Das Magazin der Bundestagsfraktion profil:GRÜN RADIKAL & REALISTISCH

GRÜNE UMWELTPOLITIK

DEZEMBER 2018 PROFIL:GRÜN IM DEZEMBER 2018

EDITORIAL S. 3 Katrin Göring-Eckardt zur aktuellen politischen Lage

RADIKAL & REALISTISCH S. 4 Wollen wir die Umweltprobleme noch in den Griff bekommen, müssen wir jetzt auf allen Ebenen zugleich handeln. , und sagen, wie es zu schaffen ist.

MEHR FRAUEN IN DIE PARLAMENTE S. 8 Unser Wahlrecht begünstigt die Männer – das kann so nicht bleiben. Britta Haßelmann, und Katrin Göring-Eckardt zeigen den Weg für mehr Frauen in der Politik.

IN SCHLECHTER VERFASSUNG S. 12 Causa Maaßen, Causa Amri, V-Leute-Einsatz … Der Verfassungsschutz hat ein Problem. und plädieren für eine Zäsur und einen strukturellen Neustart.

HIER GEHT‘S ZUR ZUKUNFT S. 14 Interdisziplinär und mit Mut zur Kontroverse, gemeinsam mit NGOs und vielen Fachleuten arbeitet die Fraktion seit diesem Frühjahr an den zentralen The- lab men der Gegenwart. Hier ein erster Einblick in unsere Zukunftslabore.

DIE GEWINNENDE S. 16 Dass mehr Bürgerbeteiligung kommt, dafür setzt sich im ein. Ein Porträt von Klaus Heymach. ZukunftsLabZ AUS DEN ARBEITSKREISEN S. 18 Wir berichten über unsere parlamentarische Arbeit.

Herausgeberin: Bündnis 90/Die Grünen Bundestagsfraktion, 11011 Berlin, TEL 030/ 227 56789, FAX 030/227 56552, info@gruene- bundestag.de, V. i. S. d. P.: Herta Parchent, GRÜN UND GRÜNER S. 22 Redaktion: Gisela Hüber, Sibylle Kraut-Eppich, Junge Menschen aus ganz Europa bei unserem Young Europeans Lab, Tim Meyer, Gestaltung: Oliver Geheeb, Stefan 100 Jahre Frauenwahlrecht, der grüne Betriebsrätetag – Blitzlichter unserer Kaminski, Titelbild: Stefan Kaminski, Druck: Dierichs Druck+Media Kassel, Papier: 90 g Veranstaltungen im Herbst Revive Pure, Auflage: 81.500, erscheint auch als Anzeige im „Magazin der Grünen“, Redak­ tionsschluss: 27.11.2018, profil:GRÜN erscheint vier Mal im Jahr

2 LIEBE LESERINNEN UND LESER, wie leben wir in Zukunft? Wie können wir die schlimmsten Auswirkungen der Klimakrise noch abwenden? Wie schaffen wir gleichwertige Lebensverhältnisse für alle? Wie ebnen wir mehr Frauen den Weg in die Parlamente? Fragen wie diese treiben die Arbeit der grünen Bundestagsfraktion an. Der Klimawandel verlangt uns mehr ab, als Experten bisher dachten.

Es braucht eine Umweltpolitik, die so radikal ist wie realisti- scherweise notwendig. Was dafür jetzt zu tun ist, lesen Sie in dieser Ausgabe. Außerdem, warum auch 100 Jahre nach Einführung des Frauenwahlrechts der Kampf für mehr Frau- en in den Parlamenten immer noch nicht ausgefochten ist.

Ein Thema, das uns zurzeit sehr beschäftigt, ist die Schaffung gleichwertiger Lebensverhältnisse. Der Zugang zu Bildung, zu Arbeit, zu gesellschaftlichem Leben muss allen gleichermaßen offenstehen. Die Digitalisierung und der Zugang zu digitaler Infrastruktur sind ein wichtiger Schlüssel in allen Lebensbereichen. Doch von einer flä- chendeckenden Versorgung, gerade in ländlichen Regionen, kann keine Rede sein.

Rund 26 Prozent der Deutschen wohnen in kleinen Städten und Dörfern, fast so viele wie in den Großstädten. Die explodierenden Immobilienpreise in den Ballungszentren sorgen für weiteren Zuzug in ländliche Regionen. 90 Prozent der Menschen hier leben gerne auf dem Land. Ob das so bleibt, steht und fällt mit der Infrastruktur. Wie ist es da zu verstehen, wenn Forschungsministerin Karliczek erklärt, schnelles Funknetz brauche es nicht „an jeder Milchkanne“? Es wäre fatal, würden die ländlichen Regionen noch weiter abgehängt. Schließlich ist die Gleichwertigkeit der Lebensbedingungen ein Gebot des Grundgesetzes. Dazu gehört mehr als Wasser und Strom. „Peinlich“ nannte Wirtschaftsminister Altmaier das Verschleppen der Digitalisierung durch die Bundesre- gierung. So hat sie den in der Bevölkerung weitverbreiteten Eindruck von der urbanen Arroganz der Eliten noch verschärft. Nehmen wir die Massenproteste der „Gelben Westen“ in Frankreich als Mahnung: Gesellschaftlichen Frieden kann es nur geben, wenn alle Menschen das Gefühl haben, dazuzugehören.

Herzlich

KATRIN GÖRING-ECKARDT MDB Fraktionsvorsitzende

3 RADIKAL & REALISTISCH von Anton Hofreiter, Oliver Krischer und Lisa Badum

Die Landtagswahlen in Bayern und Hessen brachten grüne Rekordergebnisse. Jetzt schallt es allenthalben: Grüne Inhalte sind in der Mitte der Gesellschaft angekommen - auch wenn sie das schon lange waren. Und was machen die Grü- nen? Fordern eine radikale Umweltpolitik. Noch radikaler? Spinnen die, die Grünen?

Im Gegenteil. Wir kämpfen für radikalen Umwelt- und Klimaschutz, gerade weil wir rea- listisch sind und die Dinge sehen, wie sie sind.

4 Wir wollen, dass Probleme gelöst werden, und Bakterien in den Badeseen und Mikroplastik überall. In Verantwortung dafür übernehmen. Jetzt ist die Zeit, den Weltmeeren schwimmen bereits Plastikteppiche groß gemeinsam mit der gesellschaftlichen Mehrheit diese wie Kontinente. notwendige und radikale Umweltpolitik um­zusetzen. Mit einem Herumdoktern an einzelnen Symptomen ist GEGEN DAS „WEITER SO“ es nicht getan. Ein bisschen Umweltkosmetik hier und Für all diese Probleme sind wir Menschen verantwortlich. Rücksichtnahme auf die unbeweglichsten Ewiggestrigen Wir erzeugen sie mit unserer Art zu wirtschaften, zu pro- dort – das verschärft die Probleme. Radikale Umweltpolitik duzieren, zu transportieren und zu konsumieren. Damit heißt, das ganze Register konsequenter Maßnahmen zu tragen wir entscheidend dazu bei, die Lebensgrundlagen ziehen: im Klimaschutz, beim Bauen und Wohnen, im Ver- kommender Generationen zu zerstören. So wie es heute in kehr, in Landwirtschaft und Ernährung, im Natur- und vielen Entwicklungs- und Schwellenländern schon bittere Artenschutz, für eine nachhaltige Lebens- und Wirt- Realität ist. Ein „Weiter so“ kann es nicht geben, denn das schaftsweise. Damit müssen wir sofort anfangen. Was wir verschärft nur die Probleme. Und was macht die Große jetzt tun, wirkt um ein Vielfaches mehr als alles, was wir Koalition? Nichtstun aus Überzeugung! Kohle- und Auto- auf die lange Bank schieben. lobby sind der Bundesregierung weiterhin wichtiger als die Interessen der Betroffenen. Gemeinsam sorgen sie DIE KRISE IST DA dafür, dass sich nichts ändert. „Wenn in unseren Parla­ Umwelt-, Klima- und Überall auf der Welt, auch bei uns, menten Rechte sitzen und die Artenschutz gelten in der machen sich Umweltprobleme Klimakrise leugnen, ist es an uns zu Lesart der Bundesregie- immer drastischer bemerkbar. rung immer noch als Die letzten Monate haben zeigen, dass gut gemachter Klima­ Wachstums- und gezeigt, dass wir schon mitten- schutz Hand in Hand geht mit mehr RADIKAL Arbeitsplatzkiller. Öko- drin sind in der Klimakrise. Lebensqualität, Jobs und Fortschritt.“ nomie und Ökologie Immer heftigere Stürme, Starkre- CEM ÖZDEMIR MDB, werden bewusst und gen und Überschwemmungen Vorsitzender im Ausschuss für Verkehr und wider besseres Wissen suchen viele Regionen der Erde Digitale Infrastruktur gegeneinander ausgespielt. heim. Hitze, Waldbrände und Dürre- Damit werden die Chancen der & REALISTISCH perioden entfalten zerstörerische Kräfte. Die Nahrungsmit- ökologischen Transformation vergeben, die mehr soziale telproduktion weltweit ist bedroht. Bereits heute sind Mil- Gerechtigkeit und Wohlstand bringt – wenn man sie denn lionen Menschen gezwungen, ihre Heimat zu verlassen, richtig macht. weil die Folgen des Klimawandels ihre Lebensgrundlagen vernichten. Ganze Staaten drohen infolge des Meeresan- stiegs zu verschwinden. Wissenschaftler warnen vor einer KRIEGEN WIR NOCH DIE KURVE? kommenden Heißzeit und fordern eine „Revolution“ in Unser Auftrag als Grüne ist klar: Wir sind die Generation, in der Klimapolitik, damit künftigen Generationen noch eine deren Lebenszeit sich entscheidet, ob wir rechtzeitig die lebenswerte Erde bleibt. Zugleich ist die Artenvielfalt auf Kurve kriegen. Ob es uns gelingt, aus Kohle und Massen- der Erde so bedroht wie nie zuvor. Täglich rottet der tierhaltung auszusteigen. Ob wir es schaffen, auf 100 Pro- Mensch dutzende Arten aus, im Regenwald wie in der zent erneuerbare Energie und eine Landwirtschaft mit unerforschten Tiefsee. Auch bei uns in Deutschland ist fast Zukunft umzusteigen. Wir haben es in der Hand, weiter ein Drittel aller Tier- und Pflanzenarten bedroht. Statt laut ohne Ende Plastikmüll und Pestizide zu produzieren oder und bunt ist es gespenstisch ruhig im Einheitsgrün auf andere Wege zu finden. Je länger die jetzige Bundesregie- Feld und Flur. Allerweltsarten früherer Tage wie Spatzen rung zaudert, desto drastischer werden die Eingriffe in oder Maikäfer sind bereits rar geworden. Zudem holen uns Zukunft ausfallen. Um schnell genug umzusteuern, sind die klassischen Umweltthemen Wasser-, Boden- und Luft- jetzt radikale Maßnahmen notwendig. Radikal vor allem verschmutzung wieder ein. Dachten wir in den letzten 30 deshalb, weil wir alle zugleich und entschlossen anpacken Jahren schon, wir hätten sie in den Griff bekommen, wer- müssen. Handeln wir nicht, werden die Folgen von Klima- den wir nun eines Schlechteren belehrt: dicke Luft in den wandel und Artenschwund uns umso härter treffen. Dabei Städten und Nitrat im Grundwasser, antibiotikaresistente ist grüne Umweltpolitik immer auch soziale Politik. Es sind

5 die Ärmsten, die unseren Wohlstand mit „Radikale Frage­ treffen. Viele Bürgerinnen und miserablen Lebens- und Arbeitsbedin- stellungen brauchen Bürger wissen längst, dass ein gungen bezahlen – hier und weltweit. radikale Lösungen. Jetzt.“ „Weiter so“ des ungebremsten Bei der notwendigen ökologischen SYLVIA KOTTING-UHL MDB, Wachstums auf Kosten der Transformation unseres Wirtschaftens Vorsitzende im Ausschuss für Umwelt, Umwelt nicht funktionieren wird. Naturschutz und nukleare Sicherheit muss es auch darum gehen, betroffene Sie wissen, dass sich etwas ändern Regionen und die Menschen für die Zukunft muss, um unsere natürlichen Lebens- zu rüsten. Dazu schnüren wir ein Paket von sozial- und grundlagen, Arbeitsplätze und unseren Lebensstandard zu strukturpolitischen Maßnahmen, wie beispielsweise dem erhalten, für uns und unsere Kinder. Aus dieser Erkenntnis Ausbau von Infrastruktur sowie der Ansiedlung von Firmen schöpfen wir den Mut, mit der Zivilgesellschaft, den verän- aus Zukunftsbranchen und Bildungseinrichtungen. derungswilligen Teilen der Wirtschaft und vielen Millionen Menschen gemeinsam Lösungen zu erarbeiten, in den GEMEINSAM UND MUTIG VORANGEHEN gesellschaftlichen Diskurs einzubringen und letztlich umzusetzen. Lösungen, die sich radikal von der zaghaften Im Einsatz für eine lebenswerte Zukunft treffen wir überall Politik der Bundesregierung unterscheiden, weil die Reali- auf wichtige Mutmacher, Vorreiterinnen, Mitstreiter und tät sie von uns einfordert. Wir haben dazu detaillierte Entscheiderinnen. Zum Teil setzen sie sogar ihr Leben ein, Konzepte entwickelt: um Umwelt und Natur zu retten. Sie machen unsere Welt www.gruene-bundestag.de/radikaleUmweltpolitik Stück für Stück besser. Im Kleinen wie im Großen. Ein ermutigendes, wichtiges Signal hat die Weltgemeinschaft nach über 20 Jahren Verhandlungen mit dem Klima- RADIKAL, WEIL REALISTISCH schutzvertrag von Paris gesetzt. Mit der Agenda 2030 für Keine Frage – unser Programm einer radikalen Umwelt­ nachhaltige Entwicklung hat sie sich über alle Unterschie- politik ist ambitioniert. Muten wir unserer Gesellschaft, de und Meinungsverschiedenheiten hinweg eine verbind- unserer Wirtschaft damit zu viel zu? Nein, im Gegenteil. liche politische Charta gegeben, deren Reformansatz vor Wir Grüne im Bundestag sind überzeugt: Genau das ist der jeweils eigenen Haustür beginnt. Ziel ist, unser Han- realistischerweise nötig, um eine lebenswerte Welt, ein deln und Wirtschaften so zu gestalten, dass wir nicht län- nachhaltiges Wirtschaften und gute Arbeit für alle auch in ger zu Ungleichheit, Ausbeutung und Perspektivlosigkeit, Zukunft sicherzustellen. Das ist es, was die Menschen von insbesondere in den Ländern des globalen Südens, beitra- uns erwarten. Es ist im besten Sinne zugleich bewahrend gen. Wichtige Länder wie Kalifornien, immerhin die fünft- und progressiv. Die Wirklichkeit verlangt schnelles, umfas- größte Volkswirtschaft der Welt, machen sich auf den Weg sendes und entschlossenes Handeln. Was wir heute des Energiesparens und des Komplettumbaus hin zu unterlassen, kommt uns morgen in jeder Hinsicht teuer. erneuerbaren Energien und Elektromobilität. In Europa gibt es erste richtige Schritte: Schweden verbannt Mikro- plastik aus Kosmetika, die EU verbietet Plastikhalme und Einweggeschirr. Die Landesregierung Berlin hat sich vorge- nommen, die Hauptstadt fahrradfreundlich zu machen.

DIE WAHRHEIT IST ZUMUTBAR DR. ANTON HOFREITER MDB Fraktionsvorsitzender Wir Grüne im Bundestag sind der festen Überzeugung, dass wir den Menschen die Wahrheit zumuten müssen und auch können. Die Gesellschaft ist ohnehin in großen Teilen schon weiter. Man muss aber die Sorgen der Men- schen ernst nehmen, Argumente liefern und gemeinsam an Lösungen feilen. Notwendige Zumutungen konsequent umzusetzen und ehrlich zu sagen, was getan werden muss, stärkt die Demokratie. Sie zu verschweigen schwächt dagegen die Zuversicht in demokratische Verfahren – und LISA BADUM MDB OLIVER KRISCHER MDB das Vertrauen in all jene, die politische Entscheidungen Sprecherin für Klimapolitik Stv. Fraktionsvorsitzender

6 DAS BRAUCHEN WIR JETZT:

FÜR ZUKUNFTSFÄHIGEN VERKEHR:

»» Umstellung auf emissionsfreie Motoren: bis 2030 bei Pkw-Neuzulassungen, bis 2050 bei Schwer­ lastverkehr, Schiffen und Flugzeugen

»» Ausbau des öffentlichen Personenverkehrs

»» Kostengünstige, bequeme Nutzung von Bussen, Bahnen und Carsharing, mit MobilPass und zu fairen Preisen

IN LANDWIRTSCHAFT UND ERNÄHRUNG: FÜR WIRKSAMEN KLIMASCHUTZ: »» Umbau der Agrarförderung: öffentliche Gelder nur für umwelt-, klima- und tiergerechte Produktion »» Verankerung des Klimaschutzes im Grundgesetz »» Ende der industriellen Massentierhaltung durch ei- »» Wirksames Klimaschutzgesetz nen nationalen Aktionsplan, Anreize für tiergerech- »» Ökologische Finanzreform mit Einführung eines CO2- te Haltung und eine Tierhaltungskennzeichnung Preises auf Energieverbrauch, einer Ressourcenab- »» Drastische Reduzierung von Pestiziden und Stickstoff gabe und konsequentem Abbau umweltschädlicher durch verbindliche nationale Reduktionsstrategien Subventionen »» Ausbau der ökologischen Landwirtschaft »» Kohleausstieg: bis 2020 70 Millionen Tonnen CO2 einsparen, den Rest bis 2030 »» Programm zur Beendigung von Lebensmittel­ verschwendung »» Schub für erneuerbare Energien durch Abschaffung der Ausbaubremse, verbesserte Ausschreibungen FÜR MEHR NATUR- UND ARTENSCHUTZ: und eine Solaroffensive »» Stopp des Artensterbens durch ein Bund-Länder- »» Keine Strompreisrabatte mehr für die Großindustrie Programm sowie den Erhalt und Ausbau von Wild- »» Energiespargesetz nisgebieten

»» Stopp der Überfischung durch bestandsverbessern- FÜR KLIMA- UND UMWELTGERECHTES BAUEN de Fangquoten, umweltverträglichere Fangmetho- UND WOHNEN: den und nutzungsfreie Zonen »» Sozial gerechte energetische Gebäudesanierung FÜR NACHHALTIGES WIRTSCHAFTEN : »» Investitionsprogramm „Faire Wärme“ »» Aktionsplan gegen Plastikmüll »» Vorreiterrolle der öffentlichen Hand bei klimage- rechten Gebäuden und umweltgerechter Beschaf- »» Eine funktionsfähige Kreislaufwirtschaft mit hohen fung Mehrwegquoten, Abfallvermeidungs- und Wieder- verwendungsstrategien »» Förderung von CO2-armem Bauen »» Stopp der Gewässerverschmutzung durch Mikro- »» Stopp der weiteren Flächenversiegelung durch plastik, Gülle, Antibiotika und Medikamente verbesserte Innenentwicklung FRAUEN IN DIE PARLAMENTE!

Am 12. November gab es Grund zu feiern: Vor 100 Jahren wurde das Frauenwahlrecht eingeführt. Seither ist in den Parlamenten unseres Landes für Frauen viel erkämpft worden, doch bei Weitem ist nicht alles gut. Nach der letzten Bundestagswahl 2017 ist der Frauen­ anteil im Bundestag erstmalig wieder gesunken - sogar unter den Wert von 1998. Foto: Staatsbibliothek zu Berlin – Preußischer Kulturbesitz – Preußischer zu Berlin Staatsbibliothek Foto:

8 Von Britta Haßelmann, Ulle Schauws und Katrin Göring-Eckardt

Ein paar Zahlen machen die Misere deutlich: Von 709 lichen Personen“ durch den Rat der Volksbeauftragten am Abgeordneten sind nur 217 Frauen. Nur 13,2 Prozent Bot- 12. November 1918 ist auch ihr Verdienst. Dieses Datum gilt schafterinnen hat das Auswärtige Amt. Und es gibt mehr als Beginn des Frauenwahlrechts in Deutschland. Darin Staatssekretäre mit dem Vornamen Hans als Frauen in dem gipfelten jahrzehntelange Kämpfe der Frauenstimmrechts- Job. Das ist für uns nicht akzeptabel. Unsere Demokratie bewegung, die vor dem Ersten Weltkrieg in verschiedenen braucht dringend die Erfahrungen und das Wirken der politischen Flügeln aktiv war. In ihrem Ziel waren sie sich weiblichen Hälfte unserer Gesellschaft. Deshalb ist es jetzt einig, doch welches Stimmrecht sollte es sein – dasselbe, an uns Grünen, gemeinsam mit vielen Frauen und Män- das die Männer hatten? Das hätte beispielsweise in Preu- nern Lösungen zur Frauenförderung und neue Wege wie ßen auch für Frauen ein nach Steuerzahlungen gestuftes Quote oder Parität voranzutreiben. Dreiklassenwahlrecht bedeutet. Oder sollte man der For- derung der SPD nach einem allgemeinen Wahlrecht fol- Die Gleichberechtigung von Mann und Frau durchzusetzen gen? Für viele „bürgerliche“ Frauen kam die SPD jedoch als ist ein Staatsziel. Frauen müssen in politische Entschei- Bündnispartnerin nicht infrage. Kaiser Wilhelm II. deutete dungsprozesse eingebunden sein und demokratisches in seiner „Osterbotschaft“ 1917 eine Wahlrechtsreform in Mitbestimmungsrecht haben. Das geht nur, wenn sie auch Richtung eines allgemeinen Wahlrechts an – ohne jedoch repräsentiert sind. Unser Grundgesetz gibt es in Artikel 3 das Frauenstimmrecht zu erwähnen. Erst die Novemberre- Absatz 2 vor: „Männer und Frauen sind gleichberechtigt. volution brachte dann den entscheidenden Schritt zur Der Staat fördert die tatsächliche Durchsetzung der Gleich- Demokratisierung des Landes. berechtigung von Frauen und Männern und wirkt auf die Beseitigung bestehender Nachteile hin.“ Aus unserer Sicht ist es an der Zeit, die Debatte um die Parität von Frauen in ERSTE WAHLEN MIT SENSATIONELLEM Politik, in Parteien und in unseren Parlamenten fundiert zu führen. „Die geringe Beteiligung von Frauen in den ERGEBNIS Parlamenten ist Verfassungsbruch in Permanenz“, befand Am 19. Januar 1919 fanden die ersten Wahlen zur National- Elisabeth Selbert, eine der Mütter des Grundgesetzes, im versammlung statt. Frauen hatten erstmals im ganzen Jahr 1981. Wenn alle Parteien in ihren Reihen dafür Sorge Land das aktive und passive Wahlrecht. Eine Wahlbeteili- tragen würden, dass Frauen in gleicher Weise wie Männer gung von über 80 Prozent zeigt, dass die Frauen von ihrem vertreten sind, würde sich das Problem von selbst erledi- errungenen Recht Gebrauch machten. Von den rund 300 gen. Wir Grüne im Bundestag zeigen, dass es möglich ist. Kandidatinnen wurden 37 in den ersten Reichstag der Nicht nur reden, handeln ist deshalb die Devise. Es ist Zeit, Weimarer Republik gewählt (später rückten noch vier wei- dass die Parteien verbindlich sagen, was sie tun werden, tere nach). Bei insgesamt 423 Abgeordneten ergab sich ein um den Frauenanteil in ihren Reihen zu verbessern. Sie Anteil von 9,7 Prozent. Für die damalige Zeit ein sensatio- müssen erklären, wie sie die politische Kultur und Struktur neller Wert. In der späteren Bundesrepublik sollte es bis ändern wollen, um Diversität herzustellen, die Vereinbar- 1983 dauern, bis er wieder erreicht wurde. Erst mit dem keit von Politik und Familienleben zu verbessern, stereoty- Einzug der Grünen in den Bundestag im Jahr 1983 stieg der pe Machtstrukturen zu verändern und den Gleichstel- Frauenanteil im Bundestag maßgeblich. Die 30-Prozent- lungsauftrag umzusetzen. Marke wurde erstmals mit der Bundestagswahl 1998 über- schritten. Umso schmerzlicher ist der Rückschritt, wenn im NOVEMBERREVOLUTION BRACHTE DEN jetzigen Parlament mit 30,9 Prozent wieder weniger Frau- en vertreten sind. Ursache des geringen Frauenanteils im DURCHBRUCH Bundestag sind insbesondere die Fraktionen der AfD, der CDU/CSU und der FDP. Auf der anderen Seite können die Unsere Vorkämpferinnen haben zu Beginn des letzten Grünen mit 58 Prozent Frauen aufwarten, die Linke mit Jahrhunderts den Weg geebnet. Werfen wir einen Blick auf 54 Prozent und die SPD mit 42 Prozent. Das Problem der die historischen Anstrengungen und Errungenschaften der ungleichen Vertretung von Männern und Frauen ist zwei- Frauenstimmrechtsbewegung. Denn die Verkündung des fellos auch Ausdruck der politischen Weltbilder in den Par- allgemeinen, gleichen, geheimen und direkten Wahlrechts teien. Dazu kommt ein Wahlrecht, das strukturell die Män- „für alle mindestens 20 Jahre alten männlichen und weib-

Foto: Staatsbibliothek zu Berlin – Preußischer Kulturbesitz – Preußischer zu Berlin Staatsbibliothek Foto: ner begünstigt.

9 WIR BLEIBEN DRAN! geschieht vor Ort und dezentral. Hier Parität herzustellen ist zweifelsohne eine echte Herausforderung. Und viel zu „Was diese Regierung getan hat, war oft sind es dann eben Männer, die für Direktmandate eine Selbstverständlichkeit: Sie hat aufgestellt werden. Bei der letzten Bundestagswahl sind den Frauen gegeben, was ihnen bis von 246 Unions-Abgeordneten lediglich 15 über eine Liste dahin zu Unrecht vorenthalten worden eingezogen, mit 231 der überwiegende Teil über ein ist.“ Mit diesen Worten reagierte die Sozi- Direktmandat. Davon wiederum waren nur 44 Frauen. aldemokratin Marie Juchacz – die erste Frau, die je in Zum Vergleich: Bei den Grünen sind es 66 Abgeordnete, einem deutschen Parlament eine Rede hielt – auf die die über die Liste in den Bundestag eingezogen sind. Einführung des Frauenwahlrechts in Deutschland. Eine Abgeordnete erzielte ein Direktmandat, die erste Seither sind genau 100 Jahre vergangen. Und das wol- übrigens bei den Grünen. len wir feiern. Wir Grüne ohnehin, aber auch der Bun- destag steigt ein: Am 18. Januar wird es eine offizielle Feierstunde im Plenarsaal geben, am Vorabend einen ZAGHAFTE ZEICHEN AUCH IN UNION UND FDP fraktionsübergreifenden Frauenempfang in der Deut- schen Parlamentarischen Gesellschaft. Ganz beson- Die Erkenntnis, dass die Parteien weiblicher werden ders freut es mich, dass wir gemeinsam mit dem müssen, reift inzwischen auch in anderen Parteien her- Kunstreferat des Bundestages eine visuelle Reflexion an. Im Mai dieses Jahres beschloss die Frauen-Union der zum Thema 100 Jahre Frauenwahlrecht wagen. Neun- CDU, den Bundestag aufzufordern, mit einem Gesetz für zehn hochkarätige Künstlerinnen haben sich bereit mehr Geschlechtergerechtigkeit zu sorgen. Ihre Vorsitzen- erklärt, das Thema in Form von Plakaten zu bearbeiten de, die Integrationsbeauftragte der Bundesregierung – die erst im Bundestag ausgestellt, dann auf Reisen Annette Widmann-Mauz forderte, das Thema Parität bei gehen und uns mit Sicherheit an eines erinnern wer- einer Wahlrechtsreform zu berücksichtigen. Bundeskanz- den: Bis zur tatsächlichen Gleichberechtigung bleibt lerin Merkel bezog auf eine Frage der grünen Abgeordne- noch viel zu tun. Wir bleiben dran, garantiert! ten Katja Dörner zum geringen Frauenanteil im Parlament so Stellung: „[…] wenn die Liste nicht zieht, müssen wir MDB andere Maßnahmen treffen. […] Einfach in den Wahl- Vizepräsidentin des Deutschen Bundestages kreisen vorzuschreiben, wer die Kandidatin sein wird, ohne dass man dort die demokratischen Grundprinzipien beachtet, das dürfte auch nicht der Weg sein. Aber ich bin gerne bereit, in einem parteiübergreifenden Gespräch zu hören, ob Sie gute Vorschläge haben, wie WAHLRECHT BEGÜNSTIGT MÄNNER man das bei Direktwahlkreisen auch hinbekommen kann.“ Bei anderer Gelegenheit sagte Merkel – und auch die Kandidatin für den CDU-Parteivorsitz Kramp-Karren- Unser komplexes Wahlrecht zu verändern ist jedoch nicht bauer äußerte sich so – , die CDU genüge nicht den so einfach. Es gilt das breit akzeptierte und verankerte „Ansprüchen einer Volkspartei“, weil sie nicht genug personalisierte Verhältniswahlrecht. Mit der Erststimme Frauen in ihren Reihen habe. wählen wir die DirektkandidatInnen im Wahlkreis, mit der Zweitstimme eine Partei. Über die Zweitstimme kom- Selbst ausgesprochene QuotengegnerInnen beschleicht men die KandidatInnen zum Zug, die die Parteien in den langsam ein ungutes Gefühl. Sogar in der FDP gibt es Landeslisten aufstellen. Bei der Aufstellung der Listen inzwischen einige BefürworterInnen einer Quote, wenn sorgen Parteien, die in ihren Statuten Quoten verankert auch dort die Ablehnung überwiegt. Die FDP geht so weit haben, selbst für Parität. So handhaben es die Grünen zu behaupten, dass Quoten „Misstrauen gegenüber dem von Anfang an und inzwischen auch SPD und Linke. Bei Wähler“ ausdrückten. In einer Arbeitsgruppe will die FDP den anderen Parteien geben nach wie vor die Männer jetzt Vorschläge für eine Änderung der Arbeitsweise von den Ton an. Komplizierter ist es bei den Direktmandaten. Parteien und eine andere Sitzungskultur erarbeiten. Denn die Kandidatenaufstellung für die Wahlkreise

10 BLICK ÜBER DEN RHEIN tagsfraktion aus Brandenburg: Hier wird die Anzahl der Wahlkreise halbiert, pro Wahlkreis würden jeweils der Es ist Zeit, den Frauenrechten zum Durchbruch zu verhel- Mann und die Frau mit den meisten Stimmen gewählt. fen. Das scheint in Zivilgesellschaft und Parteien angekom- Eins gilt für alle Vorschläge: Sie müssen sehr hohen verfas- men zu sein. Auch für Parteien gilt die in Artikel 3 des sungsrechtlichen Ansprüchen genügen. Parteienfreiheit Grundgesetzes verankerte Gleichberechtigung der und Wahlrechtsgleichheit sind zentrale Prinzipien unseres Geschlechter. Deshalb braucht es eine Debatte über Grundgesetzes, sie müssen sorgfältig gegeneinander Lösungsansätze. Ein Blick in andere Länder zeigt eine Reihe abgewogen werden. möglicher Wege für eine bessere Vertretung von Frauen in den Parlamenten: gesetzlich festgelegte Quoten, Partei- quoten, reservierte Mandate für Kandidatinnen oder eine JETZT HANDELN Sanktionierung über die Parteienfinanzierung. Ein Beispiel ist die Parité in Frankreich – ein Modell, für das jüngst Für uns Grüne, die Wurzeln in der Frauenbewegung und sogar Sympathie erkennen ließ. Der Grund- den Feminismus im Programm haben, ist eins klar: So wie satz des gleichberechtigten Zugangs von Frauen und Män- es ist, kann es nicht bleiben. Fehlt die weibliche Hälfte nern zu Wahlmandaten und Wahlämtern ist in der franzö- unserer Gesellschaft im Bundestag, dann kann die Arbeit sischen Verfassung verankert. Das Parité-Gesetz aus dem unseres Parlaments der Lebensrealität unseres Landes Jahr 2000 beinhaltet, dass bei der Wahl zur Nationalver- nicht genügen. Wir Grüne haben derzeit den höchsten sammlung die Parteien die gleiche Anzahl von Frauen und Frauenanteil im Bundestag und praktizieren Parität auch Männern in der Gesamtheit der Wahlkreise aufstellen müs- bei unseren Listenaufstellungen. Wir wären schon einen sen. Verstöße werden über finanzielle Einbußen bei der Schritt weiter, wenn andere Parteien diesem Beispiel fol- Erstattung der Wahlkampfkosten sanktioniert. Doch diese gen würden. Auch der Blick ins Ausland zeigt, dass der Sanktionen wurden häufig einfach in Kauf genommen. Zu politische Wille entscheidend ist. Wir ergreifen deshalb verlockend erschien die Aussicht, einen Wahlkreis durch jetzt die Initiative. Wir wollen einen Prozess mit zivilge- männliche Kandidaten zu gewinnen. Erst die Erhöhung der sellschaftlichen AkteurInnen und auch zwischen den Frak- Strafzahlungen und der Einzug von „La République en tionen im Bundestag anstoßen. Jetzt gemeinsam handeln Marche“ brachten Fortschritte. Der Frauenanteil in der für mehr Frauen in der Politik ist das Ziel. 100 Jahre nach Nationalversammlung erhöhte sich substanziell. Letztlich der Einführung des Frauenwahlrechts wollen wir nächste zeigte sich hier, dass Sanktionen und Gesetzesregelungen Meilensteine setzen. nur bedingt wirksam sind. Vor allem kommt es auf den politischen Willen in den Mehrheitsparteien an, für mehr Frauen auf den Listen und in den Wahlkreisen zu sorgen.

VORSCHLÄGE FÜR GESETZLICHE LÖSUNGEN

Es ist der richtige Moment, um über Paritätsgesetze zu dis- kutieren. Derzeit sind bei Verbänden und Wissenschaftle- KATRIN GÖRING-ECKARDT MDB rInnen eine ganze Reihe von Ansätzen im Gespräch. Dazu Fraktionsvorsitzende zählen etwa Sanktionen über die Wahlkampfkostenerstat- tung nach dem Vorbild des Parité-Gesetzes in Frankreich oder auch eine gesetzliche Quotierung der Parteilisten. Auch für die Direktmandate gibt es Lösungsansätze. Um hier eine Parität herzustellen, gibt es zum Beispiel den Vorschlag, die Zahl der Wahlkreise zu reduzieren und Dop- pelwahlkreise einzuführen. In diesen Wahlkreisen tritt jeweils ein Duo aus Mann und Frau zur Wahl an. Ein ande- ULLE SCHAUWS MDB BRITTA HAßELMANN MDB res Modell favorisiert der Gesetzentwurf der grünen Land- Sprecherin für Erste Parlamentarische Frauenpolitik Geschäftsführerin

11 Die Große Koalition hat in der Krise um das Bundesamt für Verfassungsschutz (BfV) viel Porzellan zerschlagen. Jetzt ist es Zeit für eine Zäsur und einen strukturellen Neuanfang.

ININ SCHLECHTERSCHLECHTER VERFASSUNGVERFASSUNG Foto: Oliver Berg/dpa Oliver Foto:

12 Von Dr. Irene Mihalic und Dr. Konstantin von Notz

Das Vertrauen in den Verfassungsschutz hat in den letzten Jahren wiederholt stark gelitten. Offene Fragen und Ungereimtheiten begleiten die Arbeit des Amtes vom Oktoberfest-Attentat 1980 über die Mordserie des NSU zwischen 2000 und 2006, das Schreddern brisanter Akten zu V-Leuten bis zum Fall Anis Amri, des Attentä- ters vom Berliner Breitscheidplatz. Im Fall Amri hat der zuständige Untersuchungsausschuss bereits einiges an Aufklärungsarbeit leisten können. Es zeigt sich, dass das BfV hier entgegen früheren Behauptungen eine weitaus größere Rolle spielte. Wir wissen heute, dass es im Umfeld des Attentäters V-Leute gab und auch, dass das BfV nachrichtendienstliche Mittel eingesetzt hat. Diese Erkenntnisse konnten wir nur durch hartnä- ckiges Nachfragen bei der Zeugenvernehmung heraus- arbeiten, nicht etwa, weil der Verfassungsschutz die Auf- Es geht nicht darum, die Polizei mit immer weiteren Vor- klärungsbemühungen unterstützt hätte. Im Gegenteil: Es feldbefugnissen zu beladen. Doch muss bei der Terroris- ist wenig hilfreich, wenn Akten nur zögerlich zugeliefert musbekämpfung und der Abwehr konkreter Gefahren die oder bis zur Unlesbarkeit „geschwärzt“ werden und sich Polizeiarbeit weiterhin klar Vorrang haben. Zeugen aus dem Amt in wortklauberischen Aussagen erge- ININ SCHLECHTERSCHLECHTER hen. Dazu passt, dass uns die Bundesregierung als Beauf- KLARE AUFGABENVERTEILUNG NOTWENDIG tragte für den Untersuchungsausschuss eine ehemalige Unser Vorschlag zu einer Neustrukturierung des Amtes ist, Mitarbeiterin des Verfassungsschutzes schickte, die dort die bisherigen Aufgaben des Verfassungsschutzes künftig unter anderem mit Kontaktpersonen Amris befasst war. dual zu bearbeiten: Ein „Institut für den Schutz der Verfas- sung“ soll ohne Eingriffsbefugnisse verfassungs- und VERFASSUNGVERFASSUNG PERSONELLE KONSEQUENZEN WAREN ÜBERFÄLLIG menschenfeindliche Bestrebungen aufklären. Es soll dabei Auch der inzwischen seines Amtes enthobene Präsident nur auf öffentlich zugängliche Quellen zurückgreifen. Auf- des Verfassungsschutzes Hans-Georg Maaßen hat seinen gabe des Instituts soll es sein, Strukturen und Zusammen- Teil zum Vertrauensverlust beigetragen. Seine relativieren- hänge zu erkennen und zu beobachten, sie wissenschaft- den Äußerungen zu den rechtsextremen Ausschreitungen lich zu analysieren und transparent zu machen – und die in Chemnitz und die rechten Verschwörungstheorien in Sicherheitsbehörden auf mögliche Aufgaben in ihrer seiner Abschiedsrede stürzten das BfV zuletzt noch tiefer in Zuständigkeit hinzuweisen. Ein „Amt zur Gefahrenerken- die Krise. Die Abberufung von Hans-Georg Maaßen war nung und Spionageabwehr“ soll verfassungsfeindliche längst überfällig. Viel zu spät hat sich die Bundesregierung Bestrebungen im Vorfeld konkreter Gefahren aufklären. Es dazu durchgerungen, die Zweifel an der Objektivität der soll mit rechtskonformen nachrichtendienstlichen Mitteln Arbeit einer zentralen Behörde der deutschen Sicherheits- arbeiten. Die Zuständigkeit des Amtes endet da, wo die der architektur auszuräumen und die Beschädigung des Amtes Polizei und Strafverfolgungsbehörden beginnt – also dann, abzuwenden. Dieses Vertrauen in eine Behörde, die unsere wenn konkrete Gefahren oder Straftaten vorliegen. freiheitlich-demokratische Grundordnung vor feindlichen Eine strukturelle Reform muss aber noch weiter reichen. Es Bestrebungen schützen soll, gilt es nun wieder neu aufzu- gilt, den künftigen Umgang mit dem Einsatz von V-Leuten bauen. Dazu bedarf es neben eines glaubhaften personel- zu klären. Es bedarf einer rechtsstaatlichen Konkretisie- len Neuanfangs auch einer echten Strukturreform. rung nachrichtendienstlicher Befugnisse. Und nicht zuletzt Damit ist keineswegs die Abschaffung des Inlandsnach- muss die parlamentarische Kontrolle geheimdienstlicher richtendienstes insgesamt gemeint. Die klare Trennung von Arbeit durch Parlament und Öffentlichkeit deutlich gestärkt Polizei und Nachrichtendiensten und die Abgrenzung ihrer werden. Nachrichtendienste dürfen nicht vor der Klammer jeweiligen Aufgaben müssen bestehen bleiben. Sie sind von Rechtsstaat, Verfassung und Demokratie agieren, son- ein fundamentaler Teil des Rechtsstaatsprinzips. Damit dern müssen klar auf deren Grundlage und zu deren

Foto: Oliver Berg/dpa Oliver Foto: ziehen wir eine zentrale Lehre aus unserer Geschichte. Schutz handeln.

13 lab

Hiergeht's zur Zukunft Z ZukunftsLab

IM FRÜHJAHR DIESES JAHRES HABEN KATRIN GÖRING- ECKARDT UND TONI HOFREITER FÜR DIE FRAKTION MIT DEN ZUKUNFTSLABOREN EIN NEUES ARBEITSFORMAT INS LEBEN GERUFEN. EIN KURZBERICHT GIBT ERSTE EINBLICKE. SOZIALE SPALTUNG ÜBERWINDEN

Die Idee ist, mit den Zukunftslaboren neue Räume zu In der Auftaktveranstaltung des Labors „Neue soziale Fra- schaffen, um Lösungen für die großen Herausforderungen gen“ wurde die regionale Ungleichheit in den Mittelpunkt unserer Zeit zu finden. Interdisziplinär und mit Mut zur gestellt. Ein wachsendes Problem sind die steigenden Mie- Kontroverse nimmt die Bundestagsfraktion gemeinsam mit ten in den Ballungszentren, die viele Menschen in Regio- ExpertInnen, WissenschaftlerInnen und NGOs zentrale nen mit schwacher Infrastruktur verdrängen. Wenn Fami­ Fragen ins Visier. Viele grüne Abgeordnete verschiedenster lien und Alleinerziehende keine Kinderbetreuung finden Fachrichtungen arbeiten mit. Auch Feldforschung vor Ort, oder SeniorInnen ohne öffentlichen Nahverkehr und die sie auf Touren quer durchs Land führt, gehört dazu. Die Gesundheitsdienste dastehen, dann ist das eine Belas- Ergebnisse fließen in die parlamentarische Arbeit und die tungsprobe für die Betroffenen wie für den Zusammenhalt Gremien ein. Eine Menge Stoff, aus dem wir innovative der Gesellschaft. grüne Zukunftsideen weben.

WEG VOM PLASTIK - KLIMASCHUTZ NACH VORN DIE SECHS SCHWERPUNKTTHEMEN DER Z-LABS Wie verhindern wir gigantische Plastikteppiche im Meer und 1. Digitalisierung, weil technischer Fortschritt unser Leben wie halten wir Mikroplastik von der Nahrungskette fern? neu prägt. 2. Die Rettung der natürlichen Lebensgrundla- Fragen wie diese treibt das Labor zur Rettung der natürli- gen, der wir mehr öffentliche Aufmerksamkeit sichern chen Lebensgrundlagen an. Unstrittig ist, dass wir Plastik wollen. 3. Die Riesenherausforderung der Migration im 21. vermeiden und mehr recyceln müssen. Abbaubaren Materi- Jahrhundert. 4. Gerechte Globalisierung als Gegenentwurf alien gehört die Zukunft. Nächstes Arbeitsfeld wird sein, wie zu herrschenden Weltbildern. 5. Neue soziale Fragen und wir es schaffen, dauerhaft öffentliche Aufmerksamkeit und 6. Herausforderungen für die Demokratie, weil sie an die Handlungsbereitschaft für den Klimaschutz zu gewinnen. Grundfesten unseres Zusammenlebens rühren.

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Foto: Besuch einer Textilfabrik in Myanmar

Foto: Polymerforschung in Schwarzheide

GERECHTE GLOBALISIERUNG VERTEIDIGEN

Dem Chaos im Welthandel hat sich ganz aktuell am 7. November das Labor Gerechte Globalisierung gewidmet. Denn die multilaterale Handelsordnung steht unter Druck wie nie. Die USA ziehen sich Stück für Stück aus den multi- DIGITALISIERUNG ZUM NUTZEN ALLER lateralen Handelsbeziehungen zurück. Auch die Europäi- In rasantem Tempo verändert die Digitalisierung unser sche Union und andere Handelsmächte gehen zunehmend Leben. Wir wollen, dass technischer Fortschritt allen Men- eigene Wege. Gleichzeitig droht dem internationalen Han- schen zugutekommt. Ein Schlüssel könnte mehr Diversität del eine Spirale von Zollerhöhungen und Protektionismus. sein, also auch mehr weibliche Akteure. Im Rahmen des Wie können wir unter neuen Vorzeichen Globalisierung Labors zur Digitalisierung befasste sich zum Beispiel eine gerecht gestalten und welchen Beitrag kann die Handels- Frauenversammlung der Bundestagsfraktion mit der politik zur Entwicklung leisten? Viele Gäste und ExpertIn- Debatte über den weiblichen Footprint in der Digitalbran- nen steuerten interessante Ideen und Impulse bei. che und diskriminierende Algorithmen. An diesem Thema wird kräftig weitergeforscht. MIGRATION – SO SCHAFFEN WIR DAS!

Last but not least arbeitet das Labor „Migration im 21. STRATEGIEN GEGEN RECHTS Jahrhundert“ an neuen Wegen zur Bewältigung dieser Vor großen Herausforderungen steht derzeit die Demokra- Mammutaufgabe. Eine Veranstaltung wird das Thema Kli- tie. Rechtspopulisten, teils Rechtsextreme sind überall auf maflüchtlinge in allen Facetten beleuchten. Es gilt, über dem Vormarsch. Die Ereignisse von Chemnitz, Köthen oder die aktuelle Lage hinauszudenken: Mit welcher Entwick- Dortmund haben uns das erschreckende Ausmaß der lung ist zu rechnen? Was sind die richtigen Antworten für Akzeptanz und Unterstützung demokratiefeindlicher Kräfte diese Menschen? Mit welchem rechtlichen Rahmen werden und autoritärer Ideen vor Augen geführt. Wir entwickeln wir dem gerecht? Den Veranstaltungsbericht finden Sie unsere Strategien gegen rechts weiter, der Austausch im demnächst auf der Onlineplattform der Zukunftslabore. Sie Labor mit WissenschaftlerInnen und engagierten NGOs ist Schaufenster und permanente Werkstatt zugleich. leistet dazu einen wichtigen Beitrag. Weitere Gespräche Schauen Sie doch mal vorbei: und Veranstaltungen sind geplant. www.zukunftslabore.gruene-bundestag.de

15 DirekteDIE Demokratie ist ihr Spezialgebiet GEWINNENDE als Politikwissenschaftlerin. Dass mehr Bürgerbeteiligung kommt, dafür setzt sich Anna Christmann im Bundestag ein.

Von Klaus Heymach

Der kleine weiße Ball rollt über den grünen Teppich und mit direkter Demokratie. Wie man sie praktisch umsetzt, schon wieder knapp am Loch vorbei. „Mist!“, ruft Anna untersuchte sie in Kalifornien und der Schweiz. Über die Christmann und lacht. „Ich gewinne gern – vermutlich, Stationen im Ausland ist Anna Christmann froh – nicht weil ich einen großen Bruder habe.“ Die Golfmatte vor nur, weil sie in Zürich ihren Mann kennenlernte. Als sie ihrem Schreibtisch im Bundestagsbüro ist ein Geschenk dort am Zentrum für Demokratie der Universität arbeitete, ihres Teams zum 35. Geburtstag. Bis zum Büroturnier will habe man es völlig normal gefunden, dass sie ihre Toch- sie noch üben. Wettstreit gehört zur Politik, ist die Abge- ter mit fünf Monaten in die Kita gab. Ein halbes Jahr spä- ordnete aus Stuttgart überzeugt. „Zuhören, streiten, ter in Stuttgart hätten die Leute sie seltsam angeschaut. Konsens finden“, beschreibt sie ihre Arbeit. „Man muss Zu der Zeit war in Baden-Württemberg gerade Winfried Lust haben auf andere Menschen.“ Kretschmann erster grüner Ministerpräsident geworden. Die Auseinandersetzung über die Sache kommt ihr im Ein historischer Moment – auch für Anna Christmann. Die Parlamentsbetrieb häufig zu kurz. Wenn die KollegInnen Politologin steigt als Grundsatzreferentin und Büroleite- in den Ausschüssen routiniert ihre Statements zu Proto- rin der Wissenschaftsministerin in die Landespolitik ein. koll geben, statt wirklich zu debattieren. Viel aufschluss- Dass die Landesregierung eigens eine Staatsrätin für Zivil- reicher findet sie oft Begegnungen außerhalb des Parla- gesellschaft und Bürgerbeteiligung einsetzt, beeindruckt ments: mit Wissenschaftlerinnen, die ihr die Quanten- sie. Denn Politik an den Menschen vorbei zu machen und technologie erklären, oder mit der über 80-jährigen nicht richtig zu erklären, darin sieht sie eines der größten Physikerin, die Experimentierkästen für Kinder entwickelt Versäumnisse der Regierung Merkel. und Unterstützung für ihr ehrenamtliches Projekt suchte. 2017 gelingt Anna Christmann der Sprung in den Bundes- „Toll, wenn ich da helfen kann“, begeistert sich Anna tag. In der grünen Fraktion ist sie Sprecherin für Bürger- Christmann. schaftliches Engagement sowie für Innovation und Tech- Mit der Politik kam sie früh in Berührung. In Ilsede bei nologiepolitik. Als Obfrau in der Enquete-Kommission Hannover liefen noch die letzten Anlagen einer alten „Künstliche Intelligenz“ ist sie zuständig für ein Thema, Kokerei. „Wir konnten die schlechte Luft förmlich sehen“, das die Politik ihrer Ansicht nach lange verschlafen hat. erinnert sie sich. Der Vater, Mitglied bei den Grünen, „Wir brauchen eine globale Debatte über neue Technolo- engagierte sich gegen den Luftverschmutzer. Schließlich gien, so wie wir sie über den Klimawandel haben“, for- wurde die Kokerei geschlossen. „Dieser Kampf hat mich dert die Abgeordnete. Dass die Enquete-Kommission zu einem politischen Menschen gemacht“, sagt Anna hinter verschlossenen Türen tagt, ärgert sie. „Künstliche Christmann. Am Gymnasium wurde sie Schülersprecherin Intelligenz bietet so viele Chancen“, ist Anna Christmann und schrieb für die Schülerzeitung. überzeugt, „von der Krebserkennung bis zur Energiewen- de. Wir müssen nur dafür sorgen, dass sie sozial und Naturwissenschaften fand sie schon immer spannend, ihr ökologisch angewendet wird.“ Mathematikstudium schloss sie aber nur im Nebenfach ab. „Ich wollte nicht irgendwann Risikomodelle in einer Am Ende des Gesprächs nimmt sie noch einmal den Golf- Versicherung berechnen.“ Stattdessen konzentrierte sich schläger zur Hand. „Die letzte Partie Minigolf, das war im die Studentin an der Universität Heidelberg auf Politik- Urlaub an der Ostsee. Gegen meinen Mann habe ich wissenschaft. Hier trat sie auch den Grünen bei. In ihrer gewonnen“, grinst sie. Promotion an der Universität Bern beschäftigte sie sich

16 DIE GEWINNENDE Kaminski Stefan Foto:

DR. ANNA CHRISTMANN MDB » seit 2003 Mitglied bei Bündnis 90/Die Grünen » 2004-2007 Mitglied des Kreisvorstands Heidelberg » 2013-2017 Referentin im Wissenschaftsministerium Baden-Württemberg » seit 2017 Abgeordnete im Deutschen Bundestag » Obfrau Enquete-Kommission „Künstliche Intelligenz“ » Sprecherin für Innovations- und Technologiepolitik, Sprecherin für Bürgerschaftliches Engagement » Mitglied im Ausschuss Digitale Agenda und im Forschungsausschuss » Obfrau im Unterausschuss Bürgerschaftliches Engagement 17 UNSEREPARLAMENT:GRÜN ARBEITSKREISE BERICHTE AUS DEN ARBEITSKREISEN

Wirtschaft, Finanzen & Soziales »»MULTILATERALER GERICHTS- AK EINS HOF FÜR INVESTITIONEN UND MENSCHENRECHTE GRÜNER WIRTSCHAFTSBEIRAT GESTARTET »» Wir brauchen gerechte Handels- und Auf Einladung der grünen Bundestagsfraktion haben VertreterInnen Investitionsregeln für Wettbewerb und für aus der Wirtschaft über Herausforderungen und Lösungsansätze für eine ressourcen- und umweltschonende Klimakrise, Digitalisierung und Globalisierung sowie zum grünen Ein- Produktionsweise. Denn nur fairer Handel wanderungsgesetz diskutiert. Mit dabei waren Gründer, die ist freier Handel. So können Umwelt, Geschäftsführerin eines Familienbetriebs oder auch der Vorstandschef Beschäftigte und VerbraucherInnen eines DAX-Konzerns. Die Veranstaltung war der Auftakt für einen grü- durch verbindliche Standards geschützt nen Wirtschaftsbeirat, in dem der Dialog weiter intensiviert werden werden. Deshalb wollen wir das inter- soll. Ökologie soll immer wieder ins Zentrum der Ökonomie rücken. nationale Investitionsrecht grundlegend Insbesondere auch mit reformieren und die Klageprivilegien für Blick auf parlamentari- Konzerne beenden. Wir fordern dafür die sche Vorhaben. Neben Schaffung eines völkerrechtlich basier- den grünen Bundes- ten, multilateralen Gerichtshofs. Bis- tagsabgeordneten neh- lang ermöglicht eine Vielzahl bilateraler men am Beirat the- Investitionsschutzverträge nur Konzernen menbezogen auch die Möglichkeit zur Klage. Dies soll der grüne Mitglieder aus Gerichtshof ändern, indem er auch für Europa- und Landespar- Gegenklagen offensteht, wenn etwa ein lamenten teil. Die positive Investor im Widerspruch zu völkerrecht- Resonanz vonseiten der Unter- lichen Verträgen für Menschenrechte, nehmen zeigt den Wunsch, Arbeitsschutz sowie Klima- und Umwelt- ökologisch und ökonomisch schutz gehandelt hat. Auch lokale Ge- erfolgreich zu wirtschaften. meinschaften oder Gewerkschaften sollen Zugang zu diesem Gerichtshof erhalten. www.gruene-bundestag.de/ So schaffen wir eine Handelspolitik, die Wirtschaftsbeirat das Wohl der Menschen vor Konzerninte- ressen stellt.

www.gruene-bundestag.de/Freihandel

18 Foto: Robert Harding Images/Masterfile Umwelt, Energie, Landwirtschaft & Verkehr Foto: Thomas Kokta / Masterfile Kokta Thomas Foto: AK ZWEI » WEDDELLMEER SCHÜTZEN Auf Initiative der grünen Bundestagsfraktion hat der Deutsche Bundestag einen interfraktionellen Antrag von CDU/CSU, SPD, FDP und Grünen einstimmig verabschiedet. Das Weddellmeer in der Antarktis soll Meeresschutzgebiet werden. Auf der Tagung der internationalen Antarktiskommission (CCAMLR) im Herbst sollte das beschlossen werden. Die Verhandlungen scheiterten jedoch an den Fischereiinteressen einiger weniger Staaten. Das ist ein herber Rückschlag für den internationa- len Schutz der Meere – besonders angesichts von fortschreitendem Artensterben und Klimawandel. Wir kämpfen weiter für den Schutz der Antarktis.

www.gruene­bundestag.de/Biologische­Vielfalt

» BUNDESREGIERUNG FÜHRT DIE ENERGIEWENDE INS CHAOS Die Klimakrise wird immer spürbarer und die Bundesregierung müsste dringend handeln, um die Klimaziele 2020 zu erfüllen. Doch dauerte es lange, bis ihre erste Initiative im Bereich Energie endlich beschlossen wurde – und dann geht das sogenannte Energiesammelgesetz auch noch in die falsche Richtung. Wir brauchen klare Ausbauziele für Erneuerbare bis 2030, Anreize für eine regional sinnvolle Verteilung des Windenergieausbaus und eine verlässliche Vergütung für Photovoltaik auf dem Dach. Stattdessen gefährdet die Bundesregierung die Erneuerbaren-Branche und die Energiewende insgesamt.

www.gruene­bundestag.de/Energie

» DIESELSKANDAL, NÄCHSTE STUFE Nachdem sie drei Jahre lang nichts gegen die Luftverschmutzung getan hat, bekommt die Bundesregierung angesichts immer neuer Fahrverbotsurteile kalte Füße. Doch statt die Autoindustrie zu wirksamen Nachrüstungen schmutziger Diesel zu verpflichten, wollen Merkel und Scheuer das Immissionsrecht an die schlechte Luft anpassen. „Geringe“ Grenzwertüberschreitungen sollen ohne Konsequenzen bleiben. Andersrum wäre es richtig und gesetzeskonform. Menschen müssen vor der schlechten Luft und dem Betrug der Autohersteller geschützt werden.

www.gruene­bundestag.de/Abgasskandal

19 » WE SUPPORT E-SPORT Millionen Menschen begeistern sich für den sportlichen Wett- bewerb mit Videospielen. Politik und der organisierte Sport sollten deshalb an guten Regeln arbeiten. Wir Grüne im Bun- destag wollen gute Rahmenbedingungen schaffen, vor allem für Amateurvereine. E-Sport-Vereine sollen genauso von der Gemeinnützigkeit profitieren wie andere Sportvereine: weni- ger Bürokratie gegenüber den Behörden, steuerliche Erleichte- rungen, Zugang zu kommunalen Räumen und vieles mehr. Gleichzeitig wollen wir auch den Antidopingkampf, Sucht- und Gesundheitsprävention sowie Kinder- und Jugendschutz stärken. Wir brauchen Aufklärungskampagnen zur Suchtgefahr von Games und gut ausgestattete Beratungsstellen. Auch AK DREI Geschlechtergerechtigkeit wollen wir voranbringen. Bürgerrechte & Demokratie, Rechts- & Gesellschaftspolitik www.gruene­bundestag.de/Esport » MIGRATION GEORDNET UND LEGAL GESTALTEN

Im Dezember soll auf einer UN-Konferenz in Marrakesch der „Globale Pakt für sichere, geord- nete und reguläre Migration“ angenommen werden. Im Zentrum stehen Fluchtursachenbe- kämpfung, die Stärkung regulärer Einwande- rungswege, die grenzüberschreitende Bekämp- AK VIER Internationale Politik & Menschenrechte fung von Menschenhandel sowie die Stärkung und der Schutz der Rechte von MigrantInnen. Der MENSCHENRECHTSLAGE IN CHINA Pakt enthält auch Forderungen für eine verbes- » serte Inklusion in den Arbeitsmarkt, bei der Ein Antrag der grünen Bundestagsfraktion zur Lage der Men- Schulbildung und Gesundheitsversorgung sowie schenrechte in der chinesischen Provinz Xinjiang hat zu hef- zum Schutz vor Hassverbrechen. Seit Monaten tigen Protesten seitens der chinesischen Regierung geführt. wird mit bewussten Falschinformationen gegen Die Bundestagsbefassung wurde als Einmischung in interne den Pakt Stimmung gemacht. Die Bundesregie- Angelegenheiten zurückgewiesen und das Vorgehen in Xinji- rung hat lange Zeit versäumt, die Öffentlichkeit ang als Terrorismusprävention verteidigt. In unserem Antrag sachlich zu informieren. Wir fordern von ihr, verweisen wir auf Berichte über die sich verschlechternde zusammen mit dem Bundestag und der Zivilge- Menschenrechtslage, insbesondere für die uigurische und sellschaft umgehend einen Plan zur nationalen kasachische muslimische Minderheit. Derzeit werden rund Umsetzung des Pakts zu entwickeln. Auch inter- eine Million Menschen in sogenannten „Umerziehungslagern“ national soll Deutschland hier eine führende festgehalten. China nennt die Lager „Bildungs- und Ausbil- Rolle einnehmen. Internationale Zusammenar- dungszentren“, in denen religiösem Extremismus vorgebeugt beit ist der Schlüssel zur Bekämpfung von Flucht- werde. Wir fordern von der Bundesregierung, sich für eine ursachen, zur geordneten Steuerung von Migrati- unabhängige Untersuchung der schweren Menschenrechts- on und zum besseren Schutz vor Diskriminierung, verletzungen und die Schließung der „Umerziehungslager“ Ausbeutung und Menschenrechtsverletzungen. einzusetzen. Der Antrag wurde in die Ausschüsse verwiesen. www.gruene­bundestag.de/Migrationspakt www.gruene­bundestag.de/Uiguren

20 » FRIEDENSNOBELPREISTRÄGER ZU GAST IN DER BUNDESTAGSFRAKTION

Mitte Oktober hatte die grüne Bundestagsfraktion deut- den Vertrag unterzeichnet und 19 Staaten den Vertrag rati- sche VertreterInnen der International Campaign to Abolish fiziert. 90 Tage nach der 50. Ratifizierung wird der Vertrag Nuclear Weapons (ICAN) zu Besuch. Der Einsatz von ICAN für in Kraft treten. Die Bundesregierung ist dem Abkommen ein völkerrechtliches Abkommen zum Verbot von Atom- nicht beigetreten. Die Atomwaffenstaaten inds ihrer Ver- waffen wurde 2017 mit dem Friedensnobelpreis geehrt. Der pflichtung zur nuklearen Abrüstung nicht nachgekommen. am 7. Juli 2017 von 122 Staaten angenommene Atomwaf- Im Gegenteil: Sie modernisieren ihre Atomwaffenarsenale. fenverbotsvertrag verbietet Entwicklung, Produktion, Test, Wir fordern den Abzug der Atomwaffen aus Deutschland Erwerb, Lagerung, Transport, Stationierung und Einsatz und einen Beitritt zum Atomwaffenverbotsvertrag. von Atomwaffen. Bis Ende Oktober 2018 haben 69 Staaten www.gruene­bundestag.de/Atomwaffen

Wissen, Generationen & Gesundheit AK FÜNF

» MEHR FRAUEN IN FÜHRUNGSAUFGABEN » KLARE ZIELVORGABEN FÜR IM GESUNDHEITSWESEN QUALITÄT IN KITAS

In zunehmendem Maße sind es Frauen, die als Pflege- Wo Qualität draufsteht, muss auch Qualität drin sein. kraft, Ärztin oder Therapeutin dafür sorgen, dass Patien- Doch dies erfüllt das sogenannte Gute-Kita-Gesetz der tinnen und Patienten gut versorgt werden. Der Frauen- Bundesregierung nicht. Wir fordern deshalb klare Zielvor- anteil unter den berufstätigen Ärztinnen und Ärzten gaben im Gesetz und eine verlässliche Finanzierung, die beträgt rund 46 Prozent. 1991 waren es erst 30 Prozent. vor Ort ankommt. Einen entscheidenden Beitrag zum Und die ambulante Pflege gäbe es ohne Frauen gar nicht: guten Aufwachsen aller Kinder können Kitas dann leisten, Nahezu 90 Prozent aller Pflegekräfte sind weiblich. Im wenn die Qualität stimmt. Doch die Realität sieht oft Maschinenraum unseres Gesundheitswesens tragen vor anders aus: Eine Erzieherin muss gleichzeitig Windeln allem Frauen die Verantwortung. In den Vorständen etwa wechseln, trösten, vorlesen und zwischen Tür und Angel der Ärztekammern, der Kassenärztlichen Vereinigungen für Eltern ein offenes Ohr haben. Zu viel Lärm, zu wenig und Krankenkassen sowie auf den Chefetagen der Kran- Raum, zu wenig Fachkräfte. Deutschlandweit gibt es gro- kenhäuser dominieren dagegen Männer. Wir schlagen ße Unterschiede, wie viele Kinder eine Erzieherin oder unter anderem eine verbindliche Frauenquote für die ein Erzieher betreut. Dabei ist Zeit-Haben entscheidend Führungsgremien von Kassen oder Kassenärztlichen Ver- dafür, dass sich Kinder wohlfühlen und individuell geför- einigungen vor, um den Frauenanteil zu verbessern. dert werden können. Wir wollen gesetzlich festschreiben, dass zukünftig eine Erzieherin unter Einbezug der Zeiten www.gruene­bundestag.de/Gesundheitswesen für Vor- und Nachbereitung, Elterngespräche sowie Aus- fallzeiten für höchstens zwei unter Einjährige, vier unter Dreijährige und neun über Dreijährige sorgt.

www.gruene­bundestag.de/Kita

21 » YOUR IDEA TO CHANGE EUROPE

Selten war der Europasaal so jung und europäisch gefüllt, mit Gästen aus Polen, Spanien und Frankreich, aber auch Albanien, Weißrussland und der Türkei. Zu Beginn des Young European Lab am 12. Oktober, das MdB und MdEP für die grünen Fraktionen im Bundestag und im Europaparlament initiiert hatten, hielt Anton Hofreiter ein leidenschaftliches Plädoyer für die Europäische Union. Im Anschluss zeigten sechs junge Change- makerInnen den über 100 KonferenzteilnehmerInnen, dass Mut und Ideenreichtum viel verändern können. Gespannt zugehört wurde den Kurzvorträgen von Adela Rapeanu von „geeks for democracy“ aus Rumänien, Mitorganisatorin der Proteste gegen Korruption in der Regierung, und Aisling Cusack aus Irland von der Kampagne für ein neues Abtrei- bungsgesetz. Martin Speer aus Berlin berichtete vom Erfolg #FreeInterrail. Mut machten auch Femi Oluwole von „our future our choice“ für ein zweites Brexit- Referendum aus Großbritannien und Marcela Hansch und Tilmann Flöhr von „pacific garbage screening“ aus Aachen, die den Plastikmüll im Meer bekämpfen. In Workshops wurden Projekte zu sozialen, ökologischen und ökonomischen Fragen ebenso debattiert wie zu Migrati- on, Jugend und Demokratie. Die Stimmen junger Europäerinnen und Europäer sollten öfter im Bundestag gehört wer- den! Wir wollen dazu beitragen, ihre Ideen im Parlament umzusetzen. www.gruene­bundestag.de/Young­EU­Lab

» DIGITALE ARBEITSWELT Betriebsräten und Gewerkschaften GEMEINSAM GESTALTEN war wichtig. Wir müssen „gute Wie muss die betriebliche Mitbestimmung künftig Arbeit und gute aussehen? Welche Auswirkungen hat die Digitali- Schmidt Julia Foto: Arbeitsbedingun- sierung auf den Datenschutz der Beschäftigten, gen“ stärker in welche auf den Weiterbildungsbedarf? Wie sollten den Fokus rücken sich die staatlichen Förderstrukturen weiterentwi- und den ckeln? Welche Chancen bieten sich für einen inklu- Betriebsräten sowie den Tarifparteien mehr Instrumente siven Arbeitsmarkt? Das sind nur einige der Fragen, die geben, damit sie die Arbeitswelt mitgestalten und weiter- die Bundestagsfraktion bei ihrem Betriebsrätetag am entwickeln können. Die Digitalisierung und Automatisie- 12. November diskutiert hat. Ein toller Tag mit inhaltsstar- rung sind evolutionäre Prozesse, die wir im Sinne der ken Inputs des Fraktionsvorsitzenden Anton Hofreiter, Menschen politisch gestalten können. unserer Sprecherin für Arbeitnehmerrechte Beate Müller- Gemmeke, Prof. Dr. Peter Wedde und Annelie Buntenbach. www.gruene­bundestag.de/Arbeit In parallelen Foren ging es um die Themen Mitbestim- mung, Qualifizierung und Inklusion. Der Austausch mit

22 » GUT GEKÄMPFT, SCHWESTERN!

Die Bundestagsfraktion hatte zum Parlamentarischen Abend in den Bundestag geladen. 100 Jahre Frauenwahl- recht in Deutschland wurden gefeiert und über feministi- sche Herausforderungen 2018 diskutiert. Die stellvertre- tende Fraktionsvorsitzende Katja Dörner moderierte das Gespräch mit Frauen verschiedener Generationen. Lore- Maria Peschel-Gutzeit, ehemalige Justizsenatorin in Ber- lin und Hamburg, zeigte sich mit 85 Jahren kämpferisch wie eh und je. Darauf angesprochen, dass 100 Jahre nach Einführung des Frauenwahlrechts der Frauenanteil in vielen deutschen Parlamenten zurückgehe und es nicht einfach sei, hier gesetzlich einzugreifen, entgegnete sie trocken: „Schwierig ist immer alles. Rauf auf die Bastil- le!“ An diesem Abend wurde deutlich, wie wichtig gegenseitige Unterstützung, Kooperation und Solidarität Foto:Stefan Maak Foto:Stefan für engagierte Frauen sind. Themen wurden den Politike- rInnen reichlich mitgegeben: Entgeltgleichheit, die Lage auf dem Arbeitsmarkt, das Steuerrecht mit dem überhol- ten Ehegattensplitting, die sexuelle Selbstbestimmung sichern und den § 219a aus dem Strafrecht holen – auch 2018 ist die feministische Arbeit nicht beendet, darum: weiterkämpfen, Schwestern.

www.gruene­bundestag.de/100­jahre­ frauenwahlrecht Foto: Julia Schmidt Julia Foto:

23 TERMINE immer aktuell unter: www.gruene-bundestag.de/Termine

KLIMASCHUTZ PUBLIKATIONEN ONLINE NACH HAUSE HOLEN: Eine Auswahl, mehr unter: Tagesaktuell, Fraktionsbeschlüsse, GEBÄUDEENERGIEGESETZ www.gruene-bundestag.de/Publikati- Initiativen, Bundestagsreden, Fachgespräch am 14.12.2018 in Berlin onen Videos und Newsletter auf AK 2 Koordination, TEL 030/227 51460 www.gruene-bundestag.de [email protected] BROSCHÜRE Unser Video­Tipp: Die grüne Bundestagsfraktion EUROPA À LA CARTE www.gruene-bundestag.de/ in der 19. WP ...... 19/002 KONFERENZ ZUR INTERNATIONALEN frauenweltweit GRÜNEN WOCHE FLYER Ihre Kommentare, Ideen und Fragen am 19.01.2019 in Berlin Kein Platz für Nazis ...... 19/16 können Sie uns auch über die sozialen AK 2 Koordination, TEL 030/227 51460 Menschenrechte verteidigen!... 19/13 [email protected] Netzwerke schicken: Die grüne Wohnoffensive ...... 19/12 Planet Plastic – Schluss mit twitter.com/GrueneBundestag DIE REICHSBÜRGER – GEFAHR FÜR dem Wegwerfwahn …………….19/10 DEMOKRATIE UND RECHTSSTAAT Erste Hilfe für die Pflege ………. 19/03 instagram.com/gruenebundestag Fachgespräch am 18.02.2019 in Berlin Ozeane schützen...... 18/68 facebook.com/ AK 3 Koordination, TEL 030/227 58900 Gruene.im.Bundestag [email protected] POSTKARTE Der grüne Kanal bei YouTube: Planet Plastic – ATOMAUSSTIEG WELTWEIT youtube.com/GRUENE Zahlen und Fakten...... 19/11 Konferenz am 11.03.2019 in Berlin Unsere Fotos bei flickr: AK 2 Koordination, TEL 030/227 51460 READER flickr.com/gruene-bundestag [email protected] Neue Wohngemeinnützigkeit.... 19/17

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