesserung der Wasserqualität mehr gesehen wurde, kehrte sogar wieder weise der Segelfalter (Iphiclides podalirius) vieler Fließgewässer, aber auch die zu beob- zurück. Doch auch bei diesen Artengruppen seit Jahrzehnten offensichtlich aufgrund sich ist durch klimatische Veränderungen damit günstig entwickelnder Habitatstrukturen in zu rechnen, dass zum Beispiel stark speziali- der Niederlausitzer Bergbaufolgelandschaft sierte Arten sommerkalter Fließgewässer ausgebreitet. Und die Raupen ernähren sich künftig Probleme bekommen. dort auch noch von einer Futterpflanze, die Doch im Gegensatz dazu ist ein dramati- einschlägigen Feldführern für Schmetterlin- scher Rückgang anderer Libellenarten zu ge zufolge eigentlich gemieden werden, der verzeichnen, die an ganz spezielle Habitate Späten Traubenkirsche (Prunus serotina). gebunden sind und teilweise bei uns ihre Und wenn es einerseits so mancher nordisch- Arealgrenze erreichen. Vor allem einige über- boreal verbreiteten Art wie oben geschildert wiegend nordisch-boreal verbreitete Arten zunehmend schlechter geht, gibt es auch wie Hochmoor-Mosaikjungfer (Aeschna sub- Arten, die aus dem derzeitigen Klimawandel arctica), Nordische Moosjungfer (Leucorrhi- Nutzen ziehen. Überwiegend weiter südlich nia rubicunda), Zwerglibelle (Nehalennia spe- verbreitete Libellenarten wie Südliche Mosaik- ciosa) oder Schwarze Heidelibelle (Sympetrum jungfer (Aeshna affinis), Südliche Heide- danae) geraten zunehmend in Bedrängnis. libelle (Sympetrum meridionale) und Feuer- Gleiches trifft auf einige Tagfalter wie den libelle (Crocothemis erythraea) befinden Hochmoor-Perlmutterfalter (Boloria aquilo- sich auch bei uns in Ausbreitung. Gab es vor naris) oder den Hochmoor-Bläuling (Plebe- gut 10 Jahren nur einzelne Nachweise der jus optilete) zu. Während ersterer bei uns Feuerlibelle in Brandenburg, so pflanzt sie sich schon immer recht selten war, gehörte der längst hier erfolgreich fort, in guten Jahren Hochmoor-Bläuling zu den typischen Arten manchmal sogar schon zweimal jährlich. vieler Übergangsmoore. Heute sind beide Und auch die Italienische Schönschrecke Arten vom Aussterben bedroht. (Calliptamus italicus) ist auf weiter auf dem Zwar waren einige dieser Arten bei uns schon Vormarsch. Abb. 15 immer mehr oder weniger selten, doch die Ob in jedem einzelnen Fall der Klimawandel wenigen verbliebenen Lebensräume wie dabei die entscheidende Rolle spielt oder ob Der Mädesüß-Perlmutterfalter (Brenthis ino) ist als typische Art blütenreicher Feuchtwiesen intakte Übergangsmoore schwinden oder dies in erster Linie durch andere Ursachen in Brandenburg stark gefährdet (FFH-Gebiet verlieren zunehmend an Lebensraumqualität begründete Arealexpansionen begründet ist, „Fängersee und Unterer Gamengrund“, für solche Arten. Zweifellos spielen hierbei oder ob sich beides überlagert (was am 8.6.2011) Foto: F. Zimmermann auch die aktuell zu verzeichnenden klimati- wahrscheinlichstem ist), ist bei den einzelnen Arten kaum geklärt.

6.4 Fischarten

Bei keiner anderen Artengruppe fallen die positiven Tendenzen so deutlich auf wie bei den Fischen und Rundmäulern. Wie die Ergeb- nisse der erst 2011 erschienenen 3. Fassung der Roten Liste der Fische und Rundmäuler Brandenburgs (SCHARF et al. 2011) zeigt, ist fast die Hälfte aller Arten gegenüber der Vor- läuferliste (KNUTH et al. 1998) in der Gefähr- dungskategorie herabgestuft worden. Zwar wirken sich auch bei dieser Artengruppe die veränderten Einstufungskriterien aus, aber immerhin bei einem Viertel aller Arten ist tatsächlich eine mehr oder weniger deutliche Verbesserung der Bestandssituation zu ver- zeichnen. Hingegen musste nur eine einzige Fischart aufgrund deutlicher Bestandsrück- gänge in der Gefährdungskategorie herauf- gestuft werden, die Karausche. Abb. 16 Die Verbesserung der Gewässerqualität, aber Die Italienische Schönschrecke (Calliptamus italicus) breitet sich auf trockenen Sandstandorten auch die Verbesserung der Durchgängigkeit weiter aus (FFH-Gebiet „Buschschleuse“, 6.9.2012) Foto: F. Zimmermann vieler Fließgewässer durch die Beseitigung FRANK ZIMMERMANN: Vielfalt gesichert? Ein Überblick zur aktuellen Gefährdungssituation von Arten und Lebensräumen in Brandenburg 105

verbundene zunehmende Vergrasung nicht ertragen können. Dazu gehören verschiede- ne Bärlapp-Arten, Wintergrün-Gewächse oder auch zahlreiche Flechtenarten. Die praktisch heute völlig ausbleibenden, historischen Nutzungsformen der Wälder mit Streunut- zung sowie Mittelwaldwirtschaft und Wald- weide verhindern Standort- und Nutzungs- gradienten und verursachen einen gravie- renden Mangel an standörtlicher Vielfalt und Dynamik. Gleiches trifft im Übrigen auch auf viele Lebensräume der Offenlandschaft zu, wo es ebenfalls zu einer immer stärkeren Homogenisierung von Standorten und Strukturen kommt. Nicht weniger dramatisch stellt sich die Bestandssituation verschiedener, früher sehr häufiger Ackerwildkräuter sowohl auf ertrags- armen Sandböden (z. B. Südlicher Acker- Abb. 17 frauenmantel – Aphanes australis und Läm- Die Karausche (Carassius carassius) ist die einzige Fischart, die in Brandenburg aufgrund aktuel- mersalat – Arnoseris minima) als auch auf ler Bestandsrückgänge in der Gefährdung höher gestuft werden musste Foto: S. Zienert basenreichen Böden (z. B. Feldrittersporn – Consolida regalis; Acker-Schwarzkümmel – oder „Entschärfung“ von Querbauwerken in Brandenburg jederzeit aussterben kann. Nigella arvensis) dar. hatten hier deutliche positive Effekte. Und Vielmehr sind es Arten, die zwar immer noch zumindest bei Lachs und Stör sind konkrete teilweise zahlreiche Vorkommen haben, die Artenschutzmaßnahmen (Wiederansiedlung) man noch vor wenigen Jahren fast überall für den „Aufschwung“ verantwortlich. antreffen konnte. Schon oft wurde auf den anhaltenden dra- 6.5 Pflanzenarten matischen Rückgang vieler Wiesenorchi- deen (ZIMMERMANN 2009, 2011) und anderer Nach einigen positiven Aspekten gilt es nun, Pflanzen extensiv genutzter Mähwiesen und die Bestandssituation bei einer sehr artenrei- der Standortverlust von Arten der kontinen- chen Organismengruppe zu betrachten, den talen Trocken- und Halbtrockenrasen auf- Gefäßpflanzen. Katastrophal – anders kann grund oft fehlender, angepasster Beweidung man das nicht mehr bezeichnen – entwickelt hingewiesen (vgl. auch HERRMANN 2008). sich die Bestandssituation bei vielen Pflan- Doch auch vermeintlich häufige Arten wie zenarten, von denen insgesamt 1971 Sippen z. B. Grasnelke (Armeria elongata) oder (in erster Linie Arten und Unterarten) in der Großer Klappertopf (Rhinanthus serotinus), letzten Roten Liste (RISTOW et al. 2006) die noch in den 1990er Jahren viele Wegrän- bewertet wurden. Dabei sind Moose, Farne der, trockene Triften oder Säume prägten, und Blütenpflanzen gleichermaßen betrof- sucht man heute bereits vielerorts vergeblich! Abb. 19 fen. Und es sind keineswegs nur die schon In den Wäldern sind es vor allem konkurrenz- Der Große Klappertopf (Rhinanthus serotinus) immer seltenen Arten, von denen die eine schwache Arten, die beispielsweise die mit als empfindlicher Halbschmarotzer hat in den oder andere an einem ihrer letzten Fundorte Oberbodenversauerung und Eutrophierung letzten Jahrzehnten zahlreiche Standorte, v. a. an Wegsäumen, verloren und ist auch nur noch in wenigen Feuchtwiesen zu finden (FFH- Gebiet „Ferbitzer Bruch“, 14.6.2012) Foto: F. Zimmermann

Abb. 20 Das Breitblättrige Wollgras (Eriophorum lati- folium) ist als typische Art der extrem selten Abb. 18 gewordenen Kalkflachmoore in Brandenburg Ohnehin im Tiefland eher seltene Farne wie die Mauerraute (Asplenium ruta-muraria) fallen akut vom Aussterben bedroht (FFH-Gebiet an ihren Sekundärstandorten an Feldsteinmauern immer häufiger der Mauersanierung zum „Herrensee, Lange Dammwiesen und Unteres Opfer (Hirschfelde, 10.6.2009) Foto: F. Zimmermann Annatal, 9.6.2011) Foto: F. Zimmermann 106 NATURSCHUTZ UND LANDSCHAFTSPFLEGE IN BRANDENBURG 21 (3) 2012

Besonders besorgniserregend ist, dass sich Nixkraut (Najas marina ssp. intermedia)). haben selbstverständlich auch negativen gerade bei den Pflanzen viele unter den Hingegen sind Pflanzenarten, die an beson- Einfluss auf ganze Biozönosen, auf unsere gefährdeten Arten befinden, bei denen Bran- ders nährstoffarme, oligo- bisleicht mesotro- Biotope und FFH-Lebensräume. Drei Viertel denburg aus verschiedenen Gründen eine phe Seen gebunden sind, weiter auf dem der in Brandenburg vorkommenden Biotop- besondere Verantwortung für deren Erhal- Rückzug, denn einige dieser höchst schutz- typen sind daher in unterschiedlichem Maße tung im nationalen wie im internationalen bedürftigen Seen sind in ihrem Ökosystem gefährdet (ZIMMERMANN et al. 2007), bundes- Kontext trägt. So wie zahlreiche tropische mittlerweile offensichtlich irreversibel gestört. weit ist es etwa der gleiche Anteil (RIECKEN Orchideenarten nur im immer weiter bedroh- Als Hauptgefährdungsursachen für Pflanzen- et al. 2006). lich schwindenden tropischen Regenwald arten sind in erster Linie die aktuelle Intensi- So verwundert es auch nicht, dass sich alle geschützt werden können, hat auch Bran- vierung der Landwirtschaft, verbunden mit 19 Lebensraumtypen, für welche Branden- denburg mit vielen seiner typisch mitteleuro- stärkeren Nähr- und Schadstoffeinträgen burg eine besondere internationale Verant- päischen Lebensräumen eine erhebliche, und intensiverer Bodenbearbeitung, die Auf- wortung trägt, deutschlandweit in einem weltweite Verantwortung. Für 136 (fast 5 %) gabe nahezu sämtlicher Brach- und Stillle- ungünstigen Erhaltungszustand befinden der in Brandenburg vorkommenden Gefäß- gungsflächen sowie die weitere Nivellierung und der Zustand von fünf von ihnen sogar pflanzenarten wurde eine besondere inter- von Standortgradienten (Nährstoffe, Wasser als schlecht eingeschätzt wird (SCHOKNECHT nationale Erhaltungsverantwortung fest- etc.). Aber auch die aktuelle Intensivierung 2011). Auf Brandenburg bezogen sieht diese gestellt. 26 Arten davon sind bereits ausge- der forstwirtschaftlichen Nutzung (gegen- Bilanz nicht besser aus. storben, 81 Arten mehr oder weniger stark läufig zur grundsätzlichen Umstellung auf Dabei sind es nicht unbedingt nur lang anhal- gefährdet und lediglich 29 Arten derzeit naturnähere Bewirtschaftungsmethoden v. a. tende Gefährdungen, die unseren Lebens- ungefährdet! Im Gegensatz zu sehr vielen im Landeswald), verbunden mit dem massi- räumen wie den Arten gleichermaßen zu gefährdeten Tierarten haben davon nur die ven Ausbau des Waldwegenetzes gewinnt schaffen machen. Waren es in den 1970er wenigsten (ganze 32 Arten) einen nationa- an Bedeutung als Gefährdungsfaktor für und 1980er Jahren vor allem Nutzungsinten- len Schutzstatus. Keine einzige der 11 Pflan- Pflanzenarten. Von Art und Umfang her sivierung und Eutrophierung, stellten nach zenarten, für die Brandenburg eine besonde- nicht ausreichende Pflege- und Bewirtschaf- 1990 zunächst Nutzungsauflassungen eine re internationale Erhaltungsverantwortung tungsmaßnahmen von Lebensräumen der besondere Gefährdung dar. Vor allem Feucht- hat, ist in Anhängen der FFH-Richtlinie gelis- offenen Kulturlandschaft wie Feuchtwiesen, wiesen und Trockenrasen, aber auch ehema- tet und nur wenige Arten könnten über Heiden, Trockenrasen und halboffenen Wal- lige Truppenübungsplätze unterliegen bis Lebensräume der FFH-RL zumindest theore- dökosystemen führen dazu, dass viele kon- heute einer rasch fortschreitenden Sukzes- tisch gefördert werden. kurrenzschwache Pflanzenarten der offenen sion und ihre Pflege hängt am „versiegen- Nur bei wenigen Pflanzenarten ist aktuell Kulturlandschaft an den Rand des Ausster- den Tropf“ von Naturschutzmitteln. Ledig- eine Verbesserung der Bestandssituation zu bens geraten. lich die Stilllegung vieler Ackerflächen hatte verzeichnen. Dies kann allerdings fast aus- positive Auswirkungen auf zahlreiche Arten, nahmslos nur für eine ganze Reihe von Was- 6.7 Lebensräume so auch einige Ackerwildkräuter. Im Wald serpflanzen v. a. in Seen und teilweise in verschrieb man sich zunehmend der Erho- Fließgewässern gelten (z. B. diverse Laich- Die gleichen Gefährdungsursachen, die auf lungs- und Schutzfunktion, Gewässer ver- krautarten (Potamogeton spp.), Mittleres viele Pflanzen- und Tierarten einwirken, besserten sich durch allgemeine Umwelt-

Abb. 21 Klatschmohn und Kornblumen sind oft nur noch die einzigen Ackerwildkräuter, die in intensiven Kulturen überdauern (Naturpark Märkische Schweiz, 3.6.2011) Foto: F. Zimmermann FRANK ZIMMERMANN: Vielfalt gesichert? Ein Überblick zur aktuellen Gefährdungssituation von Arten und Lebensräumen in Brandenburg 107

schutzmaßnahmen zur Gewässerreinhaltung. der recht gut regenerieren. Den sehr nähr- jahrhundertlange Übernutzung fast ausnahms- Doch seit einigen Jahren scheint sich so vie- stoffarmen Seen geht es dem gegenüber los einem enormen Torfschwund unterliegen, les wieder umzukehren. Jeder Quadratmeter heute eher schlechter, denn die mit Nähr- lassen kaum noch etwas von ihrem ursprüng- Acker wird zunehmend intensiv genutzt, stofffreisetzungen verbundenen schädigen- lichen Zustand erkennen (s. auch LANDGRAF Düngemittel- und Pflanzenschutzmittelein- den Auswirkungen sind bei diesen äußerst 2010). Doch auch die einst sehr zahlreichen satz steigen wieder, Mais wird – oft in mehr- empfindlichen Ökosystemen überwiegend Übergangs- und Schwingrasenmoore der jähriger Folge – mittlerweile auf ca. 20 % irreversibel (vgl. ARENDT et al. 2011). Leider Jungmoränenlandschaften sind fast aus- der Ackerfläche angebaut. Das alles mit ver- sind hiervon auch solche Seen betroffen, die nahmslos in ihrer Hydrologie stark beein- heerenden Folgen auf Arten und viele Lebens- Brandenburg berühmt gemacht haben, wie trächtigt und haben – sieht man einmal von räume. z. B. der Stechlinsee. Und obgleich bei Fließ- den niederschlagsreichen Jahren seit 2010 In den Wäldern wird – unabhängig von der gewässern durch den Einbau von zahlrei- ab – extrem unter vielen sehr niederschlags- Eigentumsform – mit Holz wieder richtig chen Fischaufstiegshilfen und die Verbesse- armen Jahren gelitten. Geld verdient. Waldwege werden zu „Holz- rung der Wasserqualität große Fortschritte Die verschiedenen, oft extrem artenreichen autobahnen“, altes Wertholz wird in großen erreicht werden konnten, ist man bei den Lebensräume der Trockenrasen und Feucht- Mengen entnommen, so dass „nachwach- meisten von ihnen sowohl von einem gün- wiesen, befinden sich im landesweiten Über- sendes Totholz“ oft wenig Chance hat. Und stigen Erhaltungszustand im Sinne der FFH- blick überwiegend in einem katastrophalen Wildnis? Die lässt man in erster Linie dort zu, Richtlinie als auch einem „guten ökologi- Zustand. Tiefgreifende Entwässerungen von wo Offenlandlebensräume wie Heiden und schen Zustand“ im Sinne der europäischen Niederungsgebieten, zunächst zu intensive, Trockenrasen ohnehin schon zunehmend in Wasserrahmen-Richtlinie noch weit entfernt. später nach 1990 vor allem ausbleibende Nut- Bedrängnis geraten, jedoch nur ganz verein- Zu stark ist die Morphologie vieler großer zung, haben unseren Wiesen und Trocken- zelt in wirklichen „Wildnislebensräumen“ und kleiner Fließgewässer gestört, kaum eines rasen arg zugesetzt. Zwar gibt es eine Reihe wie naturnahen Wäldern. kann auf größeren Abschnitten noch wirkli- sehr guter Beispiele der Pflege, vor allem eini- Daher sind es nur sehr wenige Lebensräume, che Fließgewässerdynamik entfalten. Und sei ge Orchideenwiesen mit einer wieder sehr bei denen man in den letzten 20 Jahren es nur, weil der entsprechende Wasserzustrom guten Pflege machten mit stark steigenden wirklich Verbesserungen hinsichtlich ihrer fehlt wie zum Beispiel an vielen Abschnitten Zahlen an Wiesenorchideen von sich reden. Gefährdungseinstufung verzeichnen kann. der Spree (s. auch KÖHLER et al. 2002). Auch in einigen wenigen Gebieten mit kon- Dazu gehören vor einige Seen, denn durch die Viele Moore Brandenburgs sind heute irrever- tinentalen Trockenrasen konnten sich die Verbesserung der Gewässerqualität konnten sibel zerstört. Vor allem die ehemals großen wertvollen Pflanzenbestände dank aufwän- sich vor allem zahlreiche eutrophe Seen wie- Niedermoorflächen des Landes, die durch diger Pflege und Betreuung wieder ganz gut

Abb. 22 Abb. 23 Labkraut-Eichen-Hainbuchenwälder (FFH-LRT 9170) verdanken ihre Die auf ehemaligen Truppenübungsplätzen befindlichen Trockenheiden Entstehung der historischen Mittelwaldnutzung unter gezielter Förde- Brandenburgs sind klassische „Brandheiden“ und ihre Erhaltung erfor- rung der Eiche. In der modernen Forstwirtschaft haben solche Wälder dert neben einer spezifischen Pflege immer wiederkehrende Brandereig- keinen Platz mehr (FFH-Gebiet „Lindholz“. nisse zur Regeneration (FFH-Gebiet „Buschschleuse“, 6.9.2012) Foto: F. Zimmermann Foto: F. Zimmermann 108 NATURSCHUTZ UND LANDSCHAFTSPFLEGE IN BRANDENBURG 21 (3) 2012

den, ohne (aktuelle) Nutzung sind weniger als 2 %. Wirklich natürliche Vielfalt, wie sie im Wald als natürlicherweise dominierender Lebensraum Mitteleuropas und Deutschlands vorzufinden wäre, kann sich kaum irgendwo entfalten. Auch andere Naturlebensräume, wie unsere Seen, Fließgewässer oder Moore, wurden teilweise bereits seit Jahrhunderten so stark beeinträchtigt oder fast völlig zer- stört, dass sie oft nur noch einem Bruchteil des natürlichen Artenbestandes Lebensraum bieten. Zwei Drittel Brandenburgs sind Kul- turlandschaft (einschließlich Siedlungen und Verkehrswege). Zahlreiche Lebensräume und die darin lebenden Arten werden von vielen als Natur wahrgenommen, verdanken jedoch ihre Existenz allein der Nutzung. Die arten- reichen Feuchtwiesen der ausgedehnten Nie- derungen und Fließtäler, die Sandtrocken- rasen, die kontinentalen Steppenrasen am Rand des Odertales, die Heiden auf den ehe- maligen Truppenübungsplätzen, das alles Abb. 24 sind „Kunstprodukte“. Und gerade einige dieser „Halbkulturbiotope“, wie sie manch- Eine extensive, gut gesteuerte Beweidung mit Schafen und Ziegen ist Grundvoraussetzung mal auch genannt werden, gehören zu den für die Erhaltung kontinentaler Steppen- und Halbtrockenrasen (FFH-Gebiet „Oderhänge Mallnow“, 1.6.2011) Foto: F. Zimmermann artenreichsten Lebensräumen Mitteleuropas. So können in Steppenrasen oder Feuchtwie- regenerieren. Doch das bleibt eher die Aus- 7 Warum werden unsere sen bis zu 100 Höhere Pflanzenarten vor- nahme und die Pflegemaßnahmen können Arten und Lebensräume kommen. Durchschnittlich leben direkt oder aufgrund weiter versiegender Vertragsnatur- seltener – Die Gefährdungs- indirekt etwa 7 Tierarten von jeder Pflanzen- schutzmittel keineswegs als mittel- bis lang- ursachen im Überblick art, eine Vielfalt, die in den meisten Natur- fristig gesichert gelten. lebensräumen nicht erreicht wird. Für unsere Wälder wären im Zuge der grund- Die Gründe für das Aussterben oder die Sowohl viele Natur- als auch Kulturlebens- sätzlich zunehmend naturnäheren Bewirt- anhaltende sowie teilweise zunehmende räume und deren Arten unterliegen einer zu- schaftung vieler Waldflächen eigentlich güns- Gefährdung sind vielfältig. Wir leben hierzu- nehmenden Gefährdung. In Auswertung der tige Voraussetzungen gegeben, doch auf- lande in keiner Naturlandschaft. Nahezu alle Roten Listen lässt sich dabei die intensive grund der stark gewachsenen wirtschaft- Gebiete und Lebensräume werden seit Jahr- land- und forstwirtschaftliche Nutzung (ein- lichen Bedeutung der Holznutzung treten hunderten in unterschiedlichem Maße durch schließlich des hohen Biozid- und Düngemit- Naturschutzziele überwiegend in den Hinter- menschliche Nutzung geprägt und beein- teleinsatz in der Landwirtschaft) als Haupt- grund. Vor allem historische Nutzungsformen flusst. Etwa ein Drittel Brandenburgs wird gefährdungsfaktor der Biodiversität ermitteln. wie streugenutze Kiefernwälder, reich struk- heute von Wäldern und Forsten eingenom- Aber auch Gewässerausbau und -unter- turierte Mittelwälder oder Hudewälder gera- men. Doch keine 5 % unserer Wälder kön- haltung, Gewässereutrophierung und das ten an den Rand des Aussterbens. nen als relativ naturnah eingeschätzt wer- Trockenfallen von Kleingewässern und Moo-

Abb. 25 Artenreiche Ackerbrachen gehören – nachdem die großflächigen Stilllegungsprogramme ausgelaufen sind und selbst arme Standorte einer zunehmend intensiveren Flächennutzung unterzogen werden – immer seltener zum Landschaftsbild Brandenburgs (FFH-Gebiet „Biesentha- ler Becken“, 10.6.2009) Foto: F. Zimmermann FRANK ZIMMERMANN: Vielfalt gesichert? Ein Überblick zur aktuellen Gefährdungssituation von Arten und Lebensräumen in Brandenburg 109

Abb. 26 Abb. 27 Zunehmende Verbuschung, v.a. mit Schlehen und Robinien, bedroht Die zahlreichen Schutzgebiete Brandenburgs alleine reichen für die immer mehr Trockenrasenflächen in Brandenburg (FFH-Gebiet „Oder- dauerhafte Sicherung der Biodiversität nicht aus (FFH-Gebiet „Pries- berge“ bei Lebus, 24.5.2012) terschlucht“, 25.4.2012) Foto: F. Zimmermann Foto: F. Zimmermann ren stellen entscheidende Gefährdungen Die Handlungsfelder, die schwerpunktmäßig gängigkeit der Landschaft an zerschnei- dar. Durch Sukzession von Sekundärlebens- in Brandenburg auf den Erhalt oder die denden Elementen (z. B. Verkehrswege, räumen infolge Eutrophierung oder Verbu- Wiederherstellung der Biodiversität gerichtet Querbauwerke in Gewässern); Siche- schung (z. B. auf ehemaligen Truppen- sind, wurden bereits mehrfach aufgezeigt, rung und Schaffung von regionalen, lan- übungsplätzen) verlieren weitere Arten ihre zuletzt auch in einem Papier des Nachhaltig- desweiten und länderübergreifenden Bio- Lebensräume in zunehmendem Maße. Als keitsbeirates, ohne dass bisher Entscheiden- topverbundstrukturen und Trittsteinbio- gravierend stellt sich immer wieder die Nut- des geschehen wäre. Sie lassen sich wie folgt tope zungsartenänderung bzw. die Nutzungsauf- zusammenfassen: gabe heraus, wodurch beispielsweise Feucht- In Deutschland hat man sich bislang – zu- wiesen und Steppenrasen mit den in ihnen – Erhalt, Renaturierung und extensive Be- mindest auf Bundesebene – auf Visionen zur lebenden Arten immer seltener werden. wirtschaftung von Feuchtgebieten (ins- Verbesserung der Situation der Biodiversität besondere Mooren), beschleunigte und beschränkt, ohne diese durch wirklich kon- konsequente Renaturierung von Fließ- krete Programme und Maßnahmen zu unter- 8 Was kann und muss man gewässern und Auenlandschaften (lan- setzen. Diese Visionen waren auf Umset- gegen den weiteren desweites Uferrandstreifenprogramm!), zung der Ziele bis 2010 orientiert, sie wurden Rückgang von Arten und Stabilisierung des Landschaftswasserhaus- klar verfehlt und kaum etwas deutet derzeit Lebensräumen in haltes darauf hin, dass sie je erreicht werden. In Brandenburg tun? – Extensivierung der Landwirtschaft, Ver- einzelnen Bundesländern (z. B. Schleswig- meiden/Vermindern von Nährstoffeinträ- Holstein, Thüringen) hat man mittlerweile Eines sei hier vorangestellt: an einem Mangel gen, stärkere Vermeidung von Biozid- eigene Biodiversitätsstrategien entwickelt, an Schutzgebieten unterschiedlicher Katego- anwendungen die Zeitachse deutlich gestreckt (2020) und rien in großen Flächendimensionen liegt es – Extensivierung der forstlichen Nutzung die Zielerreichung offen gelassen. in Brandenburg nicht, dass Arten und Bioto- in Laub-Mischbeständen, Forcierung des Es gibt mittlerweile deutschlandweite Förder- pe schwinden! Dass wir mit reinen Flächen- naturnahen Waldumbaus (v. a. auch im programme zur Verbesserung der Biodiver- anteilen an Schutzgebieten zu den Spitzen- Privatwald!), deutliche Erhöhung der sität. Etwa 30 „Hotspot“-Gebiete wurden in reitern in Deutschland gehören, wurde Anteile von „Wildnis im Wald“ (v. a. in Zusammenarbeit von Bundes- und Länder- schon erwähnt. Warum geht es dann unse- bestehenden, alten Buchen- und Eichen- fachbehörden ermittelt, in denen die Arten- ren Arten und Lebensräumen nun nicht beständen) vielfalt besonders hoch ist. Doch immer wer- zunehmend besser, sondern überwiegend – Steuerung und naturverträgliche Aus- den solche Programme nur einem ganz gerin- immer schlechter? In vielen unserer Schutz- führung von Gewässerunterhaltungs- gen Anteil unserer Arten und Lebensräumen gebiete sind viele Dinge verboten oder regle- und Ausbaumaßnahmen, weitere Ver- von Nutzen sein, wenn denn die ergriffenen mentiert, diejenigen Handlungen, die die besserung der Gewässerqualität Maßnahmen auch Erfolg haben. Hauptgefährdungsfaktoren bedingen (in ers- – Auskömmliche Gestaltung von Agrar- Solange jedoch der derzeit ablaufende Wan- ter Linie Land- und Forstwirtschaft), unter- Umweltprogrammen und anderen För- del der Landnutzung, zunehmende Stand- liegen hingegen zumeist nur geringen Ein- der-/Steuermöglichkeiten zur Erhaltung/ ortnivellierung und ein überwiegend rück- schränkungen. Hinzu kommt, dass viele Arten Wiederherstellung von Lebensräumen sichtsloser Umgang mit unseren natürlichen und eine Reihe von Lebensräumen weder der extensiven Kulturlandschaft (Feucht- Ressourcen anhält, werden wohl alle „Visio- durch Schutzgebiete noch andere Schutz- wiesen, Seggenriede, Trockenrasen etc.) nen“ reine Illusionen bleiben. Viele der der- instrumente (z. B. gesetzlich geschützte Bio- als Schwerpunkträume der Artenvielfalt zeit wirkenden Hauptgefährungsursachen tope) erfasst werden und somit nicht einmal – Sicherung/Offenhaltung ausreichend gro- für zahlreiche Arten und Lebensräume kön- einem „theoretischen“ Schutz unterliegen. ßer Flächen trockener Sekundärlebens- nen – wenn überhaupt – in ihrer Wirkung So werden viele Pflanzen- und Tierarten vor räume (v. a. Heiden) im Komplex mit zu auch künftig nur minimiert, aber wohl kaum allem auch durch die sich gegenwärtig entwickelnden Wildnisflächen nach unter- ausgeschaltet werden. Ein wichtiger – bereits abzeichnende Nutzungsintensivierung in schiedlichen, sich ergänzenden Konzep- mehrfach vom Deutschen Sachverständi- Land- und Forstwirtschaft direkt betroffen, ten (u. a. auch mit großen Weidetieren) genrat für Umweltfragen (SRU), zuletzt im ohne dass es direkte Einflussmöglichkeiten – Vermeidung, Rückbau von Zerschneidun- Umweltbericht 2012 der Bundesregierung überhaupt gäbe. gen bzw. Wiederherstellung der Durch- thematisierter – Ansatzpunkt könnte sein, 110 NATURSCHUTZ UND LANDSCHAFTSPFLEGE IN BRANDENBURG 21 (3) 2012

künftig Ökosystemleistungen von Landnut- BfN 2012: Rote Liste gefährdeter Tiere, Pflanzen und HAFKE, M.; OTTO, C. & PAULY, A. (Red.) 2009: Rote zern unterschiedlicher Art direkt zu honorie- Pilze Deutschlands. Bd. 1: Wirbellose Tiere (Teil 1). Liste gefährdeter Tiere, Pflanzen und Pilze Deutsch- Hrsg.: Bundesamt für Naturschutz (BfN). Bonn-Bad lands. Bd. 1: Wirbeltiere. Hrsg.: Bundesamt für Natur- ren und diese dadurch zu motivieren, direkt Godesberg. 716 S. schutz (BfN). Bonn-Bad Godesberg. Naturschutz und etwas für den Schutz und die Pflege von Arten BLAB, J.; NOWAK, E.; SUKOPP, H. & TRAUTMANN, W. Biologische Vielfalt: 70 (1): 23-71 und Biotopen zu tun. Und selbst dann bleibt (Hrsg.) 1977: Rote Liste der gefährdeten Tiere und RIECKEN, U.; FINCK, P.; RATHS, U., SCHRÖDER, E. & SSYMANK, Pflanzen in der Bundesrepublik Deutschland. Greven. A. 2006: Rote Liste der gefährdeten Biotoptypen es fraglich, ob viele Arten und Lebensräume Naturschutz aktuell 1. 67 S. Deutschlands. 2. Fortgeschriebene Fassung 2006. die langfristigen und tiefgreifenden Bestands- BLAB, J. 2005: Rote Listen – Etappen und Meilensteine Naturschutz und Biologische Vielfalt 34. 318 S. einbußen verkraften und sich wieder regene- einer Erfolgsgeschichte. In BLAB, J. (Hrsg.): Rote Lis- RISTOW, M.; HERRMANN, A.; ILLIG, H.; KLEMM, G.; KUM- ten – Barometer der Biodiversität. Entstehungsgeschich- MER, V.; KLÄGE, H.-C.; MACHATZI, B.; RÄTZEL, S.; rieren können. Für nicht wenige wird es mit te der Roten Listen in Deutschland, Österreich und SCHWARZ, R. & ZIMMERMANN, F. (2006): Liste und Rote dem Wirksamwerden geeigneter Maßnah- der Schweiz. Naturschutz und Biologische Vielfalt 18: Liste der etablierten Gefäßpflanzen Brandenburgs. – men bereits zu spät sein. 7-20 Naturschutz und Landschaftspflege in Brandenburg BÖHME, M.U.; SCHNEEWEIß, N.; FRITZ, U.; SCHLEGEL, M. & 15 (4), Beilage BERENDONK, T. U. 2006: Small edge populations at risk: RYSLAVY; T. & MÄDLOW, W. 2008: Rote Liste und Liste genetic diversity of the green lizard (Lacerta viridis viri- der Brutvögel des Landes Brandenburg. Naturschutz Zusammenfassung dis) in and implications for conservation und Landschaftspflege in Brandenburg (17 (4), Beilage: management. Conserv. Genet. Springer. 116 S. BUTLER, S. J.; BOCACCIO, L.; GREGORY, R. D.; VORISEK, P. & SACHVERSTÄNDIGENRAT FÜR UMWELTFRAGEN (SRU) 2012: Die Erhaltung der biologischen Vielfalt ist das NORRIS, K. 2010: Quantifying the impact of land-use Umweltgutachten 2012 – Verantwortung in einer zentrale Thema im Naturschutz. Neben der change to European farmland bird populations. Agri- begrenzten Welt. 694 S. Vielfalt an Arten der Ökosysteme umfasst culture, Ecosystems and Environment 137: 348-357 SCHARF, J.; BRÄMICK, U.; DETTMANN, L.; FREDRICH, F.; RO- DO-G & DDA 2012: Deutsche Ornithologen-Gesell- THE, U.; SCHOMAKER, C.; SCHUHR, H.; TAUTENHAHN, M.; der Begriff auch genetische Vielfalt sowie die schaft und Dachverband Deutscher Avifaunisten. Posi- THIEL, U.; WOLTER; C. ZAHN, S. & ZIMMERMANN, F. 2011: Vielfalt der Ökosysteme. Verschiedene euro- tionspapier zur aktuellen Bestandssituation der Vögel Rote Liste der Fische und Rundmäuler (Pisces et Cy- päische Richtlinien und internationale Kon- der Agrarlandschaft. http://www.dda-web.de/down- clostomata) des Landes Brandenburg (2011). Natur- loads/texts/positionspapier_agrarvoegel_dda_dog.pdf schutz und Landschaftspflege in Brandenburg 20 (3), ventionen sollen den Rückgang von Arten und (letzter Aufruf: 17.8.2012). 14 S. Beilage. 40 S. Lebensräumen stoppen. Doch die Gefähr- BAIER, R. 1992: Rote Liste Lurche (Amphibia) und Kriech- SCHNEEWEIß, N. 2012: Die Rotbauchunke (Bombina dungsfaktoren sind vielfältig. Aktuelle Ten- tiere (Reptilia). In: Rote Liste. Gefährdete Tiere im Land bombina) im Zeitalter von Natura 2000 – eine kriti- Brandenburg (Hrsg.: Ministerium für Umwelt, Natur- sche Bewertung der aktuellen Situation in Branden- denzen der Intensivierung von Land- und schutz und Raumordnung [MUNR]). Potsdam: 31-33 burg. Naturschutz und Landschaftspflege in Branden- Forstwirtschaft, aus dem Ruder geratener FLADE, M.; C. GRÜNEBERG, C.; SUDFELD, C. & WAHL,J. burg 21 (1, 2): 46-54 Energiepflanzenanbau, Sukzession von Bio- 2008: Birds and Biodiversity in Germany. 2010 Target. SCHNEEWEIß, N. & WOLF, M. 2009: Neozoen – eine topen der offenen, historischen Kulturland- DDA, NABU, DRV, DO-G, Münster. 54 S. neue Gefahr für die Reliktpopulationen der Europäi- GRUTTKE, H. [Bearb.] 2004: Ermittlung der Verantwort- schen Sumpfschildkröte in Nordostdeutschland. Zeit- schaft und der ehemalige Truppenübungs- lichkeit für die Erhaltung mitteleuropäischer Arten. – schrift für Feldherpetologie 16: 163-182 plätze, das alles gibt aktuell wenig Hoffnung, Naturschutz und Biologische Vielfalt 8. 280 S. SCHNEEWEIß, N. & ZBIERSKI, H. 2009: Artenschutzpro- den Rückgang stoppen oder gar umkehren HAUPT, H.; LUDWIG, G.; GRUTTKE, H.; BINOT-HAFKE, M.; gramm Rotbauchunke und Laubfrosch. Hrsg.: Minis- OTTO, C, & PAULY, A. (Red.) 2009: Rote Liste gefähr- terium für Ländliche Entwicklung, Umwelt und Ver- zu können. Im Schnitt sind 50 % der Arten deter Tiere, Pflanzen und Pilze Deutschlands. Bd. 1: braucherschutz des Landes Brandenburg (MLUV). in allen analysierten Artengruppen in unter- Wirbeltiere. Hrsg.: Bundesamt für Naturschutz (BfN). Potsdam. 88 S. schiedlichem Maße gefährdet, etwa ein Bonn-Bad Godesberg. 386 S. SCHNEEWEIß, N.; KRONE, A. & BAIER, R. 2004: Rote Lis- HAUPT, H.; LUDWIG, G. & OTTO, C. 2009: Rote Listen ten und Artenlisten der Lurche (Amphibia) und Zehntel ist vom Aussterben bedroht. Bei den nach IUCN. In: HAUPT, H.; LUDWIG, G.; GRUTTKE, H.; BINOT- Kriechtiere (Reptilia) des Landes Brandenburg. Natur- Lebensräumen sind sogar drei Viertel gefähr- HAFKE, M.; OTTO, C. & PAULY,, A. (Red.) 2009: Rote schutz und Landschaftspflege in Brandenburg 13 (4), det. Lösungsmöglichkeiten sind rar. Die Mittel Liste gefährdeter Tiere, Pflanzen und Pilze Deutsch- Beilage. 34 S. lands. Bd. 1: Wirbeltiere. Hrsg.: Bundesamt für Natur- SCHOKNECHT, T. 2011: Ableitung eines erhöhten Hand- für spezielle Naturschutzmaßnahmen sind schutz (BfN). Bonn-Bad Godesberg. Naturschutz und lungsbedarfs zur Verbesserung des Erhaltungszustan- extrem zusammengeschrumpft und auch die Biologische Vielfalt: 70 (1): 77-112 des von Lebensraumtypen nach Anhang 1 und Arten nicht immer ausreichend wirkungsvollen IUCN-SSC 1966a: Red Data Book, Volume 1 – Mam- nach Anhang 2 der FFH-Richtlinie in Brandenburg. malia. Naturschutz und Landschaftspflege in Brandenburg Agrar-Umweltmaßnahmen werden künftig IUCN-SSC 1966b: Red Data Book, Volume 2 – Aves. 20 (4): 141-144 nicht umfangreicher Neben einigen dringend IUCN 2008: The IUCN Red List of Threatened Spe- ZIMMERMANN, F. 2007: 10 Jahre Rote Listen gefährde- erforderlichen, speziellen Arten- und Lebens- ciesTM. ter Tier- und Pflanzenarten in Brandenburg nach neu- IUCN 2012: The IUCN Red List of Threatened Species. en Kriterien – Bilanz und Ausblick. Naturschutz und raumschutzprogrammen können jedoch nur http://www.iucnredlist.org/ (letzter Aufruf: 7.08.2012) Landschaftspflege in Brandenburg 16 (1): 7-14 ein grundsätzliches Umdenken in der Gesell- HERRMANN, Andreas 2008: Erhalt der heimischen Pflan- ZIMMERMANN, F. 2009: Verbreitung und Gefährdungs- schaft und eine grundsätzliche Neuorientie- zen – Grundzüge eines Florenschutzkonzeptes für situation der heimischen Orchideen (Orchidaceae) in rung von europäischen Förderprogrammen Brandenburg. Naturschutz und Landschaftspflege in Brandenburg. Teil 2: Vom Aussterben bedrohte Arten. Brandenburg 17 (1): 4-13 Naturschutz und Landschaftspflege in Brandenburg Lösungsansätze bringen. Die Hauptgefähr- KABUS, T. & MAUERSBERGER, R. 2011: Liste und Rote Lis- 18 (1): 19-31 dungsursachen für die meisten Arten und te der Armleuchteralgen (Characeae) des Landes Bran- ZIMMERMANN, F. 2011: Verbreitung und Gefährdungs- Lebensräume sind hinreichend bekannt und denburg (2011). Naturschutz und Landschaftspflege situation der heimischen Orchideen (Orchidaceae) in in Brandenburg 20 (4), Beilage. 32 S. Brandenburg. Teil 3: Stark gefährdete, gefährdete und auch die Möglichkeiten, wie man diesen KNUTH, D.; ROHDE, U. & ZERNING, M. 1998: Rote Liste ungefährdete Arten sowie Arten mit unzureichender entgegenwirken könnte. Was fehlt ist die und Artenliste der Rundmäuler und Fische des Landes Datenlage. Naturschutz und Landschaftspflege in umfassende Verankerung und Umsetzung Brandenburg. Naturschutz und Landschaftspflege in Brandenburg 20 (3): 80-96 Brandenburg 7 (4), Beilage. 19. S. ZIMMERMANN, F.; DÜVEL, M. & HERRMANN, Armin 2007: dieses Wissens in Politik und Gesellschaft. KÖHLER, J.; GELBRECHT, J. & PUSCH, M. 2002: Die Spree – Rote Liste der gefährdeten Biotope Brandenburgs. In Zustand, Probleme, Entwicklungsmöglichkeiten. Lim- ZIMMERMANN, F.; DÜVEL, M. & HERRMANN, Armin: Bio- nologie aktuell 10. Stuttgart. 384 S. + Anhänge topkartierung Brandenburg. Bd. 2: Beschreibung der MUGV 2011: Biologische Vielfalt in Brandenburg. Mi- Biotoptypen. Potsdam: 477-503 Danksagung nisterium für Umwelt, Gesundheit und Verbraucher- ZIMMERMANN, F.; SCHOKNECHT, T. & PIETZOFSKI, K. 2012: schutz des Landes Brandenburg (MUGV). Potsdam. Von den ersten Gebietsmeldungen bis zum Schutzge- Für die kritische Durchsicht des Manuskrip- 122 S. bietssystem Natura 2000 in Brandenburg. Naturschutz tes und wertvolle Hinweise gilt Torsten LANDGRAF, L. 2010: Wo steht der Moorschutz in Bran- und Landschaftspflege in Brandenburg 21 (1, 2): 6-15 denburg. Naturschutz und Landschaftspflege in Bran- Langgemach, Torsten Ryslavy und Norbert denburg 19 (3, 4): 126-131 Schneeweiß besonderer Dank. Matthias Put- LANGGEMACH, T. 2009: Die Großtrappe in Deutschland – ze, Norbert Schneeweiß und Steffen Zienert gerettet? Falke 56: 456-463 LANGGEMACH, T. & T. RYSLAVY, T. 2010: Vogelarten der sei an dieser Stelle für die Bereitstellung von Agrarlandschaft in Brandenburg – Überblick über Fotos gedankt. Bestand und Bestandstrends. Naturschutz u. Biologi- Anschrift des Verfassers: sche Vielfalt XX: 99-122. Dr. Frank Zimmermann LUDWIG, G.; HAUPT, H.; GRUTTKE, H. & BINOT-HAFKE, M. Literatur 2006: Methodische Anleitung zur Erstellung Roter Lis- Landesamt für Umwelt, Gesundheit und Ver- ten gefährdeter Tiere, Pflanzen und Pilze. Hrsg.: Bun- braucherschutz des Landes Brandenburg BfN 2011: Rote Liste gefährdeter Tiere, Pflanzen und desamt für Naturschutz (BfN). BfN-Skripten 191. 97 S. Ref. Ö2/Natura 2000/Arten- und Biotopschutz Pilze Deutschlands. Bd. 6: Pilze (Teil 2) – Flechten und LUDWIG, G.; HAUPT, H.; GRUTTKE, H. & BINOT-HAFKE, M. Myxomyzeten. Hrsg.: Bundesamt für Naturschutz 2009: Methodik der Gefährdungsanlyse für Rote Lis- Seeburger Chaussee 2 (BfN). Bonn-Bad Godesberg. 386 S. ten. In: HAUPT, H.; LUDWIG, G.; GRUTTKE, H.; BINOT- 14476 Potsdam NATURSCHUTZ UND LANDSCHAFTSPFLEGE IN BRANDENBURG 21 (3) 2012; 111-119 111

DER ERHALT UND DIE ENTWICKLUNG DER BACHMUSCHELVORKOMMEN IST EIN WESENTLICHES ZIEL BEI DER ERFOLGREICHEN UMSETZUNG VON FAUNA-FLORA-HABITAT- UND WASSERRAHMENRICHTLINIE

KATRIN HARTENAUER Situation und Bewertung des Erhaltungszustandes der Bachmuschel (Unio crassus PHILIPSON, 1788) in ausgewählten Gewässern Brandenburgs Schlagwörter: Bachmuschel (Unio crassus), FFH-Richtlinie, Erhaltungszustand, Handlungsempfehlungen, Brandenburg, Prignitz, Stepenitz, Karthane, Kümmernitz

Zusammenfassung stark eingeschränkt, so dass ihr Bestand um Anzahl und Lage der Probestellen sowie die mehr als 90 % abgenommen hat. Daher wird Erfassungsmethodik waren vom Auftraggeber In den Jahren 2009-2010 erfolgte in 18 aus- sie in der Roten Liste Deutschlands (JUNG- vorgegeben. In Tab. 1 sind alle untersuchten gewählten Gewässern der Landkreise Prig- BLUTH & KNORRE 2012) als vom „vom Aus- Gewässer bzw. Gewässerabschnitte sowie die nitz, Ostprignitz-Ruppin, Uckermark, Barnim, sterben bedroht“ eingestuft. Mit der Aufnah- Anzahl der jeweiligen Probestellen zusammen- Märkisch-Oderland und Teltow-Fläming eine me in die Anhänge II und IV der FFH-Richt- gestellt. Erfassung der Bachmuschel und Bewertung linie erhielt sie einen europäischen Schutz- An jeder der Probestellen erfolgte zunächst auf ihres Erhaltungszustandes. Die methodische status. Die EU-Mitgliedstaaten sind damit einer Gewässerlänge von 1000 m eine Über- Vorgehensweise und die Ergebnisse werden verpflichtet, für die Bachmuschel spezielle sichtsbegehung. Dabei wurde das Gewässer exemplarisch an den drei Gewässern Stepe- Schutzgebiete auszuweisen, Schutzprogram- stichprobenartig auf die Besiedlung mit Unio nitz, Kümmernitz und Karthane vorgestellt. me zu entwickeln und ein Monitoring über crassus untersucht, um deren räumliche Aus- In 11 untersuchten Gewässer ist der Erhal- deren Erhaltungszustand durchzuführen. dehnung festzustellen. Nicht durchwatbare tungszustand der Bachmuschel „C = ungün- In Deutschland befinden sich die aktuellen Probestellen wurden mittels Tauchkartierung stig“ und in 6 Gewässern „B = gut“. In zwei Hauptvorkommen in Nordostdeutschland beprobt. Alle festgestellten Großmuscheln der untersuchten Gewässer war die Bach- (Mecklenburg-Vorpommern und Branden- und deren Leerschalen wurden notiert und muschel nicht nachweisbar und sind ihre Vor- burg) und Süddeutschland (Bayern, Baden- qualitativ erfasst. Die Leerschalen wurden kommen wohl erloschen. Wesentliche Fakto- Württemberg, Rheinland-Pfalz) (TLUG 2009). zudem auf Fraßspuren von Prädatoren hin ren für die negative Bestandsentwicklung In Brandenburg sind aus nahezu allen Fluss- überprüft und die Ufer nach Fressplätzen sind vor allem die maschinelle Gewässer- systemen historische Vorkommen der Bach- abgesucht. unterhaltung, der starke Gewässerausbau, muschel bekannt (PETRICK 2006). Aktuelle Zur Ermittlung der Individuendichte und der Rückgang der Wirtsfische, die Gewässer- größere Vorkommen in Brandenburg konzen- Populationsstruktur sowie zur Abschätzung verschmutzung sowie Stoffeinträge durch trieren sich auf die Prignitz, den Spreewald der Populationsgröße erfolgte an zwei Stand- Erosion. Bei der Mehrzahl der aktuell noch sowie dessen Einzugsgebiet (z. B. PETRICK et al. orten (= Teilproben) jeder Probestelle eine besiedelten Gewässerabschnitte (v. a. jene 2004; MARTIN 2006; MARTIN et al. 2007). vollflächige Erfassung. Die einzelnen Teilpro- mit C-Bewertung) müssen kurzfristig Erhal- Kleinere Populationen finden sich noch in ben sollten eine Breite von mindestens einem tungs- und Entwicklungsmaßnahmen ergrif- der Uckermark (S. Petrick, mündl. Mitt.), im Fließgewässermeter aufweisen, bei geringen fen werden, um diese Vorkommen zu stabili- Barnim, Ostprignitz-Ruppin (PETRICK & MAR- Individuendichten (<10 Individuen) war die sieren. Für die Beispielgewässer Stepenitz, TIN 2009), der Märkischen Schweiz und der Breite bis auf 10 Fließgewässermeter zu erhö- Kümmernitz und Karthane werden erste Zauche im Landkreis Teltow-Fläming (U. Ro- hen. Da sich bis auf wenige Ausnahmen alle Maßnahmenhinweise gegeben. Eine flä- the, letzter Nachweis 2008). Weitestgehend Probestellen durch eine geringe Besiedlungs- chenkonkrete Maßnahmenplanung ist jedoch alle der bekannten Vorkommen Brandenburgs dichte auszeichneten, beträgt die Breite der Bestandteil der Managementplanung für befinden sich innerhalb von FFH-Gebieten. Teilprobenfläche zumeist 10 Fließgewässer- FFH-Gebiete sowie der Gewässerentwick- Im Jahr 2009 beauftragte das Landesamt für meter bzw. 5 m bei sehr breiten Gewässern. lungskonzepte im Rahmen der WRRL. Umwelt, Gesundheit und Verbraucherschutz Die lebenden Tiere wurde vermessen (Höhe Brandenburg (Naturschutzstation Zippelförde) und Breite; Genauigkeit 1 mm) und deren in ausgewählten Gewässern eine Erfassung Alter ermittelt. Letzteres erfolgte durch Aus- 1 Einleitung der aktuellen Verbreitung und Bewertung des zählen der Wachstumsunterbrechungen („Jah- Erhaltungszustandes der einzelnen Vorkom- resringe“). Die Bachmuschel oder Kleine Flussmuschel men der Bachmuschel im Sinne der FFH- Bewertungsrelevante Parameter, wie Gewäs- (Unio crassus) besiedelt nahezu alle Gewäs- Richtlinie. Von den bekannten aktuell bzw. sermorphologie, Strömungsverhältnisse, Sedi- sersysteme von kleinen Bächen bis zu gro- historisch besiedelten Gewässern wurden mentstruktur, Ufer- und Submersvegetation, ßen Flüssen. Sie gilt als Charakterart schnell 32 Gewässer an vorgegebenen Probestellen gewässerbegleitende Nutzungen, Einleitun- fließender Gewässer und ist aufgrund ihrer untersucht. Von diesen befinden sich 14 im gen, zufließende Gräben etc. sind während hohen Lebensraumansprüche ein Indikator Spree-Einzugsgebiet (IGB 2010). Der nach- der Geländeerfassungen aufgenommen wor- für naturnahe Fließgewässer mit hoher bis folgende Beitrag bezieht sich auf 18 Gewäs- den. Die Daten zur Gewässergüte werden sehr hoher Gewässergüte. Bis Anfang des ser außerhalb dieses Gebietes und umfasst regelmäßig vom LUGV Brandenburg Referat 20. Jahrhunderts war sie eine der häufigsten insgesamt sechs Landkreise (RANA 2011). Ö4 (Wasserrahmenrichtlinie, Hydrologie, Großmuschelarten in vielen Fließgewässer- Gewässergüte) erhoben und für die unter- systemen (PETRICK 2006). Gewässerverschmut- suchten Gewässer – sofern diese im Gewäs- zung, -ausbau und die damit verbundenen 2 Methodik ser-Messnetz enthalten sind – zur Verfügung Unterhaltungsmaßnahmen haben den Lebens- gestellt. Hier wurden die Messreihen der raum der Bachmuschel sowie den ihrer Die Erfassungen erfolgten im Jahr 2009 und letzten 10 Jahre abgefragt. Der Fischbestand Wirtsfische in den vergangenen Jahrzehnten an einzelnen Probestellen im Jahr 2010. Die wurde ebenfalls beim LUGV Referat Ö4, 112 NATURSCHUTZ UND LANDSCHAFTSPFLEGE IN BRANDENBURG 21 (3) 2012

recherchiert. Bei stauregulierten Gewässern 3 Ergebnisse Habitat: können die Ergebnisse nicht auf andere Die Stepenitz weist von allen untersuchten Gewässerabschnitte bzw. auf deren Neben- Tabelle 1 enthält alle untersuchten Gewässer- Gewässern die beste Strukturgüte auf (LUA fließe übertragen werden, da keine ökologi- abschnitte, deren Besiedlung durch die Bach- 2002). Der Oberlauf der Stepenitz ist durch sche Durchgängigkeit gegeben ist. Sonstige muschel sowie die FFH-Bewertung des jewei- Ausbau und angrenzende landwirtschaftliche Nutzungen, wie Angelsport, Bootstourismus ligen Gewässers- bzw. untersuchten Gewässer- Nutzflächen geprägt. Der gesamte Mittel- wurden recherchiert. abschnittes. Die Gewässer sind nach Land- lauf zeichnet sich meist durch naturnahe und Sämtliche Ergebnisse sind in Form von Erfas- kreisen gelistet. Die Ergebnisse dieser Erfas- heterogene Gewässerstrukturen aus. Ab dem sungsbögen protokolliert. Diese enthalten für sung sollen nachfolgend beispielhaft und Hochwasser- Rückhaltebecken der Stadt jede Probestelle und Teilprobe eine Beschrei- auszugsweise an den Gewässern Stepenitz, Perleberg bis zur Mündung ist der Ausbau- bung, alle bewertungsrelevanten Parameter, Kümmernitz und Karthane vorgestellt wer- zustand dann wieder deutlich erhöht. Detailkarten zu deren Lage, deren Bewertung den. Das Gesamtgutachten ist beim LUGV Der durchschnittliche Nitratgehalt lag an allen und eine Fotodokumentation. Die Bewertung (Naturschutzstation Zippelsförde) einsehbar. Messstellen seit dem Jahr 2000 zwischen 2,8 des Erhaltungszustandes basiert auf den und 3,7 mg/l NO3-N und ist damit relativ Methodenempfehlungen des Bundeskonzep- Die Stepenitz ist der größte Elbezufluss im hoch. Allerdings ist trotzdem eine aktuell tes nach PAN & ILÖK (2009). Die probe- Landkreis Prignitz. Er entspringt südöstlich erfolgreiche Reproduktion der Bachmuschel stellenübergreifende Gesamtbewertung des Penzlin und mündet in Wittenberge in die an den besiedelten Gewässerstrecken gege- Gewässers erfolgte in Form eines Berichtes Elbe. Von ihren zahlreichen Zuflüssen wurden ben. Ein Grund hierfür ist wohl die Tatsache, sowie kartographisch (Tabelle 2 sowie Abb. 1: Dömnitz (mit Zufluss Kümmernitz), Schlat- dass es neben erhöhten Konzentrationen auch Kartenbeispiel). Die Karten enthalten neben bach, Freudenbach, Sude (mit Zufluss Baek) zu längeren Phasen mit geringeren Werten den Bewertungen der einzelnen Probestellen und Karthane (mit Zufluss Cederbach) unter- als 2 mg/l NO3-N kommt (vgl. KÖHLER 2006). Angaben zu deren Besiedlung durch die sucht (Tab. 1). Aufgrund ihres hohen Fließ- Der gesamte Stepenitzlauf weist ein geeigne- Bachmuschel (Unio crassus). Für die karto- gefälles zeigt sie Eigenheiten eines Gebirgs- tes, standorttypisches und im Wesentlichen graphische Darstellung standen vom LUGV baches, der bei Niederschlägen schnell an- vollständiges Wirtsfischspektrum auf, wobei die TK 1:10.000 zur Verfügung. schwillt. die einzelnen Arten teilweise in hohen Dich-

Tab. 1: Untersuchte Gewässer bzw. Gewässerabschnitte und deren Besiedlung durch die Bachmuschel inkl. Bewertung im Sinne der FFH-Richtlinie. Gewässer beprobte Abschnitte besiedelte Abschnitte FFH-Bewertung FFH-Gebiet (Anzahl Probestellen) (Anzahl Probestellen) Landkreis Prignitz Baeck (1) Mündungsbereich wahrscheinlich besiedelt C Nr. 207 „Stepenitz“ Cederbach (6) Lindenberg bis Mündung alle Probestellen besiedelt C Nr. 583 „Cederbach“ Dömnitz (4) Kathfelder Mühle Pritzwalk Horst bis Mündung (2) C Nr. 207 „Stepenitz“ bis Mündung Freudenbach (2) südl. K7025 bis Mündung besiedelt C Nr. 207 „Stepenitz“ Karthane (11) Vehlin bis Bälow Klein Leppin bis Teiche oberh. B Nr. 311 „Plattenburg“; Plattenburg (2) Nr. 351 „Karthane“, PS Vehlin außerhalb Haaren bis Zufluss Cederbach (1) C Nr. 351 „Karthane“ Kümmernitz (4) Mertensdorf bis Mündung unterhalb Triglitz (1) C unterhalb Triglitz Nr. 207 „Stepenitz“ Löcknitz (7) Dallmin bis Lanz Dallmin bis Gadow (6) C Nr. 107 „Gadow“, Nr. 354 „Mittlere u. Obere Löcknitz“ Schlatbach (1) Mündungsbereich besiedelt C Nr. 207 „Stepenitz“, Nr. 14 „Schlatbach“ Stepenitz (13) Ortslage Stepenitz bis Ortslage Stepenitz bis Hochwasser- B Nr. 207 „Stepenitz“ besiedelt; unterhalb Perleberg Rückhaltebecken Perleberg (12) Nr. 352 „Untere Stepenitz und Jeetzbach“ keine Nachweise bekannt, Erfassung 2012/13 Sude (1) Mündungsbereich besiedelt B Nr. 207 „Stepenitz“ Landkreis Ostprignitz-Ruppin Rheinsberger Rhin (3) Zechow bis Zippelsförde besiedelt C Nr. 290 „Rheinsberger Rhin-Hellberge“ Landkreis Uckermark Küstriner Bach (3) gesamter Lauf vollständig besiedelt C Nr. 135 „Hardenbeck-Küstrinchen“ Landkreis Barnim Alte Finow (4) Europa-Radwanderweg unterh. nördl. u. südl. der A11 (2) B Nr. 218 „Finowtal-Pregnitzfließ“ Biesenthal bis Finowkanal Hellmühlenfließ (1) Hellsee 1 km gewässerabwärts Einzeltier B Nr. 216 „Biesenthaler Becken, Erweiterung“ Landkreis Märkisch-Oderland Alte Oder (4) Gusow-Platkow bis Kunersdorf nicht besiedelt - Nr. 607 „Oder-Neiße Ergänzung“ Stobber (4) ab Zufluss Töpfergraben bis ab Zufluss Töpfergraben B Nr. 144 „Stobbertal“ Lappnower Mühle bis Pritzhagener Mühle (1) Landkreis Teltow-Fläming Nieplitz (5) Buchholz bis Zauchwitz unterh. Wehranlage Zauchwitz (1) C Nr. 596 „Obere Nieplitz“ von ROTHE 2008 (schriftl. Mitt.), 2011 nicht nachgewiesen Pfefferfließ (1) Stangenhagen nicht besiedelt - Nr. 30 „Nuthe-Nieplitz-Niederung KATRIN HARTENAUER: Situation und Bewertung des Erhaltungszustandes der Bachmuschel … 113

ten und mit reichen Jungfischvorkommen vertreten sind (IBF 2003, Rothe mündl. Mitt.).

Population: Der gesamte Mittellauf der Stepenitz von der Sudemündung beginnend bis oberhalb des Rückhaltebeckens Perleberg wird gegen- wärtig durchgehend durch die Bachmuschel besiedelt. Zwischen Sudemündung und der Ortslage Stepenitz sind bislang nur Einzel- vorkommen bekannt (ROTHE 1996). Die höchste Dichte wurde an der Probestelle „Lübzow“ mit im Durchschnitt 129 Bach- muscheln je laufendem Meter ermittelt, gefolgt von der Probestelle „Mansfeld“ mit durchschnittlich 64 Tiere/laufendem Meter. Besonders positiv ist der hohe Jungmuschel- bestand. Der Anteil lebender Jungtiere (Al- ter ≤ 5 Jahre) beträgt an allen Probestellen (ab Sude-Mündung bis Lübzow) über 20 % des Gesamtbestandes lebender Tiere. Von den insgesamt 13 Probestellen konnte der Zustand der Population insgesamt an 8 Probestellen (Putlitz bis Lübzow) mit „A“ (hervorragend) bewertet werden. Die beiden Probestellen „Telschow“ und „Nettelbeck“ oberhalb Put- litz wurden insgesamt mit „B“ (gut) bewer- tet. An den drei Probestellen „Stepenitz“, „unterhalb Stepenitz“ und „unterhalb Perle- berg“ ist der Zustand der Population „C“ (mittel-schlecht). An der Mehrzahl der Probestellen zeigte die Bachmuscheln hinsichtlich ihrer Aufenthalt- sorte eine deutliche Präferenz für randlich gelegene Spülrinnen, Kolke, unterspülte Ufer Abb. 1 und Wurzelbereiche sowie lagestabilere Kartenbeispiel mit dem Besiedlungsstatus der Bachmuschel und deren Erhaltungszustand Böschungen. Die Gewässermitte war in der innerhalb der untersuchten Probestellen dargestellt an einem Ausschnitt der Stepenitz inkl. Regel durch lageinstabile Sandablagerungen bearbeiteter Nebengewässer. geprägt. Hier war die Muscheldichte gering oder es traten überhaupt keine Tiere auf. Lediglich am Mittellauf bei Mansfeld und Lockstädt waren diese Bereiche so ausge- prägt, dass sich auch hier regelmäßig Bach- muscheln aufhielten. An den Zuflüssen Sude und Dömnitz sind ebenfalls reproduzierende Bachmuschel- bestände bekannt. In der Kümmernitz, dem Schlatbach und Freudenbach konnten bis- lang nur wenige Alttiere festgestellt werden. Die Bachmuschelpopulation des Stepenitz- systems ist somit eine der individuenreich- sten und bedeutendsten im Norddeutschen Tiefland. Aufgrund der Bachmuschel-Vor- kommen in der Stepenitz sowie einer Anzahl Zuflüsse, welche mit Bachforelle (Salmo trutta f. fario), Dreistachliger Stichling (Gas- terosteus aculeatus), Neunstachliger Stich- ling (Pungitius pungitius), Elritze (Phoxinus phoxinus), Groppe (Cottus gobio) zudem einen charakteristischen Wirtsfischbestand aufweisen, muss von weiteren Vorkommen zumindest in den Unterläufen ausgegangen werden (z. B. Baek, Sagast, Krumbach).

Beeinträchtigungen: Eine Hauptgefährdung der Bachmuschel bil- den an der Stepenitz fehlende oder unter- Abb. 2 repräsentierte Gewässer- bzw. Talraumrand- Die Stepenitz bei Mansfeld ist ein weitgehend naturnaher, reich strukturierter Bachlauf mit streifen, was den Stoffrückhalt vor allem aus hoher Breiten- und Tiefenvarianz, Strömungs- und Substratheterogenität sowie großen ein- angrenzenden landwirtschaftlich genutzten gewachsenen Wurzelbereichen als natürliche Ufersicherung. Foto: T. Berger Flächen erheblich einschränkt. So kommt es 114 NATURSCHUTZ UND LANDSCHAFTSPFLEGE IN BRANDENBURG 21 (3) 2012

insbesondere von angrenzenden Intensiv- keit der Stepenitz für verschiedene Wirts- gefressener Schalen war teilweise sehr hoch. äckern zum Stoffeintrag, was ein Hauptgrund fischarten, insbesondere für kleinere Bach- Aktuell gibt es eine Nutzung der Stepenitz für die teilweise hohen Sandfrachten und die arten wie Elritze, Groppen und Stichlinge. So ab Wolfshagen durch Kanutouristen. Zusetzung und Überlagerung natürlicher geht z. B. von mehreren Querverbauen inner- Gewässerunterhaltungsmaßnahmen werden Sohlsubstrate bildet und besonders für Jung- halb der Stadt Perleberg eine Barrierewirkung vor allem am unteren Mittellauf durchgeführt, muscheln als kritisch einzustufen ist. Weitere für Wirtsfische aus, was eine (Wieder-)An- z. B. eine Böschungsmahd. Eintragsquellen bilden Zuflüsse aus den land- siedlung der Bachmuschel am Unterlauf ein- wirtschaftlich genutzten Flächen (Neben- schränkt. In diesem Zusammenhang müssen Die Kümmernitz entspringt in der Prignitz gewässer u. Meliorationsgräben) mit eben- auch Planungen zur Wiederherstellung der südwestlich der Gemeinde Penzlin und mün- falls fehlenden oder gering dimensionierten Mühle in Wolfshagen für eine Wasserkraft- det in die Dömnitz. Gewässerrandstreifen, Fischteiche im Neben- nutzung kritisch betrachtet werden. Die heu- stau und illegale Einleitungen innerhalb der te bereits rückgebauten Stauhaltungen am Habitat: Ortschaften. Unterhalb der Ortslage Wolfs- Standort wären für einen wirtschaftlichen Die Habitatqualität an den untersuchten hagen fehlen Ufergehölze, was eine verstärk- Betrieb wieder notwendig und würden eine Probestellen unterscheidet sich erheblich. te Ufererosion und damit erhöhten Sediment- neuerliche Barrierewirkung bedingen. Teilabschnitte der untersuchten Probestellen eintrag zu Folge hat. Am Abschnitt von Putlitz bis Kreuzburg sind durch Gewässerausbau (Begradigung, Eine weitere Beeinträchtigung ist die teilweise wurden wiederholt Fraßplätze von Prädatoren überdimensionierte Profile) stark verändert eingeschränkte ökologische Durchgängig- angetroffen (z. B. Mink). Die Anzahl aus- und naturfern, andere wiederum sind natur- nahe Bachstrecken. Aufgrund der geringen Abflussmenge aus dem Speicher Preddöhl ist der Abfluss bei Mittelwasser in der Kümmer- nitz so gering, dass diese natürlichen Gewäs- serstrukturen teilweise trockengefallen und die Kolke und strömungsberuhigten Bereiche oft durch Ablagerungen von Feinmaterial, Schlamm und Grobdetritus geprägt waren. Aufgrund der abschnittsweise fehlenden Ufer- gehölze und der teilweise bis an das Gewässer heranreichenden landwirtschaftlichen Nutz- flächen weist die Kümmernitz eine hohe Geschiebefracht auf. Durch den geringen Abfluss bei Mittelwasser wird die Sedimen- tation dieser Geschiebe zusätzlich gefördert. Messdaten zur Wasserbeschaffenheit lagen nicht vor. Es muss jedoch von einer erhöhten Belastung der Kümmernitz durch die Über- leitung aus dem Speicher Preddöhl und von angrenzenden landwirtschaftlichen Flächen ausgegangen werden, was sich teilweise in einer deutlichen Veralgung und Aufwuchs- Abb. 3 bildung wiederspiegelt. Die Stauwirkung hat Bei Klein Leppin befindet sich einer der letzten weitgehend naturnahen Abschnitte der Kar- zudem einen negativen Einfluss auf die Was- thane. Innerhalb der stark mäandrierenden Abschnitte variieren auch die Strömungsgeschwin- sertemperatur und -qualität. digkeit, Breite und Tiefe des Gewässers. Die Ufer werden beidseitig durch Ufergehölze flankiert Die Kümmernitz weist ein standorttypisches und durch die dichten Wurzelgeflechte vor Erosion geschützt. Foto: K. Hartenauer Wirtsfischspektrum auf. Nur gelegentlich wer- den Flussbarsch (Perca fluviatilis), Karausche (Carassius carassius) oder Schleie (Tinca tinca) aus dem Speicher verdriftet (U. Rothe in litt.).

Population: Bachmuschelnachweise gelangen ausschließ- lich an der Probestelle „Triglitz“. Es handelt sich jedoch nur um Einzelnachweise von drei alten Tieren. Bei Jakobsdorf wurden zahlrei- che subfossile Schalenfragmente ermittelt, die historische Vorkommen belegen. Auf Basis der bisher vorliegenden Ergebnisse ist nicht abschätzbar, wie groß der tatsächliche Gesamtbestand im Gewässer ist. Die Habitat- erfassungen an den Einzelstrecken zeigen jedoch, dass die Gewässerstruktur der Küm- mernitz über die Probestelle „Triglitz“ hinaus geeignete Habitate bietet (z. B. Probestellen „Mertensdorf“ und „Jakobsdorf“). Ein weiter- reichendes (Rest-) Vorkommen über die aktu- ellen Nachweise hinausgehend kann deshalb Abb. 4 angenommen werden. Aktueller Zustand der Karthane (hier unterhalb Haaren, April 2012): Das Gewässer wurde Alle Bachmuscheln fanden sich innerhalb lage- begradigt und damit strukturell stark degradiert. Ufergehölze sind nur noch punktuell vor- stabilerer Randbereiche am Fuß alter Faschi- handen, so dass die Ufer über weite Bereiche stark erodieren und abbrechen. nenverbauungen innerhalb angedeuteter Foto: K. Hartenauer Stromrinnen. KATRIN HARTENAUER: Situation und Bewertung des Erhaltungszustandes der Bachmuschel … 115

Beeinträchtigungen: flussen die Abfluss- und Strömungsverhält- kommen von 2 Arten bekannt. Die Anzahl Für den aktuell schlechten Zustand der Bach- nisse erheblich und unterbinden zudem eine der potentiellen Wirtsfische ist damit gering. muschelpopulation in der Kümmernitz sind ökologische Durchgängigkeit des Gewässers. In Anbetracht der Strukturarmut des Gewäs- vor allem deren Ausbaugrad, fehlende Ufer- Die Karthane weist kaum fließgewässertypi- sers ist davon auszugehen, dass die vorhan- gehölze und Gewässerrandstreifen sowie der sche Kleinstrukturen, wie Aus- und Unter- dene Wirtsfischfauna tendenziell mit „C“ geringe Mittelwasserabfluss verantwortlich. spülungen, Kolke, Störstellen (z. B. Totholz), (mittel bis schlecht“) zu bewerten ist. Das gesamte Einzugsgebiet der Kümmernitz ist Rauschen u. a. auf. Ufergehölze sind selten durch landwirtschaftliche Nutzflächen geprägt. vorhanden. Die einzigen vollständig von Laub- Population: Diese reichen vielfach bis an das Gewässer gehölzen flankierten Abschnitte befinden sich Die Vorkommen der Bachmuschel beschrän- heran und sind Haupteintragsquelle für das bei Klein und Groß Leppin sowie im Müh- ken sich auf die beiden Teilabschnitte zwischen Geschiebe (v. a. Sand). Neben Stoffeinträgen lenholz bei Karthan. Sonst sind diese nur als der Straßenbrücke der L101 nach Sigrön und begünstigen der geringe Abfluss bei Mittel- Einzelbäume oder lokal vorhanden (z. B. der Stauanlage zwischen Haaren und Platten- wasser sowie die abschnittsweise auftreten- Vehlin und Haaren). Bedingt durch die Stau- burg in Höhe des Forsthauses sowie zwischen den überdimensionierten Regelprofile die regulierung ist die Fließgeschwindigkeit Plattenburg und Klein Leppin (ca. 4500 m). Sedimentation und Zusetzung des Intersti- mäßig (0,1-0,3 m/s), vielfach nur langsam Zwischen diesen beiden Teilabschnitten, deren tials. Für den geringen Abfluss ist neben dem bis stagnierend. Als Sohlsubstrat treten vor Anfangs- bzw. Endpunkt jeweils eine Wehr- Ausbauzustand (überdimensioniertes Regel- allem Sand, in langsam fließenden Abschnit- anlage bildet, liegt ein Abschnitt in dem profil) vor allem der Speicher Preddöhl als ten Schlamm oder Sand-/Feinschlammgemi- aktuell weder lebende Tiere noch Leerscha- Ursache anzusehen. So konnte während der sche auf. Die kiesigen Bestandteile und Geröll len der Art gefunden werden konnten. Die Geländearbeiten im Jahr 2010 kein Abfluss dürften im Zuge der Gewässerunterhaltung Besiedlungsdichten in beiden Abschnitten aus dem Speicherbecken und dem Umfluter allmählich entfernt worden sein. Lediglich sind sehr gering, es wurden jedoch sowohl mehr festgestellt werden. zwischen Klein Leppin und dem Mühlenberg junge (<5 Jahre) als auch ältere Tiere fest- Insgesamt muss von einer erhöhten stoff- unterhalb Groß Leppin ist die Karthane noch gestellt. Leerschalen kamen nur sehr verein- lichen Belastung der Kümmernitz durch die weitgehend naturnah. zelt vor. Überleitung aus dem Speicher Predöhl und Bemerkenswerterweise ist der gesamte Unter- Unterhalb Haaren mündet der Cederbach in von angrenzenden landwirtschaftlichen Flä- suchungsabschnitt trotz der großräumigen die Karthane, welcher ebenfalls von der chen ausgegangen werden, was sich teilweise landwirtschaftlichen Nutzflächen im Einzugs- Bachmuschel besiedelt ist. in einer deutlichen Veralgung und Aufwuchs- gebiet nicht nitratbelastet. Der Kenntnisstand bildung wiederspiegelt. zur Wirtsfisch-Fauna der Karthane muss als Beeinträchtigungen resultieren vor allem aus Gewässerunterhaltungsmaßnahmen konnten ungenügend eingeschätzt werden. Es liegen dem Ausbaugrad des Gewässers sowie der nur am Unterlauf festgestellt werden. Diese keine hinreichend genauen Daten zu den intensiven Unterhaltungsmaßnahmen. Zwi- umfassten Krautungen sowie Sohlräumungen. Fischarten und deren Dichten (insbesondere schen Plattenburg und dem Mühlenholz bei Jungfischdichten) innerhalb der einzelnen Karthan ist die Karthane aufgrund einer hohen Die Karthane entspringt in der Prignitz bei Abschnitte vor. Für die Messstelle „Klein Sohl- und Ufererosion infolge des Gewässer- Seefeld und mündet bei Wittenberge in die Leppin“ werden Drei- und Neunstachliger ausbaugrades und der fehlenden Ufervege- Stepenitz, die wiederum wenige Meter wei- Stichling angegeben (LUGV Referat Ö4). tation (keine Röhrichte, Gehölze etc.) durch ter der Elbe zufließt. Entsprechend den naturräumlichen Gegeben- einen stark erhöhten Sandtrieb gekennzeich- heiten sind als Wirtsfische weiterhin Bach- net. Aufgrund der Stauregulierung zeigt die Habitat: forelle, Flussbarsch, Elritze, Hasel und Groppe Karthane über größere Teilstrecken kaum eine Die Karthane ist ein stark ausgebautes, begra- zu erwarten (nach LAWA-Gewässertypolo- Fließbewegung, so dass sich in stärkerem digtes und staureguliertes Gewässer. Allein gie, Stand 2005; Typ „sandgeprägter Tief- Maße Feinsedimente ablagern (Bälow, Bad in dem bearbeiteten Abschnitt konnten acht landbach“). Von den 7 potentiell zu erwar- Wilsnack, oberhalb Mühlenholz, zwischen Stauwerke festgestellt werden. Diese beein- tenden Wirtsfischarten sind aktuell die Vor- Plattenburg und Forsthaus am Wehr zwischen Plattenburg und Haaren). Aufgrund der Tab. 2: Tabellenbeispiel für die zusammenfassende Bewertung der Probestellen der Bachmuschel geringen Schleppkraft der Karthane in diesen (Unio crassus) hier für die Kümmernitz Bereichen werden die Feinsedimente nicht Legende: n.b. – nicht bewertbar, da keine Daten vorliegend abtransportiert und die Gewässersohle ver- Parameter der Bewertung Mertensdorf Triglitz Jakobsdorf Helle schlammt. Die verminderte Fließbewegung Zustand der Population CCCC sowie die fehlende Beschattung durch Ufer- Siedlungsdichte c c c c gehölze fördern zudem die Entwicklung von Makrophyten, welche die Sedimentation Populationsgröße c c c c und Verschlammung zusätzlich begünstigen. Populationsstruktur/Reproduktionsrate c c c c Auch direkte Einspülungen aus unmittelbar Habitatqualität BBBC angrenzenden Äckern infolge Erosion sowie Lebensraum a b b c aus Nebengewässern spielen hier eine Rolle Fließgeschwindigkeit b b b c (z. B. unterhalb Plattenburg). Grundsubstrat und hyporheisches Interstitial b b b c Die starke Verkrautung und Sedimentation sind Anlass, regelmäßig und in kurzen Zeit- Nitratgehalt [NO3 (mg/l)] oder räumen Gewässerunterhaltungsmaßnahmen Nitratstickstoffgehalt [NO -N (mg/l) n.b. n.b. n.b. n.b. 3 durchzuführen. Dabei werden große Abschnit- potenzielles Wirtsfischspektrum a a a a te gekrautet, Röhrichtrhizome entfernt und Beeinträchtigungen CCCC die Sohle geräumt. Im Zuge von Gewässer- Nährstoffeintrag/Eutrophierung b c b b unterhaltungen wurden unterhalb Haaren Sedimentumlagerung und -verfrachtung, Feinsedimenteintrag b c c c wiederholt lebende Tiere ans Ufer gebracht, Anteil Laub(misch)wald oder landwirtschafl. ungenutzte bis die anschließend verendeten. Zwischen Plat- extensiv genutzte Flächen im Einzugsgebiet c c c c tenburg und der Straßenbrücke der L101 Gewässerunterhaltung a b b c nach Sigrön ist die Karthane deshalb struktu- rell stark verödet. Fraßdruck durch Neozooen a a a a In Abschnitten, die von Äckern flankiert wer- Freizeit- und Erholungsnutzung a a a a den oder Ortslagen durchfließen, können Gesamt-Bewertung CCCC Nährstoffeinträge nicht ausgeschlossen wer- 116 NATURSCHUTZ UND LANDSCHAFTSPFLEGE IN BRANDENBURG 21 (3) 2012

Erhaltungs- und Entwicklungsmaßnahmen zielen zunächst im Wesentlichen auf die aktuell besiedelten Gewässerabschnitte ab. Es ist jedoch ebenso notwendig, bestehende Beeinträchtigungen bereits oberhalb des Besiedlungsraumes zu beseitigen, um ins- besondere Stoff- und Geschiebeeinträge zu reduzieren, aber auch neue Siedlungsräume für die Bachmuschel zu schaffen. Langfristig sind Verbesserungen der Lebensraumsitua- tion der Bachmuschel auch in aktuell nicht besiedelten Bereichen wünschenswert, um der Art hier perspektivisch eine (Wieder-) Ansied- lung zu ermöglichen und einen möglichst weitreichenden Verbund der Vorkommen herzustellen. Nachfolgend sollen einige Handlungsgrund- sätze beispielhaft an den ausgewählten Gewässern dargestellt werden (Tab. 3).

Förderung natürlicher Fließgewässerstruktu- ren (und damit auch der Wirtsfischfauna) Abb. 5 Durch die Begradigung und den Verbau sind die Gewässer strukturell stark degradiert und Die natürliche Sohle zahlreicher Gewässer wird vielerorts flächig von Sand überlagert (hier ihre Eigendynamik stark eingeschränkt. Typi- am Beispiel der Kümmernitz bei Jacobsdorf). Diese stark erhöhte Sandfracht ist eine Folge der Erosion (Uferabrasion, Oberflächenerosion auf Äckern, Einträge aus Meliorationsgräben sche gewässermorphologische Strukturen sind etc.) oft in Verbindung mit zu geringen Mindestabflussmengen und/oder monotoner Strö- deshalb nicht oder nur noch sehr lokal vor- mungsverhältnisse. Foto: T. Berger handen, wie der Wechsel zwischen tieferen und flacheren Bachabschnitten, Strömungs- den. Innerhalb der Ortslagen (z. B. Bad Wils- • Gewässerverschmutzung; hindernisse, Rauschen, Auskolkungen, Unter- nack, Groß Leppin) befinden sich direkte Ein- • Stoffeinträge durch Erosion; spülungen etc. Vor allem das Fehlen von leitungsstellen, vermutlich von ungeklärten beschattenden und uferstabilisierenden Gehöl- Oberflächenwässern. In einzelnen Gewässern spielen auch andere zen wirkt sich nachhaltig negativ auf den Gefährdungsfaktoren eine wichtige Rolle, wie Gewässerzustand aus. Zur Förderung der z. B . Neozoen als Fressfeinde, Bootstouris- natürlichen Fließgewässerdynamik und damit 4 Handlungsempfehlungen mus, Einleitungen aus Fischzuchtanlagen, Optimierung des Lebensraumes der Bach- und -prioritäten Straßenentwässerung etc. (Tab. 3 „sonstige muschel können folgende biotopverbessern- Maßnahmen“). de Maßnahmen vorgeschlagen werden: Die Gründe für die negative Bestandsent- Zum Erhalt der Bachmuschel und Verbesse- – Aufhebung des geraden Gewässerverlau- wicklung sind vielschichtig. Die wesentlichen rung ihrer aktuellen Bestandssituation sollten fes und Verbesserung einer naturnahen Gefährdungsfaktoren an den untersuchten erste Maßnahmenhinweise formuliert werden. Abfolge von Prall- und Gleithängen z. B. Gewässern lassen sich jedoch wie folgt zu- Bei diesen handelt es sich jedoch nur um durch Unterlassen des Uferverbaus; geziel- sammenfassen: Handlungsgrundsätze. Abschnittskonkrete te Einbringung von Strömungslenkern Maßnahmenkonzepte müssen im Zuge der und Störelementen an degradierten Teil- • maschinelle Gewässerunterhaltung; Managementplanung für FFH-Gebiete sowie abschnitten (Totholzkörper, buhnenarti- • Gewässerausbau; der Gewässerentwicklungskonzepte im Rah- ger Lenker, Steinen, Kiesschüttungen); • Rückgang der Wirtsfische; men der WRRL erarbeitet werden. Flachabbaggern von Uferböschungen;

Abb. 7 Abb. 6 Der auf Abb. 6 dargestellte Standort im Jahr 2012. Der Abschnitt Karthane in Höhe der Ortslage Haaren im Jahr 2010. An dem abge- wurde vollständig ausgeräumt, die Ufer abgefräst und der Prallhang bildeten Standort wurden zu diesem Zeitpunkt zwei Bachmuscheln ist mit einer Steinschüttung versehen. Dabei eignet sich diese Lokali- nachgewiesen. Der Abschnitt ist locker verkrautet, jedoch mit einer tät hervorragend für die Anlage einer geschlossenen Reihe Ufergehöl- deutlich vorhandenen und mäandrierenden Strömungsrinne. ze, welche das Gewässer beschatten und damit künftig Krautungen Foto: K. Hartenauer nicht mehr erforderlich wären. Foto: K. Hartenauer KATRIN HARTENAUER: Situation und Bewertung des Erhaltungszustandes der Bachmuschel … 117

– Förderung natürlicher Ufergehölze (be- – Verbesserung des Fließverhaltens und hung der Durchflussmenge (z. B. Erhöhen vorzugt in Mittelwasserlinie) zur Minde- Entwicklung natürlicher Substrate durch der Abflussmengen an Staubauwerken); rung der Ufererosion und damit Sedi- Profileinengungen an punktuell über- – Anlage von Sedimentfallen zur Minde- mentfracht sowie der Verkrautung (z. B. dimensionierten Gewässerabschnitten rung der Versandung; gruppenweise seitlich versetzte Pflan- (z. B. mittels Kiesschüttungen, buhnen- – Reduzierung der Gewässerunterhaltung zungen); artiger Lenker mit Treibselsammler); Erhö- auf das geringstmögliche Maß.

Tab. 3: Ausgewählte Handlungsempfehlungen für die Beispielgewässer Karthane, Stepenitz und Kümmernitz Gewässer Maßnahmen Karthane Stepenitz Kümmernitz Hauptbeeinträchtigungsfaktor: maschinelle Gewässerunterhaltung Optimierung der Gewässerunterhaltung gesamter Gewässerlauf, schwerpunkt- Wolfshagen bis Perleberg; Unterlauf bei Helle mäßig die besiedelten Abschnitte - vollständige Einstellung der Plattenburg bis L101 Unterhaltungsmaßnahmen; (Landstraße nach Sigrön); - schonende Pflanzenmahd ohne Beeinträchtigungen der Sohle und Böschungen; - Förderung natürlicher Fließgewässer- strukturen u. Ufergehölzen (siehe unten) Hauptbeeinträchtigungsfaktor: Gewässerausbau und Nutzung Förderung natürlicher Abschnitt zw. Plattenburg bis L101 - zw. Wolfshagen u. Perleberg; - v. a. am Unterlauf und Teilabschnitt Fließgewässerstrukturen (Landstraße nach Sigrön); oberhalb Telschow, uh. Perleberg bis oh. Eisenbahnbrücke bei Jakobsdorf - v. a. Schutz vor Ufererosion durch Mündung, Oberlauf oberhalb Orts- bis Triglitz Einbau von Totholzbündeln, Wurzel- lage Stepenitz körpern, Lebendfaschinen, Weiden- - Rückverlegung in das noch vor- setzlingen; handene trockengefallene historische - Totholzbuhnen zur Förderung der Bachbett i. d. Ortslage Stepenitz Strömungs- und Substratvielfalt; Kiesschüttungen etc. Minderung der Sedimentfracht - Anlage von Sedimentfängen zw. gesamter Lauf inkl. Nebengewässer, gesamter Lauf inkl. Nebengewässer Plattenburg bis L101 (Landstraße hohe Priorität ab Wolfshagen bis - Einrichtung von Gewässerrandstreifen nach Sigrön) sowie an den Zuflüsse, Perleberg v. a. dort, wo ackerbauliche Nut- z. B. Cederbach; - Einrichtung von Gewässerrandstreifen zungen bis an das Gewässerufer - Vorschalten von Pflanzenklärbecken v. a. dort, wo ackerbauliche Nut- heranreichen, z. B. Teilabschnitt oh. in Drainagegräben der Äcker z. B. zungen bis an das Gewässerufer bzw. Eisenbahnbrücke bei Jakobsdorf unterhalb Klein Leppin; das Bachtal heranreichen; bis Triglitz - Einrichtung von Gewässerrandstreifen - Gewässerauskopplung und Verbot v. a. dort, wo ackerbauliche Nutzungen direkter Viehtränken v. a. Abschnitt bis an das Gewässerufer heranreichen, zwischen Wolfshagen und Perleberg; z. B. unterhalb Plattenburg u. in Höhe - Rückbau bzw. Verschluss von Cederbach-Mündung; Drainagen aus landwirtschaftlichen Nutzflächen; Förderung von Ufergehölzen - Erhalt des Baumbestandes zw. Klein - Förderung eines durchgängigen - Initiierung von Ufergehölzen z. B. oh. (Minderung der Sedimentfracht; u. Groß Leppin; Ufergehölzbestandes zw. Telschow Eisenbahnbrücke bei Jakobsdorf bis Erhöhung Beschattung und damit - Initiierung von Ufergehölzen zw. bis Perleberg; Triglitz, und am Unterlauf; vermindertes Makrophytenaufkommen) Plattenburg bis L101 (Landstraße nach Sigrön); Herstellung der ökologischen - Anlage von Umgehungsgerinnen, - installierte Wanderhilfen für Meer- - Speicher Preddöhl und Ausführungs- Durchgängigkeit Pässen, Sohlgleiten o.ä. an Stau- forelle u. Lachs im Stepenitzsystem form des Speicherumfluters müssen (Förderung der Wirtsfischfauna) anlagen v.a bei Klein Leppin, sind nicht für Kleinfische geeignet wegen des vollständigen Trocken- Plattenburg (an mind. einem der - keine Wiederinbetriebnahme des fallens während des Erfassungszeit- Fließe) sowie zw. Plattenburg und Mühlenstandortes Wolfshagen raums als vollständig undurchgängig Haaren (Höhe altes Forsthaus); (Neuanlage von Querverbauungen!) eingestuft werden - Verhandene Querverbaue und Rück- haltebecken im Bereich Perleberg schränken eine Wiederansiedlung am Unterlauf ein Erhöhung der Durchflussmenge - Erhöhung der Abflussmenge am - Erhöhung der Abflussmenge am (Verbesserung des Fließverhaltens und Staubauwerk in Klein Leppin Speicher „Preddöhl“ Entwicklung natürlicher Substrate) - Profileinengungen an punktuell über- dimensionierten Gewässerabschnitten z. B. oh. Eisenbahnbrücke bei Jakobs- dorf bis Triglitz, und am Unterlauf; sonstige Minimierung möglicher Restbelastungen - Prüfung der Einleitung von Ober- - Speicher Preddöhl (deutl. Veralgung von Einleitung flächenabwässern im Bereich von u. Aufwuchsbildung): Verlegung des Straßenbrücken z. B. an der B 107 Speiches in den Nebenstau, vollständi- ge Ableitung des Kümmernitzabflusses über ein ökologisch durchgängiges Umgehungsgerinne Bejagen der Fressfeinde - lokal, da kaum noch Großmuscheln - Putlitz, Lockstädt bis Kreuzburg; Mink und Bisam vorhanden; z. B. Haaren Freizeit- und Erholungsnutzung - Erarbeitung von Richtlinien zum Verhalten für Bootstouristen Fest- legungen für die maximale Frequen- tierung des befahrenen Abschnitts zw. Wolfshagen und Perleberg 118 NATURSCHUTZ UND LANDSCHAFTSPFLEGE IN BRANDENBURG 21 (3) 2012

Gewässerunterhaltung war, werden bei der maschinellen Räumung Zur Minderung der Verluste durch die Gewäs- Der Gewässerausbau und deren Unter- große Abschnitte beräumt, obwohl aus hy- serunterhaltung können folgende Empfeh- haltung werden schon seit Jahrhunderten draulischen Gesichtspunkten nur für Teil- lungen gegeben werden: praktiziert, aber erst die maschinelle Gewäs- bereiche eine Notwendigkeit besteht. Zur – schonende Pflanzenmahd ohne Beein- serunterhaltung führte zu dem starken Erhöhung der Schleppkraft reicht i. d. R. eine trächtigung der Gewässersohle und der Rückgang der Bachmuschel. Während sich Pflanzenmahd. Besonders negativ wirken sich Uferböschung mit geeignetem Gerät die manuelle Räumung jene Teilbereiche direkte Eingriffe in den Sohl- und Uferberei- (z. B. mittels Mähkorb oder -boot: keine beschränkte, bei denen eine Krautung, Ent- chen aus (Sohlräumungen, Entschlammun- Fräsen!); nie den gesamten Gewässer- schlammung etc. unbedingt erforderlich gen). körper beräumen; um den Gewässerlauf abwechslungsreicher zu gestalten und die Fließgeschwindigkeit zu erhöhen, soll- te abschnittsweise immer wechselseitig gemäht bzw. gekrautet werden (Ab- schnittslängen jeweils ca. 10 m), so dass eine geschwungene Stromrinne entsteht; – Grundräumungen sollten nur wenn unbedingt notwendig und in sehr gro- ßen zeitlichen Abständen durchgeführt werden; Beschränkung auf Hauptpro- blemstellen (stark verschlammte und überwachsene Bereiche); potenzielle Jungmuschel- und Jungfischhabitate sol- len unberührt bleiben; sensible Bereiche müssen manuell geräumt werden ; – Evakuierung der Großmuscheln aus dem Gewässer vor Beginn der Räumung oder ans Ufer geworfene Muscheln zurück- setzen; – der Zeitraum der Gewässerunterhaltung muss außerhalb der Laichzeiten der Fische liegen und sollte zwischen September und November vorgenommen werden; – langfristige Beseitigung der Ursachen, die zu einer notwendigen Gewässer- unterhaltung führen, d. h. Verbesserun- Abb. 8 gen der Gewässerstruktur, Uferbepflan- zungen, Nutzungsextensivierungen im Teilabschnitte der Kümmernitz sind noch weitgehend naturnah erhalten und mit charakteristi- direkten Umfeld usw. schen Bachmuschelhabitaten ausgestattet. Infolge des zu geringen Mindestwasserabflusses fallen diese aber trocken und die Sedimentation des Geschiebes wird gefördert (siehe Abb. 9). Gewässerausbau und Nutzungen im Umfeld Foto: T. Berger Die hohe Geschiebefracht und damit ver- bundene Sedimentation und Zusetzung eines natürlichen Lückensystems sind an fast allen Gewässern eine weitere wesentliche Ursache für die Gefährdung der Bachmuschelvorkom- men. Haupterosionsgrund sind fehlende Ufer- gehölze, Äcker im direkten Umfeld der Gewäs- ser und damit oberflächige Sedimentabspü- lungen bei Niederschlägen und Tauwetter. Diese müssen kurzfristig als wesentliche bestandsgefährdende Faktoren reduziert werden. Folgende Maßnahmen sind hierfür geeignet: – Anlage und Förderung von Ufergehölzen zur Böschungssicherung als natürlicher Schutz vor Ufererosionen und Verbesse- rung der Beschattungssituation zur Ver- ringerung des Makrophytenbestandes; – Ausweisung von Gewässerrandstreifen zur Verbesserung des Stoffrückhaltes, insbesondere im Bereich landwirtschaft- lich intensiv genutzter Abschnitte; Nut- zungsumwandlung im Gewässerumfeld (Maximalziel); – Anlage von Sedimentfallen oder Vorschal- ten von Pflanzenklärbecken in Drainage- gräben; Rückbau bzw. Verschluss nicht Abb. 9 mehr benötigter Gräben; Aufgrund des zu geringen bzw. zeitweise völlig fehlenden Abflusses am „Stausee“ Preddöhl – Verringerung stofflicher Belastungen und ist der Mindestwasserabfluss der Kümmernitz zu gering (hier: trockengefallener Umfluter mit Geschiebefrachten durch gezielte Renatu- Fischaufstieg). Foto: T. Berger rierungsmaßnahmen (Förderung natürli- KATRIN HARTENAUER: Situation und Bewertung des Erhaltungszustandes der Bachmuschel … 119

cher Fließgewässerstrukturen, siehe oben; Bachmuschel untrennbar mit dem Erhalt und wichtige Hinweise zu den Muschelvorkom- Verminderung der Ufererosion durch der Förderung der natürlichen Fischfauna men, der Fischfauna sowie zum Manuskript Weidenfaschinen o. ä); verbunden. Beide profitieren gleichermaßen des vorliegenden Beitrages gegeben haben. – Verbesserung des Fließverhaltens zur För- von Renaturierungsmaßnahmen, welche auf derung der natürlichen Selbstreinigung eine strukturelle Verbesserung ausgebauter (Sedimenttransport) und Ausprägung und beeinträchtigter Gewässerstrecken, die eines natürlichen Lückensystems, z. B. Herstellung der ökologischen Durchgängig- durch Erhöhung der Strömungshetero- keit und der Reduzierung von Stoff- und genität (siehe Förderung natürlicher Geschiebeeinträgen abzielen. So liegen für Literatur

Fließgewässerstrukturen), Erhöhung der die Stepenitz und ausgewählte Neben- IFB – INSTITUT FÜR BINNENFISCHEREI E.V. 2003: Handlungs- Abflussmenge von Staubecken und an gewässer (inkl. Karthane und Cederbach) empfehlung für die Gewässerbewirtschaftung im Ste- Wehren etc. Handlungsempfehlungen für die Gewässer- penitz-System unter Berücksichtigung des Wieder- ansiedlungsprojektes für Lachs und Meerforelle. – un- bewirtschaftung vor (IFB 2003). Die hier veröff. Gutachten i. A. des Land Brandenburg. unterbreiteten Vorschläge sind für den IGB – LEIBNIZ-INSTITUT FÜR GEWÄSSERÖKOLOGIE UND BINNEN- Schlussfolgerungen Schutz und die Entwicklung der Bach- FISCHEREI IM FORSCHUNGSVERBUND BERLIN E. V. 2010: Ermitt- muschelbestände ebenso geeignet und lung von Grundlagen zur Erstellung eines Management- plans für die Kleine Flussmuschel (Unio crassus) im Der Erhaltungszustand der Bachmuschel wur- übertragbar. Im Rahmen der Wiederansied- Spree-Einzugsgebiet. – unveröff. Gutachten i. A. Lan- de in zwei Drittel der untersuchten Gewässer lung von Lachs und Meerforelle im Stepe- desumweltamt Brandenburg, Abteilung Ökologie, bzw. Gewässerabschnitte mit „C = ungüns- nitzsystem in den vergangenen Jahren wur- Naturschutz, Wasser. JUNGBLUTH, H. J. & VON KNORRE, D. 2012: Rote Liste und tig“ im Sinne der FFH-Richtlinie bewertet den beispielsweise zahlreiche Wehre, Sohl- Gesamtartenliste der Binnenmollusken (Schnecken (siehe Tab. 1). Lediglich ein Drittel der Vor- schwellen oder Durchlässe durchwanderbar und Muscheln; Gastropoda et Bivalvia) Deutschlands. kommen wurde mit „B = gut“ bewertet und gemacht, die bislang einen Fischaufstieg 6., überarbeitete Fassung Stand Februar 2010. In: Rote Liste gefährdeter Tiere, Pflanzen und Pilze Deutsch- weist damit einen günstigen Erhaltungs- verhinderten (MIL 2011). Allerdings sind die lands. Bd. 3: Wirbellose Tiere (Teil 1). Hrsg.: Bundes- zustand auf. Eine A-Bewertung konnte nicht Wanderhilfen im Stepenitzsystem so kon- amt für Naturschutz (BfN). Naturschutz und Biologi- vergeben werden. struiert, dass diese nur für große Fische, sche Vielfalt 70 (3): 647-708 KÖHLER, R. 1996: Observations on impaired vitality of Entsprechend den Vorgaben der Kommission jedoch nicht für Kleinfische und damit die Unio crassus (Bivalvia: Najadae) populations in con- der Europäischen Gemeinschaft sind bei Vor- Wirtsfische der Bachmuschel geeignet sind. junction with elevated nitrate concentration in running liegen eines ungünstigen Erhaltungszustan- Renaturierungsmaßnahmen – insbesondere waters. Acta hydrochimica et hydrobiologica 34: des im Mitgliedsstaat Maßnahmen zu ergrei- sehr kostenintensive – sollten künftig so 346-348 LUA – LANDESUMWELTAMT BRANDENBURG 2002: Struktur- fen, welche wieder einen günstigen Erhal- geplant werden, dass die gesamte fließgewäs- güte von Fließgewässern Brandenburgs. – Studien u. tungszustand herstellen. Zudem befinden sertypische Fauna von diesen profitiert und Tagungsberichte Bd. 37 sich alle Vorkommen innerhalb von FFH-Ge- nicht nur einzelne, wirtschaftlich oder angle- MARTIN, J. 2006: Lebendnachweise der Kleinen Fluss- muschel (Unio crassus PHIL. 1788) im Rahmen einer bieten (siehe Tab. 1), welche zum Schutz der risch relevante Arten. Molluskenbergung am Komplexbauwerk Wehr und in der FFH-Richtlinie aufgeführten beson- Der Erhalt und die Entwicklung der Bach- Schleuse Kossenblatt. Naturschutz und Landschafts- ders geschützten Arten und Lebensräume muschelvorkommen sind nicht nur wesentlich pflege in Brandenburg 15 (1): 13-16 MARTIN, J.; HEITZ, S. & HERRN, N. 2007: Zum Vorkommen ausgewiesen wurden. An den betreffenden für die erfolgreiche Umsetzung der FFH-RL, der Kleinen Flussmuschel (Unio crassus PHIL. 1788) Gewässern besteht deshalb ein kurzfristiger sondern auch der EU-WRRL. In Branden- und der Abgeplatteten Teichmuschel (Pseudanodonta Handlungsbedarf, um diese Vorkommen zu burg werden in den kommenden Jahren flä- complanata ROSSM. 1835) in östlichen und südlichen Zuflüssen des Schwielochsees. Naturschutz und Land- stabilisieren. Langfristig ist die Lebensraum- chendeckend Gewässerentwicklungskonzep- schaftspflege in Brandenburg 16 (3): 86-91 situation der Bachmuschel über die aktuell te (GEK) erarbeitet. Dabei muss zwingend MIL – MINISTERIUM FÜR INFRASTRUKTUR UND LANDWIRTSCHAFT besiedelten Abschnitte hinaus zu verbessern, eine Harmonisierung beider EU-Richtlinien DES LANDES BRANDENBURG 2011: Wiederansiedlung von Lachs und Meerforelle in Brandenburg. 64 S. um eine Ausdehnung der Vorkommen zu und deren Schutzgüter sowohl planungssei- PAN GMBH & ILÖK (Bearb.) 2009: Bewertung des ermöglichen bzw. diese auch weiträumig tig als auch in der Umsetzung erfolgen. Eine Erhaltungszustandes der Arten nach Anhang II und IV miteinander zu verbinden. wesentliche Voraussetzung ist dabei die enge der Fauna-Flora-Habitat-Richtlinie in Deutschland – Überarbeitete Bewertungsbögen der Bund-Länder- Bei den kurzfristig zu ergreifenden Maßnah- Zusammenarbeit und Abstimmung zwischen Arbeitkreise als Grundlage für ein bundesweites FFH- men muss es sich nicht zwangsläufig um den Trägern der Gewässerunterhaltung, maß- Monitoring. – unveröff. Entwurf, 208 S. kostenintensive oder großräumige Renatu- geblich den Wasser- und Bodenverbänden PETRICK, S. & J. MARTIN 2009: Temnitz – Ergebnisse der rierungsmaßnahmen handeln. Bereits das mit den Wasser- und Naturschutzbehörden. Molluskenkartierungen 2008. – unveröfftl. Manus- kript. lokale Einbringen von Kiesbänken, Totholz- PETRICK, S. 2006: Weichtier des Jahres 2006. Die Bach- buhnen oder Störstellen (Wurzelkörper, Stei- muschel oder Kleine Flussmuschel (Unio crassus PHILIP- ne etc.) schafft eine strukturelle Aufwertung SON, 1788). – Naturschutz und Landschaftspflege in Danksagung Brandenburg 15 (3): 74 und damit verbesserte Habitatbedingungen RANA – BÜRO FÜR ÖKOLOGIE UND NATURSCHUTZ FRANK für die Bachmuschel. Auch die Optimierung Die Bearbeitung des zugrundeliegenden Gut- MEYER 2011: Konzeptionelle Grundlagenstudie zur Vor- der Gewässerunterhaltung zielt auf eine achtens erfolgte unter Mitarbeit von Torsten bereitung und Populationszustandsanalyse einschließ- lich der Ableitung erster Maßnahmen zum Schutz der Aufwands- und damit Kostenminimierung Berger (Potsdam), dem wir an dieser Stelle Bachmuschel (Unio crassus) in Brandenburg. – unv. ab, indem sich Krautungen auf die Mahd der noch einmal für die Zusammenarbeit sowie Gut. i. A. Landesumweltamt Brandenburg, Abteilung Strömungsrinne beschränken und Sohlräu- seine Hinweise und Ergänzungen zum Ökologie, Naturschutz, Wasser. TLUG – THÜRINGER LANDESANSTALT FÜR UMWELT UND GEO- mungen nur ausnahmsweise und nur dort Manuskript danken. LOGIE (2009): Bachmuschel (Unio crassus). - In: Arten- erfolgen, wo diese unbedingt erforderlich Weiterhin möchten wir allen an der Entste- steckbriefe Thüringen 2009: http://www.tlug-jena.de/ ist. Langfristig sollen die Gewässer struktu- hung des Gutachtens beteiligten Personen imperia/md/content/tlug/abt3/artensteckbriefe/weich- rell so entwickelt werden, dass Unterhal- und Behörden sehr herzlich für die uns zuteil- tiere/artensteckbrief_unio_crassus_17072009.pdf tungsmaßnahmen auf ein Minimum redu- gewordene Unterstützung danken. Vor allem ziert werden können. Künftig sollte zudem gilt unser Dank den Mitarbeitern des Landes- zwischen den Naturschutzfachbehörden und umweltamtes Brandenburg, insbesondere den Trägern der Gewässerunterhaltung eine den Herren Siegfried Petrick (LUGV, Natur- bessere Abstimmung erfolgen, um einer wei- schutzstation Zippelsförde) und Dirk Langner Anschrift der Verfasserin: teren Verschlechterung der Bachmuschel- (LUGV, Referat Ö4) für die Bereitstellung Katrin Hartenauer Bestände vorzubeugen. von Unterlagen, Datenmaterial und sonsti- RANA – Büro für Ökologie und Ein intaktes Bachmuschelgewässer bietet gen wertvollen Hinweisen. Weiterhin gilt Naturschutz Frank Meyer auch anderen Fließgewässerarten geeignete unser Dank den Herren Udo Rothe und Jens Mühlweg 39 Lebensbedingungen. So ist der Schutz der Martin, welche uns als Gebietskenner viele 06114 Halle/Saale 120 NATURSCHUTZ UND LANDSCHAFTSPFLEGE IN BRANDENBURG 21 (3) 2012; 120-126

DIE ZWEITGRÖßTE SCHWIMMKÄFERART DER ERDE IST DIE AM SCHWIERIGSTEN NACHZUWEISENDE EINHEIMISCHE KÄFER- ART DER FAUNA-FLORA-HABITAT-RICHTLINIE. EINST IN BRANDENBURG WEIT VERBREITET, IST DER BREITRAND HEUTE AUF WENIGE VORKOMMEN IM NORDOSTEN DES LANDES BESCHRÄNKT. SATELLITENBILDER SIND BEI DER AUSWAHL DER ZU UNTERSUCHENDEN GEWÄSSER UND DAMIT BEI DER AUFSPÜRUNG VON RELIKTVORKOMMEN EINE GROßE HILFE.

LARS HENDRICH, REINHARD MÜLLER, GESINE SCHMIDT & THOMAS FRASE Der Breitrandkäfer Dytiscus latissimus (Linnaeus, 1768) in Brandenburg – Wiederfund nach über 20 Jahren sowie eine kritische Betrachtung histori- scher Fundmeldungen und Sammlungsdaten

1 Einleitung ernähren sich ausschließlich von Köcherflie- 2 Erfassungsmethoden gen (BLUNCK 1918, 1923, BLUNCK & KLYNSTRA Der Breitrandkäfer Dytiscus latissimus (LIN- 1929, JOHANSSON & NILSSON 1992, SCHELEG Im Rahmen der Freilanduntersuchungen im NAEUS, 1768) ist die größte Schwimmkäferart 2009), die Imagines fressen Wasserinsekten, Naturpark Uckermärkische Seen wurden ins- der Paläarktis und die zweitgrößte in der Aas und Wasserschnecken (HENDRICH 2011, gesamt sechs Seen, vom 15.9. bis 25.9. 2011, Welt. Die Art war in Deutschland einst weit HENDRICH & BALKE 2005, SCHMIDT & FRASE mit Hilfe von verschieden Reusentypen auf verbreitet und ist heute in ganz Mitteleuropa 2012). ein Vorkommen von Dytiscus latissimus hin vom Aussterben bedroht (z. B. HAJEK 2004, Im Auftrag des Fördervereins Feldberg- untersucht. Dabei kamen im Zerwelinsee HENDRICH 2011, HENDRICH & BALKE 2000, Uckermärkische Seenlandschaft e. V. und des fünf Reusen zum Einsatz, im Grenzbruch ins- 2005, HENDRICH & GEBERT 2012a, HOLMEN Naturparks Uckermärkische Seen untersuch- gesamt 15 Fallen. 1987, 1993, 2000, REEMER et al. 2008). Der ten die Verfasser im September 2011 sechs Die hier vorgestellten Molch- und Kleinfisch- Breitrand wird ebenso wie der Schmalbindige ausgewählte Seen auf ein Vorkommen des reusen (Abb. 1 & 2) werden schon seit Jah- Breitflügeltauchkäfer (Graphoderus bilinea- Breitrandkäfers. Wie in der Literatur bereits ren regelmäßig und erfolgreich zum Nachweis tus) in den Anhängen II und IV der Fauna- mehrfach hervorgehoben, ist der Nachweis der FFH-Art Kammmolch (Triturus cristatus) Flora-Habitat-Richtlinie der Europäischen dieser Art nicht einfach, da sie mit Hilfe von benutzt. Der Einsatz von Reusen, gerade zum Gemeinschaft gelistet. Damit waren die Mit- Wasserkeschern praktisch nicht zu fangen ist Nachweis des Breitrandkäfers, wird ebenfalls gliedsstaaten der Europäischen Union ver- und ein beköderter Reuseneinsatz immer sehr seit Jahren von verschiedenen Autoren emp- pflichtet, geeignete Gebiete für den Schutz zeitintensiv ist (HENDRICH 2011, HENDRICH & fohlen und positiv diskutiert (SCHIEFERDECKER der Arten an die EU zu melden. Außerdem BALKE 2000, 2002, 2005, CUPPEN et al. 2006, 1963, 1967, HENDRICH 2011, HENDRICH & muss der Erhaltungszustand der beiden Arten REEMER et al. 2008, HENDRICH & SPITZENBERG BALKE 2000, 2002, 2005, CUPPEN et al. 2006, in ihren Vorkommensgebieten verbessert wer- 2006, SCHMIDT 2010). Dennoch konnte die REEMER et al. 2008, HENDRICH & SPITZENBERG den, sofern er als ungünstig eingeschätzt Art nach über 20 Jahren in zwei der sechs 2006, SCHMIDT 2010). wurde (SCHOKNECHT 2011). Über den Stand untersuchten Seen erneut für Brandenburg Die Fangtrichter der „Paladin“-Kleinfisch- der Schutzmaßnahmen und den Erhaltungs- bestätigt werden. Die Habitatausstattung reusen wurden mit Hilfe von selbst ange- zustand ist der EU Bericht zu erstatten. beider Fundgewässer wird analysiert und Hin- brachten Plastiktrichtern entsprechend ver- Die Imagines des Breitrandkäfers und seine weise zu einer ersten Erkennung von poten- jüngt, so dass größere Fische oder Nagetiere Larven besiedeln besonnte und möglichst ziell für den Breitrand geeigneten Gewässern nicht hineingelangen konnten. Mit Kabel- breite, geflutete Röhrichtgürtel sowie vege- gegeben. Alle historischen Nachweise der bindern wurden ca. 1 m lange Schwimmer tationsreiche Verlandungszonen von meso- Art aus Berlin und Brandenburg werden, aus Schaumstoff (Rohrisolierungen) seitlich bis natürlich schwach eutrophen Flachseen von wenn möglich, georeferenziert aufgelistet montiert, um die Falle stabil über der Was- über einem Hektar Wasserfläche. Die Larven und entsprechend kritisch kommentiert. serlinie zu halten. Sämtliche Fallen wurden

Abb. 1 Abb. 2 Molchreuse nach „Henf“. Foto: L. Hendrich Kleinfischreuse „Paladin“. Foto: L. Hendrich LARS HENDRICH et al.: Der Breitrandkäfer Dytiscus latissimus (Linnaeus, 1768) in Brandenburg – Wiederfund nach über 20 Jahren … 121

mit Schweineleber beködert und im Flach- Moorfläche westlich des Ortes Brüsenwalde, aloides, Hydrocharis morsus-ranae), um Arm- wasserbereich (20-50 cm Wassertiefe), häu- die im Ergebnis von Wiedervernässungsmaß- leuchteralgen-Tausendblatt-Schwimmblatt- fig versteckt zwischen der emersen Vegeta- nahmen im Rahmen des Naturschutzgroßpro- rasen (v. a. Chara intermedia, Myriophyllum tion (Röhrichten), ausgebracht. Alle einge- jektes Uckermärkische Seen flach überstaut spicatum, Nymphaea alba, Potamogeton setzten Reusen ragten stets einige Zentime- wurde (MAUERSBERGER & BUKOWSKY 2010). natans) sowie um Schilf- und Rohrkolben- ter aus dem Wasser heraus. Der 0,5 bis maximal 1,5 m tiefe Wasserkörper Wasserröhrichte (Abb. 3 & 4). Das Gewässer ist vollständig von einem artenreichen Mosaik ist ein bedeutendes Habitat der FFH-Art Leu- verschiedener Vegetationsstrukturen bedeckt. corrhinia pectoralis (MAUERSBERGER 2001). 3 Gebietsbeschreibungen Dabei handelt es sich um Steifseggenriede, die mit Gras-Laichkraut (Potamogeton grami- Zerwelinsee Grenzbruch neus) sowie Gewöhnlichem und Kleinem Wasserschlauch (Utricularia vulgaris und U. Der Zerwelinsee ist ein im Wald gelegener Das Grenzbruch ist eine ca. 6 ha große, voll- minor) durchsetzt sind, um Schwimmdecken mesotropher Kleinsee mit einer Größe von ständig von Nadelholzforsten umgebene aus Krebsschere und Froschbiss (Stratiotes rund 4 ha und einer maximalen Tiefe von ca. 2 m. Kalkmuddeablagerungen prägen den Seegrund. In den vergangenen Jahren wur- de der Wasserstand des Sees durch Einstau erhöht, dadurch entstanden großflächige Flachwasserzonen im Uferbereich. Die Sub- mersvegetation besteht überwiegend aus Armleuchteralgen (Characeen 7 Arten) und Wasserschlauch (Utricularia vulgaris und U. minor). In den tieferen Bereichen domi- niert Chara tomentosa, daneben tritt noch C. polyacantha (MAUERSBERGER 2004) auf. Die Schwimmblattzone wird von der Seerose (Nymphaea alba) gebildet. Die Flachwasser- zonen werden submers von Chara delicatula und C. globularis sowie Utricularia vulgaris und U. minor besiedelt. Die Röhrichte sind überwiegend lückig ausgebildet und beste- hen am Seeufer überwiegend aus dem Schneidried (Cladium mariscus) und in den seeumgebenden Flachwasserzonen aus Schilf (Phragmites australis) und Sumpffarn (Thelypteris palustris) (Abb. 5 & 6). Land- seitig schließt daran ein Bruchwald an, der von Schwarzerle (Alnus glutinosa) und Moor- birke (Betula pubescens) dominiert wird. Abb. 3 Steifseggenriede und Schwimmdecken der Krebsschere im überstauten Grenzbruch. 4 Ergebnisse Foto: T. Frase Im Grenzbruch konnten zwischen dem 22.9 und 25.9.2011 zwei Männchen (Abb. 7) und im Zerwelinsee ein Männchen des Breit- rands nachgewiesen werden. Alle drei Nach- weise gelangen an süd- bzw. westexponier- ten Uferstreifen. An beiden Fundorten fan- den sich vergesellschaftet zahlreiche Groß- schwimmkäfer der Gattungen Acilius, Hyda- ticus, Dytiscus und Cybister sowie der Gro- ße Kolbenwasserkäfer Hydrophilus piceus (LINNAEUS, 1758) und einige größere Wasser- wanzen der Gattungen Ilyocoris und Noto- necta. Mit Hilfe eines Wasserkeschers und eines haushaltsüblichen Nudelsiebs konnten weitere Arten in beiden Gewässern nachge- wiesen werden. Einzeln betrachtet weisen vieler dieser Arten auf keinen außergewöhn- lichen Lebensraum hin. Die Artenzusammen- setzung (Tabelle 1) erscheint auf den ersten Blick typisch für geflutete Carici-Alneten und Verlandungsgürtel meso- bis schwach eutro- pher Seen in Brandenburg (PETZOLD et al. 2006, LEHMITZ 2010). Bemerkenswert ist jedoch im Grenzbruch der Nachweis von Graphoderus bilineatus (DE- Abb. 4 GEER, 1774), der zweiten FFH-Schwimmkäfer- Fundstelle des Breitrandes im Grenzbruch. Foto: T. Frase art, von der ebenfalls nur wenige rezente Nachweise aus Brandenburg vorliegen (HEN- 122 NATURSCHUTZ UND LANDSCHAFTSPFLEGE IN BRANDENBURG 21 (3) 2012

Abb. 5 Verlandungszone des Zerwelinsees (Nord- ufer). Foto: R. Müller

Abb. 6 Verlandungszone des Zerwelinsees (Nord- ufer). Fundstelle des Männchens von Dytiscus latissimus. Foto: R. Müller

Abb. 7 Zwei Männchen von D. latissimus aus dem Grenzbruch. Foto: T. Frase LARS HENDRICH et al.: Der Breitrandkäfer Dytiscus latissimus (Linnaeus, 1768) in Brandenburg – Wiederfund nach über 20 Jahren … 123

Tabelle 1: Begleitfänge am Grenzbruch und Zerwelinsee. Nur bei den Reusenfängen sind die absoluten Zahlen angegeben. Arten Zerwelinsee Grenzbruch Coleoptera

Acilius canaliculatus (NICOLAI, 1822) 26 16

Acilius sulcatus (LINNAEUS, 1758) 9 6

Agabus undulatus (SCHRANK, 1776) 4 3

Anacaena limbata (FABRICIUS, 1792) 2

Colymbetes fuscus (LINNAEUS, 1758) 33 1

Colymbetes paykulli (ERICHSON, 1837) 2

Colymbetes striatus (LINNAEUS, 1758) 46 1

Cybister lateralimarginalis (DEGEER, 1774) 1 8

Cymbiodyta marginella (FABRICIUS, 1792) 1

Dytiscus circumcinctus (AHRENS, 1811) 7

Dytiscus dimidiatus (BERGSTRÄSSER, 1758) 6 7

Dytiscus latissimus (LINNAEUS, 1758) 1 2

Dytiscus marginalis (LINNAEUS, 1758) 9 3

Graphoderus austriacus (STURM, 1834) 5 3

Graphoderus bilineatus (DEGEER, 1774) 1

Graphoderus cinereus (LINNAEUS, 1758) 6 5

Graptodytes bilineatus (STURM, 1835) 2

Graptodytes granularis (LINNAEUS, 1767) 7

Gyrinus natator (LINNAEUS, 1758) X

Gyrinus paykulli (OCHS, 1927) X

Gyrinus substriatus (STEPHENS, 1829) X

Haliplus immaculatus (GERHARD, 1877) 1

Haliplus variegatus (STURM, 1834) 10

Hydaticus continentalis (BALFOUR-BROWNE, 1944) 3

Hydaticus seminiger (DEGEER, 1774) 46 23

Hydaticus transversalis (PONTOP., 1763) 23 60

Hydrobius fuscipes (LINNAEUS, 1758) 3

Hydrochara caraboides (LINNAEUS, 1758) 18 2

Hydrophilus piceus (LINNAEUS, 1758) 4 1 Hydroporus incognitus (SHARP, 1869) 2

Hydroporus striola (GYLLENHAL, 1826) 11

Hygrotus decoratus (GYLLENHAL, 1810) 10 3

Hyphydrus ovatus (LINNAEUS, 1761) 3

Ilybius fenestratus (FABRICIUS, 1781) 3

Laccophilus minutus (LINNAEUS, 1758) 1

Porhydrus lineatus (FABRICIUS, 1775) 2

Rhantus frontalis (MARSHAM, 1802) 1 2

Rhantus grapii (GYLLENHAL, 1808) 2 10

Rhantus suturalis (MACLEAY, 1825) 2 1

Suphrodytes dorsalis (FABRICIUS, 1787) 10 Heteroptera (Zufallsfunde/Begleitfänge)

Gerris lateralis (SCHUMMEL, 1832) X

Hesperocorixa sahlbergi (FIEBER, 1848) X

Hydrometra gracilenta (HORVATH, 1899) X

Ilyocoris cimicoides (LINNAEUS, 1758) X 4 Microvelia buenoi (DRAKE, 1920) X

Nepa cinerea (LINNAEUS, 1758) X

Notonecta glauca (LINNAEUS, 1758) X 8

Notonecta lutea (O. F. MUELLER, 1776) X 2

Ranatra linearis (LINNAEUS, 1758) 1 Trichoptera (Zufallsfunde)

Oligotricha striata (LINNAEUS, 1758) X Gastropoda (Zufallsfunde)

Bathyomphalus contortus (LINNAEUS, 1758) X

Bithynia tentaculata (LINNAEUS, 1758) X

Planorbis planorbis (LINNAEUS, 1758) X

Segmentina nitida (O. F. MUELLER, 1774) X Crustacea (Zufallsfunde)

Synurella ambulans (MUELLER, 1846) X 46 Arten 31 Arten 124 NATURSCHUTZ UND LANDSCHAFTSPFLEGE IN BRANDENBURG 21 (3) 2012

DRICH et al. in Vorb.). Ein Nachweis dieser Art lenburg-Vorpommern beobachtet werden. Auswertung von ist immer auch ein Hinweis auf ein etwaiges Colymbetes striatus bevorzugt stehende, Literaturdaten und Vorkommen des Breitrandkäfers, da beide exponierte, flache, meso- bis schwach eutro- historischem Arten in Nordostdeutschland sehr ähnliche phe, vegetations- und detritusreiche (über- Sammlungsmaterial Habitatansprüche aufweisen. Graphoderus staute Klein- und Großseggenriede sowie bilineatus ist jedoch auch in der Lage, in Carici-Alneten) Gewässer in Durchströ- Im Rahmen einer umfangreichen Literatur- Gewässern unter einem Hektar Fläche stabi- mungs-, Verlandungs- und Kesselmooren. studie und der Durchsicht zahlreicher Privat- le Populationen aufzubauen (HENDRICH & Die Larvalgewässer sind in der Regel semi- und Institutssammlungen wurden alle Fund- GEBERT 2012b). permanent und bis mindestens Juni wasser- daten des Breitrands, die sich auf die Länder Im Zerwelinsee ist die hohe Dichte des nur führend. Die Imagines der neuen Generation Brandenburg und Berlin beziehen, aufge- im Nordosten Deutschlands verbreiteten finden sich dagegen häufig in permanenten, nommen. Colymbetes striatus (LINNAEUS, 1758) in den mindestens 30-50 cm tiefen, häufig schlam- Reusen hervorzuheben. Dieser konnte eben- migen und laubreichen Gewässern und Ver- Alle Funde werden nachfolgend genauer falls von Schmidt (in Vorb.) bereits in einzel- landungszonen von Seen, in denen sie auch aufgeführt und nach Nachweisen vor und nen Fundgewässern des Breitrands in Meck- überwintern (HENDRICH 2003). nach 1960 geordnet.

Nachweise vor 1960: Berlin 1) Berlin-Köpenick, „Nebengewässer des Müggelsees“, ca. 1910-1912 (AHLWARTH 1913). Bei diesem „Nebengewässer“ handelt es sich wahr- scheinlich um den „Bauersee“ [52.429428° 13.676521°], einem kleinen, dem Müggelsee südlich angeschlossenen und um 1900 meso- bis schwach eutrophen basenreichen See. Die Anzahl der Exemplare und der tatsächliche Fänger sind unbekannt. Die Tiere konn- ten in keinem Museum oder Privatsammlung lokalisiert werden. Wahrscheinlich sind sie nicht richtig etikettiert oder während des letz- ten Weltkriegs zerstört worden. 2) Berlin-Karlshorst [52.482274° 13.526443°], 2 Exemplare, 5.11.1908, Stobbe leg. (AHLWARTH 1913). Ein potenziell für den Breitrand geeig- netes Gewässer konnte auch mit Hilfe von historischem Kartenmaterial nicht identifiziert werden. Die Tiere befinden sich in der Samm- lung des Naturkundemuseums in Berlin (Hendrich vid.). 3) Berlin-Tegel, 1 Exemplar, Tegeler See?, 1947, Weinhold leg. [52.581275° 13.254331°] (HENDRICH 2003). Das Tier befindet sich in der Samm lung Weinhold, welche im Besitz des Erstautors ist. Hierzu ist anzumerken, dass Prof. E. Weinhold (†) seine 1946 und 1947 gesammel- ten oder erworbenen Tiere stets mit „Berlin-Tegel 1947“ etikettierte, da er zu diesem Zeitpunkt dort wohnhaft war. Erst später, ab den 50iger Jahren erfolgten genauere Fundortangaben. Hier sollte auch nicht unerwähnt bleiben, dass der Tegeler See zu keinem Zeitpunkt ein wirklich geeigneter Lebensraum für den Breitrand war. Brandenburg 1) Groß-Machnow, Großer Torfstich, 15.8.1934, mehrere Exemplare, Steinhäuser leg. (STEINHÄUSER 1935). Die Art wurde mit Hilfe eines Wasserkeschers zusammen mit zahlreichen anderen interessanten aquatischen Makroinvertebraten (z. B. Medizinischer Blutegel, fast alle Großschwimmkäfer) gefangen. Die genaue Lage dieses relativ kleinen Torstichkomplexes lässt sich noch heute rekonstruieren [52.267812° 13.446900°]. Wahrscheinlich handelte es sich in dem Torfstich aber nur um ein Nebenvorkommen und die Art kam ursprüng- lich im Großmachnower See vor, der zu dieser Zeit sicher noch als natürlich eutropher Flachsee anzusprechen war. 2) Brandenburg an der Havel, Quenzsee, ca. 1910 [52.411272° 12.471337°] (ANONYMUS 1918). Die Anzahl der Exemplare und der tatsäch- liche Fänger sind unbekannt. Die Tiere sind verschollen. Wahrscheinlich sind sie nicht richtig etikettiert oder im Laufe des letzten Welt- kriegs zerstört worden. 3) Dreetzsee bei Oranienburg, ca. 1910 [52.860627° 13.193503°] (AHLWARTH 1913). Die Anzahl der Exemplare und der tatsächliche Fänger sind unbekannt. Die Tiere konnten leider in keinem Museum oder irgendeiner Privatsammlung lokalisiert werden. Beim Dreetzsee han- delt es sich rezent um einen polytrophen See, der durch die nur unzureichend geklärten Abflüsse einer Tiermastanlage zerstört wurde (Hendrich & Balke vid. 1990). 4) Königs Wusterhausen, 12.9.1937, 1 Exemplar, Neresheimer leg. [52.289282° 13.634387°] (FICHTNER 1983). Das Tier befindet sich in der Sammlung Neresheimer, die sich im Deutschen Entomologischen Institut in Eberswalde befindet. Leider ist das genaue Gewässer unbekannt. Auch in den faunistischen Publikationen von Neresheimer und Wagner findet sich kein Hinweis von den Fangumständen. 5) Bötzow bei Berlin, 9. & 10. 1937, 4 Exemplare (Sammlung Prof. Barndt, Berlin). Nach Auswertung historischer Karten und einer Recherche unter Zuhilfenahme von „Google Earth“ handelte es sich wahrscheinlich um einen heute völlig verlandeten, eutrophen Flachsee [52.670910° 13.137829°], mit seinerzeit breitem Röhrichtgürtel, nördlich bzw. nordwestlich des Dorfes Bötzow. 6) Birkenwerder bei Berlin, Jung leg. [52.696189° 13.281606°] (FICHTNER 1983). Die genaue Anzahl der Exemplare oder das genaue Gewäs- ser (Boddensee?) sind unbekannt. 7) Potsdam Nuthewiesen, ca. 1900, 1 Exemplar, in Sammlung Eckartsberg [52.345207° 13.125579°] (Museum Potsdam). Fundumstände, genaue Lokalität und genaues Fangdatum unbekannt. 8) Cottbus, Peitzer Teiche, ca. 1920, 1 Exemplar [51.835200° 14.411248°] (Sammlung Hendrich). Die Fundumstände und das genaue Fangdatum sind unbekannt. Die Teichlandschaft um Peitz könnte aber auch heute noch ein geeigneter Lebensraum für den Breitrand sein. Leider wurden bisher keine Untersuchungen in diesem Teil Brandenburgs durchgeführt. 9) Niederlausitz, 2 Exemplare, in Sammlung Heidenreich (Museum für Tierkunde, Dresden). Fundumstände und genaues Fangdatum unbe- kannt. 10) Zootzen bei Wittstock, 1 Exemplar, ca. 1930 [53.136982° 12.582422°]. Die Fundumstände sind unbekannt. In der Nähe von Zootzen ist kein geeignetes Gewässer vorhanden (Hendrich vid.). 11) Großer Luchgraben bei Brieselang nach Chapuis (vor 1900) dort häufig (AHLWARTH 1913). Bei diesem Gewässer handelt es sich wahr- scheinlich um den heute stark begradigten und z. T. beschatteten Graben, der südlich entlang des Forsts Brieselang verläuft [52.568005° 13.015198°]. LARS HENDRICH et al.: Der Breitrandkäfer Dytiscus latissimus (Linnaeus, 1768) in Brandenburg – Wiederfund nach über 20 Jahren … 125

Nachweise nach 1960: Brandenburg 1) Gransee, Liebenberg, 1 Exemplar, Stöckel leg. (FICHTNER 1983). Es handelt sich um den Fund einer Flügeldecke in einem Gewässer der Teichlandschaft bei Liebenberg [52.905103° 13.240328°] (Braasch mündl. Mitteilung). Aus der Arbeit von Fichtner geht leider nicht hervor, wann genau das Artefakt gesammelt wurde. 2) Östlich des Unterspreewaldes im Dürrenhofer Moor bei Schlepzig, Zwischenmoorgewässer, 7.9.1983, 1 Exemplar, Donath leg. [52.035625° 13.939695°] (FICHTNER 1984, DONATH in litt.). Bei dem Tier handelt es sich um ein einzelnes Weibchen, welches von Herrn Donath mit einem Wasserkescher beim Fang von Libellenlarven erbeutet wurde. 3) Kreis Eisenhüttenstadt, Trautzke-Seen, 5.-7.5.1989, 1 Larve (LA 1), Braasch leg. [52.034691° 14.535113°] (BRAASCH et al. 1990 und mündl. Mitt.).

5 Diskussion Lebensraum für den Breitrand darstellen radius der damals tätigen Entomologen wie- könnte und zudem nur wenige Kilometer der, die entweder in Berlin oder in der nähe- Neben den hier in dieser Arbeit diskutierten vom letzten Fundort bei Schlepzig entfernt ren Umgebung wohnten, wahrscheinlich fast beiden Wiederfunden ist D. latissimus nach liegt. Aber auch im Norden Brandenburgs alle über kein eigenes Auto verfügten und 1960 lediglich an drei Fundorten in Branden- kann sicher mit weiteren Funden gerechnet ihren Interessen nur an den Wochenenden burg nachgewiesen worden (Abb. 8). Bei dem werden. So ist z. B. im letzten Jahr auf der nachgehen konnten, da sie die Beschäfti- letzten sicher belegten Fund handelt es sich Mecklenburger Seite des Brandenburger gung mit der Entomologie nur in ihrer Frei- um den Nachweis aus der Spreewälder Gewässers „Kolbatzer Mühlteich“ eine Larve zeit ausübten. Leider konnten jedoch einige Gegend von Donath aus dem Jahre 1983. des Breitrandes gefunden worden (FRASE & der mangelhaft etikettierten Altfunde aus Dieses Gewässer wurde erneut in den 90iger SCHMIDT, in Druck). Museumssammlungen keinen Gewässern Jahren durch den Erstautor mit Fallen beprobt, Demgegenüber stehen 11 Meldungen vor mehr zugeordnet werden. allerdings ohne Erfolg. Es ist zu hoffen, dass 1960, insbesondere aus der Umgebung von Es hat sich in dieser Untersuchung auch die Art in anderen für sie geeigneten Gewäs- Berlin und Potsdam. Diese historischen Fun- gezeigt, dass potenziell als Lebensraum für sern im Süden Brandenburgs überlebt hat. de lassen vermuten, dass der „Breitrand“ diese Art geeignete Seen mit Hilfe von Satel- Hier wäre insbesondere der „Luchsee“ nahe einst in Brandenburg weit verbreitet war. Die litenbildern erfolgreich vorselektiert werden der Ortschaft Brand zu erwähnen, der nach Nähe vieler Lokalitäten zu Berlin und Pots- können. Dytiscus latissimus besiedelt im Erkenntnissen der Verfasser ein geeigneter dam spiegelt lediglich den geringen Aktions- Nordosten Deutschlands ausschließlich Seen von über einem Hektar Größe, mit sehr brei- ten Verlandungsbereichen und geringer Tro- phie. Die Gewässer verfügen über ausge- dehnte, besonnte Flachwasserbereiche, die dicht mit Makrophyten bewachsen und meist von umfangreichen Zwischenmooren umge- ben sind. Der die Seen umgebende, mög- lichst geflutete Schilfgürtel und zum Teil auch die Schneidriede nehmen stets große Flä- chen ein, in denen insbesondere die Larven Schutz vor Fressfeinden (Fischen, Vögeln) und ausreichend Nahrung (Köcherfliegen- larven) finden können. Nicht zuletzt durch die isolierte Lage, die angrenzenden umfan- greichen Waldflächen sowie den Umstand, dass die Nachweisgewässer alle in Natur- parks oder Nationalparks liegen, blieben die anthropogenen Einflüsse und damit der Tro- phiestatus in der Vergangenheit relativ gering (vgl. SCHMIDT et al. 2006, SCHMIDT & FRASE 2011). Die bereits seit einigen Jahren durchgeführ- ten Maßnahmen des BfN-Naturschutzgroß- projektes „Uckermärkische Seen“ zur Sanie- rung des Landschaftswasserhaushaltes haben sich im Raum Boitzenburg, sowie an den Seen und in den Feuchtgebieten um Brüsen- walde, durch eine flächenmäßige Erweite- rung der vorhandenen gefluteten Seggen- und Schilfröhrichte sehr positiv auf die Fauna des Makrozoobenthos ausgewirkt. Die Ver- fasser sind zuversichtlich, dass bei konsequen- ter Umsetzung der im Rahmen der EU Was- serrahmenrichtlinie für Brandenburg formu- lierten Ziele diese eindrucksvolle Käferart dem Land erhalten bleibt. Weitere Untersu- chungen und ein umfangreiches FFH-Arten- Monitoring für diese Art sind jedoch drin- Abb. 8 gend nötig, um die genauen Bestandsgrö- Rezente und historische Verbreitung des Breitrandkäfers in Berlin und Brandenburg. ßen zu ermitteln, wie dies bereits exempla- 126 NATURSCHUTZ UND LANDSCHAFTSPFLEGE IN BRANDENBURG 21 (3) 2012

risch von SCHMIDT & FRASE (2011) in Meck- randkäfers Dytiscus latissimus. Berichte der Naturwis- MAUERSBERGER, R. & N. BUKOWSKY (2010): Moor-Wieder- lenburg-Vorpommern aufgezeigt wurde. senschaftlichen Gesellschaft Bayreuth 26: 93-137. vernässung als Maßnahme zur Grundwasseranreiche- FRASE, T. & SCHMIDT, G. (2012): Neue Funde der FFH- rung und Hochwasserableitung – Praxisbeispiel aus dem Trotz der noch immer lückenhaften Kenntnis Art Graphoderus bilineatus (De Geer, 1774) in Meck- Naturpark Uckermärkische Seen. Naturschutz und um die rezente Verbreitung des Breitrands in lenburg-Vorpommern. Virgo, in Druck. Landschaftspflege in Brandenburg 19 (3, 4): 167-169. HAJEK, J. (2004): The distribution of the diving PETZOLD, F., KABUS, T., BRAUNER, O., HENDRICH, L., MÜL- Deutschland (HENDRICH & BALKE 2005a) muss Dytiscus latissimus and Graphoderus bilineatus (Cole- LER, R. & J. MEISEL (2006): Natürlich eutrophe Seen nach neuesten Erkenntnissen davon ausge- optera: ) in the . Klapalekia- (FFH-Lebensraumtyp 3150) in Brandenburg und ihre gangen werden, dass die Art ihre Schwer- na 40: 13-23. Besiedlung durch Makrophyten und ausgewählte punktverbreitung in der heutigen Bundesre- HENDRICH, L. (2003): Die Wasserkäfer von Berlin. Struk- Gruppen des Makrozoobenthos. Naturschutz und tur der aquatischen Käferfauna (Hydradephaga, Hydro- Landschaftspflege in Brandenburg 14 (2): 36-47. publik im südlichen bzw. südöstlichen Teil philoidea, Dryopoidea [partim] und Staphylinoidea REEMER, M., CUPPEN, J.G.M., VAN DIJK, G., KOESE, B. & Mecklenburg-Vorpommerns (SCHMIDT et al. [partim]) in anthropogen beeinflussten Gewässern VORST, O. (2008): De Brede Geelgerande Waterroof- 2006, SCHMIDT & FRASE 2011) und im äußers- von Berlin – Taxonomische, räumliche, faunistische kever Dytiscus latissimus in Nederland. Stichting ten Nordosten des Landes Brandenburg hat. und ökologische Aspekte. Dissertation, Fakultät VII, European Invertebrate Survey – Nederland, Leiden: 33 S. Institut für Biologie und Ökologie der Technischen SCHELEG, A. B. (2009): Dytiscus latissimus (LINNAEUS, Die rezente westliche Arealgrenze der Art Universität Berlin. Berlin: dissertation.de – Verlag im 1758) – Photos (Thema Larvalentwicklung, Vergleich dürfte dann heute durch die Funde im Nord- Internet, 563 pp. mit Dytiscus dimidiatus); auf russisch; http://www.zin.ru/ osten Deutschlands markiert sein. Die Einzel- HENDRICH, L. (2011): Mythos Breitrand – vom Leben Animalia/coleoptera/rus/dytlatsg.htm und „leisen Sterben“ des zweitgrößten Schwimmkäfers SCHIEFERDECKER, H. (1963): Über den Fang von Wasser- meldung aus Bayern (DETTNER & KEHL 2009) der Welt (Dytiscidae: Dytiscus latissimus LINNAEUS, insekten mit Reusenfallen. Entomologisches Nachrich- und die drei kleinen, erst kürzlich entdeckten 1758). Nachrichtenblatt der bayerischen Entomolo- tenblatt 5: 60-64. individuenarmen Reliktpopulationen in den gen 60 (1/2): 2-9. SCHIEFERDECKER, H. 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(2005): Dytiscus latissimus arten der FFH-Richtlinie in Mecklenburg-Vorpommern. auch eine internationale Verantwortung. LINNAEUS, 1758 (Coleoptera: Dytiscidae). In: PETERSEN, In: HENDRICH, L., WOLF, F. & FRASE, T. (2012): Rote Liste B., ELLWANGER, G., BIEWALD, G., HAUKE, U., LUDWIG, G., und Checkliste der „Wasserkäfer s. l.“ Mecklenburg- PRETSCHER, P., SCHRÖDER, E. & SSYMANK, A. (Bearb.): Vorpommerns. Das europäische Schutzgebietssystem Natura 2000. SCHOKNECHT, T. (2011): Ableitung eines erhöhten Danksagung Ökologie und Verbreitung von Arten der FFH-Richtlinie Handlungsbedarfs zur Verbesserung des Erhaltungs- in Deutschland. Band 1: Pflanzen und Wirbellose. zustandes von Lebensraumtypen nach Anhang 1 und Schriftenreihe für Landschaftspflege und Natur- Arten nach Anhang 2 und 4 der FFH-Richtlinie in Die Verfasser danken Herrn Dr. Rüdiger schutz 69 (1): 378-387. Brandenburg.Naturschutz und Landschaftspflege in Mauersberger (Förderverein Feldberg-Ucker- HENDRICH, L. & GEBERT, J. (2012a): Breitrand (Dytiscus Brandenburg 20 (4): 141-144. märkische Seenlandschaft e. V.) und Herrn latissimus). In: Internethandbuch zu den Arten der FFH- STEINHÄUSER, R. 1935: Von Blutegeln und seltenen Was- Richtlinie Anhang IV, Käfer, Bundesamt für Natur- serkäfern bei Berlin. Blätter für Aquarienkunde 46: Norbert Bukowsky (Naturparkverwaltung schutz. http://www.ffh-anhang4.bfn.de/ffh_anhang4- 208-209 Uckermärkische Seen) für ihre wertvollen breitrand.html?&no_cache=1 Hinweise bei der Auswahl der zu untersu- HENDRICH, L. & GEBERT, J. (2012b): Schmalbindiger Breit- flügel-Tauchkäfer (Graphoderus bilineatus). In: Inter- chenden Seen und die kritische Durchsicht nethandbuch zu den Arten der FFH-Richtlinie Anhang IV, des Manuskripts. Käfer, Bundesamt für Naturschutz. http://www.ffh- anhang4.bfn.de/ffh_anhang4-tauchkaefer.html?& no_cache=1 HENDRICH, L. & SPITZENBERG, D. 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KURZBEITRÄGE

KLAUS RUDOLPH Erster Nachweis von Chelicorophium robustum (Sars, 1895) (Crustacea, Amphipoda) im Land Brandenburg

Bei einer routinemäßigen Probenahme im Tre- gerichteter großer Zahn zu erkennen (Abb. 1). war, dass sich die Art in östlicher Richtung belsee, nordwestlich von Potsdam, wurden Dies ist – in Verbindung mit der erwähnten über den Mittellandkanal/Wasserstraßen- am 3.10.2011 zwei Exemplare des Corophii- reichen Beborstung der Antennen – ein kreuz Magdeburg ausbreiten wird. den Chelicorophium robustum gefangen leicht auffindbares und sicheres differenzial- Die nahe verwandte Art Chelicorophium (Syn.: Corophium robustum, siehe BOUSFIELD, diagnostisches Merkmal (siehe auch SARS curvispinum ist ein altes Neozoon, welches E. L. & P. W. HOOVER 1997). Der Fund stammt 1895: Tafel 23 als C. bidentatum, CÂRÂUS¸U schon seit 1912 nachweislich in Berliner Ge- vom Nordwestufer des Sees, aus 0,8 m Was- 1943: Tafel 82-83, EGGERS & MARTENS 2004: wässern vorkommt (Erstnachweis 26.3.1912 sertiefe. Der Gewässergrund besteht dort Abb. 3, BORZA et al. 2010). im Müggelsee, WUNDSCH 1912). Gegenwär- aus Torf mit aufliegenden Kolonien und lee- Chelicorophium robustum stammt ursprüng- tig wird diese Art in der Havel überwiegend ren Schalen der Muschel Dreissena poly- lich aus der Region des Schwarzen Meeres im Bereich der Flusssohle als Bewohner von morpha sowie Hochofenschlacke der Ufer- (Südlicher Bug/Dnjepr/Liman- und Donau- Dreissena-Kolonien nachgewiesen. befestigung. Von diesem Substrat wurden gebiet). BORZA et al. (2010) betrachten die Natürliche Gewässer lassen sich nicht mana- mittels Drahtsiebkescher insgesamt 100 ml Art in der unteren Donau als autochthon. In gen, ebenso nicht die darin befindlichen entnommen und fixiert. Bei der späteren der mittleren Donau fehlt Chelicorophium Organismen. Dem Biologen und den Behör- Auswertung konnten darin 113 Chelicoro- robustum nach Literaturangaben. Als Ein- den bleibt daher nichts anderes übrig als die phium curvispinum und 2 C. robustum nach- fallspforte ins deutsche Wasserstraßennetz Ausbreitungsvorgänge im Wasserstraßen- gewiesen werden. Die beiden C. robustum wird der 1992 vollendete Main-Donau-Ka- netz zu beobachten und zu dokumentieren. waren weiblichen Geschlechts, 5,1 und nal betrachtet, von wo aus sich die Art über Chelicorophium robustum wurde im ver- 5,8 mm lang, und nicht in Fortpflanzung Main und Rhein sukzessive weiter ausbrei- gangenen Jahr erst in geringer Abundanz (keine Eier tragend) (Abb. 1). Des Weiteren ten konnte. Sie wurde erstmals in Proben nachgewiesen, so dass – nach bisherigen waren die beiden gebietsfremden Amphipo- vom Main aus dem Jahr 2000 gefunden Erfahrungen – der Einwanderungszeitpunkt denarten Dikerogammarus haemobaphes (ANONYMUS o. J.). Der erste auf Papier publi- noch nicht allzu lange zurück liegen kann. und D. villosus in der Probe enthalten. Die zierte deutsche Nachweis stammt von BER- elektrische Leitfähigkeit des Havelwassers NERTH & STEIN (2003); hier werden Funde im lag am Fundort bei 630 µS/cm. Main aus dem Jahr 2002 mitgeteilt. Im Literatur

Chelicorophium rubustum fiel beim Durch- Rhein oberhalb Mannheim und im Neckar ANONYMUS o. J.: Senckenberg world of biodiversity. mustern der Probe durch seine gelbliche Fär- wurde die Art 2004/05 nachgewiesen (ROOS Fließgewässerökologie und Naturschutzforschung. bung und die gegenüber C. curvispinum et al. 2006), im Jahr 2005 wurden Vorkom- Senckenberg Forschungsinstitut und Naturmuseum Frankfurt. http://www.senckenberg.de/root/index.php? dichte Antennenbeborstung auf. Auf der men von C. robustum dann auch erstmals page_id=1086 [download: 07.07.2012] Innenseite des 5. Pedunculus-Segments aus den Kanälen um Dortmund (Wesel-Dat- BERTHOLD, E. & KAISER, I. 2004: Weitere Funde von (letztes Stielglied) der 2. Antennen ist bei teln-, Rhein-Herne- und Dortmund-Ems-Ka- Crangonyx pseudogracilis und Chelicorophium robus- Weibchen und Männchen ein nach innen nal) gemeldet, wodurch bereits erkennbar tum (Amphipoda) im Main. Lauterbornia 50: 15-16 BERNERTH, H. & STEIN, S. 2003: Crangonyx pseudogra- cilis und Corophium robustum (Amphipoda), zwei neue Einwanderer im hessischen Main sowie Erst- nachweis für Deutschland von C. robustum. Lauter- bornia 48: 57-60 BORZA, P.; CSÁNYI, B. & PAUNOVIC´, M. 2010: Corophiids (Amphipoda, Corophioidea) of the river Danube – the results of a longitudinal survey. Crustaceana 83 (7): 839-849 BOUSFIELD, E. L. & HOOVER, P.W. 1997: The amphipod superfamily Corophioidea on the Pacific coast of North America: 5. Family Corophiidae: Corophiinae, new subfamily: systematics and distributional ecology. Amphipacifica 2 (3): 67-139 EGGERS, TH. O. & MARTENS, A. 2004: Ergänzungen und Korrekturen zum „Bestimmungsschlüssel der Süßwas- ser-Amphipoda (Crustacea) Deutschlands”. Lauter- bornia 50: 1-13 HAYBACH, A. & SCHWENKE, B. 2005: Chelicorophium robustum (Sars, 1895) (Crustacea: Amphipoda) im Niederrhein und in den westdeutschen Kanälen. Natur am Niederrhein (N. F.) 20 (2): 78-79; Krefeld. ROOS, P.; BERNAUER, D.; MARTEN, M. & SCHÖLL, F. 2006: Erste Nachweise von Chelicorophium robustum (Sars, 1895) in Rhein und Neckar (Amphipoda: Coro- phiidae). Lauterbornia 56: 41-47 SARS, G. O. 1895: Crustacea caspia. Contributions to the knowledge of the Carcinological Fauna of the Caspian Sea. Part III, Amphipoda, 3. Gammaridae (concluded), Corophiidae. Bulletin de l’Académie Im- Abb. 1 périale des Sciences de St.-Péterbourg: 275-314 CÂRÂUS¸U, S. 1943: Amphipodes de Roumanie. I. Gam- Chelicorophium robustum Weibchen, 5,1 mm, aus dem Trebelsee nordwestlich von Pots- marides de type Caspien. Monogr. Inst. Cerc. Pisc. dam, links ein Habitusbild, rechts die Zeichnung der Innenseite der linken 2. Antenne. Der Roumaniei, 1: 1-293 kleine Pfeil zeigt auf den taxonomisch bedeutsamen Zahn am 5. Stielglied. WUNDSCH, H. H. 1912: Eine neue Species des Genus Corophium Latr. aus dem Müggelsee bei Berlin. Zool. Foto und Zeichnung: K. Rudolph Anz. 39: 729-738 128 NATURSCHUTZ UND LANDSCHAFTSPFLEGE IN BRANDENBURG 21 (3) 2012

Die Sammelmappe „Steckbriefe Brandenburger Böden“ – Anliegen, Inhalte und aktuelle thematische Erweiterungen

Pünktlich zum Weltbodentag am 05.12.2011 Forschungs- und Lehranstalten, an Mitarbei- ist der Profilaufbau mit Kennzeichnung der veröffentlichte das Ministerium für Umwelt, ter in Verwaltungen, Umweltbildungseinrich- Bodenmerkmale dargestellt, die im Detail nur Gesundheit und Verbraucherschutz (MUGV) tungen, an Bodenkundler, Boden- und Natur- von Lesern mit bodenkundlichen Kenntnissen des Landes Brandenburg die zweite Erweite- schützer und an alle, die einfach mehr über leichter zu erschließen sind. Das umfangrei- rung der Sammelmappe „Steckbriefe Bran- Böden in Brandenburg erfahren wollen. Um che Glossar im Einführungsteil ermöglicht es denburger Böden“. Die zahlreichen Anfra- dem unterschiedlichen Kenntnisstand des aber auch dem Laien, die wichtigsten Merk- gen verschiedener Institutionen und privater breiten Anwenderkreises gerecht zu werden, male kennen zu lernen. Abschließend wer- Leser aus allen Teilen der Bundesrepublik zu war es erforderlich, die vielen Informationen den in den Rubriken 4 und 5 die Bedeutung dieser Publikation bescheinigten dem Her- für den Laien verständlich und für den Fach- und vielfältigen Funktionen des Bodens her- ausgeber seine bisher erfolgreiche Öffent- mann sachlich korrekt darzustellen. ausgestellt und zahlreiche Schutzmöglichkei- lichkeitsarbeit zum Thema Boden und regten In dem kurzen Einführungsteil werden in ten aufgezeigt. an, die Sammlung um aktuelle bodenschutz- Grundzügen die Landschaftsgenese und Die erste Auflage (2003) enthält eine Aus- relevante Themen zu erweitern. Bodenentwicklung in Brandenburg seit der wahl von häufigen und seltenen Böden, die Anliegen der Mappe es ist, die Vielfalt der letzten Eiszeit und unter zunehmender überwiegend unter land- oder forstwirt- Böden Brandenburgs zu beschreiben und anthropogener Beeinflussung in der jünge- schaftlicher Nutzung in Brandenburg anzu- zugleich anschaulich und fachlich fundiert ren Geschichte nachvollzogen. Diese allge- treffen sind. Zudem befinden sich besondere die Zusammenhänge zwischen deren Entste- meinen Ausführungen sollen dem Leser hel- und stärker überprägte Böden in der Samm- hung, Verbreitung, Eigenschaften, Leistungs- fen, die Verschiedenartigkeit und die unter- lung. Die vier Neuzugänge der zweiten Auf- vermögen und Nutzung sowie sich daraus schiedliche räumliche Verbreitung von Böden lage, die 2005 gemeinsam mit dem Natur- ergebenen Gefährdungen und Schutzmög- leichter zu verstehen. schutzfonds Brandenburg herausgegeben lichkeiten zu erklären. Der facettenreiche In der Rubrik „Allgemeines und Geschichte“ wurde, zeichnet sich durch einen besonders Blick auf die ausgewählten Böden und The- wird überwiegend unterhaltsam und mit his- hohen naturschutzfachlichen Bezug aus. Sie men soll das Bewusstsein für einen nachhal- torischen Bezügen auf den ausgewählten stehen dafür, dass Böden als intakter Bestand- tigen Umgang mit dem Boden fördern. Boden eingestimmt. In der Rubrik 2 werden teil der natürlichen Lebensgrundlagen gemein- Die Blattsammlung richtet sich an Studierende, die Entstehung und Verbreitung des Bodens sames Anliegen von Boden- und Natur- Planer, Praktiker in Land- und Forstwirtschaft, beschrieben. Auf der dritten Steckbriefseite schutz sind. Die verschiedenen Funktionen, die Böden erfüllen und die vielfältigen Gefährdungen und Belastungen, denen sie ausgesetzt sind, werden bei dem jeweiligen Boden im Steck- brief ausführlicher beschrieben, bei dem sie besonders ausgeprägt sind. Damit sind jedem Steckbrief ein bis mehrere Themenschwer- punkte zugeordnet. So wird am Beispiel des terrestrischen Rohbodens Lockersyrosem (1.1), ein charakteristischer Boden der Binnen- dünen und Truppenübungsplätze, die hohe Bedeutung von Extremstandorten als Lebens- raum für seltene Tiere und Pflanzen darge- stellt. In den gleichen Kontext sind Kalkmud- de (9.6), Salzboden (12.3) und Soll (12.4) als Neuzugänge der zweiten Auflage einzu- ordnen. Diese besonderen und seltenen Böden sind Bestandteil der geschützten Lebensräume Binnensalzstellen, kalkbeein- flusste Feuchtwiesen und Sölle. Die Funktion von Böden als Archive der Natur- und Kul- turgeschichte wird anschaulich am Beispiel der Schwarzerde (3.1), des Kolluvisols (8.1), eines naturnahen Übergangsmoors (10.1) und der Fuchserde (12.2) beschrieben. For- men der historischen Bodenbearbeitung und -nutzung stehen in den Steckbriefen Wölb- acker (8.2) und Gley mit Raseneisenerde (9.5) im Mittelpunkt. Am Beispiel der grund- wasserbeeinflussten Mineral- und Nieder- moorböden (9.1-9.4, 11.1 & 11.2), die in Brandenburg einen hohen Anteil einnehmen, werden die Auswirkungen der im 18. Jahr- hundert beginnenden Flusseindeichungen und Entwässerungen der großen Branden- burger Niederungen behandelt. Böden der lehmigen und lehmig-sandigen Grundmorä- nen mit ihrer hohen Wasser- und Nährstoff- speicherkapazität, dazu zählen Parabraun- erde (5.1) und Fahlerde (5.3), sind bei inten- NATURSCHUTZ UND LANDSCHAFTSPFLEGE IN BRANDENBURG 21 (3) 2012 129 130 NATURSCHUTZ UND LANDSCHAFTSPFLEGE IN BRANDENBURG 21 (3) 2012

siver landwirtschaftlicher Nutzung in beson- servieren die Bedingungen ihrer langen natür- MUGV derem Maße der Erosion durch Wasser und lichen Entwicklung, aber auch der auf sie Presse und Öffentlichkeitsarbeit Wind sowie der Verdichtung ausgesetzt. einwirkenden anthropogenen Prozesse. Sie Heinrich-Mann-Allee 103, 14473 Potsdam Stoffliche Belastungen wie Stickstoffeutro- sind Spiegel und Gedächtnis zugleich. Sie sind Telefon: (03 31) 8 66 - 72 37 phierung, Bodenversauerung und Schad- Zeugnisse von Nutzungseinfluss und -wan- Fax: (03 31) 8 66 - 70 18 stoffanreicherungen werden am Beispiel der del, sowie klimatischer Einflüsse, der anthro- E-Mail: [email protected] überwiegend forstwirtschaftlich genutzten pogen beeinflussten Boden- und Substrat- Braunerden (4.1) und am Beispiel eines Rie- genese und der Siedlungsgeschichte. Neue Sie können von der Internetseite: selfeldbodens (8.3) erläutert. Und nicht Steckbriefe liegen zu den Themen Landnut- http://www.mugv.brandenburg.de/cms/de- zuletzt wird in dem Steckbrief Stadtboden zung ändert Böden (13.1), Klima und Boden tail.php/5lbm1.c.147440.de (8.4) die Flächeninanspruchnahme durch (13.2), Boden und Monitoring (13.3), Archi- herunter geladen werden. Versiegelung und Überbauung thematisiert. ve der Kulturgeschichte (13.4) sowie zum Die anhaltend hohen Belastungen und Bodentyp Moorkultosol (11.3), als ein Zeug- Autorenanschrift: Gefährdungen der Böden durch Überbau- nis von Verfahren der landwirtschaftlichen Dr. Beate Gall ung, Versiegelung und Verdichtung bisher Kultivierung von Moorstandorten, vor. Das NaturschutzKonzepte unbelasteter Freiflächen, durch Schadstoff- neue Kapitel 13 „Themensteckbriefe“ ist Am Grashorn 12 und übermäßigen Nährstoffeintrag sowie besonders gut geeignet, die breite Öffent- 14548 Schwielowsee, OT Geltow durch eine zu intensive Landnutzung gaben lichkeit regelmäßig und zeitnah über aktuel- [email protected] dem Herausgeber jüngst Anlass, die Mappe le Bodenschutzthemen und Entwicklungs- um eine ausführlichere Darstellung aktueller trends im Land Brandenburg zu informieren. Patrick Lantzsch bodenschutzrelevanter Themen in einem MUGV Brandenburg, Ref. 65 separatem Kapitel zu erweitern. Böden kon- Die neuen Steckbriefe sind zu beziehen bei: [email protected]

PERSÖNLICHES

Abschied von Willi Recker ben und Tausende von Stecklingen gepflanzt. Laubfrösche und Rotbauchunken fühlten An zahlreichen Gewässerufern zwischen Ber- sich in einem riesigen Terrarium offensicht- Am 24. März 2012 verstarb Willi Recker nach lin und der Schorfheide gibt es Anpflanzun- lich sehr wohl. Der Balkon glich einer Baum- kurzer schwerer Krankheit im Alter von 76 Jah- gen, die von ihm als Nahrungsgehölze für schule – überall befanden sich Gläser und ren. Er war vielen naturschutzbewegten Men- den Biber angelegt wurden. Büchsen mit Gehölzstecklingen. schen in Brandenburg, Berlin und darüber Seiner Gesundheit war das weniger förder- Aber Willi kartierte nicht nur und sammelte hinaus als der „Biberexperte“ bekannt. lich, aber das nahm er im Interesse der Sache Daten, sondern er brachte auch die Leute nicht so genau. Auf oft dreißig Kilometer lan- zusammen, wenn es etwas zum Schutz der gen Märschen entlang von Gräben, Kanälen Biber zu tun gab. Dazu wirkte er auch ehren- und Seen erfasste er die Spuren der Biber. amtlich in den Fachgruppen Herpetologie, Dadurch hatte er einen exzellenten Über- Aquaristik und Ornithologie des Kulturbunds blick über die Bestandssituation im Gebiet mit. Dabei lag ihm besonders die Arbeit mit der Schorfheide bis Oranienburg und Hen- Kindern und Jugendlichen am Herzen. Und nigsdorf. Unvergesslich für die, die ihn kann- so wurde er 1972 zum ehrenamtlichen Natur- ten, sind seine in winziger Schrift verfassten schutzbeauftragten des damaligen Kreises Exkursionsnotizen, notiert auf der Rückseite Bernau berufen. seiner Zigarilloschachteln und mit unzähligen Als Willi Recker erkannte, dass es nur noch Kürzeln versehen, die nur er verstand. Zuhau- eine Frage der Zeit war, bis die Biber auch se wurden die Daten umgehend aufbereitet das „Territorium der selbstständigen politi- und an Naturschutzbehörden und -stationen schen Einheit Westberlin“ erreichen würden, sowie Kollegen weitergeleitet. scheute er sich nicht, über private Kanäle mit Durch seine zeichnerische Begabung war er in den Menschen auf der anderen Seite der der Lage, Details des Biberlebensraums, den Mauer Kontakt aufzunehmen. Daraus resul- Aufbau von Biberburgen und vieles mehr all- tierte ab 1987 ein dauerhafter und intensiver gemein verständlich darzustellen. Nicht zuletzt Kontakt zu Westberliner Naturschützern. Es zeugen davon auch zahlreiche Biber-Comics, kam zu zahlreichen Exkursionen ins Umland, mit denen er seine Briefe schmückte. auf denen die „mauergeschädigten“ West- Geboren wurde er am 19.6.1935 in Ham- Neben den Populationsdaten sammelte Willi berliner zum ersten Mal von den Natur- burg. Sein Lebensweg war geprägt von der Hinweise zur Nutzung der Gehölze durch die schätzen im Berliner Umland erfuhren und Liebe zur Natur. So arbeitete er lange Zeit als Biber. So finden sich in seinen Unterlagen über die Spuren des Bibers staunen lernten. Tierpfleger im Berliner Tierpark und daran über 70.000 Daten zu Biberfällungen. Aus 1989 kam die Wende und mit einer Verspä- anschließend im Pionierpark in der Wuhlhei- diesen Beobachtungen resultieren zahlreiche tung von 5 Jahren kamen auch die Biber de. Während dieser Zeit hat er sich autodid- Publikationen. Darunter befindet sich auch über die Oberhavel nach Berlin. Es war natür- aktisch ein immenses biologisches Wissen ein nur mit Schmunzeln zu lesender Artikel lich Herzenssache für Willi, auch hier die Aus- und hervorragende feldbiologische Kennt- für die Zeitschrift „Das Tier“ vom Jahr 1970 breitung seiner Lieblinge zu verfolgen. Aus nisse angeeignet. Seine besondere Vorliebe mit dem vielsagenden Titel: „Steinmarder dem Waldläufer wurde ein Stadtläufer. Für und Fürsorge galt aber dem Biber. Neben sind eine Zerreißprobe für Möbel und Pfle- Willi war es eine besonders spannende Sache, seiner Arbeit im Tierpark fand er seit 1963 ger – Zu Untermiete bei einem Steinmarder“. zu erfahren, wie seine Biber nun mit den völ- immer wieder Zeit, sich mit den Bibern in der Der gesamte Artikel ist ein Zeugnis seines lig neuen Lebensbedingungen der Großstadt Schorfheide zu beschäftigen. Zur Verbesse- trockenen Humors, der ihn immer begleite- umgingen. Von den Experten in den Natur- rung der von Austrocknung bedrohten Biber- te. Besucher bei ihm aus dieser Zeit berich- schutzbehörden von Berlin hätte keiner einen lebensräume in der Umgebung von Groß ten von einem Steinmarder, der sie in der Pfennig darauf verwettet, dass die Biber sich Schönebeck wurden von ihm Gräben gegra- Küche begrüßte, im Wohnzimmer quakten im Stadtgebiet ansiedeln würden – zu viele NATURSCHUTZ UND LANDSCHAFTSPFLEGE IN BRANDENBURG 21 (3) 2012 131

Störungen, zu schlechte Lebensbedingun- Nach seiner Lehre als Rundfunkmechaniker aktionen von 1976-1980 am Rietzer See und gen – das war die einhellige Meinung. arbeitete er im Betrieb RFT in Brandenburg/ konnte dort vielen jungen Leuten seine Erfah- Die Biber sahen das anders und blieben. Dank Havel, danach auf der Thälmann-Werft in rungen im Naturschutz vermitteln. Bereits Willis unermüdlicher Kartierarbeit wissen wir, Brandenburg und wechselte 1966 zum Stahl- 1977 besichtigte er mit Naturschutzhelfern dass einzelne Tiere bis weit in die Innenstadt und Walzwerk Brandenburg in die Abteilung einen leerstehenden Weidemelkstall bei hineinschwimmen und dort auch zumindest Konstruktion für Elektroanlagen. Als 1975 Schenkenberg in der Nähe des NSG „Rietzer zeitweise suboptimale Bereiche besiedeln. nahe seines Wohnortes Golzow (Kreis Bran- See“ und war von Anfang an ein begeister- Auch in Berlin ging er auf die Mitarbeiter der denburg Land) eine Fernmeldeanlage der ter Verfechter der Idee, daraus ein Kreis-Na- Wasserstraßenverwaltung und Naturschutz- Deutschen Post in Betrieb ging, fand er hier turschutzzentrum zu errichten. Als 1979 die behörden zu, redete mit Förstern, stellte Pla- im technischen Bereich seine letzte beruf- behördliche Genehmigung für die Ausbau- nungsbüros seine Daten zur Verfügung und liche Tätigkeit und wurde schließlich von der arbeiten vorlag, war Erich Insel mit Rat und forderte die Lösung von Problemen und Miss- Telekom bis zum Eintritt in den Ruhestand Tat dabei. Er verputzte Wände, verlegte ständen. Er konnte auch nerven, wenn sich die (1993) übernommen. elektrische Leitungen und pflanzte Bäume Dinge nicht in die richtige Richtung bewegten. Seit 1969 war Erich Insel als Naturschutzhel- und Sträucher. Nebenbei hatte er außerdem eine umfang- fer im Kreis Brandenburg/Land tätig. Sein 1990 wurde Erich Insel Mitglied im Natur- reiche Mistelkartierung für ganz Berlin und Hauptaugenmerk richtete er auf den Schutz schutzbund (NABU) Brandenburg/Havel e.V. Brandenburg durchgeführt, die im Jahr 2003 der Bäume in den Gemeinden und Städten und zählte damit zu unseren Gründungs- veröffentlicht wurde. des Kreisgebietes. Auf der Kreisseite der mitgliedern. 2005 erhielt Wilhelm Recker für sein Lebens- „Märkischen Volksstimme“ (MV) meldete er Nach der deutschen Einheit brachte er sein werk den Berliner Naturschutzpreis. sich des Öfteren zu Problemen des Natur- Wissen und sein Engagement im Landkreis In seinen letzten Jahren wurden die Exkur- und Landschaftsschutzes und mahnte die ein. Er war von 1990-1993 Mitglied des sionsrouten kürzer, aber selbst 2011 hatte er Einhaltung der gesetzlichen Grundlagen an. Kreisausschusses im Kreistag Brandenburg noch einen umfangreichen Kartierbericht für 1977 wurde er zum Kreis-Naturschutzbeauf- und Vorsitzender des Fachausschusses Land- Berlin und Umgebung für das zurückliegen- tragten (KNB) für den Kreis Brandenburg/ wirtschaft/Umweltschutz. Ab 1993 war er de Jahr verfasst. Noch im Dezember 2012 Land berufen. Von Anfang an unterstützte Mitglied des Naturschutzbeirates, dann ab besichtigten wir gemeinsam auf der Baum- er die Bildung von Arbeitsgruppen Landes- 1994 im Landkreis Potsdam-Mittelmark. Im garteninsel in Berlin-Köpenick die „Untaten“ kultur innerhalb der Gemeindeverbände des Zeitraum 1994-2003 wirkte er als Sachkun- seiner Lieblinge. Kreises. Erich Insel konnte innerhalb der Stän- diger Einwohner im Ausschuss für Kreis- Die Lücke, die sein Tod im Naturschutz hinter- digen Kommission Umweltschutz, Wasser- entwicklung, Planung, Umwelt und Verkehr lässt, wird so schnell nicht zu schließen sein. wirtschaft, Erholungswesen des Kreistages des Kreistags Potsdam-Mittelmark mit. Wir werden ihn als einen liebenswerten, (in der er als berufener Bürger tätig war), bei Im Naturschutzbeirat waren seine Erfahrung bescheidenen und stillen, aber auch humor- Ortsbesichtigungen in Einrichtungen und und die Ortskenntnis im Altkreis Brandenburg vollen Menschen in Erinnerung behalten, Landwirtschaftlichen Produktionsgenossen- sehr wertvoll und er wirkte dort, bis zum von dem man unendlich viel über den Biber, schaften (LPG), mit Betriebsleitern und LPG- Rücktritt des Beirates, der aus Protest gegen seinen Lebensraum und die brandenburgi- Vorsitzenden auch kritische Anmerkungen zum die Beschneidung der Beiratsrechte in der sche Landschaft lernen konnte und dem die Landschaftsschutz anbringen. Er war immer an Gesetzesnovelle von 2004 erfolgte, aktiv mit. Liebe zur Natur über alles ging. einer engen Zusammenarbeit von Gemein- Ausgezeichnet wurde Erich Insel mit der den, Betrieben und Genossenschaften in „Ehrennadel für besondere Leistungen im Manfred Krauß, Jens u. Jana Teubner, Karl- Sachen Natur- und Landschaftsschutz inter- Naturschutz in Silber“ auf einer Natur- Andreas Nitsche essiert. Bereits 1975 wirkte er bei der Erar- schutztagung im Jahr 1974. beitung eines Kreistagsbeschlusses über die Der NABU-Regionalverband Brandenburg/ landeskulturelle Entwicklung bis 1980 maß- Havel e. V. und die Naturschutzhelfer der Erinnerungen an Erich Insel – geblich mit (Beschluss Nr.8-26/75; 25.9.75). Region vermissen den aktiven Naturschützer einen aktiven Naturschützer Für jenen Kreistag am 25.September 1975 Erich Insel mit seiner fachlichen Kompetenz gestaltete er eine sehr ansprechende Aus- aber auch seiner Fröhlichkeit. Erich Insel wurde am 19. November 1930 in stellung zu den Problemen des Natur- und Erich Insel wird uns in guter Erinnerung blei- Grebs bei Lehnin (jetzt Gemeinde Kloster Umweltschutzes. ben. Der NABU wird in seinem Sinne weiter Lehnin) geboren und verstarb am 4. Dezem- Obwohl Erich Insel ein ruhiger ausgegliche- wirken. ber 2011 nach langer schwerer Krankheit. ner Mensch, der freundlich und zuverlässig Seine Beisetzung fand an seinem letzten war, zeigte er im Naturschutz ein hartnäcki- Quellen: Wohnort in Wusterwitz statt. ges Durchsetzungsvermögen. So legte er sich BEHRENS, HERMANN 2009: Band 3 Natur- auch mit den Funktionären aus dem Bereich geschichte und Naturschutzbeauftragte in der Landwirtschaft und mit einigen LPG-Vor- Berlin und Brandenburg. Lexikon der Natur- sitzenden an, wenn es um nicht genehmigte schutzbeauftragten S. 664-665. Baumfällungen bei Meliorationsvorhaben Archiv des NABU-RV Brandenburg/Havel e. V. ging oder bei illegalen Eingriffen in die Natur- Naturschutzbund (NABU) Regionalverband schutzgebiete Krahner Busch und Rietzer Brandenburg/Havel e.V. See. In der Zeit von 1980-1990 engagierte sich Erich Insel in der Fachgruppe Ornitholo- Gertfred Sohns gie Brandenburg/Havel im Kulturbund und übernahm in dieser Zeit die Betreuung der Weißstörche im Landkreis. Von 1981-1990 LOTHAR TÄUSCHER setzte er seine aktive gesellschaftliche Tätig- keit innerhalb der „Gesellschaft für Natur Zum 70. Geburtstag von und Umwelt“ (GNU) fort. Er verstand es Dr. Dietrich Schmidt und die hervorragend, ansprechende Ausstellungs- Bedeutung „seiner“ Arm- tafeln zu entwerfen und anzufertigen, die im leuchteralgen (Charales) Kreistag, im Kulturbund, der GNU und spä- ter auch im Kreis-Naturschutzzentrum „Riet- Im Jahr 2012 wäre Dr. Dietrich Schmidt zer See“ gezeigt wurden. Er beteiligte sich 70 Jahre alt geworden und im Jahr 2012 sind auch an den bezirklichen Vogel-Beringungs- von den Algenforschern der Sektion Phyko- 132 NATURSCHUTZ UND LANDSCHAFTSPFLEGE IN BRANDENBURG 21 (3) 2012

logie der Deutschen Botanischen Gesellschaft den seine bekannten Publikationen über die Karteikarten-Sammlung die Armleuchteralgen der Gattung Chara zu Aut- und Synökologie (mit der Beschreibung den Algen des Jahres gewählt worden. Diese verschiedener Syntaxa) von Wasser- und Neben dieser Exsikkate-Sammlung gibt es submersen Makroalgen spielen bei der öko- Sumpfpflanzen (SCHMIDT 1981a, 1985), wobei noch eine Karteikarten-Sammlung von Dr. logischen Einstufung der Gewässer zusam- er sich auch noch speziell mit den Armleuch- Dietrich Schmidt (s. Tabelle 1), die von Frau men mit den Moosen, Farnen und Blüten- teralgen (Charales) und ihrer Schutzbedürf- Waldtraut Schmidt dem Landesamt für pflanzen nach der Europäischen Wasserrah- tigkeit beschäftigte (SCHMIDT 1981b, 1984, Umwelt, Gesundheit und Verbraucherschutz menrichtlinie (WRRL 2000) und zur natur- 1991). Die große Kenntnis der Armleuchter- Brandenburg übergeben wurde. schutzfachlichen Bewertung des Lebensraum- algen, die Kenntnis ihrer Verbreitung und ih- types 3140 „Oligo- bis mesotrophe kalkhal- re naturschutzfachliche Stellung waren die Tabelle 1: tige Stillgewässer mit benthischer Armleuch- solide Grundlage für die Bearbeitung der Karteikarten-Sammlung von Dietrich Schmidt teralgen-Vegetation (Characeae) (= Hard Roten Listen dieser submersen Makroalgen Thematik Form/Inhalt/Autoren oligo-mesotrophic waters with benthic vege- in den Bundesländern Brandenburg (zusam- Geschichte tation of Chara ssp.: Natura 2000-Code)“ men mit Rüdiger und Heike Mauersberger) Oosporen Tabelle nach der Fauna-Flora-Habitat-Richtlinie (SCHMIDT et al. 1993a, b) und Mecklenburg- (FFH-RL1992) eine sehr große Rolle. Zur Vorpommern (SCHMIDT 1994). Für Deutsch- Verbreitung Tabelle Kenntnis der Armleuchteralgen (Charales), land legte er 1996 gemeinsam mit weiteren der Characeen zu ihrer Verbreitung, zu ihrer Aut- und Syn- 12 Autoren als Erstautor die „Rote Liste der in der DDR ökologie und zu ihrer Schutzbedürftigkeit hat Armleuchteralgen (Charophyceae) Deutsch- Ökologische Tabelle der Hydrobotaniker Dietrich Schmidt einen lands“ vor (SCHMIDT et al. 1996). Zeigerwerte zu würdigenden Beitrag geleistet. Als promovierter Biologe gab Dietrich Schmidt der Characeen seine Stelle als Lehrer auf und wechselte von Briefe Peter Bolbrinker, Uwe 1980 bis 1990 in das Institut für Pflanzen- Hölzer (1940-1993), schutzforschung der Akademie der Land- Hubert Illig, Lebrecht wirtschaftswissenschaften der DDR in Klein- Jeschke machnow. Nach der „Wende“ begann für Characeen-Funde Karteikarten A 4 Dr. Dietrich Schmidt eine schwierige Zeit mit Versuchen einer neuen beruflichen Profilie- Wasserpflanzen- Karteikarten A 4 rung (1990 bis 1992: Mitarbeiter im Umwelt- Gesellschaften ministerium; 1992 bis 1997: Mitarbeiter in der ÖNU GmbH) und enttäuschenden Erfahrun- Ehrung von Dr. Dietrich Schmidt und Neu- gen, was schließlich zur Gründung der BIO- bearbeitung von Checklisten und Roten Lis- TEST GbR zusammen mit Dr. Gerrit Krüger ten der Armleuchteralgen im Jahr 1997 führte. Ende der neunziger Jahre bis zu seinem Tod Nach der gründlichen Katalogisierung und bearbeitete Dr. Dietrich Schmidt die submer- Dokumentation werden diese Charales exsic- sen und emersen Wasser- und Sumpfpflan- catae-Sammlung und die Karteikarten-Samm- zen im Rahmen naturschutzfachlicher Moni- lung im Herbarium des Botanischen Muse- toring-Programme in den Bundesländern ums Berlin-Dahlem der Freien Universität (B) Brandenburg und Mecklenburg-Vorpom- hinterlegt werden und stehen damit einer mern (s. SCHMIDT & KRÜGER 2002). Im Land breiten Öffentlichkeit für weitere wissen- Brandenburg war er umfangreich in der schaftliche Arbeiten zur Verfügung. Überwachung der Fließgewässer und der In der Fortsetzung seiner wichtigen Arbeiten Seen in der Ökosystemaren Umweltbeob- für die Hydrobotanik und für naturschutz- achtung (ÖUB) in den Biosphärenreservaten fachliche Problemstellungen gedenken wir „Schorfheide-Chorin“ und „Spreewald“ mit Dr. Dietrich Schmidt am besten. So wurden die Dr. Dietrich Schmidt Beiträgen zur Methodik (LUTHARDT et al. Liste und Rote Liste der Armleuchteralgen (25.07.1942 in Güstrow - 2006) und zur Kartierung der Wasservegeta- des Landes Brandenburg durch KABUS et al. 21.04.2004 in Potsdam) tion beteiligt (SCHMIDT et al. 2005). (2011) neu bearbeitet. Für das Land Meck- Dr. Dietrich Schmidt starb am 21. April 2004 lenburg-Vorpommern und für die Bundes- Dietrich Schmidt wurde am 25. Juli 1942 in in Potsdam im Alter von 61 Jahren. republik Deutschland sind solche Listen in Güstrow geboren, wo er auch die Schule Bearbeitung. besuchte und 1960 das Abitur ablegte Exsikkate-Sammlung Danach studierte er Biologie und Chemie an Danksagung der Ernst-Moritz-Arndt-Universität Greifs- Außer diesen in der Makrophyten- und den wald. 1965 schloss er das Studium mit einer Algen-Bibliographien des Landes Branden- Frau Waldtraut Schmidt, Potsdam, danke ich Staatsexamensarbeit über „Floristische Unter- burg und des Landes Mecklenburg-Vorpom- sehr für wichtige biographische Angaben zu suchungen im Gebiet des Nebeltals westlich mern bzw. im Schmidt-Nekrolog genannten ihrem Mann und für das Foto von Dr. Diet- Güstrow“ ab (s. auch JESCHKE 2008). Dietrich Veröffentlichungen (LESKE et al. 2005, TÄU- rich Schmidt. Außerdem gab sie mir wichtige Schmidt arbeitete in Güstrow und Havelberg SCHER 2005, 2009a, b) gibt es von Dr. Diet- Angaben über die Fundortkartei ihres Man- als Lehrer. Während seiner Zeit in Havelberg rich Schmidt noch eine umfangreiche Chara- nes. leistete Dietrich Schmidt umfangreiche Zuar- les exsiccatae-Sammlung aus den Gebieten Herr Dr. Gerrit Krüger, Eggersdorf, stellte die beiten für die „Flora der Prignitz“ von Dr. der Bundesländer Brandenburg, Mecklen- Charales exsiccatae-Sammlung von Dr. Diet- Wolfgang Fischer (SCHMIDT in FISCHER 1978). burg-Vorpommern, Sachsen und Sachsen- rich Schmidt zur Verfügung. Als externer Doktorand bei Professor Franz Anhalt (Herr Dr. Gerrit Krüger, Eggersdorf, Herrn Dr. Hubert Illig, Luckau, danke ich für Fukarek (1926-1996) wurde er 1980 mit sei- stellte die Exsikkate-Sammlung von Dr. Die- hilfreiche Ergänzungen zu seinen Armleuch- ner Dissertation „Pflanzensoziologische und trich Schmidt zur Verfügung). Die einzelnen teralgen-Funden. ökologische Untersuchungen der Gewässer unveröffentlichten Fund-Nachweise wurden um Güstrow“ zum Dr. rer. nat. an der Ernst- von TÄUSCHER (2010a, b; 2011a, b; 2012) Literatur Moritz-Arndt-Universität Greifswald promo- dokumentiert und stehen damit für weitere FFH-RL (FAUNA-FLORA-HABITAT-RICHTLINIE) 1992: Richt- viert. Aus dieser Graduierungsarbeit entstan- Auswertungen bereit. linie 92/43/EWG des Rates vom 21. Mai 1992 zur NATURSCHUTZ UND LANDSCHAFTSPFLEGE IN BRANDENBURG 21 (3) 2012 133

Erhaltung der natürlichen Lebensräume sowie der wild- SCHMIDT, D. 1991: Die Characeen der vorpommerschen TÄUSCHER, L. 2010a: Die Charales exsiccatae-Sammlung lebenden Tiere und Pflanzen. – Amtsblatt der Euro- Boddenkette und ihre Gefährdung. – Botanischer von Dr. Dietrich Schmidt (1942-2004) aus Gewässern päischen Gemeinschaften, Reihe L 206 vom 22. Juli Rundbrief für Mecklenburg-Vorpommern 23: 91-98. der Bundesländer Brandenburg, Mecklenburg-Vorpom- 1992: 1-50 SCHMIDT, D., MAUERSBERGER, R. & MAUERSBERGER, H. mern, Sachsen und Sachsen-Anhalt. – Arbeitsgruppe JESCHKE, L. 2008: Greifswalder vegetationskundliche 1993a: Rote Liste der Armleuchteralgen (Charophyta) „Characeen Deutschlands“ – Beitrag zur 7. Tagung: Arbeiten der „Rothmaler-Schule“ 1954-1992. Versuch in Brandenburg. – Gleditschia 21: 37-45 1-10 einer Wertung. Feddes Repertorium 119: 152-162 SCHMIDT, D., MAUERSBERGER, R. & H. 1993b: Rote Liste http://www.biologie.uni-rostock.de/oekologie/oeko- KABUS, T. & MAUERSBERGER, R. Unter Mitarbeit von Armleuchteralgen (Charophyta). In: MINISTERIUM FÜR logie/agcd/7th_meeting/Exsiccatae_D.Schmidt_Cha- RÄTZEL, S., TÄUSCHER, L. & VAN DE WEYER, K. 2011: Liste UMWELT, NATURSCHUTZ UND RAUMORDNUNG DES LANDES ra_2010.pdf und Rote Liste der Armleuchteralgen (Charaecae) des BRANDENBURG (ed.): Rote Liste: Gefährdete Farn- und TÄUSCHER, L. 2010b: „Spurensicherung“ SCHMIDT – Landes Brandenburg 2011. – Naturschutz und Land- Blütenpflanzen, Algen und Pilze im Land Branden- Die Sammlung „Charales exsiccatae“ von Dr. Dietrich schaftspflege in Brandenburg 20 (4), Beilage: 32 S. burg.- Potsdam: 97-105 Schmidt (1942-2004) – Vortrag Botanischer Verein LESKE, S., C. BERG, T. KABUS & L. TÄUSCHER 2005: Biblio- SCHMIDT, D. 1994: Rote Liste der gefährdeten Arm- von Berlin und Brandenburg, Institut für Ökologie der graphie „Submerse Makrophyten in Seen Mecklen- leuchteralgen (Charophyten) Mecklenburg-Vorpom- Technischen Universität Berlin, 24.11. 2010: 1-11 burg-Vorpommerns“. – Bot. Rundbr. Meckl.-Vorp. 40: merns. 1. Fassung, Stand : November 1993. – In: DER http://www.botanischer-verein-brandenburg.de/file- 79-104 UMWELTMINISTER DES LANDES MECKLENBURG-VORPOMMERN admin/user_upload/ppt/Schmidt_Charales-Exsicca- LUTHARDT, V., BRAUNER, O., DREGER, F., FRIEDRICH, S., (ed.), Schwerin tae.ppt GARBE, H., HIRSCH, A.-K., KABUS, T., KRÜGER, G., MAUERS- SCHMIDT, D., VAN DE WEYER, K., KRAUSE, W., KIES, L., TÄUSCHER, L. 2011a: Die Charales exsiccatae-Sammlung BERGER, H., MEISEL, J., SCHMIDT, D., TÄUSCHER, L., VAHR- GARNIEL, A., GEISSLER, U., GUTOWSKI, A., SAMIETZ, R., von Dr. Dietrich Schmidt (1942-2004) aus Gewässern SON, W.-G., WITT, B. & ZEIDLER, M. 2006: Methoden- SCHÜTZ, W., VAHLE, H.-C., VOGE, M., WOLF, P. & MEL- des Landes Brandenburg. - Botanischer Verein von Ber- katalog zum Monitoring-Programm der Ökosystema- ZER, A. 1996: Rote Liste der Armleuchteralgen (Charo- lin und Brandenburg, Arbeitsgruppe „Untersuchung ren Umweltbeobachtung (ÖUB) in den Biosphärenre- phyceae) Deutschlands. – Schriftenreihe für Vegeta- der Algen-Besiedlung im Land Brandenburg“: 1-3 servaten Brandenburgs für die Ökosystemtypen tionskunde 28: 547-576 http://www.botanischer-verein-brandenburg.de/file- Acker, Grasland, Moor, Stand- und Fließgewässer. – SCHMIDT, D. & KRÜGER, G. 2002: Effizienzmonitoring admin/user_upload/pdf/BB-Charales-Exsiccatae- 4. akt. Ausgabe, unveröff., im Auftrag des Landes- von ausgewählten Pflanzengesellschaften. – Natur- D.Schmidt-2011.pdf umweltamt Brandenburg, Fachhochschule Eberswal- schutzarbeit in Mecklenburg-Vorpommern 45: 31-36 TÄUSCHER, L. 2011b: Die Charales exsiccatae-Sammlung de, Teil A 177 S. + Anhang; Teil B 134 S. + Anhang SCHMIDT, D., KRÜGER, G., TÄUSCHER, L., MEISEL, J. & KA- von Dr. Dietrich Schmidt (1942-2004) für das Bundes- SCHMIDT, D. 1965: Floristische Untersuchungen im BUS, T. 2005: Seen im BR Schorfheide-Chorin. – In: land Mecklenburg-Vorpommern. – Archiv der Freun- Gebiet des Nebeltals westlich Güstrow. – Staatsexa- LUTHARDT, V. et al.: Lebensräume im Wandel – Bericht de der Naturgeschichte in Mecklenburg 50: 167-174 mensarbeit Ernst-Moritz-Arndt-Universität Greifswald zur ökosystemaren Umweltbeobachtung (ÖUB) in TÄUSCHER, L. 2012: Die Charales exsiccatae-Sammlung SCHMIDT , D. 1978: Pflanzenfunde in der Prignitz. – In: den Biosphärenreservaten Brandenburgs. – Fachbei- von Dr. Dietrich Schmidt (1942-2004) aus Gewässern FISCHER, W.: Zur Flora der Prignitz. Nachträge und träge des Landesumweltamtes Heft 94: 140-149 des Landes Brandenburg. Verh. Bot. Verein Berlin Ergänzungen. – Gleditschia 6: 99-140 TÄUSCHER, L. 2005: 50 Jahre Erforschung der Algen- Brandenburg 145 (im Druck) SCHMIDT, D. 1980: Pflanzensoziologische und ökologi- Besiedlung von Gewässern in Mecklenburg-Vorpom- WRRL (WASSERRAHMENRICHTLINIE) 2000: Richtlinie sche Untersuchungen der Gewässer um Güstrow. – mern – ein bibliographischer Überblick. – Arch. Freun- 2000/60/EG des Europäischen Parlaments und des Dissertation Ernst-Moritz-Arndt-Universität Greifs- de Naturg. Mecklenb. 44: 183-206 Rates vom 23. Oktober 2000 zur Schaffung eines wald, Band. 1 (Hauptband) und Band. 2 (Kartenteil) TÄUSCHER, L. 2009a: Der Beitrag von Dr. DIETRICH Ordnungsrahmens für Maßnahmen der Gemeinschaft SCHMIDT, D. 1981a: Pflanzensoziologische und ökolo- SCHMIDT (1942-2004) für die botanische Erforschung im Bereich der Wasserpolitik – kurz: Europäische Was- gische Untersuchungen der Gewässer um Güstrow. – des Landes Brandenburg (incl. Schriftenverzeichnis serrahmenrichtlinie (WRRL). – Amtsblatt der Europäi- Natur und Naturschutz Mecklenburg 17: 1-130 von D.S.). – Verh. Bot. Ver. Berlin Brandenburg 142: schen Gemeinschaften L 327 vom 22.12.2000: 1-72 SCHMIDT, D. 1981b: Die Characeen – eine im Ausster- 303-306 ben begriffene Pflanzengruppe unserer Gewässer. – TÄUSCHER, L. 2009b: Historische und aktuelle Untersu- Gleditschia 8: 141-157 chungen der Algen-Besiedlung im Land Brandenburg Anschrift des Verfassers: SCHMIDT, D. 1984: Zur Kartierung der Characeen. – Mit- (Deutschland) – ein bibliographischer Überblick als Dr. Lothar Täuscher teilungen zur floristischen Kartierung (Halle/Saale) 10: Grundlage für Checklisten und Rote Listen der Algen Institut für angewandte Gewässer- 11-26 (incl. Anhang: Bibliographie der Historischen und aktu- ökologie GmbH SCHMIDT, D. 1985: Die Lebens- und Wuchsformen der ellen Untersuchungen der Algen-Besiedlung im Land Hydro- und Helophyten im Pleistozängebiet der DDR. – Brandenburg [Deutschland]). - Rostock. Meeresbio- Schlunkendorfer Str. 2e, 14554 Seddiner See Feddes Repertorium 96: 307-324 log. Beitr. 22: 87-123 e-mail: [email protected]

LITERATURSCHAU

WENZEL, H.; WESTHUS, W,; FRITZLAR, F.; persönlich sehr gut bekannt sind, damit HAUPT, R. & HIEKEL, W. 2012: Die Natur- für eine Wahnsinnsarbeit gemacht! Interne schutzgebiete Thüringens. Hrsg.: Thüringer Schlussfolgerung: Was steht uns da in Bran- Landesanstalt für Umwelt und Geologie & denburg noch bevor! Kurzum: Das Buch Stiftung Naturschutz Thüringen. Weissdorn- kann sich nicht nur sehen lassen, es ist aus Verlag Jena, 944 S. meiner Sicht – wie auch die einschlägigen ISBN: 978-3-936055-66-5. Preis: 44,95 € Werke der anderen Bundesländer zuvor – ausgezeichnet gelungen. Nun sind wir dann in Brandenburg nun doch Am Anfang stehen Kapitel zur Geschichte die Letzten, die (wenn es überhaupt noch der Naturschutzgebiete in Thüringen – das etwas wird!) ein aktuelles, zusammenfassen- älteste NSG des Landes ist übrigens das des Buch über die Naturschutzgebiete des 1936 endgültig unter Schutz gestellte NSG Bundeslandes herausbringen. Dies war mein „Salzpflanzenstelle bei Artern“ – und dem erster Gedanke, als mir das Rezensionsexem- aktuellen Stand der Schutzgebietsauswei- plar vom Weissdorn-Verlag zuging. Wenn sung. Die Entwicklung der Anzahl der man wie ich die alten Bände des „Hand- Gebiete und Flächenbilanzen werden dabei buches der Naturschutzgebiete der DDR“ mit zahlreichen Grafiken untersetzt. Ein Teil von Anfang an auf seinem Wege zum beruf- der Grafiken ist vielleicht in der technischen lichen Naturschützer förmlich „verschlun- Umsetzung nicht so ganz gelungen (unter- gen“ hat, weiß man den Wert eines solchen schiedliche Größenverhältnisse bei Diagram- Buches auf den ersten Blick zu schätzen. Im men usw.). Mit Stand vom 31.12.2011 kann Jahr 1997 war es Sachsen-Anhalt, welches Thüringen auf insgesamt 266 NSG mit einer den Anfang mit der völligen Neuauflage einer Gesamtfläche von knapp 48.000 ha verwei- Übersicht über die Naturschutzgebiete des sen, was 3 % der Landesfläche ausmacht. Die Landes gemacht hat. Es folgten Mecklen- unschätzbaren Wert für die Dokumentation Durchschnittsgröße der Thüringer NSG be- burg-Vorpommern (2003), Sachsen (2008) der wertvollsten Gebiete unserer Natur. trägt demzufolge 180,2 ha, was somit über und nun Thüringen. Jedes dieser Bücher hat Mein zweiter Gedanke: Was haben sich die dem bundesweiten Schnitt von 153 ha liegt. ein eigenes Layout, jedes von ihnen einen Bearbeiter, die mir teilweise seit langem auch Auf eine kurze naturräumlich-geologische 134 NATURSCHUTZ UND LANDSCHAFTSPFLEGE IN BRANDENBURG 21 (3) 2012

Einführung verzichten die Autoren in dem BfN 2011: Rote Liste gefährdeter Tiere, Werk – abweichend von den entsprechen- Pflanzen und Pilze Deutschlands den Büchern aus den anderen Bundeslän- Band 3: Wirbellose Tiere (Teil 1). Natur- dern – völlig. Das kann man machen, zumal schutz und Biologische Vielfalt 70 (3). sich dadurch je nach Machart der Umfang Hrsg.: Bundesamt für Naturschutz (BfN). des bereits ohnehin recht dicken Buches Bonn-Bad Godesberg. 716 S. ISBN 978-3- weiter vergrößert hätte. Aber wenigstens ein 7843-5231-2 Preis: 49,95 € kurzes Kapitel, in dem zumindest auf ein- Bezug: BfN-Schriftenvertrieb im Landwirt- schlägige andere Werke dazu verwiesen schaftsverlag, 48048 Münster (Internet: wird, hätte ich mir schon gewünscht, und www.lv-h.de/bfn) sicher auch jeder Leser, für den Thüringen naturschutzfachlich bisher eher Neuland ist. Es ist ein gewichtiges Werk, was im Wortsin- Dafür nimmt die Beschreibung der 266 Ge- ne wie auch im übertragenen Sinne, aber biete naturgemäß mit knapp 700 Seiten den auch vom Preis her gesehen werden kann. größten Raum ein. Auf jeweils 2-4 Seiten (je Drei Jahre ist es her, dass der 1. Band der nach Größe und/oder Bedeutung des Gebie- völlig neue überarbeiteten Roten Liste der tes) werden in der gebotenen Kürze, aber Wirbeltiere Deutschlands erschien (s. Rezen- sehr informativ, Ausführungen zur Abiotik, sion in NundL, Heft 4 2009). Auf diesen zu Biotopen, Vegetation und Flora, zur Fauna folgte im Jahr 2011 der 6. Band (Flechten sowie zu Gebietszustand und Entwicklungs- und Schleimpilze, s. Rezension in NundL, zielen gemacht. Außerdem wird auf weiter- Heft 4 2011). führende Literatur verwiesen und es werden Mit dem nun vorgelegten Band 3 wurden Besucherhinweise gegeben. Dies ist heut- 17 Artengruppen der Wirbellosen mit mehr untersuchten Gruppen liegt der Anteil der zutage umso wichtiger, denn es muss zu den als 6.000 Taxa hinsichtlich ihrer Gefährdungs- Rote-Liste-Arten bei über 40 Prozent. Mit vorrangigen Zielen eines modernen Natur- situation analysiert, manche davon erstmals. 68,6 Prozent am höchsten ist der Anteil bei schutzes gehören, unsere Naturschätze auch Es werden einige Familien der Zweiflügler, den Langbein-, Tanz- und Rennraubfliegen erlebbar zu machen. Großschmetterlinge, Zünsler, mehrere Haut- (Empidoidea), von denen einige Arten als Blättern und Lesen werden dem Leser leicht flüglergruppen, Fransenflügler, Geradflügler Gegenspieler von Borkenkäfern oder von gemacht, denn jedes Gebiet fängt immer auf (Orthoptera [Heuschrecken, Schaben, Ohr- landwirtschaftlich schädlichen Insektengrup- einer linken Seite an, links steht Text, auf der würmer]) und die Weichtiere des Binnenlan- pen für den Menschen auch wirtschaftlich Gegenseite eine grafisch gut gefertigte Karte des behandelt. Für jede Artengruppe stehen interessant sind. Auch die Wildbienen wei- und anschauliche Fotos aus den Gebieten. jeweils deutschlandweite Spezialisten als sen mit 52,2 Prozent der einheimischen Äußerst angenehm ist auch, dass man sich Bearbeiter, die zumeist auch bereits bei frü- Arten überdurchschnittlich viele Rote-Liste- bei den Karten je nach Gebietsgröße auf heren Listen mitgearbeitet haben. Arten auf.“ …. „Intensive Grünland- und nur 3 unterschiedliche Darstellungsmaßstä- Natürlich ist es auch bei diesen Listen selbst- Ackernutzung in den letzten Jahrzehnten be (1:25.000, 1:50.000 oder 1:100.000) verständlich, dass die Gefährdungsursachen gehören zu den bedeutendsten Gefähr- beschränkt hat und die Karten immer in für jede Artengruppe jeweils ausführlich dungsfaktoren für diese Tiergruppe" …. gleicher Größe auf einer reichlichen halben analysiert und erforderliche (bzw. mögliche) „Besonders dramatisch stellt sich die Situa- Seite an der gleichen Stelle zu finden sind. Schutzmaßnahmen aufgezeigt werden. Beson- tion bei den Ameisen dar, bei denen in den Die durchweg sehr guten Fotografien von ders bemerkens- und lobenswert ist die Tat- letzten 25 Jahren fast 92 Prozent der Arten typischen Landschaftsbildern, Lebensräu- sache, dass bei 14 Artengruppen auch das einen negativen Trend aufweisen“. men oder auch Pflanzen- und Tierarten sind Kriterium der Verantwortlichkeit Deutsch- Dieses Fazit sollte nun, nach den ebenfalls lobend hervorzuheben, obgleich die Druck- lands für die weltweite Erhaltung der Arten keineswegs ermunternden Schlussfolgerun- qualität der Fotos nicht ganz durchweg per- analysiert wird. Über die Beurteilung der rei- gen aus den Bilanzen der vorher erschienen fekt ist. nen Gefährdung hinaus macht dies die Roten Roten Listen zu anderen Artengruppen, mehr Im Layout hat man mit einem sehr weit an Listen noch wertvoller für die Ableitung von als nur zu denken geben. Wird dadurch den oberen Rand gerückten Schriftsatz eine Handlungsschwerpunkten beim Schutz von doch ein weiteres Mal schmerzhaft deutlich, Möglichkeit gesucht (und gefunden), um im Arten und Lebensräumen. dass wir vom Erreichen irgendwelcher Visio- Kontext mit einer relativ kleinen Schriftart Der bei der Fülle der betrachteten Arten- nen zur Verbesserung der Situation der Arten- möglichst viel Text unterzubringen. Die Les- gruppen und einzelnen Arten beachtlich und Lebensraumvielfalt in Deutschland (und barkeit ist dennoch gut, auch wenn der obe- Umfang des Werkes wird durch einige Bild- auch weltweit!) nicht nur weit entfernt sind, re Rand mit dem (eigentlich völlig überflüs- tafeln mit hochwertigen Aufnahmen jeweils sondern dass wir uns im Gegenteil immer sigen!) Schriftzug „Die Naturschutzgebie- am Ende der Kapitel wenigstens etwas auf- weiter davon entfernen! te Thüringens“ auf jeder Seite (!) etwas gelockert. Zahlreiche Kommentare bieten Das Werk mit den zahlreichen, in einem gedrängt aussieht. neben den an sich schon wertvollen Listen Buch zusammengefassten Rote Listen – wie Allein fast 150 Seiten nimmt das Literatur- weitere wichtige Informationen zusammen. mittlerweile immer ausgestattet mit den verzeichnis ein, ist damit aber für das Auffin- Was (leider) fehlt, ist eine zusammenfassen- Gesamtartenlisten der Gruppen – wird sicher den weiterführender Literatur zu den einzel- de Beurteilung der Entwicklung der Gefähr- auch so manchem gefallen, der die Wirbel- nen Gebieten von unschätzbarem Wert. dungssituation der behandelten Gruppen. losen nicht zu seinem Spezialgebiet zählen Auch das umfangreiche Register (jeder der So fällt es aufgrund der Fülle der behandel- kann. Und nach nunmehr 3 Bänden darf so etwas schon einmal gemacht hat, weiß ten Artengruppen einem Leser, der sich nicht man gespannt sein, wie (und wann!) es mit wie viel Arbeit es macht!) sei lobend hervor- näher mit den Ausführungen bei den einzel- weiteren Roten Listen in dieser sehr anspre- gehoben. nen Gruppen befassen möchte, schwer zu chenden (und anschaulichen) Buchreihe des Insgesamt ist Autoren und Verlag das Buch einem Fazit zu kommen. Und ein solches BfN weitergeht. Schließlich stehen noch 3 wei- „Die Naturschutzgebiete Thüringens“ aus- wurde schließlich von Frau Prof. Beate Jessel tere Bände aus! gesprochen gut gelungen. Es kann nicht nur in einer entsprechenden Pressemitteilung bei Was den einen oder anderen „Nichtspezia- jedem naturkundlich Interessierten oder der Herausgabe dieses Bandes gezogen listen“ wohl vom Kauf des Buches abhalten Fachmann empfohlen werden, sondern auch (http://www.bfn.de/12883.html?&cHash= wird, ist der (allerdings unter Anbetracht des vielen anderen, die vielleicht gerade dabei dc0cb633cb9dde8310339864cd421cd9& Umfangs durchaus verständliche) nicht ganz sind, sich Thüringens Natur „anzunähern“! tx_ttnews%5Btt_news%5D=4295) gezogen! unerhebliche Preis. Frank Zimmermann Dort heißt es u. a.: „Bei den meisten der hier Frank Zimmerman NATURSCHUTZ UND LANDSCHAFTSPFLEGE IN BRANDENBURG 21 (3) 2012 135

In eigener Sache Sehr geehrte Leserinnen und Leser der Zeitschrift „Naturschutz und Landschaftspflege in Brandenburg“!

Nunmehr liegt Ihnen das Heft 3 des bezügliches ressortübergreifendes Maßnah- uns – trotz bewährter Zusammenarbeit 21. Jahrgangs dieser regionalen Natur- meprogramm auf den Weg bringen. mit der Universitätsdruckerei Potsdam als schutz-Fachzeitschrift vor. Wie bereits in aktueller Hersteller der Schrift – einige der Geschichte der Schriftenreihe mehr- Nicht vernachlässigt werden soll auch in Zu- kleine Pannen passiert. So wurden auf- fach zuvor war es in Zeiten knapper Kas- kunft die Rolle des Ehrenamtes bei der theo- grund einer fehlerhaften Auswertung der sen auch dieses Mal nicht selbstverständ- retischen und vor allem praktischen Natur- Zahlungseingänge für die Abonnements lich, dass sie in gewohnter Form erschei- schutzarbeit in Brandenburg. Ohne die flei- des Jahres 2011 Zahlungserinnerungen nen konnte. Und wäre nicht der 20. Jahr- ßige Arbeit der zahlreichen ehrenamtlichen verschickt, allerdings neben einer ganzen gang der Zeitschrift mit dem 20jährigen Kartierer, Gebietsbetreuer oder Naturschutz- Reihe tatsächlich Säumigen auch an viele Jubiläum der Fauna-Flora-(FFH)-Richtlinie helfer wäre eine effektive Arbeit der Natur- Abonnenten, die bereits pünktlich bezahlt der Europäischen Union zusammengefal- schutzbehörden im Lande undenkbar. Allen, hatten. Darüber hinaus war dann die Jah- len, wären vielleicht die 4 Hefte des Jahres die dabei mitwirken, soll daher an dieser resrechnung 2012 auch noch versehent- 2011 die letzten der Reihe gewesen. Doch Stelle gedankt werden. lich mit „Jahresrechnung 2011“ über- so war es möglich, mit Heft 1, 2 2012 eine – schrieben, was zu weiterer Verwirrung wie wir denken – wiederum ansprechende, Wer die Entwicklung der Zeitschrift in den führte. Diese Versehen bitten wir im Na- mit zahlreichen Fotos versehene themati- zwei Jahrzehnten ihres Bestehens jedoch men der Redaktion und der Druckerei zu sche Schrift zu Natura 2000 erscheinen zu aufmerksam verfolgt hat, dem wird sicher entschuldigen. Wir werden uns – trotz lassen, die sich ausführlich mit diesem aufgefallen sein, dass immer mehr Beiträge deutlich verminderter Arbeitskapazität – heute in der Naturschutzarbeit so zentra- aus der Feder beruflicher Naturschützer stam- bemühen, solche Pannen künftig zu ver- len Thema befasst. men. Vielleicht traut sich so mancher fleißige meiden. Mitarbeiter vor Ort nicht, seine aus eigener Noch häufiger als bisher werden wir uns Anschauung vielleicht nicht so bedeutenden Der Beliebtheit der Zeitschrift hat dies offen- bei künftigen Ausgaben der Zeitschrift auf Funde oder Beobachtungen aufzubereiten sichtlich nicht geschadet. Auch in diesem Schwerpunktthemen des Naturschutzes, und anderen mitzuteilen. Doch diese Zeit- Jahr hielten sich An- und Abmeldungen der Ökologie und seiner Randgebiete kon- schrift soll auch künftig keine reine Fachzeit- von Abonnements in etwa die Waage. So zentrieren. Mit dieser stärkeren Fokussie- schrift sein, sondern ebenso aus der alltäg- können wir nach wie vor auf einen Stamm rung auf die Hauptarbeitsgebiete im Lan- lichen Arbeit vor Ort, sei es im Ehrenamt von knapp 1000 Abonnenten verweisen, bei desamt für Umwelt, Gesundheit und Ver- oder in den unteren Naturschutzbehörden einer Gesamtauflage zwischen 1.700 und braucherschutz des Landes Brandenburg der Landkreise berichten. 2.000 Exemplaren eine für eine thema- als Herausgeber und vieler anderer in die- tisch doch recht regional begrenzte Schrift sem Bereich tätiger Behörden soll die Zeit- Alle im Naturschutz und dessen Randberei- recht beachtliche Zahl. schrift noch deutlicher als unverzichtbares chen ehrenamtlich oder beruflich Tätigen Arbeitsmaterial für Behörden und mit die- seien hiermit ausdrücklich ermuntert, auch Schreiben Sie uns, was man an der Zeit- sen Themen befasste wissenschaftlichen kleinere und vielleicht fachlich noch nicht so schrift noch verbessern kann, wir freuen Institutionen gekennzeichnet werden. hundertprozentig „ausgefeilte“ Beiträge zu und selbstverständlich auch über ein Lob. ihrer Arbeit einzusenden. Auch so mancher Und nicht vergessen: Versuchen Sie doch, So liegt es auch nahe, dass im vorliegen- Bericht über die biologische Freilandarbeit mit eigenen Beiträgen den Inhalt der Zeit- den Heft das Thema „Biodiversität“ zu von Schülern oder Studenten könnte hier schrift zu bereichern. Beginn der Unesco-Dekade für Biologi- künftig einen Platz finden. Die Redaktion ist sche Vielfalt ganz oben ansteht. Auch die dabei gern behilflich. Fachtagung zum 20jährigen Bestehen der Zeitschrift am 9. Februar 2012 hatte das Noch eines liegt uns am Herzen. Aufgrund Redaktion und Redaktionsbeirat von Thema zum Schwerpunkt. Noch in diesem der Umstellung der Redaktionsarbeit und „Naturschutz und Landschaftspflege Jahr will die Landesregierung ein dies- der Verteilung auf „neuen Schultern“ sind in Brandenburg“