Galerie Handwerk

Handpressen oder die Kunst handwerklicher Buchgestaltung

Eine Ausstellung der Galerie Handwerk vom 23. Oktober bis 21. November 2015 Handpressen oder die Kunst handwerklicher Buchgestaltung

Unter dem Begriff der Hand- oder Privatpresse ist ein Unternehmen zu verstehen, das unter der Regie seines Gründers und nach dessen Vorstellungen Bücher im Handsatz herstellt, die in der inhaltlichen Ausrichtung und ästhetischen Gestaltung seinen Wünschen entsprechen und von ihm/ihr allein oder gemeinsam mit gleichge- sinnten Kollegen konzipiert oder produziert werden. Der Handsatz meint im Unterschied zum Maschinen- und Fotosatz, dass der Setzer aus dem Vorrat an gegossenen, z. T. selbst entworfenen Typen die Lettern im Winkel- haken zu Zeilen zusammenstellt und diese Seiten dann mit der Handpresse gedruckt werden. Es handelt sich um ein Nutzen traditioneller Drucktechniken trotz moderner Möglichkeiten.

Daneben kann eine Privatpresse, wie z. Bsp. schon die englische Vale Press um 1900, auch solche Gründungen umfassen, bei denen die Gründer die Bücher zwar gestalten, aber den Druck und den Vertrieb auslagern. Eine weitere Variante bilden solche Gründungen, bei denen der Pressengründer selbst keine Bücher gestaltet, son- dern sich eher als Verleger sieht, der mit ausgewählten Künstlern und Handpressenbetrieben gemeinsam Buchprojekte verwirklicht. Dieses gibt dem Verlag eine größere Gestaltungsbreite, ein abwechslungsreicheres Erscheinungsbild und ermöglicht die Umsetzung sehr unterschiedlicher Buchprojekte.

In Deutschland ist der Begriff der Handpresse geläufiger als derjenige der Privatpresse. Dieser umfasst solche Pressendrucke, bei denen der Text im Bleisatz gesetzt, die Illustrationen in verschiedenen druckgrafischen Ver- fahren wie Holzschnitt, Lithografie oder Radierung konzipiert sind und dann auf der Handpresse gedruckt wer- den. Auch hier gibt es Variationen: Künstler, die mit Handpressen zusammenarbeiten, die dann die typografi- sche Gestaltung übernehmen, oder Gestalter, die den Satz vornehmen, aber nicht selber drucken, sondern dieses an eine Handpresse deligieren.

Einen weiteren Bereich von individuellen Buchproduktionen bilden sog. Künstlerbücher (artists’ books, livres d’artistes). Dieser Begriff ist ungleich weiter gefasst und in der Definition unklarer als derjenige der Hand- /Privatpresse, die ebenfalls unter dem Überbegriff des Künstlerbuches gefasst werden kann. Künstlerbücher meinen generell solche Bücher, deren Erscheinungsbild durch eine Einzelperson bestimmt und geprägt ist. Hierbei muss es sich jedoch nicht um gedruckte Bücher handeln, sondern es können auch auf andere Weise gestaltete Unikatbücher sein. Ist bei Handpressen-Büchern nach traditioneller Definition auch stets die typogra- fische Komponente relevant, so können Künstlerbücher auf Text verzichten und nur durch bebilderte Seiten bestimmt werden. So können Künstlerbücher als Grafiksammlungen in Buchform oder als Collagen bzw. Zeich- nungen in einer Form gestaltet sein, die mehr oder weniger lose noch an ein Buch erinnern. Künstlerbücher haben eine erste Blüte in den 1920er Jahren als Künstler wie Pablo Picasso zur „Illustration“ von Büchern bzw. zum parallelen Erzählen von Texten in einem anderen Medium gewonnen werden konnten. So illustrierte Pi- casso 1931 für den Kunsthändler Ambroise Vollard in Paris Honoré de Balzacs „Le Chef d’Œuvre Inconnu“, ent- warf Henri Matisse 1947 das Buch „Jazz“ (Tériade, Paris) oder Paul Klee 26 Federzeichnungen als Begleitung zu Voltaires „Candide oder die Beste aller Welten“ (Kurt Wolff, München 1920). In dieser Zeit gestalteten zudem Künstler ihre Manifeste und andere Publikationen auf vielfältige Weise. Bücher, die von Malern gestaltet wer- den, seien es eigene Bücher oder illustrierte Werke in Kleinauflage, werden auch als Malerbücher bezeichnet. Inzwischen umfassen Künstlerbücher nicht nur in kleinen Auflagen gedruckte Arbeiten, sondern auch Multiples, Collagen und Buchobjekte. In den 1960er und 70er Jahren entstanden im Rahmen der Konzeptkunst viele Pub- likationen, die als Künstlerbücher bezeichnet werden können, preiswert als Offsetdruck oder in Fotokopie, gerne auch als Begleitung eines umfassenderen Projekts. Ed Ruscha zählt zu den Künstlern der Gegenwart, die sich besonders dem Buch widmen und dieses in verschiedenen Medien thematisieren: Neben Fotobüchern, die in kleiner Auflage und in Heftform Sammlungen von Abbildungen zu bestimmten Themen vorstellen wie „Twentysix Gasoline Stations“ (1963, Aufl. 400 Exemplare, Neuaufl. 1969), arbeitet Ruscha auch mit Schrift und Buchelementen in Zeichnungen und Gemälden.

Die Ausstellung der Galerie Handwerk orientiert sich am Begriff der Handpresse, stellt also Bücher vor, in de- nen Typografie und Bild eine Verbindung eingehen oder auch das Buch allein durch die Schrift gestaltet werden kann. Bücher, bei denen es sich um Unikate handelt, werden in diesem Rahmen kaum Berücksichtigung finden können, denn der Schwerpunkt der Ausstellung ist so gelegt, dass vielmehr die vielfältigen Möglichkeiten vor- gestellt werden sollen, durch Druck in verschiedenen Techniken ein Buch zu kreieren. Das Ziel dabei ist es, die erstaunliche Breite an Möglichkeiten vorzustellen, die in diesem Bereich zurzeit vorliegt. Der Schwerpunkt wird dabei auf der aktuellen Produktion in Deutschland liegen, ein angesichts oder vielleicht gerade aufgrund der digitalen Medien außerordentlich reichhaltiges und breit angelegtes Feld, das hier nur in Ausschnitten vorge-

2 stellt werden kann. Ergänzend sollen einige Arbeiten bedeutender Pressen aus dem Ausland gezeigt sowie der historische Rahmen in einer kleinen Präsentation von Drucken berühmter Pressen aus der Zeit um 1900 und der jüngeren Vergangenheit vorgestellt werden, um das Umfeld und die Basis anzudeuten, von denen die heu- tigen Drucke ausgehen. Wie in anderen Medien ist als Reaktion auf die zunehmende Gleichförmigkeit innerhalb der Konsumwelt und die unsinnliche Erscheinung der über die digitalen Medien vermittelten Informationen eine Rückbesinnung auf das handgemachte Buch zu beobachten. Dieses findet somit nachwievor und nun auch gerade erneut Liebhaber. Diese schätzen das Besondere des in kleiner Auflage hergestellten Buches, die erle- senen und wohl überlegt ausgewählten Materialien, die Schönheit der Schrift, die Sorgfalt der Herstellung, das tastende Erfahren des Papiers sowie der vertieft in das Papier geprägten Buchstaben – den gesamten visuell- haptischen Eindruck des Buches.

Dieses sich in Einband, Materialwahl und Ausstattung als ästhetische und inhaltliche Einheit präsentierende Buch vermittelt zwischen Autor, Pressenbetreiber/Gestalter und Leser. Es bildet in der bewussten Entscheidung für eine bestimmte Type, Farbigkeit und Art der ornamentalen oder bildlichen Ausstattung zugleich auch die Interpretation des jeweils ausgewählten Textes. Das Buch fungiert damit als Kommunikationsmittel zwischen Gestalter und Leser und lädt ein, die Auffassung des Textes und die ästhetische Umsetzung nachzuvollziehen und damit auch über die eigene Stellung zu dem Text zu reflektieren. Damit rufen diese auf mehreren sinnli- chen Ebenen zu erfahrenen Bücher zu einem besonders intensiven Lesen an, das sich von einem passiven Auf- nehmen eines Textes unterscheidet.

Die Galerie Handwerk will mit ihrer Ausstellung zum Genuss von handwerklicher Buchgestaltung einladen.

Unser herzlicher Dank für die Unterstützung bei der Ausstellungsvorbereitung gilt besonders Dr. Wolfram Ben- da, Hans Eckert, Reinhard Grüner, Mechthild Lobisch und Eckehart SchumacherGebler.

Soweit nicht anders vermerkt stammen die Zitate im folgenden Text von den Gestaltern und Pressenbetreibern selbst.

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Der Handdruck

Die in der Ausstellung gezeigten Bücher sind in verschiedenen handwerklichen Druckverfahren entstanden. Die Technik des Buchdrucks ist seit dem 15. Jahrhundert geläufig. Dabei wird mit einer mechanischen Presse über eine gefärbte Druckform ein Text