SÄCHSISCHES STAATSARCHIV CONULLA CORE VULLUM

Sächsisches Archivblatt Heft 1 / 2010 Motorrad-Werbeplakat „DKW“, 1938. StA-C, 31050 Auto Union AG, , Nr. 7521 Inhalt

Seite

Tag der Archive – Besucherandrang im Staatsarchiv 3 Hans-Christian Herrmann / Peter Hoheisel / Birgit Richter

Projekt „Langzeitspeicherung und elektronische Archivierung“ (LeA) gestartet 5 Burkhard Nolte

Zum 200. Geburtstag von Robert Schumann – in einer Prozessakte geblättert 6 Gerald Kolditz

François Cuvilliés´ Entfestigungsplanung für von 1761 8 Tobias Knobelsdorf

Von Glauchau nach Brasilien – Auswandererbriefe im Staatsarchiv Chemnitz 10 Judith Matzke

25 Jahre neue Semperoper – ein archivarischer Rückblick 11 Ute Bottin

Zur Überlieferung des Runden Tisches der Stadt Leipzig im Stadtarchiv Leipzig 12 Birgit Horn-Kolditz

„Ein Herzstück der DDR-Geschichte“ – die SED-Bestände im Staatsarchiv Chemnitz 15 Hans-Christian Herrmann

„Durchschnittsalter und Verschleißgrad … liegen weit über dem DDR-Durchschnitt“ 17 Doreen Etzold

Gute Fahrt – Die Automobilbestände im Staatsarchiv Chemnitz 19 Hans-Christian Herrmann / Gert Schirok

„Auf den Spuren der Digedags. Erste Erkundungen“ – Präsentation im Zeitgeschichtlichen Forum Leipzig 21 Alexandra Kaiser

„… und demnächst kommen Sie noch mit Kinderwagen ins Magazin…“ 22 Merit Kegel

Vor 50 Jahren: Tragödie in Zwickau 24 Clemens Heitmann

Sächsisches Archivblatt Heft 1-2010 | 1 Inhalt

Seite

Prof. Dr. Renate Drucker (11. Juli 1917 – 23. Oktober 2009) 28 Gerald Wiemers

29 Rezensionen

2 | Sächsisches Archivblatt Heft 1-2010 Tag der Archive – Besucherandrang im Staatsarchiv

Der diesjährige, wiederum bundesweite Tag bundenheit der Menschen aus der Region mit se ist vielleicht auch darauf zurückzuführen, der Archive stand unter dem Motto „Dem Ver- ihrem Archiv. dass wir in unserer Pressemitteilung auf den borgenen auf der Spur“. Die von den Abteilun- gerade ein Jahr zurückliegenden Einsturz des gen des Staatsarchivs in Chemnitz, Freiberg Zum Erfolg trug aber auch das außerordent- Kölner Stadtarchivs hinwiesen. Die Presse und Leipzig vorbereiteten Angebote lockten lich hohe Presseinteresse bei. Auf unsere im folgte auch unserer Einladung zum Tag der zahlreiche Interessenten in die Häuser und Vorfeld herausgegebenen Presseinformati- Archive am 6. März – in der Sonntagsausgabe machten sie dort mit den Aufgaben, Funk- onen reagierten alle örtlichen Printmedien. der Morgenpost erschien ein großer bebilder- tionsbereichen und Nutzungsmöglichkeiten Die auflagenstarke Chemnitzer Morgenpost ter Bericht, wie auch in den kleineren Anzei- des Archivs bekannt. berichtete auf einer ganzen Seite mit großem genblättern. Foto in ihrer Donnerstagsausgabe über unser Staatsarchiv Chemnitz Angebot zum Tag der Archive, ebenso aus- Bergarchiv Freiberg führlich die Freie Presse und zahlreiche klei- Trotz 20 Zentimeter Neuschnee und frosti- nere Anzeigenblätter. Am 6. März berichtete Das Bergarchiv Freiberg war am 6. März zwi- gen Temperaturen folgten 269 Bürger der auch der Rundfunk über unsere Veranstal- schen 12 und 18 Uhr für das interessierte Einladung zum Tag der Archive am 6. März tung. Das außergewöhnliche Medieninteres- Publikum geöffnet. Insgesamt nutzten 210 ins Staatsarchiv Chemnitz. Von 10 bis 16 Uhr erwartete die Öffentlichkeit ein abwechs- lungsreiches Programm. Die Archivare stan- den Rede und Antwort über ihre Arbeit und führten durch die Magazine. Sie erklärten, wie man erfolgreich nach Unterlagen recherchiert und „Verborgenes“ entdecken kann, immerhin ist das Staatsarchiv Chemnitz eines der größ- ten der neuen Bundesländer mit 25 km Un- terlagen, fast einer Viertel Million Karten und Plänen sowie über 250.000 Fotos.

Auf einem „Streifzug“ durch die Bestände des Staatsarchivs Chemnitz konnten die Besucher hinter die Kulissen schauen. In einer Archi- valienpräsentation gab es Originale aus acht Jahrhunderten zu bestaunen, die zugleich einen Querschnitt der Überlieferung vermit- telten. Reger Besucherandrang im Bergarchiv Freiberg Foto: Frank Peschel Auch die gezeigten Filmausschnitte stießen auf reges Interesse – da ging es um Au- tos aus Zwickau und die Stadtentwicklung von Karl-Marx-Stadt. Einen Schwerpunkt des Tages der Archive 2010 bildete die Si- cherung des kulturellen Erbes – eine Kern- aufgabe der Archive. So erfuhren die Be- sucher, mit welchen Techniken und Verfah- ren die Archivare versuchen, das ihnen an- vertraute Kulturgut für die Ewigkeit aufzu- bewahren und für künftige Generationen zu erhalten.

Schüler und Studenten konnten sich über die Ausbildung und Berufsperspektiven im Ar- chivwesen informieren, und Lehrer, die mit ihren Schülern das Archiv benutzen möchten, erhielten ein speziell für sie erstelltes Infopa- ket. Mit 269 Besuchern konnte in Chemnitz ein Rekordergebnis erreicht werden – der Er- folg beweist das hohe Interesse und die Ver- Präsentation ausgewählter Archivalien im Staatsarchiv Chemnitz Foto: Jutta List

Sächsisches Archivblatt Heft 1-2010 | 3 Besucher die Möglichkeit, sich über die Arbeit der Bergarchivare im Schloss Freudenstein zu informieren. Gezeigt wurden Archivalien aus dem reichen Bestand des Archivs, und an verschiedenen Stationen wurden die Tä- tigkeiten der Archivare aus den Bereichen Erschließung, Verwahrung, Erhaltung und Überlieferungsbildung demonstriert. Etwa 80 Besucher nahmen die Möglichkeit wahr, mit einer der fünf Führungen auch das Magazin und die Werkstatt des Archivs zu besichtigen, welche normalerweise für die Öffentlichkeit nicht zugänglich sind. In der Werkstatt konn- ten die Besucher Archivgut sinnlich erfassen: Wie fühlt sich Pergament an? Was macht der Säurefraß aus modernen Papieren? Auch der Verwaltungsbereich des Archivs war geöff- net. Die bemerkenswert bunte Farbgebung der Archivräume, die in der Vergangenheit wiederholt zu kontroversen Diskussionen Vorträge zur „Zeitreise durch die Leipziger Kriminalgeschichte“ Foto: Armin Junghans geführt hatte, wurde im architektonischen Gesamtzusammenhang erläutert. Die Terra zur Vermittlung von weiterführenden Infor- von der Gänsefeder über die Schiefertafel bis Mineralia, der große Nachbar des Bergarchivs, mationen. Diese durch eine Bildpräsentation zum Buntstift nachvollzogen werden konnte. hatte dankenswerter Weise vier Minerale zur illustrierten Vorträge stellten einzelne Krimi- Leuchtende Kinderaugen nach der Rettung Verfügung gestellt. Am Objekt konnten so die nalfälle aus Leipzig und Umgebung näher vor. der Archivmaus im Magazinbereich kündeten Farben erläutert werden: Das Violett des Ein- Mit Interesse verfolgten die Teilnehmer nicht auch hier vom Erfolg der engagierten Archiv- gangsfoyers geht auf den Amethyst zurück, nur die Hintergründe der Gerichtsverfahren, pädagogen. Die Schreibübungen entwickelten das Grün des Verwaltungstrakts auf das Flu- sondern auch den Wandel im Strafrecht und sich vielfach zum Programm für die ganze orit, das Gelb in den Magazinen und an der der sächsischen Justizorganisation vom 15. Familie. Lesesaaltheke auf Schwefel und das Weiß im bis zum 20. Jahrhundert. Lesesaal auf den Calcit. Die Besucher, die erst- Über Besucherandrang freuten sich auch die malig mit dieser ungewöhnlichen Farbigkeit Der Ansturm auf die einzelnen Stationen hat anderen Leipziger Archive, die sich am Tag der konfrontiert werden, sind ähnlich überrascht die beteiligten Archivare positiv überrascht, Archive beteiligten. Die sieben Einrichtungen wie der Bergmann, der in der Dunkelheit un- auch angesichts der nicht optimalen äuße- hatten ihre Öffnungszeiten vorab koordiniert ter Tage plötzlich auf die buntesten Minerale ren Bedingungen (10 Zentimeter Neuschnee und einen gemeinsamen Flyer unter Federfüh- trifft. und eine zögerliche Pressewerbung). Die Ori- rung des Stadtarchivs gedruckt. Eine gemein- ginalakten und Bildpräsentationen fanden same Pressekonferenz stimmte die Medien Staatsarchiv Leipzig ebenso großes Interesse wie die allgemeinen auf das Ereignis ein. Der Tag der Archive ist in Informationen zum Archiv: statt der geplan- Leipzig durch die zunehmend professionelle Für den Tag der Archive hatten die Mitar- ten vier Archivführungen sind sechs größere Vorbereitung und Werbung beim interessier- beiter des Staatsarchivs Leipzig das Motto Gruppen durch die Magazine und Werkstätten ten Publikum durchaus angekommen, ohne „Kriminalfälle ans Licht geholt“ gewählt. Um geführt worden. Rege kontaktiert wurden die zu einer Massenveranstaltung zu mutieren. diesen Gedanken rankten sich alle Angebote Ansprechpartner für die genealogische Über- für das Publikum. Im Zentrum standen die lieferung, die Benutzungsmöglichkeiten und Präsentation und Erläuterung von Kriminal- Fragen der Bestandserhaltung. Dabei hat sich akten, die den gesamten Lesesaal einnahmen. der Mix aus ganztägigen und zeitgebundenen Hier konnten spektakuläre Prozesse verfolgt Angeboten durchaus bewährt. Auffallend im werden, die von Münzfälschung über Gemäl- Vergleich zu vorangegangenen Veranstaltun- dediebstahl bis zum Mord reichten, der im gen war die lange Verweilzeit vieler Besucher 18. Jahrhundert noch mit dem Tod durch das im Staatsarchiv: nicht selten wurden alle Schwert bestraft wurde. Staunen riefen die „Stationen“ durchlaufen, was 2–3 Stunden in vielfältigen Beweismittel in den Akten hervor: Anspruch nahm. Die durchweg positiven Re- Giftfläschchen, Tatortfotos, Fingerabdrücke aktionen des Publikums beinhalteten häufig und zahlreiche beschlagnahmte Gegenstände. Vergleiche mit der Museumsnacht und Wün- Auf die Spuren berühmter Straftäter begaben sche nach einem jährlichen Rhythmus des Hans-Christian Herrmann sich die Besucher ebenso gern, hier stand der Tags der Archive. Staatsarchiv Chemnitz Abenteuerschriftsteller Karl May im Mittel- punkt und wurde flankiert von inhaftierten Erstmalig richtete sich ein eigenständiger Peter Hoheisel Revolutionären des 19. und 20. Jahrhunderts. Themenblock im Staatsarchiv Leipzig an Bergarchiv Freiberg Komplementär zur Archivalienschau bot eine Kinder. Das Detektivspiel zur Rettung der zweimal angebotene „Zeitreise durch die Archivmaus Archibald wurde ergänzt durch Birgit Richter Leipziger Kriminalgeschichte“ die Möglichkeit die Schreibwerkstatt, in der Schriftgeschichte Staatsarchiv Leipzig

4 | Sächsisches Archivblatt Heft 1-2010 Projekt „Langzeitspeicherung und elektronische Archivierung“ (LeA) gestartet

Der Umgang mit den in Verwaltung und Jus- bis Mitte 2011 einen Langzeitspeicher und ein archiv auszusondern (Langzeitspeicherung). tiz entstehenden Unterlagen ist in Rechts- elektronisches Archiv nach den archivfach- Das Sächsische Staatsarchiv soll die archiv- vorschriften geregelt. Aus Rechtsvorschriften lichen Vorgaben des Sächsischen Staatsar- würdigen Unterlagen dauerhaft elektronisch sowie aus dem Zweck der Aufbewahrung er- chivs im Staatsbetrieb Sächsische Informatik vorhalten (Elektronische Archivierung). Die geben sich Aufbewahrungsfristen von 10, 30 Dienste (SID) technisch umzusetzen. Im Zuge Projektergebnisse sollen prinzipiell aber auch und mehr Jahren, die grundsätzlich auch für der Umstrukturierungen im Anschluss an die für eine spätere Nutzung durch die Kommu- elektronische Unterlagen gelten. Jede Unter- Landtagswahl 2009 ist nun das Sächsische nen übertragbar sein. Konkrete Vorkehrungen lagen erzeugende Stelle ist selbst für die re- Staatsministerium der Justiz und für Europa bzw. eine explizite Einbindung der Kommunen visionssichere Aufbewahrung verantwortlich für die Umsetzung des Kabinettsbeschlusses sind aber nicht originärer Projektbestandteil. und führt dezentrale Altregistraturen. Dies verantwortlich. Auf dieser Basis wurden die bedeutet, dass die Aufgabe der Langzeitspei- Vorarbeiten für das Projekt „Langzeitspeiche- Zur Erfüllung der Zielstellungen sind durch cherung, also die Aufbewahrung der Unterla- rung und elektronische Archivierung (LeA)“ das Gesamtprojekt zahlreiche Aufgaben zu gen bis zum Ablauf der Aufbewahrungsfrist geleistet, das im August 2009 begonnen hat. erledigen. Diese sind im Einzelnen: im Sinne einer elektronischen Altregistratur, Grundlage für das Projekt bildet das mit o. g. 1. Erhebung und Analyse der in der Staatsver- von den Behörden, Gerichten und sonstigen Kabinettsbeschluss bestätigte und 2008 vom waltung eingesetzten Fachverfahren öffentlichen Stellen des Freistaates Sachsen Sächsischen Staatsarchiv erarbeitete „Rah- 2. Evaluierung ausgewählter Lösungen ande- in eigener Verantwortung wahrgenommen menkonzept zur Langzeitspeicherung und rer Verwaltungen und Archive im Bereich wird. elektronischen Archivierung“. Als Teilprojekt Langzeitspeicherung und elektronische Ar- des Vorhabens ITgVB gliedert sich das Projekt chivierung Nach Ablauf der Aufbewahrungsfristen sind LeA damit in die eGovernment-Strategie des 3. Erarbeitung von Fachkonzepten und Las- alle Unterlagen dem Sächsischen Staatsar- Freistaates ein. tenheften für die Langzeitspeicherung und chiv anzubieten. Das Staatsarchiv entscheidet elektronische Archivierung abschließend über die Archivwürdigkeit und Ziel des Projekts ist der Aufbau und die Betrei- 4. Erarbeitung von Organisationskonzepten übernimmt in der Regel nur einen kleinen Teil bung eines landesweit einheitlichen Langzeit- für die personelle, finanzielle und organi- der Unterlagen (1–3 %), dem ein bleibender speichers und elektronischen Archivs sowie satorische Umsetzung der Langzeitspei- Wert z. B. für Regierung und Verwaltung, für die Definition der Anforderungen bezüglich cherung und elektronischen Archivierung Wissenschaft und Forschung oder für die Langzeitspeicherung und elektronischer Ar- im Freistaat Sachsen Sicherung berechtigter Belange betroffener chivierung für bestehende IT-Verfahren (z. B. 5. Erstellung der Verdingungsunterlagen zur Personen und Institutionen oder Dritter zu- durch die Formulierung von Schnittstellen). Beschaffung kommt. Das Projekt dient grundsätzlich der Vorbe- 6. Beschaffung der notwendigen technischen reitung und dem Aufbau eines Langzeitspei- Hardware, Software und Dienstleistungen Der Bedarf an einer Gesamtlösung zur Lang- chers und elektronischen Archivs im Frei- 7. Aufbau der Produktivsysteme für die Lang- zeitspeicherung ergibt sich zum Einen aus staat Sachsen. Die Behörden des Freistaates zeitspeicherung und elektronische Archi- den Anforderungen im Rahmen der Einfüh- sollen hierdurch in die Lage versetzt werden, vierung. rung des landeseinheitlichen Dokumenten- auch elektronische Unterlagen rechtssicher management- und Vorgangsbearbeitungs- aufzubewahren und nach Ablauf der Auf- Um diese komplexe Aufgabenstellung effizi- systems (DMS/VBS), VIS.SAX, in den Ressorts bewahrungsfrist an das Sächsische Staats- ent zu erledigen, gliedert das Projekt sich in im Freistaat Sachsen und zum Anderen aus dem grundsätzlichen Langzeitspeicherbe- darf von Fachverfahren in der sächsischen Staatsverwaltung. Zudem verfügt das Säch- Lenkungsausschuss (SMI, SID, StA) sische Staatsarchiv bisher nicht über ein elektronisches Archiv, um auch elektronische Unterlagen dauerhaft übernehmen zu kön- nen. Langzeitspeicherung und elektronische Archivierung sind insofern eine wesentliche Projektleitung Projektcontrolling (StA) (Fa. IMTB) Voraussetzung für die Erreichung der Ziele der E-Government-Strategie des Freistaates Sachsen und stellen eine Daueraufgabe im Kontext der IT-gestützten Vorgangsbearbei- tung (ITgVB) sowie der elektronischen Akten- führung dar. Teilprojektteam Teilprojektteam Teilprojektteam Langzeitspeicherung Elektr. Archivierung Informationstechnik (SMI) (StA) (SID) In Anbetracht dessen wurde mit Beschluss des Kabinetts vom September 2009 das Sächsi- sche Staatsministerium des Innern beauftragt, Projektstruktur LeA

Sächsisches Archivblatt Heft 1-2010 | 5 einen Lenkungsausschuss mit je einem Ver- Das elektronische Archiv dient im Rahmen chiv erarbeitet. Darüber hinaus sind eine Ist- treter des Sächsischen Staatsministeriums des gesetzlichen Auftrages des Sächsischen Erfassung und Auswertung der im Freistaat des Innern, des Sächsischen Staatsarchivs Staatsarchivs zur dauerhaften Aufbewahrung Sachsen im Einsatz befindlichen Fachverfah- und des Staatsbetriebs Sächsische Informatik elektronischer Unterlagen, denen ein blei- ren durchgeführt sowie Crawl-Tests zur Ar- Dienste, die Gesamtprojektleitung, die dem bender Wert zukommt. Bei der Auswahl der chivierung der Websites der Domäne „sach- Sächsischen Staatsarchiv übertragen wurde, archivwürdigen Unterlagen ist auch eine Ent- sen.de“ abgeschlossen worden. und die Teilprojekte „Langzeitspeicherung“ scheidung darüber zu treffen, ob und wenn unter Leitung des Sächsischen Staatsminis- ja welche Funktionalitäten der elektronischen Als nächste Schritte sind Tests zur Konvertie- teriums des Innern, „elektronische Archivie- Unterlagen im Einzelfall erhalten werden rung in ein Archivstandardformat (PDF oder rung“ unter Vorsitz des Sächsischen Staats- sollen und können. Dem elektronischen Ar- PDF/A), der Abschluss der Evaluierung ausge- archivs und „Informationstechnik“ unter chiv kommt deshalb die Aufgabe zu, archiv- wählter Lösungen anderer Verwaltungen und Federführung des Staatsbetriebs Sächsische würdige elektronische Unterlagen aus dem Archive sowie die Erarbeitung der Organisa- Informatik Dienste. Langzeitspeicher, Daten aus Fachverfahren, tionskonzepte und der Lastenhefte geplant. Websites der Domäne „sachsen.de“ und nicht Nach der Projektinitialisierung wird 2010 die Der Langzeitspeicher ist der zentrale Aufbe- zuletzt auch digitale audiovisuelle Objekte zu Verfahrensplanung abgeschlossen und mit wahrungsort elektronischer Unterlagen aus übernehmen, das elektronische Archivgut für der Verfahrensrealisierung und Implementie- dem in der Staatsverwaltung eingesetzten unbegrenzte Zeit in einer jederzeit lesbaren rung begonnen, die sich über das Jahr 2011 Vorgangsbearbeitungssystem eVA.SAX und Form zu speichern und jeweils eine Plattform bis 2012 hinziehen wird. Im Ergebnis werden aus Fachverfahren mit Langzeitspeicherbe- für die notwendigen Erhaltungsmaßnahmen 2012 ein Langzeitspeicher und ein elektro- darf aller Behörden, Gerichte sowie sonstiger sowie für die Erschließung und Nutzung be- nisches Archiv als landeseinheitliche Infra- öffentlichen Stellen des Freistaates Sachsen. reitzustellen. strukturkomponente im Staatsbetrieb Sächsi- Wesentliche Funktion des Langzeitspeichers sche Informatik Dienste in Betrieb genommen ist daher die datenschutzgerechte Gewähr- Seit der Auftaktveranstaltung wurde für die werden können. leistung der Recherchierbarkeit, Lesbarkeit, Mitglieder der Projektgruppe eine zentrale Reproduzierbarkeit, Revisionssicherheit und Projektablage im Landesweb eingerichtet, das Authentizität elektronischer Unterlagen für Projekthandbuch vom Lenkungsausschuss die Dauer der gesetzlich vorgeschriebenen abgenommen und die Fachkonzepte für den Burkhard Nolte Aufbewahrungsfrist. Langzeitspeicher und das elektronische Ar- Zentrale Aufgaben, Grundsatz

Zum 200. Geburtstag von Robert Schumann – in einer Prozessakte geblättert

Im Jahr 2010 wird der 200. Geburtstag von und wandte sich nun ganz dem Komponie- Robert Schumann mit zahlreichen musikali- ren und Dichten zu. Zusammen mit anderen schen Veranstaltungen und Ausstellungen, Mitstreitern, zu denen damals noch Friedrich besonders an seinen Wirkungsstätten, be- Wieck gehörte, gründete er im April 1834 in gangen. Als sechstes Kind des Schriftstellers Leipzig die „Neue Zeitschrift für Musik“, in und Verlegers August Schumann wurde Ro- der er modernen Musikformen ein Podium bert am 8. Juni 1810 in Zwickau geboren und bot, zahlreiche Musikkritiken schrieb und die verbrachte hier seine Kindheit und frühe Ju- er bis 1844 auch redigierte. Bereits Ende April gend. Neben Zwickau ist Leipzig die Stadt, in 1833 war Schumann erstmals öffentlich mit der Schumann die längste und wohl auch die seiner g-Moll-Sinfonie im Leipziger Gewand- glücklichste Zeit seines kurzen Lebens ver- haus aufgetreten, wobei Clara Wieck, die seit brachte. Als 18-jähriger begann er hier Jura ihrem 9. Lebensjahr als Klaviervirtuosin ein zu studieren und nahm nebenher Klavier- international gefeiertes Wunderkind war, den stunden bei dem Klavierpädagogen Friedrich ersten Satz spielte. Wieck. Ein Jahr später setzte Schumann sein Jurastudium ohne ernsthafte Bemühungen Clara wurde bald Robert Schumanns große für drei Semester in Heidelberg fort, um 1830 Liebe, sehr zum Leidwesen ihres Vaters. Ver- der Juristerei völlig zu entsagen und sich geblich versuchte Friedrich Wieck fortan mit fortan ausschließlich der geliebten Musik zu Verboten und der zeitweiligen „Verbannung“ widmen. Nach Leipzig zurückgekehrt, wurde seiner Tochter nach Dresden alle Kontakte Schumann von Wieck zum Pianisten ausge- zwischen Clara und Robert zu unterbinden, bildet und lernte in dessen Haus Wiecks da- und verweigerte hartnäckig seine Zustim- Akte des Appellationsgerichts Leipzig zum Rechts- mals 11-jährige Tochter Clara kennen. Infolge mung zur Heirat. Er hatte seine Tochter von streit von Robert Schumann und Clara Wieck gegen Friedrich Wieck, 1839/40 (Ausschnitt aus einem einer dauerhaften Sehnenverletzung musste frühester Kindheit an zu einer gefeierten Dokument) Schumann 1833 das Klavierspielen aufgeben Konzertpianistin herangebildet und finanziell StA-L, 20057 Appellationsgericht Leipzig, Nr. 765

6 | Sächsisches Archivblatt Heft 1-2010 Robert Schumann, Porträt von Josef Kriehuber, 1839 Clara Wieck, Lithographie von Andreas Staub, 1838 wie ideell stark von ihren Erfolgen profitiert. und Undankbarkeit. Er beklagte ferner, dass Tobias Haslinger in Wien. Zudem erbrachte Die damit auch für ihn verbundenen Vortei- Schumann sich nächtelang in Wirtshäusern Schumann Beweise seines anerkannten Rufes le wollte Wieck natürlich nicht verlieren. Um herumtriebe, Verhältnisse zu anderen Frau- in der europäischen Musikwelt. Er legte dem dennoch heiraten zu können, mussten Clara en unterhalte und seine Tochter „gar nicht Gericht Empfehlungsschreiben, Nachweise für Wieck und Robert Schumann eine gerichtliche wahrhaft liebt“, sondern die Verbindung nur Mitgliedschaften in renommierten Gesellschaf- Entscheidung erwirken. Sie wandten sich am eingehen wolle, um sich mit Claras Ruhm zu ten sowie Beiträge von ihm und über ihn in Pa- 16. Juli 1839 an das zuständige Appellations- schmücken und sie für die Aufführung seiner riser Musikzeitschriften vor. Schließlich konnte gericht Leipzig und baten um Vermittlung des Klavierkompositionen zu benutzen. Da sich die er auch eine am 26. Februar 1840 von der Phi- Gerichtes bei Friedrich Wieck, um diesen zur Klärung der gerichtlichen Auseinandersetzung losophischen Fakultät der Universität Jena ver- „Ertheilung seiner väterlichen Zustimmung mit Anhörungen, Vorlage von Beweismitteln liehene Ehrendoktorwürde vorweisen. Die Prü- zu unserem ehelichen Bunde“ zu bewegen. und Gegendarstellungen noch einige Monate fung des bisherigen Verfahrens in Leipzig sowie Nachdem im September 1839 eine gütliche hinzog, bedienten sich beide Seiten anwaltli- weiterer Aussagen und Beweismittel durch das Einigung in mündlicher Verhandlung vor Ge- cher Vertretung. Nachdem das Gericht beide angerufene höchste Gericht im Königreich richt scheiterte, wurde der nunmehr beklagte Parteien mehrfach gehört und Erkundigungen Sachsen wurde bereits nach einem Monat ab- Vater Wieck vom Appellationsgericht aufge- eingezogen hatte, erteilte es am 4. Januar 1840 geschlossen. Am 12. März 1840 bestätigte das fordert, ausführlich die Gründe für die Ver- den „Eheconsens“ und entschied damit für den Oberappellationsgericht Dresden das Leipziger weigerung seiner Zustimmung darzulegen. Antrag des jungen Paares. Urteil vom Januar und begründete seine letz- tinstanzliche Entscheidung ausführlich. Nach Mitte Dezember 1839 fuhr Friedrich Wieck in Daraufhin ging Friedrich Wieck beim Oberap- Ablauf der Fristen und dem Verzicht weiterer einem 25-seitigen eigenhändigen Brief an das pellationsgericht in Dresden in Berufung, um Einwendungen durch Wieck wurde am 1. Au- Gericht „schwere Geschütze“ gegen seinen un- die Eheschließung weiter zu verzögern oder gust 1840 das Urteil durch das Appellations- gewollten künftigen Schwiegersohn auf. Darin noch zu verhindern. Robert Schumann legte gericht Leipzig rechtskräftig verkündet, so dass zählte er die menschlichen Fehler in Charakter nun ausführlich seine wirtschaftlichen Ver- einer Heirat von Robert und Clara nun nichts und Lebensweise von Robert Schumann auf, der hältnisse offen. Diese hatten sich 1836 durch mehr im Wege stand. nicht in der Lage sei, eine Familie zu ernähren eine Erbschaft von 3.600 Talern aus dem Nach- und seine begabte Tochter ins Unglück stürzen lass seiner Mutter stabilisiert und beruhten auf Die Hochzeit fand am 12. September 1840, einen würde. Neben den zerrütteten wirtschaftlichen laufenden Einkünften durch Redaktionsarbei- Tag vor Claras 21. Geburtstag, in der Dorfkirche Verhältnissen Schuhmanns verwies Wieck auf ten sowie Honoraren für die Veröffentlichung von Schönefeld (heute Stadtteil von Leipzig) dessen Neigungen zur Trunksucht und Eitel- seiner Kompositionen bei namhaften Musik- statt. Den Nachmittag verbrachte das frisch keit, zu Unbesonnenheit, Eigensinn, Egoismus verlagen wie Breitkopf & Härtel in Leipzig oder vermählte Paar im Gutshaus und Park Mölkau

Sächsisches Archivblatt Heft 1-2010 | 7 und bezog am nächsten Tag eine große Woh- Nach einer viermonatigen und musikalisch Eine Reihe aufschlussreicher Fakten und Hin- nung in einem 1838 im spätklassizistischen Stil wie finanziell erfolgreichen Russlandreise tergründe zur Biografie von Clara und Robert erbauten Haus in der Inselstraße 5 (heute 18). des Ehepaars, siedelte Schumann noch 1844 Schumann verdanken wir der im Staatsarchiv Als Hochzeitsgeschenk erhielt Clara den Lie- auf Anraten seines Arztes mit seiner Frau und Leipzig überlieferten, mehr als hundert Blatt derzyklus „Myrthen“ op. 25 mit einer Widmung den beiden ältesten Töchtern Marie und Elise umfassenden Gerichtsakte (1839/40) im Be- von Robert. Die folgenden Monate zählten zu nach Dresden über. 1850 zog die inzwischen stand Appellationsgericht Leipzig, die auch den glücklichsten und schaffensreichsten im achtköpfige Familie nach Düsseldorf, wo Ro- einige interessante Beilagen wie die Urkun- Leben Robert Schumanns. In schneller Folge bert ein Angebot als Städtischer Musikdirek- de der Universität Jena zur Ehrenpromotion komponierte er etwa 150 Klavierlieder. Häufig tor annahm. Seine Frau Clara gab während Schumanns enthält. Diese Akte, die einen fanden im Salon Hauskonzerte und Treffen mit der Ehejahre viele Konzerte, ging auf Tour- der berühmtesten Eheprozesse der Musikge- bekannten Musikern und Komponisten wie Ri- neen, machte so die Werke ihres Mannes schichte widerspiegelt, wird zusammen mit chard Wagner, Franz Liszt und Felix Mendels- populär und assistierte ihm bei der Leitung handschriftlichen Briefen von Robert und sohn Bartholdy statt. Zwischen Januar und des Düsseldorfer Orchesters und Chores. Clara Schumann aus dem Leipziger Musik- März 1841 entstand die „Frühlingssinfonie“, Schon bald verschlechterte sich Schumanns verlag Friedrich Hofmeister anlässlich des die bereits am 31. März von Mendelssohn im Gesundheitszustand so stark, dass er kaum 200. Geburtstages von Robert Schumann ab Gewandhaus uraufgeführt wurde. Diesem ver- noch öffentlich auftreten und komponieren 8. Juni 2010 in einer kleinen Ausstellung im dankte Schumann auch seine Anstellung als konnte. Die letzten beiden Lebensjahre bis Foyer des Staatsarchivs Leipzig gezeigt. Lehrer für Klavier und Komposition am Leip- zu seinem Tod am 29. Juli 1856 verbrachte ziger Konservatorium ab 1843. Schließlich kam Robert Schumann auf eigenen Wunsch in es Ende 1843 auch zu einer Aussöhnung mit einer privaten Nervenheilanstalt in Endenich Gerald Kolditz dem Schwiegervater Friedrich Wieck. bei Bonn. Staatsarchiv Leipzig

François Cuvilliés´ Entfestigungsplanung für Dresden von 1761

Angesichts der verheerenden Zerstörungen Dem nach Warschau geflohenen Hof war seit einer Neuordnung der unregelmäßigen und des Jahres 1945 ist das bis dahin einschnei- November 1758 die große Gefahr bewusst, die weitgehend zerstörten Vorstädte wurde gar dendste Ereignis der Stadtgeschichte Dres- von der bloßen Existenz der militärisch längst nicht erst in Betracht gezogen. dens weitgehend in Vergessenheit geraten: sinnlos gewordenen Festungswerke des 16. Im Juli 2010 jähren sich die Belagerung und Jahrhunderts im Falle einer Belagerung für Schwarze korrespondierte über seine Planun- Bombardierung der Stadt durch die Truppen die Residenz ausging. Zur Vermeidung eines gen mit dem königlichen Hof in Warschau, Friedrichs II. von Preußen während des Sie- Bombardements befahl König August III. des- insbesondere mit Premierminister Heinrich benjährigen Krieges zum zweihundertfünf- halb bereits im folgenden Jahr gegen den Wi- von Brühl und dessen Gemahlin, mit deren zigsten Mal. Die befestigte sächsische Resi- derstand der Militärs die baldestmögliche De- Wünschen und Erwartungen sich der Ober- denzstadt war seit September 1756 durch die molierung der Festung durch Abtragung der landbaumeister auseinanderzusetzen hatte. preußische Armee besetzt, die angesichts der Wälle und Zuschüttung des Grabens; mit der Parallel dazu wurde im Zeitraum vom Januar anrückenden Reichsarmee bereits im Novem- Erörterung der damit zusammenhängenden 1760 bis Januar 1762 das nach München ge- ber 1758 und im August 1759 große Teile der Sachfragen wurde die Militäroberbaukom- flohene Kurprinzenpaar Friedrich Christian Vorstädte fast vollständig abgebrannt hatte, mission betraut, der als einziges ziviles Mit- (1720–1763) und Maria Antonia (1724–1780) um ein freies Schussfeld zu erhalten. Im Som- glied der Oberlandbaumeister Julius Heinrich von den Planungen in Kenntnis gesetzt. Es ist mer 1760 wagte Friedrich die Belagerung und Schwarze (1706–1775) angehörte. Dieser fer- anzunehmen, dass der künstlerisch vielfältig Erstürmung der inzwischen von den Österrei- tigte in den folgenden Jahren zahlreiche Pla- interessierten Kurprinzessin die in Schwarzes chern eingenommenen Stadt, die durch ein nungen zur „Vereinigung der Stadt mit ihren Entwürfen zutage tretenden Mängel sofort be- massives Bombardement eingeleitet werden Vorstädten“ an. Schwarze war zur Vermeidung wusst wurden, so dass sie sich veranlasst sah, sollte, jedoch am Widerstand der Verteidiger von Entschädigungsforderungen die Respek- den bayerischen Hofbaumeister François Cuvil- scheiterte. Die von mehreren Batterien abge- tierung der Eigentumsverhältnisse zur Auf- liés d. Ä. (1695–1768), dessen Werke sie sehr feuerten Geschosse legten vom 19. bis zum lage gemacht worden, was die Ausarbeitung bewunderte, mit der Erarbeitung eines alterna- 22. Juli innerhalb der Festungsmauern, vor al- einer großzügigen und den künftigen Bedürf- tiven Vorschlags zu beauftragen. Dieses „Pro- lem im südöstlichen Teil der Stadt, 227 Häu- nissen der Stadt gerecht werdenden Planung ject zu Ausfüllung des Grabens bey der König- ser in Schutt und Asche und beschädigten 37 verhinderte, da sich der Festungswall und der lichen Residenz Stadt Dresden“ hat sich in der weitere Gebäude. Die schließlich abziehenden schmale Geländestreifen auf der Außenseite Karten- und Risssammlung des Hauptstaatsar- Belagerer steckten zudem den südwestlichen des Grabens, die so genannte Contrescarpe, chivs (12884, Fach 145, Nr. 12a) erhalten und Bereich der Wilsdruffer Vorstadt in Brand, seit Ende der 1740er-Jahre in Privatbesitz stellt eine der großartigsten städtebaulichen so dass insgesamt 374 Vorstadthäuser den befanden. Die Anlage öffentlicher Promena- Planungen des 18. Jahrhunderts dar. Ereignissen zum Opfer gefallen waren. Letzt- den und Plätze sowie der Durchbruch neuer endlich lag im Sommer 1760 etwa ein Drittel Straßen in nennenswerter Anzahl waren von Anstelle der verwinkelten und kleinlichen der linkselbischen Stadt in Trümmern. vorneherein ausgeschlossen. Die Möglichkeit Berücksichtigung des Bestandes in Schwar-

8 | Sächsisches Archivblatt Heft 1-2010 Rahmen der Entfestigungsprojekte erscheint mit ihm zum einzigen Mal eine Vision von ei- nem Stadtumbau, der dem Anspruch an eine königliche Residenzstadt gerecht zu wer- den versucht. In der grandiosen Anlage der Ringallee scheint unverkennbar das Vorbild Paris auf, wo Ludwig XIV. bereits seit 1664 die Schleifung der Festungsanlagen verfügt hatte, um auf dem aufgelassenen Gelände die großen Boulevards anzulegen. Die weit- gehende Missachtung der tatsächlichen ört- lichen Gegebenheiten und die zerrütteten Staatsfinanzen machten eine Verwirklichung des Entwurfs jedoch unmöglich; das Projekt eines Schlossneubaus wird den Zeitgenos- sen erst recht utopisch erschienen sein.

Schwarzes das Privateigentum weitgehend respektierende Planung blieb in der Folge- zeit bestimmend. Mit ihrer Umsetzung hat- te man im Sommer 1763 bereits begonnen, ehe nach dem Tod Augusts III. die Arbeiten eingestellt und die Festung für weitere Jahr- zehnte beibehalten wurde. Tragischerwei- se ergriff man auch bei der tatsächlichen Durchführung der Demolition 1809–1827 nicht die Gelegenheit zur Verwirklichung einer großzügigen Planung, wie sie bereits Ende des 18. Jahrhunderts beispielhaft in François Cuvilliés d. Ä., Entfestigungsplan für die Residenz Dresden, 1761 (Ausschnitt; vgl. die Abb. auf S. 32) Leipzig realisiert worden war, so dass aus- StA-D, 12884 Karten und Risse, F. 145, Nr. 12a gerechnet die unter anderem aufgrund ih- rer architektonischen Schönheit berühmte zes Projekten sah Cuvilliés in großzügiger freiwerdende Gelände zum großen Teil hätte sächsische Hauptstadt über keine vergleich- Geste die Anlage eines 45 m breiten, von zugeschlagen werden sollen. Lediglich der bar repräsentative Anlage anstelle des ehe- doppelten Baumreihen begleiteten Boule- Boulevard hätte als öffentlich genutzter maligen Festungsringes verfügte. Hieran vards an der Außenseite des zuzuschütten- Raum gedient. Der eigentliche Zweck der sollte sich bis 1945 nichts ändern. den Festungsgrabens vor. Kreisförmige oder Festungsdemolition, die „Vereinigung der quadratische Platzanlagen am Übergang zu Stadt mit ihren Vorstädten“, wäre hingegen Cuvilliés‘ Entwurf gelangte nach ausführ- den in die Vorstädte führenden Straßen soll- gar nicht zustande gekommen. Mit der An- lichen Diskussionen über seine Vor- und ten den Boulevard gliedern und die Eingänge lage einer Zollmauer auf der Außenseite des Nachteile, an denen auch Friedrich August in die innere Stadt akzentuieren; deren vom Boulevards wären selbst die unbeschädigt Krubsacius (1718–1789), der Architekt des Bombardement betroffene Bereiche sind auf gebliebenen Bereiche der westlichen Vor- Dresdner Landhauses, beteiligt war, wohl dem Plan schwarz angelegt. Das spektaku- städte völlig von der Stadt abgeschnitten bald nach 1762 in die Akten des Geheimen lärste Element des Entwurfs ist jedoch die und in ihrer Existenz in Frage gestellt wor- Kabinetts und wurde später in die Karten- weiträumige Anlage eines neuen Residenz- den. Die Stadt hätte nach der Intention Cu- und Risssammlung des Hauptstaatsarchivs schlosses auf dem ehemaligen Festungs- villiés‘ an der Zollmauer geendet, folgerich- eingegliedert. Hier verlor sich zu Beginn des gelände nordwestlich des Zwingers, dessen tig verzichtete er mit Ausnahme der radial letzten Jahrhunderts seine Spur. Er galt fast langgestrecktem Vorhof der alte Schlossbau ausstrahlenden Hauptstraßen auf Vorschlä- 85 Jahre lang als verschollen, konnte jedoch geopfert werden sollte. Weiter nach Nord- ge zur Gestaltung des außerhalb liegen- im Herbst 2009 bei Recherchen im Rahmen westen hätte sich in das Ostragehege eine den Geländes. Wahrscheinlich besaß er als eines Forschungsprojekts im Bestand des grandiose Gartenanlage mit Rasenparterres, Grundlage seiner Planung lediglich eine Hauptstaatsarchiv identifiziert und wieder Laubengängen, zahlreichen Wasserspielen der kleinformatigen Schadensaufnahmen zugänglich gemacht werden. Zusammen mit und einem langen Kanal erstreckt. Gegen- Schwarzes, aus denen die tatsächliche Aus- einer 1986 durch Erich Honecker an die da- über dem gigantischen Komplex wirkt die dehnung der Vorstädte gar nicht ersichtlich malige Sächsische Landesbibliothek (heute kleinteilig gegliederte Stadt wie ein regello- war; über genauere Ortskenntnis verfügte er SLUB Dresden) geschenkten Zweitausferti- ses, der Neugliederung dringend bedürfen- jedenfalls nicht. gung stehen nun beide bekannten Exemp- des Anhängsel. lare des Cuvilliés‘schen Entwurfs an dem Ort Trotz mancherlei Einschränkungen wäre Cu- der Forschung zur Verfügung, für den sie vor Auch der bayerische Hofbaumeister wagte villiés‘ Boulevard im Falle seiner Umsetzung knapp 250 Jahren angefertigt wurden. es jedoch nur ansatzweise, den Kranz der im Heiligen Römischen Reich einzigartig Privatgrundstücke um die Innenstadt an- gewesen und hätte auch langfristig den Be- Tobias Knobelsdorf zutasten, dem das durch die Entfestigung dürfnissen der wachsenden Stadt genügt. Im Technische Universität Dresden

Sächsisches Archivblatt Heft 1-2010 | 9 Von Glauchau nach Brasilien – Auswandererbriefe im Staatsarchiv Chemnitz

einem zweiten Prozess freigesprochen. Dörf- aus Nürnberg geschenkt, dem als Ururgroß- fel konnte danach jedoch in Glauchau nicht neffen Dörffels die sachgerechte Verwahrung wieder Fuß fassen und entschloss sich zum und öffentliche Nutzung der Dokumente ein Neuanfang in Brasilien. Nur drei Jahre nach wichtiges Anliegen ist. Im Jahr 2006 ließ Gün- der Ankunft der ersten deutschen Siedler in ter Kretzschmar die Briefe auf eigene Kosten Dona Francisca ließen sich Ottokar Dörffel in der Werkstatt der Stadtbibliothek Nürnberg und seine Ehefrau Ida in Südbrasilien nieder. restaurieren und in alterungsbeständiges Pa- pier verpacken. Das Staatsarchiv Chemnitz Die Startbedingungen für die beiden waren al- erhielt die Unterlagen in konservatorisch ein- les andere als rosig: „Der Zustand, in welchem wandfreiem Zustand. wir die Colonie angetroffen, war selbst den geringen Erwartungen keineswegs entspre- Für die übergebenen Dokumente wurde der chend. Die Lebensmittel sind so theuer, ein Bestand 32875 Nachlass Ottokar Dörffel Miethlogis gar nicht vorhanden. Wir mußten gebildet und Anfang 2010 erschlossen. Die Karte von Brasilien, Bearbeitung: Judith Matzke uns in eins der allgemeinen Empfangshäuser Briefe Dörffels schildern auf anschauliche Vorlage: Wikipedia einquartieren lassen und erhielten eine etwa Art und Weise die Auswanderung nach Bra- 6 Ellen im Quadrat haltende Localität, mit silien, den Neuanfang in der im Entstehen „Die Bananenbäume geben uns eine köstliche welcher in Deutschland keine Kuh zufrieden begriffenen deutschen Siedlung und deren Frucht, schade nur, daß sie nicht über See zu sein würde.“ Die Dörffels begannen hier wie Entwicklung bis zum Beginn des 20. Jahrhun- transportiren sind, doch will ich einmal einen die meisten Einwanderer mit dem Urbarma- derts. Sie zeichnen ebenso Dörffels persönli- Versuch mit dem Abhacken machen, vielleicht chen des Geländes, mit Landwirtschaft und chen Lebensweg in Brasilien vom einfachen dann.“ Diese Beschreibung der uns heute so Viehhaltung. Nach Sachsen kehrten sie nie Landwirt bis zum Bürgermeister und Konsul geläufigen Südfrucht gelangte im Sommer wieder zurück. Der Kontakt zur Heimat riss des Deutschen Reichs in Joinville nach. Der 1855 nach Sachsen. Ida und Ottokar Dörf- jedoch nicht ab und ist in einem über 50-jäh- Nachlass ist so ein plastisches Beispiel ei- fel aus Glauchau hatten wie zahlreiche ihrer rigen Briefwechsel mit Verwandten doku- nes sächsischen Auswandererschicksals im Zeitgenossen im 19. Jahrhundert im Verbleib mentiert. 19. Jahrhundert und ergänzt die staatliche in der Heimat keine Perspektive gesehen und Überlieferung der Amtshauptmannschaften Sachsen verlassen. Ihr Weg führte sie Ende Diese 68 Briefe und Postkarten, weitere Le- in diesem Bereich. 1854 über nach Südbrasilien in die bensdokumente sowie Publikationen von und Kolonie Dona Francisca, dem späteren Join- über Ottokar Dörffel befanden sich bislang ville. in Privatbesitz. Sie wurden dem Staatsarchiv Judith Matzke Chemnitz nun von Dr. Günter Kretzschmar Staatsarchiv Chemnitz Das Brasilien, das im Jahr 1822 seine Unab- hängigkeit von Portugal erlangte, war ein dünn besiedeltes Land. Weite Teile waren nahezu unbewohnt, eine kleinbäuerliche und gewerbliche Mittelschicht kaum vor- handen. Maßgeblich befördert von Maria Leopoldine von Österreich, der Ehefrau des brasilianischen Kaisers Pedro I., kam es seit den 1820er-Jahren zu einer gezielten Anwer- bung deutscher Einwanderer. Die Kolonisten wurden vornehmlich im Süden des Landes angesiedelt, wo rein deutschsprachige Orte entstanden, darunter 1851 die Kolonie Dona Francisca.

1849 erlangte der studierte Jurist Ottokar Dörffel (1818–1906) nach verschiedenen Anstellungen das Amt des Bürgermeisters von Glauchau. In dieser Eigenschaft war er im Mai 1849 in die beabsichtigte Teil- nahme von Glauchauer Freischaren am Dresd- ner Maiaufstand verwickelt. Die zunächst ge- gen ihn verhängte Todesstrafe wurde zwar Ottokar Dörffel im Kreis deutscher Auswanderer vor seinem Haus in Joinville, 1903 in 12 Jahre Zuchthaus verwandelt und er in StA-C, 32875 Nachlass Ottokar Dörffel, Nr. 67

10 | Sächsisches Archivblatt Heft 1-2010 25 Jahre neue Semperoper – ein archivarischer Rückblick

Semperoper Dresden, Schaubild mit Entwurf zur Funktionstrennung, 1967 StA-D, 11795 VEB Gesellschaftsbau Dresden, K0405, Nr. 113

„Über 40 Jahre konnten keine Opernauffüh- 1950er-Jahre Sicherungsarbeiten vorgenom- malpflegerische Aspekte des Wiederaufbaus rungen in diesem wunderbaren Theaterbau men worden, um die gefährdete Bausubstanz oblagen. Auch in den Beständen des SED- aus dem 19. Jahrhundert, einem der berühm- zu schützen. Eine erste Projektierungsphase Bezirksparteiarchivs finden sich Berichte, testen und schönsten Europas, stattfinden. für den Wiederaufbau des Opernhauses er- Informationen und Einschätzungen von Ausgebrannt war diese Stätte großer huma- folgte von 1967 bis 1971. Überlieferte Ent- Funktionären aller Leitungsebenen, die den nistischer Operntradition.“ So ist es unter würfe aus dieser Zeit zeigen, dass man sich Wiederaufbau der Semperoper von der Pla- anderem zu lesen in den vielfältigen Fest- keineswegs von Anfang an für eine klare nungsphase bis zur Aufnahme des regulären materialien anlässlich der Wiedereröffnung Trennung von historischer Bausubstanz und Spielbetriebs umfassend dokumentieren. der Semperoper am 13. Februar 1985, die zu notwendigem Funktionsbau ausgesprochen Recht als Geburtsstunde des neuen Semper- hatte. Durch einen Beschluss des Ministerra- Im Jahr 1982 beschloss der Rat des Bezirkes baus betrachtet wird. Die Neugründung der tes der DDR aus dem Jahr 1976 wurde das Dresden offiziell die Entflechtung der Staats- Semperoper aus verwaltungsbezogener Sicht Projekt in den konkreten Wiederaufbau der theater Dresden. Ebenfalls per Ratsbeschluss vollzog sich allerdings schon zwei Jahre zu- Semperoper übergeleitet; ein Jahr später er- wurden im Juni 1985 beide nunmehr ge- vor: Bereits zum 1. Januar 1983 erfolgte die folgte die Grundsteinlegung. Der Wiederauf- trennten Theatereinrichtungen der Abtei- rechtliche und organisatorische Trennung bau selbst unterstand der Aufbauleitung des lung Kultur des Rates des Bezirkes Dresden und Umbenennung der bisherigen „Staats- Rates des Bezirkes Dresden. unterstellt. Damit lag die Zuständigkeit für theater Dresden“ in die nunmehr juristisch das Archivgut der Staatsoper sowie für die selbständigen Theaterbetriebe „Staatsschau- Das Hauptstaatsarchiv Dresden bietet hierzu Betreuung ihres Verwaltungsarchivs offiziell spiel Dresden“ und „Staatsoper Dresden“. zahlreiche Quellen verschiedenster Proveni- beim Staatsarchiv Dresden, dem heutigen enz. Neben den Akten des Rates des Bezir- Hauptstaatsarchiv. Eine frühere Vereinba- Die Staatstheater Dresden, 1947 aus der kes verwahrt es mit den Aktenbeständen des rung zwischen dem Stadtarchiv Dresden und weitestgehend zerstörten Dresdner Theater- ehemaligen VEB (B) Gesellschaftsbau Dresden dem Staatsarchiv erhielt so nachträglich ihre landschaft entstanden, hatten bis dahin als und der Dresdner Arbeitsstelle des Instituts Bestätigung: Im Jahr 1966 hatten beide Ar- Mehrspartenspielstätte für Oper, Staatskapel- für Denkmalpflege wichtige Unterlagen von chive in Abstimmung mit der Staatlichen Ar- le, Ballett und Schauspiel gewirkt. An der Ru- am Bau beteiligten Kooperationspartnern, chivverwaltung der DDR vereinbart, dass die ine der Semperoper waren indes bis Mitte der denen maßgeblich gestalterische und denk- Staatstheater Dresden – als nachgeordnete

Sächsisches Archivblatt Heft 1-2010 | 11 Einrichtung des Rates der Stadt Dresden ei- ein Entwurf einer Archivordnung aus dem Ergänzt von der Aktenüberlieferung der gentlich dem Dresdner Stadtarchiv gegenüber Jahr 1988, welche die Aufgaben und Verant- Staatstheater und des Staatsschauspiels ver- abgabepflichtig – weiterhin in der Zustän- wortlichkeiten des als eigenständige Einrich- fügt das Hauptstaatsarchiv Dresden damit digkeit des Staatsarchivs verbleiben sollten, tung innerhalb der Staatsoper fungierenden über 58 laufende Meter Archivgut zu einer in der sich die sächsischen Staatstheater bis Verwaltungsarchivs klar regelte. Dem Verwal- mehr als 50-jährigen Dresdner Theaterge- 1945 befunden hatten. Somit wurde bereits tungsarchiv sollte zudem eine Forschungs- schichte. Die drei Theaterbestände können Jahre zuvor die Voraussetzung geschaffen, stelle angeschlossen werden, die als Koor- dabei aufgrund des engen Entstehungs- um eine Kontinuität der Überlieferung auch dinierungs- und Leitstelle aller musik- und zusammenhangs als Gesamtüberlieferung nach 1945 zu bewahren. Ihr verdanken wir theaterwissenschaftlichen Aktivitäten zur Ge- betrachtet werden. So enthalten die Unter- heute eine geschlossene Aktenüberlieferung, schichte der Staatsoper bis 1985 gedacht war. lagen von Oper und Schauspiel jeweils noch die das Wirken der drei Theatereinrichtungen Schriftgut der Staatstheater Dresden aus der – Staatstheater, Staatsschauspiel und Staats- Die politische Wende setzte all diesen archiv- Zeit vor 1983, das im Zuge der Entflechtung oper – lückenlos dokumentiert. fachlichen Vorhaben 1989 vorerst ein Ende offensichtlich auf beide Theater aufgeteilt – und auch der Kontakt zwischen Oper und wurde und noch auf seine provenienzgerech- Die archivfachliche Zusammenarbeit zwischen Archiv brach jäh ab. Die nachfolgenden Jah- te Bearbeitung wartet. Auch in Hinblick auf der neuen Staatsoper Dresden und dem da- re waren für beide Häuser von zahlreichen die Verzeichnungstiefe ist die Benutzbarkeit maligen Staatsarchiv Dresden begann ein Jahr Veränderungen und Erneuerungen geprägt. der Unterlagen noch eingeschränkt; ein ge- nach der Wiedereröffnung im März 1986, als Im Jahr 1993 wurde mit dem Archivgesetz genwärtig laufendes Erschließungsprojekt die Räumlichkeiten der Oper von Mitarbeitern für den Freistaat Sachsen die Archivierung für alle drei Theaterbestände soll dem jedoch des Staatsarchivs erstmalig besucht wurden. der staatlichen Unterlagen sowie die Orga- abhelfen. Es bleibt abzuwarten, welches Ge- Die Liste von Archivräumen war lang: Ver- nisation des staatlichen Archivwesens neu samtbild sich nach Abschluss des Projektes waltungsarchiv, Tonarchiv, Technische Doku- geregelt; das Staatsarchiv Dresden wurde in ergeben wird, jedoch eröffnet sich dem Ar- mentation, Pressesachen, Dramaturgiearchiv, „Sächsisches Hauptstaatsarchiv Dresden“ um- chivar bereits während der intensiven Be- Fotoarchiv, Notenbibliothek, Kaderabteilung, benannt. Auch die Staatsoper erhielt die neue schäftigung mit dem reichhaltigen Archivgut Historisches Archiv. Erschwerend kam hinzu, Bezeichnung „Sächsische Staatsoper Dresden ein lebendiger und spannender Einblick in ein dass diese Archiveinrichtungen sehr unter- – Semperoper“ und wurde dem Geschäftsbe- Stück Dresdner Theater- und insbesondere schiedlichen Organisationsbereichen der Oper reich des Sächsischen Staatsministeriums für Operngeschichte, das sich von den mühevol- unterstellt waren. Das Staatsarchiv sprach Wissenschaft und Kunst zugeordnet. Ende len Theateranfängen nach 1945 bis zum Be- daher die Empfehlung aus, in der Staatsoper der 1990er-Jahre nahmen die Staatsoper und ginn der 1990er-Jahre erstreckt und alle Fa- eine Planstelle für eine archivische Fachkraft das Hauptstaatsarchiv wieder archivfachli- cetten künstlerischen und gesellschaftlichen zu schaffen, um die Belange sämtlicher Ar- che Kontakte auf. Die erste Aktenanbietung Theaterwirkens in der DDR umfasst. chivbereiche zu koordinieren. seitens der Oper erfolgte umgehend: Bereits 1999 konnte im Hauptstaatsarchiv ein Ar- Hierzu kam es vorerst jedoch eben so wenig chivbestand „11454 Staatsoper Dresden“ ein- wie zu dem gemeinsam von Oper und Archiv gerichtet werden. Weitere Übergaben seitens vereinbarten Vorhaben, bis zum Jahresende der Oper folgten; im Hauptstaatsarchiv wird 1986 eine Archivordnung für das Verwal- gegenwärtig Archivgut der Staatsoper mit ei- tungsarchiv zu erarbeiten. Dass es dennoch nem Umfang von 30 lfm und einer Laufzeit Ute Bottin Bemühungen in dieser Richtung gab, zeigt bis 1993 verwahrt. Hauptstaatsarchiv Dresden

Zur Überlieferung des Runden Tisches der Stadt Leipzig im Stadtarchiv Leipzig

Entstehung und Aufgaben des Runden zur Sachlage in der Stadt und forderte in der einandersetzung mit der kritischen Lage in Tisches der Stadt Leipzig Arbeit der Volksvertreter und der Verwaltung der Stadt standen die Funktionsfähigkeit des ein Umdenken im „neuen demokratischen Verwaltungsapparates sowie die Diskussio- Im Herbst 1989 protestierten in Leipzig und Geist“. Diese sechseinhalb Stunden dauern- nen über neue Strukturen im Mittelpunkt der vielen anderen Städten der DDR Tausende ge- de Tagung bot erstmals die Gelegenheit zur Arbeit. Nachdem Leipzigs Oberbürgermeister gen die Politik der SED und die gesellschaft- freien Meinungsäußerung, u .a. zum massiven Bernd Seidel aufgrund der öffentlichen Kri- lichen Verhältnisse. Die Leipziger Stadtver- Polizeieinsatz der vorangegangenen Wochen tik an seiner Person bereits am 3. November ordnetenversammlung und der Rat der Stadt oder dem Verfall der Bausubstanz. 1989 von seinem Amt zurücktrat, löste sich reagierten zunächst nur zögerlich auf die nach Veröffentlichungen zu den Wahlfäl- zunehmenden Massendemonstrationen und Durch den Zusammenbruch der bisherigen schungen vom Mai 1989 und insbesondere Forderungen der Bürger. Erst auf der außeror- zentralistischen Weisungsebenen der SED auch auf Drängen des inzwischen etablierten dentlichen Tagung der Stadtverordnetenver- und der staatlichen Organe in der DDR be- Runden Tisches der Stadt Leipzig die Stadt- sammlung vom 28. Oktober 1989 sprach der fand sich auch der Rat der Stadt Leipzig in verordnetenversammlung Leipzigs am 26. Ja- Leipziger Oberbürgermeister Dr. Bernd Seidel einer schwierigen Situation. Neben der Aus- nuar 1990 auf.

12 | Sächsisches Archivblatt Heft 1-2010 Zusammenwirken mit allen demokratischen Kräften zunächst die unmittelbare Sicherung des „normalen“ Alltags in der Stadt, aber auch die Entwicklung neuer Konzepte für die Zu- kunft Leipzigs.

In der Phase dieser Vorgespräche waren die beiden Körperschaften Runder Tisch des Be- zirkes Leipzig und Runder Tisch der Stadt Leipzig (RTSL) noch nicht deutlich vonein- ander getrennt. Anfang Januar 1990 erklär- te Superintendent Dr. Friedrich Magirius, der seit Dezember des Vorjahres im Runden Tisch des Bezirkes Leipzig mitarbeitete, seine Bereitschaft zur Übernahme der Moderation des RTSL. In dieser Zeit fanden bereits Be- ratungen über die Strukturierung der künf- tigen Arbeit des Runden Tisches statt und wurden Vorarbeiten für eine Satzung ge- leistet. Der RTSL konstituierte sich in seiner Sitzung des Runden Tisches der Stadt Leipzig am 25. April 1990 im Ratssaal des Neuen Rathauses, moderiert von ersten informellen Sitzung am 17. Januar Friedrich Magirius (stehend), Foto: Martin Naumann 1990 im Ratsplenarsaal des Neuen Rathau- Stadtarchiv Leipzig, BA 1990/30959 ses. Grundlage der Arbeit bildeten die Sat- zung und die Geschäftsordnung des RTSL. Bereits seit Oktober/November 1989 fand im ziehung der demokratischen Kräfte in die Am RTSL nahmen 20 Stimmberechtigte, Rahmen des allgemeinen „Dialogs“ eine Viel- Arbeit der Kommissionen der Stadtverord- davon 10 Vertreter der neuen Parteien und zahl von Gesprächen zwischen Vertretern der nentenversammlung sowie die Berufung in Gruppierungen (u. a. Neues Forum, Demo- SED-Bezirksleitung und SED-Stadtleitung, Ratsfunktionen, die bisher von Mandatsträ- kratischer Aufbruch, Demokratie Jetzt, Grü- der Stadtverwaltung, der neuen politischen gern der SED wahrgenommen wurden, statt. ne Partei, Fraueninitiative, Bürgerkomitee) Gruppen und der Kirchen über die Einbe- Zweck dieser „Rundtischgespräche“ war im sowie 10 Vertreter der alten Parteien und

Außenansicht des Leipziger Neuen Rathauses, Foto: Manecke, Vorlage: Wikimedia

Sächsisches Archivblatt Heft 1-2010 | 13 Massenorganisationen teil. Zwanzig weite- re ständige Mitglieder ergänzten das Gre- mium, besaßen allerdings kein Stimmrecht. Zum Runden Tisch gehörten außerdem der amtierende Oberbürgermeister mit beschlie- ßender Stimme sowie einige Mitglieder des Rates der Stadt. Der RTSL tagte mittwochs ab 17 oder 19 Uhr, oft bis weit nach Mit- ternacht. Moderiert und geleitet wurden die Sitzungen im Wechsel von Superintendent Magirius, Dr. Hans-Jürgen Sievers (Refor- mierte Kirche) sowie Pfarrer Gerhard Riedel (Methodistische Kirche).

Während der RTSL ursprünglich keinerlei parlamentarische Funktion ausüben wollte, übernahm er, nach dem Rücktritt der Leip- ziger Stadtverordnetenversammlung am 26. Januar 1990, einer Loyalitätserklärung des Rates der Stadt und dem Ausscheiden einzel- ner Stadträte, alle legislativen Aufgaben bis zur Kommunalwahl. Er wurde damit zum ei- gentlichen politischen Entscheidungsgremi- um in der Stadt. Dies war in der ehemaligen DDR einmalig.

Der Rat der Stadt erfüllte unter Rechen- schaftspflicht der Stadträte gegenüber dem RTSL exekutive Funktionen. Im Februar 1990 ernannte der RTSL aus den Reihen der politisch aktiven Oppositionellen außerordentliche Stadträte, die teilweise Verwaltungsressorts leiteten oder in den zugeordneten Fachbe- reichen Kontrollfunktionen wahrnahmen. Im Februar 1990 bildete der RTSL zur Beratung sachlicher Fragen 24 Kommissionen, in de- nen sowohl Vertreter des Gremiums selbst als auch aller Parteien und Gruppierungen sowie interessierte Bürger der Stadt stimmberech- tigt oder mit beratender Stimme mitarbeiten Begleitschreiben zur Übergabe der Akten des Runden Tisches an das Stadtarchiv Leipzig, 4. Dezember 1991 konnten. Die Kommissionen übergaben ihre Stadtarchiv Leipzig, Bestandsakte 47.21.05/2 Arbeitsergebnisse an den RTSL, der diese an die Stadtverwaltung zur Durchführung über- Sicherheit und von der SED/PDS verwalteten parlament gewählt oder übernahmen eine wies. Zur Koordinierung der Informationen Gebäude und Wohnungen; die Unterstützung Tätigkeit in der Stadtverwaltung, u. a. als De- des RTSL allgemein und zur Auswertung der für die neu etablierten Parteien und oppositi- zernenten oder Amtsleiter. Friedrich Magirius Kommissionsarbeit wurde ein Sekretariat/ onellen Gruppen (z. B. gemeinsame Nutzung wurde als Einzelkandidat 1990 ebenfalls zum Kontaktbüro eingerichtet. des ehemaligen Gebäudes der SED-Bezirks- Stadtverordneten gewählt und war von 1990 leitung als Haus der Demokratie) sowie die bis 1994 Stadtpräsident. Bis zu den Kommunalwahlen im Mai 1990 Vorbereitung der Kommunalwahlen. Viele befasste sich der RTSL auf seinen 16 Sit- Probleme konnten in der kurzen Zeit des Be- Bestandsgeschichte zungen mit Fragen aus allen Bereichen der stehens des RTSL nur angesprochen und auf und Bestandsbearbeitung städtischen Verwaltung und verabschiedete Grund der fehlenden Rechtslage im gesamt- insgesamt 96 Beschlüsse. Folgende Themen staatlichen Rahmen nicht endgültig geklärt Die Unterlagen des RTSL gelangten 1991 standen im Mittelpunkt des öffentlichen In- werden, wie im Bereich des Gesundheits-, teilweise aus dem ehemaligen Kontaktbü- teresses und damit permanent auf der Tages- Sozial- und Bildungswesens. Die Ergebnisse ro/Arbeitssekretariat des RTSL sowie im Juli ordnung des RTSL: die weitere Verwaltbarkeit seiner Arbeit fasste der RTSL, der sich mit der 1994 aus dem Büro der Stadtverordnetenver- der Stadt sowie die Weiterarbeit des Rates der Sitzung am 23. Mai 1990 auflöste, in einem sammlung/Büro des Stadtpräsidenten, direkt Stadt Leipzig unter Berufung ehrenamtlicher Beschlussprotokoll für die sich am 30. Mai von Dr. Friedrich Magirius, an das Stadtar- Stadträte bzw. neuer Dezernenten; die Auf- neu konstituierende, demokratisch gewählte chiv. Im Stadtarchiv erhielten die Ordner und deckung von Korruption und Wahlfälschung; Stadtverordnetenversammlung zusammen. Mappen zunächst eine vorläufige Signatur, die Auflösung und Zuweisung der vom Minis- Einzelne Vertreter des RTSL wurden über die um sie kurzfristig für die vielfältigen Benut- terium für Staatssicherheit/Amt für Nationale verschiedenen Fraktionen in das neue Stadt- zungsanfragen zugänglich zu machen. Die

14 | Sächsisches Archivblatt Heft 1-2010 innere Ordnung der Bände entsprach jedoch Notizen aufwiesen. Soweit vorhanden, wurde Die Überlieferung des RTSL umfasst neben nicht den archivischen Prinzipien. Teilweise jeweils ein Originalexemplar der ursprünglich Unterlagen zur Zusammensetzung, zur Orga- waren die Unterlagen einzelner Sitzungen in teilweise hand-, teilweise maschinenschrift- nisation und Arbeitsweise des Gremiums vor verschiedenen Ordnern abgelegt. Außerdem lich verfassten Tagesordnungen, Vorlagen allem die Dokumentation zu den inhaltlichen enthielten die Zusammenstellungen eine grö- und Protokolle sowie der ausgefertigten Schwerpunkten der Beratungen von Januar ßere Anzahl von Mehrausfertigungen, v. a. bei Druck- oder vervielfältigen Exemplare dieser bis Mai 1990. Während die Sitzungsunterla- Vorlagen und Beschlüssen. Die übrigen Doku- Dokumente im Bestand belassen. Nach der gen mit den Protokollen, Vorlagen und Be- mente lagen nur grob geordnet vor, so dass erweiterten Verzeichnung der so gebildeten schlüssen nahezu vollständig überliefert sind, für diese anfangs keine Benutzung möglich Akteneinheiten in der Archivsoftware „Faust“ weisen die Unterlagen einzelner Kommissio- war. erfolgte die virtuelle Ordnung des Bestandes nen erhebliche Lücken auf. Durch die Mitar- nach folgender Gliederung: beit von Friedrich Magirius in verschiedenen Der Bestand wurde im Jahr 2000 archiv- 1. Zusammensetzung und Organisation anderen Arbeitsgruppen und Gremien befin- fachlich bearbeitet, wobei die bisherigen 2. Protokolle, Vorlagen und Beschlüsse der den sich im Bestand RTSL auch Belege für die Überlieferungseinheiten aufgelöst und alle Beratungen Tätigkeit der zeitweiligen Regierungskommis- Schriftstücke neu geordnet wurden. Für jede 3. Arbeit der Kommissionen sion zur weiteren Entwicklung der Stadt Leip- Sitzung wurde eine separate Akte angelegt, 4. Einzelaufgaben sowie Zusammenarbeit mit zig, des Runden Tisches des Bezirkes Leipzig die Tagesordnung, Protokoll, Anwesenheits- Organisationen, Parteien, Institutionen und sowie über die entstehenden Partnerschafts- listen, Vorlagen, Beschlüsse und sonstige Bürgern beziehungen zu Verwaltungen und Organisa- Informationen enthält. Auch die Unterlagen 5. Zeitungsausschnittsammlung tionen in den westlichen Bundesländern. Bei der einzelnen Kommissionen wurden jeweils 6. Tonbandmitschnitte einzelner Beratungen. Forschungsvorhaben zum Zeitraum 1989/90 zu einer selbstständigen Akte zusammenge- sind die Unterlagen der Stadtverordnetenver- fasst. Der Schriftwechsel des Arbeitssekreta- Durch die häufige Benutzung verschlech- sammlung bis 1990 und ab Mai 1990 sowie riats und Kontaktbüros des RTSL ist teilweise terte sich der Erhaltungszustand der Unter- die beim Rat der Stadt Leipzig geführten Ak- nur fragmentarisch überliefert, so dass hier lagen beträchtlich. Zudem wiesen einzelne ten zu einzelnen Verwaltungsbereichen mit lediglich eine chronologische Ordnung der Schriftstücke aufgrund der angewandten heranzuziehen. Weitere Einzeldokumente be- einzelnen Dokumente möglich war. Druck- und Vervielfältigungstechnik bereits finden sich in der Zeitgeschichtlichen Samm- eine stark verblassende Schrift auf. Deshalb lung des Stadtarchivs. Auf Grund der besonderen Rolle des Run- wurde zur Erhaltung der einmaligen Unter- den Tisches wurden bei der Bewertung nur lagen des RTSL 2001 eine komplette Schutz- Mehrfachüberlieferungen von gedruckt vor- verfilmung des Bestandes vorgenommen liegenden Vorlagen und Beschlüssen ausge- und die Nutzung nur noch über Mikrofilm Birgit Horn-Kolditz sondert, wenn diese keine handschriftlichen gestattet. Stadtarchiv Leipzig

„Ein Herzstück der DDR-Geschichte“ – die SED-Bestände im Staatsarchiv Chemnitz

Chemnitz, in der Hochphase der Industrialisie- rung auch als Ruß-Chemnitz und als deutsches Manchester bezeichnet, wurde im Rahmen ei- nes Staatsaktes am 10. Mai 1953 in Karl-Marx- Stadt umbenannt; dazu reiste Ministerpräsi- dent Otto Grotewohl aus Berlin an. In die Stadt wurde in den folgenden Jahren erheblich inves- tiert und insbesondere nach der 800-Jahr-Feier 1965 wurden in Karl-Marx-Stadt viele neue Wohngebiete eingeweiht. Anstelle der im 19. Jahrhundert gewachsenen alten Industriestadt mit ihren für die Arbeiter häufig unwürdigen Lebensverhältnissen sollte eine sozialistische Stadt treten mit besseren Lebensbedingungen für die Menschen. Am 9. Oktober 1971 bekam die Stadt mit einer 7 Meter hohen Porträtbüs- te von Karl Marx ein Wahrzeichen und eine Kulisse für Massenveranstaltungen. Die Büste zierte auch die DDR-Briefmarken im Wert von 35 Pfennigen – dem für Briefe in die BRD er- Walter und Lotte Ulbricht im Januar 1961 zum Skisport im Vogtland, Foto: Bittner forderlichen Porto. StA-C, 33229 SED-Bezirksleitung Karl-Marx-Stadt, Sammlung Fotos/Filme, Nr. V/7//C 2.2

Sächsisches Archivblatt Heft 1-2010 | 15 erarbeitet, das neben allgemeinen Hinweisen zur Bestandsbildung, zum Signatursystem der SED-Bestände Recherchestrategien vorstellt. In einem weiteren Teil werden die Bezirkslei- tung und die Gebietsparteileitung der Wismut sowie sämtliche Kreisleitungen beschrieben mit dem Ziel, gesellschaftliche, soziale und wirtschaftliche Charakteristika herauszuar- beiten. Für die Bezirksleitung sind sämtliche Sekretäre mit ihren Amtszeiten erfasst, für die Kreisleitungen beschränkt sich dies auf die Ersten Sekretäre.

Die Zentrale der SED-Bezirksleitung be- fand sich in der Karl-Marx-Allee 12 (heute wieder Brückenstraße), in Nr. 10 residierte die Verwaltung des Rates des Bezirkes. Die SED-Bezirksleitungen bildeten das Scharnier zwischen ZK und den Kreisleitungen. 1961 zählte die Bezirksparteiorganisation Karl- Ankunft des Kosmonauten Pawel Beljajew in Freiberg am 20. Juni 1966, Foto: Bergakademie Freiberg Marx-Stadt knapp 185.000 Mitglieder. An StA-C, 33229 SED-Bezirksleitung Karl-Marx-Stadt, Sammlung Fotos/Filme, Nr. V/8/D1. ihrer Spitze stand das Sekretariat der Bezirks- leitung – ein Kollegialorgan mit dem Ersten Karl-Marx-Stadt war für die DDR wirtschaft- und die mit ihr verbundene Zurückdrängung Sekretär als Primus inter pares. Am Anfang lich herausragend – der Bezirk erbrachte den bürgerlicher Wertvorstellungen. Der Bezirk führte Walter Buchheim von 1952 bis 1960 höchsten Anteil der industriellen Bruttopro- war wie kein anderer von Ingenieuren ge- dieses Amt, lange Zeit Siegfried Lorenz (1976 duktion der DDR. Karl-Marx-Stadt prägte die prägt, 1986 wurde die Technische Hochschule –1989). Der Erste Sekretär war auch zustän- Warenwelt der DDR. Hochwertige Konsumgü- Karl-Marx-Stadt zur Technischen Universität dig für Sicherheits- und Staatsfragen. Für ter wie Waschmaschinen aus Schwarzenberg, aufgewertet, dies markierte den Höhepunkt diese beiden Bereiche gab es zwei Abteilun- Kühlschränke aus Scharfenstein, aber auch der SED-Ambitionen, den Bezirk zu einem gen mit einem Abteilungsleiter an der Spitze. Schuhe und Möbel sowie Barkas und Tra- Zentrum der Ingenieurwissenschaften zu Die Abteilung Staatsfragen hatte Mitarbeiter bant stehen stellvertretend für eine Vielzahl profilieren. Es war kein Zufall, dass anlässlich für die Staatlichen Organe, befreundete Par- von Produkten. Nicht zu vergessen die Tex- des V. Pioniertreffens am 13. August 1964 in teien, Eingabenbearbeitung und Justizorgane, tilindustrie. Von ESDA-Feinstrumpfhosen aus Karl-Marx-Stadt ein Kosmonautenzentrum die Abteilung Sicherheitsfragen u. a. für MfS, Thalheim über Gardinen bis zu Herren- und für Jugendliche errichtet wurde, auch Walter Volkspolizei, NVA und GST. Damenbekleidung vor allem aus der Gegend Ulbricht reiste dazu an. Auf dem Weg zu den um Glauchau und Meerane – die Textilwirt- Sternen hatte Juri Gagarin, der eine Grußad- Dem Zweiten Sekretär waren die Abteilung schaft bestimmte zusammen mit dem Ma- resse an die Pioniere richtete, keinen Gott ge- Parteiorgane mit den Sektoren Parteiinforma- schinenbau die Region. Stellvertretend sei sehen – ebenso wie der aus dem Bezirk stam- tion und Kader zugeordnet, die Frauenkom- hier der VEB Werkzeugmaschinenbau Fritz mende Sigmund Jähn, der als erster Deutscher mission, die Kommission Jugend und Sport, Heckert genannt. ins Weltall flog. Karl-Marx-Stadt war auch der Sektor Internationale Verbindungen und eine Sportmetropole, man denke vor allem an die Abteilung Finanzen und Geschäfte sowie Herausragende wirtschaftliche Bedeutung die Wintersportdisziplinen und Sportanlagen das Fernmeldwesen. Neben dem Ersten und hatten aber auch die Bodenschätze. Neben in Klingenthal und Oberwiesenthal. Span- Zweiten Sekretär gab es bis zu fünf weitere der Steinkohle ist die Uranförderung der Wis- nend erscheint dabei auch die Frage nach den Sekretäre. Bei den Sekretären für Agitati- mut zu nennen – ein Kosmos für sich, zu dem Unterschieden innerhalb des Bezirkes. Der on und Propaganda ist beispielsweise Herta ein riesiger Komplex von Betrieben gehörte, massiven Zurückdrängung christlicher und Bergmann zu nennen, die von 1952 bis 1954 die die Wismut mit allem versorgte, was sie bürgerlicher Wertvorstellungen in Karl-Marx- diese Aufgabe wahrnahm. Dem Sekretär un- brauchte. Damit bildete die DDR die Basis Stadt steht eine andere Realität im Erzgebirge terstellt war die Abteilung Agitation und für die sowjetische Atommacht. Die DDR war und Vogtland gegenüber. Propaganda mit den Sektoren Propaganda, nach den USA und Kanada der drittgrößte Agitation, Massenarbeit und Presse, Partei- Uranproduzent der Welt. Wie im amerikani- Mit den Beständen 30413 Bezirkstag/Rat des beziehungen und Parteischule. Dem Sekretär schen und französischen Uranabbau ging dies Bezirkes Karl-Marx-Stadt und 31602 SED- für Wirtschaft unterstanden die Abteilungen zu Lasten der Umwelt und der Gesundheit der Bezirksleitung Karl-Marx-Stadt verfügt das für Industrie, Örtliche Versorgungswirtschaft, Menschen. Staatsarchiv Chemnitz über eine profunde Bau und Investitionen. Zur Abteilung Indust- Quellenbasis, beide Bestände sind die größ- rie gehörten die Sektoren für Maschinenbau, Für den an DDR-Geschichte interessierten ten ihrer Art in den Staatsarchiven der neu- Elektrotechnik, Elektronik, Planung und Öko- Forscher ist der Bezirk Karl-Marx-Stadt unter en Bundesländer. Leider erfüllt ihr Erschlie- nomie, Leichtindustrie und bezirksgeleitete einer Vielzahl von Fragestellungen besonders ßungszustand noch nicht die Anforderungen Industrie. Für die Landwirtschaft gab es einen interessant. Neben möglichen wirtschafts- an ein modernes Findmittel. Um die Benut- eigenen Sekretär, dem die Abteilung Landwirt- historischen Themen gilt dies vor allem für zung zu erleichtern, wurde vom Unterzeich- schaft unterstand mit Sektoren für Pflanzen- den Aufbau einer sozialistischen Gesellschaft ner ein fast 50 Seiten umfassendes Handbuch produktion, Planung und Tierproduktion und

16 | Sächsisches Archivblatt Heft 1-2010 Mitarbeiter Forst. Schließlich ist der Sekretär wenigen Frauen wurde sie 1952 zur Zweiten tionen entbunden. Die Partei schickte ihn zum für Wissenschaft, Volksbildung und Kultur Sekretärin der Chemnitzer SED-Bezirksleitung Studium an die Parteihochschule nach Mos- mit den entsprechenden Abteilungen zu nen- berufen. 1961 wurde sie aus der SED-Bezirks- kau. 1970 wurde Brasch als Zweiter Sekretär nen, von 1963 bis 1967 blieb diese Funktion leitung ausgeschlossen, weil sie den Ersten an die SED-Bezirksleitung Karl-Marx-Stadt unbesetzt. Weitere Organe der Bezirksleitung Sekretär Rolf Weihs kritisiert und sich deshalb geschickt – infolge von Auseinandersetzun- waren die Bezirksparteikontrollkommission bei Walter Ulbricht unbeliebt gemacht hatte. gen mit einem Politbüro-Mitglied wurde er und die Bezirksrevisionskommission. 1976 von diesem Amt entbunden. Brasch Für eine besonders tragische Biografie steht wurde dann Erster Vizepräsident der Liga für Zum Büro des Sekretariats gehörten die VS- Horst Brasch. Er kam aus einer jüdischen Völkerfreundschaft. Für das Scheitern seiner Stelle, Poststelle und die Vervielfältigungsstel- Textilfabrikantenfamilie und war Stiefsohn Karriere spielte erneut sein Sohn Thomas eine le, das Schreibbüro, die Nachrichtenzentrale des Schriftstellers und Biologen Carl Thesing. Rolle. Als Mitunterzeichner der Biermann- und Chiffrierstelle, das Bezirksparteiarchiv, 1939 emigrierte die Familie, lebte zeitweise in Resolution und der daraufhin ausgesproche- die Veteranenkommission, das Bezirkskomitee Großbritannien und wurde in Kanada inter- nen Verweigerung, seine Prosatexte weiter der Antifaschistischen Widerstandskämpfer niert. 1946 ging Brasch in die SBZ, trat der zu publizieren, entließ ihn Erich Honecker in und die Sanitätsstelle. SED bei und begann zunächst eine steile Kar- die BRD. Auch Braschs Sohn Peter stellte sich riere, die ihn 1963 ins ZK der SED führte. 1965 gegen das System. Als 21-jähriger Germa- Eine ausführliche Kaderanalyse kann an die- wurde er Staatssekretär und Erster Stellver- nistikstudent in Leipzig protestierte er gegen ser Stelle nicht erfolgen. Für die Parteiorgani- treter des Ministers für Kultur. Die Entwick- Biermanns Ausbürgerung, daraufhin wurde er sation Karl-Marx-Stadt deutet sich ein hoher lung seiner Kinder und sein Umgang mit exmatrikuliert. Er schlug sich als Hilfsarbeiter Anteil von Antifa-Umsiedlern an. Der politi- ihnen sollten seinen politischen Lebensweg durch und es gelang ihm, als Dramaturg beim sche Lebensweg von zwei Funktionsträgern maßgeblich bestimmen. Zur Zeit des Prager DDR-Fernsehen unterzukommen. Braschs erscheint besonders interessant. Von 1952 Frühlings war sein Sohn Thomas mit Sandra jüngster Sohn Klaus (1950–1980) galt als bis 1961 bekleidete Gerda Meschter das Amt Weigel, einer Nichte von Helene Weigel, eng begabter junger Schauspieler, er starb an des Zweiten Sekretärs. Als junge Frau von 25 befreundet. Beide verteilten Flugblätter und seinem Geburtstag am 3. Februar 1980 unter Jahren übernahm sie diese Aufgabe. Meschter protestierten gegen den Einmarsch in der tragischen Umständen. kam aus einer sozialdemokratischen Familie CˇSSR. In einer ausweglosen Situation suchte und war ab August 1949 als Instrukteurin der Sohn die Hilfe des Vaters. Horst Brasch für die SED-Landesleitung Sachsen tätig. Im informierte das Ministerium für Staatssicher- Februar 1951 ging sie nach Moskau zum Be- heit über die politischen Aktivitäten seines Hans-Christian Herrmann such der Parteihochschule. Als eine der ganz Sohnes. Gleichwohl wurde er von allen Funk- Staatsarchiv Chemnitz

„Durchschnittsalter und Verschleißgrad … liegen weit über dem DDR-Durchschnitt“

Diese Feststellung für die stationären Ge- Die weitere Ausbreitung von Seuchen und Betreuung der Bevölkerung vor allem durch sundheitseinrichtungen des Bezirkes Leipzig Infektionskrankheiten versuchte man mit Landambulatorien und Gemeindeschwestern traf 1985 der stellvertretende Bezirksarzt einer strengen Kontrolle und der Einfüh- statt. Mit dem Polikliniksystem vereinigte man Obermedizinalrat Dr. Küstermann in einer In- rung der Impfpflicht einzudämmen. Mütter verschiedene Fachärzte und medizinisch- formation, die uns heute Aufschluss über das und Kinder wurden besonders intensiv in technische Einrichtungen unter einem Dach. Gesundheits- und Sozialwesen in Leipzig in Schwangeren- und Mütterberatungsstellen 1952 wurde DDR-weit mit dem Aufbau eines den 1980er-Jahren gibt. versorgt. In Kinderkrippen und Kindergärten zentralen Krebsregisters begonnen, welches erfolgte die Betreuung der Vorschulkinder; seit 1993 von den östlichen Bundesländern Das Gesundheits- und Sozialwesen der DDR Schulkinder und Jugendliche erhielten me- als Gemeinsames Krebsregister (GKR) weiter- startete unter schwierigen Bedingungen. dizinische Betreuung durch den Jugendge- geführt wird. Auf sozialem Gebiet ist beson- Durch den Zweiten Weltkrieg und die kom- sundheitsschutz. ders die Unterstützung kinderreicher Familien plizierte Nachkriegszeit hatten sich Infekti- (ab drei Kindern) erwähnenswert. Ältere Bür- onskrankheiten, insbesondere Tuberkulose Die ambulante und stationäre medizinische ger konnten in den zunehmend geschaffenen und Geschlechtskrankheiten, rasant aus- Betreuung sowie die Versorgung der Bevöl- Feierabend- und Pflegeheimen untergebracht gebreitet. Viele medizinische Einrichtungen kerung mit rezeptpflichtigen Arzneimitteln werden. Zur sozialen Betreuung zählte zudem waren beschädigt, die Personaldecke ausge- waren kostenfrei. Schrittweise wurden priva- die bevorzugte Unterstützung der Verfolgten dünnt. Der Aufbau einer flächendeckenden te medizinische Einrichtungen verstaatlicht, des Naziregimes (VdN). medizinischen Versorgung der Bevölkerung wobei eine vollständige staatliche Übernah- besaß eine hohe Priorität, um die Arbeits- me aller Einrichtungen bis 1989 jedoch nicht Ziel und Realität im Gesundheits- und Sozial- fähigkeit der Werktätigen zu erhalten oder erreicht wurde. In den größeren Städten eta- wesen der DDR klafften jedoch vor allem seit wieder herzustellen. Zu Beginn der 1950er- blierten sich Kreis- und Bezirkskrankenhäu- den 1970er-Jahren immer weiter auseinan- Jahre begann folglich der Aufbau eines ser als regionale Gesundheitszentren; in den der, was oft nicht nur an der medizinischen umfassenden Betriebsgesundheitswesens. ländlichen Gemeinden fand die medizinische Ausstattung, sondern auch am ungenügen-

Sächsisches Archivblatt Heft 1-2010 | 17 Das Pflege- und Feierabendheim im Schloss Brandis, um 1968 Test eines Wannenliftes in einem Pflegeheim, um StA-L, 20237 Bezirkstag und Rat des Bezirkes Leipzig, Nr. 23999 1985 StA-L, 20237 Bezirkstag und Rat des Bezirkes Leipzig, Nr. 23999 den baulichen Zustand der Einrichtungen lag. Zwar waren mehr und mehr Beschäftigte im medizinischen Sektor tätig, die Entlohnung lag jedoch im Gesundheitswesen generell unter- halb des DDR-Gesamtdurchschnitts. Vielfach stellte medizinisches Personal Ausreiseanträ- ge oder verließ die DDR ohne Erlaubnis. Da- mit ging ein zunehmender Fachkräftemangel einher. Die Medizintechnik veraltete in vielen Krankenhäusern und Polikliniken zunehmend, Arzneimittel standen oftmals nicht in der be- nötigten Menge und Qualität zur Verfügung. Patienten mussten z. T. lange Wartezeiten in Kauf nehmen, Plätze in Feierabend- und Pfle- geheimen waren „Mangelware“. Ihrem An- spruch, eine kostenlose, allumfassende und staatlich organisierte medizinische und sozi- ale Betreuung für die Bevölkerung zu sichern, konnte die DDR-Führung somit nur zeit- und teilweise gerecht werden. Besonders in den 1980er-Jahren wurde dies auch für die breite Bevölkerung sicht- und spürbar.

In seiner Information für den Rat des Bezir- kes Leipzig konstatierte Dr. Küstermann im Jahr 1985 für den Bezirk Leipzig eine durch- schnittliche Betreuungsdichte von einem Arzt für 418 Einwohner bzw. einem Zahnarzt für 1.378 Einwohner, die im Vergleich zu anderen Bezirken als relativ gut einzustufen war. Heu- te gibt das Bundesgesundheitsministerium für Sachsen einen Betreuungsgrad von 290 Einwohnern pro Arzt bzw. 1.115 Einwohnern pro Zahnarzt an.

Die Gesundheitseinrichtungen im Bezirk Leipzig lagen 1985 hinsichtlich ihres Alters Informationsheft des Leipziger Bezirksarztes zur AIDS-Erkrankung, 1985. Die DDR hatte bis 1990 offiziell lediglich 314 Infizierte, davon 205 Ausländer und ihres Verschleißgrades dagegen deutlich StA-L, 20237 Bezirkstag und Rat des Bezirkes Leipzig, Nr. 888 über dem DDR-Durchschnitt, so dass für die

18 | Sächsisches Archivblatt Heft 1-2010 nächsten Jahre umfangreiche Sanierungen zu dem umfangreicheren Teilbeständen. Er sem Teilbestand, der bislang noch nicht die und folglich erhebliche Bettenreduzierungen enthält neben dem zu erwartenden Leitungs-, entsprechende Beachtung in der Forschung in Aussicht genommen werden mussten. Planungs-, Haushalts- und Personalschriftgut gefunden hat, sind die Erschließungsarbeiten zahlreiche Unterlagen zur Aus- und Weiter- am Bestand 20237 Bezirkstag und Rat des Diese und viele weitere Aspekte des Ge- bildung (darunter auch Approbationen), Ak- Bezirkes Leipzig weitgehend abgeschlossen. sundheits- und Sozialwesens für den Bezirk ten zu verschiedenen medizinischen Fachge- Leipzig lassen sich nach Abschluss der Er- bieten und Erkrankungen, wie z. B. drei Akten schließungsarbeiten an diesem Teilbestand zu AIDS ab dem Jahr 1983, Bauunterlagen zu des Bestandes 20237 Bezirkstag und Rat des den verschiedenen medizinischen Einrichtun- Bezirkes Leipzig verfolgen. Mit ca. 87 lfm, da- gen und in großem Umfang Unterlagen zu Doreen Etzold von ca. 67 lfm VdN-Personenakten, gehört er Säuglings- und Kindersterblichkeit. Mit die- Staatsarchiv Leipzig

Gute Fahrt – Die Automobilbestände im Staatsarchiv Chemnitz

Die AUTO UNION präsentierte 1936/37 diesen Werbeprospekt für die Marke Wanderer. Wanderer hatte zwar auch kleinere Wagen gebaut, konzentrierte sich aber in den 1930er-Jahren vor allem auf die Mittelklasse. StA-C, 31050 Auto Union AG, Nr. 6869

Das Auto ist ein Werk deutscher Ingenieurs- Horch und Wanderer. Ein wenig zu kurz Luxuswagen von Horch mit ihren kraftvollen kunst. 1886 erhielten zuerst Carl Benz und ei- kommt dabei DKW, immerhin befand sich bis Achtzylinder-Motoren sicherten die Existenz nige Wochen später Gottlieb Daimler aus dem in die 1930er-Jahre in Zschopau die größte der AUTO UNION, sondern die kleinen DKW. badischen Mannheim unabhängig voneinander Motorradfabrik der Welt. DKW-Automobile Sie erzielten 50 Prozent des Umsatzes. ein Patent für einen motorgetriebenen Wagen. wurden anfangs nur in Berlin-Spandau ge- Trotzdem steht eine Wiege des deutschen Au- baut. Im Juni 1932 wurden die Zwickauer Wer die deutsche Automobilgeschichte vor tomobilbaus auch in Sachsen, was mit der Tei- Horch-Werke und die Auto-Abteilung der 1945 erforschen will, muss auf Entdeckungs- lung Deutschlands nach 1945 im historischen Wanderer Werke in Chemnitz mit DKW zur reise ins Staatsarchiv Chemnitz gehen. Gute Bewusstsein der Bundesrepublik in Vergessen- AUTO UNION vereinigt. Die Luxusmarke Horch Fahrt ist dabei garantiert, denn die Auto- heit geriet und bis heute vielen immer noch war Marktführer in der Luxusklasse und mobilbestände sind vergleichsweise gut er- unbekannt ist. Immerhin lag fast ein Drittel der konnte am 25. Juli 1937 ihren 25.000 Horch 8 schlossen. Filetstück der Überlieferung ist deutschen Kraftfahrzeugindustrie vor 1945 in feiern. Horchs Know-How in der Motoren- der über 205 Laufmeter umfassende Bestand Sachsen, im LKW-Bau waren es sogar um die fertigung war seinerzeit legendär. Mit der 31050 Auto Union AG, der Unterlagen zu 40 Prozent. Zeugen dieser Nutzfahrzeugge- AUTO UNION war hinter Opel der zweitgrößte Audi, Horch und Wanderer und – leider nur in schichte sind die Marken Phänomen in Zittau, Automobilkonzern Deutschlands entstan- geringerem Umfang – zu DKW enthält. Framo in Hainichen und Vomag in Plauen. den. Bereits 1929 hatte DKW die Zwickauer Audi-Werke übernommen. Die vier Ringe „DKW, das kleine Wunder, läuft Berge rauf wie Bekannter als diese Fahrzeuge sind andere symbolisierten diesen durch staatliche Hilfe andere runter“ – so ein eingängiger Werbe- Marken mit den klangvollen Namen Audi, ermöglichten Zusammenschluss. Nicht die spruch der Marke, die als Retter der sächsi-

Sächsisches Archivblatt Heft 1-2010 | 19 schen Automobilindustrie bezeichnet werden darf. Ihre Krise steht in gewisser Hinsicht auch beispielhaft für die strukturelle Schwä- che der deutschen Automobilindustrie. So sehr die großen und repräsentativen Wagen von Horch und Audi mit ihren technischen In- novationen und ihrem Luxus auch faszinieren, unternehmerisch brachten sie keinen Erfolg. Die Nachfrage nach Luxuswagen war viel zu gering, um auch nur ansatzweise in den Be- reich der Massenproduktion vorzustoßen. Der Bau von Fließbändern verlangte enorme In- vestitionen, andererseits verteuerte der Staat in der krisengeschüttelten Weimarer Republik Erwerb und Unterhalt eines Autos. Zu sehr dachten Öffentlichkeit und Politik bei Auto- mobilen an ein Spielzeug für reiche Leute. Im benachbarten Frankreich war das mit dem Ersten Weltkrieg passé. Citroën setzte 1923 auf Fließbänder und wurde zeitweise zum größten Automobilproduzenten Europas.

Dagegen sahen die deutschen Banken keine Perspektiven für eine automobile Massen- produktion. Erste politische Kurskorrekturen begannen Ende der 1920er-Jahre. Für Mit- telschichten bezahlbare Automobile herzu- stellen – dieses Ziel verfolgte am konsequen- testen DKW. Das Modell F 1, 1930 von den Audi-Technikern Oskar Arlt und Walter Hau- stein entwickelt, verfügte über einen Zwei- taktmotor. Der Zweitakter war einfacher zu bauen, kam ohne Nockenwelle, Ventile und Stößelstangen aus, und das sparte Herstel- lungskosten und Gewicht. Auch die Unter- haltskosten waren geringer. Der F1 bildete Die AUTO UNION-Generalvertretung für Argentinien lag bei Fehling Hermanos in Buenos Aires. Die edle Außen- den Ausgangspunkt der DKW-Frontwagenrei- fassade (oben) versprach nicht zu viel, wie der großzügige Präsentationsraum (unten) zeigt. he, dem „Standbein“ der späteren AUTO UNI- StA-C, 31050 Auto Union AG, Nr. 548 ON AG. In Kooperation mit dem Zschopauer Stammwerk, das die Motoren lieferte, wurde bei Audi 1930/31 eine Montagelinie für die Fließband-Massenfertigung des „DKW-Volks- wagens“ eingerichtet. Schon 1931 konnten fast 3.500 Frontwagen ausgeliefert werden – Audi/DKW brach mit hohen Zuwachsraten in das Marktsegment des Branchenführers Opel ein. Opel hatte von allen Herstellern in Deutschland am konsequentesten seine Pro- duktion auf Fließband und Massenfertigung ausgerichtet.

Vor allem war aber der F1 der weltweit erste in Serie hergestellte Wagen mit Vorderradan- trieb. Ein Antriebskonzept, das es in der deut- schen Automobilgeschichte lange Zeit sehr schwer haben sollte. Als die Bundesrepublik im Zeichen des Wirtschaftswunders mit dem Volkswagen in die automobile Massenpro- duktion startete, setzten bis auf ganz wenige Ausnahmen alle Hersteller auf den Hinterrad- Spida hatte die AUTO UNION-Generalvertretung für Portugal. Die Werkstatt in Lissabon darf für die frühen 1940er-Jahre als hochmodern bezeichnet werden, Hebebühnen waren seinerzeit sehr selten antrieb. Lediglich die nach dem Krieg in Düs- StA-C, 31050 Auto Union AG, Nr. 548 seldorf und Ingolstadt gegründete Auto Union

20 | Sächsisches Archivblatt Heft 1-2010 fühlte sich dem Vorderradantrieb verpflichtet. onsunterlagen, Absatzstatistiken, Händler- archiv.sachsen.de). Online-Findbücher gibt es Nach der Übernahme durch Volkswagen 1964 kongressen und Werbestrategien – ein reicher zum Bestand AUTO UNION sowie zu Audi, sollte sich für den Wolfsburger Hersteller die Schatz für Wirtschafts- und Technikhistoriker Horch und Wanderer. Bereits im Jahr 2000 Frontantriebskompetenz der AUTO UNION sowie automobilinteressierte Laien. erschien zu diesen Beständen ein gedrucktes als Glückfall erweisen und damit gibt es bis Findbuch, das im Buchhandel erhältlich ist heute in der Generation Golf ein Gen von Eine automobilhistorische Entdeckungsreise (ISBN 3-89812-065-1). DKW – bzw. AUTO UNION. Wer mehr erfah- ins Staatsarchiv Chemnitz führt noch zu über ren möchte, kann im Bestand AUTO UNION im 20 weiteren Beständen, die auch die Zeit des Staatsarchiv Chemnitz Akten, Fotos, Prospek- DDR-Automobilbaus im Bezirk Karl-Marx- Hans-Christian Herrmann te, Zeichnungen und Werbefilme erkunden. Stadt abbilden. Wer es genauer wissen möch- Gert Schirok Von Vorstandsprotokollen über Konstrukti- te, nutze die Online-Beständeübersicht (www. Staatsarchiv Chemnitz

„Auf den Spuren der Digedags. Erste Erkundungen“ – Präsentation im Zeitgeschichtlichen Forum Leipzig

en, geboren. Von 1947 bis 1951 studierte He- genbarth an der Hochschule für Grafik und Buchkunst (HGB) in Leipzig. Danach arbeitete er in Berlin zunächst als freier Karikaturist. In der Satire-Zeitschrift „Frischer Wind“ (ab 1954 „Eulenspiegel“) erschienen circa 800 Zeichnungen von ihm. Aus Hegenbarths frü- her Schaffensphase stammt auch die Figur des Rumpelmännchens, das in der DDR ab 1954 für die Wiederverwertung von Altstof- fen warb.

1955 dann schlug die Geburtsstunde der Di- gedags: Hegenbarth schloss mit dem Verlag „Neues Leben“ einen Vertrag über die Heraus- gabe des Mosaik. Bis Juni 1975 erschienen –

Dig, Dag und Digedag auf dem Rücken des Löwen Nero, Farbskizze von Edith Szafranski, 1957 Vorlage: Zeitgeschichtliches Forum Leipzig

Im Juli 2009 übergab der Berliner Comic- verteilt auf drei Transporte, rund 48.000 Blät- zeichner, Karikaturist und Grafiker Johannes ter und Einzelobjekte aus dem Hegenbarth- Hegenbarth, alias Hannes Hegen, sein um- Archiv in den Museumsbestand übernommen. fangreiches Archiv als Vorlass an die Stiftung Die Schenkung umfasst Vorzeichnungen, Stu- Haus der Geschichte der Bundesrepublik dien und Entwürfe zum DDR-Comic „Mosaik“ Deutschland. Das Zeitgeschichtliche Forum sowie zahlreiche freie Arbeiten von Johannes nimmt den anstehenden 85. Geburtstag des Hegenbarth und seiner 2008 verstorbenen Zeichners zum Anlass und gibt unter dem Frau Edith Hegenbarth, geb. Szafranski. Hinzu Titel „Auf den Spuren der Digedags. Erste Er- kommt ein umfangreicher Bestand an Mate- kundungen“ vom 17. März bis 16. Mai 2010 rialordnern, Zeitungsausrissen und Drucken, im Foyer des Hauses mit circa 100 Grafiken die zu Studienzwecken und als Vorlagen für einen Einblick in das Hegenbarth-Archiv. Die die Arbeit an den Mosaik-Heften dienten. Jo- Ritter Runkel von Rübenstein, Figurine von Edith Sammlung ist in ihrem Umfang und in ihrer hannes Hegenbarth wurde 1925 in Böhmisch Hegenbarth (geb. Szafranski), ca. 1964 Vollständigkeit einzigartig. Bisher wurden, Kamnitz, heute Cˇeská Kamenice in Tschechi- Vorlage: Zeitgeschichtliches Forum Leipzig

Sächsisches Archivblatt Heft 1-2010 | 21 veröffentlicht unter dem Pseudonym Hannes ein Buchunikat, das Johannes Hegenbarth um über 10.000 Figurinen-Zeichnungen von Edith Hegen – 223 Hefte mit Abenteuern der drei 1960 gestaltete. Nach dem Erfolg der Digedag- Hegenbarth überliefert. quirligen Helden Dig, Dag und Digedag. Ver- Geschichten in Heft-Form plante er damals schiedene Zeichner, Grafiker und Texter waren die Herausgabe einer eigenen Buchreihe zum Die Präsentation dokumentiert die Übernah- unter der künstlerischen Leitung von Hegen an Mosaik. me des Archivs und seine Einarbeitung in der Gestaltung beteiligt. den Museumsbestand als „Work-in-progress“ Ein wichtiges Anliegen der Präsentation ist und gewährt im Rahmen einer kleinen Foto- Leser und Fans der Digedags treffen im Zeit- es, die zentrale künstlerische Rolle von Edith dokumentation auch einen Blick hinter die geschichtlichen Forum alte Bekannte wie das Hegenbarth deutlich zu machen. Sie zeichne- Kulissen. Zugleich gibt sie eine Vorschau auf Rumpelmännchen, den Löwen Nero und Ritter te ab 1957 – damals noch unter dem Namen eine große Mosaik-Ausstellung im Zeitge- Runkel von Rübenstein wieder. Zugleich öff- Szafranski – im Mosaik-Kollektiv und prägte schichtlichen Forum Leipzig, deren Eröffnung nen sich neue Perspektiven. Erstmals kann der den Gesamtcharakter der Comic-Geschichten für Ende 2011 geplant ist. Der Eintritt zur kreative und künstlerische Entstehungsprozess entscheidend mit. Als ehemalige Kostümbild- Präsentation ist frei. des Mosaiks anhand von Originalzeichnungen nerin war sie vor allem für die Entwürfe der und -materialien anschaulich gemacht wer- Figurinen zuständig, die den übrigen Mosaik- den. Auch nicht veröffentlichte Entwürfe aus Zeichnern als Vorlagen für die Gestaltung der Alexandra Kaiser der Werkstatt werden ausgestellt, darunter Mosaik-Hefte dienten. In der Sammlung sind Zeitgeschichtliches Forum Leipzig

„… und demnächst kommen Sie noch mit Kinderwagen ins Magazin…“

Der Ausruf war von einem freundlichen Au- genzwinkern begleitet, nachdem der letzte Schüler der 24. Grundschule das Archiv ver- lassen hatte. Es gehört eben noch nicht zu den Selbstverständlichkeiten, dass sich das Staatsarchiv auch für jüngere Kinder öff- net. Neue Nutzer generiert man mit dieser Zielgruppe zumindest nicht direkt. Was also steckt dahinter, wenn die Archivpädagogen zum Detektivspiel in den Räumen der Maga- zine aufrufen?

Sicher erinnert sich der eine oder andere Le- ser noch an eigene Kindheitstage, in denen „Räuber und Gendarm“ in wilder Hast durch möglichst verbotene Bereiche führte. Die endlos langen Regalreihen unserer Archiv- standorte würden hierfür auch eine gute Kulisse abgeben. Aber so weit treiben wir es dann doch nicht – keine Angst! Das Ziel des neuen Angebots besteht darin, erst gar kei- ne Schwellenängste vor dem Lernort Archiv Lisa Patricia Schilling, 4. Klasse der 24. Grundschule Leipzig, bestätigt in einer Urkunde die Unschuld der Archiv- entstehen und es zur Selbstverständlichkeit maus Archibald werden zu lassen, in den Häusern des Säch- sischen Staatsarchivs ein- und auszugehen Die Idee, die Dr. Hans-Christian Herrmann im Schüler nach 90 interessanten Minuten die und die Angebote zu nutzen. Erste Fachbe- Staatsarchiv Leipzig entwickelte, geht davon Frage beantworten, weshalb es nicht möglich griffe, wie Archivalie oder Akte, werden ver- aus, über die Comic-Figur einer Archivmaus ist, Archivgut mit nach Hause zu nehmen. mittelt und das Ordnungsprinzip im Magazin kindgerecht Wissenswertes zum Archiv zu ver- vorgestellt. Die Kinder erfahren, wie schwierig mitteln. Seinen ersten Einsatz hatte Archibald Diese Reise gehört inzwischen zum Standard- es ist, jahrhundertealte Bestände zu erhalten. so auch in 5. Klassen, denen er erklärte, wel- programm der Archivpädagogik. Die ersten Tinten- und Mäusefraß werden als Beispiele che Formen von Überlieferung im Staatsarchiv Veranstaltungen zeigten aber auch, wie leicht thematisiert, die Klimakontrolle mit allen Sin- gesammelt und wie aus Archivgut Quellen für es ist, jüngere Schüler zu begeistern. Häufig nen erlebbar gemacht. die Geschichtsschreibung werden. Unterstützt reichte die Zeit nicht aus, alle Nachfragen zu wird die „Entdeckungsreise in die unbekann- beantworten. Als Ausweg blieb nur die Ein- Das eigentliche Ziel des Besuchs besteht aber te Welt des Archivs“ durch die Präsentation ladung ins Archiv. Auch wurde deutlich, dass darin, unsere Archivmaus Archibald zu retten. ausgewählter Archivalien. Und so können die die Figur der Archivmaus geeignet ist, das

22 | Sächsisches Archivblatt Heft 1-2010 Sächsische Staatsarchiv in diesem Rahmen vom Umfang der Regale und der Arbeitsstille Einzel- und Gruppenbeiträge eingereicht wor- zu vertreten. Es war ein glücklicher Umstand, im Lesesaal passen sich die Grundschüler den den. Ob Hörspiel, Comic oder spannende Krimi- dass Theresa Rossenbach ein Thema für ihre Gegebenheiten an und unterhalten sich auch nalgeschichte – alle haben es sich zur Aufgabe Staatsexamensarbeit/Grundschullehramt bei der Urkundengestaltung nur im Flüsterton. gemacht, die Archivmaus von den Verdächti- suchte. Also – warum nicht im Bereich der Voller Stolz berichten diejenigen, denen die gungen zu befreien. Vor der Jury, die sich aus Archivpädagogik. Zumindest konnte sie sich Auszeichnung zuteil wird, mit Handschuhen Archivpädagogen und Archivaren zusammen- sicher sein, dass noch niemand in Sachsen vorsichtig auch einmal Pergament zu berühren, setzt, steht nun die schwierige Aufgabe, die eine vergleichbare Arbeit geschrieben hat. wie sich dieser alte Beschreibstoff anfühlt. Für Preisträger zu ermitteln. Und dann werden sich Gemeinsam entstand so die Idee, ein Detek- die Kinder wird somit der Besuch im Sächsi- wieder Grundschüler in den Magazinen tum- tivspiel zu entwerfen, welches auch Grund- schen Staatsarchiv zu einem unvergessenen meln, um vor Ort mitzuerleben, welche Aben- schulklassen den Gang ins Archiv ermöglicht. Erlebnis. teuer Archibald Archivmaus zu bestehen hat…

Ausgangspunkt ist die von Christian Störmer Eine Frage ist jedoch noch offen: Wer hat denn weiter entwickelte Comic-Figur Archibald. Der nun die Urkunden und Akten angenagt? Hier Merit Kegel Foto-Comic führt direkt ins Magazin. Hier gilt ist Fantasie gefragt. Gemeinsam mit dem Säch- Staatsarchiv Leipzig es, einen Fall von Sachbeschädigung aufzu- sischen Staatsministerium für Kultus hat das klären: Mäusefraß an einer wertvollen Urkun- Sächsische Staatsarchiv zu einem Wettbewerb Veröffentlichung der Preisträger demnächst unter de! Die Polizeibeamtinnen im Comic sind üb- für alle 3.-5. Klassen aufgerufen: „Rettet Archi- www.archiv.sachsen.de rigens echt – ein Dank für die Amtshilfe geht bald“. Der erste Preis ist – wie kann es anders Weitere Informationen zur Arbeit der Archivpädagogik an die Polizeidirektion Leipzig. Das Hörspiel, sein – ein Besuch im Archiv. Bisher sind über 50 unter www.sn.schule.de welches parallel in Zusammenarbeit mit dem Sächsischen Bildungsserver entstand, vervoll- ständigt die Geschichte. Für die Grundschu- len bettet sich so die Vorbereitungsphase in ARCHIBALD UNTER VERDACHT den laufenden Unterrichtsstoff ein: Nacher- zählen, Vergleichen von Comic und Hörspiel, Einblicke in die alte deutsche Schrift – all das sind Lehrplaninhalte. Ins Archiv kommen die LEIPZIG. FRÜH AM MORGEN IM Schüler nun mit dem Ziel, Archibald zu retten SÄCHSISCHEN STAATSARCHIV... und ihn von den Verdächtigungen zu befrei- ALFRED FLEISSIG BETRITT SEIN BÜRO. en. Es ist schon eine etwas andere Führung, A MANN, BIN ICH in deren Verlauf immer wieder Teile einer NOCH MÜDE. WAS IST A PASSIERT ? geheimnisvollen Akte gefunden werden. Am ? Ende ergeben die einzelnen Puzzleteile den A wichtigsten Hinweis: Staatsanwaltschaft A Leipzig, Anlage zur Ermittlungsakte, AZ: M04- GUTEN MORGEN ! NICHT SO VERSCHLAFEN ! A AL2/Reg5-3/3-05.01.10. WIR HABEN NOCH VIEL ZU TUN ! H WIR EILEN Nur wer aufgepasst hat, kann den Geheimcode H ZUR RETTUNG !! entziffern und findet im Magazin 4, Anlage 2, Regal 5 im Bestand der Staatsanwaltschaft H Leipzig die vollständigen Ermittlungsakten in ! der Strafsache gegen Archibald Archivmaus. ! Am Ende hält sich Archibald natürlich an sei- ARCHIBALD! NUR KEINE HEKTIK! DIE AKTEN ! nem Lieblingsplatz auf und bittet die Schüler, WERDEN SCHON NICHT DAVON LAUFEN ODER ihm seine Unschuld zu beurkunden. Dass das VERSCHWINDEN. dann nicht so einfach ist, bemerken diese bald. DIE ARCHIVARIN ADELE SCHRECK IST In einer Mit-Mach-Aktion werden nun Urkun- VÖLLIG AUFGEBRACHT. DER DIREKTOR DR.ERNST HAT VON ADELE ERFAHREN, WAS SIE HAT MÄUSEFRASS AN EINER AKTE GESCHEHEN IST. NUN MACHT ER MELDUNG BEI DER POLIZEI... den betrachtet und analysiert. Natürlich wurde GEFUNDEN! früher alles mit Hand geschrieben. Schönschrift – versteht sich! Im Zeitalter moderner Compu- ter ist es nicht mehr so selbstverständlich, dass man selbst auf eine ordentliche Platzaufteilung DAS WARST DU!! achten muss, dass Hilfslinien zu ziehen sind DAS ZEIGE ICH AN! HALLO, POLIZEI...? oder der inhaltliche Aufbau nicht schon vorge- ABER,ABER... FRÄULEIN SCHRECK; geben ist. Es strengt an, aber am Ende leuchten BITTE BERUHIGEN SIE SICH DOCH. ALFRED FLEISSIG BRINGT die Gesichter, wenn die fertigen Erstwerke dem DEN VÖLLIG VERSTÖRTEN ARCHIBALD DAS WAR MIT SICHERHEIT AUS ADELES SCHUSSLINIE. DIESE GARSTIGE MAUS! „Archivdirektor Dr. Ernst“ übergeben werden können.

Die kreative Unruhe, die in die Räume des Ar- Seite aus dem archivpädagogischen Comic „Archibald unter Verdacht“ chivs damit einzieht, stört nicht. Beeindruckt Gestaltung: Christian Störmer

Sächsisches Archivblatt Heft 1-2010 | 23 Vor 50 Jahren: Tragödie in Zwickau

Lengede in Niedersachsen im Oktober 1963: In das Eisenerzbergwerk „Mathilde“ bricht Wasser ein, etwa achtzig Bergleute können sich nach über Tage retten, einige werden ge- tötet und weitere in der Tiefe vermisst. Nach vierzehn Tagen Suchen und Hoffen geschieht das Unglaubliche: elf überlebende Bergleute können über eine Rettungsbohrung befreit werden – das „Wunder von Lengede“! Das Geschehen konnte seinerzeit live am Radio und Fernseher verfolgt werden, ging bald in die bundesdeutsche Erinnerungskultur ein und wurde zum Mythos verklärt. Eine andere, fast zeitgleiche und nicht minder dramatische Grubenkatastrophe ist dagegen außerhalb Sachsens kaum bekannt: Vor fünfzig Jahren, am 22. Februar 1960 ereignete sich im Zwi- ckauer „VEB Steinkohlenwerk Karl Marx“ ein Unglück, das den Menschen in der Region nicht als Wunder, sondern als Tragödie in Er- innerung geblieben ist. Kondolenztelegramm des (west-) Deutschen Gewerkschaftsbundes DGB, 25. Februar 1960 In den 1940er- und 1950er-Jahren hatte es StA-F, 40119 VEB Steinkohlenwerk Karl Marx Zwickau, Nr. 283 im Steinkohlenbergbau der DDR eine Vielzahl von Unfällen mit Sachschäden, Verletzten und über eine Explosion unter Tage unterrichtet tungsmaßnahmen bisher mehrere Verletzte Toten gegeben. Die Unfallhäufung gerade im worden und hatte daraufhin vorschriftsmä- und Tote zu beklagen“. Am Dienstagmorgen Steinkohlebergbau hat dabei zwei Ursachen: ßig die Zwickauer Bezirksstelle für das Gru- zählte man immerhin 68 Geborgene, jedoch Zum einen gibt es in dieser Bergbausparte benrettungs- und Gasschutzwesen sowie die auch bereits 17 Tote und – schlimmer noch im Unterschied z. B. zum Erzbergbau oder betriebliche Grubenwehr alarmiert, welche – 106 in der Tiefe vermisste Kumpel. Am Mitt- Braunkohletagebau die immanente Gefahr 8.45 Uhr zu den eingeschlossenen Bergleu- wochabend zeichnete sich dann ab, dass das von Kohlenstaubexplosionen. Der andere ten in über eintausend Metern Tiefe einfuhr. Unglück katastrophale Ausmaße erreichen Grund war der desolate Zustand der ostdeut- Zur Koordination der Rettungsarbeiten wur- würde. Nun zählte die Regierungskommission schen Steinkohlebetriebe – und damit nicht den zwei Einsatzleitungen und zusätzlich 48 Tote, und immer noch gab es keine Verbin- naturgegeben, sondern vom Menschen ver- noch eine Regierungskommission unter der dung zu den Vermissten. antwortet. Laut einer Zählung der Steinkoh- Leitung des Ersten Stellvertreters des Vorsit- lenverwaltung Zwickau aus dem Jahr 1951 zenden der Staatlichen Plankommission, Kurt Nachdem das SED-Politbüro bereits auf sei- starben im sächsischen Steinkohlebergbau in Gregor, gebildet. In ihr waren alle Bergbau- ner Sitzung am Dienstag über das Unglück den zurückliegenden dreißig Jahren (d. h. von institutionen, die beteiligten Einsatzkräfte informiert worden war, erschienen am Mitt- 1921 bis 1951) insgesamt 66 Bergleute – in sowie die Entscheidungsgremien der Partei- woch DDR-Ministerpräsident Otto Grotewohl, den folgenden knapp dreißig Jahren sollten und Staatsführung vertreten. Volkskammerpräsident Johannes Dieckmann, jedoch mindestens dreihundert Todesopfer in Edith Baumann (Kandidatin des SED-Politbü- den volkseigenen Steinkohlegruben zu bekla- In unregelmäßigen Abständen meldete die ros und Ex-Ehefrau Erich Honeckers) sowie gen sein! Als Ursache galten regelmäßig ver- Kommission fernschriftlich Informationen weitere Partei- und Staatsfunktionäre an der altete oder verschlisse technische Anlagen, über den Fortgang der Rettungsarbeiten so- Unglücksstelle und versicherten den Angehö- ungenügende Bewetterung, das Fehlen ge- wie die Anzahl der Geretteten, Vermissten und rigen der eingeschlossenen Bergleute, dass eigneten Ausbaumaterials, ein fluktuations- Toten nach Berlin. Diese Angaben spiegeln wi- alles Menschenmögliche zu deren Rettung bedingter Mangel an erfahrenen Bergleuten der, wie unklar den Verantwortlichen die Lage getan werde. Währenddessen kämpften die sowie schließlich die ungenügende Ausstat- lange Zeit war. Am Unglücksmontag um 13.34 Retter in der Tiefe gegen starken Qualm, Feuer tung der Bergleute mit Atemschutzgeräten Uhr wurden 35 Verletzte, 8 Tote und etwa „80 und Hitze. Die Temperatur in den Gängen be- (sogenannte „Selbstretter“). Kollegen in Gefahr“ gezählt; um 15.15 Uhr trug streckenweise über 50 Grad Celsius, das meldete man dann schon zehn Tote und pro- Löschwasser verdampfte in den Flammen und Alle diese Faktoren wirkten zusammen, als gnostizierte, „mit Erhöhung dieser Zahlen ist ließ die relative Luftfeuchtigkeit auf 100 % sich am Morgen des 22. Februars 1960 die zu rechnen“. Auch am Montagabend war die ansteigen – die Rettungskräfte meldeten, die Katastrophe ereignete. Der Werkdirektor des Lage immer noch weitgehend unbestimmt; Verhältnisse dort seien „unerträglich“. Den „VEB Steinkohlenwerk Karl Marx“, Willy Eil- in einer ersten Presseerklärung wurde mitge- Rettern mangelte es an Atem- und Löschge- hauer, war gegen halb neun Uhr telefonisch teilt, es seien „trotz sofortiger Hilfs- und Ret- räten sowie hitzebeständigen Asbestanzügen,

24 | Sächsisches Archivblatt Heft 1-2010 und es fehlten auch Erfahrungen, um solche Wie aus überlieferten Unterlagen im Berg- einem „Wunder von Zwickau“ geführt hätte, Katastrophenlagen beherrschen zu können. archiv Freiberg erkennbar ist, hatten einige erscheint angesichts der verheerenden Situ- Zeitweise regten Techniker den Einsatz neuar- Angehörige der Verschütteten wohl auf Hil- ation unter Tage zwar fraglich, jedoch ist das tiger, brandhemmender Chemikalien an, dann fe aus der Bundesrepublik gehofft, wo 1955 ehrliche Hilfsangebot ein beeindruckendes wies der inzwischen zur Staatlichen Plan- auf der Zeche Dahlbusch in Gelsenkirchen- Zeugnis der unverändert tief empfundenen kommission in Berlin aufgestiegene einstige Rotthausen mit Hilfe einer speziellen Ret- Solidarität unter den Bergleuten in beiden Vorzeigebergmann Adolf Hennecke auf ein tungskapsel (sogenannte „Dahlbuschbombe“) Teilen Deutschlands und die kategorische neuartiges Verfahren zur Brandeindämmung aus 855 Metern Tiefe drei Bergleute gerettet Ablehnung desselben Ausdruck der fatalen hin, welches die Grubenwehren aus der CˇSR worden waren, nachdem sie zuvor fünf Ta- Folgen des Kalten Krieges. zum Einsatz bringen könnten. Doch die emp- gen lang verschüttet gewesen waren. Und fohlenen neuartigen Chemikalien erwiesen tatsächlich hatte die Essener Hauptstelle für Ganz in diesem Sinne bemühte sich die Re- sich als hochtoxisch, und die Helfer aus der das Grubenrettungs- und Gasschutzwesen gierungskommission auch weniger um die CˇSR bekamen nicht das gewünschte Flugzeug schon am Tag nach dem Unglück Hilfe an- Verschütteten und die unter Tage kämpfen- für ihr Material und erreichten Zwickau über geboten, welche die Regierungskommission den Rettungsmannschaften als vielmehr um das verschneite Zinnwald erst am Mittwoch- in Zwickau allerdings ablehnte. Ob der Ein- die Stimmung der Menschen in der Bergbau- morgen per LKW. satz der westdeutschen Grubenwehren zu region. Am Donnerstag nach dem Unglück forderte Kurt Gregor von der Berliner Zentrale dringend eine „bessere Versorgung der Bevöl- kerung des Stadt- und Landkreises Zwickau“, wofür er je 1.000 zusätzliche Fernseher und Armbanduhren sowie Waschmaschinen, Gas- und Elektroherde, Kühlschränke, Staubsauger, Lederbekleidung, Radios, Motorräder und sogar insgesamt 330 PKW (Trabant, Škoda, Wartburg und Moskwitsch) zur sofortigen Abgabe an den Handel verlangte. Die Bereit- stellung dieser Waren gestaltete sich ange- sichts der ostdeutschen Mangelwirtschaft erwartungsgemäß schwierig. Ebenfalls zur Lenkung der öffentlichen Meinung wollte die Regierungskommission den Informations- fluss kontrollieren, weswegen die Befragung geretteter Bergleute zu möglichen weiteren Überlebenden erst durch die Kommission ge- nehmigt werden musste.

Am Freitagmorgen (26. Februar) berichtete Gregor nach Berlin, dass sich der Brand un- ter Tage noch weiter ausgedehnt habe, es herrschten unverändert Temperaturen von 50 Grad und starke Rauchentwicklung. Resi- gniert meldete Gregor, er rechne „nicht da- mit, dass noch lebende Kumpel angetroffen werden“. Nun ordnete der Ministerrat für den 27. Februar Staatstrauer an. Unter der Über- schrift „Ehre den Toten – Ruf an die Leben- den“ veröffentlichte die Tageszeitung „Freie Presse“ auf der Titelseite die Namen der Toten und Vermissten des Grubenunglücks, in den Mittagsstunden nahmen auf dem Zwickauer Stalinplatz Angehörige, Kumpel und Bevölke- rung von den Verunglückten Abschied. Über die Zeremonie für die „teuren Toten“ berich- tete der DDR-Rundfunk ebenso wie die Fern- sehnachrichtensendung „Aktuelle Kamera“. Die Trauer um die Opfer des Unglücks verein- te die Deutschen vor allem in den Bergbaure- gionen; im Ruhrgebiet und im Erzgebirge wa- ren die Fahnen auf Halbmast gesetzt, überall verharrten die Menschen; Maschinen und Au- Titelseite der Freien Presse, 27. Februar 1960 tos standen still und auch im westdeutschen StA-F, 40119 VEB Steinkohlenwerk Karl Marx Zwickau, Nr. 480 Bundestag erhoben sich die Abgeordneten

Sächsisches Archivblatt Heft 1-2010 | 25 Trauerfeier für die Opfer des Grubenunglücks in Zwickau, 27. Februar 1960 StA-F, 40108 Bildmaterialien aus dem sächsischen Steinkohlenbergbau, O 3191 während ihrer Sitzung am 9. März 1960 zu 49 Toten sowie 74 „Vermissten“ und zitierte das Zugunglück bei Langenweddingen im einer Traueransprache von Bundestagspräsi- Ministerpräsidenten Otto Grotewohl mit den Jahr 1967 (94 Tote) oder der Absturz eines dent Eugen Gerstenmaier. Worten: „Solange noch ein Funken Hoffnung sowjetischen Aeroflot-Passagierflugzeugs besteht, wird alles Menschenmögliche für die beim Landeanflug auf Berlin-Schönefeld im Währenddessen brannten auch in den Abend- Rettung unternommen“. Doch anders als im Jahr 1986 (72 Tote) hatten zwar ebenfalls stunden des 27. Februars unverändert Teile des niedersächsischen Lengede blieb in Zwickau schreckliche Folgen, waren jedoch nicht der- verzweigten Grubenfeldes, wo die vermissten ein Wunder aus. Am folgenden Montag, den art opferreich. Bergleute vermutet wurden. Schließlich traf 29. Februar, musste Werkdirektor Eilhauer die Regierungskommission eine schwere Ent- dann die furchtbare Bilanz der Tragödie zie- Der Partei- und Staatsführung war das Un- scheidung. Der nicht beherrschte Brand sollte hen, welche die Zeitungen in dürren Meldun- glück höchst unangenehm, und die von durch eine Unterbrechung der Frischluftzu- gen bekannt gaben: Von den 391 Personen, der SED gelenkte Presse bemühte sich, die fuhr erstickt werden. Dies bedeutete zugleich, die sich im Augenblick der Katastrophe in Verhältnisse im volkseigenen Steinkohlen- dass keine weiteren Versuche unternommen der Grube aufgehalten hatten, waren 268 bergbau möglichst positiv darzustellen, und würden, die Kumpel zu bergen; hundertzwan- lebend gerettet worden; 51 Bergleute konn- giftete gegen „Lügen“ der westdeutschen zig Stunden nach der Explosion wurden diese ten nur noch tot geborgen werden und für Presse und Politik. Zahlreiche Kumpel, Gru- nun für tot erklärt und in eintausend Meter 72 in der Grube vermisste Bergleute bestand benwehrmänner, Ärzte, Wissenschaftler Tiefe eingemauert – ein ungemein rigoro- keine Hoffnung auf Rettung mehr. Somit wa- und natürlich SED-Parteifunktionäre wur- ses, jedoch bei vergleichbaren Katastrophen ren 123 Todesopfer zu beklagen – gemessen den aufgeboten um zu versichern, dass für praktiziertes Verfahren (z. B. wurden bei ei- an der Zahl der Toten war es das bis dahin die Verunglückten alles getan werde, die nem verheerenden Brand im Kalibergwerk opferreichste Unglück in der Geschichte der Retter über das modernste Gerät verfügten Buggingen bei Freiburg im Jahr 1934 auf die DDR. und dass der volkseigene Bergbau sicher sei. gleiche Weise 86 Bergleute aufgegeben und Vor allem Berichte über zurückgewiesene eingeschlossen). Lediglich der Absturz eines Flugzeugs der Hilfsangebote aus Westdeutschland sowie DDR-Fluggesellschaft Interflug im Jahr 1972 über den Einsatz von Strafgefangenen im Über die Dramatik der Ereignisse sowie das in der Nähe des Ost-Berliner Flughafens Ber- Bergbau wurden vehement zurückgewiesen ganze Ausmaß der Tragödie wurden die lin-Schönefeld übersteigt mit 156 Toten die (wenngleich die Vorwürfe wegen der rigiden Menschen jedoch im Unklaren gelassen. Opferzahl der Zwickauer Grubenkatastro- Geheimhaltungspolitik regelmäßig im Detail Noch in ihrer Sonderausgabe vom Sonntag phe. Andere aufsehenerregende Großscha- nicht zutrafen, so waren sie doch im Kern berichtete die Zwickauer „Freie Presse“ von densereignisse in der DDR wie zum Beispiel keinesfalls unbegründet).

26 | Sächsisches Archivblatt Heft 1-2010 Mit der offiziellen Erklärung, die wahr- richts durch die Bergakademie wurde vom nicht identifizierte Tote sowie sechs weiter- scheinlichste Ursache der Katastrophe seien Leiter der Kohleindustrie beim DDR-Volks- hin Vermisste wurden im April 1963 auf dem Gebirgsbewegungen sowie Schlagwetter- wirtschaftsrat Klaus Siebold ausdrücklich Zwickauer Hauptfriedhof eine Grablege und und eine anschließende Kohlenstaubexplo- untersagt. Immerhin wurden Sicherheitsvor- ein Gedenkstein errichtet. sion gewesen, wurde menschliches Versa- schriften verändert und Verbesserungen für gen ausgeschlossen, und es bedurfte keines die Notfallausrüstung der Kumpel sowie der Der Steinkohlenbergbau in Zwickau blieb Schuldigen – anders als noch wenige Jahre Rettungsmannschaften gefordert. Künftig auch in den folgenden Jahren gefährlich. zuvor. Denn nach einem vergleichbaren Un- sollte jeder Bergmann der VVB Steinkohle ei- Bereits im August 1962 kam es im Blind- fall im benachbarten „VEB Steinkohlenwerk nen sogenannten „Selbstretter“ bekommen, schacht 13 des Karl-Marx-Werkes wieder zu Martin Hoop“ mit 49 Todesopfern im April um im Brandfall auch in dem Bereich, in wel- einem Grubenbrand mit Toten und Verletz- 1952 hatte die Partei- und Staatsführung chem die Luft mit tödlich wirkendem Brand- ten. In den Jahren 1966 und 1967 ordnete einen Schauprozess inszeniert, um der Öf- gas belastet ist, noch atmen und sodann aus daraufhin einer der ehemaligen Einsatzleiter fentlichkeit Sündenböcke für die Tragödie der Gefahrenzone fliehen zu können. Solche während des Unglücks von 1960 und nun- präsentieren und von den tatsächlichen Geräte gab es zwar schon zuvor, doch waren mehrige Generaldirektor der VVB Steinkoh- Unfallursachen – nämlich den desaströsen für längst nicht alle Bergleute Selbstretter le, Wolfgang Scheitler, an zu überprüfen, ob Zuständen im Betrieb – ablenken zu können. vorhanden und nur ein Viertel der Beleg- die Werkleitung nun besser auf eine Notlage So wurden damals sieben Personen der mitt- schaft war überhaupt an ihnen ausgebildet vorbereitet war. Doch die Ergebnisse waren leren Leitungsebene des Werkes beschuldigt, worden. Vor dem Brand flüchtende Bergleu- nach Einschätzung Scheitlers katastrophal, allein dafür verantwortlich zu sein, dass „die te hatten gar ihre Selbstretter weggeworfen, weder verfügten die Hilfsdienste über die Kumpel vor Ort unter schier unerträglichen da sie damit nicht umzugehen wussten! Für erforderliche Ausrüstung noch beherrschte Verhältnissen arbeiten mußten“. Dabei wuss- die Grubenwehren sollten Fernmeldemittel, das zuständige Personal die einfachsten Re- ten die VVB Steinkohle oder auch der zustän- Fahrzeuge und Wohnungen in der Nähe der geln, um auf eine solche Notlage zu reagie- dige Staatssekretär für Kohle und Energie es Betriebe geschaffen werden. Insgesamt ein ren. Zu weitergehenden Konsequenzen kam sehr wohl besser und intervenierten entspre- ambitioniertes Investitionsprogramm, das es jedoch nicht mehr, denn 1968 wurde der chend bei DDR-Ministerpräsident Grotewohl, jedoch nicht nur die finanziellen Möglichkei- VEB Steinkohlenwerk Karl Marx wegen der doch trotzdem wurden im Juli 1952 vom ten der DDR-Steinkohlenindustrie, sondern weitgehenden Erschöpfung der Lagerstätte Obersten Gericht der DDR die sieben Ange- auch die Lieferkapazitäten der RGW-Wirt- aufgelöst. klagten zu insgesamt 45 Jahren Zuchthaus schaft überforderte (allein die Beschaffung bzw. Gefängnis verurteilt. Die Choreogra- von 20.000 Selbstrettern sowjetischer Pro- Fünfzig Jahre danach erinnert kaum noch et- phie dieses stalinistischen Schauprozesses duktion erwies sich als nicht durchführbar, was an die damaligen Ereignisse. Die Stein- hatte man der berüchtigten Hilde Benjamin von der Verwendung des sowjetischen Kreis- kohleförderung im Zwickauer Revier wurde als Vorsitzender Richterin übertragen. Das laufatemgeräts SK3 für Grubenwehren rieten bereits Ende der 1960er-Jahre eingestellt, damalige Gerichtsverfahren war Teil einer gar sowjetische Fachleute ab). der Unglücksschacht wurde 1973 verwahrt, breit angelegten Propagandakampagne, zu und die Betriebe und ihre Anlagen sind ver- der auch die künstlerische Verarbeitung des Alle weiteren, nach dem Frühjahr 1960 fol- schwunden. Seit dem Jahr 2006 treffen sich Ereignisses gehörte: 1955 verfasste der als genden Bergungsmaßnahmen fanden dann Überlebende, ehemalige Bergleute sowie Hauer in den Zwickauer Steinkohlebergbau weitgehend unter Ausschluss der Öffent- Angehörige der Opfer alljährlich am Tag des delegierte und bis dahin literarisch kaum lichkeit und mit steter Begleitung durch die Unglücks an der Bergmännischen Gedenk- aufgefallene Rudolf Fischer im Stil des so- Geheimpolizei statt. Um die Jahreswende stätte des Zwickauer Hauptfriedhofs, um zialistischen Realismus den pathetischen 1960/61 herum wurden die Öffnung des der Toten des Grubenunglücks zu gedenken. Roman „Martin Hoop IV“. Die inakzeptablen abgeriegelten Brandfeldes und die Bergung Anlässlich des fünfzigsten Jahrestages der Zustände im Zwickauer Steinkohlenbergbau der Toten angeordnet. Nachdem die Ent- Zwickauer Katastrophe haben Medien aus- werden darin weitgehend beschönigt und gasung der Unglücksstelle beinahe an den führlich über die Ereignisse im Februar 1960 die tatsächlichen Ursachen für die Katastro- Möglichkeiten der DDR-Staatswirtschaft berichtet. Grundlage ihrer Recherchen waren phe verschwiegen. Stattdessen stellt Fischer gescheitert wäre, wurden im Frühjahr 1961 u. a. die Unterlagen im Bergarchiv Freiberg, das Unglück von 1952 als eine durch Sabo- erneut hunderte Grubenwehrleute in Zwi- wo das entsprechende Archivgut ebenso wie tage ausgelöste Schlagwetterexplosion dar. ckau zusammengezogen, um die verbro- dasjenige in anderen Archiven heute für je- Für diese Interpretation wurde er durch die chenen Grubenbaue herzurichten und in die dermann für die Benutzung zugänglich ist. offizielle Kritik hoch gelobt; 1956 erhielt er Tiefe vorzudringen. Dort stießen die Männer von der Akademie der Künste der DDR den schließlich auf die Leichen der vermissten Heinrich-Mann-Preis und das Buch erfuhr Bergleute. Deren Bergung, die Überführung 1958 eine zweite Auflage. in die Heimatorte und die Beisetzung wa- ren dann das letzte Kapitel der Tragödie. Bei Ähnliches wiederholte sich 1960 nicht, doch Nacht wurden die Toten zu den umliegenden über die Ursachen und Folgen der Katastro- Friedhöfen verbracht. Da man fürchtete, von phe wünschte die Partei- und Staatsführung den stark verwesten Körpern könnte eine Ge- auch diesmal keine Diskussion. Zwar war von sundheitsgefahr ausgehen, hatte die Regie- der Regierungskommission bereits am Tag rungskommission trotz „ernster Bedenken“ des Unglücks ein Untersuchungsgremium der VVB Steinkohle angeordnet, die Leichen unter der Leitung des Rektors der Bergaka- zu verbrennen. Damit setzte sie sich auch demie Freiberg eingesetzt worden, doch die über anders lautende Wünsche der Angehö- Clemens Heitmann Veröffentlichung eines Untersuchungsbe- rigen katholischer Bergleute hinweg. Für elf Bergarchiv Freiberg

Sächsisches Archivblatt Heft 1-2010 | 27 Prof. Dr. Renate Drucker (11. Juli 1917 – 23. Oktober 2009)

Der vielfach gebrochene akademische Le- bleibende bildhafte Eindrücke. Ihr konzen- benslauf von Renate Drucker – als soge- trierter, überflüssige Worte meidender Stil nannter Mischling 2. Grades wurde sie 1938 passt sich den abgebildeten Universitäts- von der Universität gewiesen – fand auch zweckbauten im 19. Jahrhundert kongenial nach 1945 nur eine begrenzte Kontinui- an. Dieser Handbuch-Aufsatz gehört zu den tät. Ihre universitären Leipziger und später großen Leistungen, die nach dem Jubiläum Straßburger Lehrer Walter Stach und Her- von 1909 einen festen Platz in der Leipziger mann Heimpel, beide zuständig für mittel- Universitätsgeschichte einnehmen. alterliche Geschichte, kehrten an ihre alte Universität nicht zurück. So begann Renate Ihr großes Alterswerk liegt auch im Archiv Drucker in Leipzig als Assistentin und spä- begründet. Bleibende Verdienste erwarb sich ter als Lehrbeauftragte für Mittellatein am Renate Drucker nach der Emeritierung mit Historischen Institut der Universität. Bereits ihren langjährigen, höchst verdienstvollen 1946 bescheinigt ihr Hermann Mau, der spä- Verzeichnungsarbeiten zum Nachlass des tere Direktor des Instituts für Zeitgeschichte Psychologen Wilhelm Wundt. Davon profi- in München, dass sie „eine der wenigen Spe- tieren heute nicht nur die Archivmitarbeiter, zialistinnen“ für dieses Fach sei. sondern vor allem die in- und ausländischen Benutzer. Die Abteilung für Historische Hilfswissen- schaften, der sie unterstand, wurde damals Ihr jahrzehntelanges liberales politisches geleitet von Hellmut Kretzschmar (1893– Renate Drucker im Jahr 2004 Engagement endet mit der Deutschen Ein- 1965), dem langjährigen Doyen für säch- Foto: Gerald Wiemers heit 1990. Sie fand keine neue politische sische Landesgeschichte und Direktor des Heimat. Stattdessen engagierte sie sich in Sächsischen Landeshauptarchivs in Dresden. zählen Archivare, Historiker und Germanis- der Ephraim-Carlebach-Stiftung in Leipzig, Aus dieser Verbindung wird der Schritt er- ten sowohl in den alten wie in den neuen wird 1993 in den Sächsischen Kultursenat klärlich, der zur schriftlichen Überlieferung Bundesländern. Renate Drucker hat uns mit berufen und regelt mit die Nachfolge im der Universität ab 1409, zum Archiv führ- geprägt. Ihre Großzügigkeit, ihr weiter Hori- Universitätsarchiv Leipzig. In der Universität te: 1950 wird Dr. Renate Drucker zur ersten zont, der durchaus über die engere Archiv- galt sie bald als die Grande Dame und erhält Leiterin des Universitätsarchivs berufen. Sie und Geschichtswissenschaft hinausreichte, als bisher einzige den Titel Universitätsbür- wird dieses Amt 27 Jahre mit großer Sorg- und nicht zuletzt ihre unbestechliche Art gerin zuerkannt. Längst ist sie Seniorin ihrer falt, herausragendem historischen Wissen haben uns tief beeindruckt. 1970 erhält sie, Universität. Bis zuletzt ist ihr Rat gefragt. und stetem Einsatzwillen, der weit über fast überfällig, eine außerordentliche Pro- diese Zeit hinausreicht, ausfüllen. Ihre über- fessur verliehen. Ohne Vorbild sein zu wollen, war sie uns ragenden Kenntnisse der lateinischen Spra- Vorbild. Renate Drucker half, wo sie konn- che im Mittelalter bestimmen das weitere Von ihren Aufsätzen seien drei hervorgeho- te. Es ging ihr nicht immer gut. Geklagt hat Betätigungsfeld. Renate Drucker erschließt ben. Renate Drucker schrieb mit Bedacht, sie nie. Sie konnte sich aus tiefstem Herzen das umfangreiche frühe urkundliche Ma- wiederholte sich möglichst nicht und ver- freuen. Das geschah vor allem dann, wenn terial, die Urkunden selbst, bearbeitet die mied alle Längen. Zuvor wog sie lange ab, ob sie „ihr“ Archiv in den richtigen Händen sah. frühe Rektoratsüberlieferung, die Akten der die Niederschrift überhaupt notwendig ist Das war zuletzt der Fall. Sie wird vielen feh- Fakultäten im 15. und 16. Jahrhundert und und tatsächlich neue Erkenntnisse bringt. len, nicht zuletzt galt sie als eine Art Gewis- verzeichnet die Unterlagen über die mittel- Aus einer solchen radikalen Sicht oder auch sen der hohen Schule. Ihr Gedankengebäude alterlichen nationes, nach denen die Univer- tiefen Verantwortung heraus erklärt sich ihr wird weitergetragen von ihren zahlreichen sität neben der Fakultätseinteilung bis 1825 relativ kleines Schriftenverzeichnis. 1956 Schülern in der Archivwissenschaft. ursprünglich gegliedert war. veröffentlichte Renate Drucker in der Fest- schrift für Heinrich Sproemberg den grund- Ihre Hauptaufgabe aber sah Renate Drucker, legenden Beitrag zur Vorgeschichte des ganz im Sinne der universitas, in der soli- Frauenstudiums an der Universität Leipzig, den Ausbildung ihrer Schüler. Die histori- dessen Kenntnis für den Einstieg in diese schen Hilfswissenschaften hat sie ab Mitte Materie unverzichtbar ist. Ein Jahr später der 1960er-Jahre an der Universität Leip- erschien ein knapper, aber sehr zutreffender zig allein vertreten. Sie wirkte schulbildend Bericht über das Universitätsarchiv mit sei- und nahm sich viel Zeit für Studenten und nen Beständen. Der Aufsatz über die Univer- Promovenden. Ihre „Lesekünste“ sowohl für sitätsbauten 1650–1945, abgedruckt in dem die lateinische wie auch für die spätmittelal- Band „Leipziger Universitätsbauten“ (1961) terliche deutsche Überlieferung werden bis lässt nicht nur den Glanz der alten Uni- Gerald Wiemers heute zu Recht gerühmt. Zu ihren Schülern versität erstehen, sondern vermittelt auch Leipzig

28 | Sächsisches Archivblatt Heft 1-2010 Rezensionen

Michele F. Pacifico/Thomas P. Wilsted bereits auf erhebliche Schwierigkeiten stoße. 10 °C und 30 % relative Luftfeuchtigkeit. Mit (Hrsg.), Archival and Special Collections Hinzu komme, dass sie nicht selten vonein- dieser Orientierung nimmt man im Interesse Facilities, Society of American Archivists, ander abwichen. Die Aufnahme der existie- der Bestandserhaltung umfängliche techni- Chicago 2009, 191 S., ISBN 1-931666- renden Standards in die vorliegenden Richt- sche Aufwendungen in Kauf. So kühl und tro- 31-8 linien musste somit aufwändig geprüft und cken wie möglich lautet auch die Devise bei entschieden werden. Arbeits- und Leseräumen. Hier werden Werte Die von der Society of American Archivists von 18,3 bis 23,9 °C und 30 bis 45 % relative (SAA) offiziell als Standard anerkannte Pub- Die Richtlinien sind in neun Sektionen ge- Luftfeuchtigkeit angegeben. likation trägt den Untertitel “Guidelines for gliedert: Gebäudestandort, Gebäudekons- Archivists, Librarians, Architects, and Engi- truktion, Klimatische Verhältnisse, Brand- Generell enthält die vorliegende Veröffentli- neers” und richtet sich damit an ein breites schutz, Sicherheit, Beleuchtung, Materialien, chung erstaunlich viele Details, die teilweise Publikum. Sie basiert auf der 2007 erschie- Magazinausstattung und Funktionsräume. weit in die Domäne der Architekten und Spe- nenen Veröffentlichung: Planning New and Ihnen gehen jeweils grundlegende Ausfüh- zialplaner reichen. So bieten die gut struktu- Remodeled Archival Facilities von Thomas P. rungen voraus, denen umfangreiche Details rierten Richtlinien eine aktuelle und komple- Wilsted (Vgl. Rezension in: Sächsisches Ar- folgen. Vielfach gehen sie über existierende xe Zusammenfassung der zu Archivbauten chivblatt 2/2007) und bildet auch die seit län- Standards hinaus. So finden sich bereits beim zur Verfügung stehenden Standards. Glossar, gerem laufende Diskussion über das Manage- Standort erstaunlich detaillierte Angaben, ausführliche Bibliografie zu allgemeinen und ment von Archiven ab. Die SAA folgt damit u. a. auch die Forderung nach einer Wende- speziellen Standards und Index runden die zugleich den Empfehlungen der von ihr ein- möglichkeit für einen 16 m langen Truck. Klar Publikation ab. gerichteten Task Force und ihrem Standards formuliert wird, dass die Raumkapazitäten Committee. nach dem Bezug des Gebäudes noch 15 bis Die SAA wollte mit der Publikation vor allem 20 Jahre ausreichen müssten und darüber hi- den Archivaren ein nützliches Hilfsmittel bei Wilsted betont in seiner Einführung, dass naus Erweiterungsflächen einzuplanen seien. der erfolgreichen baulichen Unterbringung die Archivare bei der erfolgreichen baulichen Weiterführend werden bei der Planung einzu- ihrer wertvollen Bestände zur Verfügung stel- Gestaltung von Archiven viel einzubringen beziehende öffentliche Stellen angegeben. len. Dies ist zweifellos gelungen. hätten. Sie müssten sich aber nicht nur die Zeit nehmen, die notwendige Sachkunde zu Bei der Gebäudekonstruktion finden sich wie- erlangen, sondern auch ihr politisches Ge- derum viele detaillierte Angaben, so z. B. zu schick nutzen, um ihre Einbeziehung in den Anforderungen an unterirdische Konstruk- Planungsprozess zu sichern. Er weist auch tionen. Hinsichtlich der Klimabedingungen auf die Existenz von vielen unterschiedlichen werden präzisere Empfehlungen gegeben, als Standards hin, deren Finden und Interpre- etwa in der DIN ISO 11799: für die dauerhafte Volker Jäger tieren durch die Archivare und Architekten Verwahrung papierbasierter Unterlagen z. B. Staatsarchiv Leipzig

Julia Pätzold, Leipziger gelehrte Schöf- ten, weitergeführt. Sie weist gegenüber den chivs Dresden und des Stadtarchivs Leipzig, fenspruchsammlung. Ein Beitrag zur Re- von der Editorin herangezogenen parallelen ausführlich erörtert. Besonderes Augenmerk zeptionsgeschichte in Kursachsen im 16. Überlieferungen, z. B. den Spruchbänden im wird dabei der tiefgreifenden Reform des Jh. (Schriften zur Rechtsgeschichte, 143), Bestand 10085 Schöppenstuhl zu Leipzig des Schöppenstuhls unter Kurfürst August 1574 Duncker & Humblot, Berlin 2009, 1084 S., Hauptstaatsarchivs Dresden, einige Beson- gewidmet, die rechtlich die Form einer Neu- ISBN 978-3-428-13129-7 derheiten auf. Hier sind entgegen sonstigen gründung der bisherigen städtischen Einrich- Gepflogenheiten die Rechtsquellen der Sprü- tung als kurfürstliche Institution hatte. Inst- Die hier vorgestellte Arbeit, eine juristische che genannt und in zahlreichen Fällen auch ruktive Ausführungen enthält die Einleitung Dissertation an der Universität Leipzig, be- die beteiligten Juristen angeführt. auch über die Beziehungen des Schöppen- inhaltet die Edition einer Schöffenspruch- stuhls zur Universität Leipzig und zu anderen sammlung aus der Domstiftsbibliothek St. Die Einleitung zur Edition enthält neben einer Institutionen der Rechtsprechung in Sachsen. Petri in (HS M II 53). Die in Bautzen ausführlichen Beschreibung und quellenkri- Zu den in der Spruchsammlung fassbaren als Abschrift aus der Zeit „um oder nicht lan- tischen Bewertung der edierten Handschrift Schöffen wurden Kurzbiografien aufgenom- ge nach 1600“ (S. 39) überlieferte Sammlung auch sehr lesenswerte rechtsgeschichtliche men, die interessante Informationen zu Karri- wurde nach einer plausiblen Vermutung der Ausführungen. Die Geschichte des Schöp- eremustern von Juristen des 16. Jahrhunderts Bearbeiterin möglicherweise durch den Leip- penstuhls Leipzig bis zum Ende des 16. Jahr- vermitteln. Die Analyse der Rechtsquellen ziger Schöffen Ludwig Fachs (1497–1554) hunderts wird unter Verwendung eines um- der Handschrift durch die Editorin ergab ei- angelegt und in dessen familiärem Umfeld, fangreichen Quellenmaterials, darunter auch nen gegenüber dem Sächsischen Recht weit zu dem weitere Leipziger Schöffen gehör- zahlreichen Archivalien des Hauptstaatsar- häufigeren Rückgriff auf das aus dem römi-

Sächsisches Archivblatt Heft 1-2010 | 29 schen und dem kanonischem Recht hervor- hunderts zusammenhängende Fälle sind 431, 432, 435 und 743) gehören nicht zum gegangene Gemeine Recht (ius commune). vertreten. Die Edition ermöglicht somit den in Oberösterreich gelegenen Andorf, son- In ihrem Schlusswort fasst die Editorin ihre Einblick in ein breites Spektrum typischer dern zu Antwerpen. Dies wird auch durch entsprechenden Beobachtungen folgender- Rechtsfragen des 16. Jahrhunderts. Für einen die Nennung der Niederlande in Nr. 428 und maßen zusammen (S. 866): „Gezeigt wurde, schnelleren thematischen Zugang wäre aller- 435 sowie eines wohl vom niederländischen dass die Rezeption auch im Kursachsen des dings ein Sachregister wünschenswert gewe- Groningen abgeleiteten Familiennamens „von 16. Jahrhunderts durchaus fortgeschritten sen. Dieses kann durch die grobe Ordnung des Gröningen“ in Nr. 743 deutlich. Lediglich im war. Jedoch wurde keineswegs das Sächsi- Originals nach inhaltlichen Gesichtspunkten, Fall von Nr. 800 („Andorff“) spricht einiges für sche Recht verdrängt. Vielmehr wurde eine die von der Editorin übernommen wurde, das oberösterreichische Andorf. Synthese aus ius commune und Sächsischem nicht vollständig ersetzt werden. Recht gebildet. Dies kommt insbesondere in In einem Fall (Nr. 178) hat die Editorin in Ab- den Kursächsischen Konstitutionen zum Aus- Der Anhang der Edition enthält ein nach weichung zu ihrer sonstigen Verfahrensweise druck, die in den jüngsten Schöffensprüchen Vornamen geordnetes Personenregister, zwei die dort offenbar sehr zahlreichen Fehler des mit berücksichtigt sind.“ Ortsregister für die Anfrageorte und weitere Kopisten in der Handschrift stillschweigend Orte sowie verschiedene Übersichten u. a. zu korrigiert. Hier wäre ein Hinweis beim ent- Die Edition selbst enthält 1.349 Sprüche und den in den Sprüchen zitierten Rechtsquellen. sprechenden Stück sinnvoll gewesen. So geht Konsilien vorwiegend des Schöppenstuhls Zwei Karten der Anfrageorte verdeutlichen der Fakt nur aus dem einleitenden Text zur zu Leipzig, gelegentlich aber auch anderer den Einfluss des Leipziger Schöppenstuhls Edition (S. 72) hervor und dürfte von vielen Personen und Institutionen. Etwa 39 % der in Großraum Leipzig sowie darüber hinaus Nutzern übersehen werden. Bei anderen Stü- Stücke konnten datiert werden. Sie bewegen in Mitteleuropa. Abbildungsbeispiele mit cken sind solche Korrekturen entsprechend sich in einem Zeitrahmen von 1509 bis 1598 Schriftproben der in der Handschrift nach- der hier angewandten Editionsgrundsätze (S. mit dem Schwerpunkt in den Jahren 1545– weisbaren Schreiber vermitteln einen konkre- 102) in Anmerkungen nachgewiesen. 1556. Als ergänzende Angaben zu den ein- ten Eindruck von der Quelle. zelnen Stücken hat die Editorin eine laufende Abgesehen von diesen kleinen Einschränkun- Nummer, die Seiten- und die Blattnummern Bei den Angaben zu Bestimmungsorten der gen handelt es sich jedoch um eine sauber der Editionsvorlage, eine kurze Angabe zum Sprüche wäre es sinnvoll gewesen, die Orte gearbeitete Edition, die den Zugang der For- Inhalt des Spruchs sowie, sofern erkennbar, eindeutig auszuweisen, die nicht identifiziert schung zu einer sonst nur schwierig und mit auch die Datierung, den Bestimmungsort des werden konnten. In solchen Fällen (z. B. Nr. hohem Zeitaufwand nutzbaren Überlieferung Spruchs, das Entscheidungsgremium und die 298 „Dunstigk“) wurde die Originalschreib- wesentlich erleichtert. Von der Tatsache, dass an der Entscheidung beteiligten Juristen mit weise des Ortsnamens übernommen, ohne die Textwiedergabe der Edition sehr zuverläs- aufgenommen. auf das Problem hinzuweisen. Ortsbestim- sig ist, kann man sich anhand der Abbildungs- mungen sind in einigen Fällen ungenau. So beispiele aus der Handschrift im Anhang Die edierten Sprüche behandeln zivil- und lässt sich mit der Angabe „Herrschaft Bünau, selbst überzeugen. Forschungen zur Rechts-, strafrechtliche Fragen sehr unterschiedlicher südlich von Leipzig: Berbisdorf, Miltitz“ bei Sozial- und Wirtschaftsgeschichte sowie zu Art. Sie betreffen z. B. die Gültigkeit örtlicher Nr. 140 wenig anfangen. Ein Berbisdorf gibt zahlreichen weiteren Wissenschaftszweigen Gewohnheitsrechte, verfahrensrechtliche es bei Leipzig nicht. Aus dem entsprechen- wird hier interessantes Material erschlossen. Fragen, unterschiedliche Angelegenheiten den Vorgang lässt sich dagegen erschließen, des Vertrags-, Erb-, Ehe-, Vormundschafts-, dass es um den gleichnamigen Ort bei Rade- Lehn-, Fischerei- und Jagdrechts, Landfrie- burg geht. Bei Miltitz geht es mit sehr großer densbruch, Aufruhr, Fehde, Sachbeschädi- Wahrscheinlichkeit gar nicht um einen der gung, Beleidigung, Betrug, Fälschung, Dieb- Orte dieses Namens, sondern um die gleich- stahl, Raub, Brandstiftung, Mord, Totschlag, namige Adelsfamilie, die sich nach Miltitz Körperverletzung sowie Sexualdelikte. Auch bei Meißen nannte. Die historischen Schrei- Eckhart Leisering mit den religiösen Umbrüchen des 16. Jahr- bungen „Antorff“ und „Anttorf“ (Nr. 428, 430, Hauptstaatsarchiv Dresden

Christian Hochmuth, Globale Güter – loka- Schwerpunktsetzung auf eher neu-kultur- eng mit dem europäischen Kolonialsystem le Aneignung. Kaffee, Tee, Schokolade und geschichtlichen Fragen der Einordnung und verknüpft; gleichzeitig spielten für ihre Dis- Tabak im frühneuzeitlichen Dresden, UVK Aneignung von Waren sowie auf dem lokalen tribution auf den europäischen Märkten zahl- Verlagsgesellschaft, Konstanz 2008, 272 Konsum einer stark von Hof und Adel gepräg- reiche Aspekte des europäisch-atlantischen S., ISBN 978-3-86764-082-4 ten Residenzstadt ist diese Entscheidung gut Wirtschaftssystems eine Rolle – von Produk- nachvollziehbar, zumal auch die archivische tionsbedingungen, Ver­ar­beitungs­formen und Dem Buch liegt eine Dissertation an der TU Überlieferung für Dresden relativ dicht ist. Preisentwicklungen bis hin zu Absatzwegen Dresden zu Grunde, die im Rahmen des Son- und Vermarktungs­strategien. derforschungsbereiches „Institutionalität Anstelle des älteren Begriffes „Kolonialwaren“ Zentrale Fragestellung Hochmuths sind die und Geschichtlichkeit“ entstanden ist. Als verwendet Christian Hochmuth den Termi- „Ordnungsleistungen“, die durch Wissens- lokaler Bezugsrahmen wird Dresden gewählt, nus „überseeische Waren“, löst die Untersu- vermittler, Kaufleute, Obrigkeiten und nicht das sich im späten 17. und frühen 18. Jahr- chungsobjekte damit aber begrifflich aus ih- zuletzt durch die Konsumenten beim Umgang hundert nicht zuletzt aufgrund seiner Resi- rem konkreten Herkunftszusammenhang. Ihre mit den neuen Genussmitteln erbracht wur- denzfunktion dynamisch entwickelte. Mit der Vermarktung und ihr Genuss in Europa waren den. Gestützt auf eine umfangreiche Quellen-

30 | Sächsisches Archivblatt Heft 1-2010 basis im Hauptstaatsarchiv Dresden und im gen um Benennungsmacht (S. 124) waren „finale Ordnungsleistung“ erscheinen aller- Stadtarchiv Dresden werden diese Ordnungs- oder ob für die Entscheidung der Obrigkeiten dings nicht glücklich gewählt. leistungen auch im Detail anschaulich und letztlich Fragen des sozialen Beziehungsge- nachvollziehbar gemacht. Der Autor stützt füges, der wirtschaftlichen und politischen Alles in allem hat Christian Hochmuth eine sich u. a. auf Mandate und Polizeiordnungen, Macht sowie wirtschaftspolitischer Zielvor- gut geschriebene Studie über einen inter- Konzessionsanträge von Gastwirten, aber stellungen ausschlaggebend waren, sei da- essanten lokalen Fall von „Ordnungs“- und auch auf Nachlassinventare, um den mate- hingestellt. Konsumgeschichte vorgelegt. Die bewusste riellen Besitzstand und das Konsumverhalten Entscheidung für einen methodischen Ansatz zu ergründen (z. B. über den Besitz von Por- Zum Dresdner Kolonialwarenkonsum im 18. aus dem Bereich der neuen Kulturgeschichte zellangeschirr, Zuckerzangen, Tabaksdosen Jahrhundert kann Hochmuth konstatieren, hat sich als fruchtbar für den Erkenntnisge- und –pfeifen). dass sich der Genuss besonders von Kaffee winn über „institutioneller Ordnungsleistun- und Tabak durch breite Bevölkerungsschich- gen“ im frühneuzeitlichen Dresden erwiesen. Dem Gerüst seiner Fragestellungen folgend ten zog. Den in Nachlassinventaren aufge- Um die Aneignungsgeschichte der Kolonial- untersucht Hochmuth zunächst das „Ordnen führten hochwertigen Konsumutensilien wie waren für ganz Sachsen weiter zu erforschen des Wissens“ und analysiert die Beurteilung Porzellantassen oder Tabaksdosen kamen (wobei Zucker nicht vergessen werden sollte), der überseeischen Waren in zeitgenössischen nach seiner Auffassung vor allem Distinkti- sind Studien zu weiteren Städten, aber auch Veröffentlichungen. Dabei entsteht ein wi- onseigenschaften zu, da ein sozial nach un- zu ländlichen Regionen sinnvoll, wobei eine dersprüchliches Bild, was nicht zuletzt mit ten abgegrenzter Konsum gegen den sich in stärkere Berücksichtigung vor allem wirt- dem sehr eingeschränkten Wissensstand der der Bevölkerung ausweitenden Kaffee- und schaftsgeschichtlicher Fragestellungen sicher damaligen Medizin sowie den politischen Tabakverbrauch durch exklusive, kostspielige nützlich ist. und wirtschaftlichen Interessen der Autoren Utensilien neu abgesichert werden sollte. Auf- zusammenhing. Das sich anschließende Ka- schlussreich sind auch die Untersuchungs- pitel „Ordnen der Handlungsfelder“ schildert ergebnisse zu den Dresdner Kaffeehäusern, den Detailhandel mit überseeischen Waren in wobei mehrere „feststehende“ Forschungs- Dresden und untersucht die argumentativen meinungen (z. B. zur Diskontinuität zwischen Auseinandersetzungen zwischen verschiede- traditionellen Gasthäusern und modernen nen Händlergruppen, die sich die Befugnis Kaffeehäusern oder zum Alkoholausschank zum Handel mit den neuen Produkten unter in Kaffeehäusern) in Frage gestellt werden, Hinweis auf Rechtslage und „Materialstatus“ sowie zur Erzeugung von Kolonialwaren-Sur- streitig machten. Ob diese Auseinanderset- rogaten (besonders von Zichorienkaffee). Die Jörg Ludwig zungen tatsächlich im Wesentlichen ein Rin- dabei genutzten Begriffe „Heimholung“ und Zentrale Aufgaben, Grundsatz

Randall C. Jimerson, Archives Power. Mem- ne Meinung dazu haben, welche Unterlagen schen Auffassungen der Archivare sind nicht ory, Accountability, and Social Justice, das Archiv übernehme, sondern das tun, was deckungsgleich und befinden sich oftmals in Society of American Archivists, Chicago sein Arbeitgeber und die Bürger von ihm er- einem Spannungsverhältnis, welches auch 2009, 442 S., ISBN 1-931666-30-X warteten. von rechtlichen und staatlichen Vorgaben be- einflusst wird. Wenn sich Archivare mit ihren Das Buch des Archivars, Historikers und Unter Einbeziehung eines breiten ideenge- Archiven verstärkt für soziale Gerechtigkeit Hochschullehrers Randall C. Jimerson, der schichtlichen Hintergrundes, bei dem Auto- engagieren, verlassen sie nach Auffassung von 2003 bis 2005 Vizepräsident bzw. Präsi- ren wie Orwell, Derrida und Foucault nicht von Jimerson den Elfenbeinturm der berufs- dent der Society of American Archivists war, fehlen dürfen, und auf der Grundlage lang- ständischen Neutralität und überwinden thematisiert aktuelle ethische Fragen des jähriger eigener Forschungen analysiert Ji- produktiv das Spannungsverhältnis zwischen Archivarsstandes, die in Deutschland eher merson das historische und aktuelle Tun der professioneller und individueller Moral. zurückhaltend diskutiert bzw. wahrgenom- Archivare und kommt zu dem Schluss, dass men werden, und knüpft damit auch an den das Konzept einer vermeintlichen politischen 1996 vom Internationalen Archivrat verab- und gesellschaftlichen Neutralität mit der schiedeten, in der Berufspraxis nicht überall Realität der archivarischen Berufspraxis nicht bekannten „Kodex ethischer Grundsätze für übereinstimmt. Im Zusammenhang mit den Archivarinnen und Archivare“ sowie an die grundlegenden politischen Veränderungen „Codes of Ethics“ der SAA an. Wo Vorschriften der 1990er-Jahre in Afrika, Amerika, Asien über das Archivwesen, den Datenschutz oder und Europa haben Archive völlig neue Auf- das Verwaltungsverfahren sowie eine Vielzahl gaben im Bereich von politischer Verantwor- weiterer rechtlicher und administrativer Be- tung, Transparenz und sozialer Gerechtigkeit stimmungen den Arbeitsalltag allumfassend übernommen. Prominentes Beispiel dafür ist regeln, scheint die individuelle ethische Ver- die Rolle der südafrikanischen Archive bei der antwortung des Archivars keine große Be- Überwindung der Apartheid. deutung mehr zu haben. Jimerson zitiert in diesem Zusammenhang die Äußerung eines Die ethischen Vorgaben berufsständischer Jörg Ludwig kanadischen Kollegen, ein Archivar sollte kei- Organisationen und die persönlichen morali- Zentrale Aufgaben, Grundsatz

Sächsisches Archivblatt Heft 1-2010 | 31 François Cuvilliés d. Ä., Entfestigungsplan für die Residenz Dresden, 1761 (vgl. hierzu den Beitrag von Tobias Knobelsdorf in diesem Heft) StA-D, 12884 Karten und Risse, F. 145, Nr. 12a

32 | Sächsisches Archivblatt Heft 1-2010 Sächsisches Archivblatt Mitteilungen des Sächsischen Staatsarchivs Heft 1 / 2010

Redaktion: Dr. Jörg Ludwig (Sächsisches Staatsarchiv, Zentrale Aufgaben, Grundsatz) E-mail: [email protected]

Redaktionsbeirat: Dr. Hans-Christian Herrmann (Sächsisches Staatsarchiv, Staatsarchiv Chemnitz) Dr. Peter Hoheisel (Sächsisches Staatsarchiv, Bergarchiv Freiberg) Birgit Richter (Sächsisches Staatsarchiv, Staatsarchiv Leipzig) Dr. Peter Wiegand (Sächsisches Staatsarchiv, Hauptstaatsarchiv Dresden)

Titelbild: Standbild aus einem Werbe-Clip über das Sächsische Staatsarchiv, der 2009 im Auftrag des Freistaates Sachsen von der Firma AVANGA Film- produktion GbR erstellt und auf YouTube veröffentlicht wurde Vorlage: AVANGA Filmproduktion GbR, Dresden; Kamera: Jürgen Rehberg

Adressen

Sächsisches Staatsarchiv Zentrale Aufgaben, Grundsatz Wilhelm-Buck-Straße 4, 01097 Dresden Telefon 0351 564-3740, Telefax 0351 564-3739, E-mail: [email protected]

Sächsisches Staatsarchiv Hauptstaatsarchiv Dresden Marienallee 12, 01099 Dresden Telefon 0351 8006-0, Telefax 0351 8021274, E-mail: [email protected]

Sächsisches Staatsarchiv Staatsarchiv Leipzig Schongauerstraße 1, 04328 Leipzig Telefon 0341 25555-00, Telefax 0341 25555-55, E-mail: [email protected]

Sächsisches Staatsarchiv Staatsarchiv Chemnitz Schulstraße 38, 09125 Chemnitz Telefon 0371 33479-0, Telefax 0371 33479-22, E-mail: [email protected]

Sächsisches Staatsarchiv Bergarchiv Freiberg Schlossplatz 4, 09599 Freiberg Telefon 03731 3946-10, Telefax 03731 3946-27, E-mail: [email protected]

Archivverbund Bautzen Staatsfilialarchiv Bautzen Schlossstraße 10, 02625 Bautzen Telefon 03591 531086, Telefax 03591 42647, E-mail: [email protected]

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Redaktion: Dr. Jörg Ludwig

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Redaktionsschluss: 16. April 2010

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